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Confidence

[NejiTen]-Adventskalender 2o1o
von

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o1. Dezember - Glaubenskrieger I -- Die Geburt


 

WiLLKOMMEN ZUM ERSTEN TÜRCHEN DES NEJiTEN-ADVENTSKALENDERS!
 

Musik:

- 30 Seconds to Mars: „This is War“

- P!NK: „Raise your glass“

- Negative: Album – „Neon“
 


 

Autor: Arethelya

Fandom: Naruto, Konzept teilweise an Angel’s Sanctuary angelehnt

Pairing: Neji x TenTen in Teil II

Thema: Himmel & Hölle / Engel & Dämon

Warning:Sehr viel Diskussionsstoff um die Glaubensfrage! Nichts für jemanden, der nicht gern andere Ansichten hört!

Für diesen Two-Shot habe ich eine eigene Lösung für das Gott/Götter und Schöpfungsproblem entwickelt. Sie basiert zum Teil auf das Christentum in abgewandelter Form und eher meinen Vorstellungen entsprechend, wie es für mich zuweilen logischer klingt. Ich möchte hiermit keine Christen und anderweitig Gläubigen auf die Füße treten und sie damit beleidigen. Es ist nur die alternative Schöpfungsmöglichkeit einer kleinen, unbedeutenden Agnostikerin, die Engel und Dämonen sehr gern hat und es als solches empfindet, dass diese teilweise viel zu kurz kommen.
 


 

GLAUBENSKRiEGER I __ DiE GEBURT
 


 

Menschen suchen ihr Leben lang nach Antworten, die sie nicht erhalten werden. Ihr geheiligter Sinn des Lebens… die erfolglose Suche nach einer nur ihnen bestimmten Aufgabe… die Geheimnisse des Universums. Sie finden viele Lösungen, doch nie die Wahrheit. Es würde ihren beschränkten Verstand überschreiten, weswegen ihre Hüter es schon lange aufgegeben haben, sie auf den richtigen Weg zu führen. Das ist auch der Grund, weshalb sie nicht das Wesen der Welt kennen lernen werden…
 

Menschen haben Religionen, eine so falsch wie die andere... oder sind sie alle gleich richtig? Und an diese Religionen, von denen sie nicht wissen, ob sie die Wahrheit sprechen können, klammern sie sich, leben danach, vergeuden ihre Freiheit, die sie im Gegensatz zu uns überhaupt besitzen, und lassen sich freiwillig in einen Käfig sperren. Ihre Hüter haben sie lange beobachtet. In ihrem Wahn haben sie für ihre Religionen, ihres gleichen getötet, in dem fanatischen Glauben ihrem Gott damit Ehre zu erweisen. Sie unterdrückten, plünderten, missionierten und entmenschlichten sich selbst.
 

Und dabei vollführen sie heuchlerische Gebete, in der zweifelhaften Hoffnung, ihr Herr bringt sie in ein jeweils von ihren Gedanken geschaffenes Paradies.
 

Die Hüter kennen den Herren und sie kennen die Wahrheit des Lebens…
 

.:[∞]:.
 

TenTen erzählt:
 

„Horcht, ihr unwissenden Menschen, ich werde euch eine kleine Geschichte erzählen… eine Erzählung, das die Wahrheit über eure Existenz erzählt.
 

Wie ihr wisst, existierte vor vielen Milliarden Jahren das Große Nichts. Aber es war nicht Nichts! In diesem Raum großer Leere, in dem nichts zu sein schien, kein Denken, Wind und Wetter, ballten sich zerstörerische Energien und wenige Atome, wie sie sich heute nie wieder finden lassen werden. Woher sie kamen, weiß niemand. Selbst wir nicht, die vielmehr aus diesen Tagen wissen, als ihr mit eurer Technologie erfahren werdet.
 

Eines Tages musste es eine Kraftentladung gegeben haben. Das Große Nichts starb in einer gewaltigen Explosion, dem Urknall, und so wurde das Universum geboren… Tod und Geburt gingen schon immer einher
 

Gase, die von der Explosion hervorgerufen wurden, schlossen sich zusammen, materialisierten sich und schufen Sonnen, Planeten und Sterne. Wie viele Jahre dafür wirklich vergingen, wird wohl immer ungewiss bleiben. Das Universum schuf sich selbst in einer unwirtlichen Umgebung und dehnte sich immer weiter aus. Auch dies wisst ihr bereits, dank eurer Möglichkeiten, die ihr euch geschaffen habt.
 

Jedoch noch war nicht von Leben zu denken… so glauben zumindest die meisten von euch. Doch dies ist falsch…
 

Kaum jemand weiß, dass diese Explosion nicht nur Wasserstoffe und andere atomare Teilchen und sehr viel Energie freisetzte… nein… mit ihr wurde eine unstoffliche, nicht feste Materie geschaffen, Anti-Materie, die ein geringes Bewusstsein besaß…
 

Der Eine, den Menschen Gott, Allah, Jahve, Zeus, Kronos oder sonst wie nennen, wurde geboren. Anti-Materie, ohne eine Form, mit dem Verstand eines Kindes. Ja, eines Kindes. Kaum fähig zu denken, nur zu lernen, indem es ausprobiert und übt. Niemals würden Menschen auf den Gedanken können, dass Der Eine bei Seiner Geburt von Seiner geistigen Kompetenz einem Menschen der heutigen Zeit weit unterlegen war. Nicht das Wesen, das das absolut Gute ist, das allmächtige Wissen in sich birgt und ohne Fehl ist.
 

Damals wanderte Er ziellos durchs All, ohne zu wissen, was und wer Er war, ohne Ahnung, dass es eine Welt außerhalb der düsteren Finsternis der Galaxien gab.
 

Aber eines Tages fand Seine Suche ein Ende. Der Planet Erde, der damals am Anfang seiner Entwicklung stand und bereits über einen Mond verfügte, fesselte Ihn und Er entschied zu bleiben. Er beobachtete mit Faszination, wie der Planet allmählich abkühlte, sich formte und fest wurde und wie die kochende Ursuppe des Meeres vor sich hin brodelte. Ja, die Erde entstand ohne Sein zutun. Doch ohne Ihn wäre sie nie zu dem geworden, was sie heute war. Der Eine hatte keine geringe Rolle bei der Entstehung des Lebens auf Erden, doch war Er nicht der „Große Schöpfer“, wie Ihn die Menschen gern betiteln. Viel mehr war es ein Zufall, dass eine kleine Handlung Seinerseits die entscheidende Kettenreaktion auslöste, die Leben möglich machte…
 

Der Eine, bestehend aus energiereicher Anti-Materie, erfüllt von Kräften, die Er weder verstand noch zu kontrollieren wusste, löste bei der Berührung der aufgeladenen Atmosphäre einen Energiestoß aus, der ein gewaltiges Unwetter zufolge hatte. Bei diesem Unwetter und den zahlreichen Blitzen, der erhitzten Kohlenstoffdioxid reichen Luft und der kochenden Ursuppe, kam eine chemische Reaktion zustande, die mit heutigen Mitteln nicht nachzuahmen ist. Deren Folge waren chemische Verbindungen, aus denen dann die Einzeller entstanden… die ersten Lebewesen auf dem Planeten Erde.
 

Er begriff zuerst nicht, was geschah. Doch Er konnte zusehen, wie das Leben auf der Erde gedieh. Wie die kleinen Einzeller sich weiterentwickelten zu mehrzelligen Organismen, die zuerst als Pflanzen die Atmosphäre mit Sauerstoff anreicherten und so den Weg ebneten für die Tiere, die ihnen nachfolgten… erst Fische und dann die Landbewohner.
 

Für Ihn verlief dieser Prozess wohl in großer Schnelligkeit, denn Er lebt außerhalb des normalen Zeitverständnisses. Zu dem Zeitpunkt, als sich die Saurier entwickelten und zu Herrschern des Planeten wurden, befand Er sich auf dem Niveau eines Kleinkindes, das gelernt hat zu greifen und zu spielen und winzige Laute auszustoßen.
 

Er begleitete den Planeten in seiner Entwicklung, nicht ohne allmählich Seine Möglichkeit der Beeinflussung zu entdecken. Er war in der Lage mit Seinen in sich verborgenen Energien Stürme hervorzurufen, Gewitter zu provozieren und im Meer Wellen hochschlagen zu lassen. Am Anfang war es für Ihn ein Spiel. Irgendwann wollte Er mit diesen Wesen spielen, doch Er musste erkennen, dass die Tiere Ihn nicht wahrnahmen. Sie beachteten Ihn nicht, sahen Ihn nicht. Zuerst war Ihm das unbegreiflich und vor Wut, verteilte Er Seine Kräfte und suchte etwas, woran Er sie auslassen konnte.
 

Und Er war nicht in der Lage zu erkennen, welchen großen Fehler Er beging.
 

Unbeabsichtigt hatte Er den Asteroiden, der auf die Erde zusteuerte, in Seiner Wut mittels Seiner Kräfte beschleunigt. Sein Verstand war nicht in der Lage zu erfassen, welche Folge es haben könnte für die Lebewesen auf Seinem ausersehenen Spielplatz.
 

Der Verlauf des Unglücks ist bekannt. Durch die zusätzliche Energie Des Einen besaß der Meteorit genug Zerstörungskraft, um fast alles Leben auf der Erde auszulöschen. Vegetation starb, die Dinosaurier wurden ausgerottet. Nur wenige Arten überlebten, von denen die heutige Fauna abstammt.
 

Er war zuerst sehr unglücklich darüber. Wie ein störrisches Kleinkind wollte Er zuerst Seinen Spielplatz aufgeben und einen neuen suchen, doch da entdeckte Er die Überlebenden, die einen neuen Spielplatz für Ihn erbauten. Und Jahrhunderte zogen dahin.
 

Mit der Zeit und diversen Versuchen erkannte Er, dass die Wesen Ihn nicht ignorierten, sondern wirklich nicht wahrnehmen konnten oder nur als eine kalte Brise auf ihrem Körper spürten. Erst mit zunehmendem Alter konnte Er verstehen, dass Er für sie nicht sichtbar war. Er lebt auf einer anderen Sphäre des Seins, die für lebende Existenzen nicht erreichbar ist.
 

Zu dem Zeitpunkt, als der erste Affe sich aufrichtete, um über die Grassteppen nach Feinden Ausschau zu halten und so die Entwicklung einer ganz neuen Art begünstigte, war Er in dem Alter eines Kleinkindes, das perfekt sprechen und laufen kann und von einem unstillbaren Wissensdurst sowie Selbstbestimmungsdrang geplagt wird. Außerdem war Er nun in der Lage diverse abstrakte Vorgänge vorausschauend zu erschließen und logisch nachzuvollziehen. Es war Ihm auch möglich, Vorlieben zu entwickeln und sein Gefühlsleben war soweit ausgereift, dass Er in der Lage war, jemanden zu bevorzugen und zu vernachlässigen oder heftige Abneigung zu entwickeln.
 

So kam es, dass die Vorfahren des Menschen zu Seinen Lieblingen aufstiegen, da sie, wie Er feststellte, die erfindungsreichsten Wesen auf dem Planeten waren und sie sich immer weiter entwickelten und veränderten.
 

Mittels Seiner Kräfte begünstigte Er ihre Entwicklung. Er erkannte, dass sie Wasser brauchten, sonst starben sie, also provozierte er Gewitter nach einer trockenen Periode. Er besänftigte Stürme, die sie getötet hätten. Zwar war Er nicht in der Lage, sie vor allem zu bewahren, aber Er sicherte ihr Überleben. Er begann zu entscheiden, dass der Mensch alles bekommen sollte, was dieser brauchte und die anderen Lebewesen Futter sein sollten. Die Tiere, die die Menschen angriffen, waren Feinde und so oft wie möglich strafte Er sie.
 

Als die Menschen immer mehr Körperbehaarung verloren und erkannten, dass große Mächte in der Natur wirkten, die sie sich nicht erklären konnten, wollte Er auch wie sie sein. So aussehen wie sie. So gehen und reden wie sie. Und so versuchte Er mittels Seiner Kräfte, sich zu einen von ihnen zu machen. Stofflich, denn Er hatte erkannt, dass dies ihr größter Unterschied war. Aufgerichtet. Und mit großem Gehirn.
 

Er scheiterte an dem Versuch. Er konnte Seine Gestalt nicht festigen, nicht vollends. Er blieb unwirklich und Sein Äußeres unterschied sich von dem Ihrigen. Sein Körper war größer und länger, Seine Gliedmaßen hatten andere Proportionen und Er besaß kein Geschlecht, denn es war Ihm nicht möglich, von sich selbst in einer bestimmten Kategorie – und sei es nur Mann oder Frau – zu denken.
 

Um einen Ausgleich zu diesem misslungenen Experiment zu erzielen, versuchte Er selbst etwas zu kreieren. Er wollte selber Lebewesen wie Seine Lieblinge schaffen, die ihnen verständlich machen konnten, wer Er war, sodass endlich eine Brücke zwischen Ihm und den Menschen möglich war. Außerdem wollte Er auch etwas schaffen, das vielleicht sogar besser war als die Menschen, die von diesem Planeten geboren worden waren. Er hatte eine unerklärliche Eifersucht auf die Erde entwickelt, die Leben hatte hervorrufen können, was Er nicht konnte.
 

Mit aller Macht wollte Er selbst Menschen schöpfen.
 

Auch das Experiment misslang. Die Wesen, die er aus Erde und Wasser, Feuer und Wind, Licht und Schatten formte, waren absurder Gestalt, nur halbstofflich wie Er, ungehorsam, aggressiv und alles andere als den Menschen ähnlich. Trotzdem verspürten sie eine heiße und heftige Liebe Ihm gegenüber, Er, der sie erweckt und Leben eingehaucht hatte. Sie nannten Ihn in ihrer unvollkommenen Sprache Den Feueratem, denn Sein heißer Atem hatte sie gerufen.
 

Doch Er war mehr als enttäuscht von den Kreaturen, die Er geformt hatte. Er verstieß sie, kaum dass sie ihre ersten Gehversuche gemacht hatten, um Ihm zu dienen. Er wandte sich von Seinen Kindern ab und den Menschen, Seinen Lieblingen, wieder zu.
 

Die Erstgeborenen bemerkten dies und in ihrem verletzten Stolz und ihrer unerwiderten Liebe schworen sie Rache. Sie griffen die Menschen an, um jene zu töten, die ihnen den Vater geraubt hatten, doch Er vertrieb sie und verbannte sie in eine andere Sphäre der Erde. Die Menschen, Angst erfüllt, nannten sie Dämonen ob ihres schrecklichen Aussehens und ihrer tiefen Gier nach Blut.
 

Dort, an den verborgenen Orten, die später von den Menschen Die Sieben Höllen genannt wurden, schwärte der Hass der Erstgeborenen. Sie übten sich in ihrer Macht, die sie von Dem Einen erhalten hatten, um den Menschen und Ihm würdig zu dienen. Sie würden sie nun für das Gegenteil benutzen. Und immer wieder griffen sie die Menschen an, doch sie wurden regelmäßig zurückgeschlagen, was ihren Hass nur noch verstärkte.
 

Sie warteten in der Dunkelheit auf ihre große Chance.
 

Die Zeit raste dahin. Inzwischen waren die Menschen sässig geworden und entwickelten Rituale, beteten andere Götter an, die Er ihnen noch auszutreiben gedachte und Er… Er war inzwischen ein großes Kind, noch nicht in der Pubertät, aber kurz davor. Er war noch nicht reif genug, um zu sehen, dass die Menschen nicht so gut waren, wie Er glaubte. Geflissentlich sah Er darüber hinweg, dass sie schon damals einander angriffen, verletzten, bekriegten und töteten. Vielleicht verstand Er mit Seinem geringen Horizont auch nicht, dass sie mit ihrer geistigen Kompetenz solche Dinge nicht tun dürften. Aber so lernte Er fälschlicher Weise das Töten und Unterdrücken als eine normale Handlung zu betrachten, die der Stärkere den Schwächeren antat. Umso mehr Kriege sie führten, desto selbstverständlicher wurde es für Ihn und umso weniger entwickelte Er ein Verständnis für gut und böse. Er dachte nicht in diesen Systemen, es war alles gleich.
 

Und weil Er es nicht zu unterscheiden wusste, betrachtetet ihr Menschen euren Gott sowohl als gütig als auch rachsüchtig. Dabei ist Er weder das eine noch das andere, auch heute noch. Aus moralischer Sicht sind Belohnung und Bestrafung für Ihn dasselbe. Nur anhand Seiner Erfahrung wusste Er, wann das eine zutraf und wann das andere. Das Warum könnte Er nicht erklären.
 

Er hatte sich inzwischen in ein störrisches, heranwachsendes Kind entwickelt, das seine Versuche weiterführt, nachdem es eine Zeit lang vor Frustration getobt hat. Irgendwann gelang es Ihm: Das Formen einer neuen Art, einer Rasse, die dem Menschen ähnelt, ohne Mensch zu sein. Denn nicht nur, dass Er sie den Menschen gleich machte, nur irgendwie schöner, kälter, ästhetischer und graziler, nein, Er verband sie mit den Ihm am zweitliebsten Wesen des Planeten – den Adlern. Er gab ihnen Adlerschwingen, machte diese ihren Körpern entsprechend größer, damit sie weite Distanzen überwinden und sich über die Menschen erheben konnten, um über große Entfernungen ihre Feinde aussichtig zu machen. Er schuf sie als Diener der Menschen, als ihre Beschützer und als Seine Kinder, die Ihm Untertan waren. Er gab ihnen verschiedene Ränge und Aufgaben, unterschiedliche Gesichter und obwohl sie alle Seine Kinder waren, machte Er die wenigsten zu Geschwistern. Er nannte sie Die Malak. Engel in der heutigen Sprache der Menschen.
 

Und weil sie so schön und gelungen waren, hatte Er Zuneigung für sie. Besonders einen unter ihnen, genannt Luzifel, der Lichtbringer und der schönste unter ihnen mit seinen langen, schwarzen Haaren und den eisblauen Augen, die tief in die Seele eines jeden Lebewesens blicken konnten. Ihm schenkte Er große Macht und viel Aufmerksamkeit, war er doch den Menschen am ähnlichsten.
 

Er holte die Malak in Sein Reich, das Er sich in den Jahren erschaffen hatte. Dort sollten sie mit Ihm leben, Ihm dienen und von dort aus beobachten, wenn die Menschen Hilfe brauchten vor den Erstgeborenen, die doch eigentlich ihre älteren Brüder und Schwestern waren. Aber aus Liebe und Treue zu ihrem Vater kämpften sie gegen die Dämonen und taten alles, um Ihn zu gefallen.
 

Denn sie hatten drei Fehler…
 

Der erste Fehler: Sie waren wie Er nicht wirklich, nur halbfest in der Welt der Menschen. Manche von ihnen konnten die Malak sehen, berühren… andere waren nicht einmal in der Lage sie zu spüren. Ihr Einfluss war gering und hing von der inneren Kraft des Menschen ab beziehungsweise seiner Nähe zu den Mysterien.
 

Der zweite Fehler: Sie wollten Seine Liebe voll und ganz, waren sie doch Seine Geschöpfe. Insbesondere die heißblütigen Eiferer unter ihnen strebten nach Seiner Aufmerksamkeit, die ihnen verwehrt blieb, da Er nur die Menschen aus vollem Herzen liebte. Sie verzehrten sich in ihrem Verlangen und sie begannen vor Eifersucht auf den Menschen zu verbrennen, dass sie alsbald vergaßen, wer sie wofür geschaffen hatte.
 

Der dritte und entscheidende Fehler:
 

Die Malak hatten etwas geschenkt bekommen, dass nur die Menschen empfanden – fleischliches Begehren nach Nähe, der intimste Ausdruck der Liebe, der nicht nur dem puren Selbsterhaltungstrieb erwachsen war, sondern eine überlegene Sexualität bewies, die aber auch missbraucht werden konnte. Und Er verabscheute die Fleischeslüste…
 

Der Eine, ein Wesen, das von sich selbst nicht imstande war als Geschlecht zu denken und das in Seiner Jugend absolut asexuell war, ekelte sich vor der körperlichen Liebe. Er verstand auf eine bizarre Weise die Notwendigkeit dieser Praxis, aber akzeptieren konnte Er sie nicht. Aber da Er erreicht hatte, selber Leben zu schaffen, wusste Er, dass es für die Malak nicht notwendig war, diese widerwärtigen Praktiken auszuführen. Er konnte immer Neue ihrer Art erschaffen.
 

Deswegen verbot Er ihnen die geschlechtliche Liebe, verbot ihnen jemals einen anderen ihrer Art mehr zu lieben als Ihn, ihren Schöpfer, ihren Herren, ihren Vater.
 

Aber kann man so einfach dem Herzen verbieten zu lieben? Dem Körper entsagen zu begehren, wenn jede Faser deines Inneren danach schreit?
 

Einige der Malak widersetzten sich dem Gebot, heimlich, um ihren Vater nicht zu zürnen, von dem sie sich Verständnis ihrer Lage erhofften. Doch dann geschah etwas, womit keiner gerechnet hatte:
 

Die ersten Missgeburten wurden geboren.
 

Es wurden Malak gezeugt, die eine unstimmige Anzahl an Flügeln besaßen, in gar merkwürdigen Farben, die von den typischen weißen, schwarzen und grauen Schwingen abwichen. Entstellte Gesichter, psychotische Geister – schizophren oder neurotisch, kleinwüchsige Körper und ihre Kräfte… ihre Kräfte überstiegen das Maß, das ein Malak besitzen sollte. Kinder zweier einfacher Engel erhielten den Rang eines Seraphin, die ranghöchsten Engel überhaupt.
 

Die ersten geborenen Malak wurden getötet und verbannt und… Er, Der Eine, ließ zum Zeichen Seiner Autorität all jene, die Seine Gebote überschritten hatten, öffentlich hinrichten.
 

Am Anfang waren sie eingeschüchtert und sie gehorchten.

Am Anfang begannen sie andere ihrer Art zu ächten, die sich Seinen Geboten nicht beugten, und dennoch Gefühle für andere Malak entwickelten.

Am Anfang töteten sie sich auf Seinen Geheiß gegenseitig, in der Hoffnung, doch Seine Liebe für ihre Treue zu erringen.

Am Anfang zumindest…
 

Denn nach Jahrhunderten begann einer unter den Malak zu lieben, was er selbst niemals für möglich gehalten hätte, was er sich selbst immer verweigert hatte, was er nicht gebraucht hatte und gerade ihm wäre diese Tat niemals verziehen worden, wenn Er es herausgefunden hätte.
 

Luzifel, der schönste aller Engel, hatte sich in eins der neuesten Kunstwerke Des Einen verliebt. Er begehrte Lilith, den ersten Menschen, den Der Einen inzwischen erfolgreich ins Leben gerufen hatte, nachdem Seine beiden anderen Modelle Adam und Eva einfach wieder zu Staub zerfielen. Sie war stofflich, wirklich und hatte dennoch einen Bezug zu Seiner Sphäre des Seins, sodass sie in der Lage war, Ihn und die Malak zu sehen und zu sprechen. Sie war die perfekte Schöpfung, eine Heilige, Sein Sprachrohr.
 

Aber Lilith liebte Luzifel, nicht Den Einen, wofür sie noch büßen sollte. Sie entschied sich für den höchsten aller Engel, anstatt im Namen ihres Schöpfers unter den Menschen zu wandeln und von Seinen Worten zu künden, damit die Menschen Ihn als übermächtiges Wesen anerkannten.
 

Der Lichtbringer wusste, welche Strafe ihn allein für sein Begehren erwarten würde, aber er war nicht bereit das aufzugeben, was er spürte, wenn Lilith bei ihm war. Und nun verstand er all jene, die er zuerst geächtet und im Namen seines Herren verfolgt und getötet hatte. Er verstand ihr Leid und das ihnen Unrecht getan wurde… weil die Liebe in all ihren Facetten das schönste Geschenk war, das man besitzen konnte.
 

Damit begann seine zunächst stille Rebellion. Im Untergrund versammelte er all jene, die mit der Herrschaft Des Einen nicht mehr zufrieden waren, um Ihn von Seinem Thron zu stoßen.
 

Der Eine war inzwischen zu einem pubertierenden Jugendlichen herangewachsen, rechthaberisch und störrisch, wenn auch zweifelnd und unsicher, sich selbst entdeckend und sich selbst ob Seines Geschlechtes erfragend, und trotz allem immer noch absolut uneinsichtig. Liliths Weigerung Seines Befehls stimmte Ihn überaus zornig. Noch wütender machte Ihn, dass sie Ihm offen gestand, dass sie einen Engel liebte.
 

Als Er in Anwesenheit all Seiner Kinder beschloss, Lilith in die Hölle zu verbannen, da sie sich Ihm verweigerte, um bei einem Ihm unbekannten Malak zu sein, erhob sich Luzifel vor allen und protestierte.
 

Und er war nicht allein… viele Tausende, die sich ihm angeschlossen hatten, erhoben sich, um Krieg gegen ihren Vater und ihre Brüder und Schwestern zu führen. Für die Freiheit ihrer Herzen, für die Freiheit ihrer Seelen, um keine Sklaven der Menschen und dieses Wesens zu sein!
 

So kam es, dass sich Engel gegen Engel wandte, dass die ersten fielen, und Blut auf heiligem Boden vergossen wurde, der nie wieder rein gewaschen werden konnte.
 

Und hier setzt meine Geschichte ein, die Geschichte des vier geflügelten Seraphins TenTen, der erste Gefallene Engel in der Geschichte der Malak.
 

- to be continued -
 


 

Finito!

Liebe Leser, hiermit endet der erste Teil meines zweiteiligen OS „Glaubenskrieger“. :) Ja, der NejiTen-Adventskalender versucht sich an einem neuen Konzept, der auch Zweiteiler beinhaltet. Der erste Teil ist als Prolog ausgelegt und hat nichts mit NejiTen zu tun, ich weiß. Es ist die Hintergrundgeschichte für die eigentliche Handlung, die in ein paar Tagen folgen wird. ;) Bis dahin müsst ihr euch noch gedulden ^^ Dann wird der Schreibstil auch etwas anders sein. Ich musste mich ja für so einen komplexen Sachverhalt doch recht kurz fassen (ICH find das kurz xD) und außerdem erzählt das ja jemand. Das klingt natürlich anders, als wenn ich das als auktorialer, unbekannter Erzähler geschrieben hätte ^^
 

WiCHTiG:

Ich hoffe, ihr haltet meinen Gott nicht für allzu böse und tyrannisch. Aber vergesst bitte nicht, dass ich ihm den Verstand eines Kindes gegeben habe und ihm zu einem Kind gemacht habe, das selber erlernen muss, was richtig und falsch ist, weil es niemanden hat, der es ihm vorlebt oder sagt. Und er hat nun mal keine Ahnung von Liebe/ Sex. Ich hab ja erklärt, dass er es eklig findet. Warum er seine Gesetze nicht ändert, nachdem er selbst über sein Geschlecht zu reflektieren beginnt, erkläre ich noch. ^.^
 

Aber ich fürchte, es bietet dennoch sehr viel Diskussions- und Zündstoff xD Weia. Nicht vergessen, das ist rein fiktiv, ja? Ich will hier keine gläubigen Menschen und so diskriminieren oder beleidigen oder sonst was in der Richtung. Ich habe nur eine eigene Erklärung erfunden, um darauf eine Geschichte aufzubauen... Es ist natürlich stark an die biblische Geschichte angelehnt bzw. die jüdische… ja… Aber das liegt tendenziell eher daran, dass das Christen- und Judentum zwei sehr interessante Religionen sind, die mit die bekanntesten Figuren besitzen. Von Adam, Eva, Lilith, Luzifel (das mit dem L ist so gewollt, vor seinem Fall hieß er nämlich so), etc… hat im Prinzip fast jeder schon einmal gehört.
 

Nun ja und ich bin nicht der einzige Mensch auf Erden, der darüber schon einmal nachgedacht und geschrieben hat. ^^
 

So, ich hoffe, ihr hattet Spaß mit eurem ersten Türchen und verfolgt auch dieses Jahr fleißig unseren NejiTen-Adventskalender ^^
 

Bis denne de are ♥

o2. Dezember - Blind vor Gier (Teil 1)

Schon immer wusste ich, dass Neji ein dunkles Geheimnis umgab. Zwar wusste ich nicht welcher Art, doch er verschwieg mir etwas.

Ein wichtiges Indiz, das vielleicht erklären würde, warum er sich so gab, wie er nun einmal war und warum er sich stets im Hintergrund aufhielt, während andere lieber den Mittelpunkt ausfüllten.

Ich habe ihn nie direkt darauf angesprochen. Tief in meinem Inneren war ich mir sicher, dass er es mir von sich aus erzählen würde.

Mir war unsere Freundschaft viel zu wichtig, um sie mit meiner Neugierde zu erdrücken.

Auch wenn er sehr schweigsam und verschlossen war, verstanden wir uns und vertrauten uns fast blind.

Neji hatte stets Zeit für mich und hörte mir zu, selbst wenn ich spät in der Nacht anrief, blieb er ruhig und ließ mich niemals spüren, dass ich ihn aus dem Schlaf gerissen hatte.

Ich ahnte nicht, dass dieser Tag mein gesamtes Leben auf den Kopf stellten würde und ich hätte vielleicht auf die Warnungen und Zeichen achten sollen. Doch ich war zu stolz und rannte blind in mein Verderben...
 

Wie jeden Tag, war ich bei Neji zu Besuch. Wir gingen zusammen durch die langen Flure des Hyuuga-Anwesens und ich fragte Neji belanglose Dinge, die mich aber dennoch brennend interessierten. Ich hätte die Antworten auch selbst nachschlagen können, doch Neji erklärte verständlicher als jedes Buch und ich mochte den Klang seiner Stimme, wenn er fachsimpelte.

Doch plötzlich veränderte sich sein Gesichtsausdruck, als hätte er etwas mitbekommen, das mir entgangen war.

Wie vom Blitz getroffen blieb er stehen. Ich ging noch einen Schritt weiter, da sein Stillstand für mich viel zu plötzlich kam und ich hörte von ihm noch ein leises, fast ersticktes „Nicht“.

Ich verstand nicht sofort, drehte mich zu ihm, doch auf halben Wege steifte mein Blick durch die offene Tür zu meiner rechten.

Mir stockte der Atem als ich in den Raum sah und mehr passiert war, als ich begreifen konnte.

Vor meinen Augen bot sich ein Bild, dass ich niemals vergessen würde.

Eine Frau lag auf dem Boden, ihr Gesicht drückte sich auf das Parkett. Eine rot-schimmernde Lache aus Blut breitete sich langsam aus und floss in die Ritzen zwischen den Bodendielen. Die Gliedmaße waren unnatürlich von ihrem Körper abgewinkelt. Sie wirkte wie eine Puppe, die man achtlos hatte fallen gelassen hatte.

Neben ihr stand ein Mann, der sich nervös über die Lippen strich, als wäre er mit der Situation überfordert gewesen.

Als er mich sah, unterbrach er seine hektische Geste und seine weißen Augen, Nejis so ähnlich, durchbohrten mich buchstäblich.

Er lächelte mich auf eine derart kranke Weise an, dass es mir einen kalten Schauer über den Rücken jagte.

Neji trat vor, stellte sich schützend neben mich und legte behutsam den Arm um meinen Körper.

Der Mann erblickte ihn und sein Lächeln erstarb.

„Sie ist gestürzt“, sagte er bloß und wirkte verunsichert. „Holt besser Hilfe.“

Neji nahm mich kommentarlos an der Hand, zog mich mit sich und wir gingen zusammen in normalem Tempo ans andere Ende des Flures, wo Neji ein Telefon, das an der Wand hing, nahm und eine Nummer wählte, die ich nicht mitbekam.

„Hier ist Neji“, meldete er sich. „Ein Notfall im Zimmer 104.“ Ein kurzer Moment des Schweigens. „Ja, sie ist bei mir.“

Er sah mich an und ich verstand nicht ganz, was es für einen Unterschied machte, ob ich da war oder nicht. Vielleicht sollte er mich fortschaffen, damit ich nicht mehr von der Tragödie mitbekam.

Er legte auf und blickte mich wieder an. „Wir sollten besser gehen, immerhin stören wir bloß die Ärzte, falls etwas Schlimmes passiert sein sollte.“

Ich nickte schwerfällig. „Ist die Frau wirklich bloß gestürzt?“, hakte ich vorsichtig nach.

„Ja, ich denke sie hatte einen Schwächeanfall.“

Ich merkte, dass in seiner Stimme der Hauch einer Lüge lag, doch ich sollte die Wahrheit schneller rauskriegen, als mir eigentlich lieb war.
 

Die Zeit verging rasend schnell und das Ereignis an jenem Tag rückte immer mehr in den Hintergrund.

Ich fing an es zu vergessen, vielleicht auch ein Stück zu verdrängen, da ich nachts manchmal aufwachte und davon geträumt hatte.

Ich hatte Gewissensbisse. Wäre ich nur einen Augenblick eher dort gewesen, hätte ich der Frau vielleicht helfen können und sie wäre nicht an ihren Blutungen gestorben.

Neji redete mir ein, dass dies Unsinn wäre. Der Frau war nicht mehr zu helfen, egal wie früh wir dort gewesen wären.
 

Von einem Moment auf den anderen, ohne einen bestimmten Anlass, kam es dazu, dass Neji und ich jeden freien Moment miteinander verbrachten. Vielleicht verband uns dieser Zwischenfall auch miteinander, wie eine Art Geheimnis, das man teilte.

Wir sprachen uns niemals ab, doch wir genossen die Zweisamkeit und es war schon fast normal, dass es uns nur noch im Doppelpack gab.

Mit seiner Cousine Hinata verstand ich mich ebenfalls gut, auch wenn sie mir gegenüber sehr zurückhalten war. Aber das hatte sicher seine Gründe und ich wollte sie nicht unnötig nerven.

Wenn sie bei uns war, sagte sie nicht viel. Doch sie hörte mir stets zu, wenn ich ihr von meinen unwichtigen, fast lächerlichen Problemen erzählte.
 

Als es kälter wurde und die ersten Bäume ihre Blätter verloren, und es draußen anfing zu schneien, verbrachten wir die meiste Zeit im Haus, auch wenn ich lieber draußen gewesen wäre.

Neji und ich saßen auf in seinem Zimmer auf dem Teppichboden. Er sagte nichts, doch das machte mir nichts aus.

Plötzlich kam mir ein Gedanke in den Kopf. „Was ist eigentlich mit dem Mann, der bei der Frau war, als der Vorfall passierte?“

Neji verstand sofort, auch wenn ich es umständlich erklären musste, da mir weder die Namen, noch der genaue Vorfall bekannt waren.

„Du hast ja selbst gesehen, wie durcheinander er nach dem Unfall war. Er wurde in eine geschlossene Klinik eingewiesen.“

„Oh“, sagte ich bloß.

Mir ging das verstörte Gesicht des Mannes nicht mehr aus dem Kopf. Er tat mir leid und in Ansätzen verstand ich, warum er geschockt und durcheinander war. Ich war es ja selbst auch.

„War die Frau eigentlich eine Hyuuga? Kannte sie den Mann genauer?“, hakte ich nach.

„Sie war keine von uns“, sagte er bloß und auf meine zweite Frage ging er nicht mehr ein.

Ich wusste, dass er mir etwas verschwieg.
 

In dieser Nacht plagten mich schreckliche Albträume, die so realistisch waren, dass es mir kalt den Rücken hinunter lief.

Ich sah den namenlosen Mann vor mir. Seine weißen Augen durchbohrten meinen Blick und ich hatte das Gefühl, er würde mir die Luft zum Atem nehmen.

„Lauf!“, befahl er mir trocken und dann erhellte sein Lachen den leeren Traumraum. „Lauf, lauf so schnell du kannst“, schrie er schrill und drehte sich, wie im Tanz, im Kreis.

Er sah aus wie ein Schausteller auf einer Bühne. Nur er wurde vom Licht der Scheinwerfer angestrahlt.

Schweißgebadet wachte ich keuchend auf und fasste mir an den Hals. Ich hatte bloß geträumt, doch mir kamen die Tränen, da es sich so real anfühlte. Es war fast so, als würde ich immer noch träumen.

War dieser Traum nur eine Ausgeburt meiner Fantasie oder war es doch eine schlimme Vorahnung. Ich wusste es nicht, doch ich würde es bald erfahren...
 

---
 

Dass Tenten dieser Vorfall so extrem mitnahm, wollte er nicht. Auch nicht, dass sie manchmal nachts aufwachte und ihn anrief, da sie nicht schlafen konnte. Sie gab es zwar nie offen zu, doch er war sich sicher, dass sie Nachts keine Ruhe fand, da sie sich noch zu einer unmenschlichen Nachtzeit bei ihm meldetet.

Wenn sie nachts anrief, sprachen sie nie direkt über den Vorfall. Sie erkundigte sich ab und an nach dem Mann, der im selben Raum war, als die Frau vermeintlich stürzte, doch Neji gab ihr stets die selbe Antwort.

„Er ist fort“, sagte er bloß immer und immer wieder. Dies war nicht einmal gelogen.

Das Telefon blieb diese Nacht stumm und er grübelte, ob dies ein gutes oder schlechtes Zeichen war.

Nachdenklich blickte er auf die Wanduhr, die unentwegt tickte. Es war bereits nach Mitternacht und er schloss langsam die Augen.

Plötzlich klopfte es an der Zimmertür, zaghaft, doch er hörte es sofort.

Er stand verwundert auf und öffnete diese. Vor ihm stand Tenten, die ihn unsicher ansah.

„Ich konnte nicht schlafen“, murmelte sie. „Darf ich etwas bei dir bleiben?“

„Natürlich“, sagte er sofort und öffnete die Tür ganz, damit sie eintreten konnte.

„Habe ich dich geweckt?“

„Nein“, sagte er schnell. „Ich habe nicht geschlafen.“

Langsam zog sie ihren Mantel aus und legte ihn auf sein Bett. Sie setzte sich auf den Teppichboden und zog schutzsuchend die Beine an ihren Körper.

„Ich weiß auch nicht, warum mich das so mitnimmt“, murmelte sie bloß.

Er wusste augenblicklich, dass sie wieder einmal von dem Unfall sprach und er kannte die Antwort. Sie hatte dem Tod direkt in die Augen gesehen. Wäre er nicht dabei gewesen, wäre sie wie die Frau gestorben. Er war froh, dass ihr dieser Umstand nicht bekannt war, und er würde es ihr mit Sicherheit nicht erzählen.

Gedankenverloren sah Tenten zum Fenster und ihr Blick wurde starr. Ihre Gedanken schweiften höchstwahrscheinlich ab.

„Ich möchte die Sterne mir dir zusammen sehen“, sagte sie und blickte nun sehnsüchtig aus dem Fenster nach draußen.

„Es ist kalt“, sagte er. „Ich möchte nicht, dass du dich unterkühlst.“

„Ich zieh mich auch dick an“, versprach sie. „Bloß für fünf Minuten.“

„In Ordnung“, gab er nach. Er konnte ihr einfach keinen Wunsch abschlagen.

Er reichte ihr ihren Mantel und zog sich ebenfalls eine Jacke an.

Still schlichen sie sich aus dem Anwesen, auch wenn es höchstwahrscheinlich niemanden interessierte, ob sie einen nächtlichen Ausflug machten.
 

Die Sterne funkelten in dieser Nacht besonders hell. Jeder für sich strahlte in einem beruhigenden Licht. Der Schnee reichte ihnen bis zu den Fußknöchel und sie stapften gemeinsam zur Lichtung ins Innere des Anwesens.

Tenten wirkte etwas erleichterter, doch sie war immer noch angespannt.

„Was bedrückt dich?“, fragte er sachte.

„Wäre wir nur eher gekommen“, murmelte und vergrub die Hände tiefer in die Manteltaschen. „Dann würde sie vielleicht noch leben.“

Er wusste, dass sie wieder von dem Vorfall sprach und er schüttelte den Kopf. „Wir hätten ihr ohnehin nicht helfen können und so blieb dir der Anblick wenigstens erspart.“

Sie nickte schwach und wandte sich ab. „Es war kein Schwächeanfall, oder?“

„Nein“, sagte er aufrichtig.

„Wissen die anderen im Anwesen darüber Bescheid?“

„Natürlich. Deswegen wurde der Mann fort gebracht, damit so etwas nicht noch einmal geschah.“

Sie schwieg einen Moment und sah ihn dann wieder an. „Wollte er mich auch töten?“

„Vielleicht.“

Tenten presste die Lippen aufeinander und sie sah noch zerbrechlicher aus, als sie ohnehin bereits war.

Er sah sie an, und strich ihr vorsichtig über die Wange.

„Es ist in Ordnung“, sagte sie. „Ich habe mich ohnehin schon viel zu weit aus dem Fenster gelehnt.“

Er schwieg und auch sie sagte kein Wort mehr.

Und in dieser eisigen Winternacht war nur der Mond Zeuge, der grausame und unverzeihliche Tat welche ihrem Schwiegen folgte.

Eine kleine, fast schon beiläufige Bewegung Nejis und Tentens Körper sackte kraftlos in sich zusammen. Blutstropfen sickerten in den Schnee und färbten diesen rot.

Als er sich seiner Tat bewusst wurde, war zu spät, ihr Herz hatte bereits aufgehört zu schlagen. Er hatte sich nur für einen winzigen Moment nicht unter Kontrolle gehabt...
 

- Fortsetzung folgt -
 

Eure abgemeldet

o3. Dezember - Fröhlichen Advent (Teil 1)

Wenn auch die Freude eilig ist, so geht doch vor ihr eine lange Hoffnung her, und ihr folgt eine längere Erinnerung nach.

(Jean Paul)


 

„Das war großartig.“ Gai stahlt sein Team an. Zumindest war TenTen sich sicher, dass er das tat, denn es war mittlerweile so dunkel, dass sie keinen ihrer Teamkameraden richtig erkennen konnte, schon gar nicht ihrer Gesichtszüge. Aber sollte Gai es ausgerechnet jetzt nicht tun?

„Ja, Gai-sensei es war großartig.“ Lees Gesichtszüge hatten sich hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Strahlen verändert, als wäre er vollkommen ausgeruht.

„Dann machen wir für heute Schluss.“ Gai klatschte in die Hände. „Gute Nacht Team.“

„Gute Nacht Sensei.“ ertönte es dreistimmig.

„Was machst du heute Abend noch?“ wollte Lee von TenTen wissen, während sie in Richtung Dorf gingen.

„Weiß nicht.“ TenTen zuckte mit den Schultern. „Nichts, höchstwahrscheinlich.“

„Das tut mir Leid.“ Lee klang ehrlich bekümmert.

„Ich möchte nach einem anstrengend Tag auch nichts mehr tun, außer mich ausruhen.“ Vielleicht nicht ganz die Wahrheit.

„Meine Mama und ich backen heute Abend noch Plätzchen.“

Neji schnaubte nur leise.

„Lass ihn doch.“ versuchte TenTen erst gar keinen Streit aufkommen zu lassen. „Das freut mich für dich Lee. Ich werde die Plätzchen wohl allein backen müssen, meine Eltern sind noch nicht zu hause.“

„Wie geht es ihnen? Haben sie sich gemeldet?“

„Nein, ich habe noch keine Postkarte bekommen, wenn du das meinst.“

„Haha.“ Lee streckte TenTen die Zuge raus. „Gute Nacht.“

„Gute Nacht.“

Dann trennten sich auch die Wege der drei.
 


 

TenTen schloss die Tür des vollkommen dunklen Hauses auf. Seit sie fünfzehn war, ging ihre Mutter nun wieder mit ihrem Vater auf Missionen. Seit sie damals nach der Akademie in ein Team gesteckt worden waren, hatten sie sich zu einen eingespielten Paar entwickelt.

Als Licht in Flur anging, fiel ihr ersten Blick auf die beiden Teambilder, einmal von ihr und ihren Jungs, das andere war von ihren Eltern und dem Rest ihres Teams.

Optisch kam sie eher nach ihrer Mutter, mit den langen braunen Haaren, die ihrer Mutter auf dem Bild zu zwei Zöpfen geflochten hatte. Das Lachen hätte sie aber von ihrem Vater, genau wie ihre Leidenschaft für Waffen. Er war in dem Team der Spezialist für Fernkampf gewesen, das Genie, es hatte keinem in seiner Klasse gegeben, der es in dieser Disziplin hätte mit ihn aufnehmen können. Noch heute kamen viele, um sich von ihm in der Wahl ihrer Waffen beraten zu lassen.

Ihrer Mutter war das Mädchen gewesen und war wohl auch das, was man typischer Weise von einem Mädchen in Team erwartete, eine gute Medical-nin und eine noch bessere Köchin.

In Gegensatz zu TenTen, die auf Missionen meistens Gai das kochen überließ und deren medizinische Fähigkeiten nicht über das Wechseln eines Verbandes hinausgingen.

Dafür kannte sie sich bestens mit Waffen auf und konnte allein an den Geräuschen, die eine Waffe im Flug machte, erkennen um welchen Typ es sich handelte.

TenTen lies im Flur das Licht brennen und machte auch im Wohnzimmer das Licht an, obwohl sie in die Küche ging. So hatte sie ein bisschen das Gefühl, jemand anders wäre auch noch in diesem Haus, denn sie war nicht gern allein.
 

Sie hatte sich immer Geschwister gewünscht, auch in diesem Moment. Sie hätten sich Gesellschaft leisten können und zusammen auf ihrer Eltern warten und hoffen, dass sie es rechtzeitig bis Weihnachten schaffen würde, zu Hause zu sein.
 

„Was essen wir heute?“ fragte sie sich selber und öffnete den Kühlschrank.

TenTen war vielleicht nicht die begnadete Köchin, trotzdem sorge sie immer dafür, dass der Kühlschrank gut gefüllt war.

„Die Empfehlung des Tages: Aufgewärmte Lasagne vom Vortag“ Sie griff nach der Schüssel, schloss den Kühlschrank und schob die Lasagne in die Mikrowelle.
 

Eine Katze.

Bevor ihrer Mutter gegangen war, hatte sie TenTen gefragt, was sich zum Weihnachten wünschte und TenTen wusste immer noch nicht, was. Einem Tier könnte sie erzählen, wie der Tag gelaufen war und wie sie sich fühlte. Und einen unabhängige Katze war wohl das passendste Tier für sie. Sie konnte sie im Notfall auch für ein paar Tage allein lassen, ohne dass sie Hunger leiden musste oder sich einsam fühlte.
 

Sie stellte die warme Lasagne zusammen mit einem Salatteller und einem Glas Wasser auf ein Tablett und ging ins Wohnzimmer. Und wieder lies sie in der Küche das Licht brennen.

Das Tablett wurde vorsichtig auf dem Wohnzimmertisch abgestellt und TenTen wickelte sich in eine Decke, nachdem sie nun die zweite Kerze am Adventskranz entzündet hatte.

„Fröhlichen Advent TenTen.“

o4. Dezember - Vocation

Sie fühlte sich hilflos, nervös, verloren und einsam. Nicht gerade die Art von Gefühlen, die man bei einem Menschen erwartete, wenn es nur noch eine Woche bis Weihnachten war.

Doch Tenten fühlte all dies und das in einem Ausmaß, das sie erschreckte. Sie war normalerweise nicht der Mensch, der sich schnell unterkriegen ließ. Man bezeichnete sie sogar als fröhliches, mutiges Mädchen. Jedoch fühlte sie sich momentan alles andere als mutig.
 

Ihr war eine Aufgabe übertragen worden, die für sie viel schwieriger war, als alles, was sie bisher erlebt hatte. Und sie hatte bereits viel erlebt, was andere Menschen um den Verstand gebracht hätte. Ihr Leben stand bereits des Öfteren auf Messers Schneide. Doch damit musste man leben, wenn man ein Ninja war und für sein Dorf kämpfte.

Sein eigenes Leben gehörte zum Berufsrisiko. Gab es etwas Wertvolleres, was man riskieren konnte?
 

Nun jedoch ging es nicht darum ihr Leben zu riskieren. Es ging darum Verantwortung zu übernehmen. Die Verantwortung für ein Team. Und zwar nicht für ihres, sondern für Nejis Team. Schon längere Zeit war Neji nicht mehr in ihrem Team, da ihm als Jounin ein eigenes Genin-Team zugeteilt worden war.

Allein mit Lee und Gai-sensei war die Arbeit um einiges schwerer und nervenaufreibender. Neji war ihr ruhender Pol gewesen, an dem sie sich hatte orientieren können. Zudem war er jenes Teammitglied, mit welchem sie am meisten zusammengearbeitet hatte. Doch in der Zeit in der sie zusammen waren, waren sie viel mehr als nur Teammitglieder geworden. Sie beide verband eine engere Verbindung, die dem zwischen Liebenden glich. Zwar hatten sie sich nie ihre Liebe gestanden, doch sie verband das Gleiche, was auch Liebende teilten: Respekt, Vertrauen, Treue, Freundschaft … und Liebe. Das Letztere ging zumindest von Tenten aus, doch sie war sich ziemlich sicher, dass auch Neji tiefere Gefühle für sie hegte. Dafür brauchte es keine Worte seinerseits um das zu verstehen.
 

Hatte Neji ihr sein Team vielleicht deswegen anvertraut, weil sie dieses enge Band verknüpfte?

Aber er musste doch wissen, dass sie für eine derartige Aufgabe noch nicht bereit war. Sie war immer noch eine Chuunin. Und das einzige, in dem sie wirklich perfekt war, war der Waffenumgang. Doch reichte das aus, um Genin trainieren zu können?

Neji war sicherlich ein perfekter Lehrer. Er wurde nicht umsonst als Genie bezeichnet. Was würden seine Genin davon halten, das sie nun einen minderwertigeren Sensei zugeteilt bekamen? Doch ihre Reaktionen würde sie schon am morgigen Training erleben. Denn für den morgigen Tag war das erste Training angesetzt.
 

~*~
 

Nach einer schlaflosen Nacht kämpfte Tenten sich aus ihrem Bett. Während der Nacht hatte sie stundenlang gegrübelt und ihre eigene Unfähigkeit verflucht.

Doch nun blieb keine Zeit mehr für Grübeleien, nun war es an der Zeit zum Handeln.

Mit einem bangen Gefühl in der Magengegend machte sie sich auf den Weg zum Trainingsplatz, wo sie sich mit Nejis Team treffen sollte. Natürlich hatte Neji ihr bereits erzählt, wen sie dort antreffen würde.
 

Zum einen war dort Hideyori Kobayashi, ein 12-Jähriger Junge, der anscheinend eher introvertiert war. Nach Nejis Aussagen war er jedoch ziemlich clever. Seine Techniken bestanden hauptsächlich aus Nin-Jutsus die dem Element Wasser zugehörig waren.

Dann war da noch Daisuke Saito, der nach Nejis Angaben das genaue Gegenteil von Hideyori darstellte. Er war eher extrovertiert und verkündete lautstark seine Meinung. Mit ihm hatte Neji wohl schon einige Konfrontationen ausgestanden. Jedoch konnte Neji ihm auch am meisten beibringen, da Daisuke hauptsächlich mit Tai-Jutsus angriff, was schließlich auch Nejis Spezialität war.

Die Gruppe vervollständigte Yina Hoshizaki, ein offenes und lebensfrohes Mädchen. Mit ihr würde Tenten vermutlich am wenigsten Schwierigkeiten haben. Bei den beiden Jungen hatte Tenten ihre Zweifel, ob sie sie akzeptieren würden.
 

Auf dem Trainingsplatz war noch keiner von den Dreien zu sehen. Doch das war Tenten nur Recht, so konnte sie noch die letzten Vorbereitungen treffen. Zu Beginn ihres Trainings mit ihren drei neuen Schützlingen wollte sie zunächst deren Leistungsfähigkeit testen. Zwar hatte sie sich bei Neji ausführlich informiert und vertraute auf sein Urteil, doch sie wollte mit eigenen Augen sehen auf welchem Level sich die Genin befanden.

Anschließend hatte sie vor den Genin ihre Stärken und Schwächen aufzuzeigen, um dann daran arbeiten zu können, sodass ihre Fähigkeiten gesteigert werden konnten. In der Theorie klang diese Reihenfolge durchaus logisch und sie hoffte, dass sich dieses in der Praxis bewahrheiten würde.
 

Zehn Minuten vor der vereinbarten Zeit trudelte dann der erste Schützling ein. Tenten vermutete, dass es sich um Hideyori handelte.

„Guten Morgen“, grüßte Tenten freundlich. Der Junge ihr gegenüber nickte nur, lehnte sich gegen einen Baumstamm und verschränkte die Arme vor seiner Brust.

Nicht gerade die höflichste Art seinen neuen Sensei zu begrüßen, doch wahrscheinlich war es einfach Hideyoris Art wenig Worte zu verlieren.

Einige Minuten später betrat Yina das Trainingsgelände. „Guten Morgen“, begrüßte Tenten erneut und hoffte dieses Mal auf eine Antwort. Sie wurde nicht enttäuscht. „Guten Morgen, Tenten-sensei. Morgen Hideyori!“

Seitens des Jungen kam nur ein Grummeln, doch Tenten meinte einen leichten Rotschimmer auf seinen Wangen erkennen zu können, bevor der Junge seinen Kopf senkte. Konnte es sein, dass dieser schüchterne Junge etwas für Yina empfand? Davon hatte Neji ihr nichts erzählt. Aber vielleicht bildete sie sich ja nur etwas ein. Und bevor sie die Gefühle ihrer Genin analysierte, sollte sie sich zunächst auf ihre kämpferischen Fähigkeiten konzentrieren.
 

Eine viertel Stunde später war von dem dritten Genin immer noch nichts zu sehen. Tenten seufzte. „Weiß einer von euch, warum Daisuke noch nicht erschienen ist?“

„Nein, keine Ahnung. Normalerweise kommt er immer pünktlich. Er ist eigentlich ganz versessen auf das Training.“

Nur wahrscheinlich nicht auf Training mit mir, dachte Tenten sich, sagte jedoch nichts.

„Nun gut, dann warten wir noch einen Moment.“

„Und was machen wir, wenn er nicht kommt?“

„Dann werden wir ihn wohl persönlich abholen müssen. Ich habe schließlich ein Training für das gesamte Team geplant.“
 

Glücklicherweise blieb es Tenten erspart ihren letzten Schützling persönlich abzuholen, da dieser gerade auf den Trainingsplatz zuschlenderte.

„Du bist zu spät!“, begrüßte Tenten ihn streng.

„Na und?“, gab der Genin lässig von sich und nickte seinen Teamkameraden zu.

„Pünktlichkeit ist einer jener Tugenden, die ein Genin beherrschen sollte“, erklärte Tenten ruhig, obwohl sie dem Jungen am liebsten eine Kopfnuss verpasst hätte. Sie konnte förmlich die Aggressionen spüren, die er gegen sie hegte.

Er wollte sie reizen, doch darauf würde sie nicht anspringen, sie konnte sich beherrschen. Neben der Beherrschung war Autorität das Wichtigste. Wenn sie nun nachlässig war, würde der Junge ihr auf der Nase herum tanzen. Das durfte sie auf keinen Fall zulassen. Deswegen sagte sie streng: „Damit du es nun lernst, wirst du zur Strafe 400 Liegestütze machen.“

„Pf!“, gab der Junge abfällig von sich und bewegte sich keinen Millimeter.

„Du wirst tun, was ich dir sage, ansonsten wird das Konsequenzen haben.“

„Ach ja? Und welche? Wirst du mich hinterher bei Neji-sensei verpetzen gehen?“, lachte Daisuke höhnisch. Tenten reagierte blitzschnell. Innerhalb weniger Sekunden hatte sie nach einem Kunai gegriffen und schnellte auf den Jungen zu. Und das in einer Geschwindigkeit, die den jungen Mann erstaunte. Er konnte kaum blinzeln, da fand er auch schon ein Kunai vor seinem Hals.
 

„Ich warne dich. Ich werde für eine Woche euer Sensei sein. Und du wirst mich gefälligst mit Respekt behandeln. Ich brauche Neji nicht, um Fehlverhalten zu bestrafen, verstanden? Und nun wirst du 600 Liegestütze machen. Sofort!“ Tentens Stimme klang bei weitem stärker, als sie sich fühlte. Innerlich bebte sie. Sie hatte zwar mit Schwierigkeiten gerechnet, war aber nicht auf eine derartige Respektlosigkeit vorbereitet gewesen.

Doch zu ihrem Glück begab sich der Junge nun grummelnd auf den Boden, um seine Strafe zu absolvieren. Tenten atmete erleichtert aus und wandte sich an die anderen beiden Genin.

„Wie ihr gesehen habt, bin ich durchaus bereit härtere Geschütze aufzufahren. Wir können gerne respektvoll und freundlich miteinander umgehen und in dieser Woche gemeinsam an euren Fähigkeiten arbeiten. Solltet ihr euch aber gegen mich wenden, wird diese Woche eine der schlimmsten, die ihr euch vorstellen könnt. Ich mag nur eine Chuunin sein, aber ich arbeite bereits lange Jahre als Ninja, im Gegensatz zu euch. Daher erwarte ich, dass ihr euch an meine Anweisungen haltet. Verstanden?“

„Ja, Sensei!“, gab Yina beeindruckt von sich, Hideyori nickte lediglich, gab jedoch immerhin seine starre Haltung auf und stellte sich ordentlich vor sie hin.
 

Tenten atmete tief aus. Dann breitete sich ein Lächeln auf ihren Lippen aus. „Gut. Nachdem wir das geklärt hätten, möchte ich gerne mit dem Training beginnen. Zunächst ein kleiner theoretischer Einstieg: Was meint ihr sind die wichtigsten Fähigkeiten die einen Ninja zum Erfolg führen?“

„Kraft, Geschwindigkeit und Ausdauer“, kam es wie aus der Pistole geschossen von Yina. Tenten nickte ihr lächelnd zu. „Sehr gut. Aber das ist noch längst nicht alles. Würdest du bitte ergänzen, Hideyori?“

„Körperbeherrschung, Anpassungsfähigkeit, Intelligenz, Konzentration.“

Wieder nickte Tenten. „Das ist alles richtig. Aber mir fehlt noch etwas Wesentliches.“ Sie wandte sich Daisuke zu, der mittlerweile seine Liegestütze absolviert hatte. „Hast du eine Idee, worauf ich hinaus will, Daisuke?“

„Alles in allem würde ich physische und psychische Stärke sagen.“

„Das ist natürlich richtig. Es gibt viele Fähigkeiten, die ein Ninja besitzen muss. Sowohl physisch, als auch psychisch. Aber ich möchte auf eine ganz bestimmte Fähigkeit hinaus, die ich heute mit euch trainieren möchte. Und zwar die Reaktionsfähigkeit.“
 

„Reaktionsfähigkeit? Wieso soll gerade die so wichtig sein?“, fragte Daisuke verächtlich.

„Nun, du kannst noch so viel Kraft aufwenden um deinen Gegner zu bekämpfen oder dir eine geschickte Strategie überlegen um ihn zu übertrumpfen, aber du wirst nie gewinnen, wenn du nicht rechtzeitig auf die Angriffe deines Gegners reagierst. Ein Ninja sollte immer mit allem Möglichen rechnen. Der größte Fehler ist es, sich nur auf sich selbst zu konzentrieren. Man muss auf seinen Gegner achten und auch auf die Umwelt, denn oft genug wird versucht einen in die Falle zu locken.“

„Aber wird man dann nicht vom Wesentlichen abgelenkt?“, fragte Yina nach.

„Eine gute Frage. Die Kunst ist es, sich auf das aktuelle Geschehen zu fokussieren, sich gleichzeitig aber sofort auf Veränderungen einstellen zu können. Und genau das werden wir heute üben. Ich werde euch nun mit Waffen angreifen und eure Aufgabe ist es, diesen auszuweichen. Wie ihr das macht ist mir egal. Hauptsache ihr lasst euch und eure Teammitglieder nicht treffen. Habt ihr das verstanden?“

„Wie langweilig!“, gab Daisuke nur von sich. Tenten verengte die Augen zu Schlitzen. „Habt ihr das verstanden?“, fragte sie nun in einem schärferen Tonfall.

„Hai, Sensei!“, kam die Antwort, woraufhin Tenten nun zufrieden lächelte. „Dann macht euch bereit!“ Tenten selber griff nach ihrer großen Schriftrolle und beschwörte mittels Kuchiyose unzählige Waffen hervor, die sie alle auf die Genin niederregnen ließ. Es war ein reines Waffenmeer, dem nicht so einfach auszuweichen war, wie zuvor von den Genin angenommen.
 

Zunächst versuchten sie den Waffen lediglich auszuweichen, indem sie zur Seite sprangen, oder sich duckten. Doch mit der Zeit begriffen sie, dass sie dafür noch nicht schnell genug waren. Die eine oder andere kleine Schramme zierte bereits ihre Körper. Daher versuchten sie es mit ihren Jutsus, oder griffen nach ihren eignen Waffen, um denen von Tenten auszuweichen. Nach einiger Zeit des Übens stoppte Tenten plötzlich. Die drei Genin atmeten schwer.

„Das war schon mal nicht schlecht“, erklärte Tenten. „Mir sind aber drei Dinge aufgefallen.

Erstens: Eine gute Körperbeherrschung ist bei weitem nicht ausreichend, um angemessen reagieren zu können. Zweitens: Ihr habt oft Jutsus eingesetzt. Eine Jutsu mag flexibel und effektiv sein, jedoch hat jede Jutsu auch ihre Nachteile. Außerdem kosten sie auch relativ viel Kraft. Das heißt, ihr seit schneller erschöpft, was der Gegner ausnützen könnte. Drittens: Keiner von euch hat im Team gekämpft.“

Nach diesen Worten herrschte zunächst einmal Stille. „Die ersten zwei Dinge wundern mich nicht. Ihr seid schließlich noch in der Ausbildung und könnt noch nicht perfekt sein und alles wissen. Aber ich denke doch, das Neji euch Teamgeist beigebracht hat, oder? Wäre es nicht viel einfacher gewesen, als eine Einheit gegen die Waffen zu kämpfen? So wie ihr nun gekämpft habt, standet ihr euch nur gegenseitig im Weg. Ihr seid sogar Gefahr gelaufen die Waffen auf eure Teamkollegen umzulenken. Das darf auf keinen Fall passieren! Also nochmal!“
 

Und wieder ließ Tenten zahlreiche Waffen auf die Genin niederprasseln. Dieses Mal versuchten sie im Team zu kämpfen und die Ratschläge Tentens umzusetzen.

Gerade als sie dachten sie hätten das Waffenarsenal im Griff, kamen plötzlich aus dem Hintergrund Waffen angeschossen. Hätte Tenten nicht im letzten Moment eingegriffen und die Waffen umgelenkt, hätten die Waffen die Genin durchbohrt.

„Was sollte das, Sensei?“, fragte Daisuke gereizt. „Wollten sie uns aufspießen?“

Tenten lachte leise. „Durchaus nicht, sonst hätte ich nicht eingegriffen. Aber hatte ich euch nicht ganz am Anfang gesagt, dass ihr euch auch auf eure Umwelt konzentrieren sollt?

Ich habe nie gesagt, dass ich euch nur von vorne angreifen werde. Euer Gegner wird euch nie nur von vorne angreifen. So wie ich wird er Fallen präparieren. Und ihr wärt von hinten getroffen worden. Das werdet ihr beim nächsten Mal berücksichtigen müssen. Also…“

„Tenten-sensei?“, unterbrach Yina sie.

„Ja?“

„Können wir bitte erst eine Pause machen?“, keuchte sie. „Ich kann nicht mehr!“ Daisuke schnaubte abfällig. Doch Tenten ignorierte Daisukes Schnauben und lächelte Yina an. „Eine gute Idee. Eine Fähigkeit eines Ninjas sollte auch sein zu erkennen, wann er nicht mehr in der Lage ist sich zu konzentrieren oder richtig zu kämpfen. Also machen wir nun eine kleine Pause. In einer Stunde geht es weiter!“
 

Nach einstündiger Pause ging es tatsächlich weiter wie zuvor – nur wurde es für die drei Genin immer schwieriger. Mit der Zeit kamen einige Schaulustige dazu, die sich das Training ansehen wollten, da sie gehört hatten, dass eine Chuunin Genin unterrichten sollte. Den Zuschauern wurde einiges geboten. Und keiner konnte behaupten, das Tenten zimperlich mit den Genin umging oder ihnen nichts beibringen konnte. Im Gegenteil, es schien so, als hätte die Chuunin die Genin vollkommen im Griff.

Anstatt also über Tenten herzuziehen – wie es eigentlich von den Schaulustigen geplant worden war – hörte man nun nur Worte des Lobes.

In den weiteren Trainingstagen verlief es ähnlich. Immer mehr Leute scharrten sich um den Trainingsplatz um zu sehen, ob die Gerüchte stimmten, dass eine Chuunin den Job eines Jounin perfekt erledigte. Manche Leute erzählten sogar, Tenten Ama sei ein strengerer Sensei als Neji Hyuuga selbst. Das brachte Tenten einigen Respekt und Bewunderung der Dorfbewohner ein.
 

Und auch den Respekt ihrer Genin hatte Tenten inzwischen inne. Keiner von den drei Schülern zweifelte noch an der Kraft und Intelligenz ihrer Lehrerin. Mit der Zeit kam zu dem Respekt auch noch Vertrauen hinzu. Am dritten Trainingstag verkündete Yina jedem der es hören wollte, dass Tenten ihr großes Vorbild war und sie unbedingt so werden wollte wie sie.

Die beiden Jungen äußerten sich etwas verhaltener, mussten aber auch gestehen, dass Tenten ein vollwertiger Sensei war, die über eine Menge Fähigkeiten verfügte. Vielleicht war sie nicht so ein schillerndes Genie wie Neji Hyuuga, aber sie hatte die Begabung ihr Wissen an die Jüngeren weiterzugeben und sie zu lehren ein Ninja zu sein.

Damit hatte Tenten bewiesen, das sie nicht nur eine exzellente Waffenexpertin war, sondern auch eine geborene Lehrerin. Anscheinend hatte sie ihre Berufung gefunden.
 

~*~
 

Am sechsten Trainingstag versuchten sich die jungen Genin gerade unter den Argusaugen von Tenten an Zielübungen, als plötzlich eine tiefe Männerstimme ertönte: „Ich habe gehört hier werden Genin gequält.“

Tenten erkannte die Stimme sofort und drehte sich ruckartig um. „Neji!“, stieß sie aus und ein Strahlen breitete sich über ihr Gesicht aus, als sie erkannte, dass der Jounin auf sie zutrat. Auch auf die Züge des Jounin schlich sich die Andeutung eines Lächelns. „Hallo, Tenten.“

Die beiden umarmten sich nicht, doch der Blick enthielt genug Innigkeit, um die drei Genin verlegen zur Seite schauen zu lassen. Tenten währenddessen musterte Neji genau und sah ihn nach Verletzungen ab. Doch sie konnte nichts Schwerwiegendes erkennen, was sie erleichtert ausatmen ließ.

„Ich dachte, du solltest erst Morgen wiederkommen.“

„Sollte ich auch, aber ich wollte pünktlich zu Heiligabend hier sein, also habe ich mich ein wenig beeilt.“ Tenten lächelte. „Das ist schön.“

Neji erwiderte das Lächeln, sah dann aber zu seinen drei Genin. „Wie ich hörte, wurdet ihr gut trainiert während ich weg war?“

„Hai Sensei!“, rief Yina sofort. „Können wir öfter mit Tenten-sensei trainieren?“ Nejis Lächeln wurde breiter. „Wie ich sehe, bin ich hier schon abgeschrieben.“
 

Tenten boxte ihm spaßeshalber in die Seite. „Sag so was nicht!“ Die drei Genin besahen Tenten erfurchtsvoll. Niemals hätten sie es gewagt sich so gegenüber Neji zu verhalten. Und selbst andere Jounin wagten es nicht Neji auch nur ansatzweise zu berühren. Tenten schien jedoch keine Skrupel zu haben, ihren ehemaligen Teamkollegen zu necken, was den Jüngeren bewies, dass Tenten anscheinend Sonderrechte bei Neji hatte.

Neji seinerseits reagierte auf Tentens Geste nur mit einem Schulterzucken. „Es scheint aber alles soweit gut geklappt zu haben. Ich würde mich gerne mit dir darüber unterhalten, Tenten. Für euch drei ist das Training erstmal beendet. Wir sehen uns dann am Montag wieder zur gewohnten Zeit.“ Die drei Schüler nickten gehorsam, wünschten noch ein schönes Weihnachtsfest und verabschiedeten sich.
 

Tenten hatte derweil schnell alle restlichen Waffen aufgesammelt und eingepackt und sah fragend zu Neji auf, als die Schüler den Platz verließen.

„Was möchtest du mit mir besprechen, Neji? Soll ich dir erzählen, was ich mit deinen Genin gemacht habe?“

„Nein, das können sie mir später selber erzählen. Ich würde gerne mit dir über die Gründe sprechen, warum du überhaupt meine Genin trainieren solltest.“

„Gründe? Ich dachte der Grund war einfach, dass du auf eine wichtige Mission musstest, zur Zeit Jouninmangel herrscht und dich kein anderer Jounin vertreten konnte?“

„Das war nur einer der Gründe. Die anderen habe ich dir verschwiegen.“

Tenten stutzte. „Verschwiegen? Wieso?“ Sie war nicht so dumm zu glauben, dass Neji ihr alle seine Geheimnisse erzählte, doch sie hatte doch geglaubt, dass er ihr genug vertraute, um ihr wichtige Dinge mitzuteilen. Vor allem wenn es um Dinge ging, die sie betrafen.
 

„Ich habe mit Tsunade-sama über dich gesprochen“, begann Neji zusammenhanglos. „Als sie mir die Mission zuteilte, habe ich sie gleich gebeten dir für die Zeit meines Wegbleibens mein Team zuzuteilen. Sie war zunächst skeptisch und meinte, dass mein Team eine Woche auch ohne Training aushalten könnte. Doch ich hielt es für eine gute Übung für dich.“

„Übung? Wofür?“, fragte Tenten ungläubig.

„Um mit Schülern umzugehen und sie etwas zu lehren.“ Er atmete einmal tief durch. „Tenten, ich habe gesehen, wie unzufrieden du in letzter Zeit warst. Mit Lee und Gai-sensei ständig auf Missionen zu gehen… das ist nichts für dich.“

„Die Missionen müssen aber erfüllt werden.“

„Ich weiß. Aber wie willst du Missionen erfüllen, wenn du nicht mehr voll und ganz dahinter stehst? Du bist nicht dafür geschaffen dein Leben lang Missionen auszuführen. Das weißt du genauso gut wie ich.“

„Und was soll ich stattdessen tun? Du weißt sehr genau, dass ich für die Jouninprüfung noch nicht bereit bin.“
 

„Ich weiß. Aber ich weiß auch, dass du kein Jounin zu sein brauchst, um gut zu sein. Ich habe schon damals gemerkt, dass du ein Talent dafür hast anderen dabei zu helfen stärker zu werden. Du bist vielleicht nicht einer der stärksten Ninjas, dafür hast du aber andere Talente. Mir hast du beispielsweise geholfen meine Verteidigung zu perfektionieren.“

„Das hättest du auch ohne mich geschafft.“

„Schon, aber nicht so schnell“, wandte Neji ein. „Du hast mich stets unterstützt und mir geholfen stark zu werden. Solche Menschen wie dich werden gebraucht, Tenten. Besonders jetzt in Zeiten des Krieges. Man braucht nicht nur die Personen an vorderster Front, sondern auch diejenigen, die dahinter stehen. Du hast es nicht geschafft so wie Tsunade zu werden und zu heilen. Aber vielleicht ist das ja auch nicht deine Bestimmung.“

„Sondern?“

„Ich denke deine Bestimmung ist es zu lehren. Und aus diesem Grund habe ich Tsunade gebeten dir eine Chance zu geben. Und wie man gehört hat, hast du diese Chance genutzt. Das ganze Dorf redet über dich.“ Neji sagte diese Worte in seiner üblichen, sachlichen Stimme, doch er konnte nicht ganz den Stolz auf seine Teamkollegin verbergen.
 

„Das kann ja alles sein, aber das alles macht mich trotzdem nicht zu einer Jounin.“

„Nein, das stimmt. Aber das Ganze macht dich zu einer neuen Lehrerin an der Ninja-Akademie.“

„Wie bitte?“ Tenten entgleisten vor Schock die Gesichtszüge.

„Du hast schon richtig gehört“, sagte Neji ruhig. „Natürlich musst du das nicht, wenn du es nicht willst. Ich habe mir nur gedacht, dass es das Richtige für dich wäre. Und nachdem du diejenige warst, die mich soweit gebracht hat, dachte ich, es wäre an der Zeit mich zu revanchieren. Und Weihnachten schien ein passender Zeitpunkt zu sein.“

„Neji, du hast dich schon tausend Mal revanchiert. Und zwar jedes Mal, wenn du mir bei einer Mission aus der Patsche geholfen hast. Denk nur an das Wassergefängnis von Kisame. Und es gibt noch viel mehr Beispiele.“

„Das war selbstverständlich, das zählt nicht.“

„Genausowenig wie es zählt, dass ich dir geholfen habe stärker zu werden. Das gehört sich so für Teamkollegen.“

„Du hast viel mehr getan, als mich beim Training zu unterstützen.“

„Du auch.“

„Wollen wir jetzt darüber diskutieren, wer für wen mehr getan hat? Kannst du mir nicht einfach danken und es dabei belassen?“
 

Tenten schwieg für einen Moment. Dann griff sie nach Nejis Händen und sah ihm tief in die Augen. „Danke. Das ist das schönste Weihnachtsgeschenk, was du mir machen konntest. Und du hattest mit allem Recht, was du gesagt hast. Ich hätte es nicht für immer ausgehalten mit Lee und Gai-sensei auf Mission zu gehen. Die beiden hätten mich verrückt gemacht.“

Neji lächelte leicht. „Bitte. Aber eigentlich hast du es dir selbst verdient. Du hast den anderen gezeigt, dass mehr in der steckt, als man dir ansieht. Nicht alles was gold ist glänzt. Zumindest nicht auf den ersten Blick.“

Tenten lachte. „Du hast da was verwechselt, Neji. Es heißt: Nicht alles was glänzt ist gold.“

„Das mag sein, aber bei dir ist es eben umgekehrt. Und jetzt lass uns gehen.“ Überraschenderweise reichte Neji ihr seine Hand. Tenten lächelte und legte ihre Hand in seine.
 

~All that is gold does not glitter,

Not all those who wander are lost;

The old that is strong does not wither,

Deep roots are not reached by the frost.~
 

~♦~
 

Zitat aus: Herr der Ringe [J. R. R. Tolkien]
 

Einen fröhlichen vierten Dezember wünsche ich euch!

Für alle, die es interessiert kurz zur Entstehungstory des OS: Als ich das Zitat von J.R.R. Tolkien gelesen habe, ist mir sofort aufgefallen, dass es gut zu Tenten passt. Und ich wollte mal wieder etwas machen, was nicht AU ist, was mir nicht leicht gefallen ist. Ich hoffe, es ist trotzdem gelungen.
 

Wir lesen uns hoffentlich am 11. Dezember wieder, wo es dann wieder AU wird. Mehr wird noch nicht verraten.
 

Liebe Grüße, eure Arashi

o5. Dezember - Liebe meines Lebens (Teil 1)

Majestätisch schritt Tenten durch die langen, hellen Flure ihres eigenen, kleinen Palastes. Die Sonne schien durch die großen Fensterbögen und ließ bunte Lichtflecken auf dem weißen Marmorboden tanzen. Ihr langes, prächtiges Kleid schleifte über den lupenreinen Boden und ihre hohen Schuhe gaben beim Auftreten klackernde Töne von sich.

An den Wänden hingen prachtvolle Porträts ihrer Verwandten und Vorfahren, die weise auf sie hinabblickten. Jeder, der diese Bilder sah, hatte Ehrfurcht und vielleicht auch ein wenig Angst vor den misstrauischen, herabblickenden Gesichtsausdrücken, doch Tenten wusste, dass ihre Verwandten bloß für den angeheuerten Zeichner so streng schauten.

Als sie zu dem Porträt ihrer Eltern ankam, dass neben ihrem eigenen hing, blieb sie kurz stehen und verbeugte sich.

„Guten Morgen, Vater“, sagte sie und machte einen Knicks.

Sie wandte sich zum Bild ihrer Mutter und wiederholte ihr Ritual. „Guten Morgen, Mutter.“

Ihre Eltern sind viel zu früh von ihr gegangen und eigentlich war sie noch lange nicht bereit für den Thron. Doch sie musste dieses Amt vor einem halben Jahr annehmen, auch wenn sie erst siebzehn war. Ein Schicksal, mit dem sie leben musste.

Als sie bei der großen Doppeltür zum Speisesaal ankam, verbeugte sich der Wächter, der neben dieser stand.

„Guten Morgen, Eure Majestät“, begrüßte er sie förmlich und blickte wieder auf.

„Morgen“, antwortete sie fröhlich. „Ich würde gerne etwas essen.“

„Natürlich“, murmelte er rasch und zog eine der großen, schweren Türen auf. „Ich wünsche guten Appetit.“

„Danke“, sagte sie und trat ein.
 

Im Speisesaal saßen bereits zwei Männer, die allerdings nichts aßen. Sie diskutierten aufgebracht und Tenten verdrehte die Augen.

„Mein Herren“, sagte sie. „Bitte nicht am frühen Morgen.“

Die beiden Männer sahen auf und als sie Tenten erblickten verstummten sie urplötzlich und erhoben sich prompt.

„Guten Morgen, meine Königin“, sagte der kleinere von ihnen und kam zu ihr, um sie zum Tisch zu geleiten. Herr Kato war immer darauf erpicht möglichst viel Kontakt mit ihr zu haben, vielleicht fühlte er sich auch ein Stück wie ein Vater für sie.

Der andere, Herr Takahashi, schob ihren Stuhl am Ende der langen Tafel zurück. Er war ein stiller Mensch, der aber auf die Feinheiten achtete, die andere übersahen.

Zusammen waren Herr Kato und Herr Takahashi ein unschlagbares Team und deswegen waren sie perfekt für die Rolle der Berater an Tentens Seite. Doch leider hatten sie viel zu oft verschiedene Meinungen, was auch gut war, doch Tenten selbst wollte davon nichts mitbekommen.

„Wie geht es Euch?“, fragte Herr Kato und reichte ihr den Ellbogen hin, damit sie sich bei ihm einhaken konnte.

„Gut, danke“, sagte sie und lächelte.

Dass Tenten niemals selbst Entscheidungen traf, wusste das Volk nicht. Es wäre nicht gut für ihr Ansehen gewesen und deswegen verschwiegen sie es. Es war schon fast normal für sie gewesen, dass andere ihr die Qual der Wahl abnahmen und sie beschwerte sich nie.

Sie genoss die Lichtseiten des Reichtums und der Macht und wollte gar keinen Blick auf den lästigen Papierkram werfen.
 

Als alle drei wieder am Tisch saßen, rief Herr Takahashi die Diener und diese kamen direkt, als hätten sie auf dieses Zeichen gewarteten, und brachten Tenten das Frühstück.

Sie liebte das Essen, da es das einzige war, was ihr geblieben war. Die Entscheidung innerhalb des Landes und der Politik legte sie gewissenhaft in die Hände ihrer beiden Berater.

„Was ist das?“, fragte sie kritisch, als sie eine große Obstplatte vor sich stehen hatte.

„Euer Frühstück“, antwortete Herr Kato.

„Nur das?“

„Gewiss“, mischte sich Herr Takahashi ein.

„Davon wird doch kein Mensch satt.“

„Werte Königin. Herr Takahashi und ich machen uns Sorgen um Eure Vorbildfunktion.“

Sie schluckte schwer. Die einzige Aufgabe, die sie hatte war, dass sie als gutes Beispiel für das Volk voran ging. Und dafür musste sie perfekt sein oder zumindest so tun.

„Wir haben auch bereits jemanden gefunden, der sich darum bemühen wird, dass Ihr wieder auf den rechten Weg kommt.“

Jemand, der ihr vorschrieb was sie wann und wie oft essen durfte? Das hatte ihr gerade noch gefehlt.

„Gut“, gab sie nach, sie hatte ohnehin keine Wahl, da es bereits beschlossene Sache war.

„Es ist bloß zu Eurem Besten, Hoheit.“

Natürlich, dachte sie verbissen. Sie fühlte sich unwohl und unter Druck gesetzt.
 

Sie aß ohne einen weiteren abwertenden Kommentar ihr mickriges Frühstück auf. Als sie fertig war, ihr Magen aber immer noch knurrte, rief Herr Takahashi nach der Wache vor der Speisesaaltür.

„Ist der werte Herr bereits da?“, fragte er und die Wache nickte.

„Gerade eingetroffen.“

„Schicken Sie ihn rein“, sagte er fröhlich und machte eine einladende Bewegung mit seiner Hand.

Die Wache trat zur Seite und ein junger Mann, mit schwarzen Haaren trat ein.

Er sah noch sehr jung aus, Tenten schätze ihn auf höchstens zwanzig. Seine langen Haare hatte er zu einem lockeren Zopf gebunden und er wirkte trotz seines Altern ziemlich gebildet.

„Das ist Neji Hyuuga“, erklärte Herr Kato ihr. „Ein äußert tüchtiger Mensch. Er kennt sich zu allen Gesundheitsfragen aus und ist bereits mit seinen jungen Jahren Mitglied der Lebensfunke Organisation.“

„Interessant“, sagte sie gleichgültig und stützte das Gesicht gelangweilt auf den Händen ab.

Ihr war egal, was dieser Mann bereits für Auszeichnungen im Leben erreicht hatte, vielmehr war sie darauf bedacht Leute nach ihrer Art zu beurteilen und dieser Neji war äußerst diszipliniert, vielleicht sogar mehr als sie selbst.

„Er wird Euch in den nächsten Wochen beraten und vielleicht könnt Ihr dann selbstständig Eure Essgewohnheiten ändern.“

Neji verbeugte sich förmlich vor ihr. „Ich werde mein Möglichstes geben“, sagte er.

Als Tenten seine ernste, tiefe Stimme hörte, lief ihr ein angenehmer Schauer über den Rücken.

„In Ordnung“, stimmte sie zu. „Aber ich werde nur das tun, was ich für richtig halte.“

„Gewiss, Eure Hoheit“, sagte Herr Takahashi.

Die beiden Berater standen auf und ließen sie alleine.

Neji stand unentschlossen im Raum und wartete scheinbar auf ein Zeichen ihrerseits.

„Setzen Sie sich“, sagte sie und bot ihm den Stuhl zu ihrer linken an.

„Danke“, sagte er und setzte sich neben ihr. „Ich wusste nicht, dass die Königin in Wahrheit so jung ist.“

„Und ich wusste nicht, dass jemand aus der normalen Schicht so frech ist“, konterte sie und lächelte.

„Warum braucht Ihr einen Ernährungsberater?“, wechselte er elegant das Thema. „Meine üblichen Klientinnen gehören meistens einer anderen Gewichtsklasse an.“

„Meine Berater meinte, dass ich auf mein Essverhalten achten sollte.“

„Ihr hört auf Eure Berater? Ihr seid die Königin. Normalerweise kann Euch niemand Vorschriften machen.“

Sie nickte schwach. „Sie tun bloß ihre Pflicht.“

Er nickte, holte eine Lesebrille und ein Notizbuch hervor.

„Was wird das?“, fragte sie irritiert.

„Ich mache mir bloß ein paar Notizen“, sagte er ruhig und zückte einen Stift. „Wenn es Euch recht ist.“

„Gewiss“, sagte sie, war aber immer noch skeptisch. „Solange nichts nach außen dringt ist es mir recht.“

„Natürlich. Es ist bloß zu Eurem Besten und ich bedauere es sehr, aber selbst ich kann mir nicht alles merken.“

„Es gibt aber gar nicht viel zu diesem Thema zu sagen“, gab sie zu. „Seitdem meine Eltern fort sind, habe ich den Halt verloren.“

„Und Eure Berater übernehmen die Aufgabe der Entscheidungen?“

Sie nickte schwach. „Ich bin nicht so gut in Entscheidungen treffen“, gab sie leise zu. „Ich habe noch viel zu lernen.“

Warum sie ihm das alles erzählte, war ihr selbst schleierhaft. Sie kannten sich nicht einmal zehn Minuten und doch hatten sie bereits jetzt eine neue Stufe ihrer Bekanntschaft erklommen.

Er rückte seine Brille zurecht und schrieb sich etwas auf.

„Was schreiben Sie da?“, fragte sie neugierig.

„Nur Dinge die mir auffallen.“

„Zeigen Sie her“, sagte sie, lachte und riss ihn sanft den kleinen Block aus den Händen.

„Die Königin ist äußert jung und hat ein schönes Gesicht“, las sie vor und musste lachen. „Das sind Ihre wichtigen Notizen?“

„Es ist bloß eine Feststellung.“

Sie fühlte sich geschmeichelt, da es sich ehrlich anhörte. Er fand sie hübsch und auf eine Weise, die sie nicht beschreiben konnte, gefiel ihr dies.

Er lächelte schwach und sie legte den Kopf leicht schief, um ihn genauer zu musterten. Er war ungewöhnlich hübsch für seinen Stand, kam schon fast einem Prinzen gleich.

Es war eine Art Magie, die ihm umgab und sie wurde leicht rot.

„Wir sollten uns morgen wieder sehen“, sagte er und stand auf.

„Sie gehen schon?“ Sie war enttäuscht.

„Ja, aber keine Angst, ich komme ja wieder.“

Er verbeugte sich zum Abschied und sie begleitete ihm noch ein Stück zum Tor.
 

---
 

Am Abend saß Tenten an ihrem prachtvollen Schminktischchen in ihrem Zimmer, stütze das Gesicht mit ihren Händen und musterte in dem goldenen Spiegel ihr Gesicht.

„Neji und ich haben uns recht nett unterhalten“, berichtete sie ihrer Magd, die gerade damit beschäftigt war, die Klammern zu entfernen, die Tentens Frisur zusammenhielt. „Er meinte, ich hätte ein hübsches Gesicht.“

„Das klingt doch nach einem netten, jungen Mann.“

„Was ist das bloß?“, fragte Tenten und sah ihre Magd an. „Ich bin ganz nervös in seiner Nähe und manchmal sogar unfähig zu sprechen. Ich komme mir so blöd dabei vor.“

„Das ist eine verrückte, kleine Tatsache, die man Liebe nennt“, sagte sie und drehte sanft Tentens Kopf wieder nach vorne. „Kein Grund sich dafür zu schämen.“

Tenten drehte sich zu ihr und war etwas entsetzt. „Ich bin nicht in Neji verliebt. Er ist nett, aber mehr auch nicht.“

„Wenn Euer Herz ihn für den richtigen hält, wird er dies auch sein.“

Sie schluckte schwer. Das durfte nicht sein. Neji kam aus ganz normalen Verhältnissen, seine Eltern waren weder adelig, noch reich. Wieso liebte sie so jemanden?

„Gegen die Liebe ist man machtlos“, sagte die Magd ruhig und vielleicht hatte sie auch Recht.

Gegen seine Gefühle kann man nichts unternehmen.
 

---
 

Neji und sie trafen sich fast täglich und sprachen meistens nicht über ihre Ernährungsprobleme, sondern über die Ursachen, die dieses Verhalten auslösten.

Tenten vergaß manchmal sogar, dass Neji bloß von ihren Beratern angeheuert wurde.

Der Winter war angebrochen und es hatte zu schneien begonnen.

Gemeinsam gingen sie durch den großen Garten, der hinter dem Palast lag und sprachen über Gott und die Welt, als Neji plötzlich ein bestimmtes Thema ansprach.

„Warum gibt es eigentlich keinen Mann an Eurer Seite?“

„Sie meinen einen König?“, stellte Tenten eine Gegenfrage und schob die Hände in die Taschen, ihres langen Mantels.

„Nicht unbedingt. Ich denke nicht, dass eine Königin unbedingt heiraten sollte.“

„Also eine Art Liebhaber?“

„Wenn Ihr es so ausdrücken wollt.“

„Es ergab sich bis jetzt noch nicht.“

Neji zückte seinen Block hervor und schrieb sich eine Notiz auf. Er reichte Tenten den Block, bevor sie ihn sich schnappen konnte. Offensichtlich hatte er aufgegeben, etwas vor ihr zu verbergen.

„Tenten weicht meinen Fragen aus“, las sie vor und stutzte. „Das stimmt nicht.“

Er nahm sich erneut den Block und schrieb etwas darunter. Tenten las über seine Schulter hinweg mit.

„Sie haben großes Interesse an mir?“, fragte sie irritiert, als sie seine Notiz las. „Wie meinen Sie das?“

„Rein Beruflich natürlich. Ihr seid eine interessante Frau.“

„Rein Beruflich?“, fragte sie nach und war enttäuscht.

„Was ist los?“ Neji verstand anscheinend ihre Enttäuschung nicht.

„Das Ihr Interesse reich beruflicher Natur ist.“

„Sollte ich den auch ein andere Interesse für Euch hegen.“

„Gewiss“, sagte sie und lächelte gespielt. „Immerhin bin ich die Königin.“ Sie verstummte, als sie sein ernstes Gesicht sah. „Stimmt was nicht?“

„Wir sollten keine Gefühle füreinander entwickeln. Es wäre nicht richtig.“

„Zu spät“, flüsterte sie leise, zog ihn zu sich und küsste ihn sanft auf seine Lippen.

Er erwiderte den Kuss anfangs nicht, scheinbar war er viel zu verblüfft, doch dann ging er darauf ein und sie standen einen ganze Weile bloß dort und küssten sich schüchtern, bis sie durch einen wütenden Ruf unterbrochen wurden.

„Schluss jetzt!“, schrie Herr Kato, der oben auf dem Treppenabsatz stand. „Herr Hyuuga, folgen Sie mir. Sofort!“

Neji strich Tenten sanft über die Schultern, schenkte ihr ein leichtes Lächeln und folgte dem aufgebrachten Herrn Kato in den Palast.

Sie merkte, dass sie einen Fehler gemacht hatte und war geschockt darüber, wie wütend ihr Berater war.

„Eure Majestät!“, rief Herr Takahashi und kam die große Treppe zum Garten runtergelaufen. „Kommt wieder rein, Ihr zieht Euch noch eine Unterkühlung zu.“

„Was passiert mit Neji?“, fragte sie und rührte sich nicht.

„Er wird die Konsequenzen dafür tragen, dass er Euch zu nah gekommen ist.“

„Er ist mir nicht zu nah gekommen“, sagte sie aufgebracht.

Doch Herr Takahashi hörte ihr nicht zu, sondern zog sie mit sich in den Palast. Sie wusste es zwar nicht sicher, doch Neji schwebte in höchster Gefahr. Der Königsfamilie zu nahe zu kommen, war eine der schlimmsten Taten, die man in diesem Land machen konnte und er wäre nicht der erste gewesen, der die Konsequenz dafür tragen müsste.
 

---
 

Im großen Ballsaal hatten sich einige Menschen versammelt. Tenten saß auf einem Stuhl in der Mitte des Raumes. Sie trug ein schwarzes Kleid, denn sie verspürte tiefe Trauer, da sie nicht wusste, wie dieser Tag ausgehen würde.

Neji stand gegenüber von ihr, neben Herrn Kato. Seine Hände waren ihm, wie bei einem Schwerverbrecher, auf den Rücken gefesselt. Tentens Magd und Herr Takahashi standen neben der Königin.

„Wir dulden nicht, dass jemand der Königin zu nah kommt“, sagte Herr Kato aufgebracht. „Wir müssen dagegen ankämpfen.“

„Es ist nicht seine Schuld“, sagte Tenten schnell und erhob sich. „Ich habe ihn geküsst.“

„Nehmen Sie den Jungen nicht in Schutz“, sagte Herr Takahashi und klopfte ihr sanft auf die Schulter. „Wieso solltet Ihr von Euch aus auf ihn zugegangen sein, wehrte Königin?“

„Weil– .“ Sie hielt kurz inne und sah Neji in die Augen. „Weil ich ihn liebe.“

Sie sah, wie Neji die Augen weitete und wusste nicht direkt, ob er geschockt oder erfreut war. Sie kam sich so dumm vor, da sie so bloßgestellt wurde und unfreiwillig offen über ihre tieften, geheimsten Gefühle sprechen musste.

„Redet keinen Unsinn“, mischte sich Herr Kato ein. „Wir müssen Konsequenzen aus diesem Vorfall ziehen. Wir dürfen dem Volk nicht zeigen, wie leicht es ist, der Königin so nah zu kommen, sonst wird Euch dasselbe wiederfahren, wie Euren Eltern.“

„Was haben Sie vor?“, fragte sie und hatte Angst vor der Antwort.

Herr Kato antwortete nicht, sondern packte Neji am Arm und zehrte ihn zum Balkon am Ende des Saals, um das Urteil zu verkünden.

Die Menge auf dem Marktplatz wartete bereits gespannt auf die Mitteilung. Es hatte sich schnell herumgesprochen, dass im Königshause etwas nicht stimmte.

„Neji Hyuuga ist angeklagt die Königin belästigt zu haben“, schrie Herr Kato und seine Stimme hallte von den Mauern der Häuser wider. „Der Angeklagte erhält dafür die Todesstrafe.“

Tenten stockte der Atem, ihr traten Tränen in die Augen und sie begann zu schwankte. Ihre Magd hielt sie fest im Arm und drückte sie an sich.

„Beruhigt Euch. Bleibt ruhig.“, flüsterte sie ihr ins Ohr. „Die Show muss weitergehen…“
 

- Fortsetzung folgt -
 

Eure abgemeldet

o6. Dezember - She bore the palm.

Autor: Arethelya

Fandom: Naruto

Pairing: Neji x TenTen

Thema: Mutig/ Neidisch

Warning: Nur eine kleine, sinnfreie Kurzgeschichte für Zwischendurch mit einem Hauch von Märchen. ^^
 


 

SHE BORE THE PALM.

Sie trug den Sieg davon.
 

TenTen war sich vieler Dinge im Leben sicher. Sie war eine gute Kämpferin, kannte sich besser mit Waffen aus als jeder andere ihres Jahrganges (vermutlich auch als jeder andere Shinobi in ganz Konoha-Ga-Kure) und sie war eine hervorragende Köchin, auch wenn ihr das kaum einer zutraute. Sie kannte ihre Schwächen und ihre Stärken und war eine der wenigen Menschen, die sich damit abzufinden verstand bzw. die wusste, wie sie damit umzugehen hatte.
 

Es gab nur etwas an ihr, das sie an sich selber zweifeln ließ, etwas, das untypisch für sie war. TenTen zweifelte nicht. Wenn es etwas gab, das sie nicht sofort bewältigte, dann dachte sie darüber nach, wie sie es entweder lösen oder sich damit arrangieren konnte. Doch dieses Mal war es anders.
 

Denn es war weniger eine Fähigkeit, an der es ihr mangelte, sondern ein Mangel ihres Charakters.
 

TenTen musste immer wieder feststellen, dass es ihr an Mut fehlte.
 

Es war nicht der mangelnde Mut, eine Mission zu beschreiten oder einen Gegner anzugreifen. Der Mut, in ein unbekanntes Gebiet vorzudringen, von dem man nicht wusste, welche Gefahren dort lauerten. Oder der Mut über eine Schlucht zu laufen, wenn einem nur eine wacklige, morsche Hängebrücke zur Verfügung stand.
 

Nein, diese Tugenden besaß TenTen. Sie war in der Lage, der Gefahr ins Auge zu blicken und sich ihr entgegen zu stellen. Sie konnte sie herausfordern und verhöhnen. Sie konnte sie bezwingen.
 

Aber das, was TenTen fehlte, war der Mut eine riskante Entscheidung zu treffen und im Leben etwas Neues zu wagen. Sie gab es selbst zu, sie war recht festgefahren in ihren Methoden und Vorgehensweisen. Sie hatte ihre Gewohnheiten, die ihr bisher keinerlei Schwierigkeiten bereitet hatten – weshalb also ändern? Aber gerade dies, so musste sie vor kurzem feststellen, hinderte sie momentan im Leben. So konnte sie keine Jounin werden, die eine Gruppe anführte, wenn sie nichts wagte, sondern würde immer derjenige bleiben, der die Befehle erhielt. So konnte sie dem Menschen, dem sie eigentlich beweisen wollte, dass sie in jeglicher Hinsicht mutig war, dies auch nicht zeigen. Die eine Person, die so viel mutiger war als sie selbst, die so viel erreicht hatte und die sich nicht scheute, Entscheidungen für eine Gruppe zu fällen. Der Mann, der ihr ein guter Freund geworden war, und den sie auf ihre eigene Weise lieben gelernt hatte: Hyuuga Neji.
 

Und das war es, das TenTen zweifeln ließ. Was unterschied die Herausforderung einer Gefahr von der Herausforderung einer Entscheidung? Vielleicht die Verantwortung? Die Folgen? Und wieso war Neji dazu in der Lage, aber nicht sie selbst? Wieso war er mutiger als sie?
 

Eines Abends entschied TenTen, dass es Zeit war, eine Änderung zu riskieren. Sie haderte lange mit sich, zögerte und wollte ihr Vorhaben immer wieder verwerfen. Aber sie wusste, wenn sie es nicht wagen würde, dann würden ihr alle anderen Dinge ebenfalls nicht gelingen… selbst wenn sie leichter zu bewältigen gewesen wären als das, was sie zu tun gedachte.
 

So kam es, dass sie am ersten Dezembernachmittag das Haus der Hyuuga aufsuchte, um mit Neji zu sprechen. Zuerst stand sie nur schweigend vor ihm und er sah sie forschend und mit leichter Skepsis im Blick an. Aber dann wurde sein Blick weicher, umso länger sie brauchte und da wusste sie, was sie tun musste.
 

Sie sagte ihm, dass sie ihn mochte und sogar mehr als das. Er antwortete nach einer Weile, dass er dasselbe schon seit Langem empfand.
 

In dem Moment, als er ihr die Hand reichte, um sie zu sich zu ziehen, wusste sie, dass sie in manchen Dingen sogar mutiger war als Neji.
 


 

.:[∞]:.
 

Liebe Leser, ich hoffe, ihr hattet einen fleißigen Nikolaus und hattet Freude an diesem kleinen One-Shot. Ich gebe zu, ich wollte eigentlich nur ein kleines Drabble schreiben. Aber irgendwie gelang es mir nicht, diese Idee in nur 100 Wörter zu drücken. Also dachte ich, dann mache ich eben ein Double- oder Tripple-Drabble. Nun ja, jetzt sind es doch so um die 700 Wörter geworden. ^^“
 

Wie gesagt, ich hoffe, ihr mochtet die kleine Versüßung und lest auch weiterhin fleißig unsere Beiträge! Einen schönen Nikolaus noch :)
 

Die are

o7. Dezember - Praying for Rain (Teil 1)

AU, Fantasy

NejiTen [PeinKonan, KibaIno?]
 

~~~~~~~
 

Teil I
 

Der scharfe Wind ließ das Banner des Klans und die Kleidung der Menschen flattern und knallen. Er riss an den Staubtüchern, die sich die meisten vor das Gesicht gebunden hatten, um den Staub und Sand, den die Böen mit sich trugen, von Mund und Nase fern zu halten. Über den Rändern der Schleier waren nur noch die dunklen Augen zu sehen.

TenTen schob ihren Kriegsspeer in die dafür vorgesehenen Schlaufen am Sattel ihres Pferdes und prüfte dann noch einmal den Sitz des Zaumzeugs. Schweigen lag über dem kleinen Lager des Samqeklans und Sorge. Sie war nahezu greifbar zu spüren und TenTen teilte sie.

Immerhin war es deutlich, was hier nicht stimmte. Die anwesenden Menschen und Tiere sahen abgezehrt aus, die größten Teile der Herden waren gar nicht hier, sondern auf andere Weiden getrieben worden, die weiter entfernt lagen. Und es brannte kein einziges Feuer.

Seit Tagen ernährte sich der Stamm fast nur noch von trockenen Früchten, Pökelfleisch und der wenigen Milch, die sie von den anwesenden Ziegen und Schafen bekamen. Die Quelle, die TenTen als ergiebig kannte und eigentlich einen fruchtbaren Boden speiste, war jetzt kaum mehr als ein Rinnsal zwischen glühend heißen Steinen.
 

Die Sonne brannte heiß auf das Land herunter und die Pflanzen waren dürr, schwach und gelb von Trockenheit. Die Dürre hielt schon viel zu lange an. Im Frühjahr hatte sie begonnen, der Sommer war unnatürlich heiß gewesen und jetzt im Herbst, in dem eigentlich schon die ersten Gewitterstürme über das Land hinweggetobt und Regen gebracht haben sollten, rührten sich nur die trockenen Sandstürme.

Inzwischen wartete man nur noch darauf, dass das Gras sich von selbst entzünden und das Feuer als ein brüllendes Inferno über das Land rasen und Menschen und Tiere verschlingen würde, wenn sie sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten.

Die ganzen letzten Monate hatten die Samqe die Dürre und die Hitze ertragen, hatten ihre Herden immer weiter vom Lager weggetrieben und zugelassen, dass Tiere an Durst starben oder deswegen davonliefen, und hatte die Kämpfe um die Wasserstellen erduldet, die nahe der Stammesgrenzen lagen und hart umkämpft wurden. Aber jetzt … jetzt war die Gefahr zu groß. Wenn nicht bald der Regen kam und die Trockenheit wegspülte, dann würden sie verbrennen, das wussten sie alle.
 

TenTen warf einen Blick über ihre Schulter zu der Frau hinüber, die allem ein Ende setzen sollte. Man hatte sie extra ins Lager geholt, obwohl man sie fürchtete, selbst wenn sie zu ihrem Klan gehörte. Immerhin war sie eine Zauberin. Es wäre dumm und unverantwortlich, sie nicht zu fürchten, obwohl sie klein und schmal war und nicht nach einer Gefahr aussah. Doch ihr hübsches Gesicht verriet selten eine Regung und ihre bernsteinfarbenen Augen wirkten mitleidslos. Sie trug eine weiße Blüte in ihrem blauen Haar, die jedoch im Moment bedeckt war, da sie wie alle anderen einen Sandschleier trug.

Ihr Gefährte stand neben ihr, beinahe ein ganzer Kopf größer. Sein Gesicht war, wie TenTen gesehen hatte, als sie die beiden an ihrem Lagerplatz aufgesucht hatten, mit dem Schmuck der Blutkrieger gezeichnet; Stifte aus schwarzem Metall, in verschiedenen Formen, durch Nase, Lippen und Ohren getrieben.

Konan, die Zauberin, war Mitglied ihres Klans, doch verbrachte sie selten Zeit mit ihnen – nur im Winter schlug sie ihr Zelt für einige Wochen bei ihrem Klan auf. Letztes Jahr war sie nicht gekommen und als man sie das nächte Mal gesehen hatten, war der Blutkrieger bei ihr gewesen, der sich Pein nannte. Niemand sagte etwas gegen die Verbindung – TenTen fand sie sogar äußerst passend. Wer konnte besser zu einer Zauberin passen als ein Blutkrieger? Und wer gehörte eher an die Seite eines Blutkriegers als eine Zauberin?
 

TenTen lächelte still in sich hinein und schwang sich auf den Rücken ihrer Fuchsstute. Sie lenkte ihr Reittier zu den anderen Kriegern, die ebenfalls zu der Eskorte der Zauberin gehörten – Kiba mit seinem riesigen Hund, Ino, Shino und Hidan. Sie würden die Leibwache für Konan spielen, wenn sie zum Heiligen Tal ritt. Nur dort, so hatte sie gesagt, machte es Sinn das Ritual zu wirken, denn anderswo würde es nichts nutzen und die Magie einfach so verpuffen.

Das Ritual, dass den Regen mit Gewalt bringen sollte, wenn er nicht von selbst kam. Konan hatte gesagt, dass es ein schweres und gefährliches Ritual sei, das leicht schief gehen konnte, doch sie hatte nachgegeben, nachdem die Ältesten sie zum fünften Mal gefragt und ihr auch noch zwei Pferde als Preis angeboten hatten. Sie hatte schließlich angenommen, doch die Pferde abgelehnt.
 

„Bereit?“, wollte Shino wissen, dem man das Kommando für die kleine Gruppe von Kriegern übertragen hatte, und die anderen vier nickten, doch die Frage hatte in erster Linie der Zauberin selbst gegolten. Die Frau blickte ihn kurz an, dann schwangen sie und ihr Gefährte sich in den Sattel ihrer Reittiere – eines schwarz, das andere rein weiß, wie es Zauberinnen und Blutkrieger zustand – und lenkten die Pferde aus dem kleinen Kreis der Rundzelte hinaus in die Steppe. Die fünf ausgewählten Krieger folgten ihnen.

Nach einigen Metern wandte TenTen sich noch einmal um und blickte zurück, um ihrer Mutter und der kleinen Schwester zu winken. Die Luft flimmerte vor Hitze und das Lager wirkte mit den wenigen Tieren um es herum armselig und abgerissen. Sie fragte sich für einen Moment, ob sie sich wiedersehen würden – ob TenTen die Reise durch feindliches Gebiet überleben oder das Feuer vor dem Erfolg dieser Reise ihre Familie holen würde?
 


 


 

Neji fragte sich, wie lange er und sein Schecke es noch aushalten würden. Sein Packpferd hatte er bereits verkaufen müssen, ansonsten wären seine Rösser wohl beide schon tot, da er das Wasser hätte zwischen ihnen aufteilen müssen. Außerdem hatte er Vorräte dafür bekommen und die Erlaubnis, seine Wasserschläuche an dem Brunnen des Klans aufzufüllen, dem er das Tier überlassen hatte.

Aber dennoch – die Dürre machte ihnen allen das Leben zur Hölle. Zwar begegnete man ihm, nachdem er den Anhänger des Heilers aus seiner Tasche gekramt hatte, nicht feindlich, aber das Wasser war trotzdem so knapp, dass er kaum überleben konnte. Er hoffte nur, dass er seinen Klan bald erreichen würde, dann erst konnte er sich halbwegs in Sicherheit wiegen.

Aber der Weg von den südlichen Städten bis zu den Gebieten des Hyuugastammes war weit und er hatte erst noch lange Tage vor sich. Falls sein Pferd den Weg überleben würde. Und er nicht auf ein Feuer stoßen würde. Momentan gab es nichts, was einer Feuersbrunst Einhalt gebieten konnte.
 

Neji füllte seine Handfläche ein letztes Mal mit Wasser und ließ den Schecken trinken, ehe er den Wasserschlauch wieder verschloss und an seinem Platz verstaute. Er zog den Sandschleier erneut über sein Gesicht und schwang sich auf den Rücken seines Reittieres. Von seinem Platz auf dem Kamm eines Hügels hatte er eine weite Sicht über das Land. In alle Richtungen war nichts zu sehen als weitere Hügel, bedeckt mit dürrem Gras und Sand, Sand, Sand.

Nur im Nordosten hatte sich etwas verändert: Eine Gruppe Reiter suchte sich einen Weg durch das unwirtliche Land. Neji zog eine Augenbraue hoch, nahm die Zügel seines Pferds auf und ließ es anlaufen. Wenn er aufpasste, dann konnte er die Gruppe abpassen. Vielleicht wussten sie, welche Quellen noch Wasser hatten und wo er halten konnte. Die Klane der Sonne waren Verbündete der Hyuuga, also würde man ihn hier vermutlich nicht abweisen.
 

Der Schecke stürmte voran, bis Neji ihn wieder zügelte, den Blick auf die Stelle gerichtet, wo die Gruppe aus dem Tal auftauchen sollte, in das sie hineingeritten war. Kurz darauf erschienen sie nicht weit von der Stelle entfernt, wo Neji auf sie wartete. Es waren fünf Krieger mit den Zeichen der Sonnenreiter an Zaum und Sattel, ein Blutkrieger und eine Zauberin.

Sie hatten ihn ebenfalls bereits bemerkt und zügelten ihre Pferde. Keiner von ihnen trug den Sandschleier vor dem Gesicht und Neji zupfte an seinem eigenen, wie es die Höflichkeit vorschrieb. Der Schecke schnaubte und tänzelte auf der Stelle. Einzig der Blutkrieger trug kein Stammesabzeichen, aber das war selbstverständlich – sie gehörten keinem Stamm mehr an.

Dennoch war er der einzige, den Neji kannte; sie waren einmal gemeinsam auf Kriegszug gewesen, einen Sommer zuvor. Sein orangerotes Haar wirkte wie eine Flamme und der schwarze Schmuck in seinem markanten Gesicht bot einen harten Kontrast zu seiner Haut.
 

Er war es jetzt auch, der sich aus der Gruppe löste, und auf ihn zukam, gemeinsam mit einem zweiten Reiter – einer Frau, wie er feststellte. Braunes Haar lugte unter ihrem Sandschleier hervor und ihre Augen waren nussbraun. Sie erwiderte seinen Blick mit selbstsicherer Stärke. Neji konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass er sie kannte, und unterdrückte den plötzlichen Drang, an seiner Kleidung zu zupfen.

Stattdessen konzentrierte er sich auf den anderen Reiter „Neji?“ Pein zügelte seinen Schimmel, als er den Hyuugakrieger erreicht hatte. Die Frau brachte ihren Fuchs neben ihm zum Stehen „Ich dachte, du bist nach Süden geritten?“

Neji nickte. „Dort war ich auch. Aber ich bin jetzt unterwegs zu meinem Klan. Hinata wird sich freuen, mich lebend wiederzusehen.“ Er warf einen Blick zu den anderen und dann zu der Frau, die den Kopf schief legte. Rasch blickte er wieder weg. „Wohin seit ihr unterwegs?“

Für einen Moment antwortete sein Gegenüber nicht und sein Schimmel drehte sich halb zur Seite.

„Ins Heilige Tal.“, erklärte die Frau schließlich. Ihre Stimme war weich und angenehm, mit einem dunklen Klang, wie das warme Tuch einer Frühlingsnacht. „Von woher kennt ihr euch? Und wer bist du überhaupt?“ Die abrupte Frage war nicht sehr höflich, aber anscheinend zog die Gruppe momentan Schnelligkeit der Etikette vor.
 

Pein war es, der antwortete: „Das ist Neji von den Weißen Hyuuga. Wir haben einmal zusammen gekämpft.“ Mehr sagte er nicht über jene Ereignisse damals, die Neji noch immer verfolgten, und der Heiler war dankbar darüber. Das ging niemanden etwas an.

„Konan wird um Regen bitten.“, erklärte Pein dann. „Die Götter wissen, dass dieses Land ihn nötig hat.“

Nachdenklich starrte Neji wieder zu der Gruppe, dann an den Himmel, wo die Sonne das einzige war, das das weite Blau unterbrach, und schließlich über die Steppe, die so viel gelber und trockener war als gewohnt. „Braucht ihr einen Heiler?“, wollte er schließlich wissen.

Der Weg zum Heiligen Tal war lang und gefährlich und viele Feinde lauerten dort. Selbst wenn man mit keinem der Stämme, die ihre Gebiete dort hatten, im Krieg lag, so gab es noch immer die Ausgestoßenen, die keine Ehre mehr hatten und manchmal auch keinen Verstand, und natürlich die Jeredhan, die Dämonen der Wüste, die Menschen mit ihren Klauen einfach zerreißen konnten.
 

„Nein.“, antwortete Pein, während die Frau überrascht an den Zügeln ihres Pferdes zog, so dass es unwillig den Kopf schüttelte. Hatte sie gedacht, er würde derselben Gemeinschaft angehören wie Pein?

Doch die anderen beiden kannten sich gut genug, dass der Blutkrieger wusste, was Neji fragen wollte. „Komm, ich stelle dich den anderen vor.“

Damit ritten sie zu der Gruppe wartender Samqe. Neben der hübschen, aber distanziert wirkenden Zauberin, die dem Namen nach Peins Gefährtin sein musste, war noch ein weiteres Mädchen dabei. Unter dem Schleier lugte langes, blondes Haar hervor.

Der Anführer der Krieger hatte den Schal wieder vor sein Gesicht geschlungen, so dass kaum seine Augen sichtbar waren. Die anderen beiden wirkten auffälliger als er – einer trug eine riesige Sense als Waffe, der zweite die Zeichen der Hundemeister im Gesicht, zwei rote Dreiecke. Neben seinem Pferd stand der Hund, ein riesiges, beigefarbenes Tier, das den Neuankömmling misstrauisch anblickte.

„Das ist Neji.“, erklärte Pein. „Wir kennen uns von früher. Er ist Heiler.“
 


 


 

Zum Glück würde es bald Vollmond sein. Die helle Beinahe-Kugel am Himmel spendete genug Licht, dass man mehr erkennen konnte als nur Silhouetten, denn sie konnten es wie die vielen Nächte davor nicht wagen, ein Feuer zu entfachen, aus Angst, ein Funke könnte überspringen und das trockene Gras entzünden.

TenTen saß neben dem kleinen Zelt, dass sie sich mit Konan und Ino teilte, und starrte nach oben in den Nachthimmel. Die Sterne waren deutlich zu sehen, wie kleine funkelnde Juwelen, die bei den Stadtmenschen so beliebt waren, auf einem schwarzen Tuch.

Ihre Begleiter schliefen fast alle, nur Kiba war noch wach, doch er und Akamaru befanden sich auf der anderen Seite des Lagers irgendwo in der Steppe. In der Nähe grasten die Pferde und verursachte leise Geräusche; das Mahlen von Zähnen, leisen Schnauben, der Klang ihrer Hufe auf dem sandigen Boden. Ansonsten war nicht viel zu hören, denn der Wind schwieg ausnahmsweise einmal.

TenTen schauderte. Es kam ihr nicht wie ein gutes Zeichen vor, im Gegenteil – eher wie die Ruhe vor dem Sturm. Sie schüttelte den Gedanken ab und verlagerte das Gewicht ihres Speeres, ehe sie den Blick über das Land schweifen ließ. Vermutlich wäre es angebrachter aufzustehen und sich umzusehen, aber Kiba war dort draußen in der Steppe und dies war sowieso noch Land ihres Stammes. Niemand würde sie hier überfallen.
 

Es kam sowieso selten genug vor, dass hier überhaupt jemand war. Eigentlich ein Wunder, dass sie Neji überhaupt getroffen hatten. Denn dieser Weg mochte oft der kürzeste sein, aber er war sicher nicht der bequemste und die meisten Leute konnten es sich leisten, zwei, drei Tage an ihre Reise dranzuhängen, und dann einen Umweg über die Affenquelle zu machen.

Die Gruppe um Konan allerdings ritt gegen die Zeit und Neji hatte nicht verraten, warum er ausgerechnet diesen Weg gewählt hatte. Vielleicht dachte er, die Affenquelle wäre momentan auch ausgetrocknet und wollte sich darum den Weg durch diese Einöde sparen, wenn der andere doch sowieso nichts nutzte.

Ein leises Geräusch ließ sie aufblicken und für einen Moment war sie verwirrt, wen sie da vor sich hatte. Dann bemerkte sie, dass es Neji sein musste, und sie rappelte sich auf. „Hast du etwas bemerkt?“, wollte sie wissen.

Für einen Moment reagierte er nicht und sie fragte sich, ob er sie überhaupt gehört hatte, dann wandte er den Kopf. Der Mond warf tiefe Schatten auf sein Gesicht, aber seine Hyuugaaugen, silberhell und klar, waren deutlich zu erkennen. „Nein.“ Seine Stimme war dunkel und kühl und wirkte auf TenTen wie ein kaltes Bad in einer Hitze wie dieser.
 

Es war verrückt, aber an Neji war etwas, was sie anzog, etwas Faszinierendes, Aufregendes und es war nicht die Tatsache, dass er als Heiler ebenso weit herumgekommen war wie ein Blutkrieger. Vielleicht würde sie während der Reise zum Heiligen Tal herausfinden, was es war. Und vielleicht würde sie herausfinden, ob sie damit alleine dastand oder ob er auch etwas … Seltsames fühlte.

Niemand der Sonnenkrieger hatte Einspruch darauf erhoben, als Pein den Hyuuga vorgestellt und vorgeschlagen hatte, dass er sie begleiten würde. Ein Heiler würde ihnen auf einer Reise sicher helfen können.

„Was tust du dann hier?“, wollte TenTen wissen. „Du solltest schlafen – der morgige Tag wird sicher anstrengend.“

Ihr Gegenüber nickte, machte aber keine Anstalten, zu dem Zelt zurückzukehren, das er sich mit Pein teilte. Stattdessen trat er einige Schritte in die Steppe hinaus. „Es ist nur ein Gefühl.“

TenTen folgte seinem Blick über die Einöde und konnte nichts erkennen. Trotzdem nickte sie und sagte: „Lass uns uns mal umschauen.“ Sie schob ihren Speer über ihre Schulter und ging in die Steppe hinaus.
 

Ihr war nicht klar, was sie finden würden, wenn überhaupt, aber schaden würde es sicher nicht. Der Schein des Mondes war die einzige Lichtquelle, die sie hatten, und nicht unbedingt für eine Suche geeignet. Sie fand alte Spuren einer Herde Gazellen, viel trockenes Gras und noch mehr Staub und Sand. Aber nichts, was auf eine Gefahr hinwies.

Nach einiger Zeit wollte sie frustriert und erleichtert zugleich aufgeben. Hier war nichts. Was sollte hier auch sein? Mit einem Seufzen fuhr sie sich durch das Haar und starrte zum Horizont. Auch dort und auf der weiten Strecke der Ebene bis dorthin war nichts zu erkennen. Vielleicht hatte Neji sich einfach geirrt?

Etwas knackte und brach unter ihren Füßen und verwirrt blickte sie nach unten. Ein nur noch teilweise mit Fleisch bedeckter Totenschädel grinste sie an, der Knochen noch rot vor Blut. Von dem Körper war kaum mehr etwas übrig, zerrissen und halb aufgefressen, das Fell hing in Fetzen von den blutigen Gebeinen.

Erschrocken fuhr sie zurück und krachte gegen Neji, der hinter ihr stand. Er taumelte, fing sich aber rasch, dann drehte er sich zu ihr und packte sie an den Armen um ihr zu helfen. Sein Körper war hart unter der Kleidung und warm, der Körper eines Kriegers. Sie brauchte einen Moment zu lange, um sich von ihm zu lösen und schüttelte heftig den Kopf. Sie hätte auf den Kadaver nicht reagieren sollen wie ein kleines Stadtmädchen. So etwas hatte sie schon öfter gesehen, wenn auch selten so überraschend.
 

„Was ist?“, wollte er dann wissen, die Augen besorgt.

„Das kam nur überraschend.“, erklärte sie und deutete mit dem Finger auf den Kadaver, der vor ihnen am Boden lag.

Neji trat einen Schritt zur Seite, um einen besseren Blick zu erhaschen, und TenTen ging in die Hocke. Mit ihrem Dolch drehte sie den Schädel etwas zur Seite. Es war ein Löwe, erkannte sie jetzt, Reste von der Mähne lagen überall verstreut im Gras. Unter ihren Stiefeln war eine Speiche zerbrochen und die Pfote lag – noch völlig erhalten – direkt neben ihrem Fuß, abgetrennt vom Rest des Körpers, der nur noch ein Schlachtfeld aus zerrupftem Fell, Blut und verschmähtem Fleisch war.

TenTen ließ den Kopf wieder in die ursprüngliche Lage zurückfallen und blickte zu Neji auf. Dessen nachdenklicher Blick war ebenfalls auf den Kadaver gerichtet und hart wie Stein. „Das ist noch nicht alt.“, erklärte sie. „Er muss verlassen worden sein, kurz bevor wir hier angekommen sind, sonst hätten wir etwas gemerkt und die Aasfresser wären hier.“ Sie sah zum Lager zurück. Es war ein ganzes Stück entfernt, aber noch nah genug, dass sie potentielle Leichenräuber vertrieben. Dennoch, warum waren keine Geier am Himmel?
 

„Es muss ein Jeredhan gewesen sein.“, murmelte Neji leise. „Komm, wir müssen zum Lager zurück.“

Ein Jeredhan… Für einen winzigen Moment fragte sie sich, wie er darauf kam, dann hätte sie sich für den dummen Gedanken am liebsten selbst geohrfeigt. Wer jagte denn Löwen außer Menschen – die sicher kein solches Schlachtfeld hinterlassen würden – und Jeredhan?! Niemand. Ein Schauder überlief sie. Das war nicht gut. Wenn kurz vor ihrer Ankunft ein Jeredhan hier gewesen war, konnte er nicht weit sein. Die Dämonen reisten nicht sehr schnell.

„Vielleicht sollten wir früher aufbrechen, als geplant.“, antwortete sie und erhob sich. „Es wäre besser für uns.“ Am liebsten hätte sie laut geflucht. Das hatte ihnen gerade noch gefehlt!
 


 


 

Fast zwanzig Tage waren sie nun schon gemeinsam unterwegs. Vor einiger Zeit hatten sie das Gebiet der Sonnensamqe verlassen und das der Uchiha betreten. Die Uchiha und die Sonnenklane waren schon seit Generationen verfeindet und auch wenn es immer wieder Vermittlungsversuche gegeben hatte, weit waren sie dabei nie gekommen.

Inzwischen hatte man es aufgegeben, denn das böse Blut zwischen den beiden Stämmen würde wohl niemals versiegen. Momentan herrschte ein brüchiger Waffenstillstand, aber durch die Dürre hatte niemand Interesse daran, einen Raubzug durchzuführen.

Wie stets hatten Shino und Hidan die Spitze übernommen. Ihnen folgten Konan und Pein, dann Neji selbst mit TenTen und Ino und Kiba machten den Abschluss. Die Stimmung in der Gruppe war seltsam. Sie befanden sich nicht auf Raubzug, nicht im Krieg und nicht auf Verfolgung, sie waren auch keine Boten oder auf dem Weg zu Verbündeten, die Hilfe brauchten.
 

Dennoch konnten sie sich keine Zeit lassen und die Lage war ernst. Denn je eher sie das heilige Tal erreichten, desto eher würde es regnen. Und dass Konan den Regen beschwor, daran hatte niemand einen Zweifel. Wenn sie nicht daran glaubten, was für einen Sinn würde diese Reise haben? Wie würde die Zukunft aussehen?

Sie mussten daran glauben mit aller verzweifelten Macht, die sie aufbringen konnten.

Bis jetzt waren sie glücklicherweise noch keinem Uchiha begegnet und Neji war froh darum. Jeden Tag, an dem sie keinen der Herren dieses Landes treffen würden, war ein erfolgreicher Tag. Sie alle wussten, dass es fast unmöglich war, ohne eine solche Begegnung das Land zu durchqueren.

Ein lauter Ruf ließ sie auffahren. Auf einem der Hügelkämme rechts von ihnen war ein Reiter aufgetaucht. Er trug den schwarzen Staubschleier der Uchiha und Neji hatte keinen Zweifel daran, zu welchem Klan er gehörte.

Der Hyuugakrieger wechselte einen besorgten Blick mit TenTen. Während der letzten Tage hatte er sie recht gut kennengelernt und inzwischen hatte er keine Mühe mehr, ihre Körpersprache zu lesen. Was ihn erstaunte war, dass es ihr ebenso ging. Für die meisten Leute war Neji eher unleserlich und mysteriös.

Shino hob die Hand und die kleine Gruppe zügelte ihre Reittiere. Vorbei war es mit dem Frieden. Es gab noch die Chance, dass man sie ziehen ließ, außerdem hatten sie eine Zauberin und einen Blutkrieger bei sich und mit solchen Feinden legte man sich selten an. Kurz darauf tauchten weitere Krieger auf dem Hügel auf und dann trieben sie ihre Pferde auf die Sonnensamqe zu. Das Trommeln der Hufe klang laut und hart und Nejis Schecke schnaubte nervös.
 

Pein schloss zu Shino auf. „Wir sollten ihnen erklären, warum wir hier sind.“, sagte TenTen leise und ihre Stimme hatte einen seltsamen Klang. „Regen wird auch ihnen nutzen.“

„Denkst du, das hilft?“, wollte Kiba von hinten wissen.

„Würde es bei uns helfen?“, hakte TenTen nach, heftiger als nötig. Sie würde sicher einlenken, da war Neji sich sicher. Bei anderen … nicht so sehr.

„Wir sollten die Hundesöhne einfach abschlachten.“, knurrte Hidan, während er nach seiner Sense tastete.

„Runter damit.“, zischte Konan heftig. „Ich dulde das nicht.“

Der Silberhaarige fuhr herum und wollte eine heftige Erwiderung geben.

„Wir wissen nicht einmal, wie viele es sind!“, schnappte Shino. „Kein Angriff ohne meinen Befehl. Still jetzt!“

Die Uchiha hatten sie erreicht. Sie brachten ihre Pferde aus dem vollen Galopp zum Halt und der Anführer, ein junger Mann mit schwarzem Zopf und kohlefarbenen Augen ließ sein Pferd zwei Schritte weitergehen und musterte die Gruppe kühl. Neji spürte, wie sich seine Begleiter – außer Pein – anspannten. TenTen griff nach ihrem Schwert und runzelte die Stirn.
 

„Was macht ein Blutkrieger bei solchem Gesindel?“, wollte der Uchiha von eben diesem wissen.

„Wir sind auf dem Weg zum heiligen Tal.“, war die einfache Antwort, doch der Uchiha achtete nicht auf ihn. „Und ein Hyuuga? Mit euch haben wir keinen Streit.“

Neji nickte; das war ihm bekannt. „Ich habe meine Hilfe angeboten.“, antwortete er einfach.

„Ich bin Itachi von den Roten Uchiha“, erklärte der Fremde. „und ich verlange zu wissen, was ihr hier tut, Sonnenreiter.“

Für einen Moment war es still. Was wollte der Uchiha? Streit vermeiden? So etwas gab es zwischen den Uchiha- und den Sonnenklanen nicht, vor allem, wenn man Mitglieder des jeweiligen anderen Stammes auf dem eigenen Land entdeckte. Oder war es einfach, weil sie nicht mehr Krieger waren und der Klan weit?

Neji zählte nur fünf Gegner – die Sonnenreiter waren in der Überzahl, außerdem hatten sie einen Blutkrieger. Niemand legte sich ohne guten Grund mit Blutkriegern an.

Konan war es, die die unsichere Stille brach. Mit einem verdrießlichen Gesichtsausdruck trieb sie ihren Rappen nach vorn und zwischen den Pferden von Shino und Pein hindurch, so dass sie dem Uchiha direkt gegenüberstand. Die heiße Sonne fing sich in den Klanabzeichen am Zaum ihres Rosses.
 

„Wir sind auf dem Weg ins Heilige Tal.“, wiederholte sie die Worte ihres Gefährten. „Wir werden den Regen verlangen.“

Diesmal war es an Itachis Pferd, nervös mit den Hufen zu stampfen. Doch sein Reiter hatte es unter Kontrolle. Er ließ den Block noch einmal über die Gruppe wandern. Dann nickte er. „Ihr mögt weiterziehen. Hütet euch jedoch vor unbedachten Handlungen.“ Seine Stimme klang hart bei dem letzten Satz und den Blick, den er Hidan zuwarf, zeigte, dass er den Griff zur Waffe durchaus bemerkt hatte.

Die Anspannung in TenTens Körper verstärkte sich und Neji fragte sich, ob sie ihre Klinge ziehen würde. Warum reagierte sie so heftig? Er hatte sie als versonnen und vernünftig kennen gelernt, nicht als hitzköpfig. Vorsichtshalber streckte er die Hand aus und umschloss ihr Handgelenk. Unter seinen Fingern jagte ihr Puls und ihr Gesicht war zu einer harten, regungslosen Maske erstarrt.

Konan nickte abgehakt und Itachi riss sein Pferd herum, um es den Weg, den sie gekommen waren, zurückgaloppieren zu lassen. Seine Begleiter folgten ihm, zögernd, aber ohne Fragen. Vermutlich erkannten sie die Klugheit ihres Anführers.
 

Erst, als die Uchiha vollständig hinter den Hügeln verschwunden waren, wich die Anspannung von der Gruppe. Zögernd ließ Neji seine Begleiterin los, die die Luft ausstieß und beinahe im Sattel ihres Tieres zusammensank.

„Ich hoffe, dass sie ihre Meinung nicht so schnell ändern.“, murmelte Ino. „Wir können es nicht auf einen Kampf ankommen lassen.“

„Hidan, was sollte das?“, fauchte Shino. „Willst du uns alle umbringen? Wir können nicht riskieren, dass irgendetwas unseren Auftrag stört! Und ein Kampf mit den Uchiha würde das ganz sicher!“

„Wir hätten ihn gar nicht mitnehmen sollen.“, knurrte Kiba, aber zu leise, dass Hidan ihn hören sollte, dessen Gesichtsausdruck Bände sprach, als er Shino wütend anstarrte.
 

Konan trieb ihren Rappen zwischen die Pferde der beiden, um einen drohenden Streit zu unterbinden. „Seid still, ihr beiden. Lasst uns eilen – wir wissen nicht, wann Itachi seine Meinung ändert oder er Verstärkung bekommt. Los jetzt!“ Sie ließ ihren Rappen antraben. Pein folgte ihr ohne ein Wort.

Shino warf Hidan noch einen warnenden Blick zu, dann trieb auch er sein Pferd an. Kiba und Ino folgten ohne ein Wort, während Hidan noch einen heftigen Fluch ausstieß, ehe er sich anschloss.

TenTen jedoch rührte sich nicht, der Ausdruck in ihrem Gesicht unleserlich. Gerade, als Neji nach den Zügeln ihres Pferdes greifen, und sie einfach mitnehmen wollte, riss sie sich aus den Gedanken. „Danke.“, flüsterte sie ihm leise zu, sagte aber sonst nichts mehr zu ihrem Verhalten gegenüber den Uchiha.
 


 


 

„Weißt du“, sagte TenTen plötzlich und überraschte sich selbst damit. „ich mag die Uchiha nicht.“

Neji blickte auf und sah sie an, eine Augenbraue fragend hochgezogen. „Das ist mir aufgefallen.“, sagte er dann und seine Gedanken mussten zu dem Treffen zurückkehren, das sie vor einigen Tagen gehabt hatten.

Es war nicht schwer, diesen Gedanken zu erraten, vor allem nicht, wenn sein Gesicht zu sehen war. Der Wind, wenn auch heiß und trocken, war sanft und trieb nur selten Staub vor sich her, so dass sie die Sandschleier nicht vor Mund und Nase hatten ziehen müssen. Es war nicht leicht, in Neji zu lesen, aber inzwischen wusste sie, wie es ging.

Mittlerweile war ihr seine Anwesenheit vertraut, als würde er schon seit Monaten oder gar Jahren den Platz neben ihr einnehmen. Dabei, so fiel ihr ein, war es nicht einmal wirklich lang. Wie lange, fünfundzwanzig Tage? Sechsundzwanzig? Im Grunde nicht der Rede wert, aber das Gefühl, ihn schon ewig zu kennen, blieb.

Auch wenn er ihr nicht viel von sich verraten hatte – was er hier machte, warum er Heiler geworden war, nicht einmal, wer sein Lehrer gewesen war oder etwas über seine Familie. Manchmal glaubte sie, dass sie einfach wusste, wer er war. Alle weiteren Worte schienen unnötig.
 

Und da war noch etwas anderes. Etwas, ein Gefühl und Wissen… Sie konnte es nicht beschreiben. Es war, als hätte sie endlich etwas gefunden, was sie schon immer gesucht hatte, nur dass ihr das nicht bekannt gewesen war. Verrückt.

Wie konnte sie das jemandem erklären? Wie konnte sie das Neji erklären, was als einziges wirklich eine Bedeutung hatte? War jetzt überhaupt der richtige Ort, die richtige Zeit, darüber nachzudenken? Und was dachte Neji über sie? Denn so gut sie auch in ihm lesen konnte, es betraf stets das Offensichtliche, das Obenliegende, niemals das Verborgene. Auch hatte sie ebenso noch nicht viel über sich erzählt. Nun, das würde sich jetzt ändern.

„Wir liegen schon lange im Krieg mit ihnen.“, fuhrt sie fort und Neji nickte. Natürlich wusste er das – den meisten Samqe war dies bewusst. Die Feindschaft des Sonnenstamms mit dem Uchihastamm war legendär. „Eines Tages, als ich noch klein war – höchstens acht – überfielen einige ihrer Krieger unseren Klan. Mein Vater fiel an diesem Tag.“

Neji warf ihr einen unleserlichen Blick zu und nickte dann. Es war verständlich, dass sie Uchiha nicht mochte. Natürlich war sie nicht die einzige, die einen solchen Verlust zu beklagen hatte, aber jeder reagierte anders.
 

Vor ihnen hob Shino die Hand zum Zeichen anzuhalten. „Kiba.“ Der Angesprochene reagierte sofort und ließ seinen Grauschimmel an die Spitze des kleinen Zuges laufen. TenTen brachte ihre Stute mit einem Schenkeldruck zum Stehen und reckte den Hals. Zu sehen war nichts. Doch es musste etwas geschehen sein, sonst hätte Shino nicht angehalten. Spuren im Staub vielleicht? Dafür würde auch sprechen, dass Kiba sie sich ansehen sollte. Er war der beste Jäger unter ihnen und noch dazu ein Hundemeister.

Der brünette Krieger sprang aus dem Sattel und untersuchte den Boden. Spuren im Sand. „Es sind Löwen.“, erklärte er schließlich. „Ein ganzes Rudel.“ Er sah auf. „Vermutlich suchen sie sich neues Jagdgebiet – auch sie leiden unter der Dürre.“ Damit schwang er sich wieder in den Sattel.

„Dann sollten wir aufpassen.“, meinte Ino. „Ausgehungerte Löwen? Darauf will ich nicht stoßen.“

Zustimmendes Gemurmel ertönte, außer von Hidan, der lauthals fluchte. Aber inzwischen hatte selbst Neji gelernt, ihn einfach zu ignorieren.

„Sie sind nach Westen gezogen.“, bemerkte Kiba. „Wenn wir weiter unserem Weg folgen, sollten wir nicht auf sie stoßen.“

„Dann werden wir das tun.“, erklärte TenTen und sie ritten wieder an.
 

Es dauerte keine zwei Stunden, als Shino sie erneut halten ließ, doch diesmal war auf den ersten Blick deutlich, warum. Sie alle stiegen von den Pferden, um sich besser umsehen zu können. Hier befand sich eine verlassene Lagerstelle. Sie mochte zwei oder drei Tage alt sein.

Die Asche des Lagerfeuers – würden Uchiha so gedankenlos sein? – war kalt, teilweise bereits verweht und teilweise bedeckt von Sand. Einige Löcher deuteten an, wo man die Halter für die Zeltleinen eingetrieben hatte und das Gras war in einem relativ großen Umkreis zertrampelt oder weggefressen.

Es mussten sich wenigstens um zwanzig Leute handeln, die hier gerastet hatten, aber kein ganzer Klan – die Spuren, die Ziegen- und Schafherden hinterließen, fehlten. Anscheinend hatten sie nur Pferde mit sich geführt, wie es jeder Samqe tat, der etwas auf sich hielt. Eine Gruppe von Kriegern? Auf Raubzug vielleicht? Aber wer würde zu einem Zeitpunkt an etwas solches denken? Nicht einmal die Uchiha, wie sie einige Tage zuvor festgestellt hatten.
 

Pein trat Sand über die Feuerstelle, vielleicht um gänzlich sicher zu gehen, dass keine Glut mehr darin war. „Das ist seltsam.“, tat er kund und sprach dabei etwas so offensichtliches aus, dass TenTen sich fragte, warum er es überhaupt gesagt hatte. Pein war kein Mann von großen Worten.

„Vielleicht waren das Itachi und seine Männer.“, bemerkte Neji leise.

„Du meinst, dass sie uns suchen?“, wollte Ino erschrocken wissen und schlug sich eine Hand vor den Mund.

„Nein, ich denke nicht, dass sie das tun.“, erklärte Konan bestimmt.

„Wie kommst du darauf?“, wollte Kiba misstrauisch wissen. Als Zauberin hatte Konan mehr Möglichkeiten Dinge in Erfahrung zu bringen als die, die Normalsterblichen wie ihnen offen standen. Doch die Zauberin blickte ihn nur kurz an und sagte nichts mehr. Stattdessen kehrte sie zu ihrem Rappen zurück und stieg auf.
 

„Wie auch immer“, begann TenTen. „wir sollten es nicht darauf ankommen lassen. Und Zeit vertrödeln sollten wir sowieso nicht.“ Sie tat es Konan gleich.

Shino nickte. „Aufsitzen. Lasst uns von hier verschwinden. Hidan!“

Der Silberhaarige hatte sich ein ganzes Stück von den anderen entfernt und blickte sich nun um. Während alle anderen zu ihren Reittieren zurückkehrten, schien er zu zögern. „Nun mach schon!“, drängte Kiba. „Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit, du Schnecke!“

„Halt dein Maul, Hundesohn!“, brüllte Hidan zurück, doch er fügte sich. „Ich dachte nur, ich hätte was bemerkt.“, erklärte er, als er in den Sattel stieg. „Irgendetwas stimmt nicht.“

„Und das wäre?“ Ino beugte sich im Sattel vor, um ihn an Kiba vorbei anzublicken. Sie bekam nur ein Schulterzucken als Antwort. „Dann kann es ja nicht so wichtig sein.“, bemerkte die Blonde und trieb ihr Pferd an, um zu Pein, Konan und Shino aufzuschließen, die bereits losgeritten waren.

TenTen wechselte einen Blick mit Neji, der die Augen verdrehte. Sie lachte und gemeinsam folgten sie den anderen.
 


 


 

Das Wasser war schlammig und warm, dennoch bot es eine lang ersehnte Erfrischung. Sie hatten bereits die Pferde getränkt, ihre Wasserschläuche aufgefüllt und den eigenen Durst gestillt. Im Moment taten sie einfach gar nichts.

Neji kannte diese Quelle als eine der größten, die dieser Teil des Landes zu bieten hatte. Sie befand sich in einer steinigen Senke, die von den verschiedensten Felsen umgeben war, und füllte diese normalerweise mindestens bis zur Hälfte aus. Bei besonders nassen Wintern sogar noch mehr. Jetzt war da kaum mehr als eine Pfütze und den Spuren nach zu urteilen, kamen alle Tiere aus dem Umkreis hierher, um ihren Durst zu stillen.

Shino hatte eine Rast befohlen, aber sie wussten alle, dass sie bald von hier verschwunden sein mussten. Raubtiere ließen sich nur für eine bestimmte Zeit auf Abstand halten, die Uchiha mussten diese Quelle kennen und als ihr eigen ansehen und was für ein Gesindel sich hier sonst noch so herumtrieb, wollte Neji nicht einmal wissen. Es wäre besser, wenn niemand sie zu Gesicht bekam.
 

Doch wenn Shino den Aufbruch sofort befohlen hätte, hätte mehr als nur einer protestiert und auch Neji kam die Rast an der Wasserstelle gerade recht. Und den Pferden sowieso. Zwei von ihnen waren ins Wasser gewatet und die anderen drängten sich am Ufer.

Momentan war weder etwas von Konan noch von Pein zu sehen. Hidan saß auf einem der Felsen, die sich im Osten besonders hoch auftürmten, und starrte in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Aber er war bewegungslos wie eine Statue, darum sah er wahrscheinlich nichts. Kiba und Ino kümmerten sich um die Pferde und stritten gutmütig miteinander. Shino kramte in einer Tasche herum und kümmerte sich nicht um die anderen.

TenTen dagegen hatte sich zu Neji gesellt. Sie war eine vertraute, beruhigende Präsenz neben ihm. Einmal hatte er sich gefragt, wie er sich so schnell an sie gewöhnt hatte, an ihre natürliche Selbstsicherheit, ihre klugen Bemerkungen, ihre freundliche Art. Stunden war er darüber in Schweigen verfallen, was ihm mehr als einen seltsamen Blick von ihr eingebracht hatte. Zu einer Antwort war er nicht gekommen und er hatte den Gedanken beiseite geschoben – später war vielleicht mehr Zeit, darüber nachzusinnen. Oder er ließ es bleiben. Spielte es denn eine Rolle?
 

Gemeinsam starrten sie auf die bewegte Wasseroberfläche und unterhielten sich leise. „Ich bin ziemlich früh aus meinem Klan weg.“, erzählte Neji. „Schon zwei Tage nach meiner Weihe, die ich im Übrigen auch noch früher als die meisten erhalten habe.“ Er hob die Schultern. „Ich wollte nur weit weg von meinem Klan.“

Dies erstaunte sie sichtlich. Die meisten Samqe hatten eine enge Bindung zu ihren Familien. Das war eine notwendige Folge des harten Lebens ihres Volkes, bei dem man eng miteinander verkehrte und sich auf die anderen Mitglieder des Klans unbedingt verlassen musste.

„Warum?“ Es lag ehrliche Neugierde und Anteilnahme in dem einen Wort.

„Mein Onkel und ich hatten einige … Meinungsverschiedenheiten.“ Er war froh, dass TenTen nicht fragte, worin diese bestanden hatten. „Ich war gerade auf dem Weg zu ihnen, als ich auf euch traf.“

„Wenn wir im Tal angekommen sind und Konan Regen gemacht hat, wirst du deine Reise dann fortsetzen?“, erkundigte sie sich und ihre Stimme klang … unterdrückt.

Wenn jemand ihm diese Frage einen Mond zuvor gestellt hätte, dann hätte er genickt. Jetzt lag die Sache anders – natürlich würde er gern seine Familie wieder sehen. Aber er wollte auch mit TenTen reiten, mit ihr jagen und an ihrer Seite kämpfen. Darum antwortete er nicht auf die Frage. Sie schien seinen Zwiespalt zu spüren, auch wenn sie nicht wissen konnte, woher er stammte.
 

Darum wechselte sie einfach das Thema: „Warum wolltest du zurück? Wenn du und dein Onkel doch…“ Sie beendete den Satz nicht, aber sie musste es auch nicht.

Neji lächelte bitter. „Ich war jung und dumm. Inzwischen bin ich … weiser geworden. Ich weiß nicht, ob ich ihm verziehen kann, aber ich kann jetzt zumindest seinen Standpunkt sehen. Es liegt an mir, den ersten Schritt zu machen. Und ich vermisse meine Cousinen und meine Freunde.“

TenTen lächelte und für einen Moment sah sie so aus, als wollte sie etwas sagen.

Doch ein leises Geräusch ließ ihn heftig auffahren. „Was war das?“ Seine Hand schloss sich um das Sichelschwert, das bei den Steppenstämmen genutzt wurde.

TenTen tat es ihm gleich und blickte sich wild um. „Ich weiß nicht…“, murmelte sie angespannt. „Ich habe nichts gehört.“
 

Dann schlug Akamaru an und einen Moment später brach Chaos aus. Während die Sonnenreiter zu ihren Waffen stürmten, stieß jemand anderes einen wortlosen Kriegsruf aus und einen Moment später war die Senke voller feindlicher Krieger.

Neji riss sein Schwert aus der Scheide. Reiter hetzten den sachten Abhang hinunter und die reiterlosen Pferde am Ufer wieherten erschrocken. Kiba brüllte wütend auf und zog sich auf den Rücken seines Reittieres. Von Ino war einen Moment überhaupt nichts zu sehen, dann tauchte sie auf, trieb ihr Pferd den Angreifern entgegen.

Die Angreifer waren überall, kamen aus allen Richtungen. Es war nicht schwer zu erraten, dass sie hier auf Reisende gewartete hatten, um sie hinterrücks zu überfallen. Dies war nicht die Art der Samqe, aber die abgerissene, wild zusammengewürfelte Kleidung, die mageren Pferde, der fehlende Klanschmuck an den Zäumen…

Das waren zwar Samqe, aber sie gehörten keinem Klan an – Ausgestoßene. Ausgestoßene hatten keine Ehre.
 

Dann war die Zeit, in der er überlegen konnte, vorbei und er musste sich den Feinden stellen. Mit den Felsen im Rücken hatten er und TenTen einen entscheidenden Vorteil, wenn auch nicht für lange. Sie würden hier in der Falle sitzen.

Das laute Klirren von Metall auf Metall tat in den Ohren weh, wurde aber übertönte von dem Gegröle der Angreifer. Hidan kam mit lautem Brüllen angerannt, seine Sense blitzte im Sonnenlicht, als er sie wild um sich schwang. Wo waren Pein und Konan? Ohne die beiden hatten sie keine Chance. Und auch mit ihnen…

Neji riss sein Schwert herum, blockte, schlug zu, parierte. Sie waren hier deutlich in der Defensive. Sie mussten versuchen, zu den Pferden zu kommen und zu fliehen. Noch hatte keiner der Feinde daran gedacht, die Tiere einzufangen, die wild und verängstigt waren und drauf und dran, das Weite zu suchen.
 

Akamaru jaulte laut auf, jemand schrie vor Schmerzen, das Gebrüll des Kampfes lag in der Luft. Neji warf einen Blick zu seiner Begleiterin, die einen gehetzten, verzweifelten Blick in den Augen hatte. Das reichte, um zu wissen, dass TenTen genau dasselbe dachte. Sie warf ihm ein kurzes, dünnes Lächeln zu und wandte sich dann wieder ihrem Gegner zu, um mit einer geschickten Riposte zu antworten und ihm dann die Klinge in die Brust zu stoßen.

Doch es spielte kaum eine Rolle – sie waren hoffnungslos unterlegen. Sie waren nur sechs Kämpfer, denn zwei der ihren fehlten, und die Ausgestoßenen waren so viel mehr. Nicht einmal Pein und Konan konnten ihnen hier helfen und vielleicht war es ganz gut, dass sie nicht auftauchten.

Konan hatte dann wenigstens die Chance, das Heilige Tal doch noch zu erreichen um dort den Regen zu rufen.

o8. Dezember - Nice to advise

Heute war Tentens freier Tag. Es stand keine Mission für sie an, ihre siebzehnjährige Tochter war noch beim Training, ihr zehnjähriger Sohn in der Akademie und ihr Mann befand sich auf einer Mission. Gemeinsame freie Tage mit ihm waren eine Seltenheit, umso mehr freute sie sich auf ihr Wiedersehen.

Um die freie Zeit auch zu nutzen und weil sie das Haus noch für ein paar Stunden für sich hatte, hatte Tenten beschlossen, Plätzchen zu backen. In gut zwei Wochen war immerhin schon Weihnachten und bisher war sie nicht dazu gekommen, etwas vorzubereiten. Ihre Familie, besonders ihr Sohn, würde sich bestimmt über ein paar leckere Kekse freuen. Wenn sie nach dem Backen noch Zeit hatte, würde sie vielleicht auch das Haus schmücken.
 

Es war bereits eine Stunde vergangen und Tenten hatte schon das erste Blech mit ausgestochenen Plätzchen in den Backofen geschoben, als sie hörte, wie jemand einen Schlüssel in die Haustür steckte. Sie wunderte sich. Ihr Mann wurde erst in drei Tagen zurückerwartet, ihr Sohn war noch mindestens eine Stunde in der Akademie und es passierte nur sehr selten, dass das Training ihrer Tochter früher als geplant beendet wurde.

Die Haustür ging auf und jemand trat in den Flur. Tenten streckte den Kopf aus der Küchentür, um zu sehen, wer so früh schon zu Hause war und bekam einen Schrecken. Es war ihre Tochter, aber sie sah schrecklich aus. Ihre Haare standen dem Mädchen wirr vom Kopf ab, sie hatte ein paar Kratzer im Gesicht und an den Armen, doch das kam öfter vor, schließlich war Training kein Spaziergang. Das Erschreckende war ihr Gesichtsausdruck: Tränen liefen ihr über die Wangen, gleichzeitig spiegelte sich Wut in ihren Augen wider. Schon lange hatte Tenten ihre Tochter nicht mehr so aufgelöst gesehen.

„Oje, Schätzchen, was ist denn passiert?“, besorgt lief Tenten auf ihre Tochter zu. Die stampfte nur mit dem Fuß auf und schmiss ihren Rucksack in die Ecke.

„Ich hab’ keinen Bock mehr“, schrie sie mit erstickter Stimme, „ich kann das einfach nicht! Ich bin zu blöd dafür!“

„Komm, zieh erst einmal deine Schuhe aus, dann setzen wir uns auf die Couch und du erzählst mir, was passiert ist“, beruhigend strich Tenten ihrer Tochter über den Arm. Die Beiden gingen ins Wohnzimmer und kaum dass sie auf der Couch saßen, nahm Tenten das Mädchen in den Arm, woraufhin sich ihre Tochter sofort an sie kuschelte und weiter weinte.

Für eine Viertelstunde saßen die Beiden einfach so da, bis die Tochter schließlich stockend zu erzählen begann: „E-Es läuft alles sch-schief in letzter Zeit. Ich habe schon seit W-Wochen keinen Trainingskampf mehr gewonnen und die Anderen werden immer besser, während ich nur zusehen kann, wie sie mir davonlaufen. Ich verliere den Anschluss. So schaffe ich meine P-Prüfung zum Jo-Nin nie im Leben. Dabei will ich das doch so gerne schaffen! Und dann ist da noch dieses schreckliche neue Nin-Jutsu, das ich einfach nicht gebacken kriege. Ich übe schon seit mehr als zwei Wochen, aber es hat noch nie funktioniert. Dauernd mache ich irgendetwas falsch und vertausche die Fingerzeichen, verletzte meine Teamkollegen oder es passiert einfach gar nichts. Ich bin zu dumm ein gewöhnliches Jutsu zu erlernen.“

Tenten seufzte: „Das ist doch nicht schlimm, wenn man ein Jutsu nicht sofort beherrscht. Jeder Ninja hat ein Problem-Jutsu, für das er Wochen zum Erlernen gebraucht hat. Dann übst du dieses Jutsu einfach so lange, bis du es kannst und dein Lehrer hilft dir doch bestimmt dabei und gibt dir Tipps, wenn du ihn darum bittest.“

Ihr Tochter ließ ein Schnauben verlauten: „Als ob das was bringen würde. Es geht einfach nicht.“

„Nun gib doch nicht einfach so auf. Du bist eine talentierte Shinobi und hast deine Aufgaben bisher immer tadellos erledigt. Es gibt nichts, was du bisher nicht geschafft hast. Da wirst du dich doch wohl von einem kleinen Jutsu nicht unterkriegen lassen! Versuch es einfach so lange, bis du es geschafft hast. Glaub mir, irgendwann platzt der Knoten und dann hast du keine Probleme mehr, dieses Jutsu auszuführen. Dann bist du stolz, dass du nicht aufgegeben und schlussendlich doch dein Ziel erreicht hast. Bitte dein Team um Hilfe, dann klappt das schon. Mir hat einmal jemand gesagt, dass unser größter Ruhm nicht sei, niemals zu fallen, sondern jedes Mal wieder aufzustehen. Glaub an dich“, Tenten drückte ihre Tochter fest. Diese wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und erhob sich: „Danke, Mama. Ich gehe dann wohl mal wieder zum Training zurück.“

Tenten schaute ihrer jungen Tochter hinterher. Obwohl ihr Mädchen „schon“ siebzehn war, kam sie mit schweren Problemen und Zweifeln doch immer noch zu ihrer Mutter. Manche Probleme konnte man eben nicht alleine lösen, auch wenn man einfach nur einmal jemanden brauchte, der einen aufbaute. Das hatte auch Tenten lernen müssen. Sie hatte zwar keine Mutter gehabt, die ihr damals helfen konnte, dafür aber einen wunderbaren Freund, der aufgrund gewisser Umstände schon immer viel zu reif für sein Alter gewesen war. Er war in der Lage gewesen, ihr diese wichtige Lektion zu erteilen, ihre diesen Rat zu geben, den sie jetzt an ihre gemeinsame Tochter weitergegeben hatte. Sie hoffte, dass er ihrem Mädchen genauso helfen würde wie ihr.

Allein die Hilfe, die sie damals bekommen hatte, wäre für Tenten Grund genug gewesen, Neji ihr Herz zu schenken. Da war es umso schöner, dass Tenten ihn für so viel mehr liebte.
 

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Hier ist nun also das achte Türchen :) Kurz und hoffentlich schmerzlos ;)

Neji und Tenten als Paar ist leider ein wenig zu kurz gekommen, aber ich hoffe, es hat euch trotzdem gefallen :)

Habt noch einen schönen 8. Dezember! Bis zum nächsten Mal :)
 

Liebe Grüße,

Sayuri

o9. Dezember - Todesblicke (Teil 1)

Es war finstere Nacht. Nur noch ein paar Laternen beleuchteten die menschenleere Straße und ließen sie in diesem Winter noch kälter, trostloser wirken als am Tag, wenn sich die Bewohner der Mietwohnungen sich vor der Kälte schützend in ihren warmen Wohnungen einschlossen.

Eine Katze, zerzaust und hungrig, wühlte in einem Mülleimer nach etwas essbaren und fand sofort einige Essensreste, die sie nun für sich beanspruchen würde. Doch als sie kaum mit ihrem Festmahl beschäftigt war, knallte etwas an die Mülltonne. Daraufhin fiel diese um und es kam zu einem unerträglichen Lärm, woraufhin die Katze fauchend aus der Tonne sprang und wegrannte.

Ein Mann mittleren Alters, der der Verursacher dieses Unfalls mit der Tonne war, stolperte über den zerstreuten Inhalt und knallte unsanft auf den Boden.

Ein leichter Schmerz an seinem Knöchel breitete sich aus und der Mann war nicht in der Lage aufzustehen und weiter zu laufen. Doch es war auch nicht mehr nötig, denn nun erkannte er, dass ihm kein Ausweg mehr bleiben würde.

Er hörte wie sich Schritte näherten. Der Schauer, der sich auf seinem Rücken gebildet hatte, wurde nur noch kühler. Seine Zähne fingen an zu klappern. Seine Hände zu zittern.

Die Schritte kamen bei ihm an.

„I-Ich werde dich töten! Und meinen Vater rächen!“, trotz der Angst und der erscheinenden Lähmung schaffte er es eine Pistole aus der Innentasche seiner Jacke zu ziehen und sie wackelnd vor sich zu halten. Doch die Gestalt ließ nur ein leises Lachen ertönen.

Das Kommando, dass dem Körper des am Boden liegenden das Zeichen gab zu schießen.

Ein furchtbar lautes Echo hallte von dem Schuss in der Gasse und irgendwo hörte man eine wütende Stimme, die sich beschwerte.

Doch die Gestalt rührte sich nicht. Und der Mann ließ die Waffe auf den Boden knallen. Sein Herz wollte stehen bleiben. Sein Atem hörte auf. Und eine Stille breitete sich zwischen den beiden auf.

„Ich denke, ich sollte jetzt wohl dich töten“, ertönte die dunkle Stimme der Gestalt und lies sie sich zu dem schreienden Mann herunter beugen...
 

Sie betrachtete den grünen Stift genau. Er sah nicht anders aus als die anderen. Nur war er grün. Er war Grün und hatte einen geschwungenen Schriftzug mit den Worten ‚Frohe Weihnachten'.

Es war ein Füller. Er war aus Metall und die Feder hatte eine schöne Verzierung. Es waren kleine Weihnachtskugeln mit Bändern eingraviert. Erstaunlich was Menschen mit einer Nadel so alles in Metall stechen konnten.

Dennoch legte sie ihn zurück Es war doch nicht das Richtige.

Sie wollte etwas, was nicht zu weihnachtlich aussah. Schließlich sollte ihre Mutter das ganze Jahr über mit einem schönen Füller Gedichte auf einer Wiese unten auf dem Land schreiben.

Und nicht im Sommer mit eingravierten Weihnachtskugeln genervt werden.
 

Die Braunhaarige seufzte.

Seit Stunden suchte sie nun ein Geschenk für ihre Mutter. Für jeden aus ihrer Familie hatte sie schon was!

Sogar für ihre paranoide Tante Akiko hatte sie ein Geschenk und für sie gab es nun wirklich nicht viel Auswahl an Sachen, bei denen sie nicht gleich an Außerirdische dachte.

Nur ihre Mutter blieb noch übrig.

Noch nie war es der jungen Frau so schwer gefallen etwas für ihre Mutter zu finden. Seit Tenten denken konnte hatte sie immer etwas für ihre Mutter gehabt was sie immer gefreut hatte. Am Anfang waren es selbstgemachte Sachen, wie Bilder oder misslungene Perlenbändchen. Dann fing sie an einzukaufen und fand immer schöne Sachen.

Aber nun war es fast schon ein richtiger Kampf etwas zu finden, da sie einfach schon all ihre Ideen für dieses Jahr bereits in den letzten Jahren verschenkt hatte.

Das einzige was ihr noch einfiel war ein neuer Füller. Doch dieser Schreibwarenladen bot nicht besonders viel gute Auswahl. Denn mindestens Achtzig Prozent der Schreibgeräte hatten Weihnachtsmotive und auch wenn diese wunderschön waren, so war ein Weihnachtsfüller das Letzte was Tenten ihrer Mutter schenken wollte.
 

Sie betrachtete noch einen weiteren Füller aus dem Regal daneben. Er war dunkelrot und durch den Metallkörper relativ schwer. Die Feder war vergoldet und wie die anderen Füller mit Schnörkeln verziert.

Auch wenn er wirklich das schlichteste vom Schlichten war so gefiel er der Dunkelhaarigen. Und doch legte sie ihn wieder zurück. Es konnte ja sein, dass sie irgendwo noch etwas Besseres finden würde. Und wenn nicht, dann würde sie eben wieder herkommen. Der dunkelrote Füller war hier nämlich nicht ganz alleine und sie bezweifelte, dass er in den nächsten Tagen ausverkauft wurde.

Außerdem waren hier noch tausend andere Füller die diesen vollkommen in den Schatten stellten!
 

„Kann ich ihnen helfen, Fräulein?“

Der Verkäufer und Besitzer des Schreibwarengeschäfts war ein Mann mitte Fünfzig. Stark gebräunt und für sein Alter schon sehr faltig. Wahrscheinlich hatte er irgendwo gelebt wo sehr viel Sonne war. Aber irgendwie betonten diese Falten das Lächeln, das er ihr freundlich entgegen brachte.

Tenten lächelte freundlich und drehte sich zu dem Mann um, der sie angesprochen hatte „Nein, ich komme schon klar. Vielen Dank“

Eigentlich war sie ja im Begriff zu gehen, aber da sie nun der ältere Mann angesprochen hatte, blieb ihr jetzt auch wohl nichts anderes übrig als weiter so zu tun, als würde sie hier in diesem Geschäft etwas suchen und finden.
 

Sie ging nach hinten, wo es schon zum künstlerischen Bedarf ging und tat so, als würde sie sich verschiedene Bleistifte ansehen. Tenten wusste ja, das Künstlerbedarf schon manchmal etwas teuer war, aber dass ein Bleistift schon genauso viel kostete wie ein ganzer Milchshake in ihrem Lieblingscafé war ja schon richtig beängstigend.

Sie nahm einen der teuren Bleistifte und zeichnete auf dem Testpapier, um zu sehen ob sich der Preis denn lohnen würde. Und Tenten wurde eindeutig enttäuscht. Der zeichnete genauso wie der, den sie zuhause neben ihrem Telefon liegen hatte.

Sie legte den Stift wieder weg und tat immer noch interessiert um keinen schlechten Eindruck auf den Verkäufer zu hinterlassen. Denn so was hasste Tenten wirklich. Und vor allem bei alten Menschen, denn gerade bei denen wollte sie sympathisch und engagiert rüber kommen. So gegen das Klischee von der Jugend von Heute.

Denn die junge Frau kannte so einige in ihrem Alter die manche Leute zum Kopfschütteln brachte. Und manchmal auch sie selbst.

So wie ihren Nachbar Naruto. Er war nur ein Jahr jünger und lebte im Apartment unter ihr. Und doch hatte Tenten sehr oft das Gefühl, dass er seine Jugend nicht ganz ausgekostet hatte.

Zum Beispiel liebte er es an Wände zu schmieren. Die Backsteinwand bei ihnen Hinterhof war seit dem Einzug des Chaoten nicht mehr wieder zu erkennen. Er selbst bezeichnete es als moderne Kunst, doch Tenten fand Galgenmännchen und Bildnisse von Strichmännchen mit Geschlechtsmerkmalen eher kindisch.

Doch niemand schien sich groß über diese Kunst zu beschweren oder sich gar dafür zu interessieren und deshalb sagte auch Tenten nichts dazu. Solange an ihrer Wohnungstür kein Penis aufgezeichnet war, konnte Naruto seine Kunst so ausleben wie er wollte.
 

Nachdem sie noch etliche Minuten durch den Laden geschlendert war und so getan hatte als würde sie sich für die Schreibgeräte und das Zubehör interessieren, beschloss sie dann doch endlich zu gehen. Aber da Tenten es nicht mochte aus einem Laden zu gehen ohne sich was zu kaufen, trug sie eine Packung Fineliner zur Kasse. Im Endeffekt musste sie sogar welche kaufen, denn die Braunhaarige hatte das wunderbare Talent nach einer Handschriftlichen Arbeit zwei Minuten später den Stift zu verlieren. Und dann eignete sich eine neue Packung mit vierzig Stiften doch ganz gut.

Doch als sie an die Kasse kam, war diese leer und der Verkäufer verschollen. Leise seufzte Tenten und legte die Packung mit den Schreibgerätschaften auf den Tresen. Und da auch nirgendwo eine Klingel war, musste sie wohl oder übel auf den Mann warten um zu zahlen und dann endlich aus diesem Laden raus zukommen.

Aber der Verkäufer kam nicht und Tenten musste warten.

Sie klopfte geduldig mit den Nägeln an den Tresen und versuchte an etwas zu denken, dass ihre Wartezeit in Anspruch nahm.

Vielleicht würde sie ihrer Mutter auch etwas anderes schenken als einen Füller. Vielleicht etwas Schlichtes, ein Schal oder Handschuhe. In den letzten Wochen war es wirklich kalt geworden. Was aber auch an der momentanen Jahreszeit Winter lag. Aber Schals und Handschuhe hatte sie bereits ihren Brüdern gekauft und es würde komisch rüber kommen, wenn sie die gleiche Art von Geschenk zwei Mal verschenken würde und das auch noch unter einem Baum!

Dann würde sie wohl doch einen Füller suchen müssen und wenn sie keinen schöneren fand, dann musste ihre Mutter wohl oder übel den dunkelroten als Geschenk akzeptieren.

Was Tenten jedoch nicht akzeptieren konnte war die Tatsache, dass sie seit geschlagenen fünf Minuten an der Kasse stand und es nicht einmal ein Anzeichen von irgendeiner Bedienung gab.

Sie ließ die Fineliner liegen und ging erneut durch den Laden um den Verkäufer aufzusuchen. Noch länger wollte sie nun wirklich unnötig in diesem Geschäft bleiben.
 

Sie fand den faltigen Mann bei den Bleistiften und sah auch direkt den Grund, wieso er sie so warten ließ. Er betreute gerade einen anderen Kunden.

Ein junger Mann, ziemlich groß und schlank. Er trug einen grauen Mantel und eine schwarze Tasche über seiner Schulter. Seine Haut war ziemlich blass und bot einen starken Kontrast zu seinen dunkelbraunen Haaren, die eher schwarz wirkten.

Für einen Moment fand Tenten diesen Mann gar nicht so übel, doch der Gedanke verschwand genauso schnell wie er gekommen war und sie schritt auf die beiden zu. Und endlich schien der Verkäufer sich wieder an sie zu erinnern und lächelte Tenten erneut entgegen.

„Oh Fräulein, kann ich ihnen behilflich sein?“, seine Stimme klang ein klein wenig beschämend. Eindeutig, er hatte sie vergessen. Ein wenig kränkte Tenten das, doch dann sagte sie sich selbst einfach nur, dass die Sonne nicht nur seine Haut ein wenig geschädigt hatte. Aber natürlich gedanklich, schließlich hatte sie noch genug Anstand um Konflikte nicht herbeirufen zu wollen.

„Ich würde gerne etwas kaufen und habe bereits an der Kasse gewartet“, Tenten versuchte sich gewählt und schonend auszudrücken, da sie eigentlich nur noch aus diesem Laden raus wollte!

Der Verkäufer rieb sich besorgt die Hände „Oh… natürlich ich komme sofort. Bitte entschuldige mich, mein Junge“

Tenten war überrascht, dass der Verkäufer den jungen Mann duzte. Er sah nämlich nicht so aus, wie jemand der gerne als 'mein Junge' bezeichnet wurde.

Erst jetzt dreht sich der junge Mann zu ihr um und sah sie direkt an. Tenten blieb fast das Herz stehen. Hellgraue, nein, weiße Augen sahen direkt in ihre gewöhnlichen braunen Augen und fixierten sie direkt. Sie spürte förmlich wie ihre Knochen zitterten und ihr Blut zu Eis erstarrte. Sie vergaß sogar Luft zu holen, sodass Tenten plötzlich ein Schwindelgefühl bekam.
 

„Natürlich“, eine leise tiefe Stimme erklang aus dem Mund des Mannes und im nächsten Moment drehte er sich auch schon von ihr weg.

Der Verkäufer eilte an Tenten vorbei, die immer noch wie versteinert da stand und nun wieder das Profil des Mannes anstarrte.

Sie schaffte es wieder zu atmen und ihr Körper schien sich auch wieder leicht zu wärmen. Sie spürte geradezu wie das vorhin noch gefrorene Blut sich wieder verflüssigte und langsam durch ihre Adern pulsierte.

Und ehe sie begriff, wie sie da überhaupt stand, hatte sie sich wieder umgedreht und sich von dem Mann entfernt.
 

„Gut, das macht dann 1.008,30 Yen* bitte“, der gebräunte Verkäufer versuchte freundlich und nett zu wirken, als Tenten versuchte Geld aus ihrem Portmonee raus zu holen. Doch ihre Hände zitterten, als ob sie frieren würde. Und kalt war ihr auf jeden Fall.

Nachdem ihr die Geldbörse auch noch aus den Händen fiel und sich das Kleingeld überall verstreut hatte, schaffte sie es dann doch zu bezahlen.

„Fräulein, sie sind sehr blass. Gehen sie am besten sofort nach Hause“, der Verkäufer klang eindeutig besorgt, als er Tenten das Wechselgeld gab und ihr Gesicht musterte.

Und wenn sie ehrlich war, sie fühlte sich auch nicht besonders gut. In ihrem Kopf drehte sich alles und ihr war wirklich verdammt kalt geworden.

Sie steckte immer noch zitternd das Portmonee in ihre Tasche zurück und nahm die Tüte mit den Finelinern „Ja... das ist eine gute Idee“

Sie versuchte den faltigen Mann freundlich anzulächeln, doch ihre Gesichtsmuskeln fingen an zu schmerzen und sie ging einfach mit einem leisen „Auf wiedersehen“ aus dem Geschäft.
 

Obwohl es bereits Winter war und es auch dementsprechend kalt auf den Straßen war, so regnete es anstatt zu schneien.

Eigentlich mochte Tenten keinen Schnee. Er war kalt, meistens matschig und es endete fast immer damit, dass ihre Wohnung voll mit Streugut und Wasser war, nachdem sie nach einem harten Arbeitstag endlich nach Hause kam.
 

Aber heute war ihr kalter matschiger Schnee lieber als kalter feuchter Regen, der sie nur nass machte. Und ausgerechnet heute hatte sie natürlich ihren Schirm Daheim vergessen.

Sie musste wohl oder übel durch den Regen gehen um nach Hause zu kommen. Und zwar so schnell wie es nur ging. Tenten hatte sich schon oft gewünscht ganz schnell nach Hause zu kommen und sich in ihr warmes Bett zu legen. Doch jetzt war dieser Wunsch, nein, dieser Drang noch größer als sonst.

Vielleicht lag es an der Kälte, aber Tenten bekam eine wirklich starke Gänsehaut. Ihr Kopf fing an zu pochen und ihr war schwindelig. Und auch das Zittern hatte sich nicht gelegt.

Und dann sah sie wieder diesen Mann vor sich.

Wie er sie angesehen hatte. Sie gefesselt hatte. Mit diesen Augen.
 

So weiß wie Schnee.
 

Erneut vergaß Tenten zu atmen und kippte gegen eine Mauer. Erst dann japste sie wieder nach Luft. Zum Glück war der Schreibwarenladen in einer kleinen Gasse, in der sie niemand sehen konnte. Somit war zwar eine peinliche Situation verhindert, aber ihr Kreislauf geriet ins schwanken.

Es konnte doch nicht sein dass ein paar Augen sie und ihren Körper so aus der Fassung bringen konnten! Auch wenn Tenten noch nie solch hellen Augen in der Natur gesehen hatte und es echt gruselig aussah, so waren das keine Gründe so zu reagieren.

Da musste etwas anderes sein. Die Frage war nur was?
 

Auf einmal drang ein Klingeln an ihr Ohr. Es waren die Glöckchen an der Tür des Geschäfts.

Eigentlich traute Tenten sich nicht in ihrem jetzigen Zustand sich umzudrehen, aber ihre Reflexe waren schneller als ihr Gehirn.

Und am liebsten wäre sie einfach davon gerannt.

Erneut wurde sie von diesen Augen fixiert. Und erneut wurde Tenten eiskalt und schwindelig. Und diesmal war sogar Übelkeit dabei.

Doch noch bevor es wirklich schlimmer werden konnte, hatte der junge Mann seinen Blick von ihr gelassen und sich weggedreht.

„Sie sollten sich besser hinlegen“, auch wenn er leise gesprochen hatte und der Regen laut prasselte, so hatte Tenten jedes einzelne Wort verstanden und konnte nur noch zusehen, wie sich der schöne Mann von ihr entfernte.

Und dann anschließend brechen.
 

~~
 

Am nächsten Tag meldete sich Tenten krank.

Nachdem sie am Vortag es trotz starker Übelkeit geschafft hatte nach Hause zu kommen, war sie direkt zur Toilette gerannt um sich erneut zu übergeben. Und so ging das auch die ganze Nacht lang.

Ihre Chefin war nicht unbedingt begeistert von der Krankmeldung, aber als Tenten das Argument brachte, es wäre doch besser wenn sie zu Hause bliebe anstatt die ganze Tierhandlung voll zu kotzen, willigte die genervte Chefin dann doch ein.

Aber wirklich gut war das nicht für sie.

Tentens Schulabschluss ließ noch eine ganze Menge zu wünschen übrig und Aussichten auf einen wirklich guten Job hatte sie selbstverständlich auch nicht. Deshalb arbeitete sie nun in einer Tierhandlung in einem Einkaufszentrum der Innenstadt um sich noch über Wasser halten zu können.

Aber die Arbeit war hart, die Mitarbeiter Schweine und die Kunden hatten sie schon öfters zur Weißglut gebracht. Aber das Gehalt war ausreichend um davon leben zu können und was Besseres fand Tenten einfach nicht. Und auch wenn es für sie an der Kasse oder dahinter auch mal ziemlich stressig war, so mochte sie es von Tieren umgeben zu sein. Denn die konnten sie nicht mit unendlichen Gelaber nerven, so wie Menschen.

In einer Großstadt wie Osaka gab es eben nun mal viele Menschen und vor allem die Kinder die unbedingt ein Haustier wollten. Und manchmal lief es dann so ab, dass die Kinder gerne mal anfingen den ganzen Laden durchzuschreien um dabei das Tier zu bekommen, das sie wollten. Für die Kinder Ein Sieg, für die Eltern eine Niederlage und für Tenten ganz normaler Alltag.
 

Die Braunhaarige setzte das Wasser für Tee auf, um ihren Magen etwas zu beruhigen.

Doch im Moment war er eigentlich schon ruhig, zumindest war Tenten nicht mehr so schlecht wie am Morgen oder sogar in der Nacht. Zu diesem Zeitpunkt wäre Tenten wirklich ungern die Kloschüssel selbst gewesen und hatte ihr dann erst mal eine ordentliche Reinigung gegönnt, damit sie wieder strahlen konnte. Auch wenn es seltsam und vor allem penibel war, so war Tenten das Klo und dessen Hygiene sehr wichtig. Generell fühlte sie sich nur in einem sauberen und ordentlichen Badezimmer wohl. Es war so ein Komplex, den sie schon seit ihrer frühesten Kindheit hatte.

Ihre Mutter hatte früher immer jeden Tag das Badezimmer geputzt und deshalb war die Braunhaarige immer an ein sauberes und nach Zitrone riechendes Bad gewöhnt. Aber wenn sie dann irgendwo anders war, wie zum Beispiel bei einem Verwandten zu Besuch, bekam Tenten meistens eine Gänsehaut wenn sie an die nicht frisch gesäuberte Toilette oder das Waschbecken mit Bartstoppeln im Abfluss dachte. Deswegen mied sie es in fremde Bäder zu gehen, denn egal ob die Besitzer immer beteuerten wie sauber deren Bad war, so fand Tenten immer einen Fehler.
 

Nachdem das Wasser gekocht und in einer Tasse war, tunkte die junge Frau einen Teebeutel mit Beruhigungskräutern in das Wasser und beobachtete wie es sich langsam bräunlich färbte.

Eigentlich hätte sie doch zur Arbeit gehen können und sich keinen Kräutertee machen müssen. Ihr Magen hatte aufgehört zu rumoren und Farbe im Gesicht hatte sie auch wieder. Außerdem drohte sie auch nicht mehr umzukippen.

Noch immer war es ihr schleierhaft, wieso ihr Körper auf einmal so versagt hatte. Im Laden war keine schlechte Luft gewesen, das wäre Tenten ansonsten aufgefallen. Und sie hatte auch nichts schlechtes gegessen und wenn, dann wäre ihr doch sicher schon vorher irgendwie übel gewesen. Die einzige Möglichkeit, die da überhaupt noch in Frage kommen konnte, wäre dieser komische Typ mit seinen weißen Augen. Und als Beweis wurde Tenten bei der Vorstellung wieder übel.

Zum Glück allerdings nicht so sehr, dass sie sich wieder übergeben musste. Aber es war vollkommen sinnlos überhaupt bei dem Gedanken ein Gefühl des Ekels zu bekommen. Schließlich kannte Tenten den Mann nicht einmal und ein paar weiße Augen konnten sie doch nicht einfach so aus der Fassung bringen.

Sie lebte in Japan, da sah sie doch ständig irgendwelche Jugendliche mit weißen Kontaktlinsen. Erst letzte Woche hatte sich ein solcher Jugendlicher bei ihr eine Ratte gekauft und da war sie auch nicht umgekippt oder hatte gebrochen.

Doch vielleicht lag es auch an einem kleinen Unterschied. Die Augen dieses Mannes sahen im Gegensatz zu Kontaktlinsen viel zu echt aus. Aber Tenten konnte sich einfach nicht vorstellen, dass er wirklich von Natur aus solche Augen hatte.

Aber irgendwie, gab es seinem restlichen Aussehen dieses Gewisse Extra. Sie musste zugeben, dass dieser Mann wirklich mehr als nur schön war und leider auch, dass diese Augen eigentlich gut mit dieser Schönheit harmonierten.
 

Tenten schüttelte den Kopf um den Gedanken los zu werden. Wieso machte sie sich eigentlich solche Sorgen darum, in einer Stadt wie Osaka sah man einen Menschen doch eh nur einmal im leben. Somit würde sie diesen Mann auch niemals wiedersehen. Auch wenn es irgendwo schon fast ein bisschen weh tat.

Sie nahm die Tasse mit der heißen Brühe und entschied es sich auf dem Sofa gemütlich zu machen. Mit dieser leichten Übelkeit wollte sie wirklich nicht weiter stehen bleiben, außerdem konnte sie Fernsehen gucken um sich die Zeit zu vertreiben.

„Gai, geh da runter!“, der schwarze Hauskater hatte es sich mal wieder auf dem Sofa gemütlich gemacht, obwohl es eigentlich für ihn verboten war.

Das Tier wälzte sich aus Provokation weiter auf dem Sofa und maunzte genüsslich. Tenten hob eine Augenbraue und stellte die heiße Tasse auf den Couchtisch.

„Gai, du weißt, dass das Sofa verboten ist“, sie beugte sich zu dem Kater runter und sprach leise mit einer weichen Stimme „Und du weißt, dass du dann kein Geflügel bekommst“

Normalerweise hätte das eine normale Katze gar nichts ausgemacht, aber Gai war intelligent. Er wusste, dass sein Frauchen es ernst meinte und sprang von der bequemen Position auf um zu seinem Körbchen neben dem Sofa zu tapsen.

Mit einem zufriedenen Lächeln hockte Tenten sich auf das Möbelstück und schaltete den Fernseher an.
 

„In der vergangenen Nacht wurde im Stadtbezirk Kita-ku eine Leiche entdeckt. Eine ältere Hausfrau hatte beim Müllentsorgen die Leiche in einem Container gefunden und sofort die Polizei gerufen. Es handelte sich jedoch nicht um einen Mord, da laut der Autopsie ein natürlicher Tod durch Herzversagen eintrat.

Wie die Leiche in den Container gelangen konnte ist im Moment noch ungeklärt, aber Ermittler gehen davon aus dass jemand den Körper hineingeworfen hat, jedoch ohne Spuren und ohne Zeugen.

Um den Verstorbenen handelte es sich um Hiroshi Yamura, dem Sohn des erst kürzlich verstorbenen Akira Yamura.

Yamura führte eine Hotelkette in ganz Japan an, bis er ebenfalls wegen Herzversagens tot in seinem Büro gefunden wurde“
 

Tenten schaltete weg. Solche Nachrichten konnte sie einfach nicht mehr hören. Tod, Vergewaltigung, Einbruch, immer das gleiche. Manchmal fragte sich die junge Frau, ob es auf der Welt überhaupt noch was Gutes gab. Wie zum Beispiel eine Hochzeit oder die Geburt eines Wunschkindes.

Aber in der Gesellschaft in der sie lebte, waren solche Dinge fast schon eine Rarität. Paare finden es unnötig eine Hochzeit zu vollziehen und die meisten Kinder die geboren werden, sind Ergebnisse von schlechter Verhüttung. Vielleicht war es woanders auf der Welt anders, aber so kannte Tenten es eben in ihrem Umfeld. Keiner wollte mehr in den Bund der Ehe gehen und dann ein Kind haben. Es kamen immer nur Argumente wie „Wir lieben uns auch ohne Hochzeit“ oder „Wir überlassen es dem Zufall, ob es ein Kind geben wird“.

Aber Tenten war anders. Sie wollte unbedingt heiraten und Kinder kriegen. Am besten zwei, einen Jungen und ein Mädchen. Und sie wollte in einem schönen Haus wohnen mit ihrer Familie. So wie sie es in Bilderbüchern immer gesehen hatte, als sie noch ganz klein war. Und den Traum einer solchen Zukunft hatte sie auch niemals irgendwie zur Seite geschoben.
 


 

Am Nachmittag ging es Tenten wieder um einiges besser.

Ihr Magen hatte aufgehört zu rumoren und sie sah auch wieder ganz frisch aus. Aber aus Vorsicht entschied sie sich weiterhin nur von Tee und Zwieback zu ernähren, da sie nicht für eine frühzeitige Genesung garantieren konnte.

Nur war der Zwieback im Laufe des Tages leer gegangen und Tenten blieb nichts anderes übrig, als neuen zu kaufen, wenn sie noch zu Abend essen wollte.

Zum Glück war der nächste Supermarkt nicht besonderes weit von ihrer Wohnung entfernt, sodass sie nicht zu lange im knöchelhohen Schnee laufen musste. Das gefrorene Wasser hatte sich in der Nacht und am Tag ausgebreitet und es schien auch nicht aufhören zu wollen. Zwar wurden die Straßen frei geräumt, aber nach etwa einer Stunde hatte sich bereits eine neue, wenn auch dünnere Schicht auf dem Asphalt gebildet.

Tenten konnte sich nicht erinnern, dass es in Osaka mal so heftig geschneit hatte. Normalerweise regnete es so wie am Vortag, aber nun waren die Temperaturen wohl endgültig ins Minus gekommen. Und das spürte Tenten vor allem nachdem sie fast eine halbe Stunde wegen der langen Schlangen an den Kassen im Supermarkt verbracht hatte, deutlich. Nach dieser halben Stunde war es auch schon vollkommen dunkel geworden und nur noch ein paar Straßenlaternen beleuchteten die leere Straße.

Sie mochte es nicht im Dunkeln draußen zu sein. Tenten neigte dazu manchmal etwas paranoid zu werden, wenn sie Abends alleine unterwegs war. Schon beim kleinsten Geräusch, das sie nicht identifizieren konnte, rannte sie los um nur schnell wieder in den eigenen sicheren vier Wänden zu sein.

Doch im Moment war es für sie noch in Ordnung. Bis auf ihre eigenen Schritte hörte Tenten eigentlich nichts was sie erschrecken konnte. Es war für sie sogar schon angenehm ruhig.

Zumindest bis sie dann plötzlich Stimmen hörte.
 

„Woher willst du wissen, dass ich es war?“

„Ganz einfach, weil du der einzige bist der dafür in Frage kommt!“

„Und wieso ausgerechnet ich?“

„Weil du ein Motiv hattest! Sie wollten deine Galerie abreisen!“

„Und dann denkst du dass ich sie umgebracht habe, obwohl sie beide an Herzversagen gestorben sind?“
 

Tenten wurde neugierig.

Es waren zwei Männer die miteinander sprachen.

Die Dunkelhaarige lehnte sich an eine Hausmauer um besser dem Gespräch, das nur um die Ecke war, zuzuhören.

Sie wusste, dass es falsch war, aber als „umgebracht“ und „Herzversagen“ vorkam, wurde sie irgendwie das Gefühl nicht los, dass es sich um die Yamuras handelte.
 

Aber leider kam es nicht zu einer Fortsetzung, denn der Inhalt der Einkaufstüte war plötzlich im Schnee gelandet.

Und Tenten war eindeutig geliefert.

In ihrem Kopf war nur noch ein Kommando.

„RENN!“

Tenten stieß sich von der Mauer ab und lief los. Den Zwieback ließ sie ungeachtet liegen, schließlich hatte er sie in diese Lage gebracht!

Sie rannte.

Im Hintergrund rief sie jemand, doch sie wusste, wenn sie stehen bleiben würde, wäre das ihr Ende. Einer der beiden war wahrscheinlich ein Mörder. Und so einem wollte Tenten nicht über den Weg laufen!

Wer weiß, was er dann mit ihr machen würde? Sie vielleicht zuerst vergewaltigen und dann in Stücke hacken? Oder sie sofort umbringen? Eigentlich wollte Tenten auch gar nicht darüber nachdenken.

Das Adrenalin stieg immer weiter und sie wurde immer schneller. Eigentlich spürte sie ihre Beine gar nicht mehr. Sie schienen sich von der Angst getrieben selbst zu bewegen. Und fast war Tenten sogar froh, dass sie nicht ans Rennen denken musste um sich zu bewegen.

Zumindest bis sie dann plötzlich Lichter sah, spürte wie sie gestoßen wurde und dann auf den Boden prallte.
 

~~
 


 

Als sie die Augen öffnete, strahlte ihr ein grelles Licht direkt in den Blick.

Ihr Kopf fing an zu pochen, als wäre jemand in ihrem Schädel und würde nun mit voller Aggression dagegen treten. Und es tat wirklich weh.

Als sie dann noch den Geruch von Desinfektionsmittel wahrnahm, war sie wieder in der Realität. Aber sie wusste nicht wo genau.
 

„Doktor! Doktor, sie ist wach!“, eine weibliche Stimme drang an ihr Ohr. War sie bei einem Arzt? Oder im Krankenhaus? Tenten tippte auf das zweite, in einer normalen Arztpraxis roch es nie so steril.

Als sie versuchte sich aufzurichten, um zu sehen, ob sie denn mit ihrer Vermutung recht hatte, fing ihr Brustkorb an zu schmerzen. Sie verzog leicht das Gesicht und legte sich dann doch wieder hin.

Vor ihr erschien ein Gesicht. Ein Mann kaum wirklich älter als sie, vielleicht zwei oder drei Jahre über ihr.

Er sah sie aufmunternd an „Wie geht es ihnen?“

Tenten betrachtete ihn genauer. Er trug einen weißen Kittel und ein Stethoskop um den Hals. An seinem Namensschild stand, soweit sie es durch ihr leicht verschwommenes Sichtfeld lesen konnte, 'Dr. I. Uchiha'. Das schien wohl ihr Arzt zu sein. Nett.

„Ich habe Schmerzen“, sagte sie und war froh, dass ihre Stimme trotz ihres Leidens nicht jammernd klang „Sollte ich jetzt sagen, dass es mir dann gut geht?“

Eigentlich war Tenten ja nicht so frech, aber sie hasste einfach Krankenhäuser und alles was dazu gehörte. Deshalb war es für sie mehr als verständlich, dass sie nun so drauf war.

Doch Dr. Uchiha lächelte nur „Nein, sie müssen es nicht. Aber sie haben wirklich Glück gehabt“

Die Brünette war nun verwirrt.

Glück wobei?

Dass sie sich unheimlich verletzt hatte, so dass sie kaum aufrecht sitzen konnte?

Oder dass sie nur fürchterliche Kopfschmerzen hatte anstatt gar keinen Kopf?

Doch dann stoppte Tenten ihren Gedankengang und sah den Arzt fragend an „Was ist eigentlich passiert?“

„Sie hatten einen Unfall“, auch wenn der noch relativ junge Arzt ruhig sprach, traf es die Verletzte wirklich sehr was sie da hören musste „Sie sind mitten auf die Straße und vor ein Auto gerannt. Jedoch hat sich ein Passant mit ihnen aus der Gefahrenzone geworfen, sodass sie nur auf den Boden aufprallten“

Ihr war es ein Rätsel wie ein Mensch eine solche Geschichte so gelassen erzählen konnte. Und sie gab ihm eindeutig Recht, sie hatte wirklich verdammt Glück gehabt! Sie hätte jetzt mit einen blutigen Kopf und einem toten Körper auf der Straße liegen können.

„Und was ist mit dem Passanten?“, Tenten musste es wissen was mit ihrem Retter geschehen war. Vielleicht war er noch schlimmer verletzt! Und das nur weil sie nicht auf die Straße geachtet hatte!

Erneut versuchte sie sich aufzurichten um zu sehen, ob der Passant nicht vielleicht zusammen mit ihr in diesem Zimmer war. Aber sie war mit dem Arzt und der Schwester alleine.

„Es war wie ein Wunder. Während sie sich ihre Rippen geprellt und sich leicht den Kopf angeschlagen haben, hat er noch nicht mal irgendwo einen Bluterguss“, Dr. Uchiha schien wirklich überrascht gewesen zu sein, als er ihn wohl untersucht hatte „Ich habe ihn bereits befreit, er ist schon weg“

Ein wenig traurig machte das Tenten schon irgendwie. Da wurde ihr schon mal das Leben gerettet und sie wusste nicht mal wer oder wo ihr Ritter nun war.
 

Dann klopfte es an der schweren weißen Tür, die auch so gleich aufging.

Zwei große Augen und ein Topfschnitt sahen in den Raum hinein und lächelten sie an. Und Tenten wusste unter Garantie nicht wer das war.

„Ihnen geht es wieder gut?“, der Kopf hatte auch einen Körper, der nun in das Zimmer kam. Mit einer Vase und Weihnachtssternen in ihr, die er auf den Tisch neben ihr stellte.

Ein Mann, nicht viel größer oder gar älter als sie, schwarzer altmodischer Topfschnitt, rundliche dunkle Augen mit buschigen Brauen und ein Lächeln mit gepflegten weißen Zähnen.

Das erste was sich Tenten dabei nur denken konnte war, was mit diesem Typen passiert war, dass er nun so war. Vielleicht war es seine Erziehung gewesen, oder er hatte einen komischen Geschmack. Oder aber er wollte einem Gewissen Kung Fu Kämpfer aus alten Filmen nachahmen.

„Wer sind sie?“, Tenten war zwar dankbar für die nette Geste mit den Blumen, aber sie kannte diesen Mann nicht und war dementsprechend auch irritiert warum er ihr ein Weihnachtsgewächs mitbrachte und sie nach ihrem Wohl fragte.

Der Besucher sah ein wenig beschämt zu Boden. Anscheinend hatte er wohl vergessen, dass sich die beiden eigentlich gar nicht kannten und sich auch noch nie zuvor gesehen hatten.

„Entschuldigen sie bitte“, er setzte erneut ein Lächeln auf und verbeugte sich leicht „Mein Name ist Rock Lee. Wir kennen uns nicht, aber ich habe sie zusammen mit meinem Freund hierher ins Krankenhaus gebracht“

Das brachte auch jetzt endlich etwas Licht ins Dunkeln. Der Mann mit dem bereiten Grinsen war also ihr Retter, der sie vor dem Tod durch einen Unfall beschützt hatte. Tenten schämte sich etwas dafür, aber sie hatte sich die Person, die sie gerettet hatte etwas anders vorgestellt. Nun ja... etwas attraktiver eben.

„Ähm... vielen Dank, dass sie mich gerettet haben“, sie schenkte ihm ein warmes Lächeln und senkte leicht den Kopf als höfliche Geste. Am Ende spielte es doch keine Rolle wer oder was sie denn nun gerettet hatte. Hauptsache Tenten konnte sich bedanken und eventuell auch revanchieren.

Doch Rock Lee lachte nur leicht und hob die Hände „Oh nein, bitte danken sie nicht mir. Ich habe sie lediglich hier her gefahren. Mein Freund hat sie gerettet, indem er sie geschubst hatte“

Sie erstarrte.

Er hatte sie nicht gerettet? Sondern sein Freund?

„Oh“, brachte sie nur leise überrascht von sich und war sogar etwas beschämt, dass sie sich für das falsche bedankt hatte.

„Also“, der Schwarzhaarige konnte wohl sein Lächeln nicht verlieren „Ich nehme den Dank dennoch entgegen und schiebe einfach ein 'fürs Fahren' hinein“

Tenten lachte und war froh, dass er diese peinliche Situation so auflockerte. Auch wenn sein Äußeres vielleicht für sie etwas ungewöhnlich war, so schien er ein netter Kerl zu sein der Witze machte, Fremde ins Krankenhaus brachte und Blumen mitbrachte. Und solche Menschen mochte die Verkäuferin wirklich gerne.

„Ich würde mich gerne bei ihrem Freund persönlich bedanken“, fing sie dann an und sah Lee erwartungsvoll an „Können sie mir sagen ob er noch hier ist und wo?“

„Er ist schon lange weg“, seufzte Lee nur und sah zu den Blumen „Ich bin lediglich noch hier geblieben um ihnen die Blumen zu bringen. Aber ich könnte ihnen sagen wo sie ihn finden können“

Tenten fiel ein kleiner Stein vom Herzen. Sie mochte es nicht, wenn ihr jemand etwas Gutes tat und sie sich dann nicht wenigstens bedanken konnte. Sie bedankte sich seit frühester Kindheit für alles gute, was ihr geschah und dass ihre das Leben gerettet wurde hatte sogar mehr als ein einfaches ’Danke’ verdient!

Auf einmal war ein Räuspern zu hören und Tenten hatte bemerkt, dass sie ihren Arzt vollkommen vergessen hatte.

„Ich denke aber nicht, dass sie ihn so schnell sehen können, Fräulein“, sagte er nur sah sie mit einem fiesen Lächeln an. Als ob er wüsste, wie sehr sie Krankenhäuser hasste und er ihr nun eine schlechte Nachricht überbringen musste...
 

~~
 

Die Nacht und den ganzen Morgen durfte sie in dieser fürchterlichen Einrichtung verbringen. Wenn sie noch länger dort geblieben wäre, dann wäre sie höchstwahrscheinlich noch ausgerastet und hätte die, die im Sterben lagen direkt ins Jenseits befördert. Plus diesen Arzt der sie behandelt hatte!

Das einzige gute an der ganzen Sache war, dass dieser Höllenort in ihrem Namen bei ihrer Arbeitgeberin angerufen hatte und Tenten somit den Rest der Woche krank geschrieben war. Und obwohl ein Anruf aus dem Krankenhaus immer etwas Ernstes war, war sich die Braunhaarige sicher, dass ihr Boss getobt hatte, als sie von dem Unfall und den damit verbundenen Fehlzeiten erfuhr. Aber in Endeffekt hatte es sich Tenten schon vor langer Zeit mit dieser dummen Frau versaut und da sie nun wirklich keine Lust mehr auf diesen ganzen Stress hatte, würde sie auch kommende Woche damit anfangen sich einen neuen Job zu suchen.

Doch das Vorhaben, das bei ihr im Moment oberste Priorität hatte, war es sich bei dem Mann zu bedanken der sie vor dem Auto gerettet hatte. Lee hatte ihr eine Visitenkarte seines Freundes gegeben, damit sie ihn in der riesengroßen Stadt besser finden konnte.

Sein Name war Neji Hyuuga, er war Künstler und arbeitete in einer eigenen Galerie in der Nähe vom Schloss Osaka. Zwar kannte sie den Künstler nicht, aber bei den Namen Hyuuga war sich Tenten sicher ihn irgendwo schon mal gehört zu haben.

Doch bevor sie überhaupt überlegen wollte woher sie den Namen kannte und sich bei diesem Mann bedanken konnte, musste sie Nachhause.

Sie musste dieses widerliche Gefühl von Ärzten und Krankenbett von sich entfernen und duschen. Außerdem noch Gai füttern.
 

Das heiße Wasser war fast schon ein Segen für die junge Frau, so wie es über ihren Körper floss und den Schmutz des hygienischen Krankenhauslakens von ihr spülte. Für sie waren diesen Laken noch dreckiger als eine Mülltonne, aber wahrscheinlich hatte es mehr mit ihrer Abneigung gegen Krankenhäuser zu tun als dass es alleine ein Problem für sich war.

Außerdem wollte sie sauber und gepflegt vor diesem Neji Hyuuga in Erscheinung treten. Sie konnte sich ehrlich gesagt gar nicht vorstellen wie er aussah. Oder wie er als Person war.

Ob er wohl genauso ein komischer und netter Kauz war wie dieser Lee? Oder war er ein gut aussehender Casanova? Vielleicht war er auch ein stiller Typ, der nur redete wenn es auch nötig war. Oder er war so verrückt, dass man ihn sogar mal ins Irrenhaus gesteckt hatte. Aber dann würde man doch so einem keine Galerie in der Nähe des Wahrzeichens von Osaka überlassen. Wer wusste, ob er nicht das Schloss niederbrennen würde und es als ein vollendetes Kunstwerk angesehen werden sollte?

Einige Tropfen lösten sich von ihren Strähnen als sie den Kopf schüttelte. Wieso machte sie sich überhaupt solche Gedanken um ihn? Es spielte doch gar keine Rolle wer oder wie er war. Sie würde einfach zu ihm gehen, sich bedanken und ihn anschließend auch nie wiedersehen.

Warum dann also dieser ganze Stress in ihren Gedanken?
 

Tenten duschte im Gegensatz zu sonst diesmal besonders lange, sodass sie auch spät fertig war und fast vergaß noch Gai zu füttern. Lee hatte ihr nämlich gesagt, dass sein Freund nur bis vier Uhr Nachmittags in seine Galerie ließ um die Werke von ihm zu betrachten.

Nun war es kurz vor drei und bis Tenten überhaupt erst beim Schloss ankam und die Galerie gefunden hatte, würde sie sogar mehr als nur noch eine Stunde brauchen.

Nachdem sie den Kater gefüttert und bemerkt hatte, dass er mit den weißen Zähnchen sehr an ihren Besucher aus dem Krankenhaus erinnerte, war sie auch schon direkt los gerannt um noch den Bus zu bekommen.

Ein bisschen nervös war sie aber dennoch.

Was wenn er sie gar nicht reinlassen würde?

Oder ein mieser Kerl war, der sie zum Teufel schicken würde?

Aber dann hätte er ihr doch sicher nicht das Leben gerettet. Wenn er sie vor dem Tod bewahrt hatte, dann musste er wohl ein kleines bisschen Menschlichkeit besitzen. Und hoffentlich war dieses bisschen nicht plötzlich verschwunden.
 

Tenten hatte Glück, sie hatte noch Zeit als sie beim Schloss ankam. Jedoch konnte diese verbliebene Zeit aus zwanzig Minuten schnell knapp werden, wenn sie die Galerie nicht fand.

Tenten kannte die Straße nicht in der sie sich befand, auch wenn sie schon oft hier gewesen war und eigentlich schon alles an diesem Ort kannte.

Lee hatte aber auch gemeint, dass sie etwas laufen musste und dass es sich um ein Hinterhaus handelte. Das erschwerte das ganze selbstverständlich noch etwas, denn zu Hinterhäusern musste man schließlich auch noch irgendwie kommen.

Sie fragte einige Passanten, doch keiner konnte ihr wirklich weiterhelfen. Entweder hatten diese Menschen keine Ahnung oder keine Zeit und die hatte Tenten so langsam auch nicht.

Erst als sie eine ältere Dame an einer Bushaltestelle fragte, hatte sie endlich Glück.

Angeblich sollte die eigentliche Hausnummer in einer Seitenstraße westlich vom Park sein, wobei das Hinterhaus auch natürlich ein Stück weiter liegen konnte. Aber dennoch war dies schon mal eine große Hilfe für die Braunhaarige, sodass sie sich mehrmals bedankte bis sie dann merkte, dass sie schon spät dran war. In der Straße selbst, waren nur Wohnhäuser mit Wohnungen die relativ hoch waren. Das Tenten tatsächlich irgendwo das Hinterhaus mit der Galerie fand, war nun ein Glücksspiel, denn wenn sie es nicht in fünf Minuten fand, dann würde sie heute Nacht nicht schlafen können!

Sie lief durch die ganze Straße, bis sie plötzlich eine Gasse sah, an der auf kein Straßenschild zur Orientierung war. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr Kurz vor Vier. Dann sah sie wieder in die Gasse und sah am Ende eine Hauswand.

Ihr blieb nichts anderes übrig, sie musste dieses Risiko eingehen und sehen, ob es sich dort befand. Mit schnellen Schritten ging sie durch die enge Straße und kam auf eine neue, jedoch schmalere Straße. Und da sah sie die Hausnummer die sie suchte und wie sich gerade eine Tür schließen wollte.

Wie in einem dramatischen Film rannte Tenten zu der Tür und hielt diese noch fest, bevor sie geschlossen wurde.

„Halt, warten sie!“, rief sie halb verzweifelt und öffnete die Tür, während sie ausatmete und nach unten sah „Ich möchte mit Neji Hyuuga sprechen!“

Eine dunkle Stimme erklang die Tenten irgendwo schon einmal gehört hatte und als sie dann wieder hoch zu dieser Person schaute, durchbohrten sie ein paar weiße Augen.
 

„Ich bin Neji Hyuuga. Was wollen sie?“
 

~~
 

*

1.008,30 Yen = etwa 9.08 €

1o. Dezember - Veränderung

Wenn ihm früher jemand gesagt hätte, dass er so etwas tun würde, hätte er denjenigen wohl arrogant ausgelacht, im den besten Fall für den anderen.
 

Und denn noch: Jetzt tat er es.
 

Liebe verändert Menschen.
 

TenTen hatte es mit viel Liebe und Geduld geschafft, seinen Hass zu wandeln, nicht in eine heile Welt.
 

Aber so, dass es ihn nicht innerlich zerstörte.
 

Darum konnte er jetzt tun, was er tat.
 

„Hinata-sam?“
 

Hinata hob den Kopf und sah ihn stumm und verwundert an.
 

Das Papier des Geschenkes in seiner Hand raschelte, als er es ihr reichte. „Alles Gute zu Weihnachten.“

11. Dezember - Yakuza, die japanische Mafia (Teil 1)

Der Mond warf lange Schatten in das spärlich möblierte Zimmer. In seinem Bett richtete sich Neji langsam auf und fuhr mit einer Hand durch sein langes, braunes Haar. Ein Stöhnen glitt über seine Lippen, als der Wecker ihm zeigte, dass es erst viertel nach drei war. Er hätte noch gute drei Stunden schlafen können, doch er wusste ganz genau, dass wenn er einmal wach war, er so schnell nicht wieder einschlafen würde.

Deswegen schlüpfte er seufzend in seine Hauspantoffeln und stand auf, um auf die Toilette zu gehen. Im Haus herrschte vollkommene Stille. Doch das war schließlich nicht verwunderlich, wenn man die Uhrzeit bedachte. Nachdem Neji seine Hände gewaschen hatte, beschloss er, nach unten in die Küche zu gehen, um sich etwas Milch warm zu machen. Es war verdammt kalt im Haus und das warme Getränk würde ihm helfen ein wenig der Kälte loszuwerden.

Leise schritt er die Treppen hinab und verursachte dabei kaum ein Geräusch. Es war ihm beigebracht worden sich leise zu bewegen, um Aufmerksamkeit zu vermeiden.
 

Das Licht, welches unter der Küchentür hindurch schien, verwirrte ihn für einen Moment und ließ ihn stocken. Wer war um diese unchristliche Uhrzeit wohl noch auf den Beinen?

Sein Onkel? Doch das wäre eher ungewöhnlich, da dieser erst spät nach Hause gekommen war. Selbst sein Onkel brauchte ein wenig Schlaf. Das er Hanabi oder Hinata in der Küche begegnen könnte, hielt er ebenfalls für äußert unwahrscheinlich. Also blieb nur noch eine Person übrig: Ihre neue Sklavin – Tenten. Doch was hatte sie um dieser Uhrzeit in der Küche zu suchen? Um das Frühstück vorzubereiten würde sie wohl kaum drei Stunden brauchen.

Neji überlegte, auf dem Absatz kehrt zu machen und gleich zurück in sein Zimmer zu gehen, denn er hatte kein Bedürfnis wieder Tenten zu begegnen. Aus irgendeinem Grund schien er sie jedes Mal, wenn sie sich begegneten, in Angst und Schrecken zu versetzen. Und darauf hatte er heute Abend wirklich keine Lust.

Aber ihm war kalt und er hatte Durst, also blieb ihm keine andere Wahl. Langsam drückte er die Klinke hinunter und öffnete die Tür.
 

An der Küchentheke stand tatsächlich Tenten. Ihr beigefarbenes Nachthemd hob sich ein wenig, als sie sich auf die Zehenspitzen stellte, um an den obersten Schrank zu gelangen.

Neji hob anerkennend die Augenbrauen. Sie sah wirklich nicht schlecht aus, aber für seine Verhältnisse war sie viel zu schreckhaft und verschüchtert. Aber wer konnte ihr das übel nehmen? Wer wusste schon, was das arme Ding in ihrer Vergangenheit alles hatte hinnehmen müssen?

Neji beschloss Tenten zu helfen, trat vor und griff nach dem Honigglas, das Tenten zu erreichen versuchte. Tenten schreckte zurück, als Nejis Hand neben ihr auftauchte. Mit seiner anderen Hand, die nicht das Honigglas umfasst hielt, konnte er gerade noch verhindern, dass sie stürzte. Eindringlich sah Neji in Tentens Augen. „Alles in Ordnung?“, fragte er sanft nach. Wenn sie in der Nähe war, versuchte er immer seine Stimme nicht ganz so barsch und streng klingen zu lassen.

„J-j-ja“, kam die zittrige Antwort. Schnell versuchte sich das braunhaarige Mädchen loszumachen. „Entschuldigung, Sensei.“

Nejis Augen wurden zu Schlitzen. „Du sollst dich nicht immer entschuldigen. Und nenn’ mich nicht Sensei.“

„Wie – wie möchten sie denn angesprochen werden?“

„Neji. Ganz einfach Neji.“
 

„A-aber…“

„Kein aber. Ich möchte so angesprochen werden. Und duze mich um Himmels Willen, okay?“

Das Mädchen nickte schüchtern. „Kann ich ihnen .,. dir etwas bringen? Etwas zu Trinken vielleicht?“

„Ich bin durchaus selber in der Lage mir etwas zu trinken zu machen“, fuhr Neji sie an und bereute es gleich wieder, da sie zusammenzuckte. So langsam sollte er doch wissen, wie sie reagierte. Vor allen Dingen sollte er inzwischen etwas Übung mit schüchternen Mädchen haben, schließlich war Hinata nicht viel anders. Aber mit Hinata hatte er nie viel zu tun. Tenten hingegen schien er ständig zu begegnen. Was vielleicht daran lag, das sie einfach ständig präsent war.

Neji wandte sich von Tenten ab und griff in dem Kühlschrank nach einer Tüte Milch.

„Warum bist du eigentlich schon auf?“, fragte er Tenten, während er sich etwas von dem Getränk in ein Glas schüttete.

„Ich bereite das Brot vor, da es einige Stunden im Ofen braucht, bis es fertig ist.“

„Brot?“ Neji verzog das Gesicht. Er bevorzugte Reis und Gemüse am Morgen, wenn überhaupt.

„Ja. Hanabi-sama hat mich darum gebeten. Sie ist begeistert von dem westlichen Essen.“
 

Neji schlug die Kühlschranktür zu. „Deswegen musst du aber nicht extra so früh aufstehen. Hanabi kann auch Reis essen, wie die anderen auch.“

„Es macht mir aber nichts aus. Ich bin es gewohnt um diese Uhrzeit aufzustehen.“

„Haben dir das deine alten Senseis befohlen?“, fragte Neji neugierig nach.

„Ja. Von mir wurde erwartet, dass das Haus in tadellosem Zustand ist, wenn die Senseis aufstehen.“

„Du musstest früh morgens das ganze Haus putzen?“, fragte er fassungslos nach.

„Hai“, antwortete Tenten und vergrub ihre Hände in dem Brotteig, um ihn zu kneten.

„Nun, das wird hier aber nicht von dir erwartet. Es ist egal, wann du putzt, Hauptsache das Haus ist einigermaßen ordentlich. Man muss sich auf dem Boden nicht spiegeln können.“

Neji warf einen Blick auf den anscheinend frisch gewischten Fußboden, von dem man ohne Bedenken hätte essen können und seufzte leise. Dieses Mädchen war einfach unglaublich.

Als die Mikrowelle ein Piepen von sich gab, holte Neji seine warme Milch heraus, setzte sich an den Küchentisch und sah zu, wie Tenten den Brotteig bearbeitete.

Er musste zugeben, dass sie ziemlich geschickt war. Neulich hatte er sie beim Karotten schneiden gesehen. Wie das Mädchen mit einem Küchenmesser umgehen konnte war unglaublich. Wenn alle in ihrer Organisation so mit Messern umgehen könnten, wären sie viel erfolgreicher.
 

Nejis Gesichtsausdruck verfinsterte sich. Wie immer, wenn er an die Organisation dachte. Er hasste es in die Angelegenheiten seines Onkels hineingezogen worden zu sein. Schon als kleines Kind hatte Neji geahnt, dass sein Onkel mehr war, als ein Bankier.

Dafür trieben sich in ihrem Haus zu oft zwielichtige Gestalten herum, die sicherlich keine harmlosen Geschäftleute waren. Mit 18 Jahren war Neji endgültig in das Geheimnis eingeweiht worden. Sein Onkel gehörte zu den Yakuza – der japanischen Mafia. Um genau zu sein gehörte er zu den Yamaguchi-gumi – der größten kriminellen Organisation mit über 20.000 Mitgliedern. Der Anteil an dem Gewinn aller Yakuza betrug mittlerweile über 20 Prozent. Geld verdiente die Organisation hauptsächlich durch ihre Einflussnahme auf die Finanzmärkte (hier vor allem durch nicht immer legale Inkassogeschäfte), Schutzgelderpressung, Drogenhandel und Glücksspiel. Aber natürlich war die Organisation auch in andere Themen verwickelt. Momentan versuchte die Organisation immer mehr Einfluss auf politische Wahlen zu nehmen. Außerdem gehörten Prostitution und Menschenhandel immer noch zum Geschäft.
 

Neji warf einen Blick zu Tenten. Solange er sich erinnern konnte, wurden Sklaven in diesem Haus beschäftigt. Doch Tenten war die Einzige in seinem Alter. Normalerweise bevorzugte Hiashi weibliche Sklaven, die nur ein wenig jünger waren, als er selbst. Ob er diese zur Prostitution benutzte wusste Neji nicht und ehrlich gesagt wollte er es auch gar nicht wissen.

Er hoffte nur, dass Tenten nicht für diese Zwecke missbraucht wurde. Dafür war sie zu jung und unschuldig. Dadurch das Hiashi sie hergeholt hatte, hatte er sie schon genug in ihre Angelegenheiten gezogen.

Aber Neji musste ehrlich sagen, dass Sklaven es durchaus schlechter treffen konnten, als in diesen Haushalt geholt zu werden. Hier wurden sie weder geschlagen, noch dazu gezwungen durchgängig zu arbeiten. Auch regelmäßige Verpflegung stand ihnen zu und jede von ihnen besaß ihr eigenes Zimmer auf diesem riesigen Anwesen.
 

~*~
 

Während Neji am Tisch saß und seinen Gedanken nachhing, schlug Tenten den Teig kräftig auf die Arbeitsplatte. An dem Teig ließ sie all ihre Aggressionen aus, die sie sonst in sich verbarg. Als Sklave war es äußerst gefährlich Aggressionen auszustrahlen und widerspenstig zu sein. Das hatte Tenten bereits früh lernen müssen. Eigentlich war sie tief in ihrem Inneren nicht das schüchterne Mädchen, als das sie sich ausgab. Aber sie hatte erfahren müssen, dass sie als solche besser behandelt wurde. Außerdem hatte man sie tatsächlich so weit eingeschüchtert, dass sie sich jederzeit vor Bestrafungen fürchtete. Vor körperlichen Strafen ängstigte sie sich eigentlich nicht unbedingt. Es war eher die Erniedrigung, die ihr Sorgen bereitete. Wie schnell doch der Stolz und das Wertgefühl eines Menschen schwinden konnte, wenn man geschlagen wurde.
 

In diesem Haushalt wurde sie glücklicherweise noch nicht geschlagen, aber Tenten wollte es auch nicht drauf ankommen lassen. Die Hyuugas waren alle so ruhig und in sich gekehrt, was ihr Sorgen machte. Ein offener, lauter Mensch war berechenbarer. Mit solchen Typen von Menschen hatte sie Erfahrung und wusste, wie sie mit ihnen umzugehen hatte. Doch bei ihren neuen Senseis war sie etwas ratlos, was sie wiederum noch unsicherer machte.

Die beiden Mädchen im Haushalt sah sie kaum, da diese oft auf ihren Zimmern verweilten oder außer Haus waren. Hiashi Hyuuga war anscheinend ein viel beschäftigter Mann. Auch er war ständig unterwegs und kam meistens erst spät abends nach Hause.

Neji hingegen war öfters auf dem Anwesen. Bei ihm fühlte sie sich am unsichersten. Sie hatte irgendwie das Gefühl, dass er sie beobachtete. Und das behagte ihr gar nicht, da sie dann umso mehr Angst hatte etwas falsch zu machen.

Aber soviel sie sich auch bemühte, sie schien bei ihm immer etwas falsch zu machen. So wie eben, als sie ihn mit Sensei angesprochen hatte. Sie wurde aus diesem jungen Mann einfach nicht schlau. Aber sie würde schon herausfinden, wie sie mit ihm umzugehen hatte.

Schließlich hatten Sklaven insbesondere eines: Eine gute Menschenkenntnis.
 

~*~
 

Je länger Tenten in dem Haushalt der Hyuugas lebte, desto besser lernte sie, wie sie mit den Herrschaften umzugehen hatte. Sie fühlte sich schon beinahe schuldig, dass sie sich in diesem Haus so wohlzufühlen begann.

Es war nie richtig sich sicher und geborgen zu fühlen. Denn dann war die Enttäuschung umso größer, wenn all dieser Luxus vorbei war. Nur ein Fehltritt ihrerseits und man könnte ihr ihr schönes Zimmer mit dem weichen Bett wegnehmen. Man könnte ihr nur wieder Reste zu essen geben und ihr verbieten im angrenzenden Wald Spaziergänge zu machen.

Aber vor was Tenten sich am meisten fürchtete war, dass man sie wieder wegschicken könnte. Sie hatte sich so gut in dem Anwesen eingelebt. Mit den beiden Mädchen verstand sie sich inzwischen prächtig. Hinata und Hanabi musste man einfach mögen. Am Anfang hatte sie noch gescheut sich mit den beiden anzufreunden, da sie ja ebenfalls ihre Senseis waren. Doch die beiden hatten sie überzeugt, mit ihnen auf einer Ebene zu kommunizieren. Und das war das größte Geschenk, was Tenten hatte erfahren dürfen: Als gleichwertig behandelt zu werden. Das hatte ihrem Selbstbewusstsein neuen Auftrieb verliehen. Ab und zu wagte sie schon ihre eigene Meinung beizusteuern. Zwar hatte sie dabei noch jedes Mal Angst zu weit zu gehen, doch man schien ihre Ansichten zu respektieren. Was ihr wiederum mehr Stärke verlieh.
 

Mit Hiashi und Neji Hyuuga war es hingegen nicht so einfach, wie mit den beiden Mädchen. Hiashi Hyuuga war immer noch ihr Sensei und er flößte ihr Respekt ein. Nie würde sie in seinem Beisein so ungehemmt lachen können, wie sie es beispielsweise bei Hanabi konnte.

Aber sie konnte Hiashi Hyuuga nichts vorwerfen, er benahm sich ihr gegenüber tadellos. Er gestatte ihr draußen ein wenig spazieren zu gehen – ein Angebot, welches sie erst drei Monate später angenommen hatte -, den Fernseher zu benutzen und so viel zu essen und zu trinken, wie sie wollte. Er hatte ihr erklärt, dass sie, wenn sie ihre Aufgaben erledigte, tun konnte, was ihr gefiel, solange sie nicht zu weit weg ging und immer auf Abruf bereitstand.

Das war immer noch eine Einschränkung ihrer Freiheit, doch für Tenten fühlte sich dieser neue Freiraum wie eine ganz neue Welt an.

Sie hatte Hinata und Hanabi gebeten ihr Lesen und Schreiben beizubringen. Ihr alter Sensei hätte ihr dieses niemals erlaubt, da gebildete Sklaven gefährlich waren. Doch Hiashi-sensei hatte dieses sogar gewünscht. Er konnte nicht wissen, dass er ihr damit einen großen Traum erfüllt hatte.
 

Ab und zu bekam sie auch von Neji Unterricht im Lesen und Schreiben. Doch bei ihm war sie viel befangener, als bei Hanabi und Hinata. Ebenso wie sein Vater, flößte ihr Neji einen unglaublichen Respekt ein. Aber irgendwie auf eine andere Art und Weise.

Hiashi wollte sie zufrieden stellen. Bei Neji hingegen hatte sie seltsamerweise das Gefühl ihn nicht enttäuschen zu dürfen. Sie wollte ihm beweisen, dass sie nicht nur eine dumme Sklavin war. Warum sie gerade bei ihm einen so guten Eindruck hinterlassen wollte, wusste sie nicht.

Sie wusste nur, dass es eben so war. Außerdem lernte sie mit der Zeit ihn zu bewundern. Bei ihrem Unterricht stellte sich heraus, dass er wahnsinnig gebildet war. Auf jede Frage die sie ihm stellte, wusste er eine Antwort. Zu Anfang hatte sie Angst gehabt ihre Fragen zu stellen und ihn damit zu belästigen, doch er schien ihr immer bereitwillig zu antworten. Seine Geduld war auch eine Eigenschaft, die sie an ihm mochte.

Bei ihm hatte sie nicht den Eindruck auf gleicher Ebene zu stehen, wie bei Hinata und Hanabi. Aber er gab ihr auch nie das Gefühl minderwertig, oder nichts wert zu sein. Sie begann ihn zu bewundern, was dazu führte, dass sie noch begieriger machte so viel zu lernen, wie nur irgend möglich.
 

~*~
 

Das Tenten immer mehr aufblühte, blieb auch Neji nicht verborgen. Aus dem schüchternen, ängstlichen Mädchen war eine selbstbewusste Frau geworden. Sie konnte zwar immer noch nicht nein sagen, putzte stundenlang und fragte ständig nach, ob nach irgendetwas fehlte, aber sie zuckte immerhin nicht mehr zusammen, wenn man an ihr begegnete.

Wenn er an Hinatas oder Hanabis Zimmer vorbeiging, hörte man sie sogar manchmal lachen. Ihre Freude über ihren neuen Freiraum war ansteckend. Das Anwesen wirkte auf einmal nicht mehr so leer. Es fühlte sich immer mehr wie ein Zuhause an.

Aber wie konnte es das nicht, wenn man Tenten sah, die summend den Flur wischte oder einem ein traumhaftes Mahl bereitete, wenn man nach Hause kam.

Tenten war wirklich die beste Köchin, die sie je gehabt hatten. Was Essen betraf, war Neji etwas anspruchsvoll, doch Tenten hatte es geschafft, dass er bisher jedes Gericht mochte.
 

Seitdem sie da war, schien die Zeit schneller zu vergehen. Bald schon war Weihnachten. Einerseits freute sich Neji darauf, anderseits graute es ihm davor, da er wusste, dass sein Onkel zum Fest zwei Mitglieder der Organisation eingeladen hatte.

Er wusste nicht, wie Tenten darauf reagieren würde. Sasori und Deidara waren zwei spezielle Personen, mit denen nicht gut Kirschen essen war.

Die beiden waren gnadenlose Killer, die am Töten sogar schon Spaß gefunden zu haben schienen. Sie knallten zwar nicht willkürlich Leute ab, töteten aber sofort, sobald sie den Befehl dazu bekamen.

Neji graute es vor dem Tag, an dem auch ihm derartige Aufträge übertragen wurden. Bisher waren seine Aufgaben etwas ungefährlicher. Er musste die Drogen besorgen und auch wieder verkaufen, an Glücksspielen teilnehmen und Spionage betreiben.

Er hatte nie wirklich in die Organisation eintreten wollen, hatte aber auch nie wirklich die Wahl gehabt. Spätestens als Hiashi ihm erzählt hatte, dass sein Vater durch einen Auftrag der Organisation getötet wurde, wollte er sich eher an der Organisation rächen, als ihr beizutreten.

Doch mit dem Chef der Organisation war nicht zu spaßen. Er gab vor einem die Wahl zu lassen, doch es war klar, dass man entweder mitmachte oder starb.
 

Neji wusste bereits zu viel über die Organisation, als das man ihn einfach in Ruhe lassen würde. Er hatte in den Sachen seines Onkels nach Hinweisen auf seine Eltern gesucht, da in dem Anwesen nie über die beiden gesprochen wurde. Das Schicksal seiner Mutter war ihm immer noch nicht ganz klar. Er hatte noch nicht einmal ein Bild von ihr.

Von seinem Vater wusste er, dass dieser sich für seinen Bruder geopfert hatte. Hiashi hatte einen Fehler gemacht und Hizashi hatte dafür gebüßt. Anscheinend hatte sein Vater nicht mehr leben wollen. Was musste einem Menschen widerfahren, dass er freiwillig sein Leben beendete?

Man stellte sich als Außenstehender das Leben in einer kriminellen Organisation immer spannend vor. Doch wenn man wirklich involviert war merkte man, dass es nicht um Spaß und Spannung ging. Es ging um nichts weniger, als um das Leben. Erfüllte man seine Aufträge blieb man am leben. Tat man das nicht und weigerte sich einen Befehl auszuführen, hatte man bereits sein Todesurteil unterschrieben.
 

Aus diesem Grund fürchtete sich Neji auch, dass Tenten in dieses ganze Mafiageschehen hineingezogen wurde. Wer zu viel wusste, wurde entweder rekrutiert oder getötet.

Und eine Sklavin – vor allem eine weibliche Sklavin – würde man wohl kaum rekrutieren.

Natürlich waren Sklaven dazu verpflichtet die Geheimnisse ihrer Senseis zu wahren, doch in der Organisation galt der Grundsatz, dass ein totes Mundwerk am wenigsten verriet.

Der Organisation waren ihre Geheimnisse sehr wichtig, da sie ohne weiteres eingesperrt würden, wenn man sie entdeckte. Zwar wusste man, dass derartige Organisationen existierten, doch jemanden zu entlarven war schon eine ganz andere Sache. Niemand von den Yamaguchi-gumi war leicht zu fassen.

Neji war sich nicht sicher, wie Tenten auf Sasori und Deidara reagieren würde. Würde sie in ihr altes, schüchternes Verhalten zurückfallen? Er hoffte, dass es nicht so war.

Und er würde versuchen Tenten so gut wie möglich von den beiden fernzuhalten.

Warum er sich so sehr für Tenten einsetzte, wusste er selbst nicht so genau. Vielleicht lag es daran, dass sie sich wie er nach Freiheit sehnte, sie jedoch nie in vollem Ausmaß zu spüren bekommen würde.

Ebenso wie er hatte sie keine Eltern mehr. Auch ihre waren gestorben, vermutlich auch wegen der Organisation. Sie hatten so viel gemeinsam, waren vom Charakter her jedoch völlig unterschiedlich. Doch gerade das machte sie für ihn so spannend.

Und weil sie ihm mittlerweile etwas zu bedeuten begann, würde er sie beschützen. Vor seinem Onkel, vor Sasori und Deidara, vor der Organisation, vor allem.
 

~*~
 

Obwohl Weihnachten in Japan kein Feiertag war, wurde er dennoch gefeiert. Partys am Weihnachtstag waren üblich, weswegen auf das Hyuugaanwesen auch Gäste geladen waren. Tenten war etwas aufgeregt, versuchte sich aber auf die traditionelle Weihnachtstorte zu konzentrieren, die sie gerade buk.

Sie versuchte sich besonders Mühe zu geben, um Hiashi-sensei nicht zu enttäuschen. Er hatte ihr gesagt, dass diese Gäste sehr wichtig für ihn waren. Was Tentens Angst nur noch gesteigert hatte. Wer würden diese Gäste sein? Geschäftspartner von Hiashi?

Tenten war nicht dumm, deswegen war auch ihr klar, dass Hiashi mehr als ein Bankier war. Er musste wie ihr alter Sensei auch zu einer dieser organisierten Verbrecherbanden gehören. Auch Neji gehörte wohl dazu. Sie konnte sich Neji eigentlich nicht als Verbrecher vorstellen, dazu war er viel zu ehrenhaft. Aber vielleicht hatte man ihn ja genötigt?

Die Laune Nejis schien in den letzten Tagen immer mehr abzunehmen, was Tenten Sorgen bereitete. Ob seine schlechte Laune wohl an den Gästen lag?
 

Gerade als Tenten in ihren Gedanken versunken die Torte mit Erdbeeren garnierte, hörte sie die Türklingel. Schnell putzte sie sich ihre Hände an einem Handtuch ab und lief zur Tür.

Vorsichtig öffnete sie diese und stand zwei stämmigen Männern gegenüber.

Die Angst, die sie bisher ihr ganzen Leben begleitet hatte, zuckte wieder durch ihren Körper. Doch sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen.

„Kónnichi wá“, begrüßte sie die beiden Herren und trat ein Stück zur Seite, um sie einzulassen. Die Musterung der beiden war ihr unangenehm, also starrte sie auf den Boden, während die beiden eintraten.

„Du musst die neue Sklavin von Hiashi sein, un“, bemerkte der Blondhaarige. Tenten wunderte sich, was die letzte Silbe zu bedeuten hatte, nickte jedoch und nahm den Männern ihre Mäntel ab. Sie erschreckte ein wenig, als sie die Pistole in der Manteltasche erkannte.
 

„Na, noch nie eine Pistole gesehen, Kleine?“, fragte der Rothaarige spöttisch und griff nach seiner Waffe. Der andere Mann zog ebenfalls seine Waffe.

Tenten wich unsicher zurück und wusste nicht, was sie nun tun sollte. Warum griffen diese beiden Männer nach ihren Waffen? Es gab momentan doch keinerlei Anzeichen von Gefahr. Oder hatte sie vielleicht etwas falsch gemachtß Unsicher musterte sie die beiden Männer, die nun über die Qualitäten ihrer Pistolen debattierten.

Irgendwie war es schon merkwürdig, aber die Pistolen schienen in ihre Hände zu passen. Sie schienen sich damit sehr wohl zu fühlen und es wirkte irgendwie natürlich.
 

Why is that, as a culture, we are more comfortable seeing two men holding guns than holding hands?
 

In diesem Moment kam Hiashi die Treppe hinunter. „Um Gottes Willen. Sasori, Deidara, nehmt die Waffen runter. Ihr macht dem Mädchen noch Angst.“

Die beiden Männer grinsten, senkten jedoch ihre Pistolen und ließen sie in ihre Taschen gleiten. „Danke. Aber wozu braucht ihr überhaupt Waffen in diesem Haus?“

„Man kann nie wissen, Hiashi“, gab der Blondhaarige zu verstehen. Hiashi runzelte daraufhin die Stirn, deutete den beiden Männern jedoch an, ihm zu folgen.

„In einer Stunde möchten wir dann essen, Tenten“, gab Hiashi dem Mädchen noch zu verstehen, bevor er mit den beiden Männern verschwand.

Tenten stand wie paralysiert im Flur. Es lag nicht daran, dass die Waffen sie verschreckt hatten, es lag eher an den Stimmen und dem Auftreten der beiden Männer. Sie wirkten so kalt. Hiashi und Neji wirkten zwar auch distanziert, strahlten jedoch nicht eine derartige Kälte und Brutalität aus. Unwillkürlich fröstelte Tenten und rieb sich ihre Arme.
 

„Tenten?“ Nejis Stimme erklang vom oberen Flur. Langsam drehte sich Tenten zu der Stimme um, während Neji die Treppenstufen hinunter kam. Er musterte sie skeptisch.

„Was ist los?“ Er bemerkte durchaus ihren inneren Aufruhr.

„Die – die Freunde deines Vaters sind da.“ Neji fluchte. „Haben sie dir etwas getan?“, fragte er eindringlich. Tenten schüttelte den Kopf. „Nein. Sie waren nur… merkwürdig.“

Neji lachte trocken auf. „Ja, das sind sie.“ Er griff nach Tentens Hand und stellte fest, dass diese eiskalt war.

„Komm mit, du solltest etwas Warmes trinken. Dir ist kalt.“ Mit diesen Worten zog er sie in die Küche. „Setz dich“, forderte er sie auf. Tenten zögerte einen Moment, ließ sich dann aber auf einen Küchenstuhl fallen. Neji stellte währenddessen Wasser auf.

„Das kann ich doch auch machen“, erklärte Tenten. Neji warf ihr jedoch nur einen finsteren Blick zu. „Du kannst dich auch einmal bedienen lassen.“ Sie errötete und senkte den Kopf.
 

Als das Wasser fertig war, schenkte Neji es in zwei Tassen und gab jeweils einen Teebeutel hinzu. Dann setzte er sich zu Tenten an den Tisch.

Eine ganze Zeit herrschte Schweigen zwischen den beiden. Doch dann erhob Neji das Wort. „Tenten, ich möchte nicht, dass du dich alleine in die Nähe von Sasori und Deidara begibst.“

Tenten hob den Kopf und sah Neji erstaunt an. „Warum nicht?“

„Weil die beiden gefährlich sind und ich möchte nichts riskieren. Die beiden haben eine etwas andere Meinung zu Sklaven als wir.“

Tenten nickte. „Für sie bin ich kein Mensch, sondern ein Gegenstand.“ Er nickte. „Und einen Gegenstand kann man missbrauchen.“ Tenten zuckte zusammen und Neji fuhr sanfter fort: „Ich möchte nur nicht, dass dir etwas passiert.“

„Warum?“

„Warum was?“

„Warum setzt du dich so für mich ein, obwohl ich doch nur eine Sklavin bin?“

„Für mich bist du nicht nur ein Gegenstand. Das müsstest du doch mittlerweile gemerkt haben. Du bist es wert, beschützt zu werden.“
 

Wieder senkte Tenten verlegen ihren Kopf. „Noch nie hat jemand so mit mir gesprochen.“

„Bisher hast du ja auch nur viele schlechte Menschen kennen gelernt, Tenten. Weißt du, das Leben muss nicht so sein.“

„Wie denn?“

„So schwer, wie du es hast.“

„Du hast es doch auch nicht leicht, Neji.“

„Das stimmt, aber es muss trotzdem nicht so sein. Leider wurde uns ein schweres Schicksal zugeteilt.“

„Glaubst du an das Schicksal, Neji?“ Fragend sah Tenten ihn an und er nickte. „Ja. Ja, das glaube ich.“

„Aber du glaubst nicht, dass man sein Schicksal verändern kann?“

„Nein. Wir werden mit einem bestimmten Schicksal geboren und müssen damit leben.“

„Das denke ich nicht“, widersprach Tenten. „Ich glaube immer noch daran, dass man sein Schicksal verändern kann, wenn man daran arbeitet.“

Neji schüttelte den Kopf und trank einen Schluck von seinem Tee. „Wie kannst du so denken, nachdem was du alles erlebt hast, Tenten? Du wurdest als Sklavin geboren. Du hast noch nicht einmal einen Nachnamen.“

Without freedom, no one really has a name.
 

Neji stutzte. „Woher hast du das?“

Tenten zuckte nur mit den Schultern. „Das habe ich mal im Fernsehen gehört. Es ist ein Zitat von Milton Acorda, oder?“

„Ja, das stimmt.“ Neji war doch immer wieder erstaunt wie viel Tenten sich in kürzester Zeit merken konnte. Sie war wie ein Schwamm, der alles Wissen begierig in sich aufnahm und nie wieder losließ. Wäre sie als eine andere geboren, hätte sie sicherlich erfolgreich sein können.

„Glaubst du an den Frieden, Tenten?“

„Ja. Aber ich glaube nicht an absoluten Weltfrieden. Irgendwo wird es immer Krieg geben. Denn ohne den Krieg kann es auch keinen Frieden geben, genauso wenig wie es die Sonne nicht ohne Schatten geben würde. Wäre es immer friedlich, wüsste man den Frieden als solchen doch gar nicht zu schätzen. Aber man sollte die Hoffnung nie aufgeben.“

„Es ist nicht einfach zu hoffen, wenn man ständig Angst haben muss, dass Hoffungen enttäuscht werden.

„Die Hoffnung ist der Regenbogen über dem herabstürzenden Bach des Lebens“, erwiderte Tenten. Neji lächelte. „Hast du noch mehr Zitate auf Lager?“

Auch Tenten lächelte. „Oh, unzählige. Hinata hat mir ihr Sprüchebuch geliehen.“

„Und, welcher Spruch gefällt dir am besten?“

„Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft hat schon verloren.“
 

Nejis Ausdruck verdüsterte sich. „Man sollte nicht immer kämpfen müssen.“

„Nur wenn man für etwas kämpft, weiß man es zu schätzen. Ich habe mich viel zu lange meinem Schicksal ergeben. Nur langsam lerne ich, dass es auch noch einen anderen Weg für mich gibt. Das auch ich das Recht auf Glück habe. Und das habe ich euch zu verdanken.“

„Wie kannst du glücklich sein?“, fragte Neji verbittert. „Und wie kannst du uns dafür danken? Wir sind es doch, die dich festhalten.“

„Das stimmt. Aber mich machen schon die kleinen Dinge glücklich. Zum Beispiel wenn ihr voller Genuss ein Gericht von mir esst. Das macht mich glücklich. Wenn ich einen Vogel in den Baumkronen singen höre, das macht mich glücklich. Alle diese kleinen Dinge machen mich wirklich glücklich. Es stimmt, ich bin nicht vollkommen frei. Aber ich weiß gar nicht, ob ich in dieser Welt völlig frei sein möchte. An jemanden gebunden zu sein ist nicht nur schlecht. Ich könnte in dieser Welt doch nicht einmal überleben. Viele Dinge kenne ich nur aus dem Fernsehen: Supermärkte, Discotheken, Friseursalons, Schulen.“

„Möchtest du diese Dinge denn nicht einmal sehen?“

„Doch, schon. Aber momentan bin ich glücklich, so wie es ist.“

„Du gibst dich mit sehr wenig zufrieden.“

„Oh, das denke ich nicht“, sagte Tenten lächelnd. „Nun mach nicht so ein finsteres Gesicht, Neji. Ich verstehe, wie du denkst. Und meistens liegst du mit deinen Ansichten auch richtig. Aber vielleicht solltest du über diese Sache mit dem Schicksal noch mal nachdenken.“
 

Ein mürrisches Brummen war von Neji zu hören, doch er nickte. Vielleicht sollte er wirklich noch einmal darüber nachdenken. Aber nun war es wichtig zum Thema zurückzukehren.

„Wenn ich verspreche darüber nachzudenken, würdest du mir dann auch etwas versprechen?“

„Natürlich“, antwortete Tenten ohne zu zögern.

„Du weißt doch noch gar nicht, was du mir versprechen sollst. Vielleicht sage ich dir ja, du sollst dich aus dem nächsten Fenster stürzen.

Wieder lächelte Tenten. „Ich vertraue dir, Neji.“ Da war er. Dieser eine Satz, der ihm so unendlich viel bedeutete. Noch nie hatte jemand diese Worte zu ihm gesagt. Und jetzt, wo Tenten sie ausgesprochen hatte, waren sie so unglaublich schön anzuhören. Doch jetzt war nicht die Zeit, um in ihren Worten zu schwelgen.

„Tenten… ich möchte, dass du mir versprichst, dass du versuchst dich von Sasori und Deidara fernzuhalten.“

„Ich werde sie bedienen müssen.“

„Das schon. Aber du näherst dich ihnen nur, wenn einer von uns dabei ist. Versprichst du mir das?“ Tenten überlegte einen Moment und nickte dann.

„Gut.“ Neji atmete erleichtert auf.
 

Gerade in diesem Moment betrat Hiashi die Küche. Einen Moment blieb er völlig überrascht stehen. So wie Neji und Tenten am Tisch saßen, beide einander zugewandt, wirkte es so, als bestände ein ganz besonderes Band zwischen den beiden. Hatte er vielleicht etwas übersehen? Konnte es sein, dass sein Neffe Gefühle für seine Sklavin entwickelte? Doch darüber musste er später nachdenken, momentan gab es wichtigeres.

„Neji, könntest du bitte einmal zu uns ins Wohnzimmer kommen?“, fragte er an seinen Neffen gewand. Dieser wirkte zunächst etwas irritiert, nickte dann jedoch und erhob sich. Währenddessen wand sich Hiashi an Tenten. „Wir schieben das Essen doch noch einen Moment auf, Tenten. Wir werden dich dann rufen.“

Das Mädchen nickte und sah den beiden zu, wie sie den Raum verließen.
 

~*~
 

„Neji! Setz doch doch!“, bedeute ihm Sasori. Etwas misstrauisch ließ sich Neji auf einen Sessel fallen.

„Was gibt es?“, fragte er misstrauisch.

„Na na, Neji! Nun sei doch nicht immer so ernst, un!“, rief Deidara fröhlich. „Du bist genauso wie dein Onkel. Ach, was sag’ ich, eigentlich so wie dieser gesamte, verdammte Hyuuga-clan!“

„Pass auf, wie du über meine Familie sprichst“, sagte Hiashi in strengem Tonfall.

Deidara winkte ab. „Siehst du, genau das mein’ ich! Aber gut, wenn du es so willst, lass uns zur Sache kommen. Eigentlich ist es ganz passend, dass wir gerade um Familien sprechen. Es geht nämlich um eine ganz bestimmte.“

„Der Nara-clan.“ Sasori spuckte das Wort aus, als wäre es etwas Ekliges.

„Du weißt doch Neji, das wir mit den Inagawa-kai verfeindet sind, nicht wahr?“

Neji nickte stimm.

„Einmal hatten wir diese Bande fast gänzlich ausgelöscht, doch leider sind ein paar übrig geblieben. Und sie beginnen sich zu formieren und größer zu werden. Wir betrachten dieses mit großem Argwohn. Wir müssen sie auf jeden Fall stoppen, bevor sie noch größer werden.“

„Und was habe ich damit zu tun?“

„Nun, mein Lieber. Der Boss hat beschlossen, dass dir eine ganz besondere Aufgabe zuteil werden soll. Es hat sich ihm zugetragen, dass einer der Naras überlebt haben soll. Shikamaru Nara. Er soll ungefähr in deinem Alter sein. Und genau deswegen sollst du diese Aufgabe bekommen.“

„Ich verstehe nicht ganz. Was genau soll ich tun?“

„Du sollst Shikamaru Nara töten.“
 

~♦~♦~♦~
 

To be continued…
 

Wird Neji tatsächlich Shikamaru töten?

Was wird Tenten dazu sagen, dass Neji morden muss?

Wer war Nejis Mutter?

Wer ist das Oberhaupt der Yamaguchi-gumi?

Werden Neji und Tenten zusammenkommen?
 

Vermutungen werden gerne entgegen genommen. Die endgültige Antwort gibt’s am 20. Dezember.
 

Verwendete Zitate:

Why is that, as a culture, we are more comfortable seeing two men holding guns than holding hands? [Ernes Gaines]

Without freedom, no one really has a name. [Milton Acorda]

Die Hoffnung ist der Regenbogen über dem herabstürzenden Bach des Lebens. [Friedrich Nietzsche]

Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft hat schon verloren. [Bertolt Brecht]
 

Einen schönen Samstagabend noch wünscht eure Arashi.

12. Dezember - Liebe meines Lebens (Teil 2)

Schutzsuchend hielt sie sich an ihrer Magd fest, versuchte alles auszublenden und der Realität zu entfliehen.

Das strenge, schwere Urteil begriff sie nicht. Sie hatten sich doch nur geküsst.

Besser gesagt, sie hatte ihn völlig unverhofft geküsst und es war keineswegs so romantisch gewesen, wie sie es sich vorgestellt hatte.

„Ich will das nicht“, murmelte sie eher zu sich selbst.

„Beruhigt Euch, Hoheit“, sagte die Magd leise.

„Ich will mich aber nicht beruhigen“, fuhr Tenten sie an.

Sie löste sich etwas unsanft aus der Umarmung ihrer Magd, ging nicht auf die warnenden Worte vom Herrn Takahashi ein und betrat den prachtvollen Balkon.

Die Masse der Bevölkerung fingen unweigerlich an zu murmeln, als die Königin den Balkon betrat. Das erste Mal seit dem Tod ihrer Eltern stellte sie sich wieder der Öffentlichkeit.

„Tenten“, flüsterte Neji irritiert, als er sie sah.

„Für Sie immer noch Eure Majestät“, korrigierte sie ihn leise und lächelte. Dann wandte sie sich dem Volk auf dem Marktplatz zu und ignorierte den verärgerten Herrn Kato völlig.

„Mein Volk“, begann sie im lauten, ruhigen Ton zu sagen. „Ich bedaure es zutiefst, aber bei dieser Verurteilung handelt es sich lediglich um ein Missverständnis. Herr Hyuuga hat nichts getan, was der Bevölkerung, dem Königshause oder mir selbst schaden würde. Deswegen wird er freigesprochen.“

Sie sah zu Herrn Kato und machte eine lässige Handbewegung. „Lasst ihn gehen.“

„Eure Hoheit“, schrie plötzlich eine Männerstimme aus der Menge. „Handelt es sich auch um ein Missverständnis, dass die Steuern im letzten halben Jahr so rapide gestiegen sind, dass ich meine Familie nicht mehr ernähren kann?“

Tenten schluckte schwer und sah zu Herrn Kato, der nur unweigerlich die Schultern zuckte.

„Ich wusste nicht –“, begann sie leise, wurde jedoch prompt von Herrn Kato unterbrochen.

„Geht wieder rein, Hoheit“, befahl er und deutete auf den Türbogen vom Balkon.

Tenten wandte sich wieder der Menschenmenge zu. „Ich werde mich darum kümmern“, verkündete sie.

Herr Kato fasste sie etwas grob am Arm und zog sie wieder mit in den Palast. Neji folgte ihnen.

Die Menschenmasse blieb, Tenten hörte Protestrufe, doch Herr Takahashi schloss sofort die Tür, damit sie die Rufe nicht mehr hörten konnte.

„Wieso wusste ich von den Steuererhöhung nichts?“, fragte sie ihre beiden Berater.

„Ihr habt uns die volle Entscheidungsfreiheit gelassen und wir empfanden eine Erhöhung der Steuern als angebracht“, erklärte Herr Takahashi.

Sie wollte etwas sagen, doch ihre Magd berührte sie sanft am Arm. „Ihr solltet Euch etwas ausruhen, Hoheit.“

Tenten nickte schwach. „Wir sprechen aber noch darüber“, sagte sie zu ihren Beratern und kniff die Augen etwas zusammen. „Ich möchte eine Liste über alle Änderungen des vergangenen letzten halbes Jahres.“

„Aber, Eure Hoheit“, begann Herr Kato.

„Bis heute Abend“, befahl sie und ihre Stimme war ungewohnt laut und kalt. „Und ich will nicht, dass ihr mir etwas verschweigt.“

„Natürlich“, murmelten die beiden Berater, gaben sich geschlagen und verbeugten sich.

Sie lächelte triumphierend. Ab diesem Augenblick würde sie sich um ihr Reich kümmern, auch wenn sie die Hilfe ihrer Berater weiter in Anspruch nehmen würde. Doch sie würden nur das bleiben was sie im Grunde waren: ihre Berater, mehr nicht.

„Neji, bleiben Sie noch?“, fragte Tenten und wandte sich zu ihm.

Er nickte. „Wenn Ihr dies wünscht.“
 

Erschöpft ging Tenten in ihr Schlafgemach, um einen Moment Ruhe zu haben. Die Vorfälle vom heutigen Tage waren zu viel für ihre kleine, eigentlich wohlbehütende Welt. Sie wusste, dass ihre Berater nur das Beste für sie wollten, doch sie sind offenbar manchmal einen Schritt zu weit in ihrer Macht gegangen.

Sie wollte nicht länger in ihrer Traumwelt leben. Sie musste ausbrechen und ihren goldenen Käfig verlassen.

Sie musste kämpfen. Für ihr Königreich und für ihre erste, zerbrechliche Liebe zu Neji.

Zielstrebig ging sie zur Tür, wollte gerade die Türklinge herunterdrücken, als sie die Stimme ihrer Magd auf dem Gang hörte.

„Vielleicht ist es besser, wenn Sie doch nach Hause gehen, Herr Hyuuga. Die Königin braucht Ruhe.“

„Sie hat mich gebeten zu bleiben, also werde ich auch bleiben.“

Tenten hielt inne und legte neugierig das Ohr an die Tür. Sie wusste, dass es falsch war zu lauschen, doch die Neugierde hatte sie gepackt und sie war eben fast noch ein Kind.

„Sie dürfen die Königin nicht allzu ernst nehmen. Sie ist noch ziemlich jung für ihren Posten, da sie ihre Eltern leider viel zu früh verlor.“

„Ja, das weiß ich“, sagte Neji ruhig.

„Sie hat den Tod nie wirklich verkraftet“, erklärte die Magd weiter. „Selbst auf der Beerdigung vergoss sie keine Träne.“

„Sie beobachten sehr genau“, stellte Neji fest. „Möglicherweise erklärt dies auch ihre rasche Verliebtheit. Vielleicht sucht sie in mir nur einen Teil, der ihr fehlt.“

Das war genug. Wie sprachen die beiden über sie? Als wäre sie ein kleines, dummes Mädchen, dass zu wenig Aufmerksamkeit bekam.

Wütend riss sie die Tür auf und musterte beide. Ihre Magd gab einen erstickten Laut von sich, Neji blieb unbeeindruckt.

„Was fällt euch ein hinter meinen Rücken über mich schlecht zu reden?“

„Eure Hoheit“, sagte die Magd und verbeugte sich. „Verzeiht mir.“

Sie erhob sich wieder und sah erst zu Neji, dann zu Tenten. „Ihr entschuldigt mich.“

„Natürlich“, sagte Neji und nickte zum Abschied.

Als die Magd fort war, fixierte Tenten Neji wütend.

„Warum reden Sie so schlecht über mich?“

„Ich rede nicht schlecht über Euch, Hoheit. Ich sage bloß die Wahrheit.“

„Ich habe Ihnen das Leben gerettet und Sie denken wirklich so schlecht über mich.“

Neji verbeugte sich kurz. „Ich bin Euch zu tiefsten Dank verpflichtete, Eure Hoheit. Aber dennoch lasse ich mir nicht den Mund verbieten, weder von Euch, noch von Euren Beratern.“

„Sie denken aber, dass meine Liebe zu Ihnen bloß eine flüchtige Verliebtheit ist?“

„Ja, das denke ich.“

Sie lachte kurz und abfällig. „Ich schenke Ihnen mein Herz und Sie treten es mit Füßen.“

„Ich trete Eure Gefühle nicht, doch ich kann sie leider momentan nicht erwidern.“

„Verschwinde!“, zischte sie.

Sie drehte sich um und ging zurück in ihr Gemach.

Sie war wütend, enttäuscht und traurig. Seufzend lehnte sie sich gegen die Wand und rutschte langsam an dieser herunter.

Warum war nur alles immer so kompliziert? Sie hegte tiefe Gefühle für diesen jungen Mann und dennoch erwiderte er diese nicht. Aber im Grunde konnte sie es ihm nicht einmal verübeln.

Sie kannten sich kaum und vielleicht hatte sie nie so viel preisgegeben, wie ein normales Mädchen es tun würde.

Sie wusste nicht, wie man um einen Jungen warb. Sie war es gewohnt, dass jeder sie liebte. Doch Neji war ein guter Junge. Er wollte nicht mit ihren Gefühlen spielen und ihr etwas vormachen.

Im Grunde war er der erste, der sie als Person wahrnahm.

Plötzlich sah sie, wie ein Zettel unter dem Türspalt hergeschoben wurde und sie kroch zur Tür, um ihn zu nehmen. Vorsichtig faltete sie den Zettel auseinander und erkannte Nejis Handschrift.

„Es tut mir leid“ stand auf dem kleinen Zettel, den Neji aus seinem Notizblock rausgerissen hatte.

Sie lächelte traurig und faltete das Blatt wieder zusammen. In seinem Block hatte er stets die Wahrheit geschrieben, Worte, die er nicht aussprechen konnte.

Langsam stand sie auf, öffnete die Tür und rechnete damit, dass Neji noch vor ihrer Zimmertür stand, doch der Gang war leer.

Irritiert sah sie sich um, blickte dann zum Boden und dort lag ein weiterer Zettel.

Sie hob ihn auf und faltete ihn auseinander. „Ich schätze Euch wirklich sehr“, stand dort.

Sie sah weiter den Flur entlang und erblickte viele weitere Briefe, die auf dem Marmorboden lagen.

Einzeln hob sie jeden auf, las ihn und faltete ihn ordentlich wieder zusammen. In ihnen standen verschiedene Sätze wie „Verzeiht mir bitte“ und „Es tut mir leid.“

Als sie bei der Eingangstür ankam, lag dort ebenfalls einer.

Diesmal stand dort mehr als ein Satz und sie las ihn langsam und bedacht durch.

„Wehrte Königin. Es tut mir leid. Bitte verzeihen Sie mir meine Schwäche, doch ich hatte noch nie eine ernste Bindung. Ich möchte Euch weder verletzen, noch Eure Gefühle nicht erwidern. Ihr seid eine interessante Person, die ich sehr schätze und ich verbringe sehr gerne Zeit mit Euch. Gebt mir noch ein wenig Zeit und wartet auf mich, Tenten. In Liebe, Eurer Neji.“

Sie lächelte leicht. Ihre Liebe war nicht hoffnungslos. Alles was Neji brauchte war Zeit und diese würde sie ihm geben.

Vielleicht würde ihre Liebe eines Tages eine Chance bekommen, denn er war der erste und einzige, der hinter ihre Maske aus Schein blickte und nicht bloß die Königin in ihr sah.

Für sie war Neji die Liebe ihres Lebens…
 

- Ende -
 

In Gedenken an Freddie Mercury.

Folgende Queen-Lieder dienten der Inspiration:

Killer Queen

A Kind of Magic

Crazy little thing called love

The Show must go on

Under Pressure

Don’t stop me now

I want to break free

Love of my life
 

Eure abgemeldet

13. Dezember - Der Wert deines Kampfes

Die Hälfte der Tage bis Weihnachten ist jetzt vorbei. :)
 

AU, SciFi

NejiTen
 

Hintergrundmusik – Runrig (Day of Days) vor allem, Blackmore’s Night, Creedence Clearwater Revival

Welt – strange, SciFi/Cyberpunk(?)

Sora – Nejis Deckname

Lan - Münzeinheit
 

~~~~~~~
 

Der Wert deines Kampfes
 

Fighting doesn’t give life meaning. It’s the meanings that make life worth fighting for.

~ Unknown
 

Rebellenlager ausgehoben!

Am späten Abend vor drei Tagen stürmten drei Einheiten der Grünen Miliz ein altes Lagerhaus im der 165. Straße und überraschten damit eine Zelle der Rebellen. Das Lagerhaus wurde anscheinend schon seit Jahren von den Rebellen als Quartier genutzt, von dem aus sie ihre für die Stadt schädlichen Aktionen gegen uns durchführten. Doch jetzt wurde ihnen ein Riegel vorgelegt.

In dem kurzen Schusswechsel, der auf den Zugriff folgte, starben 6 der Rebellen, weitere Menschen wurden verletzt. Der Rest der Aufrührer konnte erfolgreich gefasst werden, doch anscheinend befand sich keiner der hochrangigen Rädelsführer in dem Gebäude.

Die meisten der Gefangenen werden in den kommenden Tagen an die Sklavenmärkte verkauft. Ihnen wurden bereits die für Sklaven erforderlichen Mikrochips eingesetzt. Der Rest wird den Befragungskammern der Miliz zugeführt und…
 

TenTen blickte über den Rand der alten Zeitung hinweg zum anderen Ende des Raumes, wo eine Gestalt auf einer der Bänke saß. Es war ein junger Mann; er hatte den Rücken an die Wand gepresst und wirkte auf diese Art gleichzeitig defensiv und stolz.

Sein langes, zu einem unordentlichen Pferdeschwanz gebundenes Haar fiel ihm wie ein dunkler Wasserfall über eine Schulter. Er wirkte kühl und distanziert und sein hübsches Gesicht trug einen derartig abweisenden Ausdruck, dass sich ihm niemand nähern wollte.

Das sonderbarste an ihm waren jedoch seine mandelförmigen Augen – sie besaßen weder Pupille noch Iris und waren vollkommen weiß – dennoch war er nicht blind, was der scharfe, aufmerksame Blick verriet.

Er war nicht blind, er war ein Hyuuga.
 

Der Name allein sorgte dafür, dass die Leute ausspuckten, ärgerlich das Gesicht verzogen und Flüche ausstießen. Die Hyuuga waren die, die die Rebellion, den Wiederstand, die Revolution erst am Laufen hielten, nachdem die meisten der ursprünglichen Rädelsführer sich längst mit Kompromissen zufrieden gegeben hatten. Sie hatten damit angefangen und sie führten sie.

Hiashi Hyuuga war der Anführer und damit einer der gefürchtetsten Männer im Land. Unter seiner Planung und Führung waren Festungen und Städte gefallen und große Armeen waren einfach zerrieben worden unter Truppen, die viel kleiner waren. Es war kein Wunder, dass er als Staatsfeind Nummer Eins galt, gemeinsam mit seinem Protégés – seinen Töchtern Hinata und Hanabi und seinem Neffen Neji.

Doch die Sippe Hyuuga zählte viele Köpfe und jener, der dort gegenüber von TenTen am anderen Ende des Raumes saß und alle um sich herum mit Verachtung strafte, war nur ein kleines Licht in dem scheinbar ewigen Kampf gegen die eigene Regierung. Darum war er auch hier gelandet anstatt in den gefürchteten Befragungskammern der Miliz. Jiraiya, der Trainer der Gladiatoren und Hauswart der Arena, hatte gesagt, sein Name wäre Sora. Bis jetzt hatte noch niemand mit ihm gesprochen außer der Gladiatorenmeister selbst.
 

TenTen warf noch einen Blick auf die Zeitung – sie war bereits sieben Tage alt; die Gladiatoren bekamen sie immer erst zu spät und meist ging sie zuerst an die Älteren. Auch wenn TenTen zu den besten Kämpfern hier gehörte, immerhin war sie schon ihr ganzes Leben dabei.

Und das war auch der Grund, warum sie jetzt aufstand und zu Sora hinüber schlenderte. Sie hatte den Vergnügungskomplex, in dem die Arena lag, noch nie verlassen – das war leibeigenen Gladiatoren wie ihr verboten. Die einzigen Verbindungen, die sie zur Außenwelt hatte, waren der abendliche Spielfilm, die Zeitungen und ihre geliebte Sammlung an Schundromanen, zwischen denen man hin und wieder ein besseres Stück Literatur oder ein Sachbuch fand. TenTen war regelmäßige Kundin in dem kleinen Bücherladen ein Stockwerk über der Arena, bei dem sie fast ihre ganzen Provisionen ausgab.

Aber das alles war nur ein schlechter Ersatz für das Echte, das Reale. Und Neulinge, die vorher frei gewesen waren, waren immer eine beliebte Quelle an Neuigkeiten. Sora, der Rebell gewesen war und mehr erlebt haben musste als jeder andere, dem sie bis jetzt begegnet war (wenn man von Jiraiya einmal absah), würde mehr und bessere Geschichten erzählen können. Sie wunderte sich, dass noch niemand anderen ihn in die Mangel genommen hatte. Aber vielleicht lag das genau daran, dass er ein Hyuuga war. Und an den finsteren Blicken, die er überall hin feuerte.
 

„Hey.“, begrüßte sie ihn, als sie sich neben seiner Bank aufbaute. Er richtete seine durchdringenden, scharfen Augen auf sie, kalt und undurchschaubar. Für einen Moment starrten sie sich einfach so an – auf seinem Gesicht zeigte sich keine Regung, er zuckte nicht einmal mit einer Wimper.

Vielleicht sollte sie ihn doch lieber in Ruhe lassen? Aber nein – jetzt war sie schon hier, jetzt konnte sie auch weitermachen. Sie schwang ein Bein über die Bank und setzte sich rittlings darauf. „Ich bin TenTen.“, stellte sie sich vor, denn er war zwar ihnen bekannt gemacht worden, aber etwas Umgekehrtes hatte nicht stattgefunden. „Ich bin schon länger hier – falls du irgendwelche Fragen hast, kannst du dich gerne an mich wenden.“

Er gab erneut keine Antwort und sie fragte sich, ob sie hier gegen eine Wand redete. Lohnte sich das hier überhaupt? Vielleicht sollte sie einfach weitermachen – dann merkte er, dass er sie nicht einfach so losbekam? Und dann würde er, vielleicht, ihre Fragen beantworten?

„Am Anfang mag alles leicht erscheinen, aber wenn man erst mal länger hier ist und den Neulingstatus verloren hat, dann merkt man, dass es hier doch etwas komplizierter ist, als es erschient. Also, scheu dich nicht.“ Sie schenkte ihm ein freundliches Lächeln.
 

Vielleicht war es das, was endlich eine Reaktion aus ihm herauskitzelte, auch wenn er noch immer keine Miene verzog. „Und warum glaubst du“, begann er. „dass ich überhaupt so lange hier sein werde?“

Sie runzelte die Stirn. Was meinte er damit? Glaubte er, Jiraiya würde ihn wieder verkaufen? Wohl eher nicht – die Hyuuga, selbst jene, über die nichts bekannt war, galten als hervorragende Kämpfer. Jiraiya würde sich so etwas nicht durch die Lappen gehen lassen. Er musste für Sora eine Unmenge an Lan bezahlt, vielleicht dafür sogar einen Kredit aufgenommen haben.

Denn die Arena verlassen, das ging nur auf zwei Arten – wenn man in eine andere kam oder in einem Leichensack. Wollte er sich umbringen? Oder im Ring einfach töten lassen? Sollte sie Jiraiya einen Tipp geben? Sie beschloss, erstmal zu abzuwarten, und antwortete: „So leicht kommt man hier nicht weg – die meisten sind auf Lebenszeit hier. Ich bin hier sogar aufgewachsen.“

Er zog einen Mundwinkel nach oben; eine verächtliche, spöttische und gleichzeitig mitleidige Geste. „Schön für dich. Macht es Spaß, für nichts und wieder nichts zu kämpfen?“
 

Die Frage entfachte seltsamerweise Wut in ihr und verärgert blickte sie zur Seite. „Was verstehst du denn schon von der Arena?“, schnappte sie. „Und warum beschwerst eigentlich du dich? Hast du im Leben nicht auch immer gekämpft? So als Hyuuga und Rebell?“

Diesmal zeigte der hochgezogene Mundwinkel einfach nur Spott. „Wenn du das fragst, dann verstehst du es sowieso nicht.“, erklärte er ihr und sah sie an.

TenTen starrte zornig zurück und wandte die Augen nicht ab.

Jiraiya war es, der ihren kleinen Krieg der Blicke unterbrach, indem er zu ihnen trat und ihnen heftig auf die Schultern klopfte. TenTen verschluckte sich und hustete laut, während Sora beinahe von der Bank rutschte. „Wie ich sehe, macht ihr euch bekannt!“, bemerkte Jiraiya lautstark und begeistert. „Das ist gut, dann habt ihr sicher nichts dagegen, wenn ich euch zu einer festen Trainingsgruppe einteile. Ich denke nämlich, dass die anderen mehr Probleme mit unserem Neuzugang haben als du, TenTen.“
 

Die Angesprochene warf einen Blick über die Schulter in den gemütlich eingerichteten Aufenthaltsraum. Es befanden sich nur ein paar weitere Gladiatoren hier, aber es zeigte trotzdem, dass Jiraiya Recht hatte. Gaara saß in einer Ecke und wenn Blicke tatsächlich schneiden könnten, wären von Sora nur noch Fetzen übrig. Karui und Omoi, zwei Halbgeschwister, die neben dem Mediagerät auf dem flauschigen Teppich saßen, unterhielten sich leise, wobei auch sie Sora finstere Blicke zuwarfen.

TenTen drehte sich wieder um und nickte. „In Ordnung.“ Wie er wohl mit Waffen umgehen konnte? Sicher nicht schlecht. Er war immerhin ein Hyuuga, dafür geboren, in der Rebellion zu kämpfen. Und ausgerechnet er beschwerte sich, dass sie in der Arena kämpften?

Trotzdem echote der eine Satz in ihrem Kopf nach. Macht es Spaß, für nichts und wieder nichts zu kämpfen?
 


 


 

Neji schwang das Schwert leicht hin und her. Es war eine überaus gute Klinge, sie lag leicht in seiner Hand, beinahe schon vertraut. Doch es war das erste Mal, dass er sie in der Hand hielt. Natürlich war das Katana neben einer Pistole immer seine Hauptwaffe gewesen, aber so etwas hier hatte er noch nicht oft erlebt.

Neji blickte sich in dem Raum um. Er war groß, eigentlich für mehrere Gruppen von Kämpfern angelegt, doch im Moment befand nur er sich hier. TenTen hatte ihn am Morgen abgeholt und hergebracht. Im Moment hielt sie sich in einem der Nebenräume auf und suchte nach etwas.

Durch die hoch angebrachten, schmalen Fenster in einer der Wände drang Sonnenlicht in den Raum, außerdem waren die Deckenleuchten an, so dass jede Ecke angestrahlt wurde. Einige Übungsdummys befanden sich an einem Ende der langen Halle. Durch Türen konnte man in weitere Trainings- und einige Ausrüstungsräume gelangen und der Boden war an manche Stellen mit Matten ausgelegt.

Neji seufzte und ließ die Klinge wieder sinken. Was tat er eigentlich hier? Er hatte doch so viel Besseres zu tun als für dumme, vergnügungssüchtige, stinkreiche, unfaire Leute den bewaffneten Pausenclown zu spielen.
 

Es war wirklich ein Unglück, dass die Miliz ausgerechnet dann das Rebellenquartier gestürmt hatte, als er, Hinata und Hanabi sich dort befunden hatten. So waren sie alle drei in die Hände des Feindes geraten. Dabei wäre einer schon genug gewesen. Sie konnten von Glück sprechen, dass sie unter falschem Namen in dem Lagerhaus angereist waren, ansonsten wären sie jetzt in noch größeren Schwierigkeiten und nicht nur sie.

Niemand der hiesigen Zelle hatte gewusst, wer sie wirklich gewesen waren – es gab sicherlich ein paar, die sie nicht verraten hätten, aber die meisten Leute brachen unter genügend Folter zusammen. Das war einer der Gründe, warum Hiashi so darauf geachtet hatte, dass er, Hinata und Hanabi Schattengestalten blieben anstatt realen Personen, selbst unter den eigenen Leuten.

„Bereit?“ TenTens muntere Stimme riss ihn aus den Gedanken und er drehte sich zu seiner Trainingspartnerin um. Ihr streichholzkurzes, braunes Haar stand frech in alle Richtungen ab und ihre nussfarbenen Augen funkelten unternehmungslustig. Vor zwei Tagen hatte sie sich ihm vorgestellt und seitdem hatte sie nicht mehr locker gelassen und sich, wann immer es ihr möglich war, in seiner Nähe aufgehalten.
 

Außerdem hatte sie ihn mit Fragen gelöchert. Wie fühlte es sich an, die Sonne direkt auf der Haut zu spüren? Welche Farbe hatte der Himmel über den Hyuugabergen? Wie roch die Luft dort und wie schmeckte der süße Honig der Bergbienen? Wie war es, mit einem Motorrad über die Straße zu jagen, der Wind in den Haaren?

Neji war die Tragik ihres Lebens erst klar geworden, als sie ihm eine derartige Frage nach der anderen gestellt hatte. Und sie wusste es noch nicht einmal. Denn wie konnte man etwas vermissen, das man nicht kannte? Sie konnte von Glück reden, dass sie überhaupt sprechen konnte. Einmal war er einem Mann begegnet, der hatte seinen Sklaven die Zungen herausgeschnitten, außer einer bestimmten Gruppe von Frauen…

Aber jemand wie TenTen war er noch nicht begegnet. Wie konnte man ein solch enges Leben führen und trotzdem so … lebensfroh, energiegeladen und enthusiastisch sein?

Irgendwann hatte er auf ihre Fragen geantwortet – so gut er konnte zumindest. Immerhin waren es alles Fragen, auf die man nicht mit einer wissenschaftlichen Erklärung antworten konnte, nicht mit ‚Ja‘ oder ‚Nein‘ oder ‚Genau so ist das‘. Sie waren so subjektiv – TenTen würde es selbst erfahren müssen, um es wirklich zu verstehen.
 

„Ja.“, antwortete er knapp und hob die Klinge. „So bereit, wie ich für etwas derartiges sein kann.“ Wirklich bereit dafür würde er also nie sein. Denn wie konnte er die Waffenkunst seiner Familie für etwas derartig Menschenverachtendes nutzen? Die Kunst, in die seine Eltern ihn vor ihrem Tod eingeführt hatten? Die Kunst, die er unter den Lehren seines Onkels perfektioniert hatte?

„Klasse.“ TenTen lachte und hob ihre eigenen Klingen – zwei kürzere Schwerter, die sie mit geübter Eleganz hielt, ganz so, als wären es Verlängerungen ihrer Arme statt Fremdkörper. Vermutlich war es so – TenTen war hier, seit sie vier Jahre alt war und so lange wurde sie hier auch schon ausgebildet beziehungsweise kämpfte sie hier: immerhin achtzehn Jahre. Wer nach einer solch langen Zeit seine Waffen nicht beherrschte, der war nutzlos damit. Neji konnte da aus Erfahrung sprechen – auch seine Eltern hatten ihn an seinem vierten Geburtstag zum ersten Mal mit dem Katana bekannt gemacht.

„Nun denn, dann lass uns anfangen.“ TenTen stellte sich in Position und hob grüßend ihre Waffen. Neji zögerte einen Augenblick, dann tat er es ihr nach. Denn diese Art des Vergnügens mochte seinen Respekt nicht verdient haben, TenTen jedoch schon in der kurzen Zeit, in der sie sich kannten.
 

Dann konzentrierte er sich darauf, ihre Angriffe abzuwehren, hin und wieder selbst anzugreifen und dabei nicht zu gut zu erscheinen. Neji Hyuuga war ein legendärer Kämpfer, mit dem Katana, mit Dolchen, Pistolen oder ganz ohne Waffen. Jeder wusste es. Jeder kannte die Geschichte von ihm, der gegen zwanzig Elitesoldaten gekämpft und gewonnen hatte. (Es waren nur sieben gewesen und er hatte sie einen nach dem anderen erledigt, aber auch das war gut genug.)

Aber im Moment war er nicht Neji Hyuuga, sondern Sora Hyuuga. Er war kein überragender Kämpfer, kein Genie, kein Gewinner. Aber er war ein guter Kämpfer. Wenn er jedoch zu gut wurde, würde er sich selbst verraten, was er unter allen Umständen verhindern musste. Er würde damit nicht nur sich oder die Rebellion in Gefahr bringen, sondern auch seine Cousinen und das war etwas, was er unter keinen Umständen akzeptieren würde.

Außerdem war es die Gelegenheit, TenTen zuzusehen. Sie war gut. Besser als das. Man sah es ihr an, dass sie schon so lange kämpfte und auch, welche Freude sie daran hatte. Es war schon traurig – da wurde ein solches Talent wie sie vergeudet an eine Arena. Vergeudet an Kämpfe, die überhaupt nichts bedeuteten. Die sinnlos und leer waren und besser nie hätten gefochten werden dürfen.
 

Jiraiya unterbrach sie drei Stunden später, wie die Uhr zeigte. Er klatschte laut Applaus, ein breites Grinsen im Gesicht. Er musste wirklich zufrieden sein - immerhin hatte er Neji gekauft, damit der ihm in sinnlosen Kämpfen Geld einbrachte. Neji unterdrückte den Drang, verächtlich auf den Boden zu spucken und trat von TenTen zurück, die Klinge locker in der Hand.

„Das war sehr gut. Besser, als ich zu hoffen gewagt habe!“, erklärte der alte Mann begeistert. „Aber jetzt ist genug; wir müssen dich erst untersuchen lassen, bevor du wirklich in die Arena kannst. TenTen, Shizune und ihre Schülerin sind bereits angekommen. Bringst du Sora in die Krankenräume?“

Das Mädchen nickte. „Natürlich, Jiraiya!“ Sie wandte sich an Neji. „Komm mit. Ich zeig dir den Weg.“

Sie nahm sich nicht einmal die Zeit zu duschen, sondern nur, in frische Kleidung zu schlüpfen, ehe sie ihn durch einige Gänge führte. Die Hinterzimmer der Arena waren ein eigenes kleines Labyrinth, dass die meisten Leute nie zu Gesicht bekamen – die meisten wussten nicht einmal, dass es so etwas gab.

Neji hatte schon mehr als einmal Missionen durchgeführt, die ihn in die berühmt-berüchtigten Kampfhäuser gebracht hatten. Doch dies war die erste Arena, die derartig gut ausgestattet war. Einmal hatte er eine gesehen, die war kaum mehr als eine schöne Front und ein Rattenloch, in der die Gladiatoren vor sich hinvegetiert waren, wenn sie nicht gekämpft hatten.
 

Auch die Krankenzimmer hier ließen nichts zu wünschen übrig – sie waren beinahe auf dem neuesten Stand, gut ausgestattet mit Medikamenten und dem restlichen Zubehör und hygienisch sauber.

Shizune und ihre Schülerin waren die Ärztinnen, die Jiraiya für die Gladiatoren kommen ließ. Die meisten Arenen hatten fest angestellte Ärzte – Jiraiya nur einen Sanitäter. Für alles andere ließ er die bekannte, hervorragende Ärztin mit ihrem Lehrling kommen, was die beiden Frauen gern taten, aber nicht ausschließlich tun wollten.

Shizune war eine kleine, schlanke Frau mit ernstem, aber freundlichem Gesicht und kurzem glattem Haar. Ihre Schülerin dagegen war jemand, den Neji kannte. Und mit dem er unbedingt unter vier Augen reden musste.
 


 


 

Er hatte Shizunes Schülerin am letzten Tag wiedergesehen. Die Ärztin war wegen einer schlimmen Zerrung gerufen worden und hatte die pinkhaarige junge Frau natürlich mitgebracht, was für Neji ein Segen gewesen war.

Sakura war im selben Alter wie er und kämpfte für dieselbe Sache. Sie hatte Glück gehabt und sich nicht im Lagerhaus aufgehalten, als die Razzia durchgeführt worden war, weswegen sie noch immer auf freiem Fuß war. Sakura war auch eine der wenigen, die wirklich wussten, wer er war, und als angehende Ärztin auch eher ein Spitzel und stand daher nicht in der direkten Schusslinie. Deswegen machte Neji sich auch keine sonderlich großen Sorgen, dass irgendjemand herausfand, mit wem sie zusammenarbeitete. Und nun würde sie ihm eine große Hilfe sein.

Bereits jetzt konnte sie ihm sagen, wo sich Hinata und Hanabi befanden – als Sklavinnen bei einem Großunternehmer, Kabuto Yakushi, der sie, wenn er noch viel länger leben wollte, besser gut behandelte. Außerdem hatte sie ihm während der kurzen Zeit, in der sie sich allein unterhalten konnten, hastig erzählt, dass sie Nachricht zu Hiashi senden und außerdem die wenigen Vertrauten alarmieren würde, die sie in der Nähe hatten.
 

Das waren vor allem Naruto, der hier als Anführer der Taschendiebe und König der Jugendbanden die Straßen unsicher machte, Ino, Verhörspezialistin Extraordinaire, und die mysteriöse, kühle Killerin Konan. Neji hatte keinen Zweifel daran, dass dieses kleine Team reichen würde, ihn und seinen Cousinen die Freiheit zu verschaffen, denn sie alle waren Experten auf ihrem Gebiet.

Mehr Rebellen durften sie nicht um Rat fragen, da diese sich sicher wundern würden, was an ihnen drei so besonders war. Denn selbst unter ihren Verbündeten wusste nur ein ausgewählter Personenkreis, wer sie wirklich waren. Meistens wurden versklavte Rebellen in Großaktionen befreit – oder überhaupt nicht.

Außerdem hatte sie ihm erklärt, dass im Moment keine Gefahr bestand, dass man entdecken würde, wer sie wirklich waren. Jemand – vermutlich Hiashi – hatte falsche Gerüchte streuen oder jemanden unter ihrem Namen ausgesandt, so dass das Gerücht umging, sie befänden sich viel weiter im Osten, in einer völlig anderen Stadt.
 

„Weißt du“, begann TenTen, unterbrach damit Nejis Gedankengänge und schob sich einen weiteren Löffel Bohneneintopf in den Mund.

Neji sah sie ein und zog anstatt einer Antwort eine Augenbraue hoch.

Sie kaute, schluckte und fuhr fort, als hätte sie den Satz nie unterbrochen. „dass du dich mehr anstrengen solltest?“

Er warf ihr noch einen Blick zu und antwortete nichts.

Sie nickte bekräftigend. „Du bist gut, aber du könntest noch besser sein. Du bist immer so lustlos und … unwillig. Streng dich doch mal etwas mehr an.“

„Warum sollte ich mehr Anstrengung für so etwas aufbringen als nötig?“, fragte Neji zurück und nahm seinerseits einen Bissen, ehe er begann, die Reste in seiner Schüssel zusammenzukratzen.

Sie seufzte und verzog das Gesicht. „Du bist gut, aber immer so total unwillig und jeder hier sieht, wie sehr du die Arena und die Gladiatoren verachtest. Wenn du nur etwas freundlicher wärst, würden die anderen dich auch eher akzeptieren. Oder sie würden dich zumindest in Ruhe lassen.“
 

Sie warf einen Blick auf sein Gesicht, wo ein deutlicher blauer Fleck prangte, den Gaara ihm freundlicherweise nach dem Training verpasst hatte. Es war nicht das erste Mal, dass er sich mit dem reizbaren Rothaarigen angelegt hatte – beziehungsweise, dass Gaara ihn absichtlich zu provozieren versucht und irgendwann einfach zugeschlagen hatte. Diesmal hatte er seinen Bruder als Hilfe gehabt, sonst hätte Neji jetzt kein blaues Auge, sondern nur eine leichte Prellung. Auch Omoi und Karui reagierten nicht positiv auf den Neuzugang, im Gegenteil. Mit ihnen war er ebenfalls bereits mehr als einmal aneinandergeraten.

Er könnte ihnen vielleicht etwas entgegenkommen. Sich nicht immer ganz so negativ über ihre Arbeit und ihren Lebensinhalt äußern. Freundlicher und aufgeschlossener sein. Die Gladiatoren waren sicher nicht Schuld an der Lage, im Gegenteil, sie waren eher Gefangene der gesellschaftlichen Normen, die die Hyuuga zu sprengen versuchten, die Leidtragenden des Systems, auch wenn sie es selbst nicht sahen. Er sollte ihnen entgegenkommen.

Aber dazu war er nicht bereit. Das bedeutete, jenen entgegenzukommen, gegen die er kämpfte. Für ihn wäre das schon eine Niederlage.
 

„Ich verstehe das nicht.“, bemerkte TenTen und riss ihn damit aus den Gedanken. „Ich verstehe nicht, wie du so viel Verachtung für das Kämpfen zeigen kannst.“

Überrascht blickte er sie an. Gut, er verabscheute die Arena. Die Gladiatoren. Die überflüssigen Kämpfe. Und vor allem die Zuschauer, die Vergnügen daran fanden, dass sich zwei Menschen für ihren Zeitvertreib gegenseitig versuchten zu töten. (Selbst wenn es sehr selten zu einem tödlichen Schlag kam.)

Aber das Kämpfen selbst? Das ganz sicher nicht. Das war manchmal notwendig und für manche Sachen war es einfach wert zu kämpfen.

Sie interpretierte seinen Blick wohl falsch, denn sie versuchte, sich zu erklären: „Ich meine, ihr Hyuuga kämpft doch auch ständig, seit Generationen schon. Eure Kinder werden in einen Guerillakrieg hineingeboren und dafür ausgebildet. Du hast mir erzählt, dass du mit vier Jahren begonnen hast, die Kunst der Klinge zu erlernen. Ihr weigert euch schlichtweg, mit den Kämpfen aufzuhören. Ich meine, die ursprüngliche Rebellion hat schon längst aufgehört – die anderen Führer gaben sich mit den Kompromissen zufrieden. Aber nicht ihr Hyuuga. Ihr kämpft weiter, ihr kämpft und kämpft und kämpft und hört einfach nicht auf.“
 

Er schob sich den letzten Löffel seines Mittagessens in den Mund, während sie sprach, und ließ das Besteck dann in den Blechnapf fallen, wo er laut schepperte. Dann beschloss er, TenTen zumindest ein bisschen seiner Beweggründe zu verraten.

Also unterbrach er sie: „TenTen. Es ist nicht das Kämpfen. Es ist der Grund, warum man kämpft.“

Damit stand er auf und ging davon, darauf achtend, Gaara und den streitsüchtigen Halbgeschwistern aus dem Weg zu gehen. TenTen blickte ihm nach, nachdenklich und verwirrt – wahrscheinlich hatte sie überhaupt nicht verstanden, was er meinte.
 


 


 

TenTens Augen schmerzten leicht von dem ständigen konzentrierten Starren auf den großen Bildschirm im Versammlungsraum. Sie hatte nicht gewagt, den Blick von dem Schauspiel abzuwenden, das die Kameras an ihr Mediagerät geschickt hatten – Soras erster Kampf in der Arena.

Es war spannend gewesen, bis zur letzten Sekunde, vor allem für sie. Sie war sich bis zu seinem ersten Angriff nicht sicher gewesen, ob er überhaupt kämpfen würde.

Sie hatte fast die ganze Nacht wach gelegen und sich Gedanken darüber gemacht. Ob er überhaupt die Klinge aufnahm? Ob er sich weigern würde, sie zu benutzen? Ob er sich nur verteidigen würde? Oder würde er tatsächlich kämpfen, aus welchen Beweggründen auch immer?

Zum Glück hatte sie heute nicht selbst einen Kampf. Sie hätte vermutlich – je nach Gegner – jämmerlich verloren oder einfach nur jämmerlich ausgesehen und sie konnte sich keines von beidem leisten, wenn sie ihren guten Ruf behalten wollte.

Sie hatte hörbar aufgeatmet, als Sora, nach einigen testenden Riposten, seinen ersten wirklichen Angriff geführt hatte. Doch das war unter dem allgemeinen Jubel ihrer Kameraden untergegangen. Zum ersten Mal waren alle von Jiraiyas Gladiatoren auf Soras Seite. Aber das mochte auch daran liegen, dass er für ihr Team spielte und sie einfach genug Teamgeist hatten, für ihn zu jubeln und nicht für seinen Gegner, der zu einem anderen Gladiatorenmeister gehörte.
 

Dann hatte Sora die Herrschaft über die Manege an sich gerissen und seinen Gegner schlichtweg unangespitzt in den Boden gerammt, was niemand erwartet hatte. So gut hatte er während des Trainings noch nie gekämpft. Vielleicht brachte der echte Kampf erst sein Blut in Wallung und das Adrenalin in seinen Körper? Immerhin brauchte er, als erfahrener Widerstandskämpfer, vermutlich eine höhere Dosis an Aufregung, damit es wirklich anschlug.

Jetzt war der Kampf vorbei und TenTen hetzte durch die Gänge zu der Kammer, von der aus sich die Gladiatoren in die eigentliche Arena begaben.

Außer Sora waren Kakashi, der ruhig in einer Ecke saß und sein schmutziges, kleines Büchlein las, und Karui und Omoi, die sich gerade für den Kampf bereit machten, anwesend. Sora stand abseits von ihnen und nestelte an den Schnallen, die seinen leichten Brustpanzer zusammenhielten.

„… gar nicht gewusst, dass du so gut kämpfen kannst.“, stichelte Karui gerade. In ihrer Stimme klang jedoch ein wachsamer Unterton mit – vermutlich würde sie sich jetzt ein wenig mehr in Acht nehmen vor ihm und ihn in Konsequenz etwas in Ruhe lassen. Wenigstens etwas hatte dieser Kampf gebracht.

„Ich meine, Omoi und ich und auch jeder andere hier hätte das schneller erledigen können, aber das, was du da geliefert hast, war … ganz gut.“ Das war sogar eine Art Friedensangebot.
 

Aber Sora würde es nicht annehmen, das sah TenTen sofort. Sie beschloss, zu intervenieren, bevor es zu einer Katastrophe kam. „Guter Kampf!“, trompetete sie darum. „Selbst Gaara hat für dich geklatscht.“

Sora und die Geschwister blickten zu ihr.

„Echt?“, hakte Omoi nach, während er die Schnürsenkel seiner Stiefel überprüfte und der wie sie alle wusste, dass Gaara Lob nicht freigiebig gab. TenTen nickte und hob einen Daumen. „Absolut. Es war total toll – und die Menge hat getobt.“

Sora rümpfte auf diese Bemerkung die Nase, war aber klug genug, nichts zu sagen.

Doch Karui zog schon wieder die Augenbrauen zusammen. „Was soll dieses Gesicht?“, schnappte sie. „Bist wohl zu gut für uns hier? Für die Kämpfe? Und da heißt es, ihr Hyuuga wärt Ausnahmekämpfer, für jede Schlacht zu haben.“

Für einen Moment, war alles still. Dann öffnete Sora den Mund um etwas zu sagen, doch das Horn, das die nächsten Kämpfer aufrief, schnitt ihm das Wort ab.

„Dann lass mal die Meister ran.“ Karui grinste verwegen und klopfte sich mit der flachen Seite ihres Schwertes auf den Schulterschutz. Dann stolzierte sie an Sora und TenTen vorbei um ihrem Bruder in die Arena hinaus zu folgen.

Sora sagte nichts mehr, sondern blickte ihnen nur nach, das Gesicht eine verschlossene Maske. TenTen dagegen streckte ihr die Zunge hinaus. „Komm, ich bring dich zu den Krankenräumen. Sakura wird dich durchchecken.“

„Sakura?“, wiederholte Sora erstaunt und TenTen nickte. „Sie macht das nach den Kämpfen immer – Jiraiya will sicher gehen, dass wir unverletzt sind. Komm schon.“
 


 


 

TenTen hatte sich nicht damit aufgehalten, den Lichtschalter zu suchen. Sie kannte den Gang und hier stellte sowieso niemand etwas ab, über das sie stolpern konnte. Kaum jemand kam freiwillig hierher, es sei denn, ein engerer Kamerad befand sich gerade in der Krankenstation, die am Ende dieses Flures lag. So wie Sora im Moment.

Das letzte Training war nicht ganz so gut gelaufen, wie Jiraiya gehofft hatte, als er Sora und Gaara gegeneinander kämpfen ließ. Gaara hatte nur einen tiefen Kratzer im Gesicht, der nur eine weitere, kaum sichtbare Narbe für seine bereits eindrucksvolle Sammlung abgeben würde. Sora dagegen hatte es schwerer erwischt, ein tiefer Schnitt quer über seinem rechten Oberschenkel, so dass man nach Shizune gerufen hatte.

Die Ärztin war mit jemand anderem beschäftigt, aber Sakura war beinahe sofort gekommen, so dass Haku, der Sanitäter der Gruppe, nicht viel hatte tun müssen. Inzwischen befand sich Haku wieder in den Übungshallen, wo das Training weiterging, als sei nichts gewesen.

TenTen hatte sich die Erlaubnis geholt und dann abgeseilt, um Sora zu besuchen. Vermutlich war Sakura noch nicht fertig mit dem Nähen und Verbinden der Wunde, aber es würde sicher niemanden stören, wenn TenTen sich dazugesellte.
 

Sie machte sich mehr Sorgen, als angebracht war, hatte sie festgestellt. War er ihr schon so sehr ans Herz gewachsen? Die Wunde blutete zwar, aber nicht stark und in ein paar Tagen würde er wieder völlig auf den Beinen sein – gerade rechtzeitig für den großen Kampf.

Jiraiya hatte sie und Sora für einen Partnerkampf angemeldet und sie freute sich schon seit Tagen darauf. Das machte ihr am meisten Spaß und dann auch noch mit Sora? Das würde total toll werden. Ihr hätte schon vorher auffallen müssen, wie viel ihr an ihm lag. Mehr als an jedem anderen, den sie noch keine vierzig Tage kannte.

„…eht es ihnen also gut?“ Soras Stimme ließ sie mitten im Schritt innehalten. Die Tür musste einen Spalt offen stehen – sie klemmte und tat dies darum meistens – so dass die Stimmen bis nach draußen getragen wurden, wo sie deutlich zu hören waren.

„Ja. Mach dir keine Sorgen – deine Cousinen sind unverletzt und verhältnismäßig gut drauf.“, antwortete Sakuras feste, ruhige Stimme.

Sora seufzte erleichtert. Für einen Moment blieb es still, dann bat Sakura: „Halt das mal.“ Das Rascheln von Stoff folgte.
 

„Und wie weit seid ihr gekommen?“, wollte Sora nach einigen Augenblicken wissen.

„Weiter, als ich dachte. Naruto ist fleißig dabei, seine Ratten auszusenden.“

„Haben sie Erfolg?“

„Noch nichts, aber er ist guter Dinge. Brauchen wir eigentlich irgendetwas?“

„Konan weiß Bescheid.“

„Konan?“ In Sakuras Stimme klang ein ablehnender Unterton mit.

„Ich weiß, dass du sie nicht sonderlich magst, aber bleib auf dem Boden, okay? Sie ist die beste.“

Sakura seufzte. „Ich weiß. Ich wird sicher nicht protestieren – für diese Aktion brauchen wir alle, die wir kriegen können.“

Für einen Moment blieb es still.

„Gut.“ Soras Stimme klang zufrieden.

„Das müsste genügen.“, erklärte Sakura dann. „Halt mal kurz fest, damit ich einen richtigen Knoten machen kann.“ Dann wieder das Rascheln von Stoff – Kleidung vielleicht? Sakura musste aufgestanden sein. Offensichtlich war sie damit fertig, Soras Wunde zu verbinden.

Kurz darauf scharrten die Beine eines Stuhles über den Linoleumboden. „Ino hat einen Weg gefunden, unbemerkt hineinzukommen.“, sagte die angehende Ärztin dann. Einen Moment blieb es still. „Ich weiß, es ging sehr schnell – sie hatte Glück und jemanden … gefunden, der ihr da wirklich weiterhelfen konnte.“
 

Sora stieß ein amüsiertes Geräusch aus. „Sie war schon immer … überzeugend.“

Sakura lachte und TenTen fragte sich, was daran so lustig war. „In der Tat, in der Tat.“, murmelte die Ärztin. Offenbar kannten die beiden sich. Das war neu. Oder waren sie sich, seit Sora hier war, einfach nur sehr schnell näher gekommen? Näher als TenTen und Sora?

Immerhin war Sakura keine Gladiatorin, im Gegenteil – sie war Ärztin, eine Heilerin. Sie machte den Schaden ungeschehen, den Kämpfe verursacht hatten. Was konnte TenTen schon tun gegen zarte Finger, die Wunden wieder schlossen, und eine beruhigende Stimme, die die Leute von ihren Adrenalinhochs wieder auf den Erdboden zurückbrachte und Hysterie vertrieb? Sora würde Sakura sicher nicht so verachten wie TenTen und ihre Kameraden. Die, die auch Soras Kameraden sein konnten und auch schon waren, wenn er sie nur lassen würde.

Ein seltsames Gefühl kroch in ihren Bauch und setzte sich dort fest, ein harter Knoten einer schlechten Empfindung. Überrascht stellte TenTen fest, dass sie eifersüchtig war. Das Gefühl kannte sie von früher, aber nie in einem solchen Zusammenhang. Nie ging es um jemand anderen, immer nur um etwas anderes. Niemals um eine Person.
 

Sie presste ihre Hand gegen ihren Magen und wünschte, sie hätte dieses offensichtlich nicht für fremde Ohren gedachte Gespräch nie belauscht. Warum hatte sie es überhaupt? Normalerweise tat sie das doch gar nicht. Sie mochte nicht gut erzogen sein, aber sie wusste, was sich nicht gehörte. Sollte sie überhaupt noch den Rest des Ganges hinuntergehen und die beiden bei ihrem gemütlichen Gespräch stören?

Nein. So leicht würde sie sich sicher nicht geschlagen geben, nicht einmal gegenüber Sakura, die sie eigentlich immer gemocht hatte. Also schlich TenTen wieder einige Meter den Gang zurück um dann wieder umzudrehen und festeren Schrittes auf die Tür zuzugehen, hinter der Sora und Sakura sich aufhielten.
 


 


 

TenTen war nervös. Er hatte sie vor einem Kampf noch nie so unruhig gesehen. Normalerweise war sie freudig erregt und so enthusiastisch, dass sie nicht still stehen konnte und regelrecht von einer Ecke in die andere hüpfte. Jetzt tigerte sie hektisch hin und her.

Neji folgte ihren Bewegungen mit den Augen. Er hockte auf einer der Bänke, sein rechtes Bein von sich gestreckt um die Verletzung zu entlasten. Seine Beinwunde schmerzte noch und er hinkte darum sichtbar. Er würde den folgenden Kampf sicher gewinnen, aber es wäre ihm doch lieber gewesen, wenn er ihn gar nicht erst würde antreten müssen.

Dies war einer der Gründe, warum er diese Art der Kämpfe hasste – sie brachten völlig unnötig Leute in Gefahr, nicht nur in Lebensgefahr, sondern auch in die, lebenslang verkrüppelt zu werden. Verabscheuenswürdig.

Jiraiya hatte versucht, seine Anmeldung zu dem Partnerkampf zurückzuziehen, aber man hatte natürlich rundheraus abgelehnt. Das war nicht üblich und man würde es jetzt sicher nicht einführen. Es war ihm nicht einmal erlaubt gewesen, TenTen einen anderen Partner zuzuweisen, so dass Neji sich auskurieren konnte.
 

Stattdessen waren sie jetzt beide hier, schon in Kampfausrüstung und mit den Waffen in der Nähe. Gladiatorenrüstung sah keine Halterung für Schwertscheiden vor, darum lagen die drei Klingen sauber aufgereiht auf der Bank neben Neji, blank und in dem ruhigen Licht sanft gleißend.

Wenigstens war er bald hier raus – der Plan, ihn, Hanabi und Hinata aus der Sklaverei zu befreien, lief glatt. Das einzige, was ihm Leid tun würde, wäre TenTen zurückzulassen. Das lebensfrohe, etwas naive, freundliche Mädchen war ihm in einem Maße ans Herz gewachsen, das er sich nicht hatte vorstellen können. Am liebten hätte er sie einfach gefragt, ob sie mitkommen wollte, aber er konnte das Risiko nicht eingehen. Sie würde ihn vermutlich verpfeifen und dann stand mehr auf dem Spiel als nur sein eigenes Leben.

„Weißt du, wenn du so weiter hin und her rennst, bist du ausgepowert, ehe es zum tatsächlichen Kampf kommt.“, erklärte Neji plötzlich.

TenTen hielt in ihren Schritten inne und blickte ihn an. Dann lächelte sie schwach. „Vermutlich.“ Sie schlurfte zu ihm herüber und ließ sich neben ihm auf die Bank fallen. „Es ist unfair, dass du kämpfen musst.“, sagte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wir haben so viele gute Kämpfer, die alle gesund sind und eine Show liefern können. Warum lassen sie nicht die gehen anstatt dir?“
 

Neji hob die Schultern – er würde nie eine Antwort auf den Irrsinn finden, der sich Gladiatorenkämpfe nannte. Er würde es nicht versuchen. Er wollte es nicht. Dafür gab es keine Entschuldigung. Sie verfielen wieder in Schweigen.

Sakura war es, die es unterbrach, einfach in dem sie durch die Tür marschierte. TenTen warf ihr einen finsteren Blick zu, als sei alles ihre Schuld.

„Hallo, ihr zwei.“, begrüßte die junge Ärztin sie und wurde gleich geschäftlich: „Jiraiya hat mich gebeten, deine Wunde noch einmal zu überprüfen, Sora. Kommst du kurz?“ Er warf einen Blick auf die anderen Gladiatoren im Raum – Temari, Kakashi und Kankuro – und erhob sich. TenTen machte Anstalten ihm zu folgen, doch er schüttelte den Kopf. „Bin gleich wieder da.“

Er hatte Sakura schon länger nicht mehr gesehen – sie hatte vermutlich neben einem frischen Verband auch Neuigkeiten für ihn oder einfach nur ein paar Worte von Hinata oder Hanabi. Es wäre unmöglich, sie zu überbringen, wenn TenTen danebensaß.

Zögerlich ließ sich das brünette Mädchen wieder auf die Bank sinken. Sie wirkte enttäuscht und warf Sakura noch einmal einen mörderischen Blick zu. Während er Sakura in einen Nebenraum folgte, fragte Neji sich, was das sollte.

„Okay, runter mit den Hosen.“, forderte Sakura ihn brüsk auf, nachdem sie die Tür geschlossen hatte. Neji folgte dem Befehl, sank auf eine Liege und ließ zu, dass sie sich über den weißen Verband beugte, der sein Bein zierte.
 

„Hinata macht sich Sorgen um dich.“, erzählte sie, während sie das lange, aber schmale Tuch abwickelte. „Hanabi dagegen macht sich eher Sorgen um Hinata.“

Das ließ ihn aufhorchen. „Ist etwas passiert?“

Sakura knabberte auf ihrer Unterlippe herum. „Ich weiß nicht, ob es nur Hanabis Paranoia ist – du weißt ja, wie sie überreagiert, wenn es um ihre Schwester geht.“

Neji nickte. „Aber?“

„Sie macht sich wirklich Sorgen.“ Denn auch wenn Hanabi manchmal vorschnell handelte – Hinata war die Gefährdetste unter ihnen dreien.

„Worum geht es?“ Die Anspannung in seiner Stimme war deutlich zu hören – wenn es um seine Cousinen ging, verstand er wenig Spaß.

„Sie glaubt, dass jemand Hinata antatscht. Vielleicht sogar Yakushi selbst und… Bleib sitzen! Keinen Ton!“ Sakuras Stimme war leiser geworden, aber schärfer – fast wie ein Zischen. Mit Mühe drückte sie ihn auf das Krankenbett zurück. „Hanabi passt noch jetzt besser auf Hinata auf und die sagt sowieso, dass nichts ist. Aber es bringt rein gar nichts, wenn du jetzt losstürmst und versuchst, jemanden zu töten, in dessen Nähe du nicht einmal kommst!“
 

Neji atmete tief ein und entspannte sich wieder. Sakura hatte natürlich recht. Er schloss die Augen um sich wieder unter Kontrolle zu bringen. Trotzdem, allein der Gedanke daran, dass Hinata sich in einer solchen Situation befand… Er fühlte erneut Wut in sich aufsteigen. Am besten wäre es, wenn er gar nicht mehr darüber nachdachte. Ansonsten würde er vermutlich die Kontrolle verlieren.

„Wieder beruhigt?“ Auf Sakuras Frage nickte er abgehakt. „Gut. Außerdem sind wir mit den Vorbereitungen schon recht weit. Wir haben bald alles zusammen, was ich dafür brauche, die Chips zu entfernen.“ Die Mikrochips, die ihnen, wie allen Sklaven, in den Nacken transplantiert worden waren und neben ihren Besitzerdaten auch über ein Ortungssystem verfügten, falls die entsprechenden Träger mal das Weite suchten.

Neji brummte. Das war mal eine gute Nachricht. Mit den Dingern würden sie nicht weit kommen.

„Konan kam vor ein paar Tagen vorbei und wartet jetzt auf ihren Einsatz. Außerdem hat Naruto endlich einen Weg aus der Stadt gefunden.“

Neji nickte. „Was fehlt jetzt noch?“

„Nur noch eine Mitfahrgelegenheit nach Norden. Aber Ino ist da schon seit drei Tagen dran – sie hat gesagt, sie hat wohl was in Aussicht.“

Er atmete erleichtert auf. „Dann sind wir hier bald draußen, ja?“
 

Sakura nickte. „Und hier bin ich auch fertig. Überanstreng dich nicht – wie ich sie kenne, wird TenTen versuchen, dir etwas abzunehmen, aber sie kann natürlich auch nicht allein gegen zwei kämpfen.“

Neji verspürte einen leichten Stich, als sie TenTen erwähnte und die anfängliche Freude, endlich hier wegzukommen, wurde etwas getrübt. Hier wegzugehen bedeutete, TenTen zurückzulassen. Wenn er erst einmal hier raus wäre, würde er sie vermutlich nie wieder sehen – Hyuuga hatten in Vergnügungskomplexen wenig zu suchen (außer bei Missionen und das war wohl der schlechteste Zeitpunkt, sich mit einer Außenstehenden über Neuigkeiten auszutauschen) und TenTen war es nicht erlaubt, nach draußen zu gehen. Er nickte. „Danke, Sakura.“

„Kein Problem. Das sollte reichen.“ Sie schlug ihm leicht auf die Schulter. „Auf in den Kampf, Tiger.“ Sie begleitete ihn zurück in den Vorraum, zeigte ihm die gedrückten Daumen und verschwand wieder.

TenTen tauchte beinahe augenblicklich neben ihm auf. „Alles okay?“, wollte sie wissen und drückte ihm seine Katana in die Hand.

Er nickte. „Keine Probleme. Übernimm dich bei den Kämpfen nicht.“

„Sollte ich das nicht dir sagen?“, wollte sie lachend wissen, während sie zu dem noch geschlossenen Tor gingen, das in die Arena führte – beziehungsweise, TenTen ging, Neji hinkte eher.
 

„Was ich dich vorhin fragen wollte“, begann sie leise, so dass er der einige war, der sie hören konnte. „warum kämpfst du draußen und willst es hier nicht? Ich weiß, du hast es mir schon einmal gesagt, aber ich verstehe es einfach nicht.“

Neji starrte das Tor an und überlegte einen Moment, was und ob er ihr antworten sollte. Dann dachte er, dass sie zumindest dies verdient hatte, wenn er sie schon ohne ein Wort hier zurücklassen würde. „Die Arenakämpfe… Was bringen sie?“

Sie blickte ihn verwirrt an. „Bringen?“ Sie verstand wirklich nicht, worauf er hinauswollte.

„Der Sinn der Kämpfe. Kannst du mir den sagen?“

„Wir kämpfen, damit die Zuschauer mit uns mitfiebern können, damit sie uns zuschauen und auf uns wetten können.“ Das klang wie eine vorgefertigte Antwort – und das war es vermutlich auch.

„Das ist kein Grund, für den es sich zu sterben lohnt.“, erklärte er brüsk und wieder fing er sich einen verwirrten Blick ein.

„Die meisten Todesfälle hier sind Unfälle. Und inzwischen gibt es auch nur noch sehr wenig.“
 

„Aber es gibt sie trotzdem.“, erklärte Neji. „Denn der Kampf ist kein Sport. Er ist kein Witz und kein Spaß. Er ist ernst und er ist blutig. Er ist dafür da, um andere zu besiegen, zu unterwerfen – und zu töten.“

Er hob die Katana, die so vertraut in seinen Fingern lag. „Dies ist eine Waffe. Der einzige Grund, warum sie geschaffen wurde, ist Menschen das Leben zu nehmen.“ Er sah sie fest an und nickte dann zu dem Tor. „Dies ist eine Perversion des ursprünglichen Gedankens hinter Kampf und Waffen. Es ist verachtenswert und zeigt, wie wenig die Gesellschaft auf ein Menschenleben gibt. Man nimmt in Kauf, das Leute sterben, damit sie sich ein wenig die Zeit vertreiben können. Pervers. Menschenverachtend.“

„Aber wenn du Kampf so sehr verabscheust, warum tust du es dann trotzdem. Draußen, meine ich? Warum tatest du es?“ Sie starrte ihn aus großen, nussbraunen Augen an, völlig ahnungslos und naiv.

„Weil es sich für manche Gründe lohnt zu kämpfen. Sag, wenn dich jemand angreift, würdest du dich verteidigen?“

„Natürlich.“ Ihre Stimme klang entrüstet.

Er schenkte ihr ein schiefes Lächeln. „Okay, das war ein schlechtes Beispiel – stell dir vor, du bist ein Stadtmädchen – so eins wie aus deinen Büchern. hast eine Schwester. Keiner von euch kann kämpfen. Aber eines Tages bricht jemand bei euch ein und bedroht deine Schwester. Was würdest du tun?“

„Ich würde sie verteidigen.“, kam die prompte Antwort.
 

„Genau – ist das ein Grund, für den es sich zu kämpfen lohnt?“

TenTen nickte. „Ja, das ist es…“

„Und wenn ich dir jetzt sage, dass die Rebellion für mich ein Grund ist zu kämpfen, glaubst du mir dann?“

Sie nickte, die Stirn nachdenklich gerunzelt. Neji wandte sich wieder nach vorn und ließ sie schweigend darüber nachdenken. Dann begann das Tor sich zu öffnen. Grelles Licht quoll durch den breiter werdenden Spalt und blendete sie.

„Ich bin stolz, an deiner Seite kämpfen zu dürfen, Sora Hyuuga.“, sagte sie dann und Neji schloss einen Moment die Augen.

„Und ich darauf, neben dir, TenTen.“ Aber doch nicht stolz genug, dass er ihr seinen richtigen Namen verraten würde. Damit traten sie in das helle Licht der Arena hinaus.
 


 


 

TenTen war wieder einmal auf dem Weg in die kleine Kammer, die Sora zugewiesen bekommen hatte. In der Hand hielt sie die Ausbeute ihres letzten Ausfluges mit der Provision, die sie für den Partnerkampf bekommen hatten.

Sie hatten alle ihre Gegner einfach nur weggeputzt und Jiraiya belohnte solchen Erfolg stets großzügig. TenTen hatte sich zwei neue Bücher und ein Kartenspiel besorgt – das konnte sie mit Sora spielen, dann waren sie nicht darauf angewiesen, das das im Aufenthaltsraum frei war, was so gut wie nie der Fall war.

Jetzt eilte sie den langen, grauen Gang hinab, in dem Soras Zimmer lag, während sie den Drang unterdrückte, fröhlich vor sich hin zu pfeifen. Das war dann doch nicht angemessen. Soras Bein machte ihm noch immer Schwierigkeiten und außerdem hatte die Erklärung, die er ihr vor dem Kampf gebeten hatte – und die sie nur hatte haben wollen, um sich von Sakura und ihm abzulenken - sie zum Nachdenken gebracht.

Das hatte geklappt. So gut, dass sie immer noch damit beschäftigt war. Hatte er recht? Hatte ihr Leben wirklich so wenig Bedeutung? Hier, um für andere die Pausenunterhaltung zu spielen, in dem sie etwas nachging, was eigentlich für töten gedacht war?

Die Antwort war eindeutig, auch wenn sie ihr nicht gefiel und ihr unbehaglich zumute wurde, wann immer sie ihr einfielen. Darum schob sie die Gedanken daran immer, wenn sie kamen, weit von sich. Aber sie hatten die Angewohnheit, sich still und leise anzuschleichen, so dass es ihr erst spät auffiel, worüber sie schon wieder grübelte.
 

„Keine Sorge! Ino wird es schon schaffen.“ Sakuras Stimme schwebte dünn durch den Gang und TenTen hielt abrupt inne. Sakura?! Was tat die denn hier!? Sollte sie nicht in den Krankenzimmern sein? Oder überhaupt nicht in den Hinterzimmern der Arena? Und warum war sie ausgerechnet schon wieder bei Sora? Denn dass sie bei ihm war, das stand außer Frage. Bei wem denn sonst? Keiner hier hatte eine so gute Beziehung zu ihr wie er.

„Sie ist schon wieder an was Neuem dran.“

„Und du bist sicher, dass sie uns nicht verraten hat?“

„Natürlich, was glaubst du? Dass sie total bescheuert ist?“

„Natürlich nicht. Das war sie noch nie, auch wenn sie immer so tut.“ Sora klang ärgerlich.

„Eben. Schau, Neji, sie…“ Irgendetwas polterte zu Boden und Sakuras Stimme wurde abrupt abgewürgt.

„Bist du verrückt, mich hier so zu nennen?!“, fauchte Sora und dann blieben sie beide so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören. TenTen hielt den Atem an – sie wollte auf keinen Fall von ihnen gefunden werden. Ihre Hände krampften sich um die kleine Büchse mit dem Kartenspiel zusammen.

Hatte sie etwa Angst? Vor Sora?
 

… Hatte Sakura ihn gerade Neji genannt? Wie in … Neji Hyuuga? Der berühmt-berüchtigte Neffe von Hiashi Hyuuga, der angeblich zwanzig Elitesoldaten alleine getötet, der im Alleingang fünf Städte zu Fall gebracht und – angeblich – zwei Prinzessinnen verführt hatte, so dass sie ihm die ganzen Schätze ihrer Väter ausgehändigt hatten?

Dieser Neji Hyuuga?!

Das konnte nicht sein. Dazu kämpfte er zu schlecht. Viel zu schlecht. Punkt.

Und trotzdem… Hatte sie nicht immer gewusst, dass sein Potential noch nicht ausgeschöpft war? Dass er hinter dem Berg hielt? Wenn dies nun der Grund war? Wenn er einfach nicht zu sehr auffallen wollte? Eben weil er Neji Hyuuga war?

„Da draußen ist niemand.“, sagte Sakura. „Glück gehabt.“

„Das war pure Dummheit, Sakura.“

Moment. Bedeutete das, dass auch Sakura Teil der Rebellion war? TenTen hätte vieles über sie geglaubt, aber das…? Sicher nicht.

Die junge Ärztin seufzte. „Ich weiß. Tut mir leid. Kommt nicht wieder vor.“

„Das hoffe ich. Gibt es noch was Neues?“
 

Der abrupte Themenwechsel ließ TenTen blinzeln, aber Sakura stoppte nicht einmal um Luft zu holen. „Konan hat einen ihrer Spitzel erwischt – Suigetsu Hoozuki, falls dir das was sagt. Er war nicht sonderlich hoch in unserer Hierarchie und Konan kannte ihn nur aus Zufall.“

Für einen Moment senkte sich eisige Stille über sie. „Hat er irgendetwas verraten können?“

„Das wissen wir nicht – er lebt allerdings noch. Wir nehmen ihn mit, so dass Ino ihn nachher ausfragen kann.“

„Und er kann sicher nicht entkommen?“

„Konan hat ein Auge auf ihn – was denkst du?“

Sora lachte leise. „Ich verstehe.“ Anscheinend war schon allein der Gedanke daran, dass jemand dieser Konan entkommen könnte, so lächerlich, dass jeder es für absolut undenkbar hielt. „Gute Arbeit.“

„Ich geb es weiter.“, bemerkte Sakura und fuhr mit ihrem Bericht fort: „Hanabi glaubt, Hinata sei im Moment außer Gefahr – Yakushi ist auf einer Geschäftsreise.“

Diesmal atmete Sora erleichtert auf.
 

„Ja, ein Glück, das dachte ich auch.“, erklärte Sakura. „Außerdem bedeutet das, dass wir leichteren Zugang zu der Anlage und damit den beiden haben, wenn wir früh genug zuschlagen. Er hat einen Teil seiner Wachen mitgenommen Kommt halt drauf an, wie schnell Ino unsere Mitfahrgelegenheit organisiert.“

Bedeutete das, dass nicht nur Neji Hyuuga hier war, sondern auch seine berühmt-berüchtigten Cousinen? Und was bedeutete das, ‚Hinata ist außer Gefahr‘? Wie konnte jemand wie sie überhaupt in Gefahr geraten? Und warum stand TenTen noch immer hier und lauschte ihrem besten Freund, den sie nur unter einem falschen Namen kannte, und seiner Vertrauten? War es nicht sie selbst, die im Moment in Gefahr war?

TenTen schloss die Augen, riss sich von dem Gespräch los und schlich den Gang wieder zurück. Sie würde Sora später mit dem Kartenspiel beglücken. Oder überhaupt nicht. Konnte sie ihm überhaupt noch trauen? Er traute ihr offensichtlich nicht…

Schockiert bemerkte sie, wie sich eine Träne aus ihren Augen löste und sie beschleunigte ihre Schritte. Sie wollte jetzt nur noch in ihr Zimmer und allein sein.
 


 


 

TenTen fühlte sich aufgeregt und albern. Sie wusste, sie war auf einem Adrenalinhoch – es lag daran, wie knapp sie diesen letzten Kampf gewonnen hatte, wie viel Mühe sie hineingesteckt hatte und wie gut ihr Gegner gewesen war. Sie hatte sich schon seit Tagen nicht mehr so gut gelaunt gewesen und sie wusste genau, woher ihre trübe Stimmung kam.

Es war alles Soras – nein, Nejis Schuld. Wenn er von Anfang an ehrlich gewesen wäre, wäre alles nicht so weit gekommen. Und wenn er von Anfang an ehrlich gewesen wäre, wäre er nicht hier, sondern in den Befragungskammern der Miliz und ihr schauderte allein bei dem Gedanken daran. Von den Befragungskammern hörte man mehr Horrorgeschichten als über die Hölle.

Ihr war klar, warum er es ihr nicht erzählt hatte. Er konnte ihr nicht trauen, er konnte das Risiko nicht eingehen und alles in Gefahr bringen, wofür er kämpfte.

Jetzt fiel alles zusammen und an seinen Platz. Warum die Rebellion ihm so wichtig war, seine Zurückhaltung mit der Klinge, seine Worte über Arena und Kampf und den Sinn dahinter. Sie verstand das. Aber trotzdem war es nicht so leicht, ihm dafür zu verzeihen.
 

Sie hüpfte auf der Stelle auf und nieder und drehte sich im Raum um. Sollte Neji nicht auch hier sein? Er hatte doch heute ebenfalls gekämpft – oder kämpfte er noch?

„Wo ist Sora?“, wollte sie von Kakashi wissen, der einsam in der Ecke saß, sein Buch in der Hand.

Der zur Hälfte maskierte Mann blickte auf. „In der Krankenstation.“, erklärte er dann und sah ihr nach, als sie besorgt aus der Tür hinausschoss.

Sie war in Bewegung, kaum dass sie Kakashis Worte gehört hatte, noch ehe sie über das Gesagte nachdenken konnte. Neji war in der Krankenstation. Das bedeutete, dass er verletzt war! Der Gedanke brachte sie erst nach einem Dutzend Schritten zum Stolpern. Sie fing sich und rannte weiter. Neji?! Verletzt?! Aber er war doch viel zu gut!

Sie rannte fast Karui um, als sie um die Ecke stürzte, die ihr einen Fluch hinterherbrüllte, aber keinen zweiten. Shizune verließ gerade das Krankenzimmer, die Stirn ärgerlich gerunzelt. Sie blickte auf, als die brünette Gladiatorin den Gang hinuntergelaufen kam.

„Sora ist da drin.“, sagte sie freundlich. „Ich bin sicher er freut sich, dich zu sehen.“

TenTen dankte mit einem Lächeln.

„Die sollten ihn nicht zum Kämpfen zwingen, wenn er angeschlagen ist, die Idioten!“, murmelte Shizune böse und ging dann, vermutlich um Jiraiya zu suchen.
 

TenTen hielt sich nicht mit klopfen auf, sondern stürmte einfach in das Zimmer hinein. Neji saß gegen die Lehne gestützt im Bett. Einer seiner Arme war in einer Schlinge und sein Gesicht sah übel zugerichtet aus – er hatte einen tiefen Schnitt in der Wange, die hatte genäht werden müssen, und das Auge darüber war bereits grün und blau. Als er sie sah, zeigte er ihr ein schwaches Lächeln. „TenTen, wie lief dein Kampf?“

Die Tür fiel hinter TenTen mit einem hörbaren Klicken ins Schloss, dann stemmte sie die Fäuste in die Hüften. „Wie mein Kampf war? Oh, gut, wie war deiner so? Wie ich sehe, lief der nicht so toll!“

Neji hatte den Anstand, etwas verlegen dreinzusehen, als er vorsichtig nach der Wunde in seinem Gesicht tastete. „Naja, der Gegner war echt gut. Das hab ich nicht kommen sehen. Aber ich hab ihn trotzdem besiegt.“

„Besiegt… Was spielt das für eine Rolle?! Du bist verletzt!“

„Ich hab schon schlimmeres überlebt.“

„Das ist etwas anderes!“, schnappte sie. „Sei bloß froh, dass es nicht noch schwerer ist – ich hab dich doch gewarnt, der Kerl ist gut!“

Er zuckte mit den Schultern und verzog gleich darauf vor Schmerzen das Gesicht, ehe er etwas antworten konnte.

„Und jetzt verkrüppel dich nicht auch noch selbst!“, fuhr sie ihn an. „Und pass bei den Kämpfen besser auf! Das ist kein Kinderspiel!“
 

„Was hätte ich denn machen sollen, TenTen?! Ich konnte den Kampf nicht verweigern oder gibt es da ein Schlupfloch, das ich nicht kenne?“

„Dann hättest du halt besser kämpfen sollen!“, fauchte sie ihn an.

Er verdrehte die Augen. „Irgendwo hat jeder sein Limit.“, erklärte er ihr und in seinem Gesicht stand ein seltsamer, wachsamer Ausdruck.

Da verstand sie. Er hätte tatsächlich besser sein können. Er war besser als das, was er dort draußen gezeigt hatte, was auch immer das war. Er hatte absichtlich einen solchen Schlag eingefangen, weil er sich nicht hatte auffliegen lassen wollen. Dieser verrückte, lügnerische, bescheuerte, doofe, unwiderstehliche Kerl!

Sie spürte, wie ihr Tränen über die Wangen liefen.

„TenTen.“ Er klang geschockt und dann spürte sie seinen Daumen, der ihr die Tränen aus dem Gesicht wischte. „TenTen, was…?“

Und sie weinte und lachte im gleichen Augenblick und in diesem Moment war ihr alles egal. „Ich weiß, wer du bist.“ Sie wollte einfach nur, dass er wusste… dass er wusste… „Ich hab dich und Sakura gehört.“ Sie schniefte. „Ich weiß, dass du Neji Hyuuga bist.“

Sie spürte, wie er sich anspannte und wie nach einigen Momenten die Anspannung wieder aus seinem Körper wich. Anscheinend hatte er begriffen, dass sie ihn nicht verraten würde. Das würde sie sich nie verzeihen.
 

„Ich weiß, dass du von hier weggehen wirst. Dass du nicht hierbleiben kannst. Ich weiß, ich weiß.“

„TenTen…“ Er suchte offensichtlich nach Worten um etwas zu erklären, was er nicht erklären konnte und auch nicht musste. Sie verstand ihn. Sie senkte den Kopf und nickte. „Ich weiß. Ich weiß.“, konnte sie nur wiederholen und schluckte. Dann blickte sie auf und sah ihm direkt in die Augen. „Ich werde nichts verraten.“, erklärte sie bestimmt. „Ich verspreche es.“

Verwunderung stand in seinem Blick, auch wenn sein Gesicht wieder die eiskalte, steinerne Maske war, die sie von den Tagen kannte, als sie ihn kennen gelernt hatte.

„Pass nur in Zukunft besser bei den Kämpfen auf. Wenn du überhaupt noch einmal kämpfen musst – mit den Verletzungen nicht und du bist ja sowieso bald von hier weg.“
 

Auch wenn sie es nicht wollte. Sie wollte, dass er bei ihr blieb. Sie wollte wieder an seiner Seite kämpfen können. Es hatte sie so stolz und glücklich gemacht.

„Es war gut, mit dir kämpfen zu dürfen.“, wiederholte sie ihre Gedanken und starrte auf ihre Hände. Es machte sie verlegen, aber sie wollte, dass er diese Worte hörte. Sie wollte, dass er wusste, dass sie ihn vermissen würde, dass sie an ihn denken würde und dass sie ihn niemals vergessen würde. „Es war gut, deine Freundin sein zu dürfen. Ich danke dir.“

Sie blickte ihn noch einmal an, dann beugte sie sich vor und presste ihm scheu und unbeholfen die Lippen auf den Mund. Der Kuss war sanft und kurz und sie versuchte, alle Gefühle hineinzulegen, die sie im Moment empfand – die Verwirrung, der Schmerz des Abschieds, ihre Bewunderung, ihren Stolz, ihr Glück und all ihre Liebe.

Ehe er reagieren konnte, löste sie sich von ihm, drehte sich um und floh aus dem Zimmer.
 


 


 

TenTen hatte ihr Wort gehalten. Die Nacht des Ausbruchs war gekommen und sie hatte weder Jiraiya verständigt noch irgendjemand anderen, der ihren Plan vereiteln konnte. Neji war ihr unglaublich dankbar und fragte sich, warum er ihr nicht schon früher hatte trauen können. Aber er wusste warum: das Risiko war einfach zu groß gewesen.

Die letzten Tage war sie ihm aus dem Weg gegangen. Einen großen Teil der Zeit hatte er sowieso erst in der Krankenstation verbracht, bis Shizune ihn mit der Erklärung entlassen hatte, dass die Wunden gut heilten. Bei Problemen sollte er sich wieder bei ihr melden, aber nach dem heutigen Tag würde er die Gelegenheit dazu nicht mehr haben. Ganz zu schweigen davon, dass er sowieso bezweifelte, dass dies nötig war. Zudem war Sakura gut genug. Denn sie würde nicht in der Stadt bleiben können, da es schnell offenbar werden würde, wer ihnen geholfen hatte zu entkommen.

Gut nur, dass Naruto und Ino nicht dasselbe Schicksal treffen würde, aber sie hatten keinerlei Verbindungen zu dem Vergnügungskomplex allgemein oder der Arena im Besonderen. Niemand würde sie verdächtigen. Und Konan war sowieso vogelfrei und schon seit Jahren steckbrieflich gesucht. Außerdem würden sie sie vermutlich für die nächste Zeit brauchen um das Chaos, das die siebzig Tage, die Neji, Hinata und Hanabi in Sklaverei verbracht hatten, wieder aufzuräumen. Das würde ein Spaß werden.
 

Neji blickte auf die Uhr und setzte sich dann auf. Es war wohl Zeit. So leise wie möglich – was nicht so leise war, wie er gehofft hatte, was vor allem der Schulterverletzung zuzuschreiben war – stieg er in seine Kleider, kramte die Tasche unter dem Bett hervor, in denen er die wenigen Besitztümer verstaut hatte, die er mitnehmen würde – Geld größtenteils – und schlüpfte aus dem Zimmer.

Es war dunkel und still, aber er fand sich dennoch gut zurecht. Hyuugaaugen waren gegen grelles Licht empfindlicher als normale, dafür sahen sie in der Dunkelheit besser und so hatte er keine Probleme, sich hier zu orientieren und den Gang hinunter zu hinken. Er war dabei beinahe lautlos, selbst sein lahmes Bein machte ihm bei diesem Aspekt keine Schwierigkeiten.

Den Entschluss hatte er schon vor zwei, drei Tagen gefasst, aber bis jetzt hatte er es noch nicht geschafft, mit ihr zu reden. Er wollte TenTen nicht verlassen. Er wollte sie nicht zurücklassen und er wollte nicht, dass sie hier blieb. Hier, in diesem hübsch eingerichteten Rattenloch, zwischen den anderen Gladiatoren und in Gefahr, dass der nächste Kampf vielleicht ihr letzter war.

Nicht, ohne ihr zumindest eine Chance zu geben. Wenn sie nicht mitkommen wollte – nun gut, dann konnte er nichts ändern. Er würde sie definitiv nicht zwingen. Wenn sie mitkommen wollte, würde er ihr helfen, bei was auch immer sie machen wollte, wenn sie erst einmal in Sicherheit waren.
 

Er bog um eine Ecke, lief an zwei Gängen vorbei und bog in den dritten ein. Fünf Türen weiter befand sich TenTens Zimmer. Es war still dahinter und auch als er die Tür öffnete und leise hinein glitt, rührte sich nichts. Lautlos schloss er die Tür, ließ seine Tasche neben ihr auf den Boden sinken und trat zum Bett.

TenTen war ein zusammengerolltes Bündel unter der Decke und sie fuhr erst auf, als er ihr die Hand auf den Mund legte und sie sanft rüttelte. Für einen Moment riss sie entsetzt die Augen auf und versuchte zu schreien, während ihr Körper sich reflexartig aufbäumte. Er hatte damit gerechnet, deswegen gelang es ihm, die Hand auf ihrem Mund zu lassen, so dass ihr Schrei gedämpft genug war, dass niemand außer ihnen ihn hören konnte.

TenTen hatte eines der wenigen Zimmer mit einem Fenster und der Schein der Straßenlampen von draußen gab genug Licht, dass sie ihn erkennen konnte. Er legte einen Finger an die Lippen und zog seine andere Hand von ihrem Mund zurück, als sie ihn erkannte.

Sie richtete sich auf. „Was tust du hier?“, flüsterte sie, hin und hergerissen zwischen leichtem Zorn und Verwirrung. „Du hast mich erschreckt.“, sagte sie dann gefasster.

„Tut mir leid. Es musste sein.“
 

Für einen Moment senkte sich wieder Stille über sie. Dann schien sie zu verstehen, was er heute Nacht vor hatte. „Du gehst jetzt, hab ich recht?“

Er neigte den Kopf, was ein Nicken sein konnte, oder gar nichts. „Sakura und die anderen werden bald da sein.“

Sie wirkte, als ob sie nicht wüsste, ob sie weinen oder beleidigt sein sollte. „Wenigstens hast du den Anstand, dich zu verabschieden.“, erklärte sie dann.

Er lachte leise und sie schauderte leicht. „Hast du das nicht schon vor Tagen getan? Nein, deswegen bin ich nicht hier.“

„Wa…?“, fuhr sie auf, aber er presste ihr wieder die Hand vor den Mund. Das war ziemlich laut gewesen. Gespannt lauschte er, doch nichts rührte sich, darum entspannte er sich nach einigen Minuten wieder und ließ die Hand erneut sinken.

„Ich bin hier um zu fragen, ob du mitkommen willst.“

Wieder war es still, aber diesmal war sie einfach zu sprachlos um etwas zu sagen. Das Licht von draußen spiegelte sich in ihren weit aufgerissenen Augen. „Was?“, zischte sie. „Ich? Mitkommen? Aber wohin denn?!“

„Weg von hier. Von dieser … Einrichtung.“ Das letzte Wort sprach er mit aller Verachtung aus, die er hineinlegen konnte. „Ich kann dir helfen, bei was auch immer du dann machen willst.“

„Aber … ich will doch gar nichts machen.“, murmelte sie. „Ich kann doch gar nichts anderes machen, Neji.“
 

Sie wirkte, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. Vermutlich hatte dieses Gespräch eine völlig surreale Atmosphäre für sie. Vielleicht glaubte sie sogar, dass es ein bizarrer Traum war.

„Du kannst auch bei mir bleiben. Ich kann dir nichts versprechen, aber für gute Kämpfer haben wir immer Verwendung.“

Sie schob eine Unterlippe vor und verschränkte die Arme, wirkte Zoll um Zoll wie ein kleines Kind, dass die Puppe nicht bekam, die es wollte. „Nur deswegen willst du, dass ich bleibe? Na, danke!“

… das war vermutlich falsch bei ihr angekommen. Das musste revidiert werden. „Außerdem … würde ich gerne an deiner Seite kämpfen, TenTen. Du hast so viel mehr verdient als dieses luxuriöse Gefängnis. Bitte, komm mit mir.“

Sie hatte die ablehnende, schmollende Haltung wieder verloren, aber sah noch immer nicht überzeugt aus. Nun gut, dann musste er andere Waffen einsetzen – niemand sollte sagen, dass er nicht überzeugend war, auch wenn es fies war und unfair. Sie würde es ihm verzeihen.

„Wolltest du nicht wissen, wie sich die Sonne anfühlt?“, fragte er. „Wie die Bergluft in meiner Heimat reicht und der Himmel dort aussieht? Wie der Honig der Bergbienen schmeckt und wie man Motorrad fährt? Ich kann es dir zeigen. Das und noch viel mehr. Willst du reiten? Wir haben einige der besten Pferde. Willst du einmal einen richtigen, wirklichen Kampf erleben, nicht nur einen solchen Showkampf wie hier? Ich kann dir das geben. Willst du wirkliche Freiheit kennen lernen, TenTen? Die kannst du dort draußen finden. Fass dir ein Herz, TenTen. Komm mit.“
 

Das war alles, was er sagen konnte und würde. Wenn sie diese Chance nicht ergreifen würde, wäre sie nicht halb die Frau, von der er dachte, dass sie sie war.

„Du willst wirklich, dass ich mit dir komme.“, sagte sie und er nickte und wich ihrem forschenden Blick nicht aus. „In Ordnung.“, damit schwang sie die Beine aus dem Bett und stand auf. „Was werde ich brauchen?“

„Nun – deine Kleider. Ansonsten, nichts. Nimm nur das mit, was dir wirklich wichtig ist und nichts, was ersetzbar ist – das können wir dir wiederbesorgen und wir müssen schnell handeln und zu viel Gepäck würde stören.“

TenTen nickte und kramte ihre Kleidung aus einem Schrank, eine Tasche, Erinnerungsgegenstände; sie wollte alles gleichzeitig machen. Plötzlich hielt sie inne. „Werden deine Freunde da mitmachen?“, fragte sie dann.

„Bei uns ist noch Platz genug. Und ich wette, Sakura wäre enttäuscht, wenn du nicht mitkommst. Soll ich dir helfen?“

„Ja, packt das ein. Und das und das.“
 

Sie brauchten gemeinsam keine zwanzig Minuten, bis sie TenTens Tasche gepackt hatten. Sie ließ traurig noch einmal den Blick über ihr kleines Reich schweifen, das Holzschwert an der Wand, die Sammlung von Büchern im Regal, ihren offenen Kleiderschrank, in dem noch der größte Teil ihrer spärlichen Garderobe hing. Das hier war ihr Leben und nun würde sie alles hinter sich lassen. Neji schwor sich, sie nicht zu enttäuschen.

Leise schlüpften sie aus dem Raum, der für achtzehn Jahre TenTens Zuhause gewesen war. Das Mädchen blickte noch einmal zurück, Traurigkeit in den Augen und Wehmut. Dann sah sie ihn wieder an und diesmal leuchteten ihre Augen – vor Aufregung, Erwartung, Glück und Liebe.

Sie griff nach seiner Hand, als sie den Gang hinuntergingen, an dessen Ende Sakura und Naruto auf sie warten würden, und Neji erwiderte den Druck ihrer Finger und hielt sie ganz fest.
 


 


 

Ausgebüxte Sklaven

Anscheinend werden die Sklaven dieser Stadt immer frecher. Aus zwei völlig verschiedenen Stadtteilen verschwanden in der letzten Nacht vier Sklaven – ein Mann und drei Frauen, zwei davon waren Gladiatoren aus der Arena in Sektor 7-L. Die Bevölkerung wird gebeten, vorsichtig zu sein, da diese beiden äußerst gefährlich sind.

Anscheinend ist es den vieren irgendwie gelungen, ihre Mikrochips zu deaktivieren, denn sie sind nicht auf diesem Wege zu orten. Doch das ist noch nicht das Besorgniserregendste. Drei von ihnen sind Hyuuga. Ob sie Hilfe von außen hatten, will die Polizei noch nicht bekannt geben. Man wird mit der Ausrede wegen laufender Ermittlungen vertröstet. Doch die Polizei fahndet bereits nach den Flüchtigen.
 

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Schöne restliche Adventszeit noch. ^^~~~

14. Dezember - Just acquiesce in it.

Autor: Arethelya

Fandom: Naruto

Pairing: Neji x TenTen

Thema: ausgewähltes Zitat

Warning: Dies ist mein erster Versuch im Genre Humor!
 


 

JUST ACQUiESCE iN iT.

Nimm es einfach hin.
 


 

“Manche Männer bemühen sich lebenslang, das Wesen einer Frau zu verstehen. Andere befassen sich mit weniger schwierigen Dingen, z. B. der Relativitätstheorie.“

[Albert Einstein]
 


 

Neji war kein Mann vieler Worte, sondern schon immer der stille Beobachter gewesen, der aus der Ferne seine Umgebung und Mitmenschen betrachtete und so ein Urteil fällte. Manchmal ließ er die Menschen dies wissen, manchmal nicht. Er war der Überzeugung, dass die Gedanken, die er sich machte, Hand und Fuß besaßen und dass er selten mit seinen Vermutungen vollkommen falsch lag. Er wusste um seine Intelligenz, die doch leicht über dem Durchschnitt lag, selbst wenn er in manchen Punkten Shikamaru nicht das Wasser reichen konnte…, wie er sich leider eingestehen musste. Und er musste sich auch eingestehen, dass es nicht nur manch ein Punkt war, sondern sehr viele, aber das hätte er bestimmt nicht offen zugegeben.
 

Er glaubte zudem auch fest daran, dass er seine Mitmenschen gut einschätzen und sie verstehen konnte. Natürlich gab es immer wieder Ausnahmen, aber im Generellen war er sehr gut in der Lage zu erkennen, was seine Mitmenschen warum und wie taten. Hin und wieder ließ er sich dann zu einem Kommentar herab oder nicht. Er wägte immer besonnen ab, ob es sich lohnte oder ob es sinnvoll war, sich über etwas zu äußern.
 

In letzter Zeit war es ihm, wie er feststellen musste, oft zugute gekommen, dass er seinen Mund gehalten und einfach nur zugesehen hatte, denn was er dort gesehen hatte, überstieg bei Weitem sein Verständnis.
 

Neji hatte mit angesehen, wie das als allgemein undurchschaubare und verquere Geschlecht der Frauen ihrem Ruf alle Ehre gemacht hatte.
 


 

Einmal hatte er beobachtet, dass Ino mit noch gewagterer Kleidung, einem dezenten, aber sehr gut gelungenem Make-Up (soweit er dies zumindest beurteilen konnte, denn auf derlei Frauensachen verstand er sich überhaupt nicht) und einem sehr kokettierendem Augenaufschlag zu einer Gruppenmission aufzubrechen gedachte, bei der nicht nur ihr Team, sondern auch seines, das von Naruto und Kiba antreten mussten. Ihm fiel wohl als einziger auf, dass ihr Blick immer wieder von Kiba zu Sai wanderte und sie sich auch so nah wie möglich zu den beiden gesellte, bis Shikamaru sie darauf hinwies, dass dieser „Hauch von nichts“ (wie er es nannte und dann umschrieb er noch großzügig, welchen Eindruck sie damit machte) absolut ungeeignet wäre, da er keinerlei Schutz und Wärme bot. Es gaben ihm mehrere Recht, darunter auch Sai und Kiba. Neji hielt vorsorglich seinen Mund.
 

Es endete damit, dass Shikamaru nicht nur von Ino, sondern auch von Sakura einen Hieb ins Gesicht erhielt und die beiden Frauen sich von dieser Mission entschuldigten. Die Männer starrten fassungslos von dem bewegungsunfähigen Shikamaru zu den beiden sich entfernenden Frauen, die mit erhobenem Haupt und eindeutig genervt bei einander eingehakt von dannen schritten. Naruto half Shikamaru auf und sagte mit einem verständnisvollen Ausdruck im Gesicht: „Inos Punch tut schon sehr weh, aber dann noch einen von Sakura drauf? Sei froh, dass du noch bei halbwegs heil bist. Ich lag einmal wegen ihr zwei Stunden bewusstlos in einem Busch.“
 

„Ich hab keine Ahnung, wofür ich das verdient habe“, ächzte Shikamaru, wofür er einen leicht verächtlichen Blick von Hinata bekam, den kaum einer registrierte und ein hoffnungsloses Kopfschütteln von TenTen.
 

Neji sah es und sagte leise zu ihr: „Ich verstehe es aber auch nicht. Es war doch nur richtig von ihm, das zu sagen. Sie hätte verletzt werden können oder wäre krank geworden bei dem Aufzug.“
 

TenTen lächelte und in diesem Lächeln lag ein Hauch von Mitleid, den er nicht nachvollziehen konnte. „Das ist doch wohl logisch. Sie wollte hübsch für Sai und Kiba aussehen.“
 

Er blinzelte sie bloß an.
 

Das Mädchen seufzte und sagte dann mit einer Stimme, als wollte sie einem Kind etwas erklären: „Ino mag die beiden und hat aber aufgrund unserer vielen Missionen nie die Chance, sich mal privat mit ihnen zu treffen und ihnen das zu zeigen oder gar zu sagen! Diese Mission war für sie die Möglichkeit, die Aufmerksamkeit der beiden auf sich zu ziehen. Vielleicht hat ja einer beiden Interesse und sie hätten sich getroffen. Vielleicht hätte sie die Chance gekriegt, mit einen von beiden zusammen zu sein. Shikamaru hat sie mit seinen Worten vor den beiden als… na ja, als eine Tussi dargestellt, die keine Ahnung vom Kunoichi-Dasein hat, da ist sie natürlich ausgerastet. Er hat nicht nur ihr Aussehen, sondern auch ihre Kompetenzen damit in Frage gestellt. Und weil Frauen nun einmal zusammenhalten, hat Sakura ihr beigestanden.“
 

Irgendwie leuchtete das ein. Aber nur irgendwie.
 

Denn Neji hatte das dumpfe Gefühl, dass das alles auch auf eine andere Art und Weise funktioniert hätte.
 


 

Es gab noch einen weiteren Vorfall während der Mission, die Neji zeigte, dass Frauen einfach anders dachten als Männer. Hinata und Naruto wurden bei einer Rast ausgeschickt, um die Umgebung zu untersuchen und vor Feinden abzusichern. Währenddessen mussten sie sich einmal sehr nahe gekommen sein, denn Naruto sagte wohl zu ihr: „Hei, du riechst genauso wie die, die mir bei der letzten Mission so viel Ramen gemacht hat!“
 

Hinata kam später aufgelöst und neben der Spur zurück ins Lager und weigerte sich ein Wort mit Naruto zu wechseln. Sie verkroch sich zu TenTen ins Zelt. Neji, hin- und hergerissen zwischen seinem Beschützer-Instinkt seiner kleinen Cousine gegenüber (inzwischen war sie doch wie eine kleine Schwester für ihn und der große Bruder sorgt schließlich dafür, dass jeder bestraft wird, der seine Schwester zum Weinen bringt) und seinem Mitleid für Naruto (denn er hatte absolut keine Ahnung, was dieser falsch gemacht haben sollte, der Satz war schließlich mehr als harmlos gewesen), wandte sich ein weiteres Mal an TenTen, als diese Hinata so gut es ging beruhigt und zurück in deren eigenes Zelt geschickt hatte.
 

Ohne große Umschweife fragte er: „Was war denn mit ihr los?“
 

TenTen sah zu ihm und verdrehte die Augen. „Ist das wirklich so schwer?“ Aber sie antwortete sich selbst: „Na gut, wenn es das nicht wäre, würdest du wohl nicht fragen… Kami-sama, du hast doch bestimmt schon gehört, was Naruto zu Hinata gesagt hat, oder?“
 

Neji nickte langsam und bedächtig. Nach ein paar Sekunden begriff TenTen, dass er nicht wusste, um welchen Kontext es wohl ging oder dass er nicht verstand, inwieweit Narutos Worte seine kleine Cousine verletzt hatten. Sie schloss ergeben die Augen und sagte dann milde: „Weißt du eigentlich, wen Naruto mit seinem Satz meint? Wer die Frau war, die ihm so viele Ramen auf der letzten Mission gekocht hat?“
 

Das konnte er nur verneinen.
 

„Es war eine alte Frau Ende 70.“
 

„Oh.“
 

Mehr wusste er wirklich nichts zu sagen.
 

„Neji, welche Frau möchte denn gern mit nicht einmal 20 wie eine 70jährige riechen? Ich meine, ja, soweit ich weiß, hat die Frau nach Keksen geduftet und Naruto meinte das eigentlich als Kompliment, aber es ist doch ziemlich beleidigend. Eine Frau will hören, dass sie gut riecht und nicht wie eine alte Oma.“
 

Nach einem kurzen Zögern fragte er: „Und wieso bist du jetzt nicht wie Sakura bei Shikamaru auf ihn losgegangen?“
 

Sie grinste: „Weil ich im Gegensatz zu den meisten Frauen Verständnis dafür habe, dass ihr Männer gern mal so richtig dämliche Sachen raushaut.“
 

Das war zwar nicht das, was er unbedingt hören wollte, aber er konnte damit leben. Er war sogar ganz froh, dass TenTen nicht zu den typischen Frauen gehörte. Das sagte er ihr auch. Dafür schenkte sie ihm ein strahlendes Lächeln.
 


 


 

Wer vermutete, dass die Geschichte hiermit ihr Ende finden würde, der lag leider komplett falsch. Hyuuga Neji musste nämlich noch ein weiteres Mal mit dem komplizierten Verstand einer Frau konfrontiert werden, um dessen genaues Ausmaß endgültig zu begreifen.
 

Tsunade-sama beschloss, dass Einzelkämpfe unter Ninja zwar oft in der Realität anzutreffen waren, aber man doch öfter in seinem Team einer anderen Gruppe gegenüber stand. Deswegen organisierte sie einen Wettkampf, eine Art Turnier, um die Teamfähigkeit ihrer Ninja zu überprüfen. Stattfinden sollte es in der Arena, in der normalerweise die letzten Runden der Chuunin-Auswahlprüfung abgehalten wurden.
 

Neji sah keinerlei großen Erfahrungswert, den die Shinobi damit erhalten würden, aber wenn sich Tsunade etwas in den Kopf gesetzt hatte, war es beinahe unmöglich, sie davon wieder abzubringen. Er fügte sich seinem Schicksal, obwohl er mehr als gereizt aufgrund dieser Sache war. Einzig die Tatsache, dass er seine Revanche mit Naruto bekommen würde, stimmte ihn zufrieden. TenTen, Lee und er würden als erstes gegen Team 7 antreten. Er konnte nun beweisen, dass er nicht hinter dem chaotischen Ninja zurückstand.
 

Als es jedoch soweit war, musste er feststellen, dass dieser Tag leider nicht so positiv enden würde, wie er es sich ausgemalt hatte. Naruto hatte aufgrund einer nicht ganz auskurierten Erkältung nicht wirklich die Kontrolle über sein Chakra, weshalb er auf ein paar Standartjutsus zurückgriff und sich sehr zurückhielt (wenn auch gezwungenermaßen, eigentlich wollte er in dem Kampf aktiv mitmischen, aber seine persönliche Leibärztin Sakura wies ihn jedes Mal wieder in seine Schranken). Sehr zu Nejis Verdruss, denn so würde der Sieg nicht sonderlich ruhmvoll werden. Unglücklicherweise wurde dann auch noch Lee Schachmatt gesetzt, nachdem dieser Sai ausgeschaltet hatte. Sakura hatte auf hinterhältige Art seine Gefühle für sie missbraucht und mit ihm kokettiert... und in einem Augenblick der Willenlosigkeit seinerseits schlug sie ihn nieder.
 

TenTen zuckte die Achseln. „Irgendwie hat er es ja auch verdient… wenn er sich so leicht um den Finger wickeln lässt.“
 

Lee richtete sich nur schwerfällig wieder auf und mit bestürztem Entsetzen sah er mit an, dass TenTen Sakura gezielt mit Kunais an einer Wand festpinnte, um sie bewegungsunfähig zu machen. Das Mädchen hielt der rosahaarigen Schönheit darauf ein Messer unter die Kehle, um sie davon abzuhalten, im weiteren Kampfgeschehen einzugreifen. Das Team von Gai glaubte sich siegessicher, aber sie hatten nicht mit dem letzten Ass in Narutos Ärmel gerechnet.
 

Lee und Neji stürmten auf den blonden Chaosninja zu, der sich aufgrund seiner schwachen Konstitution genötigt sah, in seine alte Trickkiste zu greifen und leicht unfair weiterzumachen.
 

„Oroike-no-jutsu!“
 

Dort, wo eben noch Naruto in seinen orangefarbenen Trainingsanzug gestanden hatte, räkelte sich nun eine nackte, wirklich absolut entblößte, erotisch „Hi, Jungs!“ hauchende – TenTen.
 

Lee, noch vollkommen benebelt von Sakuras Angriff, fiel bei dem Anblick in eine selige Ohnmacht, nicht ohne eine heftige Röte im Gesicht.
 

Neji, mehr als beschämt, bremste zuerst ab und schloss die Augen, denn das, was er sah, sah überaus gut aus und hätte absolut der Realität entsprechen können – und diese Vorstellung war die schlimmste, dass er seine Kameradin mit dem in Verbindung sollte, was dort vor ihm stand! Er hätte sie nie wieder im richtigen Licht sehen können!
 

Er schnappte kurz nach Luft, als TenTen-Naruto mit wackelnden Hüften und wippenden Brüsten auf ihn zukam und ihn anzugreifen drohte. Neji blieb nicht viel Zeit nachzudenken. „Die Mission hat immer Vorrang!“, schoss durch seinen Verstand und so kam es, dass er mehr aus dem Instinkt reagierte, anstatt dass er wirklich darüber nachdachte, wie er sich verteidigen sollte. Mit ein paar gezielten Schlägen gegen den Oberkörper und Unterleib brachte er Naruto zur Strecke. Als dieser hart am Boden aufschlug, löste sich die Kunstfigur einer nackten TenTen, worüber Neji mehr als dankbar war und erleichtert aufatmete.
 

In der nächsten Sekunde hörte man ein zweistimmiges Aufbrüllen, das die Worte: “Naruto!“ und “Hyuuga Neji!“ beinhaltete.
 

Bevor er registrierte, was genau seinen Namen geschrien hatte, sah er sich von Kunais attackiert. In der nächsten Sekunde sprang TenTen vor mit ihrem Bo-Stab, den sie eindeutig gegen einzusetzen gedachte und ihm blieb nichts Anderes übrig, als auszuweichen, Kaiten einzusetzen und nicht mit Naruto zusammen zu rennen, der heftigen Schlägen von Sakura auswich.
 

„Warum greifst du mich an?!“, japste er, da TenTen ihn mit einer ungewöhnlich hohen Geschwindigkeit beständig bedrängte. „Der hat sich doch in dich verwandelt!“
 

Sie kreischte kurz auf und fauchte: „Aber du perverses Schwein hast mein nacktes Double an die Brust und zwischen die Beine gegrabscht! Du bist ekelhaft! Das hättest du wahrscheinlich auch mit mir gemacht, du Widerling!“
 

So hatte es anscheinend aus ihrem Blickwinkel ausgesehen.
 

Natürlich versuchte er sich zu verteidigen und hatte ihr gesagt, dass er doch nur den Kampf hatte gewinnen wollen und die Reize der falschen TenTen ignoriert hatte – leider war das genau die verkehrte Antwort, denn nun brüllte TenTen etwas von wegen, ihre Reize waren also nicht ausreichend, um einen Hyuuga Neji zufrieden zu stellen. Als er dagegen argumentieren wollte, dass dem gar nicht der Fall war (er kam nicht einmal dazu, noch einmal klarzustellen, dass es sich doch bei alldem nicht einmal um die echte TenTen gehandelt hatte), wurde sie noch wütender und beschimpfte ihn als Lustmolch und als Perversling, der wohl die ganze Zeit während des Trainings ihr heimlich unter die Kleidung geguckt hatte, dank seiner dämlichen Byakugan.
 

Neji sah sich danach gezwungen mit Naruto aus dem Stadion zu fliehen, verfolgt von zwei Furien, die sich wohl nicht in absehbarer Zeit beruhigen würden. Damit stand es unentschieden, weil vier Kandidaten das Kampffeld verlassen und die beiden übrigen ausgeschaltet waren (wobei einer damit ganz zufrieden zu sein schien – zumindest deutete das Lees Gesichtsausdruck an).
 

Neji hatte damit feststellen müssen, dass leider auch TenTen keine Ausnahme von der Regel bildete (nein, in seinen Augen war sie sogar schlimmer als manch andere, da sie so dermaßen übertrieben und brutal reagierte) und er wohl niemals eine Frau verstehen würde.
 

Und damit erging es ihm wie allen anderen Männern.
 

Hätte er doch bloß die Klappe gehalten. Oder weggeguckt.
 


 


 

.:[The End]:.
 


 

So, liebe Leser, das war nun Türchen Nummer 14 des Neji/Ten-Adventskalenders. :) Ich hoffe, ihr fandet es ein wenig amüsant – wie gesagt, das war das erste Mal, dass ich bewusst Humor geschrieben habe und ich habe keinerlei Ahnung, ob es mir gelungen ist. Ich finde mich persönlich wirklich nicht witzig xD Deswegen verzeiht, es ist also mehr ein Experiment, ob ich auch lustiges zustande bringe, ich denke aber tendenziell, dass ich versagt habe xD Aber irgendwie hat es mir trotzdem Spaß gemacht, es zu schreiben. Zumindest ist das Ende eine witzige Vorstellung, den armen Neji in solch einer Verlegenheit zu sehen.
 

Es sind nur noch 10 Tage bis Heilig Abend! :D Ich wünsch euch weiterhin viel Spaß mit unserem Adventskalender und noch ein paar schön besinnliche Tage!
 

Bis denne, de are.

15. Dezember - Missverständnis

Sie dachte, dass sie sich verhört hatte und sah ihn nun ungläubig an.

Hatte er das gerade wirklich gesagt?

Hatte er das wirklich?!
 

Im nächsten Moment war eine laute Ohrfeige zu hören.

Ihr Gesicht war rot vor Wut und eine Ader war an ihrer Stirn zu sehen.
 

„Wie kannst du es wagen, mir so was zu sagen? Und dann auch noch mit so einer Ausdrucksweise?“ Am liebsten hätte Tenten ihn nochmal geschlagen.

Er war fast drei Wochen auf einer Mission gewesen.

Sie hatte sich auf seine Wiederkehr gefreut und wollte ihm ein richtiges Festmahl servieren.

Sie hatte ihm sogar seinen Lieblingsnachtisch gemacht!
 

Und dann kommt er nach Hause und meint sie hätte kleine Möpse.

So eine Beleidigung!
 

Neji hielt sich die schmerzende Wange und sah sie entsetzt an. „Ich hab doch nicht deine Brüste gemeint.“

Er zeigte hinter ihr ins Wohnzimmer, wo auf dem Sofa ein Kissen lag. Und auf diesem waren zwei Möpse, die sich ansahen, abgebildet.

„Ich meinte die! Die Hunderasse.“
 

Das Kissen hatte Tenten vor einiger Zeit von ihrer Tante bekommen, weil diese umgezogen war. In der Zeit als Neji nicht da war.

Tenten sah etwas beschämt zu ihrem Freund. „Oh... Möchtest du deinen Lieblingsnachtisch?“

16. Dezember - Fröhlichen Advent (Teil 2)

Teil 1: http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/264235/750931/default/
 


 

Heiterkeit oder Freudigkeit ist der Himmel unter dem alles gedeiht.

Jean Paul
 

Als die Klinge schnellte, erhob TenTen sich verwirrt. Für den Postboten war es zu spät und für ihre Eltern noch zu früh.

Oder doch nicht?

Ihr Herz machte einen kleinen Sprung, während sie zu Tür ging. Vielleicht war die Mission einfacher als gedacht gewesen.

„Lee?“

Ihr Teamkollege strahlte sie an. „Lass uns zusammen backen.“

„Was?“ Verwirrt sah sie ihn an, nicht ganz verstehend was er von ihr wollte.

„Das heißt: Wie bitte?

„Neji?“ Noch mehr Verwirrung.

Hinter Lee stand nicht nur Neji, sondern auch Gai und Lees Mutter.

„Wir haben den Teig schon mitgebracht.“ Frau Rock hielt eine große Schüssel in den Händen. „In der Adventszeit sollte keiner allein sein.“

Leicht überrumpelt trat TenTen zur Seite, um die vier eintreten zu lassen. „Bitte schön.“

„Danke, TenTen.“ Enthusiastisch trat Gai ein und lief zielstrebig zu einer geschlossen Tür, um sie zu öffnen.

„Gai-sensei, dass ist die Toilette.“

„Oh. Natürlich. Die Küche war ja der erste Raum links.“

„Jepp.“

„Du solltest ihm besser folgen.“ schlug Lee seiner Mutter vor, als Gai in der Küche verschwand.

„Mach ich. Ich weiß ja nicht, was ihr besprechen wollt. Ich rufe, wenn ich etwas nicht finde, ja?“ Frau Rock lächelte TenTen an, die nickte.

„Lee?“, fragte TenTen ihm, nachdem seine Mutter Gai gefolgt war. „Du willst sie doch nicht immer noch verkuppeln?“ Sie erinnerte sich sehr deutlich, an all die gescheiterten Versuche Lees.

„Doch.“ Lee strahlte. „Dann wird Gai-sensei mein Stiefvater.“

„Das klapp niemals.“ Doch eigentlich hätte TenTen Lees Antwort wissen müssen, gab er doch niemals auf. Niemals.

„Warum? Seine Mutter ist an ihn gewöhnt, da ist Gai-sensei jetzt nicht der Schock.“

„Neji.“ TenTen sah ihn tadelnd an, auch wenn sie hätte strahlend können, dass sie alle da waren.

„Ich gucke mal, was die beiden so treiben.“ Lee grinste wie ein kleines Kind, beseelt von Wunsch, dass seine Mutter und Gai irgendwann heiratet würde. Wie TenTen hatte er sich immer kleine Geschwister gewünscht, doch auch ihn war dieser Wunsch nicht erfüllt worden. Das Team der Einzelkinder.

„Lee?“

Er drehte sich noch mal zu TenTen um. „Ja?“

„Es war eine tolle Idee, alle zu mir zu kommen.“ TenTen lächelte ihn an. „Danke.“

„Bedanke dich nicht bei mir sondern bei Neji, es war seine Idee.“

„Wirklich?“ Erstaunt drehte sich TenTen zu Neji um. Sie hätte ihn so Vorschlag nicht zugetraut, war er doch der ruhige Part in Team, wobei es nicht schwer war, ruhiger zu sein Lee.

Neji erwiderte ihren Blick. „Ich dachte, es würde dich freuen. Du schienst so betrübt zu sein, heute Abend allein sein zu müssen.“

Sie lächelte immer noch. „Das war ich wirklich. Und jetzt freue ich mich wirklich, dass ihr alle da sein.“ Sie brauchte keine Katze, die würde sich so wie so nicht mit ihrem Vogel vertragen. Ihr Vogel, der langsam verstand, dass die Tür seines Käfigs offen stand. Er musste sich nur noch trauen.

„Was ist?“

„Nichts.“ Sie würde ihm nicht sagen, dass sie es süß von ihm fand. Neji gehört zu der Sorte Jungs, die nicht etwas tun wollte, was mit den Adjektiv Süß in Verbindung gebracht wurde. „Oder doch: Danke.“

17. Dezember - And the world has somehow shifted

Wortzahl: ca 3.2oo Worte

Genre: Romnatik, AU!
 

Entschuldigt bitte die Verspätung um einen Tag! >.<
 

Warnung: ein wenig sinnfrei, ein wenig merkwürdig... und nach der Inspiration durch die Zitate kann man mit der Lupe suchen.
 

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Inspiriert durch:

- Wenn man glücklich ist, sollte man nicht noch glücklicher sein wollen. [Theodor Fontane.]

- Imagination is more important than knowledge. For knowledge is limited. [Albert Einstein]

- A man who won't die for something is not fit to live. [Martin Luther King Jr.]
 


 

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And the world has somehow shifted
 

Ein klarer, blauer Himmel erstreckte sich über die Stadt. Es war später Vormittag und die Sonne schien, versuchte vergeblich, die Kälte zu vertreiben, welche die Nacht überdauert hatte. Ab und an animierte der Wind ein paar Schneeflocken zum Tanzen, so dass es schien, als würde es noch wie vor wenigen Stunden schneien, doch diese Momente verschwanden so schnell wie sie gekommen waren. Die Dächer waren bedeckt mit reinem, weißen Schnee, während auf den Straßen größtenteils schon nur noch gräulicher Matsch lag, wässrig und schmutzig und rutschig, sodass nicht selten der ein oder andere ins straucheln kam.

Neji selbstverständlich kam nie ins straucheln. Und auch Ino neben ihm hielt sich erstaunlich sicher auf den Beinen, während sie pausenlos auf ihn einredete. Einige blonde Haarsträhnen hatten sich aus ihrer Frisur gelöst, hingen ihr ins Gesicht und im Saum ihres Kleides verfing sich bei jedem Schritt ein wenig Schnee, welchen sie anfangs noch versucht hatte, abzuklopfen, das Unterfangen jedoch aufgegeben hatte, nachdem nicht das gewünschte Ziel erreicht wurde – allerdings erst, nachdem sie sich lauthals über die Jahreszeit aufgeregt hatte.

Neji war auf diese Aussage ihrerseits nicht eingegangen. Generell ging er nur sehr selten auf etwas ein, was Ino Yamanaka sagte, aber wahrscheinlich war dies auch einer der Gründe, weshalb sie miteinander auskamen; er hörte ihr zu, zumindest soweit, dass er wusste, wovon sie sprach, falls er doch etwas sagen musste, und sie konnte ihm so gut wie alles erzählen und war sich sicher, dass das Gesagte auch ankam. Nicht so, wie bei einem gewissen Jemand, der auch gerne mal einschlief, während sie etwas erzählte – wofür er jedes Mal wieder einen auf den Deckel bekam, aber das war etwas anderes.
 

Heute war Ino jedoch nicht bester Laune und das merkte Neji nicht nur an der Aura, welche die junge Frau umgab, sondern viel mehr an dem Thema, welches ihr Gespräch sehr schnell angenommen hatte. Es gab nämlich tatsächlich Momente, in denen Ino nicht gerne über sich oder ihr Leben sprach, sondern viel lieber über seines, was für Neji bedeutete, dass er sich erneut anhören durfte, was er in seinem Leben alles falsch anging – zumindest wenn es nach Ino ging.

„Neji, vielleicht hast du es noch nicht gemerkt, aber ich habe meistens recht“, versuchte Ino ihre Aussage zu untermauern.

„Hättest“, korrigierte Neji, ohne sie auch nur anzuschauen.

Ino blickte ihn verwirrt an. „Wie?“

„Du hättest gerne meistens recht“, präzisierte Neji seinen Einwand und beließ es dabei.

Einen Moment blieb es ruhig, während Ino sich die Aussage durch den Kopf gehen ließ, bevor sie wieder etwas sagte. „Musst du alles immer auseinander nehmen? Du weißt doch, was ich damit meine.“

Schweigen.

„Jedenfalls hab ich in diesem Fall dennoch recht. Du nimmst deine Pflichten zu ernst. Es gibt nämlich noch mehr im Leben, als es immer allen recht machen zu wollen und dabei niemals etwas für sich zu tun. Warum versteht ihr Männer das eigentlich nicht?“

Und da war es wieder. Ihr Männer. Nicht, dass Neji es sich nicht schon hatte denken können, woher Inos Laune kam, aber immer wenn das Gespräch diesen Punkt erreichte, war Ino kurz davor, beleidigt abzuziehen. Konnte sich nur noch um Minuten handeln.

„Du wirst nie eine Frau finden und einsam und allein sterben“, stellte Ino als nächstes fest, nachdem Neji offenbar nichts zu sagen hatte. Es war keine große Neuigkeit für Neji, immerhin hatte Ino dies festgestellt, nachdem sie sich das zweite Mal getroffen hatten. Nur der Zusatz, welcher heute kam, war neu. „Aber da es mir nicht anders geht, können wir wenigstens gemeinsam einsam sein.“

Neji stutzte. Er war sich nicht sicher, ob er wissen wollte, was der Nara angestellt hatte, dass Ino derart dachte. Oder ob er wissen wollte, was Ino mit ihm gemacht hatte, nachdem er sich welchen-Fehltritt-auch-immer erlaubt hatte. Er war sich aber sicher und zwar sehr sicher, dass er irgendetwas dazu sagen sollte.
 

Neji wollte gerade seinen Mund öffnen, als die beiden durch lautes Geschrei unterbrochen wurden. Sie waren auf dem Marktplatz angekommen, wo ein Mann mittleren Alters sich über irgendetwas derart aufregte, dass der komplette Platz es hörte. Mit der einen Hand hielt er den Arm einer jungen Frau fest umschlossen, während diese versuchte, sich von ihm loszureißen.

„Was ist hier los?“, mischte Neji sich in den Aufruhr ein und schritt auf den Mann zu. Der Gedanke, dass er Ino noch etwas hatte sagen wollen, kam ihm zwar noch kurz, aber die Arbeit ging nun einmal vor.

„Was los ist?“, keifte der Mann ihn an. Scheinbar war er weder von hier, noch wusste er, mit wem er es zu tun hatte. „Die kleine Göre hat mich beklaut und meine Gastfreundschaft ausgenutzt. Und nachdem ich sie endlich gefunden habe, soll sie bekommen, was sie verdient.“

Neji besah sich die junge Frau genauer. Brünettes Haar, welches in zwei Zöpfen hoch gesteckt war, sodass man die Länge nur vermuten konnte. Große, braune Augen. Sie trug einen festen Umhang um die Schultern und danach, was von dem weißen Kleid am unteren Saum hervorlugte, war dieses wohl relativ dünn. Ihre Füße zierten eindeutig zu große Stiefel – ob von dem Mann, der sie anschuldigte, konnte er nicht sagen, aber offensichtlich waren es nicht ihre.

„Lasst sie los“, befahl Neji dem Mann, der den Oberarm der Frau immer noch fest umklammerte.

„Warum sollte ich?“, hakte der Mann patzig nach, ließ die Frau aber dennoch los, welche sich sofort einen Schritt von ihm entfernte, Neji freundlich anlächelte und dann an ihrem Punkt verweilte. Weglaufen konnte sie nun ohnehin nicht mehr.

Neji ging nicht weiter auf seine Frage ein. „Seid ihr Euch sicher, dass sie es war?“

„Sie trägt meine Schuhe, ist das nicht Beweis genug?“, verteidigte sich der Mann sofort. Er war mit der Situation nicht zufrieden, das sah man ihm deutlich an.

„Wenn sie euch bestohlen hat“, fing ruhig Neji an, „dann sollt ihr eure Schuhe wiederbekommen und sie kommt ins Gefängnis, wie es das Gesetz will.“

Der Mann sah ihn zornig an und schien etwas erwidern zu wollen, doch Neji schnitt ihm das Wort ab, ehe er Gelegenheit dazu hätten bekommen können. „Oder wollt ihr euch gegen das Gesetz dieser Stadt wenden?“

Der Mann brummte etwas unverständlich vor sich hin, beließ es aber dabei.

Neji musste sich nicht einmal umzudrehen, um zu wissen, dass Ino bereits gegangen war, aber er war sich sicher, sie im Hyuuga-Anwesen später wiederzusehen. Da könnte er immer noch mit ihr reden.
 


 

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Der Steinboden war kalt und ihre Füße froren mehr denn je, jetzt wo sie keine Stiefel mehr hatte. Tenten wickelte sich noch fester in ihren Umhang ein, auch wenn sie wusste, dass dies kaum noch etwas brachte. Vor etwas über zwei Jahren hatte sie sich nicht einmal vorstellen können, je in eine solche Situation zu kommen und nun saß sie hier, zusammengekauert gegen eine Gefängnismauer lehnend und fror. Sie wusste nicht, wie es passiert war oder warum sie das verdient hatte. Wieso gerade ihr Leben so einen Verlauf genommen hatte, immerhin hatte sie eine schöne Kindheit gehabt, auch wenn sie immer das Gefühl hatte, es müsste doch noch mehr geben. Doch das hier hatte sie damit mit Sicherheit nicht gemeint.

Das Rascheln von Kleidung ließ sie aufschrecken. Sie erkannte den Mann vom Marktplatz durch die Gitterstäbe, welcher dort einfach nur stand und sie musterte – und sie hatte keine Ahnung, warum. Sie war sich nicht einmal sicher, dass er sie überhaupt ansah, denn seine Augen verrieten ihr so wenig von ihm, wie es selten bei einem Menschen der Fall war. Seine Augen, durch welche sie bereits auf den ersten Blick sehen konnte, dass er ein Hyuuga war, obgleich sie noch nie einem begegnet war. Seine Augen...

Tenten betrachtete den Hyuuga einen Moment, ehe sie ein simples Wort über die Lippen brachte, mit welchem ihr Gegenüber höchstwahrscheinlich am allerwenigsten gerechnet hatte.

„Danke.“

Und tatsächlich schien es ihr, dass sich etwas an der Mimik des Mannes geändert hatte. Für die Dauer eines Wimpernaufschlags. Ganz kurz. Aber es war da gewesen. Zumindest redete sie sich das ein, selbst wenn es nicht so gewesen sein sollte.

Er erwiderte nichts und so schwiegen sie eine Weile, ehe er wieder ging und sie alleine zurück ließ.
 


 

Es war bereits der nächste Tag, als sie erneut Besuch von ihm bekam. Wieder schien er sie einfach nur zu beobachten und schwieg. Sie lächelte ihn schüchtern an. Und er schwieg. Und schwieg. Und schiweg. Bis er schließlich einfach wieder ging. Tenten war sich sicher, dass es keine fünf Minuten gewesen waren, wahrscheinlich eher zwei, und wenngleich er wahrscheinlich nur überprüft hatte, wie es der Gefangenen ging, aber irgendwie... fand sie es schön, dass er da gewesen war.

Und über diesen Gedanken schüttelte sie den Kopf. Scheinbar ging es wirklich bergab mit ihr, wenn sie in solch einer Situation über so einen Schwachsinn nachdachte.

Am nächsten Tag wiederholte sich das Ganze und Tenten war sich inzwischen sicher, dass sie durchdrehen würde, wenn das so weiter ging – wobei sie nicht direkt den Besuch von ihm meinte, sondern viel mehr die ganze, komplette, verfluchte Situation. Allerdings war sie auch noch nie besonders gut darin, zu warten. Geduldig zu sein...
 


 

„Hey“, begrüßte Tenten ihn daher am dritten Tag freundlich und mit einem angedeuteten Lächeln, als er wieder auftauchte. Sie lehnte mit der einen Seite an der Wand und sah ihn direkt an. Vielleicht hatte sie ja Glück und er würde sich wenigstens ein wenig mit ihr unterhalten. Zumindest ein paar Worte wechseln. „Ich bin Tenten.“

Nichts passierte.

Wäre ja auch zu einfach gewesen.

„Du bist ein Hyuuga, richtig?“, fuhr sie fort. So einfach gab sie sicher nicht auf. Immerhin war er noch da, also hatte sie immer noch eine Chance. Einfach weiterreden, Tenten, schoss es ihr durch den Kopf. Vielleicht bekommst du ja doch noch einen Kommentar. „Irgendwie hab ich mir einen Hyuuga genauso vorgestellt. Nicht, dass ich schon einem begegnet bin, aber nach den Geschichten, die ich so gehört habe. Du musst wissen, ich hab einen Freund, dem von kleinauf eingetrichtert wurde, Hyuugas nicht zu mögen.“

Immer noch keine Reaktion.

„Dein Vater ist sicher stolz auf dich.“

Und nach diesen Worten ging er einfach wieder.
 


 

Am nächsten Tag kam er sie nicht besuchen, oder am darauf folgenden. Tenten dachte schon, sie hätte ihn vergrault, aber plötzlich war er dann doch wieder da, auch wenn Tenten es erst nicht glauben wollte. Sie war sich nicht sicher, was sie davon halten sollte und überlegte verzweifelt, ob sie etwas sagen sollte oder nicht. Sie wollte schließlich lieber, dass er sie besuchen kam, wenn auch schweigend, als dass er gar nicht kam. Immerhin war das etwas, worauf sie sich freuen konnte, wenn den ganzen Tag sonst schon nichts passierte. Einen inneren Kampf mit sich kämpfend, platzte dann aber einfach aus ihr heraus, was sie hatte sagen wollen.

„Ich hab dich vermisst.“

Einen Moment später realisierte sie auch, was sie da eigentlich gesagt hatte. Dass seine Augenbraue nach oben zuckte, unterstützte sie dabei ungemein. Auf ihre Wangen legte sich ein leichter Rotschimmer, während sie versuchte, sich zu erklären.

„Also ich meinte das nicht so, wie es sich vielleicht anhörte. Es ist einfach nur total langweilig hier und es passiert einfach rein überhaupt nichts. Da bist du schon eine ungemeine Abwechslung zum restlichen Tag.“ Tenten wartete einen Augenblick, ob er etwas dazu sagen wollte. Natürlich schwieg er wieder, so fuhr sie fort: „Und das sage ich, obwohl du einfach nur da stehst und schweigst. Ist nicht wirklich viel, aber für mich ist es momentan dennoch... keine Ahnung. Und ja, ich weiß, du bist nicht der Einzige, der hier herkommt, aber die anderen sind irgendwie... anders.“

„Anders?“, hakte er nach und Tenten glaubte im ersten Moment, sie hätte sich verhört, weil sie nicht damit gerechnet hatte, überhaupt eine Antwort zu bekommen. Überhaupt irgendwas zurückzubekommen.

„Wow“, brachte sie intelligent hervor, stand auf und ging zum Gitter, „du kannst ja sprechen... also, dass du sprechen kann, wusste ich ja schon, aber du antwortest mir ja sogar. Naja, sofern man es als Antwort bezeichnen kann, aber... wow.“

Darauf sagte er natürlich wieder nichts, so dass Tenten wieder das Wort ergriff.

„Weißt du, jetzt wo wir miteinander reden und einander dutzen, sollte ich doch deinen Namen kennen, oder?“, setzte sie an, in der Hoffnung, endlich mal eine richtige Antwort zu bekommen.

„Neji Hyuuga.“

„Neji?“, strahlte Tenten ihn fast schon an, hatte sie doch im Grunde nicht daran geglaubt, eine Erwiderung zu erhalten. Das war ja ein enormer Fortschritt. „Freut mich, ich bin...“

„Tut es nicht.“

Tenten blinzelte verwirrt. „Wie bitte?“

„Es freut dich sicher nicht, mich kennenzulernen, Tenten“, rechtfertigte Neji seine Worte, „Immerhin habe ich dich ins Gefängnis geworfen.“

„Schon überlegt, was der Mann mit mir gemacht hätte, hättest du es nicht getan?“, konterte Tenten und verschränkte die Arme vor der Brust. Behauptete der Typ doch tatsächlich, sie würde lügen. Frechheit.

Neji erwiderte nichts.

„Hab ich mir gedacht“, fuhr Tenten einen Moment später fort, „also glaub bloß nicht, dass hier sei das Schlimmste, was mir hätte passieren können. Mag sein, dass ich hier drinnen noch durchdrehe und irgendwann die Wände hoch laufe, aber wenigstens muss ich vor dir keine Angst haben.“

„Woher willst du das wissen?“

„Ich weiß es.“
 


 

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Ich weiß es, hallte es durch Nejis Kopf. Immer und immer wieder. Tenten hatte es geschafft, ihn komplett zu verwirren. Sie bedankte sich bei ihm, lächelte ihn an, war freundlich, trotz der Tatsache, dass er sie ins Gefängnis geworfen hatte. Und auch sonst schien sie so... anders als die Menschen, die er kannte. Wenn er es nicht besser wüsste, würde er sagen, irgendetwas stimmte bei ihr nicht, so freundlich wie sie in ihrer jetzigen Situation blieb. Andererseits wusste er es auch nicht besser. Er kannte sie prinzipiell überhaupt nicht, wusste nicht, wieso es ihn immer wieder zu ihr zog. Wieso er sich inzwischen freute, wenn er sie besuchen ging. Dabei war er das erste Mal doch überhaupt nur dorthin gegangen, weil er Ino aus dem Weg gehen wollte und wusste, wie sehr Ino das Gefängnis hasste.

Und jetzt? Jetzt lief irgendetwas gehörig schief. Aber so richtig.

Als er Tenten das nächste Mal besuchte, war Tenten der Meinung, dass sie sich besser kennenlernen sollten, jetzt wo sie schon den Namen des jeweils anderen kannten. Da er keine Anstalten machte, irgendetwas zu sagen, fing sie einfach an, fröhlich drauf loszuplaudern und erzählte und erzählte.

Und er? Er blieb und hörte zu. Nach einer Weile fragte er sich, was er da eigentlich machte und ging wieder, bis er am Abend feststellte, dass er sich alles gemerkt hatte, was sie gesagt hatte. Von Anfang bis Ende. Komplett. Ohne Ausnahmen, wie er es bei Ino machte, um die wichtigen Parts nicht zu verpassen.

Am nächsten Tag wiederholte sich die Prozedur und er blieb wieder länger, als er eingeplant hatte, bemerkte gar nicht, wie die Zeit verging, während sie ihm von ihrem Leben erzählte. Nach ein paar Tagen stellte er fest, dass er ihr gar nichts zu erzählen hätte, selbst wenn er es wollen würde. Zumindest nichts, was sie wohl interessieren würde, so wie er sie einschätzte. Und er dachte das erste Mal darüber nach, ob es ihn wohl interessieren würde, wenn er sich selbst von seinem Leben berichten könnte.

Als er einen Tag verhindert war, bekam er das, kaum war er durch die Tür, sofort zu hören und wie langweilig es doch ist und dass er sie doch nicht einfach alleine lassen kann. Er sagte dazu nichts, aber innerlich freute er sich, dass sie ihn vermisst hatte; auch wenn er sich diese Tatsache erst ein paar Tage später eingestand, als Ino vehement darauf beharrte, dass er Tenten mögen würde, so häufig, wie er sie besuchte, und ihn damit aufzog, und schließlich sogar Hinata ihn darauf ansprach. Und wenn Hinata sich das Herz gefasst hatte, mit ihm über sowas zu sprechen, dann musste tatsächlich irgendwas nicht stimmen.
 


 

Es war der erste Tag, an dem sie von ihren Freunden berichtete und nicht von ihrer ferneren Vergangenheit, als er erkannte, dass Tenten nicht hier bleiben konnte. Es war diese simple Erkenntnis, die ihn dazu brachte, sich endlich mit dem Problem auseinander zu setzen, welches Ino schon viel früher erkannt hatte – und die Tatsache, dass Ino recht haben könnte, nagte in gewisser Weise an ihm, denn es machte die Angelegenheit nur... noch schlimmer. Er dachte einen Tag lang darüber nach, ehe er Tenten mit seiner Entscheidung konfrontierte. Mitten in der Nacht.

„Du kannst hier nicht bleiben.“

Tenten stoppte in ihrem Redefluss und sah ihn fragend an. Er wusste, dass sie sich nicht sicher war, ob er das tatsächlich gesagt hatte, denn wenngleich er ab und an inzwischen einen Kommentar zu ihrer Geschichte abgab, so war es doch selten der Fall, dass er von sich aus sprach. Also wiederholte er seine Worte.

„Du kannst hier nicht bleiben.“

Neji hatte sich nicht überlegt, wie sie reagieren würde, und selbst wenn, wäre er nur zu einem falschen Ergebnis gekommen. Tenten lächelte ihn nur freundlich an, eine gewisse Traurigkeit in ihren Augen, und sagte: „Ich kann hier nicht weg.“

„Du kannst“, konterte Neji und ging zur Untermalung seiner Worte zu ihrer Gefängnistür und schloss diese auf.

Tenten sah ihn mit großen Augen an und schien ein wenig sprachlos. Sie sah kurz zwischen der offenen Tür und ihm hin und her, ehe sie etwas sagte. „Du bekommst Ärger.“

„Kann sein.“

„Nicht nur kann sein, sondern wird so sein“, verbesserte ihn Tenten und verweilte stur auf ihrem Fleck. „Und deshalb kann ich auch nicht gehen.“

„Du kannst“, wiederholte Neji seine Worte. „Denn die Tatsache, dass du eingesperrt bist, nagt mehr an dir als meine Bestrafung an mir nagen wird.“

„Aber...“, setzte Tenten an, verstummte jedoch wieder, weil ihr kein Grund einfiel, warum sie bleiben sollte. Außer vielleicht dem Mann vor sich, den sie irgendwie mochte. Hätte sie ihn doch nur unter anderen Umständen kennengelernt... Tenten kaute nervös auf ihrer Unterlippe. „Dich zu fragen, ob du mitkommst, wäre wahrscheinlich Verschwendung, richtig?“

Neji wusste einen Moment nicht, was er sagen sollte, hatte er mit einer solchen Frage doch nun wirklich nicht gerechnet.

„Ich kann nicht“, kam schließlich die Antwort und Tenten war sich sicher, dass sie einen traurigen Unterton wahrgenommen hatte – abgesehen davon, dass sie liebend gern einen solchen gehört hätte.

Tenten zögerte noch einen Moment, ging dann auf Neji zu, stellte sich vor ihn und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.

„Danke“, hauchte sie noch und im nächsten Augenblick war sie verschwunden und ließ einen leicht verwunderten Neji zurück, der nicht wusste, wie es mit ihr weitergehen würde. Oder wie es mit ihm nun weiterging. Er wusste auch nicht, ob er sie jemals wiedersehen würde.

Aber er wusste, dass es das Richtige gewesen war, sie gehen zu lassen, ganz gleich, was kommen mochte.

Er wusste es einfach.

18. Dezember - Afraid to lose

Sie spürte Schmerz. Wo war sie? Was war passiert? Ihre Erinnerung war sehr lückenhaft. Sie versuchte, ihre Augen zu öffnen und stöhnte. Vorsichtig blinzelte sie und schloss sofort wieder ihre Augen. Es war zu hell, viel zu hell. Das grelle Licht stach in ihren Augen und vergrößerte nur den Schmerz. Einen Moment lang hielt sie die Augen zugekniffen, bis sie sich schließlich wieder entspannte und einfach nur ruhig blieben lieg. Jetzt spürte sie auch, dass sie auf etwas Weichem lag.

Ihr Kopf pochte. Dann spürte sie, wie sich das Etwas, auf dem sie lag, bewegte. Sie drehte ihren Kopf und wollte noch einmal versuchen, ihre Augen zu öffnen.

„Lass nur, Tenten, es ist alles okay“, hörte sie eine ihr bekannte Stimme.

„Neji?“, fragte sie leise, wobei sie merkte, dass ihre Stimme kaum mehr als ein raues Flüstern war. Sie stöhnte erneut: „Was ist passiert? Wo bin ich?“

Tenten spürte, dass ihr eine warme Hand über den Kopf strich.

„Du bist im Krankenhaus. Die Mission ist erfüllt, aber du wurdest dabei schwer verletzt“, Neji klang beherrscht, „alle dachten, du würdest sterben.“

Tenten verstand. Leicht lächelte sie, obwohl es eher wie eine Grimasse aussehen musste.

„So schnell wirst du mich nicht los.“
 

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"Every man is afraid of losing something. That's how you know he is in love with you; when he is afraid of losing you." (Unknown)
 

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So, das war's für diesen Adventskalender von meiner Seite aus. Ich hoffe, es hat euch gefallen und wünsche euch noch viel Spaß mit den restlichen Türchen :)
 

Vielen Dank für's Lesen! :)
 

Liebe Grüße,

Sayuri

19. Dezember - Blind vor Gier (Teil 2)

Dicke Schneeflocken schwebten sachte Richtung Erde und bedeckten die Wiese neben der Kirche mit einer feinen Decke aus weißen Eiskristallen.

Neji beobachte die Flocken, als der Pastor die Trauerrede hielt. Die Worte prallten an ihm ab. Er wollte es nicht zu sehr an sich ran lassen, da er befürchtete, dass sonst sein Herz brechen würde.

Der Trauergottesdienst für Tenten war schlicht, aber dennoch liebevoll gestaltet.

Neji ließ den Blick durch die Kirche streifen und entdeckte ihre Eltern, die in der ersten Reihe saßen und bittere Tränen weinten. Die anderen Trauergäste waren perplex, denn niemand hatte mit ihrem plötzlichen Tod gerechnet. Er bemerkte ihren Lehrer und ihren gemeinsamen Teamkameraden, die neben den Eltern Tentens saßen und ebenfalls schluchzten.

Er selbst war froh, nicht bei seinem Team sitzen zu müssen, sondern unauffällig mit Hinata einen Platz in den hinteren Reihen erwischt zu haben.

Was an dieser Trauerfeier seltsam war, war, dass sogar Hinatas Vater Hiashi, das Oberhaupt des Hyuuga-Clan und einige andere Hyuuga Mitglieder selbst anwesend waren und sich mit ernster Miene das Geschehen ansahen.

Neji spürte, dass Hiashis Anwesenheit nichts Gutes heißen mochte und er schluckte schwer.

„Warum ist dein Vater hier?“, flüsterte er leise zu Hinata, die neben ihm in der Kirchenbank saß.

„Er wollte bloß sichergehen, dass niemand dich verdächtigt“, wisperte sie so leise, dass ihr Vater, der neben ihr saß, sie nicht hören konnte.

Sie sah wieder nach vorne und beachtete ihn nicht weiter, doch er wusste, dass sie sicher noch mit ihm unter vier Augen reden wollte.
 

Die Trauergemeinde löste sich nach dem Gottesdienst rasch wieder auf und Neji und Hinata waren die einzigen die vom Clan übrigblieben.

Obwohl niemand mehr in der Kirche war, setzte sich Neji wieder an seinen Platz und faltete die Hände.

Hiashi hatte kein Wort zu ihm gesprochen, doch glücklicherweise kam scheinbar niemand auf den Gedanken, dass Neji etwas mit dem Tod von seiner besten Freundin zu tun gehabt hätte. Offiziell hatte sie ein Tier angefallen und sie war ihm vollkommen schutzlos ausgeliefert gewesen.

Was er allerdings nicht verstand, war, dass sich offensichtlich niemand fragte, weshalb sie mitten in der Nacht alleine auf dem Anwesen der Hyuugas war. Aber im Grunde war er froh, dass sich niemand diese Frage stellte.

Wenn er es genauer betrachtete, hatten sie mit dem Tier gar nicht so unrecht, bloß das er sich eher als ein Monster sah.

Er rang mit sich. Am liebsten hätte er die Trauerfeier direkt verlassen, doch er wollte Tenten wenigstens für einen Moment die letzte Ehre erweisen. Soviel war er ihr schuldig.

Er rührte sich nicht von seinem Platz, auch nicht, als alle anderen die Kirche bereits verlassen haben.

Wie in Trance starrte er auf den Altar, wo vor einer Stunde noch Tentens Sarg stand.

Er war geschlossen, da Tenten angeblich von dem Tier so zugerichtet war. Doch er wusste, dass dies bloß ein Vorwand war, um den Anwesenden den Anblick der jungen Tenten zu ersparen. Es war eine Tragödie.

„Wir sollten auch gehen“, sagte Hinata leise. „Die anderen sind bereits fort.“

„Ich möchte noch einen Moment bleiben.“

„Mir ist nicht wohl bei diesem Ort“, murmelte sie und sah sich um. „Darf man überhaupt länger hier sein?“

„Natürlich. Dies ist ein Gotteshaus.“

„Genau das macht mir Sorgen.“

„Seit wann bist du abergläubisch?“, fragte Neji sie und musste skeptisch lächeln.

„Rede keinen Unsinn. Lass uns lieber gehen“, sagte Hinata und verließ die Kirche.

Neji sah noch einmal zum Altar, stand dann auf und verließ mit langsamen Schritten ebenfalls das Gebäude.

Die Sonne stand noch hoch am Himmel und keine Wolke war zu sehen. Zwar hatte es zu schneien aufgehört, aber der Schnee schmolz nicht bei den warmen Sonnenstrahlen.

Glaubte man den Legenden, müsste Neji bei Sonnenlicht zu Staub zerfallen, oder am ganzen Körper brennen. Doch dies geschah nicht.

Er fühlte sich nur tagsüber schwächer, fast etwas erdrückt, doch es war kein unangenehmes Gefühl. Erst in der Nacht erreichte er die Kraft, die sein Wesen ausmacht.

Zusammen ging er mit Hinata zurück zum Anwesen der Hyuuga, wo seinesgleichen

lebten.

Das alle Hyuugas blasse Haut hatten, lag nicht daran, dass sie selten in der Sonne waren. Sie scheuten das Sonnenlicht nicht, doch ihre Hautfarbe war ein Bestandteil ihres Seins. Genau wie die weißlich-grauen, undurchschaubaren Augen. Es war wie ein Fluch, ein Merkmal, um schnellstmöglich zu erkennen, wer zum Clan gehörte und wer nicht.

Neji wusste nicht, ob es noch mehr Clans wie seinen gab. Wahrscheinlich ja, doch er konnte es nicht mit Gewissheit bestätigen.

Er lebte bereits ein gefühltes Jahrhundert in dieser Familie, sie waren alle Jahrzehnt in eine andere Stadt gezogen, damit niemand Verdacht schöpfte, da sie nicht alterten. Der Clan war seine Familie, ein Stück Heimat für ihn, doch er musste fort. Um sich selbst zu schützen und um sein eigenes, kleines Geheimnis wahren zu können.

„Ich werde die Stadt verlassen. Ich kann nicht in dieser Umgebung bleiben“, sagte er leise.

Hinata sah ihn skeptisch an. „Wieso das?“

„Mich erinnert hier alles an sie. Ich muss alleine gehen und lernen mit meiner Bürde zu leben, ich habe sie getötet.“

„Wirst du unser Geheimnis weiter wahren?“

„Natürlich. Sag Hiashi nichts von meiner Flucht und erzähl ihm nicht, dass du bereits vorher etwas wusste.“

Sie schwieg und er war dankbar dafür, dass sie ihm nicht wiedersprach.
 

„Lässt du mich einen Moment alleine?“, fragte er, als sie seine Zimmertür erreichten.

„Natürlich.“

Hinata sah ihn noch einmal unsicher an, ging dann aber langsam den Flur entlang.

Neji öffnete seine Zimmertür und betrat den Raum. Er holte einen kleinen schwarzen Koffer unter seinem Bett hervor und legte ihn geöffnet auf das Bett.

Schnell suchte er seine wichtigsten Sachen zusammen, bloß das Nötigste, den Rest konnte er sich immer noch in seiner neuen Heimat besorgen.

Er hatte sich in all den Jahren einen kleinen Geldbetrag zur Seite gelegt. Zwar hatte er nie damit gerechnet, dass er eines Tages fliehen würde, aber er wusste auch nicht, dass jemand wie Tenten plötzlich in sein Leben platzen würde.

Hinata kam ins Zimmer, sie war nun noch besorgter als zuvor.

„Ich will nicht, dass du gehst“, sagte sie leise. „Es ist gefährlich dort draußen. Es ist sicherer, wenn der Clan zusammen bleibt.“

„Sicherer?“, fragte Neji skeptisch. „Der Clan hat mich nicht dabei aufgehalten, als ich Tenten tötete.“

„Aber der Clan schützt dich davor, dass es jemand rausfindet.“

„Ich bin ohne den Clan besser dran.“

Hinata sah ihn enttäuscht an. „Du kannst nicht leugnen was du bist.“

„Was bin ich denn? Ein seelenloses Wesen, dass sich nach Blut sehnt, aber seinem Verlangen nicht nachgehen darf.“

„Hiashi hat dich aus gutem Grund zu dem gemacht, was du bist.“

„Aus gutem Grund?“, fragte er nach. „Wieso hat er dich erschaffen?“

„Ich war krank, kurz vor dem Sterben. Es war hoffnungslos.“

„Ich war gesund. Er wollte mich offensichtlich bloß für seine Sammlung oder als Testobjekt.“

„Hiashi sagte mir, dass er nur Leuten half, die am Abgrund stehen.“

„Er hat mich zum Abgrund geführt, aus diesem Grund bist du auch seine Tochter und ich bloß sein Neffe.“

„Gehst du deswegen?“

„Ich habe etwas Schreckliches getan. Etwas, dass ich selbst nicht wollte.“

„Meinst du ihren Tod?“

Er schwieg, er wollte ihre Frage nicht verneinen.

„Lebe wohl.“ Neji nahm seinen Koffer, strich Hinata ein letztes Mal sachte über die Schulter und verließ unbemerkt das Anwesen.

Er durfte gehen, schließlich war er kein Gefangener, bloß ein seelenloses Kind, das in Hiashi seinen Meister sah. Doch dieses Band war nun für immer durchtrennt.
 

Die Nacht war dunkel und Mondlos, aber sternenklar. Der Schnee verhinderte, dass seine Schritte vom Asphalt wiederhallten. Er wartet, am vereinbarten Treffpunkt auf die Person, die ihm bei seiner Flucht begleiten wollte. Die Person war der eigentliche Grund, weswegen er floh, doch er musste dieses Geheimnis wahren.

„Neji“, rief eine vertraute Stimme sachte aus der Dunkelheit heraus.

„Die Luft ist rein“, sagte er leise, doch er war sicher, dass sie ihn hörte.

Das Mädchen trat einen Schritt ins Licht und lächelte. Sie hatte sich nicht verändert, auch nicht nach ihrem Tod. Tenten war scheinbar beruhigt, dass sie wieder vereint waren.

Er musterte sie kritisch, um ein Anzeichen einer Schwäche zu finden, doch ihr schien es gut zu gehen. Er blickte in ihre weißen Augen und trat einen Schritt auf sie zu.

„Hat es jemand bemerkt?“, fragte sie leise.

„Nein, sie ahnen nichts.“ Er strich ihr sanft mit dem Handrücken über ihre Wange. „Dir geht es gut?“

„So gut wie es jemanden in diesem Zustand gehen kann.“

„Es tut mir leid, verzeih mir.“

„Es gibt nichts zu verzeihen.“

Niemand wusste, dass Neji hinter das Geheimnis gekommen war, wie Hiashi neue Wesen erschaffen konnte.

Er hatte in der Sternennacht bloß die Wahl gehabt, Tenten zu verwandeln, sonst hätte er sie wirklich getötet. Er wusste, dass es egoistisch war, doch er wollte sie nicht verlieren. Nicht jetzt, da sie sich endlich gefunden hatten.

„Lass uns gehen“, flüsterte sie lächelnd und nahm seine Hand.

Er hatte nur eine Chance sich selbst und sie zu schützen. Sie mussten fliehen und dann konnte er mit ihr zusammen sein.

Für alle Ewigkeit vereint...
 

- Ende -
 

Eure abgemeldet

20. Dezember - Yakuza, die japanische Mafia (Teil 2)

Nachdenklich sah Tenten dem Schneetreiben vor ihrem Fenster zu. Immer mehr weiße Flocken rieselten auf den bereits mit Schnee bedeckten Boden.

Im Gegensatz zu sonst konnte sie sich jedoch nicht an der weißen Pracht erfreuen. Denn momentan kreisten ihre Gedanken nur um eine einzige Person: Neji.

Sie wusste, dass man ihn zu einem Auftrag geschickt hatte. Was genau das für ein Auftrag war, wusste sie nicht. Aber nach Nejis Miene zu urteilen als er ging, konnte man schließen, dass es keine angenehme Aufgabe sein konnte. Vor seiner Abreise hatte er sich immer mehr zurückgezogen. Sie hatte gedacht, dass nach dem Gespräch am Küchentisch sie sich vielleicht öfters in dieser Weise unterhalten könnten. Doch er hatte sich nach dem Gespräch im Wohnzimmer total abgekapselt. Nicht nur vor ihr, sondern anscheinend vor der ganzen Welt.
 

Sein Verhalten beunruhigte sie. Neji war kein Mensch, der so leicht aus der Fassung geriet - das wusste sie. Was also musste man ihm zugemutet haben, dass er so reagierte?

Tenten kannte auf diese Frage keine Antwort, da sie nicht genau wusste, womit die Organisation überhaupt zu tun hatte. Natürlich ging es um illegale Geschäfte, aber das war ein weites Feld, indem es viele Möglichkeiten gab. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, zu welchen Dimensionen die Vorhaben der Organisationen ausufern konnten. Prostitution? Diebstahl? Oder sogar Mord? Sie hoffte es nicht, doch konnte sie es auch nicht ausschließen.

Sie konnte und wollte sich Neji nicht in dieser Sparte vorstellen. Es passte einfach nicht zu ihm. Als Außenstehender könnte man von Neji denken, dass er kalt und knallhart war. Doch das war er einfach nicht. Er hatte sich lediglich einen Eispanzer zugelegt, um sich zu schützen. Die anderen Leute kannten ihn nicht.
 

Aber kannte sie ihn? Diese Frage schob sich in Tentens Bewusstsein. Konnte sie wirklich davon sprechen, ihn zu kennen? Gut, sie wusch seine Wäsche, kochte für ihn, räumte für ihn auf, hatte ein paar Mal mit ihm gesprochen und lebte mit ihm in einem Haus, doch konnte man dadurch einen Menschen wirklich kennenlernen?

Man erfuhr sicherlich gewisse Aspekte, aber noch längst nicht alles. Warum hatte sie dann aber das Gefühl ihn tief bis in sein Innerstes zu kennen? Hatte sie nicht noch am Anfang gesagt, dass sie überhaupt nicht schlau aus ihm wurde? Warum also plötzlich diese Sinneswandlung, wo ihr Verstand ihr doch ganz klar sagte, dass es eine Sache des Unmöglichen war?

Und wo Tenten so darüber nachdachte, hatte sie plötzlich eine Antwort: Ihr Herz hatte ihn erkannt. Hatte ihn als denjenigen identifiziert, der zu ihr gehörte. Er war ihr fehlender Teil.

Eine ältere Sklavin hatte ihr damals gesagt, dass man sich Menschen einmal als Kugel vorstellen müsste. Sie alle waren einmal ganz. Dann fuhr jedoch ein Blitz durch sie hindurch und teilte sie in zwei gleiche Teile. Nun hat jeder die Aufgabe seinen anderen Teil zu finden.

Als Kind hatte Tenten diese Vorstellung gefallen, doch je älter sie wurde, desto weniger konnte sie an so etwas glauben. Irgendwann hatte sie die Theorie der Älteren als deren närrische, romantische Phantasien abgelegt.
 

Aber was, wenn es wirklich so war? Nun, sie waren sicherlich alle keine Kugeln, aber was, wenn es tatsächlich für jeden jemanden gab, der zu einem gehörte? Oder war das nur eine Wunschvorstellung von frustrierten Singles?

Und warum machte sie sich darüber überhaupt Gedanken? Sie war doch wohl nicht so blöd, sich als Sklavin in ihren Sensei zu verlieben - oder?! Tenten horchte einen Moment in sich hinein. Dann schlug sie ihren Kopf gegen die Fensterscheibe. „Nein, nein, nein! Das darf doch nicht wahr sein!"

Sie hatte sich tatsächlich in ihn verliebt. Wann zur Hölle war das denn passiert? Sie dachte einmal scharf nach. Bei dem Gespräch am Küchentisch hatte sich schon so ein warmes Gefühl in ihr breit gemacht. Doch das Gefühl des Verliebtseins war erst später gekommen.

Aber kurz nach dem Gespräch war Neji doch gegangen? Konnte man sich in der Abwesenheit einer anderen Person in diese verlieben?

Anscheinend schon, denn genau so war es Tenten ergangen. Je länger er fort war, desto mehr vermisste sie ihn. Sie hatte begonnen näher über ihn nachzudenken und darüber, was sie alles genau an ihm vermisste. Und in diesem Zeitraum musste es wohl passiert sein.
 

Eigentlich sollte sie sich darüber freuen. Sie hatte schon immer mal verliebt sein wollen. Doch diese Liebe konnte gar nicht glücklich ausgehen. Nur närrische und verträumte Personen konnten daran glauben. Und Tenten hielt sich weder für das eine, noch für das andere. Aber wenn nichts daraus werden konnte, was sollte sie dann tun? Es einfach zu vergessen war auch nicht möglich. Das wäre töricht gewesen. Aber was sollte sie dann tun? Wenn sie ihre Gefühle weder vergessen, noch sie zulassen konnte?

Vielleicht machte sie sich ja auch einfach zu viele Gedanken. Man konnte schließlich nicht alles planen. Sie sollte es erstmal auf sich zukommen lassen. Wer wusste schon, wann Neji überhaupt wiederkommen würde.

Mit einem Seufzer sah Tenten wieder in das Schneetreiben hinaus. Sie hoffte nur, er würde bald zurückkommen.
 

~*~
 

Auch Neji sah in das Schneetreiben hinaus. Auch er fand momentan keinen Gefallen daran. Seine Bahn hatte aufgrund des Schneechaos über eine Stunde Verspätung gehabt und er hatte entsetzlich gefroren. Aber mit dem Auto wäre er wohl auch nicht besser dran gewesen.

Immerhin hatte er mittlerweile herausgefunden, wo Shikamaru Nara wohnte. Wie er jedoch genau vorgehen wollte, wusste er nicht. Er konnte schließlich nicht einfach zur Tür rein und ihn erschießen, so wie es immer im Fernsehen war. So einfach ging es dann doch nicht.

Außerdem wollte er zuerst etwas über Shikamaru herausfinden. Er musste wissen, wie dieser Typ dachte. Er hatte schließlich keine Informationen über ihn. Er wusste weder etwas über seinen Charakter, noch über seine Statur. Und so etwas musste man schließlich wissen, wenn man jemanden umbringen wollte. So makaber es auch klingen mochte.

Eigentlich widerstrebte es Neji diesen Shikamaru umzubringen, nur weil er zu einer anderen Organisation gehörte. Aber wenn er die Aufgabe nicht erfüllen würde, würde er es sein, der tot wäre. Und das wollte er eigentlich doch vermeiden.
 

Eine Zeit lang hatte er sich nicht mehr viel aus seinem Leben gemacht. Ganz einfach, weil es keinen speziellen Grund für ihn gab zu leben. Er hatte keine Lebensaufgabe gehabt oder eine spezielle Person für die er leben wollte. Er hatte einfach nur existiert und war in einen Trott gefallen. Aber dann war Tenten gekommen und hatte sein Leben auf den Kopf gestellt. So kitschig sich das auch anhören mochte, aber es war so.

Mit ihrer Art zu leben hatte sie seine Weltansicht verändert. Er hatte immer geglaubt, dass das Schicksal die Karten für ihn ausspielte. Doch sie hatte ihm erklärt, dass das Schicksal nur die Karten gab, man jedoch selber entschied wie man diese einsetzte.

Er hatte lange darüber nachgedacht und war schließlich zu dem Schluss gekommen, dass sie Recht haben könnte.
 

Dadurch dass sich diese grundlegende Einstellung bei ihm geändert hatte, hatte sich irgendwie auch alles andere gewandelt. Er war sich plötzlich bewusst geworden, dass er sein Leben selbst in der Hand hatte. Mit der Einschränkung, dass die Organisation großen Einfluss auf ihn hatte. Und so hatte er auch herausgefunden, wie beengend die Organisation war. Sie wachte über jeden Schritt den man tat. Im Grunde gaben sie einem genau den Weg vor, den man zu gehen hatte. Und wagte man sich einmal zu nah an den Klippenrand, gaben sie einem den Stoß, der einen endgültig herunter schubste.

Wegen Ihnen saß er jetzt auch in diesem Zug und nicht zu Hause im Anwesen. Eigentlich hatte er nie viel darauf gegeben wo er gerade war. Aber jetzt gerade wäre er schon gerne bei Tenten gewesen. Irgendwie übte diese Frau eine unglaubliche Anziehung auf ihn aus.

Eigentlich reagierte er nicht so auf Frauen. Er fand sie meistens berechnend und langweilig. Aber Tenten war anders. Inwiefern genau konnte er nicht sagen. Vielleicht lag es wirklich daran, dass sie ihm in manchen Dingen so ähnlich war und in anderen überhaupt nicht.
 

Da war zum Beispiel ihr Lebensstil. Er wurde in einer reichen, kriminellen Familie geboren. Sie war die Sklavin einer solchen Familie. Er hatte die beste Bildung genossen die es gab. Sie lernte gerade Lesen und Schreiben. Er war ernst und introvertiert. Sie fröhlich und extrovertiert.

Und dennoch waren sie beide gefangen in einem Käfig. Bei ihm war der Käfig golden, bei ihr rostig, aber das änderte nichts daran, dass sich beide von alleine nicht befreien konnten.

Aber vielleicht könnten sie gemeinsam einen Weg finden. Leider war es schwer ein gemeinsam zu ermöglichen. Darauf hatte sein Onkel ihn erst vor kurzem hingewiesen. Und ihm dabei endlich etwas über seine Mutter erzählt…
 

~Rückblick~
 

Nachdem Gespräch mit Sasori und Deidara bat Hiashi seinen Neffen am nächsten Tag in sein Büro. „Schließ die Tür hinter dir“, wies er Neji an, der gerade den Raum betreten hatte. Gehorsam tat Neji wie ihm befohlen und steuerte dann den Stuhl vor dem großen Schreibtisch an. „Möchtest du mit mir über den Auftrag sprechen, den ich erhalten habe, Hiashi-sama?“ Neji zögerte immer noch ihn mit Onkel anzusprechen. Dafür hatte er seinen Onkel zu lange gehasst. Auch wenn es unbegründet war – wie er erst später erfahren hatte – waren sich die beiden dennoch nie wirklich näher gekommen.

„Nein. Ich möchte mit dir über Tenten sprechen.“

Neji richtete sich kerzengerade auf. „Was ist mit ihr?“, fragte er skeptisch.

„Ich habe euch gestern in der Küche gesehen. Und ihr habt auf mich sehr vertraut gewirkt.“

„Wir haben uns nur unterhalten.“

„Hm. Für mich sah es aus, als würdet ihr euch sehr gut unterhalten und gut verstehen.“

„Ist das schlimm?“

„Nein. Natürlich nicht. Ich möchte nur nicht, dass du den gleichen Fehler machst wie ich und dein Vater.“

Neji hob fragend die Augenbraue. „Was für einen Fehler?“
 

Hiashi seufzte einmal tief. „Ich habe dir nie von deiner Mutter erzählt. Aber ich glaube, es ist an der Zeit, dass du es weißt.“

„Meine Mutter?“, fragte Neji fassungslos nach.

„Ja. Hizashi und ich waren ungefähr in deinem Alter, als unser Vater sie zu uns holte. Er hielt es für angemessen eine Sklavin in unserem Alter zu besitzen.“ Neji hielt den Atem an. „Meine Mutter war eine Sklavin?“

„Ja, leider. Sie war ziemlich eingeschüchtert, als sie herkam. So ähnlich wie es bei Tenten war. Dein Vater und ich taten unser Bestes, um ihr zu zeigen, dass sie bei uns in Sicherheit war. Sie hatte etwas Faszinierendes an sich. Nicht nur weil sie so hübsch war. Sondern auch deswegen, weil sie von ihrem Wesen her so ganz anders war, als wir es kannten. Sie war so gutherzig. Und das in einer Welt, die voll von Skrupel und finsteren Machenschaften ist. Doch sie sah immer das Beste im Menschen und war sehr idealistisch. Sowohl dein Vater als auch verliebten uns in sie.“
 

„Ihr wart beide in dieselbe Frau verliebt?“

„Ja, leider. Zunächst versuchten wir es beide zu verstecken, doch irgendwann kam es dann heraus. Wir waren furchtbar wütend aufeinander. Es ging sogar so weit, dass wir uns ihretwegen prügelten. Unser Vater ging schließlich dazwischen. Nach der Prügelei haben wir eine zeitlang nicht miteinander gesprochen. Dafür waren wir zu verletzt. Aber es konnte schließlich keiner etwas dafür, dass wir uns beide in dieselbe Frau verliebt hatten.

Wir begannen beide sie zu umwerben, doch sie blockte immer ab und sagte, dass eine Sklavin nichts mit ihren Senseis anfangen durfte. Wir beide widersprachen ihr – in dieser Hinsicht waren wir uns einig. Was machte schon der Standesunterschied, wenn man verliebt war?

Ich wollte sogar mit ihr fliehen, doch sie erzählte mir, dass mein Vater ihr einen Chip eingepflanzt hatte, mit der er sie jederzeit ordnen könnte. Das machte mich wütend und ich stellte ihn zur Rede. Genau in dem Moment, wo ich mich darüber beschwerte, begriff er, dass ich mich in deine Mutter verliebt hatte. Und das durfte er natürlich nicht zulassen. Ich war sein ältester Sohn. Ich sollte in seine Fußstapfen treten. Aus diesem Grund arrangierte er eine Ehe für mich. Natürlich wehrte ich mich dagegen, doch es war vergebens. Wenn man Vater etwas beschloss, wurde dieses umgesetzt.

Als meine zukünftige Frau dann ankam richtete ich all meinen Zorn gegen sie. Doch mit der Zeit merkte ich, dass sie das nicht verdient hatte. Sie war ein sehr sanftmütiges Wesen und wurde unter meinem Zorn nur immer verschüchterter. Ich bekam ein schlechtes Gewissen und beschloss von da an ein guter Ehemann für sie zu sein und deine Mutter zu vergessen.“
 

Hiashi nahm einen Schluck Wasser, bevor er weiter sprach: „Dein Vater hatte von nun an freie Bahn bei ihr und das nutzte er natürlich aus. Ich nahm ihm das nicht übel. Wäre ich an seiner Stelle gewesen, hätte ich das Gleiche getan. Aber ich war ja so blöd gewesen, mich bei unserem Vater zu verraten.

Deine Mutter ging schließlich auf sein Werben ein, da sie sich ebenfalls in ihn verliebt hatte. Die beiden führten eine zeitlang eine geheime Affäre. Dann wurde sie schwanger mit dir und es wurde für die beiden schwieriger das Ganze zu verschweigen. Zunächst war Hizashi noch ganz begeistert davon ein Kind zu bekommen. Doch dann bekam er Angst, was unser Vater dazu sagen würde und sie verschwiegen es solange sie konnten.

Doch irgendwann konnten sie es natürlich nicht verstecken. Unser Vater vermutete zunächst deine Mutter hätte sich mit irgendeinem Kerl eingelassen und wollte sie verstoßen, doch Hizashi kam dazu und klärte sie Sache auf. Mein Vater war verdammt wütend auf ihn, doch er konnte sie Sache auch nicht mehr rückgängig machen. Ich glaube, heimlich hat er gehofft, du würdest keine Ähnlichkeit mit den Hyuugas haben, damit er deine Mutter doch noch verstoßen könnte.

Doch als du dann geboren wurdest, war diese Hoffnung auch vorbei. Du bist ganz und gar ein typischer Hyuuga, also konnte er dich nicht weggeben und deine Mutter damit auch nicht.

So erlaubte unser Vater eine Hochzeit zwischen Hizashi und ihr. Doch anscheinend hat das den anderen Mitgliedern der Organisation nicht gefallen.“
 

„Warum nicht? Was ging sie das an?“ Es war das erste Mal das Neji sprach, seit Hiashi zu erzählen begonnen hatte.

„Die Organisation ist eine Familie, Neji. Und wenn es einen betrifft, betrifft es alle. Sie waren nicht begeistert eine Sklavin in ihren Reihen zu haben. Sie wollten nicht, dass sie zu viel von dem Geschehen mitbekam.“

„Aber Sklaven bekommen doch oft viel mit.“

„Das stimmt. Aber als Sklaven sind sie an ihren Herrn gebunden. Sie müssen ein Gelübde ablegen. Außerdem werden sie streng überwacht. Deine Mutter jedoch wurde von ihren Gelübden befreit, da sie von da an keine Sklavin mehr war. Der Chip wurde wieder entfernt und auch alle anderen Überwachungsmaßnahmen.“

„Na und? Andere Ehefrauen bekommen doch auch keinen Chip eingepflanzt.“

„Das nicht. Aber diese Ehefrauen werden ganz genau ausgesucht. Sie müssen bestimmte Eigenschaften besitzen, die deine Mutter nicht besaß. Aus diesem Grund wurde ihr misstraut.“

„Und aus diesem Grund wurde sie umgebracht?“, fragte Neji bitter nach. Ihm war schon klar, dass seine Mutter keines natürlichen Todes gestorben seien konnte.

„Exakt. Wir vermuten, dass es ihr ehemaliger Sensei war, doch es konnte nie bewiesen werden.“
 

„Hatte er etwa Angst, dass meine Mutter seine Geheimnisse ausplaudern würde?“

„Das vermuten wir. Aber wir konnten uns nie sicher sein. Ein Mitglied unserer Organisation hinterlässt nie irgendwelche Hinweise, wenn er tötet. Dein Vater hat sich fürchterliche Vorwürfe gemacht, dass er sie in diese Gefahr gebracht hat. Jemand der kein Mitglied der Organisation ist, aber trotzdem die Geheimnisse kennt wird getötet. So lautet das Gesetz. Er hätte das wissen müssen.“

„Gibst du meinem Vater etwa die Schuld dafür?“ Neji sprang von seinem Stuhl auf.

„Nein. Ich hätte ja genau das Gleiche getan, wenn ich in seiner Position gewesen wäre. Aber das heißt noch lange nicht, dass es richtig war.“

„Und nun willst du mir sagen, dass ich nicht genauso handeln soll wie mein Vater?“

„Ja, das will ich. Ich habe gesehen, wie du Tenten ansiehst. Genauso haben dein Vater und ich deine Mutter angesehen.“ Hiashi vergrub die Hände in seinen Haaren. „Ich hätte Tenten nie hier herbringen sollen. Ich hätte widerstehen sollen. Aber ich konnte ja nicht ahnen, dass sich die Geschichte wiederholen könnte. Es liegt wahrscheinlich alles an diesen Augen…“
 

„Was meinst du damit?“

„Diese Augen… Tenten hat genau die gleichen Augen wie deine Mutter.“

Neji erstarrte. „Heißt das… ist Tenten irgendwie mit meiner Mutter verwandt?“

Hiashi antwortete nicht sofort, was Neji unruhig werden ließ. Was war, wenn Tenten mit ihm verwandt war? Doch schließlich erlöste sein Onkel ihn: „Nein. Das ist sie nicht. Ich dachte es zunächst und habe deswegen einen DNA-Test machen lassen. Aber da waren keine Gemeinsamkeiten. Wahrscheinlich ist es einfach Zufall. Oder Schicksal, wie man es sehen will.“

„Hast du Tenten wegen der Ähnlichkeit zu meiner Mutter hergeholt?“

„Ja. Eigentlich hatte ich nie vor eine so junge Sklavin einzustellen. Aber diese Augen… dieses warme braun, hat mich sofort an deine Mutter erinnert. Und ich konnte einfach nicht widerstehen.“

„Du hast meine Mutter geliebt, nicht wahr? Selbst dann noch, als du eine andere geheiratet hast und sie ein Kind bekam.“

„Ja. Aber leider stand diese Liebe unter keinem guten Stern. Und auch die Liebe deiner Eltern nicht. Es ist falsch, was die Dichter schreiben, Neji. Liebe allein reicht niemals aus. Und das Schicksal hat immer noch die Fäden in der Hand.“

Neji erinnerte sich an die Worte von Tenten und schüttelte den Kopf. „Nein. Man muss die Fäden selber in die Hand nehmen und darf sich nicht manipulieren lassen.“
 

„Das ist eine gefährliche Ansicht, wenn man in einer Organisation ist, Neji. Dein Leben ist nicht allein deine Sache.“

„Danzou kann nicht über unser aller Leben bestimmen.“

„Doch, das kann er und genau das tut er.“

„Er ist nicht auf gerechte Weise zum Leiter der Organisation geworden.“

„Sag das nicht zu laut, Neji. Für diese Worte hätte ich dich eigentlich töten müssen.“

Neji grummelte lediglich als Antwort.

„In der Organisation geht es nicht gerecht zu, Neji. Denke immer daran. Der Skrupelloseste gewinnt. Das beweist auch Danzous Machtübernahme, nachdem Pain getötet wurde. Es herrschen harte Zeiten. Mach jetzt keinen Fehler. Und halt dich von Tenten fern. Ich möchte nicht, dass sie in diese Organisation gezogen wird. Das wäre ihr Todesurteil. Denke immer daran.“
 

~Rückblick Ende~
 

Neji wusste, das sein Onkel Recht hatte. Es war dennoch schwer es zu akzeptieren. Hätte er gewusst in was er hinein geraten würde, wäre er niemals der Organisation beigetreten. Damals war es für ihn selbstverständlich gewesen. Er hatte gehofft dadurch seinen Sinn im Leben zu finden. Wie hätte er auch wissen sollen, dass er damit sein Leben aus seiner Hand gegeben hatte? Damals war es noch so abstrakt gewesen mit seinem Leben zu schwören die Geheimnisse der Organisation zu bewahren.

Nun war es zu spät und er konnte nicht mehr zurück. War er dazu verdammt das gleiche Leben wie sein Onkel zu führen? Nur für die Aufgaben der Organisation zu leben? Eine Frau zu heiraten, die man für angemessen hielt? Kinder mit dieser Frau zu bekommen, die dann ebenfalls genötigt wurden der Organisation beizutreten?
 

Da konnte man ja fast nur beten, dass man Mädchen bekam, denn diese wurden nicht an die Organisation gebunden. Zumindest nicht direkt. Wie Hinata und Hanabi übernahmen Mädchen eher Verwaltungsaufgaben. Sie erledigten die Buchführung und verwalteten die Finanzen der Organisation. Sie hatten also keine direkten Berührungspunkte mit der Kriminalität der Organisation. Sie wussten sogar nicht allzu viel darüber.

Natürlich bekamen sie mit, dass das Geld nicht legal besorgt wurde. Aber wie genau alles von statten ging, wussten sie nicht. Was ihr Glück war. Denn Berührungspunkte mit der Organisation hieß automatisch Berührungspunkte mit Mord und Totschlag. Konnte er Tenten wirklich in diese Welt bringen? Würde sie ihn überhaupt wollen, wenn sie wissen würde, was er tat? Was er gerade im Begriff war zu tun?
 

Er beobachtete das Anwesen der Naras schon eine ganze Zeit. Shikamaru Nara lebte dort mit seiner Mutter und ein paar Angestellten. Im Grunde lief es dort nicht anders ab, als im Hyuugaanwesen. Nur schien Shikamarus Mutter hier die Hosen anzuhaben. Shikamaru schien alles in allem ein genervter junger Mann zu sein und keinesfalls der verbitterte, ernste junge Mann mit dem Neji innerlich gerechnet hatte.

Mit einem solchen hätte Neji umgehen können. Er hätte genau gewusst, wie er hätte handeln sollen. Außerdem wäre es ihm dann nicht so schwer gefallen ihn zu töten.

Aber was sollte er mit jemandem anfangen, der am liebsten einfach faul herumlag und in die Wolken starrte? Und auch wenn dieser Mann ziemlich faul zu sein schien, war er anscheinend nicht blöd. Zumindest machte er beim Shogi ausgesprochen intelligente Züge.

So jemand konnte nicht dumm sein. Und jemanden intelligenten zu überlisten war um einiges schwieriger, als jemanden, der sein Gehirn nicht benutzen konnte. Er musste sich also einen Plan überlegen.
 

~*~
 

Neji hatte beschlossen einen ersten Kontakt mit Shikamaru zu knüpfen. Also hatte er sich in die Ramenbar begeben, die er oft mit seinem übergewichtigen Freund und einem quirligen Blondschopf besuchte. Also saß er nun in besagter Ramenbar und wartete darauf, dass die drei erschienen. Sie müssten in genau fünf Minuten kommen. Sie kamen immer um diese Zeit. Spätestens dann dürstete es dem Blonden nach Ramen und der Magen des Übergewichtigen knurrte so laut, dass man es Straßen weiter noch hören konnte und es unmöglich war etwas mit ihm zu unternehmen, bevor er nicht gegessen hatte.

Wie er es vorausgesagt hatte, trafen die drei tatsächlich nach fünf Minuten ein. Neji saß etwas abseits, um sie beobachten zu können. Die drei saßen immer direkt an der Bar, um sich eine Schale nach der anderen zu gönnen.

Shikamaru blieb meistens nur bei einer, saß aber trotzdem bei ihnen. Wie er es mit den beiden aushielt, war Neji schleierhaft.
 

Nach einer viertel Stunde beschloss Neji, dass es Zeit war in Aktion zu treten. Er stand von seinem Platz auf und schlenderte zur Bar. Dort bestellte er sich noch ein Getränk. Dadurch wurden die drei auf ihn aufmerksam.

„Hallo!“, begrüßte der Blonde ihn lautstark. „Mein Name ist Naruto Uzumaki. Und wer bist du?“

„Sato. Daichi Sato.“

„Freut mich Daichi. Das sind meine Freunde Shikamaru und Choji.“ Neji nickte den beiden zu. Choji schien sich nicht wirklich für ihn zu interessieren, er hatte nur Interesse an seiner Nudelsuppe, die vor ihm stand. Shikamaru bedachte ihn ebenfalls nur mit einem kurzen Blick.

„Mach dir nichts aus dem Verhalten der beiden, die sind immer so!“, erklärte Naruto ihm. „Komm, setz dich zu uns!“

Neji willigte ein, denn das war genau das, was er wollte. Doch leider konnte er nicht viel mehr über Shikamaru erfahren, denn die meiste Zeit brabbelte der blonde Junge. Das hätte er sich ja denken können. Aber vielleicht würde es ja nun leichter, Shikamaru einmal anzusprechen, wenn er alleine war. Momentan brachte ihn diese Zusammenkunft auf jeden Fall nicht weiter, weswegen er sich verabschiedete. Das Gerede des Blonden konnte er keine Sekunde länger aushalten.
 

Gerade als er sich auf den Weg machte, wurde er plötzlich angesprochen.

„Einen Moment bitte!“ Überrascht drehte sich Neji um, als er die Stimme erkannte und blickte direkt in Shikamarus ernstes Gesicht.

„Könnte ich bitte mit dir sprechen?“

Erstaunt, dass das so einfach ging, nickte Neji. „Natürlich.“

Nun wurde Neji misstrauisch. Konnte Shikamaru Verdacht geschöpft haben? Aber wie sollte das möglich sein? Er hatte sich stets unauffällig verhalten. Das war schließlich etwas, was er am besten konnte. Doch trotz seines Misstrauens stimmte Neji zu. „Am besten gehen wir auf mein Zimmer. Es ist nicht mehr weit und dort können wir in Ruhe reden.“ Shikamaru nickte zustimmend und die beiden begaben sich schweigend in Richtung des Hotels, in welchem Neji übergangsweise wohnte.
 

In dem Hotelzimmer angekommen, bedeutete Neji Shikamaru Platz zu nehmen, was dieser auch annahm. Nach ein paar Sekunden des Schweigens fragte Neji dann: „Nun, über was wolltest du mit mir sprechen?“

„Ich weiß, wer du bist“, ließ Shikamaru verlauten, was Neji erstarren ließ. „Du bist nicht Daichi Sato. Du bist Neji Hyuuga. Mein Vater hat mir mal ein Foto von dir gezeigt. Du beobachtest mich schon länger, nicht wahr?“

Nejis Augen wurden zu Schlitzen. „Woher weißt du das?“

„Ich bin nicht blind. Du warst zwar gut, aber ich habe da so meine Methoden. In unserem Geschäft muss man vorsichtig sein.“

Neji nickte nur und fluchte innerlich. Er hätte noch vorsichtiger sein müssen. Er wollte gerade etwas sagen, doch da sprach Shikamaru auch schon weiter: „Du bist hier, um mich zu töten, nicht wahr?“

Es war nicht unbedingt die Frage die Neji sprachlos machte, sondern die Emotionslosigkeit mit der Shikamaru das aussprach. Entweder war ihm sein Leben egal, oder er hatte einen Plan um Nejis Vorhaben zu verhindern. Neji vermutete letzteres und wappnete sich.

„Keine Sorge. ICH habe nicht vor, dich zu töten. Ich werde dir noch nicht einmal ein Haar krümmen. Aber ich hoffe, dass du mit mir kooperierst.“

„Kooperieren? Inwiefern?“
 

„Ich habe einen Plan, und hoffe, dass du mir dabei behilflich sein kannst.“

„Dir ist schon klar, dass ich dein Feind bin? Ich bin hier, um dich zu töten und du willst mit mir verhandeln?“

„Richtig.“ Seelenruhig steckte sich Shikamaru eine Zigarette an.

„Ich habe es satt. Es widert mich an, in einer Organisation zu sein. Menschen werden versklavt und getötet ohne einen Grund. Ich möchte diese Sache nicht mehr unterstützen.“

„Du willst austreten?“

„Ja, genau.“

„Du weißt schon, dass man entweder der Organisation dient, oder stirbt? Ich bin mir sicher, dieser Grundsatz gilt auch bei euch.“

„Natürlich. Und deswegen brauche ich deine Hilfe. Du bist hier um mich zu töten und ich will, dass du ausführst für was du gekommen bist.“

„Du willst, dass ich dich töte?“

„Nicht praktisch, nur theoretisch. Und so, dass es alle glauben.“

„Du willst also deinen eigenen Tod vortäuschen.“ Neji lehnte sich zurück. „Das haben schon andere versucht. Es hat noch nie geklappt. Man kann nicht vor der Organisation fliehen.“
 

„Ich werde klüger sein, als die anderen.“

„Du magst intelligent sein, aber das allein reicht nicht aus.“

„Schon möglich. Aber es ist meine letzte Chance auszutreten. Ich will mein Leben nicht so weiterleben. Mein Sensei und mein Vater wurden getötet. Ich habe versucht mich zu rächen, aber diese Rache fordert immer nur noch mehr Opfer. Und den Richtigen habe ich noch nie erwischt. Es trifft stets die Falschen. Diejenigen die nur Marionetten sind, werden nach vorne geschickt. Ich habe es satt eine Marionette zu sein. Deswegen werde ich nun alle Fäden durchschneiden, die zu mir führen.“

„Interessanter Ansatz. Und woher genau willst du wissen, dass dein Plan funktionieren wird?“

„Ich habe lange daran gefeilt, aber nie einen Weg gefunden den Plan auszuführen. Beziehungsweise hat mir der Anstoß gefehlt meinen Plan wirklich durchzuführen. Dann bist du aufgetaucht.“ Shikamaru nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette. „Glaubst du an das Schicksal?“ Schon wieder dieses Wort. „Ja“, antwortete Neji einfach.

„Und glaubst du auch daran, dass man sein Schicksal in die Hand nehmen kann?“

Neji dachte an Tenten und nickte. Shikamaru lächelte. „Dann bist du der Richtige für meinen Plan. Und jetzt hör mir zu. Ich habe es folgendermaßen geplant…“
 

~*~
 

Neji erhob sich von seinem Stuhl und sah Shikamaru tief in die Augen. „Bist du wirklich sicher, dass du das durchziehen willst? Du wirst alles verlieren, was du hast. Deine Familie, deine Freunde, dein altes Leben.“

„Es gibt keinen anderen Weg.“

„Dieser Weg ist gefährlich. Du könntest dabei wirklich sterben.“

„Das ist mir durchaus bewusst.“

„Ist es das denn alles wert?“

„Meine Freiheit ist es mir wert. Wäre ich nicht bereit dafür zu sterben, wäre es auch nicht wert dafür zu leben.“

„Du hast eine ziemlich verdrehte Logik.“

Shikamaru grinste. „Ich denke, mit meiner Logik ist alles in Ordnung. Mach es gut, Neji.“

Er wandte sich in Richtung Tür und hatte den Griff schon in der Hand, als Neji ihn aufhielt. „Sei vorsichtig. Du hast es verdient zu leben. Und du bist zu clever um zu sterben. Auch wenn du deine Intelligenz ziemlich gut versteckst.“ Wieder schlich sich ein Grinsen auf Shikamarus Lippen. „Besser heimlich schlau, als unheimlich blöd. Das war schon immer mein Motto.“ Und mit diesen Worten verließ Shikamaru das Zimmer.
 

~*~
 

Neji sah von der Klippe hinab, von der Shikamaru mit seinem Auto gestürzt war. Die Reifenspuren waren unverkennbar. Für die Polizei würde es so aussehen, als hätte Shikamaru die Kontrolle über seinen Wagen verloren. Damit wäre die Sache für sie abgeschlossen.

Für Nejis Organisation würde es so aussehen, dass Neji diesen Unfall verursacht hatte und damit erfolgreich seinen Auftrag erledigt hatte.

Doch die Wahrheit kannten nur Shikamaru und er. Denn Shikamaru hatte diesen „Unfall“ genau geplant. Und Neji hatte ihm dabei geholfen. Er hoffte wirklich, dass auch das Ende des Plans geklappt hatte. Und zwar das Shikamaru diesen Absturz überlebt hatte.

Versichern konnte er sich nicht, das wäre zu auffällig. Es war eigentlich schon ein Fehler, dass er an dieser verdammten Klippe stand. Doch er konnte nicht anders.
 

Hatte er nicht noch auf der Hinfahrt zu dem Anwesen der Naras daran gedacht, dass die Organisation einem den Weg vorgab und man die Klippe hinunterstürzte, wenn man dem Weg nicht folgte? Nie hätte er gedacht, dass diese Metapher kurz danach in die Realität umgesetzt werden würde. Vielleicht war es wirklich Schicksal.

Aber eines war sicher: Shikamaru hatte sein Schicksal in die Hand genommen. Er hatte nicht einfach zugesehen wie andere weiterhin sein Leben bestimmten. Er hatte sich bewusst dafür entschieden mit allem Vergangenen abzuschließen und ein neues Leben anzufangen. Vielleicht war das die wahre Freiheit. Das zu tun, wofür man sich entschied. Ob das nun gut oder schlecht war, war nicht von Belang. Wichtig war, dass man etwas tat.

Worte konnten vielleicht viel ausdrücken, aber Taten ermöglichten viel mehr als das. Sie waren das, was einen Menschen wirklich ausmachte.
 

Neji empfand tiefsten Respekt für Shikamaru. Auf den ersten Blick wirkte er einfach nur faul, doch hatte er den wahren Sinn des Lebens entdeckt und etwas gefunden wofür er bereit war zu sterben. Und das war bei ihm nicht nur eine Floskel. Er hatte es tatsächlich durchgeführt.

Und nun war es an der Zeit, dass auch er etwas tat. Sein Leben konnte nicht in demselben Trott verlaufen wie bisher. Er konnte sich nicht einfach mehr dahin ziehen lassen.

Und er würde nicht mehr das tun, was andere für sinnvoll erachteten. Außerdem wollte er sich von der Vergangenheit lösen. Gut, seine Mutter war gestorben, weil sie sich für die Liebe mit seinem Vater entschieden hatte. Aber wer sagte ihm, das Tenten das gleiche Schicksal treffen musste? Schließlich traf jeder seine eigenen Entscheidungen.

Das Schicksal würde sich nicht wiederholen. Dafür würde Neji sorgen, denn von nun an würde er es selber bestimmen.
 

~Freiheit ist, was man daraus macht.~

~The End~
 

~♦~♦~♦~
 

Dieser zweiteilige OS ist meinem Meerschweinchen Hope gewidmet, die vor kurzem gestorben ist. Irgendwie hatte ich das Ende etwas anders geplant. Aber ihr Tod hat mich zu diesem Ende bewogen.
 

Ich hoffe, das Ganze hat euch gefallen. Das Ende ist extra offen gehalten. Ich wollte kein kitschiges Happy-End einbauen. Ihr könnt euch selber vorstellen wie es weitergeht und ob die beiden ein "glücklich bis ans Ende ihres Lebens" haben.
 

Euch wünsche ich auf jeden Fall frohe Weihnachten und schonmal einen guten Rutsch ins neue Jahr.
 

Eure Arashi

21. Dezember - Glaubenskrieger II -- Der Tod

Musik:

ASP – „Ich will brennen“

Agonoize – „Glaubenskrieger" (ja, das hat mich zum Namen inspiriert)
 

Autor: Arethelya

Fandom: Naruto, Konzept teilweise an Angel’s Sanctuary angelehnt

Pairing: Neji x TenTen

Thema: Himmel & Hölle / Engel & Dämon

Warning:Sehr viel Diskussionsstoff um die Glaubensfrage! Nichts für jemanden, der nicht gern andere Ansichten hört!

Für diesen Two-Shot habe ich eine eigene Lösung für das Gott/Götter und Schöpfungsproblem entwickelt. Sie basiert zum Teil auf das Christentum in abgewandelter Form und eher meinen Vorstellungen entsprechend, wie es für mich zuweilen logischer klingt. Ich möchte hiermit keine Christen und anderweitig Gläubigen auf die Füße treten und sie damit beleidigen. Es ist nur die alternative Schöpfungsmöglichkeit einer kleinen, unbedeutenden Agnostikerin, die Engel und Dämonen sehr gern hat und es als solches empfindet, dass diese teilweise viel zu kurz kommen.
 


 

GLAUBENSKRiEGER II __ DER TOD
 


 

TenTen hielt den Atem an, als sie die Gestalt betrachtete, die sich vor ihr aufbaute. Sie hatte von ihm gehört, natürlich, jeder Ihresgleichen kannte ihn. Er war berühmt berüchtigt und gleichzeitig auch Vorbild für viele andere ihres Geschlechts. Aber nicht nur sein Ruf ließ sie stocken, sondern vielmehr war es die Aura, die ihn umgab, welche dafür sorgte, dass sie das erste Mal im Leben so etwas wie leise Furcht verspürte. Sie spürte die Hitze des ihm inne lebenden Feuers, fühlte die Macht, die er besaß. Aber alles wurde von einer Hülle der Kälte überlagert. Einer abweisenden, distanzierten Haltung, die keine Zweifel daran ließen, wer der Stärkere von ihnen beiden war.
 

Sie biss sich auf die Lippen und schnaubte leise. Bisher hatte es noch keiner geschafft, sie derart zu verunsichern. Normalerweise erzitterten ihre Feinde vor ihr, nicht umgekehrt. Und das alles wegen eines großen, gut gebauten Mannes mit langem, rabenschwarzem Haar, sanften und überaus wohl geformten Gesichtszügen, die zwar weich, aber dennoch männlich waren und der die kältesten Augen besaß, die sie jemals gesehen hatte. Hellblau und tief und so tödlich wie ein Blitz.
 

Sie zwang sich ruhig zu bleiben und ihm nicht zu zeigen, dass sie beeindruckt war. Die Gerüchte stimmten. Er war der schönste Malak, den sie je gesehen hatte. Zwar kannte sie nicht viele ihrer Art, aber sie konnte sich kaum vorstellen, dass es einen schöneren Mann als ihn geben sollte.
 

Er hob interessiert eine Augenbraue und sie schluckte angestrengt, denn er musterte sie auf eine Art, dass sie sich wie ein Tier vorkam, das zum Verkauf steht.
 

„Du bist also TenTen, die einzige noch lebende Missgeburt unter den Malak“, sagte Luzifel und seine Stimme war tief und weich, aber so kühl, dass es die Kälte seiner Augen nur noch unterstrich. Sie erschauerte. Ihr wurde schlagartig klar, weshalb die Engel ihn liebten und bewunderten, wahrscheinlich auch fürchteten. Er war charismatisch und strahlte das aus, was man wohl Autorität nannte. Eigentlich war sie niemand, der sich freiwillig beugte oder zuhörte, aber er hatte etwas an sich, das verhinderte, dass sie sich dagegen wehren konnte.
 

Unbeabsichtigt zischte sie zur Antwort: „Scheint wohl so.“
 

Ihre ungewöhnliche Anzahl von Flügeln verriet den Makel, der ihr anhaftete. Sie hatte vier, ungewöhnlich große Schwingen von nachtschwarzer Farbe. Sie war damit erkennbar kein Kind Des Einen. Er war nicht ihr allmächtiger Vater, sondern ihr Großvater, um es in den Familienverhältnissen der Menschen auszudrücken. Ihre Eltern waren zwei sündige, frevelhafte Engel gewesen, die sich über das Gebot ihres Herren hinweg gesetzt und der Liebe gefrönt hatten. Das Resultat war sie, TenTen, eine Missgeburt, die nicht hätte leben dürfen und die nur durch ein unglaubliches Geschick am Leben geblieben war. Ihre Eltern hatten sie kurz nach ihrer Geburt verstoßen und aus dem Himmelreich verbannt. Sie wurde somit als Gefallener Engel gebrandmarkt, die erste in der Geschichte der Malak – es gab keinen weiteren Engel wie sie, der es nicht erlaubt war, im Himmel zu leben. Dämonen zogen sie auf und lehrten sie. Als sie alt genug war, die „Brücke“ zu betreten - dem so genannten Verbindungsstück zwischen dem Himmel und Hölle, eine Grauzone, in der eigentlich nicht gekämpft werden durfte und in der beide Parteien problemlos wandeln konnten -, trat sie das erste Mal in den Kontakt mit den Malak, ihrem eigentlichen Volk. Ein fataler Kontakt. Aber das war inzwischen Jahre her…
 

Er sprach nicht weiter und damit strapazierte er TenTens gering ausgeprägte Geduld. „Warum hast du mich hierher verschleppen lassen?“, fragte sie so eisig, wie es ihr möglich war, doch sie war bedacht, dass sich ihre Stimme nicht überschlug. Sie war wütend, sehr sogar, aber das sollte er noch früh genug zu spüren bekommen – Lichtbringer hin oder her.
 

„Ich habe dich nicht verschleppen lassen“, sagte er ruhig und mit einer leichten Tendenz zum Amüsement. Hatte sie nicht gerade ein kurzes Lächeln aufblitzen sehen? „Ich habe dich her beordern lassen, da du dich geweigert hast, freiwillig her zu kommen.“
 

Sie lächelte kurz. Natürlich hatte sie sich geweigert. Warum sollte sie auch mit einem reinen Malak sprechen? Selbst wenn er es auf „der Brücke“ tun wollte, wo sie sich eigentlich keine Sorgen darüber machen brauchte, dass man ihr etwas antat?
 

Leider hatte sie nicht damit gerechnet, dass er seine drei Geschwister zu ihr schicken würde, die sie mittels schlagfertiger Argumente zu überzeugen wussten. Natürlich nur, weil sie in dem Moment innerlich geschlafen hatte. Wäre sie nicht überrascht gewesen, hätten diese blutigen Anfänger keine Chance gehabt.
 

Die junge Gefallene schielte aus dem Augenwinkel zu den drei Geschwistern des Lichtbringers. Sie sahen ihm recht ähnlich. Es waren zwei weibliche Malak und ein männlicher. Sie alle drei waren ebenfalls schwarzhaarig, aber das Haupt der einen besaß dabei einen nachtblauen Schimmer. Ihre Augen unterschieden sich von Luzifels, denn sie waren nicht hellblau, sondern grau, fast weiß und damit irgendwie noch erschreckender als die des Lichtbringers. Sie kniff die Augen zusammen. Sie mochte die drei nicht. Sie hasste die Malak im Allgemeinen, denn es war ihre Schuld, dass sie allein war und keinerlei Zugehörigkeit besaß. Sie war keine Dämonin, obwohl die Jahre in der Hölle sie die Einstellung einer hatte annehmen lassen. Ihre ungewöhnlich starken Kräfte hatten dafür gesorgt, dass sie in den Rang eines Erzdämons hatte aufsteigen können. Dennoch ließen die anderen Erstgeborenen sie wissen, dass sie keine Ihresgleichen war. Sie gehörte aber auch nicht mehr dem Himmelreich an. Sie war eine Ausgestoßene ohne Heimat und Zuflucht.
 

Und sie alle hier hatten ein Heim, standen unter dem Schutz eines grausamen Herren, der sie, TenTen, sofort hätte töten lassen, wenn er wüsste, dass sie hier wäre.
 

Sie blickte wieder zu Luzifel und versuchte, souverän und selbstsicher zu erscheinen. Sie hatte keine Ahnung, was sie hier sollte und was man mit ihr vor hatte. Warum hatte er seine Geschwister in Gefahr gebracht und nur zu dritt ins Höllenreich geschickt, wo sie jederzeit hätten entdeckt werden können? Nur um sie zu holen? Wozu? Wollten sie sie auch töten? Aber warum hatten sie das nicht gleich erledigt, sondern schleppten sie erst zu dem Liebling Des Einen? Waren die drei vielleicht doch schwächer als sie sie eingeschätzt hatte und nur der große Lichtbringer konnte sie umbringen? Sie verstand das alles nicht und sie wollte, dass man ihr endlich eine Antwort gab!
 

TenTen versuchte ihre allgemein recht knapp bemessene Geduld im Zaum zu halten. Sie war sehr fahrig und ausfallend, fast schon ein wenig cholerisch, was ebenfalls ein Anzeichen für ihre Mutation war. Sie konnte sich wirklich glücklich schätzen, dass sie nur mit Vielflügeligkeit und einem leichten Knacks, der hin und wieder für hysterische Aussetzer in ihrem Verstand sorgte, gestraft war. Andere ihrer Art waren nicht einmal lebensfähig gewesen. Dennoch war es manchmal schwer, sich unter Kontrolle zu halten – wie in solchen Situationen. Nicht immer verlor sie die Kontrolle über sich selbst, manchmal hatte sie sich sehr gut im Griff, aber es gab Tage, da nützte alle Willenskraft nichts und die wahnsinnige Seite ihrer Selbst nahm die Überhand.
 

Irgendwann - nach einer gefühlten Ewigkeit für TenTen - bequemte sich Luzifel zu einer Antwort. Dadurch hatte er sich jede Sympathie verspielt, entschied sie. Nur weil er reinen Blutes war und der Liebling Des Einen hatte er noch lange kein Recht, sie so im Regen stehen zu lassen.
 

„Du bist eine Malak mit dem Rang eines Seraphin, nicht wahr? Die höchstrangigen Engel im Himmel. Von ihnen gibt es nur eine Hand voll.“
 

Sie hob eine Braue und sah lauernd zu ihm. Sein Tonfall hatte sich geändert. Er war jetzt… geschäftlich. Sie wusste nicht, was diese merkwürdige Bemerkung sollte, weshalb sie nur bestätigend nickte. Seraphin gehörten zu den stärksten Malak, zumindest was die körperliche Kraft anbelangte. Es gab manche Erzengel - so wie jener, der gerade vor ihr stand -, deren magische Fähigkeiten die eines Seraphin übertrafen - Luzifel zum Beispiel war ein Meister des heißen Feuers, selbst Michael hatte keinerlei Chance gegen ihn und dieser wütete schon wie feurige Lava -, aber es mangelte eben an dieser übermächtigen Köperkraft. Ohne übertreiben zu wollen, konnte TenTen von sich behaupten, dass sie Luzifel bestimmt übel zurichten konnte, wenn sie nah genug an ihn heran käme.
 

„Und dir gehorchen alle vier Elemente?“
 

„Allerdings.“ Ihre Augen blitzten in stiller Herausforderung. Ihr Ruf und ihre Fähigkeiten eilten ihr voraus. Hoffentlich wusste er nicht, dass sie aber im Gegensatz zu ihm jedes Element nur mittelmäßig unter Kontrolle hatte, bis auf das Element Wasser, das ihr aus irgendwelchen unbekannten Gründen heraus eher wohl gesonnen war als die anderen drei. Sie war durchaus in der Lage sich zu verteidigen und einen Flammensturm zu blocken oder zurückzuwerfen, aber solchen Firlefanz, dass sie mittels des Erdelements mit den Pflanzen reden oder aufgrund des Feuers blitze bändigen konnte, beherrschte sie nicht. Das waren unnötige Schaueinlagen, die ein echter Krieger nicht brauchte. Dafür sollte das kämpferische Geschick reichen. Und davon besaß sie genug.
 

Mit einem süffisanten Lächeln sagte er: „Interessant. Das ist genau das, was ich gesucht habe.“
 

Dies war nun der Moment, der TenTen absolut sprachlos machte.
 

Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie begriff, dass er weiter sprach. Die Tatsache, dass er kurz zuvor wie ein Gegenstand von ihr gesprochen hatte, der für seine Zwecke anscheinend von Nutzen war, hatte ihr den Atem geraubt. Das war doch die absolute Höhe! „… nicht viele von den hochrangigen Malak können wir für uns gewinnen. Aber dank dir könnten wir Metatron überzeugen und mit ihm andere…“
 

Sie sog hörbar geschockt die Luft ein und das Blut schoss ihr vor Scham und Wut ins Gesicht. Sie dachte in dem Moment nicht mehr nach, viel mehr automatisch holte sie aus und war bereit ihm die Faust durch die Schädeldecke zu rammen. Es war sein Glück, dass sie eine Millisekunde zu lang gewartet hatte, da sie zu perplex gewesen war, sich sofort zu rühren. Es rettete sein Leben. Er wich zurück und ihre Faust traf krachend den Boden, der ächzend nachgab und aufbrach.
 

Sie atmete schwer und zitterte. All ihre Muskeln und auch ihr Verstand schrien danach, ihm nachzustürmen, zu bedrängen und zu vernichten. Doch da war eine leise, ganz sanfte, aber dennoch beständige Stimme in ihr, die sie noch zurückhielt, aber sie war schwach und schrill und würde wohl bei einem weiteren Mal nicht mehr die Kontrolle über sie haben. Keuchend hob sie langsam ihren Blick und sah sogleich, dass sich die Geschwister mit erhobenen Waffen vor ihrem Bruder aufgebaut hatten. Ihr ganz nah stand der männliche Malak und seine weißen Augen schienen sie zu durchbohren. Er hatte die Schneide seiner Bastardklinge auf sie gerichtet.
 

Sie erwiderte den Blick mit derselben Stärke, wollte ihn eigentlich nieder zwingen… aber sie musste erkennen, dass dort etwas war in diesem unendlich tiefen Weiß, etwas, das sie ungemein beruhigte. Sie fühlte sich an die weißen Schneeebenen von Mazghardhûm erinnert, dem siebten und äußeren Ring der Hölle, der nicht von der Hitze des Fegefeuers berührt wurde und somit in eisiger Kälte erstarb. Die gleiche Unendlichkeit dieses weißen Todes lag in den Augen dieses Malak verborgen und genau wie an jenem Ort jedes Mal zuvor spürte sie jetzt diese unsagbare Lebendigkeit in sich aufsteigen. Es rann durch ihre Adern und besänftigte die Hitze in ihr, die sie zu versengen gedroht hatte. Mit einem Schlag wurde die Stimme ihrer Vernunft lauter und überwand die unzulängliche Seite ihres Verstandes – aber es ließ ein leises Wispern zurück, eine dritte Stimme, die sie noch nicht wirklich verstehen konnte.
 

Sie richtete sich auf. Mit einer ruhigen Stimme, die sie selbst nicht von sich erwartet hatte, erklärte die Gefallene: „Erwähne diesen Namen nie mehr. Dann bin ich auch bereit, zuzuhören… andernfalls verschwinde ich.“
 

Er nickte anerkennend und mit einem Wink seinerseits stoben seine Geschwister auseinander. Die jüngste unter ihnen warf einen abfälligen Blick zu TenTen, den diese zufrieden erwiderte. Die andere weibliche Malak senkte die Augen und die gekrümmte Haltung ihrer Schultern ließ sie nun weniger souverän als vor einer Minute erscheinen, als sie bereitwillig vor ihren Bruder gesprungen war, um ihn zu verteidigen. Der letzte unter ihnen, ihr Bruder, wandte das Gesicht von ihr ab, nicht ohne aus dem Augenwinkel zu ihr zu starren. Sie versuchte, ihn zu ignorieren, aber innerlich drängte es sie, zu ihm zu sehen.
 

Luzifel begann zu erklären, weshalb er sie hatte rufen lassen und wofür er sie brauchte. Und es war etwas, das TenTen beinahe den Boden unter den Füßen hinfort reißen ließ.
 

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Sie saß schweigend auf einem Stein und ignorierte die wartende Blicke der Malak. Sie musste sich alles noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Es war nicht nur die Ungeheuerlichkeit und die Absurdität seines Planes gewesen, die sie erschütterten, nein, sondern allein die Tatsache, dass es Luzifel, der Lichtbringer höchst selbst geplant hatte und in die Tat umzusetzen gedachte, gab dem ganzen Vorhaben etwas Surreales als wäre es ein schlechter Scherz.
 

Er wollte sich gegen Den Einen erhaben, seinen Vater, seinen Schöpfer, seinen Herrn.
 

Für eine Menschenfrau?
 

TenTen verstand es nicht. Wie konnte es sein, dass jener, der in der höchsten Gunst Des Einen stand und in dessen Namen er so viele seinesgleichen und auch andere wie sie selbst, Missgeburten der Malak, getötet hatte, nun selbst das tat, wofür er gestraft hatte? Und wie konnte er nun die Hilfe einer erbitten, die er gnadenlos umgebracht hätte, wenn er damals die Möglichkeit dazu gehabt hätte?
 

Die Gefallene rieb sich die verspannten Schultern. Die vier großen Schwingen belasteten ihren Rücken stark und manchmal litt sie unsägliche Schmerzen. Zwar war sie wie die anderen Malak auch in der Lage dank eines Zaubers für diverse Momente ihre Flügel abzulegen, aber ihr war es immer nur kurz möglich. Sie hatte keine gute Kontrolle darüber.
 

Sie schüttelte den Kopf, sie musste sich auf das Wesentliche konzentrieren. »Das ist Wahnsinn!«, dachte sie. »Das wird nie funktionieren, wir würden alle dabei drauf gehen.«
 

Andererseits… lohnte es sich für sie zu leben? Einsam, immer allein und die einzige ihrer Art?
 

Aber war es das wirklich wert? Wollte sie lieber sterben – und das war sicherer Selbstmord -, anstatt das Leben zu genießen, auch wenn sie allein war und es mit niemanden teilen konnte?
 

Natürlich kannte sie die Antwort. Niemand war gern allein. Niemand wollte einsam sein. Und schon oft hatte sie darüber nachgedacht, dass es besser war zu sterben, als weiterhin mit dem elendigen Gefühl zu leben, dass sie kein Zuhause und keine Familie hatte. Außerdem… genoss sie ein wenig, dass sie diese entscheidende Rolle bei der ganzen Sache spielte und der ach so große, reine Lichtbringer es ohne ihre Hilfe nicht schaffen würde.
 

Sie fing an zu grinsen. Natürlich war es widerlich. Sie wollte Metatron – allein seinen Namen zu denken, bereitete ihren einen üblen Schauer und ihr Blut fing wieder an zu kochen – nie wieder sehen. Sie hatte sich geschworen, dass sie ihm den Kopf vom Halse abschlagen würde, wenn er es wagen sollte, ihre Nähe zu suchen! Und nun sollte sie zu ihm… und mit ihm verhandeln! Was Luzifel da verlangte, überstieg ihre Möglichkeiten, denn sie glaubte kaum, dass sie sich selbst unter Kontrolle haben würde, wenn sie diesen eingebildeten, verräterischen Seraphin wiedersehen würde.
 

Sie fragte sich in der Sekunde, woher Luzifel eigentlich das alles gewusst hatte – ihre Existenz, ihre Macht, dass sie überlebt und eine Liaison mit einen der höchsten Engel gehabt hatte, die der Lichtbringer nun auszunutzen gedachte, um die Seraphin, Cherubim, Throne und Erzengel auf seine Seite zu ziehen, um sich gegen Den Einen zu verschwören und zu erheben. Wie hatte er dies alles erfahren, wenn es nicht einmal Der Eine selbst wusste, denn sie bezweifelte nicht, dass sie schon längst das Zeitliche gesegnet hätte, wenn jener auch nur eine Ahnung von ihr gehabt hätte. Und spätestens nach ihrem Techtelmechtel mit Metatron wäre sie umringt gewesen von Malak, die sie allein nie hätte bewältigen können.
 

Und dies konnte alles noch geschehen, sobald sie sich wegen einer Menschenfrau gegen Den Einen erheben würden.
 

»Das ist doch alles Wahnsinn!«
 

Sie sah auf ihre Hände, die schon oft in Blut getränkt gewesen waren und dann grinste sie. Die anderen vier Anwesenden warfen ihr einen beunruhigten Blick zu, denn nun sahen sie wieder dieses Funkeln in ihren Augen, das sie auch erfüllt hatte, als sie Luzifel angriff.
 

Der Wahnsinn gehörte zu ihr, denn es war ein Teil ihrer selbst.
 

Und TenTen sehnte sich schon seit längerem nach einem guten Kampf.
 

„Ich bin dabei“, verkündete sie kühl.
 

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TenTen hätte es sich vermutlich noch einmal überlegt, wenn sie gewusst hätte, dass Luzifel sie mit seinen Geschwistern in eine Gruppe zu stecken gedachte. Ihr waren die drei immer noch aufgrund des Überfalls auf ihre Person sehr unsympathisch – auch wenn sie zugeben musste, dass es sehr schwer war, gerade der jungen Hinata deswegen zu grollen. Die Malak hatte etwas an sich, das sofort in einem sofort Zuneigung weckte und auch einen gewissen Drang sie zu beschützen. Sie sah nicht aus, als wäre sie eine große Kriegerin. In TenTens Augen gehörte sie aufgrund ihrer Schüchternheit in Sicherheit, weit hinter der Front, wo sie die Verletzten behandeln könnte. Aber Luzifel hatte ihr zugesichert, dass Hinata mehr Qualitäten und Fähigkeiten in sich barg, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Wenn er so großes Vertrauen in sie hatte, würde TenTen ebenfalls versuchen, dasselbe zu empfinden.
 

Trotzdem machte sich die Gefallene Gedanken über diese… unfreiwillige Gemeinschaft. Hinata war ein junges, schüchternes Ding, von dem Rang eines Cherubims, von dem TenTen sich zudem nicht vorstellen konnte, dass sie schon oft gekämpft hatte. Mit ihren beiden Langschwertern sah sie sogar recht fehl am Platz aus. TenTen hatte erfahren, dass die Malak das Element Erde kontrollierte und sogar befähigt war, mit Tieren und Pflanzen zu sprechen. Das zeigte zumindest, dass sie in der Hinsicht zu etwas zu gebrauchen war. Wer über derlei Sonderbefähigungen verfügte, war ein großer Magier in seinem Element.
 

Was die Seraphin ein wenig verwundert hatte, war die Tatsache, dass sie und ihr Bruder Neji – der Malak mit den faszinierenden Augen – als Zwillinge geschaffen worden waren. Das war wahrlich eine Seltenheit. Eigentlich waren solche Gruppen von Geschwistern schon recht ungewöhnlich – soweit sie wusste, bestanden die meisten Familiengruppen maximal aus drei Geschwistern und wie sie erfahren hatte, hatten Luzifel, Hanabi, Hinata und Neji noch eine jüngere Schwester, die sie schon als Spitzel nah Dem Einen eingeschleust hatten.
 

TenTen, die an einem Baum gelehnt stand und Neji dabei beobachtete, wie er mit Hanabi trainierte, seufzte. Gerade diese beiden trieben sie regelmäßig an den Rand ihrer Geduld. Der Malak trug das Element des kalten Feuers mit sich und das äußerte sich auch in seinem Charakter. Er war distanziert wie sein älterer Bruder und unterkühlt. Obwohl er nur den Rang eines Cherubims trug – eine Begebenheit, mit der sie ihn regelmäßig aufzog -, hatte er doch ungeahnte körperliche Kräfte. In den Kämpfen mit ihm, die sie zum Training absolvierten und um einander besser kennen zu lernen, hatte er sie zuweilen in Bedrängnis gebracht. Aber das war nicht der Grund, weswegen sie Ärger mit ihm hatte…
 

Sie hasste es, dass Luzifel ihn ihr als Wächter zugeteilt hatte.
 

Sie schnaubte und schaute beleidigt in eine andere Richtung. Leider hatten ihre Begleiter bei den wenigen Übungskämpfen, die sie in den letzten paar Tagen abgehalten hatten – Luzifel hielt die Gruppe noch zurück, bis er sich sicher war, dass er TenTen unentdeckt in die höheren Gefilden einschleusen konnte –, TenTens charakterlichen Mangel kennen gelernt. In einem Moment geistiger Umnachtung, hervorgerufen durch eine bittere Provokation seitens Luzifels, stürzte sie wie eine Berserkerin im Blutrausch auf ihre Gefährten. Sie stieß Hanabi wild zur Seite und verletzte Hinata schmerzhaft an der Schulter. Selbst Luzifel musste bei einer Konfrontation ihrer beiden Schwerter zurückweichen. Nur Neji war in der Lage gewesen, sie aufzuhalten und wieder zur Räson zu bringen. Sie hatte ihm einen tiefen Schnitt an der Wange zugefügt, bevor er sie aufgehalten hatte.
 

Sie verstand immer noch nicht, wie er das gemacht hatte, aber plötzlich hatte er sie gepackt und seine ruhige Stimme hatte ihren vernebelten Verstand durchschnitten wie ein scharfes Messer. Als sie in die Tiefen seiner kristallklaren Augen blickte, fühlte sie sich erstarrt und… auch innerlich wie vereist. Sie dachte zurück an die schneeweißen Weiten von Mazghardhûm. Allmählich sank die Hitze ihrer Erregung und wich einer kühlen Ruhe, auch wenn sie immer noch das Blut stark in ihrem Inneren pulsieren spürte und ihr Herz weiterhin heftig schlug, ja, es hörte auch lange Zeit danach nicht auf. Ihr Kopf aber war wie leer gefegt.
 

„Neji, du wachst ab sofort über sie, anscheinend hast nur du sie unter Kontrolle“, hatte Luzifel keuchend gesagt und war dann gegangen. Seitdem ließ Neji sie bei Kämpfen kaum noch aus den Augen und war dicht hinter ihr.
 

Sie hasste ihn dafür. Sie hatte das Gefühl, eingeengt und überwacht zu sein, eingesperrt und gehalten an einer unsichtbaren Leine. Aber sie konnte sich auch einer leisen Dankbarkeit nicht erwehren, dass es jemand gab, der sie zurückhielt, bevor sie etwas tat, das sie bereuen könnte.
 

Aber noch mehr Sorgen machten ihr – „Hey, Bastard, du solltest dich auch mal beteiligen!“ – Hanabi.
 

Sie warf einen glühenden Blick zu der jungen Malak, der zweitjüngsten Schwester Luzifels, die ebenfalls den Rang eines Cherubims inne hatte. Das kleine Biest hielt auffordernd die Arme vor der Brust verschränkt, während ihr abschätziger Blick musternd über TenTen glitt. Der Wind stob auf und zerrte an ihren Schulter langen, schwarzen Haaren. TenTen blieb wachsam, denn sie wusste, dass Hanabi über den Wind gebot, und sich etwas Unheilvolles anbahnte, wenn der Wind plötzlich sturmartig zunahm. Mehr als einmal hatte die jüngste im Bunde versucht, sie in einem unachtsamen Augenblick von den Füßen zu reißen, so wie sie es bei ihrem ersten Aufeinandertreffen getan hatte.
 

„Ich habe schon vorhin mit deiner Schwester trainiert“, antwortete sie ruhig, aber lauernd. Hanabi war so unberechenbar wie eine laue Brise, die sich schlagartig in einen Orkan verwandelt.
 

„Von uns allen hast du es am nötigsten. Du hast deine magischen Fähigkeiten nur recht dürftig unter Kontrolle.“
 

TenTen kniff die Augen zusammen und zwang sich zur Ruhe, obwohl es in ihrem Inneren zu Brodeln begann. Sie spürte, dass Neji und Hinata inne hielten und zu ihr sahen. Sie hörte den Malak auch eine leise Warnung zu Hanabi zischen, aber diese ignorierte es geflissentlich. „Ich weiß nicht, was mein Bruder an dir findet; du bist nicht halb so brauchbar oder gut, wie er behauptet. Du bist in diesem Krieg zu nichts nütze. Er hätte dich töten sollen wie die anderen Missgeburten vor dir.“
 

Hanabi verachtete sie dafür, ein Kind zweier Engel zu sein. Sie stand nur aus Liebe auf der Seite ihres Bruders… und weil ein beängstigend heiß flammender Bruderkomplex sie dazu trieb. Sonst hätte sie sich wegen seines geplanten Verrats gegen ihn gestellt. Das kleine Mädchen hätte alles getan, um ihrem großen Bruder zu gefallen, aber sie konnte sich nur schwer damit abfinden, mit einer Missgeburt zusammen arbeiten zu müssen, selbst wenn es auf seinen Wunsch geschah. Und sie konnte nicht damit umgehen, dass dieser Gefallene Engel in so hohem Ansehen von Luzifel stand.
 

„Ha- Hanabi, lass es gut sein“, sagte Hinata, doch es war längst zu spät. TenTen konnte sich nicht bezähmen und ein roter Schleier der Wut legte sich vor ihre Augen. Die Kampfeslust ließ ihre Muskeln zittern, als sie ihren nadelartigen Dolch zog, um auf Hanabi loszugehen. Sie würde diesem kleinen Miststück eine gehörige Lektion erteilen, sodass die Kleine es nie wieder wagen würde, sie auch nur falsch anzusehen!
 

Sie hörte Hinata aufschreien und auch ein heiseres „Verflucht!“ von Neji, aber es drang nur wie von Weitem in ihr Bewusstsein. Sie bewegte sich blitzschnell geradlinig auf Hanabi zu, der die Überraschung im Gesicht geschrieben stand. Die junge Malak aber fing sich schnell. Eine weit ausholende Bewegung mit dem rechten Arm beschwor eine Sturmböe, die TenTen ruckartig von den Füßen riss, sodass sie zwei Meter auf dem Boden nach hinten schleifte. Der Dolch entglitt ihren Fingern, als sie ihre Hand in den Boden rammte, um sich zu bremsen. So schnell wie möglich versuchte sie sich aufzurichten, als Hanabi einen weiteren Windstoß nachschickte, um sie an den Boden festzupinnen. Dieses Mal jedoch wehrte TenTen den Luftstoß gleichermaßen mit einer Beschwörung des Windes ab, auch wenn sie schwächer war als Hanabis. Sie wollte nachlegen und das kleine Biest mit einem Flammenwurf ablenken, um ihr dann einen heftigen Schlag zu verpassen, aber Neji machte ihr einen Strich durch die Rechnung.
 

„Aufhören!“ Neji hielt sie von hinten fest umgriffen und auch Hinata hielt Hanabi in einem eisernen Griff umfangen. „Wir sind auf derselben Seite, da sollten wir uns nicht die Köpfe einschlagen!“
 

TenTen atmete schwer, aber da war es wieder – der Klang seiner Stimme, dieser scharfe Duft der Kälte und über die Schulter blickend konnte sie in seine tiefen Augen sehen, die ihr Gemüt wieder dämpften. Aber anstatt, dass ihr Herz ruhiger schlug, blieb es in demselben schnellen Takt wie eben und die vielen Male zuvor, als er ihr nah gekommen war. Doch jetzt schlich sich noch ein zartes Prickeln, das ausgehend von ihrem Hals über ihre Haut wanderte, hinzu, nachdem sein Atem über Wange streifte. Seine unmittelbare Nähe war seltsam. Ihr inneres, heißblütiges Wesen schien sich einerseits zu legen und andererseits dagegen zu sträuben, denn anstatt in einen Zustand vollkommener Ruhe zu verfallen, blieb immer ein inneres Aufgewühltsein.
 

„Lasst mich!“, zischte Hanabi. „Ich will ein für alle Mal die Fronten klären!“
 

Hinata sah hilflos zu TenTen und Neji, während sie die zappelnde Malak unter Kontrolle zu halten versuchte. Die Gefallene beobachtete das Szenario innerlich befriedigt. Zufrieden wie eine Katze, die ihre Beute in die Enge getrieben hat, entspannte sie sich und wartete. Sie wusste, was sie zu tun hatte. Neji lockerte den Griff um ihre Arme, als er spürte, dass sie wieder bei klarem Verstand war.
 

Neji wollte gerade etwas antworten, aber sie fuhr ihm dazwischen: „Bitte, Neji. Lass sie und mich das austragen. Wir können sonst nicht zusammen arbeiten. Entweder sie wird mich als die Stärkere akzeptieren oder ich sie. Aber zumindest wüssten wir dann beide jeweils unseren Platz.“
 

Hinata sog erschrocken Luft ein und ihre Schwester warf einen ungläubigen Blick zu ihr. Auch Neji sah man den Zweifel an, aber sie antwortete lächelnd: „Keine Sorge. Dieses Mal musst du nicht eingreifen. Ich habe mich wieder unter Kontrolle und das wird bei diesem Kampf auch so bleiben.“
 

Sie war sich sehr sicher, sie würde die Kontrolle behalten. Neji hatte ihr die Kraft dafür geschenkt.
 

Nach ein paar Sekunden nickte er und auch Hinata ließ Hanabi los, die sich zum Kampf positionierte. TenTen stellte sich dem jungen, unerfahrenen Ding gegenüber und zog langsam und lässig ihr Langschwert, während Hanabi ihren Langdolch zückte. Die Malak war eigentlich eine Distanzkämpferin und benutzte einen großen Bogen, doch in diesem Kampf wollte sie TenTen auf gleicher Höhe gegenüber stehen.
 

Mehrere gefühlte Minuten lang standen sie sich nur schweigend gegenüber und schienen sich mit Blicken zu erdolchen. Auf ein lautloses Startsignal hin stürmten sie aufeinander zu. TenTen machte nicht noch einmal den Fehler, ihr geradlinig entgegen zu laufen. In einer Zick-zack-Bewegung näherte sie sich dem Engel und hielt das Schwert zu einem weiten Ausholen bereit. Hanabi attackierte sie mit Luftstößen, um sie aus dem Gleichgewicht zu bringen, doch TenTen bewegte sich zu schnell und immer wieder außerhalb ihres Angriffsbereichs. Dennoch gelang es Hanabi mit ihren beständigen Attacken TenTens Lauf zu bremsen und sie sogar zum Stolpern zu bringen, was sie den Kopf gekostet hätte, wenn sie sich nicht zur Seite fallen gelassen und weg gerollt hätte. Die Malak hatte es nutzen wollen, um TenTen einen Tritt auf den Hinterkopf zu verpassen und so den Sieg einzuheimsen, aber die Gefallene entglitt ihr.
 

TenTen hatte sich schnell wieder aufgerichtet und hielt ihren blutenden Arm. Als sie sich hatte fallen lassen müssen, hatte sie sich mit ihrer eigenen Klinge verletzt. Ein unterdrückter Fluch entwich ihren Lippen und sie sprang ein paar Meter nach hinten, um Abstand zu Hanabi zu gewinnen, die ihr keine Verschnaufpause gönnen wollte. TenTen sah keinen anderen Weg, als Hanabi selbst von den Füßen zu reißen, um kurz die Möglichkeit zu bekommen, Atem zu schöpfen und angreifen zu können. Mit einem kehligen Aufschrei stampfte sie hart auf dem Boden auf. Die Erde erbebte unter der heftigen Erschütterung, sodass die junge Malak ihr Gleichgewicht verlor. Sie fiel nicht, da sie eine heftige Brise rief, die sie im Rücken stützte, doch sie stand nicht sicher und diese wenigen Sekunden, die TenTen dafür geschenkt bekam, waren es lediglich, die sie brauchte. Blitzschnell zog sie ihren Dolch und warf ihn in die Richtung ihres schwankenden Gegenübers. Sie sah, wie Hanabi vor Schreck die Augen weitete und in letzter Sekunde mittels eines Luftstoß‘ die Flugbahn des Geschosses umleiten konnte. Das war die Chance, auf die TenTen gewartet hatte. Sie hatte sich soweit wieder gesammelt und den Schmerz ihrer Wunde unter Kontrolle, dass sie in der Lage war, ihre Klinge zu ziehen und auf Hanabi zuzustürmen.
 

Die Gefallene sah es in den Augen der jüngeren Malak – das Mädchen hatte sich bereits ergeben. Die Niederlage war unausweichlich. Selbst wenn sie jetzt noch einmal eine Windattacke beschwor, so war TenTen darauf zu gut vorbereitet, um sich noch einmal davon beeindrucken zu lassen. Sie würde dem Angriff ausweichen oder zurückschicken.
 

Grinsend warf sie sich gegen Hanabi, die nun endgültig zu Boden stürzte. Sie stützte sich mit dem Knie auf Hanabis Brustkorb und setzte die Klinge unter ihre Kehle. Die junge Malak hatte keine Chance mehr, sich zu bewegen. Ihre Augen lagen auf TenTen – in ihnen brannte die Wut und Enttäuschung über den verlorenen Sieg, die Verachtung sich selbst gegenüber, dass sie ausgerechnet gegen TenTen verloren hatte und auch eine leise Bewunderung lag darin verborgen.
 

„Ich denke, die Fronten sind geklärt“, wisperte TenTen und entfernte langsam die Schneide von Hanabis Halsader.
 

Sie richtete sich auf und ging zurück zu der Unterkunft, die ihr Luzifel gestellt hatte.
 

Sie spürte Nejis brennende Blicke im Rücken.
 

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Nach dem Kampf mit Hanabi stabilisierte sich allmählich ihr Verhältnis und man konnte beinahe von gegenseitiger Achtung sprechen. TenTen konnte nicht leugnen, dass die junge Malak talentiert und kampferprobt war, nur leider brannte ihre Leidenschaft für diesen Krieg zu heiß und zu lodernd und aus den falschen Gründen. Aber sie wollte deswegen nicht mehr mit ihr aneinander geraten. Sie waren inzwischen eine feste Gruppe und sie hatten ihre Aufgabe.
 

Inzwischen hatte es Luzifel geschafft, die Revolte durch zu organisieren und seine Leute nach und nach in hohe und günstige Positionen einzuschleusen, von wo aus sie immer weitere Rebellen zu sich holten. Dank TenTens Liaison mit Metatron – und ihren überzeugenden Überredungskünsten - war es ihnen gelungen, nicht nur ihn, den so genannten „Statthalter des Himmels“, für sich zu gewinnen, sondern auch noch weitere hochrangige Engel, die ihre Sache unterstützten. Es war TenTen schwer gefallen, Metatron nicht den Hals umzudrehen, als sie ihn sah, aber zum Glück hatte sie Neji an ihrer Seite gehabt, der dafür sorgte, dass sich ihr Gemüt nicht allzu sehr erhitzte.
 

Sie wusste nicht, wie es so schnell hatte kommen können, aber es war für sie nicht mehr möglich, sich Nejis Anwesenheit wegzudenken. Da Luzifel beschlossen hatte, dass sie als eine feste Gruppierung viel Zeit miteinander verbringen sollten, um sich gegenseitig kennen zu lernen und um sich aufeinander einstellen zu können, hatten sie begonnen, in einem Haus zusammen zu leben.
 

Zuerst hatte es sie gestört und in ihrer Privatsphäre verletzt, dass sie immer von den drei Malak umgeben war – insbesondere aufgrund Hanabis Abneigung und Nejis beständiger, wenn auch recht geschickt verborgener Beobachtung. Zudem war sie es nicht gewöhnt, mit anderen Lebewesen lange an ein- und demselben Ort in Gemeinschaft zu verweilen. Als sie damals von den Dämonen aufgenommen worden war, war ihr Leben eine beständige Reise durch die verschiedenen Sphären der Hölle gewesen, denn die Dämonen waren kein sesshaftes Volk, sondern ihnen wohnte die Natur von Nomaden inne. So kam es auch, dass sich Gruppen einer Sippe von den anderen lösten und früher an andere aufbrachen. Die Truppen summierten und subtrahierten sich von Zeit zu Zeit und selten verbrachte man lange Zeit mit denselben Gesichtern zusammen.
 

Und obwohl sie sich am Anfang recht bedrängt und eingeengt gefühlt hatte, konnte sie sich doch recht schnell an dieses Gefühl anpassen.
 

Vielleicht lag es daran, dass sie, seit sie Zeit mit den drei Geschwistern Luzifels verbrachte - besonders mit Neji - ruhiger geworden war und die Anfälle sich dezimiert hatten. Es war eine Wohltat für ihren Geist, dass sie nun eine geraume Weile bei klarem Verstand und imstande war, den anderen dienlich zu sein.
 

Aber vielleicht lag es auch an etwas Anderem – etwas, das sie noch nicht verstand. Es war noch etwas an Neji, das sie sich wohlfühlen ließ. Seine Gegenwart war angenehm und seine ruhige Art war wie Balsam für ihre geschundene Seele. Er musste nicht viel sagen, um ihr etwas mitzuteilen, und es verlangte ihm auch nicht danach. Es reichten ein paar Blicke, Andeutungen… oder Sekunden des Schweigens. Ein so inniges Verständnis war für sie besonders und unvertraut. Zuweilen fürchtete sie sich davor, was er alles von ihr erfahren mochte, wenn sie ihn nur ansah. Wie tief er in ihr Innerstes schauen mochte. Sie hatte Angst, dass sie sich in einem unbedachten Moment ihm zu weit öffnete und er Dinge in ihr erkannte, die ihn wieder von ihr stießen. Sie wollte ihn nicht wieder verlieren und das machte ihr noch mehr Angst – die Befürchtung, dass er gehen könnte und mit welchem Schmerz und Unsicherheit er sie damit zurückließ, ließ sie bis in ihr Innerstes erschauern.
 

Es war merkwürdig, dass sie sich so an seine Nähe und Unterstützung gewöhnt hatte, dass sie ihn schon brauchte.
 

TenTen konnte es nicht genauer benennen, aber dieses Zusammenleben hatte etwas Entscheidendes in ihr geändert.
 

Als wäre etwas erwärmt worden, das lange Zeit in ihr erfroren gewesen war.
 

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Seitdem TenTen zu der Gruppe um Luzifel gestoßen war, waren 34 Sonnenumläufe vergangen. In der Zeit hatte sie diverse Missionen mit Neji, Hinata und Hanabi absolviert – sie hatten Unterstützung bei den Erstgeborenen und den Malak gesucht, hatten sich darum gekümmert, dass alle Verbündeten mit Waffen, Ausrüstung und Unterkünften versehen würden, hatten sich in geheime und heilige Räume der Malak eingeschlichen, um Informationen zu ergattern und hatten jene Engel beseitigt, die ihrer Revolte scheinbar beitreten wollten, um sie dann an Den Einen zu verraten. Sie selbst hatte kein Bedauern gespürt, denn sie hatte nie eine Bindung auf emotionaler Basis zu den Malak aufgebaut. Sie konnte aber Hinata ansehen, dass sie darunter litt, ihr Volk töten zu müssen, nur um für eine ehrenvolle Sache einzustehen. Sie versuchte Nejis Zwillingsschwester beizustehen, denn sie war ihr inzwischen eine gute Verbündete und Kampfgefährtin geworden… wenn TenTen mehr Erfahrung damit gehabt hätte, hätte sie wohl gesagt, dass sie Hinata als Freundin betrachtete.
 

Und nun würde es morgen so weit sein, dass sie ihren großen Angriff begannen. Der Eine hatte seiner Kreation Lilith, das einzige menschliche Wesen, das ihm innerhalb einer Woche zu schaffen gelungen war, 50 Tage gegeben, um ihre Entscheidung zu überdenken, ob sie ihm nicht doch zu Diensten sein und ihre Aufgabe erfüllen wollte. Lilith hatte sich nämlich auf den ersten Blick in den Erzengel Luzifel verliebt, der zum Zeitpunkt ihrer Schöpfung bei seinem Herren gewesen war. Sie war von daher nicht bereit gewesen, das Himmelreich zu verlassen, um vom Wort Des Einen bei den Menschen zu künden. Daraufhin hatte Der Eine ihr unter Drohung eine Bedenkzeit gegeben. Für diese Zeit hatte er die schöne Menschenfrau in ein Verlies sperren lassen, zu dem nur hochrangige Engel wie Luzifel Zugang besaßen.
 

Zeit spielte für Den Einen keine Rolle und damit hatte er unwissender Weise seinen Gegner einen Vorteil verschafft. Der Lichtbringer, der ebenfalls wie Lilith auf dem ersten Blick spürte, dass sie füreinander bestimmt waren, hatte die Zeit sofort genutzt, um alles nötige zu planen… und um TenTen ausfindig zu machen. Ihre Hilfe hatte einige Dinge wesentlich beschleunigt – vor allem die Überzeugung einiger höherer Malak.
 

Morgen würde sich nun zeigen, ob sich die Mühe gelohnt hatte. Dann wäre Lilith‘ öffentliche Verbannung, wo sie ihr letzte Chance erhalten sollte, vor allen ihr Entscheidung zu revidieren. TenTen war leicht nervös, denn sie würde zum ersten Mal die Frau sehen, für die sie Kopf und Kragen riskierte. Sie war gespannt, ob ihr Plan aufgehen würde, ob nicht in der letzten Sekunde jemand den Mut verlor und ob es wirklich funktionierte, dass sie unbemerkt in den Inneren Kreis des Himmels eindringen konnte.
 

Unter dem Gedränge der Malak, die versammelt vor dem Podium von Lilith’ Hinrichtung stehen würden, würde wahrscheinlich ein unbekannter Seraphin kaum auffallen. Die Schwierigkeit für TenTen aber bestand darin, den Zauber, um ihre Flügel abzulegen, dauerhaft aufrecht zu erhalten. Sie hatte es in den letzten Wochen verstärkt trainiert, aber es war noch immer eine erhebliche Anstrengung für sie. Wenn sie versehentlich die Kunst löste, würde wohl ein Aufruhr entstehen und ihren Plan wohl zunichte machen.
 

TenTen schloss die Augen und bemerkte erst jetzt, dass sie in ihrer Gedankenlosigkeit auf das Feld hinaus getreten war, das an ihre Behausung angrenzte. Sie sah die lodernd brennende Sonne am Horizont allmählich versinken und sie tauchte die Welt in Flammen. Sie spürte die weiche und dennoch bodenständige Erde unter ihren leicht bestiefelten Füßen, fühlte den Wind ihre Wangen streicheln, hörte ihn eine verheißungsvolle Melodie singen. Die Luft war schwül und mit den Düften aufziehenden Regens gewürzt. Ihre Haare, die sich leicht aus den Knoten, die sie geflochten hatte, gelösten hatten, stoben im Wind auf und als sie über ihren nackten Nacken strichen, bekam sie eine leichte Gänsehaut. Sie spürte, dass sie das heiße Feuer eines Blitzes in nicht allzu weiter Entfernung erwartete.
 

In diesem Moment vereinigten sich hier alle vier Elemente… an diesem Ort, in ihrer Umgebung und auch in ihr. Ihr Blut pulsierte in ihren Adern und sang mit derselben Stimme wie der Wind. Sie fühlte sich belebt, gestärkt und sicher. Als würden alle Zweifel fortgewaschen und hinweg gespült.
 

Als würden die Elemente zu ihr kommen, um ihr die Selbstsicherheit und Zuversicht zu schenken, die sie brauchte, um den morgigen Kampf zu bestehen.
 

Sie lächelte, auch als der Regen losbrach und hart auf ihre zarte Haut schlug. Selbst als sie vollkommen durchnässt war und der Wind eisig kalt an ihrem Körper zehrte, empfand sie es mehr als ein lustvolles, bekräftigendes und ermutigendes Reißen, das ihr die Kraft gab, die sie brauchen würde. Selbst als der Regen so dicht wurde, dass sie kaum noch die Augen offen halten konnte, schwand ihre Zuversicht nicht.
 

Auch wenn sie von hier verstoßen worden war, so hießen die Elemente willkommen.
 

Sie hörte ihn erst, als er dicht hinter sie trat und seine Körperwärme auf ihre Haut abstrahlte. Ein angenehmes Prickeln verbreitete sich von ihrem Nacken über ihren Rücken bis zu ihrem Bauch, wo es sich in eine wohlige Wärme verwandelte. Sie kannte diesen Geruch und diese Präsenz. Lächelnd fragte sie ihn: „Gibt es einen Grund, sich anzuschleichen, Neji?“
 

Er stieß leicht belustigt Luft aus und sie spürte es im Rücken, was sie leicht erzittern ließ. Sie drehte sich nicht um, denn sie wusste, was sie sehen würde. Unendliche schneeweiße Weiten…
 

„Ich möchte dir etwas geben“, sagte Neji leise und klang dabei äußerst zufrieden.
 

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Soweit verlief alles nach Plan. Dank des Einflusses von Luzifels Geschwistern hatte sich TenTen ohne großes Aufsehen zu erregen zum Inneren Kreis bewegen können. Die Geschwister des Lichtbringers waren den meisten der Malak bekannt und jeder wusste von ihnen, dass sie hochrangige Engel waren – daher wunderte es niemanden, dass sie sich in Gesellschaft eines Seraphin befanden, der allen zwar unvertraut war, aber sie glaubten dann noch mehr an seine Wichtigkeit, denn viele der mächtigen Malak begaben sich in die Abgeschiedenheit, um ihre Aufgaben in Ruhe und gewissenhaft zu erfüllen.
 

TenTen trug einen weiten Mantel, in den sie sich immer wieder hüllte, wenn sich ihr ein fremder Malak zu sehr näherte. Sie wusste, dass es im Notfall nichts nützen würde, aber es gab ihr eine gewisse Sicherheit. Außerdem konnte sie so sichergehen, dass niemand die Waffe sah, die sie sich über den Rücken geschnallt hatte.
 

Sie lächelte bei dem Gedanken an die gespaltene Klinge, die ihr Neji letzte Nacht geschenkt hatte. Es war eine mit Nejis Blut geschmiedete Klinge, die dafür sorgen sollte, dass sie ruhig blieb, wenn sie diese Waffe in den Händen hielt… denn Neji hatte seine Magie und seinen Willen in dieses Schwert fließen lassen. Sie war fein verarbeitet und ein einzelner Edelstein war in das Blatt hinein geschmiedet. Die Klinge, die eigentlich die Breite eines durchschnittlichen Schwertes gehabt hätte, teilte sich in zwei schmalere Schneiden, die sich kurz vor dem Heft zusammen schlossen.
 

Es war das schönste Geschenk, das sie sich hätte vorstellen können.
 

Lange konnte sich TenTen keine Gedanken über Nejis Präsent machen, denn die Massen der Malak verdichtete sich immer mehr und fingen an, sich zu drängen. Wenn sie nicht aufpasste, würde sie sich unter den Engeln nicht mehr bewegen und ihr Schwert ziehen können. Das wäre fatal, denn so würde sie sofort überwältigt werden. Zudem würde sie dann ihre Gefährten wohl nicht mehr erkennen können, wenn sie zwischen den Leibern gequetscht wäre – denn ihr Kennzeichen war eine Brosche, die ein jeder von ihnen an der Hüfte trug.
 

Ein Aufruhr ging durch die Menge und sie schoben sich noch dichter zusammen. Einige der Throne, gekleidet in feierlicher Kampfrüstung - »Wie passend«, dachte TenTen – führten die Angeklagte zum Podium, das sich in 20 Meter Höhe vor den versammelten Malak erhob. TenTen blinzelte und ihre Lippen standen leicht offen. Lilith war wirklich wunderschön! Ihre feurig roten Haare fielen in weiten Wellen über ihren Körper, hinab zu ihren ausladenden Hüften und in ihren strahlend grünen Augen brannte ein Feuer, das mit der Flamme des Lichtbringers durchaus konkurrieren konnte. Die Art, wie sie den dunkelroten Mund verzog und die milchig weiße Haut ihrer Stirn in Falten warf, zeigte ihren unbeugsamen Willen und ihre Entschlossenheit. Diese Frau würde niemals von ihrer Entscheidung abweichen!
 

Die Gefallene verzog ihre Lippen zu einem Lächeln. Sie wisperte: „Ich weiß jetzt zumindest, dass sich das Ganze lohnt.“
 

Hinata warf ihr einen überraschten Blick von der Seite zu. Nejis Zwillingsschwester hatte sich dicht neben sie gestellt, während Hanabi sich etwas weiter vor ihnen positioniert hatte und ihr Bruder schützte ihren Rücken.
 

Als Lilith erschienen war, war der Tumult lauter geworden. Die Stimmen der Versammelten erhoben sich, wurden zu einem dröhnenden Tuscheln, das die Ohren der Anwesenden betäubte und reflexartig zog TenTen an ihrem Mantel, als ob sie so die Geräusche ausblenden könnte. Es wurde fast unerträglich, als mit heißem Verlangen die Ankunft Des Einen erwartet wurde, ihrem aller Vater, das Wesen, von dem TenTen nicht geduldet und akzeptiert wurde. Sie grollte innerlich und leckte sich nervös über die Lippen, denn allmählich hielt sie die Spannung nicht mehr aus. Sie wollte das Gesicht desjenigen sehen, der sie zu diesem schrecklichen Leben verurteilt hatte… der sie lieber tot als lebendig sehen wollte.
 

Seltsamerweise begriff TenTen in diesem Moment, dass sie ihn dennoch nicht hassen konnte.
 

Als sie sich umsah, mit welcher frenetischen Abhängigkeit die anwesenden Malak ihren Vater verlangten und unter welch strengen Regeln, welchen Entbehrungen sie leben mussten… Diener der Menschen, ihre Beschützer und Führer, Sklaven ihres eigenen Vaters und bar jeder Liebe… da verstand sie endlich, dass sie gesegnet war, dass man sie verbannt und verstoßen hatte. Sie war frei gewesen. Sie hatte lieben und leben dürfen.
 

Nicht die Hölle war ein schrecklicher Ort… es war der Himmel, den sie wirklich fürchtete.
 

Und genau in diesem Augenblick erschien er, Der Eine, der Allvater der Engel und Dämonen, Herr über den Himmel.
 

Sie wusste nicht, was sie zu sehen erwartet hatte – sie sah ein gleißendes Licht, das die Umrisse eines Menschen trugen, nur waren die Glieder länger und schienen… zu verschwimmen. Sie fühlte sich elektrisiert von der Macht, die er ausstrahlte, wie gelähmt und die Luft wabberte um ihn, als wäre sie erhitzt worden. Die Umgebung war geschwängert von einem Duft nach Ozon und dem Gefühl der Macht und der Einschüchterung. Die Massen holten wie ein Mann Luft und erstarrten, bevor sie alle begannen Lobpreisungen zu schreien und ihrer verzweifelten Liebe ihrem Vater gegenüber Ausdruck zu verleihen. Sie roch den Hunger dieser Malak nach Anerkennung. Sie sah die leeren Augen einiger Engel, dasselbe sehnsüchtige Flehen wie in den Augen der Dämonen lag darin verborgen.
 

Ihr wurde schlecht.
 

Da begann er mit einer körperlosen Stimme zu ihnen zu sprechen. Es war, als ob sich seine Stimme wie Luftdruckwellen von überall her in ihren Körper presste und über ihre Blutbahnen wellenartig zu ihrem Gehirn durch fraß. Sie war gewillt zu schreien, aber dieser Druck raubte ihre Stimme und so konnte sie nur mit offenem Mund da stehen, zu diesem übermächtigen Wesen starren und zuhören, während sich ihr Herz vor Angst und Abscheu verkrampfte.
 

Sie kämpfte mit aller Macht, damit sie ihren Zauber aufrecht erhalten konnte.
 

“Mensch Lilith, du bist mein Geschöpf. Ich gab dir eine Form, hauchte dir Leben ein und schenkte dir einen freien Willen. Dennoch schuf ich dich mit der Aufgabe, dass du das fehlende Bindeglied zwischen unserer Welt und die der Menschen sein solltest, sodass wir endlich in Kontakt zueinander treten können. Du weigertest dich mit der Aussage, dass du einen Malak liebst und mit ihm dein Leben verbringen willst, anstatt mir als Sprachrohr zu dienen! Für diese Verweigerung wird dich die Strafe der Verbannung in den Untersten Kreis der Hölle erwarten!“
 

TenTen holte laut japsend Luft, denn sie konnte seine Stimme in ihrem Inneren kaum ertragen. Diese machtvolle Stimme war nicht für sterbliche Ohren bestimmt und sie sah es Lilith an, dass diese unter unglaublichen Krämpfen litt, vielleicht sogar kurz vor dem Kollabieren war. Hinata, Hanabi und Neji hielten seinen Worten gut stand – warum ertrug sie es dann selbst nicht? Hatte ihre Missbildung sie so weit von Dem Einen entfernt, dass sie ihn nicht mehr ertrug?
 

Oder hatte das Leben in der Hölle ihr die Heiligkeit genommen?
 

Sie verkrampfte sich, als er fortfuhr: “Ich gebe dir hiermit die letzte Chance, deine Aussage zu revidieren. Das ist deine letzte Möglichkeit, der Ächtung zu entgehen, denn sobald den Boden der Hölle betrittst, steht es den Malak frei dich zu töten, wenn sie dich sehen.“
 

Der Gefallene Engel riss die Augen auf und ihr stockte der Atem. Sie selbst hatte ebenfalls den Status der Vogelfreien inne, denn sie war das Produkt der frevelhaften Liebe zweier Engel… aber sie hatte nicht gewusst, dass die Todesstrafe darauf stand, wenn man die Hölle betrat. Sie warf einen kurzen Blick zu ihren Gefährten. Sie hatten sich schon im Vornherein gegen Den Einen aufgelehnt, weil sie sie nicht getötet und dann auch noch hier her gebracht hatten.
 

Lilith, die sich Schweiß überströmt aufrichtete, sagte mit einer kratzigen, aber festen Stimme: „Ich bleibe dabei. Ich werde dir nicht dienen.“
 

Die Malak sogen entsetzt die Luft ein, es klang wie das Zischen einer gewaltigen Schlange… einige begannen Beschimpfungen und Ächtungen zu schreien, doch die schöne Menschenfrau stand aufrecht und ungerührt vor ihnen und TenTen hatte noch nie so ein Bild der Macht gesehen. In diesem Moment war sie stärker als die Lichtgestalt neben ihr, auch wenn dieser sie mit einem Wink seiner Hand zerstören konnte.
 

“Deine Seele wird in der Ewigkeit nicht gerettet werden!“, zischte er und dafür bekam er laute Zustimmungsbekundungen. “So sei es – Mensch Lilith, du wirst hiermit in die Hölle verbannt. Wenn du den Fall aus dem Himmel überlebst, so hat jeder Malak das Recht, dich auf der Stelle zu töten, wenn er dir begegnet!“
 

Der Beifall wollte gerade laut und das Urteil vollstreckt werden, doch das war ihr aller Stichwort. Luzifel, der strahlende Lichtbringer erhob sich und schrie: „Das lasse ich nicht zu!“
 

TenTen spürte eine Druckwelle der Verwirrung von dem Herren ausgehen, Worte des Unglaubens, der Enttäuschung und der heißlodernden Wut rannen durch ihre Venen. Die Stimme Des Einen mischte sich mit den Schreien der entsetzten Malak und über alldem erhob sich das leise, freudige Wispern von Lilith, die Luzifels Namen nannte.
 

„Wir werden nicht mehr länger unter Deiner Tyrannei leben! Wir werden für unsere Freiheit kämpfen!“
 

Das war der Moment, dass TenTen ihren Umhang von sich warf, den Zauber löste und ihre gespaltene Klinge zog. Sie sah Neji, der auf den ersten überraschten Malak losging, der viel zu schockiert war, um sich zu wehren und sie beobachtete die Geschwister Hinata und Hanabi, die mit ihren Zaubern Schneisen durch die Massen schlugen, um so viele wie möglich zu erwischen, bevor sie sich organisierten.
 

TenTen selbst stürmte los und mähte nieder, wen sie antraf. Und obwohl das Schwert in ihrer Hand vibrierte und zu pulsieren schien, konnte es doch nicht verhindern, dass der rote Schleier des Blutdurstes sich über ihre Augen und ihren Geist legte.
 

Das Letzte, das sie klar registrierte, war, dass Der Eine wutentbrannt schrie, dass man ihn schützen sollte und dass die Aufständler niedergeschlagen werden müssten.
 

Doch in dem Moment, als der Wahnsinn in ihr Überhand nahm, erreichte sie nicht einmal mehr die allmächtige Stimme des Herrschers des Himmels.
 

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Es war eine epische Schlacht. Kein Krieg – weder im Himmel noch auf Erden – hatte je so viel Blut fließen sehen. Er regnete von den Wolken herab, brach über die Massen herein wie ein Monsun und fegte sie alle nieder wie ein Orkan. Es tränkte die Erde, die Flüsse, den Himmel und machte ihn auf ewig unfruchtbar.
 

Die Gegner Luzifels organisierten sich viel zu schnell, doch die Revolte war mächtiger als die Parteien des Himmels. Luftstürme prallten aufeinander, die Erde bebte und Gesteinsbrocken durchbrachen den Boden, Flutwellen rissen die Massen nieder und alles entflammte in einem alles versengenden Feuer. Die Elemente wurden zu einem reißerischen Wirbel, einen alles einsaugenden Strudel, der jeden ergriff, der sich zu nah an sie heranwagte. Blitze durchzuckten den schlagartig verdunkelten Himmel, Regen fiel, Donner grollte und untermalte die Szenerie der Vernichtung, tauchte alles in Düsternis, der nur vereinzelt durchbrochen war von Helligkeit, wenn ein weiterer Lichtblitz aufzuckte und die Umgebung für einen Sekundenbruchteil in ein gespenstisches Licht tauchte.
 

Die beiden Engel des Feuers, die Erzrivalen Michael und Luzifel, trugen einen schon seit Jahren ersehnten Zweikampf aus, bei dem alles verbrannte, das sich ihnen näherte. Der Boden verwandelte sich in ein Flammenmeer, die Luft war erfüllt von Asche, die die Lungen verbrannte, wenn man sie einatmete. Es stank nach verkohltem, verbrennendem Fleisch… und alles starb den Feuertod. Der Boden und die Bäume verwandelten sich in schwarze Kohle, die nie wieder zu Leben erblühen würden, denn das Inferno war zu mächtig, um von dem Regen gelöscht werden zu können.
 

An diesem Tag verlor Michael, der Wächter des Paradieses und Träger des Heiligen Flammenschwerts, sein Leben… wie so viele andere auch.
 

Waffengeklirr, Todesschreie, Blut, Elementkräfte, weißen Federn, die jungfräulich in Regenpfützen fielen und dann von dem roten Lebenssaft der Malak bespritzt wurden…
 

Sie hätten gewonnen. Sie hätten gesiegt. Sie hätten triumphiert, denn sie waren viel zahlreicher als die wenigen fanatischen Engel, die zu ihrem Vater standen.
 

Aber Der Eine griff ein. Mit einer gewaltigen Kraftanstrengung beschwor er einen blauen Blitz, der all jene, die auf Luzifels Seiten standen, aus dem Himmelsreich verbannte. Sie wurde aus dem Himmel verstoßen und ihre Körper fielen seicht gen Erde wie die abgestorbenen Blätter eines alternden Baumes. Wie Schnee segelten Engel, Waffen und Tausende Federn in Richtung Hölle, unendlich langsam, zusammen mit Blut, das wie Regen fiel… oder das wie Tränen hinab rann.
 

Allen voran fielen Luzifel und Lilith.
 

Manche starben bei der Verbannung. Manche überlebten den Fall nicht. Aber die, die fielen, wurden zu den Gefallenen Engeln, weder Engel noch Dämonen, Grauwesen, von denen man nicht weiß, ob sie gut oder böse sind. Sie sind die Geistwesen, vor denen sich die Menschen fürchteten, die nebligen Gestalten im Hintergrund des Spiegels, die metallischen, gehässigen Stimmen in der tiefen Schwärze der Nacht.
 

Und ihr Kampf war lange nicht geschlagen… ihr Glauben nicht besiegt.
 

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Viele waren gestorben, aber ihr Wille war ungebrochen. Ihr Ziel war es, zurückzukehren und Den Einen ein für alle Mal zu stürzen, um sich und ihr Volk von seiner Herrschaft zu befreien. TenTen, Neji, Hanabi und Hinata hatten schwer verletzt überlebt und waren nun die ersten Berater Luzifels, der mit neuer Überzeugung all jene um sich sammelte, die auf seiner Seite waren.
 

Luzifel sah keine andere Möglichkeit, als die Hilfe der Dämonen zu erbitten, mit denen die Engel so lange Krieg und Kämpfe geführt hatten, um die Menschen zu schützen. Die Erstgeborenen waren ihre Brüder, vom selben Blut mit demselben Schmerz in ihrem Herzen. Es gab blutige Aufstände bei den Verhandlungen und bitter wurde dafür bezahlt, dass Gefallene Engel mit den Dämonen zusammen leben durften und mit ihnen gemeinsam kämpften. Selbst TenTens Anwesenheit, die unter den Erstgeborenen ein hohes Ansehen und den Rang eines Erzdämons genoss, konnte wenig ausrichten, denn alter Hass schwärt lange und eitert. Auch wenn ihr Hass weniger auf Abneigung als auf Befehlen beruhte, waren die wenigstens unter den beiden Parteien bereit, dem anderen Zugeständnisse zu machen. Danach wurden Stimmen laut, dass die beiden Rassen geeint werden müssten unter einem Herrscher, der sie in ihrem Kampf anführte. Luzifel sah sich gezwungen mit dem Oberhaupt der Dämonen ein Kampf auszufechten.
 

Luzifel gewann den Kampf nur knapp. Die Erstgeborenen trugen viel der noch frischen, reinen, unverbrauchten Energie Des Einen in sich und der Dämonenkönig Azagthoth war das erste Geschöpf, das Der Eine mit dieser Macht gebar. Nur die heiß liebende Bevorzugung des Lichtbringers und dem verbundenen Zugeständnis nach mehr Macht ließen ihn gewinnen. Nach seinem Sieg nahm er nach dämonischer Sitte den Körper, Geist und die Kraft des Besiegten in sich auf, um seine Macht zu vergrößern und den Gegner zu ehren.
 

Das war der Moment, als Luzifel sein Dasein als Engel ablegte und zu Luzifer, dem Befehlshaber der dämonischen Streithaber und dem Herrscher der Hölle wurde. Er wurde der Gegenspieler Des Einen und der himmlischen Streitkräfte, er entwickelte sich zu einem Sinnbild all dessen, wofür sie gekämpft hatten – für Liebe, Freiheit und Widerstand, was später zu Lust, Anarchie und Auflehnung umgedeutet wurde. Seine noblen Ziele wurden gestraft und er wurde zum Herrn der Sünden ernannt, weil er für seine Überzeugungen eingestanden war… und diese sich entgegen jene Prinzipien seines Herrn richteten.
 

Lilith, die seine Gefährtin geworden war, wurde verleumdet. Aus der willensstarken, emanzipierten Frau wurden Bilder einer Mutterdämonin geschaffen, die erste der Succubi, Gebärerin vieler Plagen und Mörderin von Wöchnerinnen oder Neugeborenen… und vor allem wurde sie zur Frau des Teufels, eine Hexe, deren Name Schrecken und Pein brachte.
 

Aber das hielt Luzifer nicht ab, immer wieder gegen Gott aufzubegehren. Viele Schlachten wurden auf der Brücke geschlagen, die inzwischen kein neutrales Gebiet mehr war. Immer voran schickte er seine Geschwister und TenTen, die erste Gefallene unter ihnen.
 

Diese Zeiten des Hasses ermöglichten kaum etwas von dem, was sie sich erhofften. Die Liebe und Freiheit, für die sie kämpften, blieben auf der Strecke. Wie konnte man lieben, wenn dein Kamerad an deiner Seite starb? Wie konntest du frei sein, wenn du wusstest, dass du vogelfrei warst und du jeder Zeit um dein Leben bangen musstest?
 

Doch sie warteten auf die eine Chance, die Möglichkeit, dass endlich Frieden herrschen würde und sowohl Engel als auch Dämonen frei waren von den Fesseln ihres Schöpfers. Dass sie weit entfernt von den Menschen leben konnten, in ihren eigenen Welten mit ihren eigenen Verpflichtungen.
 

Und diese Chance sollte kommen.
 

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Es waren wenige von ihnen oben im Himmelreich geblieben. Sie hatten gewusst, falls die erste Revolte fehl schlug, würden sie wahrscheinlich verbannt werden und sie mussten jemanden zurücklassen, der ihnen Informationen zukommen lassen konnte. Eine unter ihnen war die fünfte Schwester Luzifers, von der die meisten nicht einmal wussten, dass sie seine jüngste Schwester war. Ihr Name war Kin und sie sah ihren Geschwistern kaum ähnlich. Ihnen war nur das lange, dunkle Haar gemein. Aber Kin war schmal, bleich, dunkeläugig und hatte etwas Überhebliches an sich.
 

TenTen mochte sie auf den ersten Blick nicht und das beruhte auf Gegenseitigkeit. Als sie sich damals trafen, um zu besprechen, welche Aufgabe Kin Zuteil werden sollte, hatte sie die Abneigung des Wasserengels tief gespürt. Kochende Eifersucht hatte in den Augen gebrodelt, was die Gefallene damals nicht sofort begriffen hatte, woher diese rühren sollte. Erst später hatte sie erkannt, dass Kin das einzige Mitglied ihrer Familie war, die außerhalb stand und die nicht zu diesem engen Bund gehörte, den Luzifers Geschwister zusammenhielt. Neji und Hinata standen sich als Zwillinge sehr nah und Hanabis Bruderkomplex trieb sie immer wieder zu Luzifer, der ebenfalls stark angetan war von seiner kleinen Schwester. Nur Kin war allein und hatte nie einen wirklichen Bezug zu den anderen aufgebaut.
 

Und dann tauchte TenTen auf, freundete sich mit ihrer Familie an und schaffte es, ein Bindeglied zwischen den vieren zu sein, obwohl das eigentlich Kin hätte Zuteil werden sollen.
 

Trotz ihrer Abneigung TenTen gegenüber zeigte sie sich kooperativ und erfüllte ihre Aufgabe, die sie noch weiter von ihren Geschwistern entfernte, da sie nicht Seite an Seite mit ihnen kämpfen konnte. Sie ließ der Rebellion die Nachricht zukommen, dass Der Eine bei der Verbannung aller Deserteure einen erheblichen Teil seiner Macht genutzt hatte und stark geschwächt zurück blieb. Um sich zu regenerieren, hatte er sich zurückgezogen und niemand wusste, wo er sich befand. Den Herrscherthron hatte er aber nicht verwaist zurück gelassen, sondern ein Seraphin namens Nomiel, einer der wenigen hochrangigen Engel, der nicht auf ihrer Seite stand. Nomiel war ihnen ein unbekannter Name, aber soweit sie von Kin erfuhren, regierte er den Himmel mit eisernen Hand, ganz im Sinne Des Einen.
 

Luzifer wusste, dass es ihnen nichts nützen würde, wenn sie noch einmal die gesamte Armee mobilisierten, um das Himmelreich zu stürmen. Sie würden viel zu früh entdeckt werden und müssten dann mit Widerstand rechnen. Es blieb ihnen nichts übrig, als eine kleine Gruppe hinzuschicken, die den amtierenden Herrscher vom Thron stürzte. Sobald dies erledigt wäre, würden sie die allgemeine Verwirrung nutzen, um den Thronsaal abzuriegeln und zu sichern und ihnen eine Nachricht zukommen zu lassen. Luzifer würde unerkannt mit einem Großteil seiner Alliierten im Hinterhalt liegen und dann angreifen, sobald sie hörten, dass der Trupp erfolgreich war, um dann selbst den Thron zu besteigen. Sobald er Herr war, würden die letzten Aufständigen sich ihm entweder beugen müssen oder es wäre ihnen frei, das Himmelreich zu verlassen. Fest stand jedoch, dass Der Eine seinen Thron besetzt vorfinden würde und niemanden mehr hatte, der ihn unterstützte. Danach würde der letzte Kampf stattfinden, wer das Recht hätte, die Herrschaft über den Himmel inne zu halten. Und sie würden sich alle gegen ihren Vater stellen, um endlich ihre Freiheit zu erlangen.
 

Luzifer wählte die Gruppe um TenTen, denn bisher hatte er sich vollends auf sie verlassen können und es stand außer Frage, dass sie sein stärkster Trupp waren. TenTen brannte innerlich vor Kampfeslust, besonders, da der Sieg endlich so nah war. Zum Greifen nah. Die Kämpfe hätten ein Ende und ihr wäre es vergönnt, sich endlich dem zu widmen, das sie seit geraumer Zeit beschäftigte… dieses veränderte Verhältnis zwischen ihr und Neji, seitdem sie ihm gestanden hatte, was mit ihr geschah, wenn sie in seine Augen blickte. Sie hatte ihm die schneeweißen Weiten von Mazghardhûm, die Unendlichkeit der weißen Wüste, und da hatte er etwas getan, was sie nie vermutet hätte.
 

Er hatte sie angesehen, erleichtert, dankbar, mit derselben zufriedenen Ruhe, wenn sie die Landschaft betrachtete. Er schien das gleiche wie sie zu empfinden wie sie, wenn sie die Schneedünen durchwanderte, den eisblauen Himmel betrachtete und der Frost an ihrem Leib zerrte, während sie durch Schneeflocken tanzte. Und da flüsterte er ihr ein „Danke“ ins Ohr.
 

Seitdem beruhigte sich ihr Herz nicht mehr, wenn sie in seiner Nähe war.
 

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Es war nicht schwer gewesen, in den Inneren Kreis vorzudringen, obwohl sie im Himmelreich nun als Geächtete und Verräter galten. Ihr heilige Reinheit war befleckt worden, als sie auf die Erde nieder fielen, aber das konnte sie dennoch nicht daran hindern bis hierher zu gelangen. Hanabi hatte sie die geheimen Wege entlang geführt, die verschlungenen, unbekannten Pfade, die kaum einem Malak vertraut waren. Nur durch einen Zufall hatte sie einst diese Geheimwege entdeckt und konnten es zu ihrem Vorteil nutzen.
 

Natürlich passierten sie des Öfteren Gebiete, in denen Engel ansässig waren, denn die Geheimwege führten nicht durchgehend von der Brücke bis ins Himmelreich. Die Malak, die ihnen unterwegs begegneten, waren ihnen chancenlos ausgeliefert – sie besaßen den Vorteil der Überraschung und dass sie bewaffnet waren. Die meisten von ihren Gegnern waren dabei, ihren täglichen Pflichten nachzukommen.
 

TenTen hasste das Gefühl, unschuldige Zivilisten töten zu müssen, auch wenn die Malak ihr im Grunde egal waren… Aber wenn sie unerkannt ihr Ziel erreichen wollten, blieb ihnen keine Wahl – Überlebende hätten von ihrem Eindringen berichtet und sie würden den Thronsaal nicht erreichen können, wo das letzte Hindernis auf den Sieg wartete. Sie fühlte sich als dreckige, ehrenlose Mörderin… und kurz glommen Zweifel in ihr auf, ob die Sache, für die sie kämpfte, wirklich so ehrbar war, wie sie immer geglaubt hatte. Es starben so viele… vielleicht wären unter ihnen noch jemand gewesen, der sich zu ihnen bekannt hätte. Aber die Chance wurde ihnen nicht eingeräumt. Sie hatten keine Möglichkeit selbst mitzuerleben, ob die Welt, die Luzifer anstrebte, nicht die bessere war.
 

TenTen wusste nicht, vorher die Beklemmung stammte, die sie auf einmal spürte, als sie durch die unterirdischen, modrigen und nach nasser, kalter Erde stinkenden Tunnel ging. Es war wie ein kalter Griff in den Nacken, als würden sich tote, leichenstarre Finger in letztes Mal verkrampfen, um sie ersticken zu wollen. Sie wusste, dass man solche Ahnungen nicht ignorieren sollte, weshalb sie wachsam und auch leicht paranoid jeden Winkel absuchte und sich mehr als einmal nach eventuellen Verfolgern umdrehte.
 

Ihre Füße hallten dumpf und mit matschigen Sauggeräuschen durch den Tunnel wieder, was ihr allmählich die letzte Zuversicht raubte.
 

Sie wusste nicht, wie viel Zeit verging, aber das Gefühl der Bedrohung wuchs. Sie fragte sich, ob sie wohl nervös war, weil es der letzte, entscheidende Kampf sein würde… aber ihr Innerstes sagte ihr, dass es nicht daher rührte. Viel mehr empfand sie ein freudiges Prickeln aufgeregter Erwartung, als sie daran dachte, ihrem Gegner das letzte Mal gegenüber zu stehen.
 

Irgendwann ignorierte sie ihre Empfindung und folgte den anderen im tiefen Schweigen.
 

Nach einer Stunde des endlosen Wanderns stoppte Hanabi und legte den Finger an den Mund. Sie nickten. Vor ihnen befand sich eine kleine Tür, durch die sie kriechen mussten und wenn sich Hanabi nicht irrte, würden sie hinter dem Thron, verdeckt von einem Vorhang hervortreten. Das bedeutete, dass Schnelligkeit gefragt war und dass sie leise sein mussten, um ihn zu überraschen. Verbissen nickten sie sich alle zu und ließen Hinata den Vortritt. Mit ihrer Macht, die Erde zu bändigen, war sie wohlmöglich in der Lage, die kleine, steinerne und schwere Tür leise aufzustemmen. Die Malak kniete nieder, legte ihre Hände gespreizt auf die ebene Fläche und schloss konzentriert die Augen. Es war nicht das erste Mal, dass TenTen sah, wie Hinata die Kräfte der Erde beschwor und sie sich Untertan machte. Aber es war immer wieder einen weiteren Anblick wert, denn in solchen Momenten wirkte die unsichere Malak ruhig und selbstsicher, zufrieden und glücklich. Sie war vollkommen eins mit den Grundfesten der Erde.
 

Hinata murmelte leise: „Öffnen.“
 

Die Steinplatte schob sich leise zur Seite, als sie noch einmal gegen drückte. Jetzt musste es schnell gehen. Sie konnten von ihrer Position aus sehen, dass jemand eine Hand auf die Lehne des Throns gelegt hatte. Sofort stürmten sie aus ihrem Versteck, zogen ihre Waffen und waren bereit, ihn zu töten.
 

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Sie wussten nicht, welchen fatalen Fehler sie begingen…
 

Nomiel war nicht vorbereitet, doch er erfasste die Lage blitzschnell. Durch anscheinend überempfindliche Sinne spürte er jedoch ihre Anwesenheit und sprang vom Thron. Er bewegte sich schwerfällig, langsam, als wäre ihm sein eigener Körper unvertraut, doch er wusste sich zu verteidigen. Ihr geplanter Überraschungsangriff zerschmetterte und sie gerieten in harte Bedrängnis. Nomiel ließ nichts auf sich kommen – er verletzte Hinata schwer am Unterleib und traf auch TenTen hart an der Schläfe.
 

Aber sie gaben nicht auf, denn es stand nur noch dieser Engel zwischen ihnen und ihrem Ziel. Und mit vereinten Kräften, schafften sie es, ihn zu töten. Jeder von ihnen traf einen empfindlichen Punkt – Hanabi durchstieß mit ihrem Pfeil sein Herz, Hinata traf mit ihrer Klinge die Milz, Neji durchbohrte die Lunge und TenTen säbelte ihm den Kopf von den Schultern.
 

Und während sein Blut den Boden besprenkelte und sie sich siegessicher glaubten… warf sie mit einem Schlag ein Lichtblitz von den Füßen, der aus Nomiels Körper drang.
 

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Als TenTen wieder zu Bewusstsein gelangte, drehte sie sich ruckartig zur Seite und spuckte aus. Blut lief aus ihrem Mundwinkel. Mit zitternden Lippen und flattrigen Augen fragte sie heiser: „Was… was war das?“
 

Sie sah, wie sich die anderen drei schwerfällig aufrichteten. Die Malak und auch TenTen hatten bei diesem grellen Blitz die Kontrolle über ihre Kraft, die Flügel zu verbergen, verloren. Hanabi hatte durch den darauffolgenden Sturz einen gebrochenen Flügel zu beklagen und schwankte ein wenig, da so ihr Gleichgewicht beeinträchtigt war. Auch Nejis Schwingen waren verletzt.
 

Während sie orientierungslos versuchten, die Lage zu erfassen, ertönte plötzlich ein lautes Lachen. Sie wandten sich geschockt um und sahen Kin mit verschränkten Armen und einem kaltherzigen, bösartigen Blick. Hinter ihr bauten sich immer mehr Malak auf, die ihre Waffen gezückt hielten. „Kin, was-“, stammelte Hinata, aber sie wurde hart von ihrer jüngsten Schwester unterbrochen: „Halt’s Maul, Hinata!“
 

Geschockt hielten sie den Atem an, als sich Kin ihnen langsam näherte und sie Scheide ihres Schwertes lockerte. „Ihr habt es nicht begriffen, oder? Ihr habt nicht verstanden, wen ihr da ermordet habt, oder?“
 

TenTen blinzelte und Wut begann in ihrer Magengegend zu brodeln. Sie wusste nicht, was das ganze sollte, aber sie spürte den aufwallenden Hass, der von der Frau vor ihnen ausging. Er schlug ihr wie eine Hitzewelle entgegen. Sie knirschte mit den Zähnen. Sie hatte ihr Schwert verloren und sie wäre wohl nicht in der Lage, es sich schnell wieder zu beschaffen. Zudem war ihr Körper stark lädiert und die anderen drei sahen auch nicht besser aus, waren sogar noch in schlechterer Verfassung als sie selbst. Sie spürte, dass wieder der rote Schleier sich über ihre Augen niederzulegen drohte, aber noch kämpfte sie dagegen an. Sie wollte wissen, was hier für ein Spiel gespielt wurde, bevor sie Kin eigenhändig in deren Einzelteile zerlegen würde.
 

„Was soll das hier, Kin“, forderte Neji mit ruhiger Stimme zu wissen. Er näherte sich seiner Schwester, doch TenTen erkannte die Absicht darin, den Abstand zu ihrem Schwert zu verringern und es ihr zuschleudern zu können.
 

Die jüngste aus Luzifers Familie begann wieder schallend zu lachen. „Es ist traurig, dass ihr es nicht erkennt. Wisst ihr denn nicht, dass ihr gerade euren eigenen Vater umgebracht habt?“
 

TenTen gefror das Blut zu Eis und ein Dröhnen hallte durch ihre Ohren. Sie hörte gedämpft Hanabi aufbrüllen und auch Hinata schockiert flüstern. Neji starrte mit eisiger Miene zu seiner Schwester.
 

„Der Eine war sehr geschwächt von Seinem Angriff auf euch, um euch aus dem Himmelreich zu verbannen. Seine instabile, halbfeste Materie begann sich aufzulösen, weshalb Ihm keine andere Wahl blieb, als in den stabilen Körper eines Seiner Untertanen zu schlüpfen, um dort neue Kräfte zu sammeln. Nomiel opferte sich freiwillig für Seinen Vater und wurde zu Seiner Hülle. Dadurch, dass Er einen sterblichen Körper als Unterschlupf wählte, wurde Er selbst sterblich… und nun habt ihr Ihn getötet…“
 

Hinatas Lippen bebten und TenTen sah mit Entsetzen, dass sich Tränen in ihre Augen sammelten. „Warum, Schwester… wieso hast du uns ihn töten lassen? Das hätten wir nie gewollt!“
 

Kin lächelte süffisant: „Weil ich weder Ihm noch unserem Bruder diene. Glaubst du, es gibt nur ein Wesen wie Ihm in unserem Universum?“ Bevor sie sich der Bedeutung der Worte wirklich klar wurden, hob Kin den Arm und sagte: „Und warum sollte ich meine Geschwister verschonen, wenn sie mich niemals als ihre Schwester anerkannten?“ Und da veränderte sich etwas in ihrem Blick… oder es war dort schon zuvor gewesen und sie hatten es bloß nicht erkannt. Ihre Miene war seltsam ausdruckslos, ihre Bewegungen etwas ruppig, als würde sie ihn selbst nicht lenken, sondern würde gesteuert und geführt wie eine Puppe an Fäden. Sie schien nicht mehr sie selbst zu sein.
 

Und da erkannten sie es: Sie war besessen. Von etwas, das wie Der Eine selbst war.
 

Dann mit einem Aufblitzen in den Augen senkte sie den Arm und schrie: „Tötet sie!“
 

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Sie hatten keine Chance.
 

Obwohl TenTen die Kontrolle verlor und ihre Feinde niedermähte wie eine Sense das Gras, so hatten sie doch keine Chance.
 

Sie waren verletzt, hatten ihre Waffen verloren und waren zu schwach, um aktiv mit den Elementen gegen ihre Feinde zu kämpfen. Im Kampf gegen Nomiel, der Der Eine gewesen war, hatten sie sich zu sehr verausgabt. Sie waren ein gefundenes Fressen für Kin und ihre Schergen und sie hatten ihnen kaum noch etwas entgegen zu bieten.
 

Es waren zu viele. Und die Welt verwandelte sich in ein Meer aus Blut, in dem sie ertranken.
 

Zuerst versank Hanabi in den Fluten, von ihrer eigenen Schwester mit einem Lachen hineingeworfen.
 

Danach verschwand Hinata unter blutroten Wellen, als sie versuchte, ihre jüngere Schwester zu retten und an Kin scheiterte.
 

Als nächstes ertrank Neji, der mit der Kraft der Verzweiflung TenTen hatte schützen wollen. Das letzte, das sie von ihm sah, waren traurige und hoffnungslose Augen, die erkannten, das sie versagt hatten.
 

Und als letztes folgte ihnen TenTen ins blutrote Meer, nachdem sie endgültig dem Wahnsinn verfallen war, dass man ihr das Liebste genommen hatte. Fiele riss sie mit sich, aber letztendlich triumphierte Kin und während ihr Körper in den roten Tiefen versank, dachte sie:
 

„Wir haben versagt.“
 

Und Luzifer würde die Welt, wie sie sie kannte, nicht reformieren können, denn er wäre ohne seine Geschwister nicht stark genug, gegen einen neuen Tyrannen anzukommen, der seine jüngste Schwester unter Kontrolle hielt.
 

Es wäre hoffnungslos.
 

Ein letzter Ausruf: „Verzeiht.“

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Aber konnte sie sich da so sicher sein?
 

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Sie hatte schon immer Dinge gesehen und gehört, die nicht da waren. Sie wusste einfach, dass diese Menschen, die sie dort erblickte, nicht in das Diesseits gehörten. Es umgab sie eine Aura der Stärke und der Andersartigkeit. Auch wenn sie sich selbstsicher im Diesseits bewegten, als gehörten sie noch in dieses Leben, so waren sie für die Menschen nicht sichtbar. Sie konnten sie nicht spüren, hören oder sehen.
 

Aber Thien Thien konnte es. Seit sie klein war. Und auch wenn sie sich als Kind davor gefürchtet hatte, so hatte sie es niemanden erzählt und diese Gabe für sich behalten. Irgendwann hatte sie gelernt, es zu kontrollieren. Sie konnte diese Wesen ausblenden, sie ignorieren. Aber sie war auch fähig mit ihnen zu sprechen, wenn sie wollte. Sie erzählten ihr Dinge und verrieten ihr Geheimnisse.
 

Und einer von ihnen, der ihr seinen Namen verschwieg, aber der ihr von Anfang an seltsam vertraut gewesen war, hatte ihr gesagt, wohin sie gehen müsste, um all die Antworten auf ihre Fragen zu bekommen. Die Lösung für ihre merkwürdigen Träume, die von Schlachten und Siegen handelten, von Engeln und Dämonen, und von drei Personen, für die sie Freundschaft empfand und für einen von ihnen sogar ein zartes Gefühl. Aber sie konnte die Gesichter nur ungenau erkennen, als läge Nebel vor ihren Zügen. Doch sie erkannte die Kleidung, die Waffen, die sie trugen, ihre Haarfarben und die Schwingen, die ihrem Rücken entwuchsen…
 

Und das alles ergab keinen Sinn.
 

Thien Thiens Wurzeln lagen in China, doch irgendwann war sie mit ihrer Familie nach Japan gezogen und ab da hatten sich all diese merkwürdigen Dinge verstärkt. Die Träume überfluteten sie nun jede Nacht, sie sah immer mehr Geistwesen und dann war dieser eine Schatten aufgetaucht, der sie von nun an stets begleitete.
 

„Ich habe dich also als erstes gefunden“, hatte er gesagt und seine kühle Stimme hatte sie zuerst erschreckt, doch dann erkannte sie, dass wohl ein Lächeln in seinen Worten verborgen lag. „Du musst nun die anderen drei finden. Sie sind hier, hier irgendwo. Dann wirst du alle Antworten erhalten.“
 

Hier war Tokio. Aber wie sollte man in so einer großen Stadt jemanden finden?
 

Es war ein Zufall, dass sie in einem Forum für paranormale Aktivitäten drei Menschen kennen lernte, die ebenfalls ähnliche Träume hatten wie sie. Oder war es kein Geschick des Schicksals? Alle drei wohnten in Tokio. Im offenen Forum berichteten sie davon, dass sie manchmal von den großen Schlachten träumten, an den sie niemals teilgenommen hätten und dass sie alle die Gesichter kannten, die auch Thien Thien in ihren Träumen beschrieb, nur jeweils aus einen anderen Blickwinkel betrachtet.
 

Als sie sich dann privat mit ihnen via Chat unterhielt und sie Fotos austauschten, erkannte sie zu ihrem Entsetzen, dass ihre drei Internetfreunde sich erschreckend ähnlich sahen, obwohl keinerlei verwandtschaftlichen Verhältnisse vorlagen. Die beiden Mädchen Hana und Hotaru stammten beide aus gutem Hause und waren noch Schülerinnen, die an ihren Schulen gemieden wurden, weil sie sonderbar auf ihre Mitschüler wirkten. Als sie die Bilder der beiden erblickte, spürte sie sofort ein inniges Band und eine merkwürdige Vertrautheit, von der sie einfach nicht wusste, woher sie stammte. Sie waren sich in diesem Leben noch niemals begegnet, aber sie hatte das Gefühl, als kannten sie sich schon Ewigkeiten.
 

Und der letzte unter ihnen war Nijiro, ein Maler und Träumer.
 

Als sie ihn erblickte, flammten dieselben zärtlichen Gefühle auf wie für den Mann aus ihren Träumen. Sie wusste, dass er es war, den sie innerlich am intensivsten gesucht hatte. Sie waren wieder vereint.
 

Nijiro war derjenige, der seine – ihrer aller! – Träume malte, und er zeichnete seine Gedanken. Hana und Hotaru fühlten sich an einen großen Bruder erinnert und es war erschreckend, wie viele Gemeinsamkeiten er mit Hotaru hatte. Die gleichen Essgewohnheiten, Vorlieben und Hobbys. Wie verlorene Zwillinge… Hana und Thien Thien spürten eine liebevolle Vertrautheit, die sich darin äußerte, dass sie oft miteinander stritten, gegenseitig herausforderten und immer in scharfer Konkurrenz zueinander lagen. Aber sie hielten zueinander, auch wenn sie grundverschieden waren.
 

Sie wollten sich in Tokio, denn sie wollten einander kennen lernen – diejenigen, die ihre Träume vervollständigten.
 

Als sie sich das erste Mal begegneten, sahen auch die anderen drei den Schatten, der sie begleitete. Erschrocken sagten die drei aus einem Munde: „O-nii-san…“
 

Und so erfuhren sie die Wahrheit.
 

Man hatte ihnen eine letzte Chance gegeben – Luzifer hatte es gespürt als seine Geschwister die Sphäre ihres Seins verließen und ihre Körper starben. Er nutzte seine Kraft, die er von den Dämonen und Dem Einen erhalten hatte, um ihre Seelen zu retten. Anstatt in der Ewigkeit zu verschwinden, was die Strafe für einen Engel war, der einen so großen Verrat beging wie sie, sollten sie als Menschen wiedergeboren werden.
 

Vielleicht war es auch eine Strafe im Körper des Wesens leben zu müssen, das der Ursprung allen Leids für die Malak gewesen war. Aber es war auch eine Gnade, denn sie erhielten die Möglichkeit, zurückzukehren.
 

Sie sollten so oft als Menschen leben, bis sie einander wiederfanden. Wenn dies geschah, konnten sie in ihrem Tod die sterbliche Hülle abstreifen und einkehren in ihre Heimat, um ihre Aufgabe zu beenden und Kin aus den Klauen ihres unbekannten Feindes zu retten.
 

Und sie hatten in diesem Leben einander wiedergefunden, nachdem sie sieben Mal einsam gelebt hatten.
 

Sie waren gewillt, als Hanabi, Hinata, Neji und TenTen zurückzukehren.
 


 

Manchmal ist das Ende bloß ein anderer Anfang.
 


 

.:[The End]:.

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Liebe Leser :D,
 

mein Werk ist getan, „Glaubenskrieger“ ist beendet! Ich weiß, aus diesem Two-Shot hätte ich locker auch einen Mehrteiler machen können, aber was soll’s. Ich habe sehr viel gewollt mit dieser Geschichte und hatte eindeutig zu wenig Kapitel dafür. :D Ich hätte hieraus besser eine richtige FanFiction machen sollen XD Der Plot ist wirklich massig und es passiert viel in kurzer Zeit, die Charaktere kommen zu kurz, Nejiten kommt recht kurz und kurzzeitig hat es so gar kein schönes Ende, obwohl doch bald Weihnachten ist. XD Eigentlich stilistisch total furchtbar, was ich hier fabriziert habe. ^^
 

Aber ich mag die Geschichte dennoch, sie spukte lange in meinem Kopf und es gefällt mir, dass ich sie zumindest in komprimierter Form habe niederschreiben können. Vielleicht schreibe ich sie doch irgendwann mal richtig aus, mal schauen. ^^
 

Ich wünsche euch allen schon einmal frohe Weihnachten, denn das hier war mein letzter Beitrag zu unserem Adventskalender und ich hoffe, die anderen und ich konnten euch die Zeit versüßen und verkürzen. Immerhin sind es jetzt nur noch zwei Tage bis Heilig Abend!
 

Viel Spaß noch weiterhin~

Die Arethelya
 


 

__________iNFOS___________
 

• Den Engel Metatron habe ich nicht erfunden, er gilt in manchen Überlieferungen als ein heiliger Mensch, der zum Seraphin aufgestiegen ist und manchmal wird er sogar als der „König der Engel“ oder „Statthalter des Himmels“ bezeichnet.
 

Succubisind weibliche Dämonen, die Männer verführen und ihnen so die Lebenskraft aussaugen. Lilith gilt in manchen Überlieferungen als deren Mutter, wird aber auch als Mutter der Hexen bezeichnet. Ich mag sie als Herrin der Succubi lieber xD Gegenstück dazu sind die Incubi.
 

Azagthoth ist laut dem Necromonicon ein irrer, blinder Dämon, der so genannte Herr des Chaos‘. Ich konnte nicht herausfinden, ob es irgendeinen Dämon gibt, den man als „Fürsten der Hölle“ bezeichnen könnte, wenn man nicht gerade Satan als Ergebnis haben wollte. Deswegen habe ich mich einfach für ihn entschieden. Es klang für mich ganz plausibel.
 

• Falls ihr euch wundert, was die „Throne“ sind – das ist ebenfalls ein Rang unter den Engeln, den ich aus Angel’s Sanctuary übernommen habe.
 

Mazghardhûm ist frei erfunden, ebenso Nomiel!

22. Dezember - Praying for Rain (Teil 2)

Achtung, dieser Teil ist brutaler als der 1.

Außerdem hab ich bei manchen Parts echt keine Ahnung, wie realistisch die sind.
 

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Teil II
 

Die Füße der Kämpfenden wirbelten Staub auf, das Klirren von Metall auf Metall hing in der Luft und Neji klang sein eigenes Keuchen so laut in den Ohren, dass er kaum etwas anderes hörte. Er bewegte sich nur noch automatisch – blocken, zustechen, abwehren, eine Riposte…

Er konnte TenTen im Rücken spüren, als seien sie es gewohnt, auf diese Art miteinander zu kämpfen und würden es heute nicht zum ersten Mal tun. Es war ein seltsames Gefühl – derartige Vertrautheit hatte er noch nie erlebt.

Sie versuchten, zu den Pferden durchzukommen, die ängstlich und nervös in den Teich zurückgewichen waren. Sie waren Samqe und kämpften lieber im Sattel als am Boden, vor allem, wenn ein Teil ihrer Gegner ebenfalls beritten war. Zum Glück hatten Kiba und Ino es auf den Rücken ihrer Pferde geschafft, so dass sie die Reiter auf sich lenken konnten.

TenTen hinter ihm schrieb plötzlich unterdrückt auf und wich zurück, stieß gegen ihn, was ihn beinahe aus dem Takt brachte. War sie verletzt? Er hatte keine Zeit, sich umzudrehen, nicht, wenn er mit drei Gegnern gleichzeitig aufnehmen musste. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Kiba von seinem Pferd stürzte und zwischen den Hufen mehrerer Rösser verschwand.
 

Dann ertönte von irgendwo ein lauter, vertrauter Kriegsruf – Pein war endlich gekommen! Ob Konan bei ihr war? Neji konnte sie beide nicht sehen, aber TenTen murmelte: „Verdammt!“ Wahrscheinlich war die Zauberin auch anwesend.

Neji zog sein Schwert hoch und wehrte einen Schlag ab, dann ertönte das laute Poltern von Stein auf Stein, das für einige Augenblicke jedes andere Geräusch übertönte. Danach klang das Kampfgeschrei der Angreifer nicht mehr ganz so enthusiastisch wie vorher und Neji konnte sehen, wie abgelenkt sie von den Neuankömmlingen waren. Ein Blutkrieger und eine Zauberin? Das war niemand, mit denen man sich anlegen konnte.

Er zog einen Mundwinkel nach oben und nutzte die Chance. Einer der Männer fiel tot in den Dreck, der andere entging dem tödlichen Streich, doch nicht völlig unverletzt. Doch der dritte zwang Neji zurück in die Defensive. Der Heiler wich zurück, bis er gegen TenTen stieß, und ihre Gegner gestatteten ihnen anscheinend eine Atempause, um ihnen zu zeigen, wie ausweglos die Situation war.

Um sie herum tobte der Kampf weiter. Ino war inzwischen in die Ecke gedrängt worden, aber Hidan klang noch immer so aggressiv wie zu Beginn, sein Gebrüll voller Wut und Zorn. „Wir schaffen das nicht.“, erklärte TenTen leise.

„Hast du gesehen, was mit Kiba passiert ist?“

„Nein. Ich weiß auch nicht, wo Shino ist.“

Neji fluchte leise. „Aber vor Hidan haben sie Angst – er hat schon zwei Pferde gefällt.“ Dazu musste die Sense sich gut eignen. „Das ist nur ein kleiner Aufsch…“
 

Das plötzliche Donnern zusätzlicher Hufe ließ sie alle herumfahren. Es konnte keine Verstärkung für die Gegner sein, wenn diese ebenso überrascht reagierten. Am Hügelkamm waren einige Reiter aufgetaucht und es dauerte nur einen Moment, bis Neji Itachi von den Uchiha und seine Begleiter erkannte.

Er wechselte einen besorgen Blick mit TenTen. Das konnte nichts Gutes bringen. Die Ausgestoßenen würden hier alle sterben, aber den Sonnenreitern mochte es nicht anders ergehen, wenn man ihre Feindschaft mit dem ansässigen Stamm bedachte. Trotzdem bot es ihnen eine Chance.

Er packte TenTen am Handgelenkt, hob sein Schwert und fegte einen seiner Feinde zur Seite, ehe er die junge Kriegerin hinter sich herzog, auf die Pferde zu. Für einen Moment war sie eine Last, dann fing sie sich und er ließ sie los. Kurz darauf spritzte das Wasser unter ihren Stiefeln auf, als sie in den Teich auf die Pferde zustürmten, und die Uchiha brachen wie eine dunkle Welle über die Kämpfenden herein.

Neji schwang sich mit einem Ruck auf den Rücken seines Schecken und versuchte, ihn zu beruhigen. Es herrschte Chaos und Gebrüll um sie herum. Die reiterlosen Pferde brachen endgültig aus und trampelten zwei oder drei Männer einfach nieder, als sie auf den Ausgang des Tales zustürmten.

Neji brachte währenddessen seinen scheuenden Schecken unter Kontrolle zu bringen. TenTen neben ihm ging es ähnlich, aber wenigstens saßen sie jetzt im Sattel. Ein Glück, dass sie die Tiere nicht abgezäumt hatten, aber das war in feindlichem Gebiet Routine. Der Schecke wieherte und war nun kein halb panisches Bündel Nerven mehr, sondern bereit, dass sein Reiter ihn jetzt in den Kampf lenken konnte.
 

Es dauerte nicht lange, da war der ganze Spuk vorbei. Leichen lagen um sie herum im Dreck, die Uchiha hatten die panischen Pferde eingefangen und brachten sie zurück und die Sonnenreiter standen erneut mit dem Rücken zum Feind. Neji und Pein hatten sich zwischen ihnen und den Feinden aufgebaut, doch die schienen nicht auf einen Kampf zu brennen.

Es dauerte eine Weile, dann löste Itachi sich aus dem Kreis seiner Klanbrüder. Sein Pferd warf nervös den Kopf und tänzelte auf der Stelle, aber er kümmerte sich kaum darum. „Ihr seid also auf dem Weg zum Heiligen Tal?“

Pein nickte abgehakt.

„Wegen dem Regen.“ Diesmal war es keine Frage, dennoch nickte der Blutkrieger erneut. Im Moment machte er seinem Titel alle Ehre – das Schwert troff von dem roten Lebenssaft und auch sein Gesicht und Teile seiner Kleidung waren damit beschmiert. Für Neji war es kein neuer Anblick, aber er hatte die Blicke von Ino und TenTen bemerkt, als sie ihn gesehen hatten. Anscheinend hatten sie ihn noch nie in wirklicher Aktion erlebt.
 

Doch Itachi ließ sich davon nicht beeindrucken. „Ich hoffe für euch, dass ihr die Wahrheit sagt.“, erklärte er dann. „Wir werden euch gehen lassen und kein Uchiha wird euch behelligen. Schafft nur Regen herbei und auch auf eurem Rückweg wird euch von uns keine Gefahr drohen.“

Was bedeutete, falls sie es nicht schaffen würden, würden die Uchiha sie auf jeden Fall töten.

Aber dennoch war dieses Angebot weit mehr, als sie hätten erwarten dürfen. Die Uchiha, die Sonnenreitern eine helfende Hand anboten? Entsprechend waren die Reaktionen hinter ihnen – er hörte mehr als ein erstauntes Aufkeuchen und Ino begann einen halblauten Satz: „Wa…?“, ehe alles wieder still wurde.

Doch die feindselige Atmosphäre wandelte sich zu einer abwartenden. Noch waren sie nicht gänzlich überzeugt, doch Neji war sicher, dass Itachi sie nicht aus einem bizarren, grausamen Grund anlog. Konan war es, die ihren Rappen zwischen Neji und Pein hindurch trieb und sich Itachi gegenüberstellte. Sie legte fragend den Kopf schief und mehr musste sie auch nicht tun.

„Auch wir benötigen Regen.“, sagte der Uchihakrieger, als sei dies alle Erklärung, die sie brauchten. Und das war es auch. Konan nickte und wandte sich wieder ab.
 

„Wo… wo ist Shino?“, wollte TenTen plötzlich wissen. Neji drehte sich um, um seine Begleiter anzusehen. Es war das erste Mal nach dem Kampf, dass er sie eingehend betrachtete. Kiba lebte noch, aber er sah schlecht aus. Eine Hand hatte er auf eine Wunde an der Seite gedrückt, die allen Anscheins noch blutete, sein anderes Handgelenk hatte er in den Schoß gelegt und er hatte mehr als nur einen blauen Fleck.

Ino hatte einen Schnitt im Gesicht und ihr linker Ärmel war zerfetzt, Hidan dagegen hatte nur ein paar Kratzer. TenTen war leicht an der Schulter verwundet, wenn das Blut an ihrem Hemd etwas zu bedeuten hatte. Pein und Konan dagegen schienen völlig unverletzt. Wahrscheinlich hatte sich niemand so nah an sie herangetraut. Auch Neji selbst hatte etwas abbekommen, aber alles nur oberflächlich. Shino fehlte völlig.

„Kümmert euch um eure Verletzungen.“, befahl Itachi. „Wir kümmern uns um die Leichen. Wir sagen euch bescheid, wenn wir euren Anführer finden.“
 


 


 

Irgendwo waren einige Singvögel zu hören und der Wind pfiff zwischen den Felsen hindurch, die ihren temporären Lagerplatz umgaben. TenTen versuchte, aus Pferdemist und ein paar wenigen, knochentrockenen Zweigen ein Feuer zu entfachen. Zuerst hatte sie von dem Boden rundherum sorgfältig alles entfernt, was sich ebenfalls entzünden konnte.

Ino schaffte Wasser herbei – Neji hatte gesagt, dass er welches brauchte, und wenn der Heiler etwas Derartiges sagt, dann war es so. Kibas Verletzungen waren nicht besser geworden, deswegen hatten sie halt gemacht, damit der Hyuugakrieger sie ordentlich untersuchen konnte. Vermutlich würde er jede einzelne Wunde, die sie alle davongetragen hatten, fachgemäß versorgen.

An der Affenquelle, zwischen den Uchiha und den Toten, hatte niemand lange bleiben wollen, darum hatte er nur das nötigste geschafft. Er hatte gehofft, dass Kiba länger durchhalten würde, aber sie hörte einfach nicht auf zu bluten – er würde sie jetzt nähen, nachdem er sie gründlich gereinigt und versorgt hatte. Mehr konnte er nicht tun, hatte er ihnen erklärt.

Hidan und Pein hatten die Wachen übernommen, aber nichts rührte sich. Konan hockte regungslos mit untergeschlagenen Beinen unter einem Felsvorsprung und starrte in den Himmel. Ino saß jetzt, in Konkurrenz zu Akamaru, der keinen Schritt von der Seite seines Meisters wich, neben Kiba am Boden und redete leise auf ihn ein. Sie machte sich große Sorgen, das bemerkte TenTen sofort, mehr als alle anderen. Was zwischen den beiden lief, das wusste niemand so ganz genau, aber es wurde immer offensichtlicher.
 

TenTen schlug mit einer geübten Bewegung die Feuersteine zusammen, so dass Funken entstanden. Es war erstaunlich, wie tief die Routine des Feuerentzündens saß, auch wenn sie schon so lange keines mehr entfacht hatte.

Shino hatte den Angriff nicht überlebt. Wenn sie so zurückdachte, war es eigentlich kein Wunder. Shino war der einzige, der sich völlig im Offenen befunden hatte, ohne eine Chance auf Deckung oder darauf, die Pferde zu erreichen und noch dazu ohne einen Kampfbruder an der Seite. Er hinterließ eine schwangere Frau und einen kleinen Sohn, aber sein Vater und seine Schwager würden sich um sie kümmern.

Dennoch war es hart, jemand zu verlieren. TenTen blinzelte wütend Tränen aus den Augen. Trauern konnten sie später, wenn ihre Aufgabe erledigt und der Regen gefallen war. Das Leben der Samqe war immer hart und meistens kurz – Krieger starben fast immer vor ihrer Zeit und die meisten wirklich alten Leute in den Lagern waren Frauen.

Und es war eine Ehre im Kampf zu fallen. Shino würde jetzt mit dem Pferdegott reiten, Seite an Seite mit den unvergessenen und vergessenen Helden ihres Volkes, mit den großen Kriegern, die früher über dieses weite Land gestürmt und sich unerschrocken ihren Feinden gestellt hatten. Es war eine Ehre, im Kampf zu fallen.
 

Mit einer entschlossenen Bewegung wischte sie sich die Feuchtigkeit aus den Augen und blies sanft auf die kleine Flamme, die sie entfacht hatte, die rasch größer wurde und das Brennmaterial übergriff, dass TenTen ihr zur Verfügung gestellt hatte. Ino hängte den kleinen Kessel an einem behelfsmäßigen Gestell über das Feuer, ehe sie wieder an ihren Platz neben Kiba zurückkehrte, den sie so selbstverständlich eingenommen hatte, als würde sie dort hingehören.

Neji sagte leise etwas zu ihnen, dann stand er auf und kam herüber. Für einen Moment blickte er sie nur an, dann legte er ihr die Hand ein stummer Trost, den sie und der überraschend beruhigend wirkte.

Sie warf ihm ein schwaches Lächeln zu und blickte dann zu Kiba hinüber. „Wird er es überleben?“, wollte sie leise wissen und Neji hob nur die Schultern. „Das wissen allein die Götter. Wenn wir hier bleiben könnten, bis das Gröbste überstanden ist, dann wäre ich recht zuversichtlich, aber so…? Vielleicht hätten wir die Uchiha fragen sollen…“

Sie wusste, worauf er hinauswollte, und lachte leise. „Glaubst du wirklich, Kiba hätte zugelassen, dass wir ihn zurücklassen – und dann auch noch bei den Uchiha? Ganz zu schweigen davon, dass die ihn sicher nicht genommen hätten. Itachis Angebot ist schon mehr, als jeder von uns erwartet hat, obwohl wir alle wissen, dass es ihnen nicht anders als uns geht.“

Neji nickte. „Ich habe nichts anderes angenommen. Aber auf einem Ritt habe ich einfach nicht die Möglichkeiten, die ich gerne hätte.“ Er warf einen kurzen Blick über die Schulter. „Aber Kiba ist stark. Er kann es schaffen und ich werde alles in meiner Macht tun, um ihm zu helfen.“
 

TenTen warf ihm erneut ein Lächeln zu, diesmal stärker und voll von mehr als Dankbarkeit.

Neji blickte sie einen Moment an, dann sah er zur Seite, verwirrt. Sie schwiegen, während das Wasser in dem Topf langsam wärmer wurde.

„Ich bin froh, dass du bei uns bist.“, erklärte TenTen plötzlich. „Ohne dir würden wir Kiba ganz sicher verlieren und … auch sonst.“ Sie wusste nicht, wie sie das, was sie fühlte, in Worte fassen konnte, darum hoffte sie einfach, dass er verstehen würde, wenn sie hilflos herumstammelte und versuchte, ihre Gedanken und Gefühle in Worte zu fassen. „Ich … habe noch nicht oft Seite an Seite mit jemandem wie dir gekämpft. Es war gut.“

Gut war untertrieben – sie wusste es, sie wusste es ganz genau. Nie hatte sie ein solches Gefühl beim Kampf gehabt und das Wissen, Neji als Rückendeckung zu haben, hatte ihr Selbstbewusstsein und vollkommenes Vertrauen in ihn gegeben. Sie hatte gewusst, weil er überlebt hatte, hatte sie es auch getan. Wenn er gefallen wäre, wäre sie mit ihm gefallen.
 

Aber sie sagte nichts mehr, als sie bemerkte, wie Neji einfach nickte, während er ihr einen kurzen Seitenblick zuwarf. Das Licht der Flammen tanzte in seinen hellen, so seltsamen Augen, ein fremdartiger Anblick, der ihr anziehend und rätselhaft zugleich vorkam.

„Ich hoffe, ich kann auch nach dieser Reise noch einmal mit dir reiten.“, sagte sie. „Du kannst in unser Dorf kommen, wann immer du willst.“

Er wandte sich ab und blickte in das Feuer. Von dem Topf stieg inzwischen Dampf auf. Anscheinend näherte sich die Temperatur des Wassers langsam dem benötigten Punkt. Neji tauchte vorsichtig seinen Finger in die Flüssigkeit und zog ihn dann mit einem Nicken zurück. Offenbar musste das reichen. Er griff nach einigen sauberen Tüchern, die er aus seiner Heilertasche geholt hatte, und warf sie in das Wasser.

„Ich werde dich besuchen kommen.“, sagte er, ehe er aufstand und zu Kiba zurückkehrte.
 


 


 

Neji zog den letzten Knoten an Kibas Verbänden fest. Seinem Patienten schien es bereits jetzt besser zu gehen. Er war jedenfalls voller Tatendrang und angelte bereits nach seinem Schwert. Vielleicht hatte er einfach nur die Pause gebraucht. Die kommenden Tage würden zeigen, wie es weiterging.

Neji nickte ihm zu, als er sich bedankte, und erhob sich, um zu den Pferden zu gehen. Er hatte über einiges nachzudenken. Das Gespräch mit TenTen und ihre bloße Gegenwart hatten ein seltsames Gefühl in ihm ausgelöst. Trotz der Ereignisse des vergangenen Tages, der Kampf, Shinos Tod, Kibas Verletzungen, die Anstrengungen des Rittes, der hinter ihnen lag und der noch kommen würde, fühlte er sich seltsam leicht. Er kannte dieses Gefühl, wenn es auch nie so schnell gekommen war – oder so stark. Verrückt. Sie kannten sich noch nicht einmal einen Mond.

Sein Schecke kam ihm entgegen und stieß ihn mit den Nüstern an. „Hey du.“, murmelte er und klopfte dem Tier auf den kräftigen Hals. Dessen Ohren zuckten unruhig und Neji warf einen Blick auf die anderen Rösser – auch sie wirkten nervös. Ob sie etwas gewittert hatten? Er wollte gerade die beiden selbsternannten Wächter drauf aufmerksam machen, als Hidan einen lauten Ruf ausstieß, seine Sense in beide Hände nahm und sie schwang.

Kurz darauf klang Peins Schrei zu ihnen herüber. „Jeredhan!“
 

Das Wort schreckte sie alle auf und Hände zuckten zu den Waffen. Doch die Wüstendämonen waren über ihnen, ehe sie sich richtig fangen konnten. Die Wesen sahen wie eine seltsame Kreuzung zwischen Löwe und Wolf, doch sie waren ein ganzes Stück größer als die Raubkatzen. Ihre Hinterbeine waren kürzer als die vorderen, ihre Tatzen bewehrt mit fingerlangen Klauen und ihre Mäuler waren voll mit messerscharfen Reißzähnen. Die intelligenten Augen blitzten boshaft aus den mit dunklem Fell bedeckten, spitzen Gesichtern. Sie wussten, dass sie ihre Beute eingekesselt hatten.

Neji schwang sich mit einer Bewegung auf den Rücken seines scheuenden Pferdes, während sich die anderen Reittiere sich ängstlich zusammendrängten und nach allem ausschlugen, was ihnen zu nahe kam. Neji hob sein Schwert, stieß einen Kriegsruf aus und trieb den Schecken in das Getümmel.

Der Kampf war eher wie ein albtraumhafter Rausch für ihn und er würde sich nie klar an ihn erinnern können. So schnell nach der Schlacht gegen die Ausgestoßenen ein zweiter Kampf – sein Verstand machte einfach zu und er reagierte automatisch, schlug zu, hieb um sich, hackte und trat. Klauen rissen sein Bein auf, aber er bemerkte es kaum.

Als sein Schecke einfach unter ihm herausgerissen wurde, rollte er sich durch den Dreck und sprang auf, um zu Fuß zu beenden, was er auf dem Rücken seines Pferdes begonnen hatte. Um ihn herum tobte die Schlacht, aber er realisierte überhaupt nichts davon. Da waren nur er und seine Gegner und das Wissen, dass er hier sterben würde, wenn nicht ein Wunder geschah.
 

Ein plötzliches, durchdringendes Kreischen ließ die Jeredhans auffahren und gen Himmel starren. Neji nutzte die Chance und schlug zu, trennte seinem monströsen Gegner eine Klaue ab, die mit einem nassen Geräusch in den Sand fiel. Die Bestie stieß einen lauten Schrei aus und hob die zweite Tatze um nach ihm zu schlagen.

Neji duckte sich darunter hinweg und rammte dem Wesen die Klinge in den Bauch. Mit einer Kraftanstrengung trieb er das Schwert tiefer und zog es nach oben, dass Fell und Haut aufgeschlitzt wurde und die Eingeweide herausquollen. Der Jeredhan brach kreischend zusammen, so dass der Hyuugakrieger hastig seine Klinge losließ und zurücksprang, damit das Wesen ihn nicht unter sich begrub.

Er stolperte und fiel in den Dreck, er hatte seine Waffe verloren wund war im Moment völlig hilflos, trotz des Dolches, den er eilig gezogen hatte. Aber anscheinend benötigte er ihn gar nicht mehr. Das Trommeln der Jeredhantatzen auf Sand und Stein drang an seine Ohren und er blickte auf, sah überrascht zu, wie die Wesen die steilen Felswände erklommen und dahinter verschwanden.

Neji rappelte sich mühsam auf. Er hatte Kratzspuren am Bein, wo Klauen seine Hose und Haut und Fleisch darunter aufgerissen hatten. Doch die Wunde hatte bereits aufgehört zu bluten, also ignorierte er sie fürs erste. Wieso taten die Jeredhan das? Warum flohen sie? Sie waren doch in der Überzahl gewesen, ihrer menschlichen Beute völlig sicher.
 

Er wechselte einen Blick mit TenTen, die neben ihn getreten war, doch die wirkte ebenso verwirrt. Sie hob hilflos die Schultern und gemeinsam blickten sie sich nach ihren Freunden um. Kiba lehnte an einer Felswand, mit Ino und Akamaru als lebende Mauer vor sich. Anscheinend hatte sie alles getan, um ihn vor den Jeredhan zu schützen und anscheinend war es ihnen gelungen, denn er lebte noch. Um sie herum lagen die Leichen mehrerer ihrer monströsen Gegner, zerfetzt mit einer Wut, die Neji weder Ino noch dem Hund zugetraut hätte. Konan stand etwas Abseits und um ihre Hände tanzten noch die Restfunken magischer Energie. Nur Hidan und Pein waren nirgendwo zu sehen.

Die Zauberin war die erste, die sich abwandte, und zielstrebig auf einige Felsen zuhumpelte. Anscheinend hatte der Kampf selbst von ihr Tribut gefordert. Der Rest der Gruppe, außer Kiba, der gegen eine Felswand gesunken war. Er umklammerte noch immer sein blutiges Schwert und atmete heftig – vermutlich hatte er mehr Schmerzen, als er sich anmerken ließ. Neji hätte gern etwas dagegen unternommen, aber er wusste, dass es da nichts mehr gab – er hatte bereits alles getan. Und vielleicht brauchten Hidan und Pein seine Hilfe dringender.

Also folgte er Konan, die zu wissen schien, wohin sie ging, ebenfalls hinkend. Sie fanden die beiden etwas weiter entfernt. Hidan brauchte seine Hilfe nicht mehr, aber Pein selbst sah übel aus. Er kniete neben Hidan am Boden, die Hände um zwei Schwertgriffe gekrampft. Sein orangerotes Haar klebte mit Blut verschmiert an seinem Kopf und auch seine Kleidung war jetzt völlig durchtränkt von der roten Flüssigkeit. Kadaver von Jeredhans lagen um sie herum, jeder einzelne zerfetzt und zerhackt in mehrere Stücke.
 

Neji fuhr sich durch die Haare, während Ino hinter ihm zur Seite stürzte und sich erbrach. Aber für ihn war ein solcher Anblick auch nichts Neues – dies war das Schlachtfeld eines Blutkriegers. Konan blieb stehen und deutete an, dass sie es ihr gleichtun sollten, aber keiner von ihnen dachte daran, sich dem Blutkrieger weiterhin zu nähern. Pein würde erst eine Weile brauchen, um sich zu beruhigen und sie nicht mit Feinde zu verwechseln. Das wäre fatal – sie würden so enden wie die Jeredhan.

Und Hidan… Neji warf einen kurzen Blick auf das, was die Dämonen der Wüste von ihm übrig gelassen hatten. Sie hatten ihn völlig zerfetzt. Seine Sense lag in der Nähe, rot verschmiert von all dem Blut, von dem es sich nicht mehr feststellen lassen konnte, ob es ihrem Besitzer oder dessen gefällten Gegnern gehört hatte. Vermutlich etwas von beiden.

Neji rieb sich über die Stirn und wechselte einen erneuten besorgten Blick mit TenTen. Das konnte nicht gut gehen. Wie konnten sie bei diesen Unglücken, die sie neuerdings begleiteten, hoffen, das Ziel zu erreichen? Denn zwei Tote innerhalb von einem Tag? Und auch der dritte würde vielleicht bald folgen… Der Kampf konnte Kiba nicht gut getan haben. Auch wenn sie nur noch einige wenige Tage vor sich hatten…
 

„Ich schlage vor, wir blieben trotz allem erst einmal hier.“, sagte TenTen plötzlich. „Wir müssen Hidan ordentlich bestatten und wir können alle eine Pause vertragen.“

Ino nickte heftig, während Konan eher abweisend dreinblickte. Trotzdem tat sie keine Widerworte kund, sondern erklärte einfach nur: „Aber wir müssen uns dennoch beeilen. Irgendetwas stimmt nicht – warum sollten die Jeredhan sonst so schnell und plötzlich geflohen sein?“

Wieder machten besorgte Blicke die Runde, aber keiner von ihnen fühlte sich in der Lage, jetzt sofort aufzubrechen. Was war das Wunder, das sie alle gerettet hatte? Vermutlich eine neue Katastrophe für ihre kleine Gruppe. Also nickten sie einfach nur und teilten sich auf, um die Bestattung vorzubereiten.

Einzig Konan kletterte auf einen der Felsen und beobachtete unruhig den Horizont.
 


 


 

Sie hatten Neji Shinos braune Stute gegeben, denn sein Schecke war eines der Opfer, das der Kampf gegen die Jeredhan gefordert hatte. Zum Glück hatten die Dämonen sich erst auf die wirklich gefährlichen Gegner konzentriert und die anderen Pferde am Leben gelassen. Ansonsten hätten sie ein Problem gehabt – ohne Pferd reiste es sich schlecht in den Landen der Samqe.

TenTen warf einen Blick über die Schulter zu dem Heiler, der ihr so sehr ans Herz gewachsen war, dass sie überlegte, mit ihm zu gehen, wenn er zu seiner Familie ritt. Nejis Kopf war auf seine Brust gesunken und anscheinend schlief er – wie auch die meisten anderen ihrer kleinen Gruppe.

Der Sternenhimmel spannte sich weit und dunkel über ihnen, der Mond eine helle Sichel. Seit dem Kampf mit den Jeredhan waren sie unterwegs. So lange waren sie selten im Sattel, aber sie waren Samqe und sie schliefen und aßen auf den Rücken ihrer Pferde.

Ino hatte Kiba an seinen Sattel gebunden, so dass er nicht hinunterfiel – die anstrengende Reise machte ihm sichtlich zu schaffen und TenTen bangte die Stunde, an der er einfach aufgeben und sterben würde. Sie war sich sicher, dass sie bald kommen würde, obwohl Neji immer wieder sagte, dass Kiba stark war und noch immer eine Chance hatte.

Die einzigen Pausen, die sie einlegten, waren die, wenn Neji sich die Wunden ansehen wollte. Er stellte bei allen außer Kiba Verbesserungen fest und war zufrieden, doch der Hundemeister machte ihnen allen Sorgen. TenTen hoffte nur, dass sie das Heilige Tal wirklich bald erreichen würden. Dann konnte er ruhen, auch wenn die Chance, dass er überlebte, mit jedem Tag weiter schwand.
 

Aber inzwischen waren sie alle angeschlagen, verwundet und einfach nur müde und sehnten sich die Mauern des Walles herbei, der das Tal von der Außenwelt abgrenzte. Nachdem Pein sich beruhigt und sie in dem kleinen Tal eine Grabstätte für Hidan errichtet hatten, war Neji auch fertig gewesen, sich um die frischen Wunden zu kümmern.

Sie waren auf ihre Pferde gestiegen und davongeritten, wieder ein Krieger weniger. Ihr Weg führte sie geradewegs auf das Heilige Tal zu und sie alle hielten es für besser, ihn so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Konan hatte zum Aufbruch getrieben und ihre Begleiter waren ihrem Befehl gefolgt, auch wenn die Zauberin sich weigerte ihnen mitzuteilen, was sie gesehen hatte.

Außerdem wussten sie noch immer nicht, warum die Jeredhan so plötzlich geflohen waren, und sie konnten jeden Augenblick zurückkommen. Und das würde ihrer aller Tod bedeuten.

Darum gestatteten sie sich auch nicht, Nachtlager aufzuschlagen oder aus einem weniger wichtigen Grund als ihre Gesundheit eine Pause einzulegen. Hin und wieder führten die die Pferde an den Zügeln, damit die Tiere sich ausruhen konnten, nur Kiba durfte im Sattel bleiben oder wechselte auf das nun reiterlose Ross Hidans. Akamaru blieb treu und unveränderlich an der Seite seines Herrn, ebenso wie Ino. Sollte Kiba die Reise überleben, würde dies ein großer Schritt für ihrer beider Beziehung sein. Wenn nicht, wäre Ino am Boden zerstört.
 

TenTen gestattete sich noch einen Blick auf Neji. Shinos Braune schritt gemächlich aus, sie hatte sich längst an ihren neuen Reiter gewöhnt. Er schwankte leicht im Sattel, aber langjährige Übung ließ ihn das sogar im Schlaf ausgleichen. TenTen ließ ihren Fuchs langsamer laufen, so dass sie schließlich mit der Braunen in Takt fiel. Am liebsten hätte sie die Hand ausgestreckt und Nejis Gesicht berührt, seinen starken Kiefer, die elegant geschwungene Nase…

Aber sie beließ es dabei, ihn einfach nur anzusehen. Es war vermutlich nicht oft, dass er zuließ, dass jemand ihm beim Schlafen beobachtete. Bis jetzt war er immer vor ihr wach gewesen und nach ihr schlafen gegangen. Das hieß, entweder vertraute er ihr inzwischen genug, dass sein sechster Sinn nicht auf sie reagierte, oder er war einfach so erschöpft, dass er sein Körper den Schlaf einfach einforderte.

„TenTen?“ Konans Stimme ließ sie aufschrecken und rot anlaufen.

„J…ja?“, stotterte sie und schalt sich gleich darauf dafür. Was hatte sie zu verbergen? Eine Verbindung zwischen Hyuuga und den Sonnenreitern war sicherlich nicht verboten. „Bist du noch ausgeruht genug, Späher zu spielen?“

Die Frage war ungewöhnlich, aber da sie und die Zauberin anscheinend die einzigen waren, die momentan wach waren – jemand musste den Zug führen, denn die Pferde wussten von allein nicht den Weg, darum mussten sie sich abwechseln – war es jedoch nicht erstaunlich, dass Konan sich an sie wandte. Und sowieso – Kiba, ihr eigentlicher Späher, stand gerade sowieso außer Frage.

Also nickte TenTen.
 

„Siehst du die Hügelkette dort?“ Konan deutete nach Osten, wo sich eine Gruppe besonders hoher Anhöhen aus dem Boden wölbe. „Das muss ein guter Aussichtspunkt sein. Schau dich einfach genau um.“

TenTen nickte. „Erwarte mich bald zurück.“ Sie lenkte ihre Fuchsstute aus der Reihe der Reiter und trieb sie zu einem Kanter an, der sie rasch ihrem Ziel näherbrachte. Während das Pferd sich seinen Weg suchte und sie es mit den Beinen in die grobe Richtung lenkte, kramte sie nach ihrem Vorratsbeutel um einige Streifen Trockenfleisch daraus hervorzuziehen.

Noch kauend erreichte sie den Kamm größten Anhöhe und zügelte so abrupt ihre Stute, dass das Tier unwillig schnaubte. Der Himmel war rot gefärbt. Es war noch weit genug weg, dass die hohe Hügelkette ihnen jeglichen Blick versperrt hatte. Konan musste es gewusst oder zumindest geahnt haben, sonst hätte sie TenTen nicht ausgerechnet hierher geschickt.

Und jetzt, so fuhr es ihr durch den Kopf, wussten sie auch, warum die Jeredhan so plötzlich geflüchtet waren. Sie mussten es gerochen oder gespürt haben, denn hiervor fürchteten selbst die Dämonen der Wüste sich.
 

Die Steppe brannte.

Das Feuer musste sich schon vor einigen Tagen entzündet haben, denn es schien den gesamten Horizont zu entdecken. Flammen, rot und gelb und manchmal blau schlugen gen Himmel und verschlangen alles, was sie in die gierigen Hände bekamen, fraßen und wurden doch nicht satt. Leuchtende Tänzer, die nichts als Asche und Zerstörung zurückließen, und Tod. Den Winden mussten sie danken, dass es noch nicht in ihre Richtung getrieben worden war.

Aber TenTen wusste – es würde kommen. Die Winde waren nicht beständig genug. Und dann würden sie verloren sein, wenn sie nicht bis dahin das Heilige Tal erreicht hatten. Das Tal war geschützt vor Feuer, hieß es, denn es war von einem breiten Streifen gerodeten, graslosen Gebietes umgeben, einer Feuerschneise. Es durfte nicht riskiert werden, dass das Tal einem Inferno zum Opfer fiel, darum kümmerte man sich gewissenhaft um diese Aufgabe.

Das Tal würde ihr sicherer Hafen sein.

Es war nur die Frage, ob sie oder das Feuer schnellfüßiger war. Jetzt mussten sie schneller Reiten als der Wind, schneller als die Flammen. TenTen löste sich mit einem Ruck aus ihrer Erstarrung, riss ihre Stute herum und trieb sie in vollem Galopp den Hang hinunter. Sie musste die anderen warnen.
 


 


 

Das Brüllen der Flammen drang bis zu ihnen herüber. Rauch hing in der Luft und verschleierte ihnen die Sicht. Es roch durchdringend nach Feuer, nach brennendem Gras und verbrannter Erde. Die Reiter hatten ihre letzten Wasservorräte aufgebraucht und damit die Tücher getränkt, die sie sich und ihren Pferden vor die Nasen gebunden hatten. Das hielt zumindest den Größten Teil von dem Staub und Rauch fern, der in der Luft hing.

Gegen die Hitze gab es jedoch kaum Milderung – die Flammen, obwohl noch weit entfernt, brachten die Luft zum Flimmern. Der Schweiß lief ihnen über die Gesichter und sorgte dafür, dass ihre Kleidung unangenehm am Körper klebte. Auch die Pferde schwitzen, nicht nur von der Hitze, auch wegen der Anstrengung und der mühsam von ihren Reitern unter Kontrolle gehaltenen Angst. Würden auch nur ein Samqe in seiner Wachsamkeit nachlassen, würden die Tiere durchdrehen und kopflos voranstürmen und dies würde ihr aller Verderben sein.

Die Packpferde sowie Hidans hatten sie bereits laufen lassen, da sie keine Chance hatten, die reiterlosen Tiere zu beherrschen. Ebenso hatten sie sich allen unnötigen Gepäcks entledigt – den Zelten, Vorräten, Kleidung. Je weniger Gewicht, desto weniger mussten die Pferde tragen und desto schneller kamen sie voran.
 

TenTen hatte sie aufgeschreckt mit ihrer Nachricht von dem Inferno. Konan hatte nicht zugelassen, dass auch nur einer von ihnen Panik verfiel, und dann das Kommando übernommen. Es war offensichtlich, dass sie bereits an die Möglichkeit eines Feuers gedacht hatte. Aber niemand hatte etwas gesagt, alle hatten ihre Führung gern angenommen.

Nach den hastigen Vorbereitungen zu ihrer überstürzten Flucht vor etwas, vor dem sich nicht davonlaufen ließ, hatten sie die Pferde zu einem schnellen, aber kräftesparenden Kanter getrieben. Sie mussten alles abschätzen – die Schnelligkeit des Feuers, die ihrer Pferde, der Wind, die Entfernung zum Heiligen Tal, wo sie in Sicherheit sein würden, die Kraftreserven und Ausdauer ihrer Reittiere, die nicht einfach unter ihnen zusammenbrechen sollten… All das und mehr waren wichtige Faktoren.

Erst als der Wind gedreht hatte, so dass er ihnen im Rücken lag, hatten sie die Pferde zu einer schnelleren Gangart angetrieben. Jetzt kam das Feuer auf sie zu, folgte ihnen wie eine reißende, gierige Bestie, deren Beute sie waren. Neji warf einen Blick über die Schulter zurück.

Viel konnte er nicht sehen zwischen den turbulenten Rauchschwaden, die der wilde Wind zum Wirbeln brachte. Aber hin und wieder flackerten rote Schatten – die Flammen. Weit hinter ihnen waren sie nicht mehr. Allerdings breiteten sie sich weniger schnell aus, als Neji gedacht hatte. Das trockene Gras brannte wie Zunder, aber der Wind war stark und unbeständig, trieb das Feuer in die eine und die andere Richtung und ließ ihm niemals viel Zeit.
 

Er drehte sich wieder nach vorn. Sein Blick streifte dabei TenTens Gestalt – sie und ihr Pferd waren kaum mehr als Silhouetten, trotzdem bemerkte sie seinen Blick und erwiderte ihn kurz. Das Licht in ihren braunen Augen – Hoffnung und Verzweiflung in gleichen Maßen, Angst und Mut zugleich – war selbst durch den Rauch und über den Rand ihres Sandschleiers hinweg deutlich zu sehen.

Er riss sich von dem Anblick los und starrte entschlossen nach vorn, wo Ino und Kiba ritten, mit einem schattenhaften Akamaru an der Seite, und noch weiter, wo Konan, Pein und ihre beiden Pferden kaum mehr waren als Schemen im Rauch. Er wollte nicht in TenTens Augen sehen, wenn sie um ihr Leben ritten. Er wollte in ihre Augen sehen, wenn er Zeit hatte das zu würdigen, was er darin lesen konnte.

Shinos braune Stute war ein überaus gutes Tier – besser sogar als sein armer Schecke, der in dem Kampf gegen die Jeredhan gefallen war. Vielleicht konnte er darum bitten, dass sie ihm das Pferd überließen, das ihn jetzt in Richtung Sicherheit trug; sie war ihm bereits jetzt ans Herz gewachsen.

Ino ließ sich plötzlich zurückfallen, zügelte ihr Pferd etwas, bis sie zwischen Neji und TenTen reiten konnte. Außer ihren türkisfarbenen Augen war nicht viel von ihrem Gesicht zu sehen, aber das machte nichts. Neji konnte auch so sehen, dass sie Angst hatte und zornig war.
 

„Konan sagt, es kann nicht mehr weit sein.“, brüllte sie gegen den Lärm an, den Feuer, Wind und die Hufe ihrer Pferde machten.

„Das wollen wir hoffen!“, schrie TenTen zurück. Sie sah kurz über die Schulter und ließ den Blick über die Ebene schweifen. Viel vermochte sie nicht zu sehen, denn sie schüttelte einfach den Kopf. „Ansonsten wird uns das Feuer einschließen. Seht.“

Sie deutete nach Westen und Neji folgte ihrem Fingerzeig. Für einen Moment war er verwirrt – was war ihr aufgefallen? Dann bemerkte auch er es. Ino stieß einen wüsten Fluch aus. Die Flammen dort waren dort beinahe auf einer Höhe mit ihnen!

„Da…das schaffen wir niemals!“, entfuhr es der blonden Kriegerin ängstlich und die Angst in ihren Augen schien die Wut zu verdrängen.

„Wie geht es Kiba?“, wollte Neji wissen und der plötzliche Themenwechsel brachte Ino völlig aus dem Takt. Automatisch begann sie zu antworten: „Unverändert. Er ist glücklicherweise noch bei Bewusstsein. Ich wüsste nicht, was wir ansonsten tun … aber ist das denn jetzt wichtig?! Wir werden alle verbrennen!“

TenTen lenkte ihren Fuchs näher an Inos Pferd heran und griff nach ihrem Handgelenk. „Nein. Lasst uns schneller reiten. Wir sind Samqe. Wir sind im Sattel geboren. Wir wohnen im Sattel, essen und schlafen dort. Wir reiten mit dem Wind. Darum lasst uns das tun. Aber vorher müssen wir wissen, ob Kiba das schafft. Wir können ihn nicht zurücklassen.“

Ihre Worte vollbrachten, was Neji nicht hingekriegt hatte. Ino begriff und fing sich. „Ja.“, sagte sie bestimmt und zeigte, welch immenses Vertrauen sie in den Hundemeister hatte. „Ja, das kann er schaffen.“
 

Mit einem Schrei trieb sie ihr Pferd zu einer schnelleren Gangart an, einem wilden Galopp, den keiner von ihnen lange durchhalten würde. Aber hoffentlich so lange, wie sie es mussten.

Kiba folgte Inos vorbeistürmendem Pferd, anscheinend begriff er trotz allem schnell. Auch Neji und TenTen ihre Reittiere antrieben. Die Braune machte einen Satz und stürmte voran, ebenso entschlossen davonzukommen wie ihr Reiter. TenTen lenkte ihre Stute näher und blieb dicht bei ihm, dass sich fast ihre Knie berührten. Auch die Zauberin und der Blutkrieger vor ihnen hatten ihren Pferden die Sporen gegeben.

Doch das Feuer kam näher. Die Pferde der Hufe trommelten hart auf dem Boden, warfen Dreck und Staub auf, zermalmten vertrocknetes Gras und kleine Blumen. Die Pferde keuchten laut und rasselnd. Wie lange würden sie noch durchhalten. Die Sicht wurde immer schlechter und inzwischen drang der Rauch auch durch ihre schützenden Tücher. Neji hörte TenTen neben sich husten und warf ihr einen kurzen Blick zu. Sie zupfte an ihrem Staubschleier und schützte sich für einige Momente mit der Hand.

Inzwischen war das Prasseln des Feuers zu hören. An manchen Stellen brach der Erdboden auf – wenn eines der Pferde in eine der Spalten geriet, wäre es für es und seinen Reiter vorbei. Sie konnten die Hitze der Flammen jetzt beinahe direkt spüren, auf den freien Flächen ihrer Haut.
 

„Da!“, war Konans Stimme plötzlich zu hören. „Da!“

Neji konnte erkennen, dass sie nach vorne zeigte. Und wirklich. Etwas war zu sehen, hinter dem Rauch – hoch und weit. Felshügel? Mauern? Hatten sie ihr Ziel erreicht? Er wagte es kaum zu hoffen. Spielten ihre Augen und ihre Wunschträume ihnen nicht nur etwas vor? Aber die Schemen verschwanden nicht, sondern wurden nur noch deutlicher, fester.

Die Mauern schälten sich aus dem Rauch, die von Felsen überragt wurden, durch die sich ein einziger Weg zog – jener ins Heilige Tal. Und hinter ihnen blieb das Feuer stehen. Die hohe Barrikade hatte nur ein einziges, breites Tor, durch das fünfzehn, zwanzig Reiter nebeneinander einreiten konnten, und höher als drei Männer.

Der Wall selbst war ebenso imposant, ganz aus grauem Stein geschaffen, perfekt ineinandergefügte, zugehauene Felsbrocken. Wenn er nicht so erschöpft und die Lage, aus der sie kamen, nicht so schwer, würde er vor Staunen innehalten.

Jetzt aber war er einfach nur froh, dass sich ihnen das Tor öffnete und niemand Fragen stellte. Sie trieben ihre Pferde hindurch.
 


 


 

Jemand hatte ihnen die Pferde abgenommen und dafür gesorgt, dass sie versorgt wurden. Jemand anderes führte sie durch einige Gänge, die in den Felsen gehauen worden waren, zu einem Zimmer, wo Heiler sich ihrer annahmen. TenTen bekam nicht viel von all dem mit. Nachdem der Adrenalinrausch abgeklungen war, war sie einfach nur noch müde und erschöpft.

Doch sie hatte keine Angst mehr. Dies war das heilige Tal. Hier würde ihnen nichts geschehen und die stammlosen Samqe, die hier lebten und sich um alles kümmerten, würden auch ihnen bei allem helfen.

Als TenTen wieder erwachte, brauchte sie eine Weile, um zu realisieren, wo sie war. Langsam setzte sie sich in der einfachen Lagerstatt auf und sah sich um. Der Raum war klein und ihre Gefährten – ausschließlich Konan – befanden sich ebenfalls hier. Pein saß an ein Wand gelehnt mit seinem Schwert auf dem Schoß und sie konnte nicht genau sagen, ob er ebenfalls wach war. Die anderen schliefen alle.

TenTen schwang die Beine aus dem Bett und stand auf. Sie trug noch immer ihr Untergewand, aber es war verdreckt und zerrissen. Neben ihr auf dem Boden lagen frische Kleidungsstücke und ohne viel zu überlegen schlüpfte sie hinein, ehe sie das Zimmer verließ.
 

Vor ihr breitete sich das Heilige Tal aus. Es war ein beinahe kreisrunder Kessel, der von hohen, steilen Felswänden umgeben war. In diese Wände waren zahlreiche Türen eingegraben worden, die zu den Behausungen der Bewohner des Heiligen Tals führten.

In dessen Mitte befand sich ein Teich, zu dem aller Boden mehr oder weniger steil abzufallen schien, und ein Wildbach fiel aus einem Loch in der nördlichen Felswand, schlängelte sich zum Teich und von dort zu einer weiteren Felswand, in der er einfach verschwand. Dieser Heilige Fluss würde auf seinem Weg zum Meer zu einem reißenden Strom anschwellen, aber hier war er teilweise schmal genug, dass sie einfach hinüberspringen konnte.

Einige Bäume erhoben sich an dem Teich und an dessen Ufer stand eine einsame Gestalt: Konan. Vermutlich war sie bereits dabei, ihren Zauber durchzuführen, der den Regen vom Himmel zwingen sollte.

Denn auch hier war die Dürre deutlich zu sehen. Die Hänge, die eigentlich grün und von saftigem Gras bewachsen sein mussten, waren eher gelblich, die Bäume wirkten schlapp und auch die Gärten, die nicht weit von TenTens Standort angelegt worden waren, sahen nicht gesund und gut gewässert aus.

Die junge Kriegerin beschloss, Konan ihrem Ritual zu überlassen, und besuchte stattdessen die Pferde. Sie standen zwischen einigen anderen auf einem abgegrenzten Bereich und wirkten zufrieden. Eine Weile stand sie auf den Zaun gelegt einfach da, dann kehrte sie zu dem Eingang in der Felswand zurück, der in ‚ihr‘ Zimmer führte, in der Hoffnung, sie würde irgendetwas zu Essen auftreiben können.
 

Neji war dort. Er hatte sich ins Gras gesetzt und der sanfte Wind spielte mit einigen seiner langen Haarsträhnen. Sie trat leise zu ihm und setzte sich neben ihn. Für eine Weile waren sie einfach still, genossen die Ruhe und den Frieden, der hier im Tal zu herrschen schien, und die Gegenwart des jeweils anderen.

TenTens Blick irrte immer wieder zu der nicht mehr so einsamen Gestalt am Teich zurück. Pein stand jetzt an einen der Bäume gelehnt und ließ die Zauberin nicht aus den Augen, aber er machte auch keine Bewegung, zu ihr zu gehen.

„Was wirst du jetzt tun?“, wollte sie plötzlich wissen und überraschte auch sich selbst mit der Frage.

Neji wandte ihr seine hellen Augen zu und blickte sie durchdringend an. Dann hob er einmal die Schultern. „Ich werde wahrscheinlich zu meinem Klan reiten.“

„Wahrscheinlich?“, wiederholte sie und wünschte sich, sich konnte den Mut aufbringen, ihn zu fragen, ob er nicht mit ihnen kommen wollte. Aber dann würde sie sich zwischen ihn und den Wunsch stellen, endlich zwischen sich und seinem Onkel Frieden zu schaffen. Vielleicht sollte sie anders fragen: wenn sie denn mit ihm kommen würde?

Er blickte wieder nach vorn, dann legte er den Kopf zurück und starrte in den Himmel. Er war strahlend blau und die Sonne stand hoch oben. Einige weiße Wolkenfetzen wurden vom Wind darüber gejagt. Die drückende Hitze, die über dem Land lag, fiel ihr erst jetzt auf. Das Tal war gar nicht so anders als die Ebene – es war ihr nur so vorgekommen.
 

„Du kannst die Braune behalten.“, erklärte TenTen. Wenn es sein müsste, würde sie Shinos Witwe eines ihrer eigenen Pferde geben, denn sie wollte Neji nicht allein und ohne Pferd zurücklassen. Er hatte ihnen so sehr geholfen und er lag ihr am Herz. Ihn ohne Pferd zu sehen würde sie jetzt nicht mehr ertragen.

„Danke.“ Wieder verfielen sie in Schweigen. Der Wind zupfte jetzt auch an ihren Haaren, die sie eng an den Kopf gebunden hatte. Er wurde stärker und die Wolkenfetzen hoch über ihnen größer und dicker. Sie lächelte – eine solche Erfrischung kam ihnen jetzt gerade recht. Und der Wind war nicht einmal warm und trocken, sondern angenehm kühl.

„Du kannst auch mit uns kommen, wenn du willst.“, bot sie an, erneut erstaunt über ihre Worte. Aber dann ließ sie einfach zu, dass sie aussprach, was sie dachte, was sie fühlte. Es konnte nicht so falsch sein. Neji gab keine Antwort, aber das war keine Ablehnung in seiner Haltung oder seinen Augen, also fuhr sie fort: „Wenn du willst, kann ich auch mit dir gehen.“ Dann dachte sie, dass das zu wenig war und fügte hinzu: „Ich möchte wieder mit dir reiten.“

Er nickte und starrte wieder über das Tal. „Ich möchte auch mit dir reiten. Das war gut.“

Sie lächelte, zog ihre Beine an und schlag die Arme darum. Wie sie die nächsten Worte aussprechen sollte, wusste sie noch nicht, aber sie würde es einfach tun: „Wir … können erst … zu deinem Klan.“
 

Dann stand Neji plötzlich auf und starrte zum Himmel, ein freudiges Leuchten im Gesicht. „Konan hat es geschafft!“

Sie sprang ebenfalls auf, realisierte gar nicht, worüber er sprach. War ihr eigenes Thema denn nicht wichtig? „Was?“

„Konan hat es geschafft!“, wiederholte er. „Sieh nur!“

Er deutete nach Norden, wo der Himmel schwarz war. Der Nordwind riss an seinen Haaren und peitschte sie durch die Luft. Die Wolken waren wie eine Front und sie kam so schnell näher wie Krieger im vollen Galopp.

Da begriff TenTen. Konan hatte es geschafft! Der Regen kam.

Sie stieß einen lauten, freudigen Schrei aus und dann war es über ihnen. Regen prasselte auf sie herab und durchnässte sie in Sekundenschnelle. Sie lachte und schrie und weinte vor Glück und alles gleichzeitig. Neji war nicht so enthusiastisch, aber er schien nahezu zu leuchten.

Der Lärm, den sie und der Sturmregen veranstalteten, lockte andere Leute aus ihren Behausungen und nach und nach kam jeder im Tal Anwesende hinaus um den Regen zu sehen, das langersehnte Wunder, das die Zauberin der Sonnenreiter herbeigerufen hatte.

Auch ihre Gefährten kamen herbei. Ino stützte Kiba, Akamaru sprang bellend um sie herum. Pein trug eine völlig erschöpfte Konan zu ihnen herauf, aber sie beide dachten ebenfalls nicht daran, sich unterzustellen.

TenTen lachte wieder, wischte sich Tränen und Regen aus den Augen und schlang die Arme um die ihr am nächsten stehende Person, Neji. „Ist das nicht toll?“, schrie sie und presste ihm einen Kuss auf, der ihr wie ein Blitz in die Glieder fuhr und sie wie betrunken zurückließ. „Ist das nicht toll?!“

Er nickte nur und erwiderte ihre Umarmung.
 

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Das war mein letzter Beitrag (es folgen ja auch nur noch 2) und ich wünsche euch allen ein frohes Fest und natürlich auch einen guten Rutsch ins neue Jahr.
 

Bis dann

Sorca~

23. Dezember - Todesblicke (Teil 2)

Zu ihrer eigenen Überraschung wurde ihr weder schlecht noch schwindelig, als sie auf den Künstler traf.

Anstatt umzufallen und sich zu übergeben, so wie letztens im Schreibwarengeschäft, lief es ihr nur eiskalt den Rücken runter. Sonst nichts.

Aber vielleicht lag es auch an diesen Ausdruck in seinem Blick. Als sie ihn das erste Mal gesehen hatte, hatte sie das Gefühl gehabt, dass dieser unheimlich schöne Mann sie töten wollte. Und nun schien er einfach nur teilnahmslos zu sein. Als ob sie etwas unbedeutendes wäre, wie ein Wattebausch zum Beispiel. Vollkommen nutzlos und nicht zu beachten.

Das mochte Tenten nicht.

Normalerweise wäre sie nach einem solchen Blick auch eigentlich nur schnell wieder gegangen, aber es war kalt draußen und er hatte sie reingelassen. Und ihr sogar einen Tee angeboten. Da konnte sie nun mal nicht Nein sagen.
 

Die Galerie selbst war groß. Die Fenster aber waren relativ klein, sodass der große Raum nur wenig mit Tageslicht und mehr mit der Deckenleuchte erhellt wurde.

An den Wänden hingen Gemälde in verschiedenen Größen. Einige zeigten Alltagssituationen, andere Bilder waren Porträts von Menschen. Diese hatten verschiedene Gesichtsausdrücke und zeigten ebenso verschieden Emotionen. Manche lachten und strahlen Freude aus, andere sahen wütend drein und vermittelten etwas düsteres.

Dann hingen noch abstrakte Bilder aus Klecksen und Linien, die keine wirkliche Bedeutung zu haben schienen. Die Braunhaarige konnte so was sagen, denn sie war in Deutung von Abstraktem immer eine Niete gewesen.

Doch dieser Neji schien nicht nur Maler zu sein, denn auch einige Skulpturen standen in der Galerie und diese faszinierten sie viel mehr als die Bilder. Eine davon gefiel ihr ganz besonders. Sie war weiß und bildete eine Art Strichmensch, ohne jeglichen Details. Nur die Hände waren so wie in der Realität. Voller Feinheiten und Kleinigkeiten. Finger, Adern, Nägel. Wie eine richtige Hand eben aussah.

Doch bevor Tenten dieses Kunstwerk weiter begutachten konnte, war der Erschaffer selbst wieder bei ihr und hielt ihr eine Tasse, aus der Dampf kam, hin.

„Danke“, sagte sie leise und war bemüht ihm nicht in die Augen zu sehen, als sie die Tasse entgegen nahm. Aber sie musste zugeben, auch wenn er eine unheimliche Aura um sich hatte und ihr sein Blick weh tat, so war er wirklich sehr höflich. Doch sie hatte ihm noch nicht gesagt, dass sie keine Kundin war. Vielleicht war er nur zu Käufern so nett.

„Gefällt Ihnen diese Skulptur?“ Seine Stimme war tief und klang ein wenig rau. Wenn Tenten sie mit etwas vergleichen könnte, dann wohl am besten mit herber Bitterschokolade.

„Ja, aber...“ Sie seufzte und dreht sich zu ihm um. Nun würde sie ihn enttäuschen müssen, indem sie zugab keine Kundin zu sein. Hoffentlich würde er nicht allzu niedergeschlagen sein. Aber irgendwie sah er auch nicht so aus, als ob er bei einer solchen Nachricht am Boden zerstört sein würde.

„Hören Sie, ich möchte keins ihrer Werke kaufen. Auch wenn sie wirklich wunderschön sind, bin ich nicht deswegen hier.“ In Gedanken fügte sie noch hinzu, dass sie sowieso zu arm für einen Kauf war. „Ich wollte mich nur bedanken, weil sie mich vor dem Auto letztens gerettet haben.“

Tenten hatte die ganze Zeit in ihren Tee geblickt, nur am Ende sah sie auf, um seine Reaktion zu sehen. Doch diese war undefinierbar. Er sah sie nur an, ohne irgendwelche Emotionen in seinen Augen. Als würde er in Gedanken sein und ihr nicht zuhören.

„Gern.“

Die junge Verkäuferin hob eine Augenbraue.

Er hatte ihr das Leben gerettet, hätte dabei eigentlich auch sterben können, sie kam extra zu ihm angerannt um sich bei ihm zu bedanken und er sagte nur 'Gern'?

Man, war der aber cool!

Innerlich schüttelte Tenten aber den Kopf um diesen dummen Gedanken wieder fort zu bekommen und wieder in die Realität zurückzukehren. „Ähm... Könnte ich mich denn irgendwie revanchieren?“

Der Künstler sah sie nur fragend an und schien sogar etwas genervt zu sein. „Wollen Sie etwa mit mir schlafen?“

Tenten hatte in dem Moment einen Schluck ihres Tees genommen, nur um ihn dann wieder auszuspucken und mit rotem Kopf zu husten „W-WAS? Nein! So meinte ich das doch nicht!“

Doch Neji ließ nur ein winziges Grinsen erscheinen. „Es war auch nicht ernst gemeint“

Da war sie aber auch verdammt froh! Sie würde doch niemals mit ihm schlafen wollen!

Wobei, das eigentlich gelogen war, denn er sah wirklich verdammt gut aus. Aber sie kannte ihn nicht. Sie hatten sich nur ganz wenige Male begegnet und kannten sich überhaupt nicht.

Und für gewöhnlich schlief Tenten auch nie mit wildfremden Männern! Egal wie gut sie aussahen!

Die Braunhaarige hatte sich mittlerweile nach dem Hustenfall beruhigt und sah den jungen Künstler noch einmal ernst an. „Nein, wirklich, ich möchte Ihnen mit etwas anständigen Danken. Ich möchte Ihnen einen Gefallen tun. Egal welchen.“

„Seien Sie besser vorsichtig mit ihrer Wortwahl.“ Auf einmal klang die herbe Schokoladenstimme wie ein Messerstich, der sie unsanft berührte. „Sie könnten es am Ende bereuen. Und das wollen Sie doch nicht, oder?“

Tenten schluckte. Nein, sie wollte wirklich nichts bereuen. Sie wollte ihm nur etwas gutes Tun, damit ihr Dank auch angemessen war. Schließlich war ihr Leben mehr Wert als ein Kuchen mit der Aufschrift 'Danke'. Aber so etwas hätte sie ohnehin nicht gemacht, sie war eine furchtbare Bäckerin.

Eine Stille bildete sich zwischen den beiden. Tenten entwich seinem Blick, aber sie spürte wie er sie ansah. Er musterte sie ausgiebig. Ihr war das wirklich sehr unangenehm, als wäre sie ein Objekt. So wie eines seiner Kunstwerke, die von Kritikern begutachtet wurden und präzise untersucht wurden.

„Kommen Sie morgen um zehn wieder her“, sagte er dann wieder mit der Schokoladenstimme und dreht sich, um sie zur Tür zu begleiten „Und machen Sie sich nicht die Mühe ihren Körper zu pflegen.“

Tenten sah ihn nur empört an, doch er schien es ernst zu meinen. Und die Verwirrung der Braunhaarigen war außerordentlich groß. Was wollte er von ihr?

„Okay.“ Ohne weiter überlegt zu haben, hatte sie zugestimmt und ihm die Tasse wieder gegeben, um dann in Ahnungslosigkeit zu gehen.
 

~
 

Pünktlich um zehn Uhr früh stand Tenten vor der Galerie.

Sie hatte die Nacht nicht gut geschlafen, um genau zu sein, eigentlich gar nicht. Sie hatte über diesen Künstler nachgedacht und was er mit ihr vorhatte. Wollte er vielleicht doch mit ihr schlafen? Auf der einen Seite war das ganz schön verlockend, auf der anderen Seite aber, wollte Tenten das nur über ihre Leiche und danach auch nicht!

Aber dann hätte er sie doch nicht so früh am Morgen zu sich in die Galerie bestellt, sondern sie sofort genommen, um es hinter sich zu bringen.

Tenten war vollkommen verwirrt und ungeduldig, was diesen Gefallen anging. Sie wollte unbedingt wissen, was er nun von ihr wollte und was es zu bedeuten hatte, dass sie keine Mühe um ihre Körperpflege machen musste. Im Endeffekt hatte sich sie sowieso nicht daran gehalten, denn sie hatte fast schon wirklich die Befürchtung auf sexuellen Kontakt gehabt und sich deshalb gründlich gewaschen und ihren Körper so gut es ging ansehnlich gemacht.
 

Die Tür war angelehnt, sodass Tenten beschloss einfach rein zu gehen. Es war ruhig in dem großen Raum, nur weiter hinten hörte sie etwas. Ein Rumpeln und Knistern. Sie war sich sicher, dass es sich um Neji handelte.

Als sie sich den Geräuschen näherte, waren ihre Schritte nur gedämpft zu hören, sodass der Künstler sie sicher nicht hören konnte. Als sie in den hinteren Raum sah, war sie beeindruckt. Es standen eine Menge Eimer mit verschiedensten Pinseln und Tuben mit allen Farben die sie sich vorstellen konnte auf voll geklecksten Tischen. In einer Ecke standen jede Menge Leinwände in verschiedenen Größen und sahen im Gegensatz zu den Ablageflächen sauber aus. Neji selbst befand sich an einem Schrank und schien in einer Kiste zu kramen. Als ob er etwas suchen würde.
 

„Schön, dass Sie da sind.“

Tenten schluckte erschrocken runter. Woher wusste er, dass sie schon da war? Sie war doch lautlos gewesen?

„Guten Morgen.“ Die Braunhaarige grüßte höflich und trat in den Raum ein, sodass sie ihn nun vollkommen von innen sah. Es standen auch einige Staffeleien mit verschiedenen Bildern in dem Raum. Es schien so, als würde dieses kleine Zimmer als Abstellkammer dienen, für Sachen, die wichtig waren.

Neji stellte den Karton, in dem er vorhin noch herumgekramt hatte auf einen der Tische ab und holte aus einem anderen Schrank etwas weißes heraus.

„Ich werde in zwei Monaten eine neue Ausstellung veranstalten“, erklärte er und gab ihr das weiße Teil, dass sich zu ihrer Überraschung als Bademantel herausstellte „Und das Thema ist 'Das Wunder der Frau'.“

Tenten sah ihn nur mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Worauf wollen Sie hinaus?“

„Eigentlich hatte ich gedacht, dass eine Freundin von mir, die Stripperin ist, mir dabei helfen würde“, sagte er, seufzte etwas enttäuscht und sah ihr nicht ins Gesicht. „Aber sie hatte sich bei einem Auftritt letztens das Bein gebrochen und musste absagen. Was ich damit sagen will, ich brauche eine schöne Frau, die sich nackt auf ein Podest stellt und die ich in verschiedenen Posen und Perspektiven malen kann. Und da Sie sich ja unbedingt revanchieren wollten...“

Der Verkäuferin klappte der Mund auf vor Schreck. Er wollte sie nackt malen?

Da war es ihr sogar lieber, wenn er sie auf den Boden warf und hemmungslos über sie herfiel! Denn das konnte dann schließlich niemand auf einer Ausstellung sehen!

„Vergessen Sie es!“ Sie gab ihm den Bademantel wieder und ging aus dem kleinen Raum. „Ich werde ganz sicher nicht nackt posieren, nur damit mich dann Kunstfanatiker anglotzen können und mich auch noch kaufen wollen!“

Auch wenn sie damit gegen ihre eigene Aussage, sie würde alles tun, verstieß und sich damit später noch ein schlechtes Gewissen einfangen würde, wollte sie sich sicher nicht vor ihm ausziehen.

Ein Seufzen entglitt dem jungen Künstler. „Das ist sehr schade. Ich hatte vorgehabt Sie als anonyme Frau darzustellen und Ihr Gesicht zu verdecken, sodass Sie niemand erkennen könnte. Aber gut, ich konnte auch keine andere Antwort von Ihnen erwarten, schließlich habe ich Ihnen doch nur das Leben gerettet und hätte dabei sogar selbst sterben können. Ein Menschenleben ist wirklich zu wenig für so einen großen Gefallen. Ich hoffe sehr, dass es Ihrem Gewissen nicht schaden wird.“

Tenten verfluchte ihn dafür, dass er jetzt versuchte sie so umzustimmen. Und noch mehr verfluchte sie ihn, als sie merkte wie es sogar funktionierte. Ihr Gewissen schaltete sich nun ein und wollte es ihr gründlich verderben.

Sie war es ihm schuldig, sich unbekleidet vor ihn zu stellen und ihren Körper als Kunstobjekt misshandeln zu lassen. Auch wenn sie es wirklich nicht wollte.

„Sie sind ein Arsch“, sagte sie nur leise und nahm ihm den Bademantel wieder ab.

„Ich weiß.“
 

Tenten hatte sich auf der Toilette umgezogen. Sie fühlte sich überhaupt nicht wohl. Nicht dass sie ihm nicht glaubte, wenn er meinte, er würde sie unkenntlich machen. Es war ihr einfach nur unangenehm, wenn sie jemand beobachtete und wenn sie dabei auch noch nackt war, dann war das sogar noch sehr viel schlimmer.

Sie sah noch einmal in den Spiegel und zog das Stück Stoff, welches sie von ihm bekommen hatte, enger um sich. Auch wenn sie genau wusste, dass sie es gleich ausziehen musste.

Die Haare hatte sie auf seinen Wunsch geöffnet, sodass ihre verhassten Locken locker über ihre Schultern fielen. Ihr Gesicht abschminken musste sie nicht, das er sowieso nicht auf ihr Gesicht achten würde. Zumindest hatte er das ihr so gesagt.

Noch einmal holte die junge Frau tief Luft, um sich mental nochmal darauf vorzubereiten. Schließlich stand sie nicht jeden Tag nackt Modell.

Dann ging sie endlich wieder zurück zu ihm.
 

Nejis Galerie besaß noch eine obere Etage, auf der er immer arbeitete. Von unten konnte man nicht herauf sehen, somit konnte sich Tenten auch sicher sein, nicht von Kunden oder anderen Leuten gesehen zu werden.

Der Künstler hatte bereits alles aufgestellt. Ein einfaches Podest stand dort und war im Grunde genommen nur eine flache Kiste. Ein Stück entfernt stand eine Staffelei mit einer leeren Leinwand und Neji selbst hatte sich bereits die nötigen Farben bereitgelegt.

Er drehte sich zu Tenten um und sah sie zum ersten Mal mit einem angenehmen Blick an. „Setzten oder stellen Sie sich in irgendeine Position, die für Sie bequem ist.“

Mit einem Mal wurde ihr warm ums Herz. Was war denn passiert, dass sie sich plötzlich so wohl fühlte, obwohl sie doch gegen diese ganze Aktion war? Lag es etwa daran, dass dieser Neji sie jetzt so ansah? So sanft und ohne jegliche negativen Absichten.

Doch trotz all der Nettigkeit, stieß sie seine Hand weg, als er ihr den Bademantel ausziehen wollte. Sie wollte zeigen, dass sie es nicht gerne tat, auch wenn es schon wirklich frech und unhöflich von ihr war.

Sie spürte keinen Blick und auch kein wirklich beschämendes Gefühl, als sie sich vollkommen entblößt auf das Podest setzte. Sie versuchte möglichst gestreckt zu sitzen, damit ihr Bauch sich nicht einknickte, den für die Schlankeste hielt sich die Braunhaarige nun wirklich nicht. Und das musste auch wirklich keiner auf dem Bild sehen, auch wenn es anonym war. Außerdem achtete sie auch darauf, dass ihr Lebensretter keines ihrer Geschlechtsteile zu sehen bekam. Seriöser Künstler hin oder her, ihre Intimzonen durfte nicht einmal ihre eigene Mutter sehen.

Im Gegensatz zu anderen Männern, die sie angaffen würde und sich die Finger nach ihr lecken würden, schien es Neji nichts auszumachen, dass eine nackte Frau vor ihm saß. Er fing mit einer Skizze an und betrachtete jeden einzelnen Winkel, den die Verkäuferin zur Schau stellte. Und dabei schien er nicht einen dreckigen Gedanken zu verschwenden. Vielleicht war er auch wirklich keiner dieser Art Mann, die immer nur an das Eine dachten. Sondern wirklich einer, dem die Karriere wichtig war. Auch wenn es hieß eine nackte Frau vor sich zu haben.
 

Sie spürte jeden seiner Blicke und wusste ganz genau, wo er wann hinsah. Das komischste war jedoch, dass sie sich dabei auch noch wohl fühlte. Es war nicht dieses Gefühl von Ekel und Bedrängnis, das sie hatte, wenn sie sonst beobachtet wurde. Es war auch nicht dieser paranoide Schauer auf ihrem Rücken anwesend.

Nein, es war wie, als würde er sie berühren würde. Zärtlich, als wäre sie etwas kostbares. Und das ohne Scheu. Einfach nur wohltuende Berührungen.

Tenten war sich mittlerweile klar, dass es auf jeden Fall an seinem Blick lag. Irgendwas hatte dieser Mann in seinen Augen, dass sie alles mögliche empfinden ließ. Ob es nun Übelkeit oder Wärme war, sobald er sie ansah, spielten ihr Körper und ihr Geist vollkommen verrückt. Niemand, weder in Osaka, noch in dem kleinen Dorf in dem sie aufgewachsen war, hatte es jemals geschafft mit nur einem Blick sie völlig aus der Fassung zu bringen. Egal ob verhasst oder liebevoll man sie ansah, blieb sie hart wie Stein und empfand nichts bedeutendes. Auch spionierende Blicke, die sie nun wirklich hasste, ließen sie im Gegensatz zu seinen völlig kalt.

Im Endeffekt konnte Tenten stundenlang so sitzen bleiben und sich ihm so präsentieren, denn wenn sie sich dabei so wohl fühlte, konnte selbst ihr Protest gegen diese ganze Aktion in Form von Unfreundlichkeit nichts mehr großartiges anstellen.
 

Neji war schnell mit der Skizze fertig, sodass er auch schon früh mit den richtigen Farben anfangen konnte. Während dieser ganzen Zeit hatten sie nicht ein Wort gewechselt. Aber das war von ihrer Seite aus gesehen auch gar nicht nötig. Eigentlich war Tenten auch nicht mal nach einem Gespräch. Sie wollte das Ganze einfach nur schnell hinter sich bringen und sich dann endlich anständig revanchiert haben, auch wenn es nicht so schlimm war, wie sie befürchtet hatte. Außerdem schien Neji sehr in die Arbeit vertieft zu sein. Und da wollte die Braunhaarige auch gar nicht erst stören.

Da Tenten keine Uhr im Blickfeld hatte, konnte sie nur schätzen wie lange sie bewegungslos auf dem Podest gesessen hatte, als Neji den Pinsel hinlegt und ihr den Bademantel brachte. Aber da ihre Muskeln und Gelenke nach dem ganzen Stillsitzen fast schon am Ende waren, glaubte sie etwa drei bis vier Stunden.

„Darf ich es sehen?“ Die Frage kam ein wenig verschüchtert, auch wenn das nicht ihre Absicht war. Neji nickte und fing an die Pinsel aus dem Wassereimer zu nehmen, um diese sauber zu machen.

Die Verkäuferin tapste gespannt zu der Staffelei und war fassungslos als sie das Bild sah. Das war doch unmöglich sie! Die Frau auf dem Bild war wunderschön. Ein nahezu perfekter Körper. Keine Blutergüsse vom Unfall waren zu sehen. Nur die Pose war ihre. Wieso zum Teufel hatte sie denn stundenlang nackt vor ihm gesessen, wenn er sie nicht wirklich gemalt hatte.

„Das bin ich doch nicht.“ Sie musste es einfach aussprechen, auch wenn es Kritik war. „Ich sehe doch nicht so aus.“

Neji schien das nicht besonders zu stören, als er sich hinter sie stellte. „Doch das sind Sie. Es fehlen nur die blauen Flecken auf dem Bild.“

Doch die Brünette blieb stur, was das betraf. „Das bin ich nicht. Ich hab keinen so perfekten Körper! Ich meine, ich habe nicht so eine schlanke Taille und auch nicht so eine strafe Oberweite.“

„Doch, das haben Sie.“ Seine Stimme klang ehrlich und wirkte fast schon beruhigend auf ihr Temperament. „Sie wollen es nur nicht wahr haben, weil Sie Komplexe haben. Ich hab lediglich das gemalt, was ich gesehen habe und das waren nun mal Sie und Ihr Körper.“

Vielleicht war es ja wirklich so. Tenten hatte mehr als genug Probleme mit ihrem Aussehen und versuchte diese Probleme immer irgendwie zu beheben. Aber zufrieden war sie nie. Und anscheinend sollte sie sich gar keine Gedanken mehr darum machen. Denn vor ihr stand der vermeintliche Beweis, dafür, dass sie eine schöne Frau war.

„Hören Sie auf sich Sorgen um ihr Aussehen zu machen. Sie sehen doch, dass Sie das nicht brauchen.“ Neji entfernte sich wieder von ihr, während sie immer noch wie versteinert da stand und das Bild betrachtete.
 

„Hallo? Ist jemand da?“

Sowohl Neji, als auch Tenten schreckten kurz auf, als sie die Stimme von unten hörte.

„Bleiben Sie hier.“ Neji ging die Treppe runter um den Ursprung der Stimme zu folgen. Tenten blieb wie befohlen oben und versuchte einen Blick nach unten zu erhaschen. Doch leider konnte sie nichts sehen, da die Eingangstür nicht von der oberen Etage zu sehen war. Nur die Stimmen waren zu hören.

„Sind Sie Neji Hyuuga?“

„Ja, kann ich helfen?“

„Ich würde gerne mit Ihnen etwas Geschäftliches besprechen.“

Es herrschte kurz Stille. Tenten war angespannt. Etwas Geschäftliches?

„Kommen Sie mit.“ Nejis Stimme erklang wieder und das letzte was Tenten hörte waren Schritte die sich entfernten.

Das konnte dauern. Sie setzte sich wieder auf das Podest und merkte jetzt erst wie hart es doch eigentlich war. Komisch, dass sie das vorher nicht bemerkt hatte, als sie stundenlang auf ihm Modell gesessen hatte. Immer noch war es komisch für sie. Sie hatte die letzten Stunden entblößt vor ihm als Motiv gearbeitet und sie fühlte sich überhaupt nicht schlecht dabei. Und das Ergebnis konnte sich nun wirklich sehen lassen.
 

Auf einmal hörte sie einen Schrei.

Er klang gequält und schmerzhaft.

Und vor allem klang es nicht gut.
 

Die Braunhaarige sprang auf und rannte die Treppe runter. Dass Neji ihr gesagt hatte, sie solle oben bleiben, vergaß sie. Denn sie hatte ein wirklich ungutes Gefühl.

Neji und der Besucher befanden sich in einem weiteren Nebenzimmer, das nicht voller Kunstutensilien war, sondern eher wie ein Büro aussah.

Der Besucher war ein kräftiger Mann im Anzug, der nun fast schon leblos in den Armen Nejis lag. Dieser stand nur ohne jegliche Emotion da und sah den Körper in seinen Armen mit leerem Blick an.

„Rufen Sie einen Krankenwagen“, erklang seine dunkle Stimme, aber Tenten wusste, der Mann war bereits tot.
 

~
 

Es stellte sich heraus, dass der tote Mann der Anwalt der Yamuras gewesen war. Er war genauso wie die anderen beiden an Herzversagen verstorben. Angeblich hatte die Hotelkette Neji ein Geschäft angeboten, dass er seine Galerie aufgeben musste und aus der ganzen Häuserstraße ein großes Hotel gebaut werden sollte.

Der Anwalt war gekommen um Neji zu einer polizeilichen Aussage zu nehmen, da dieser verdächtigt wurde, die beiden Männer umgebracht zu haben. Jedoch war dies eigentlich unmöglich, da das Herzversagen von Vater und Sohn auf natürlichem Wege eingetroffen war. Dass es aber auch dem Anwalt passierte, ließ nun die Polizei von Osaka einen Haftbefehl auf Neji Hyuuga geben. Denn schließlich war er zum Todeszeitpunkt bei dem Tod dabei und noch dazu ein Verdächtiger.

Tenten hatte eine Aussage abgeben müssen, da sie die einzige Zeugin gewesen war. Doch da sie nichts gesehen hatte, wurde sie direkt von der Polizei wieder in Ruhe gelassen.
 

Doch ihre Meinung zu diesem ganzen Fall war gespalten. Zum einen konnte sie es dem Künstler zutrauen eine solche Tat begangen zu haben. Schließlich ging es hier um seine Galerie und Tenten hatte schon an seinen Blicken schließen können, dass er skrupellos sein konnte. Aber andererseits glaubte sie auch an seine Unschuld. Alle drei Männer waren schließlich an natürlichem Herzversagen gestorben und wenn angeblich nichts in den Körpern der Toten gefunden wurde, dann konnte Neji doch niemanden umgebracht haben. Er hatte ein Motiv, aber es gab keine Beweise.

Eigentlich wusste sie nicht einmal, warum sie sich solche Gedanken um ihn machte. Sie kannten sich doch kaum. Er hatte ihr Leben gerettet und sie hatte ihm zum Dank ihren Körper auf eine Leinwand malen lassen. Mehr war da auch nicht. Sie hatten nicht einmal Kontaktdaten ausgetauscht, außer die Visitenkarte von diesem Rock Lee. Warum machte sie sich also Sorgen um ihn?
 

Die Visitenkarte lag auf ihrem Küchentisch. Sie war das einzige was sie von diesem Künstler besaß. Und das betrachtete sie nun schon seit fast drei Stunden ununterbrochen. Aber sie wollte auch nicht aufhören sie so anzusehen und an ihn zu denken. Auch wenn sie ihn kaum kannten, so schien sie diesen Künstler wirklich zu mögen.

Seine Blicke machten ihr Angst, ließen ihren Körper verrückt spielen. Sie hatte sich wegen ihm übergeben und ins Krankenhaus bugsieren lassen. Sie hatte sich von ihm ansehen lassen und sich dabei auch noch wohl gefühlt.

Und auch jetzt, wo sie sich nur an seine Augen erinnerte überkam sie das wärmende und wohle Gefühl dass sie auch beim Malen gespürt hatte. Sie wollte es nicht zugeben, aber sie wollte diesen Mann wiedersehen. Und ihn wirklich kennenlernen. Wie er als Person war. Was er neben dem Malen und Modellieren noch tat. Wo er wohnte. Wann er Geburtstag hatte. Was seine Vorlieben waren. Tenten wollte alles über ihn wissen, denn es schien fast so als hätte er sie verzaubert. Indem er sie einfach nur angesehen hatte.
 

~
 

Weihnachten stand langsam vor der Tür. Im Zoogeschäft herrschte Hochbetrieb so wie in den anderen Geschäften des Einkaufszentrums. Doch Tenten schien weniger genervt zu sein, als sie es sonst bei der Arbeit war. Vielleicht lag es daran, dass sie sich auf die Feiertage freute. Sie würde wieder in dem Dorf auftauchen, indem ihre Familie lebte. Sie würde alle wiedersehen und glücklich sein.

Und nicht nur sie schien in angenehmer Laune zu sein. Auch ihre Chefin, die sie nicht leiden konnte, war in Weihnachtslaune und belohnte Tentens Arbeit sogar damit, dass sie früher gehen durfte und ihre Schicht somit zu Ende war.

Ihr blieb noch Zeit um das letzte Geschenk zu holen, den Füller für ihre Mutter.

Doch vor dem Laden blieb sie stehen.

Irgendwie konnte sie nicht dort hinein gehen. Das lag nicht daran, dass sie nicht wollte, sie konnte es einfach nicht.

Denn dann könnte alles wieder hoch kommen. Wie sie Neji das erste Mal getroffen hatte, er ihr furchtbare Angst gemacht hatte und sie dann anschließend am nächsten Tag gerettet hatte.

Aber Neji war nicht mehr da.

Jedenfalls würde sie ihn wahrscheinlich nicht mehr sehen können, denn sie traute sich nicht einmal mehr in die Nähe seiner Galerie. Zu sehr fürchtete sie sich davor, was wohl dann sein würde. Auch wenn es eigentlich nicht zum fürchten gab.

Es war nur ihre Fantasie, die ihr sagte, dass sie sich nie mehr sehen würden. Doch das musste Tenten ja nicht zulassen. Denn sie konnte frei entscheiden was sie wollte.

Und sie wollte mit ihm Kontakt aufnehmen. Ihn wieder sehen. Und ihn kennenlernen. Auch wenn es schwer werden würde, da er immer noch bei der Polizei zu sein schien.
 

Die Glöckchen klingelten als Tenten das Schreibwarengeschäft betrat. Im Gegensatz zu sonst, waren eine Menge Leute in dem Laden und sogar eine Schlange hatte sich an der Kasse gebildet. An Weihnachten war eben nun mal überall Hochbetrieb.

Gezielt ging die junge Frau zu dem Regal, in dem nur noch wenige Exemplare des dunkelroten Füller da waren. Wie gut, dass sie nicht später gekommen war, denn sonst hätte sie wirklich Pech gehabt.
 

„Ach, hallo!“

Tenten dreht sich um, als sie die Stimme neben sich hörte und sah erst einmal dicke Augenbrauen. Rock Lee grinste ihr mit seinen großen Augen fröhlich entgegen und war sichtlich erfreut sie zu treffen.

„Sie kaufen wohl auch gerade die letzten Geschenke, oder?“ Er schien noch genauso nett zu sein wie im Krankenhaus. Das freute die Brünette ungemein.

„Ja, ich möchte doch schöne Weihnachten haben und am Besten mit Geschenken, die andere freuen“, sagte sie lächelnd und nahm einen der dunkelroten Füller. Er sah von allen am Besten aus, auch wenn sie sowieso alle gleich waren.

Lee musste gar nicht erst gefragt werden, ob er Geschenke kaufte, an seinen Händen waren wirklich viele Tüten. Er schien wohl vielen eine Freude bereiten zu wollen.

„Haben Sie Kontakt zu meinem Freund aufnehmen können?“ Er wusste nicht, dass er damit einen wunden Punkt bei ihr traf, doch sie ließ sich auch nichts anmerken.

„Ja...“ Eine zaghafte leise Antwort ihrerseits, verriet sie mehr, als sie eigentlich wollte. Sie wollte nicht, dass jemand sich Sorgen um diesen Mann machte.

Trotz der vielen Menschen um sich herum war ihr diese Stille zwischen bei denen etwas unangenehm.

„Neji wurde bereits wieder entlassen.“ Tenten sah auf, als der junge Mann anfing zu reden. „Er wurde für unschuldig erklärt. Es gab keine Beweise dafür, dass er mit jenem Tod etwas zu tun hatte.“

Ein Stein fiel ihr vom Herzen als sie das hörte. Sie war wirklich mehr als nur glücklich, dass Neji nichts mit diesen Männern zu tun hatte. Vielleicht könnte sie ihn ja wirklich noch kennen lernen.

„Wie geht es ihm?“ Sie war neugierig, was wohl jetzt mit ihm war.

„Ich weiß es nicht. Er ist seit seiner Freilassung sehr viel in seinem Atelier. Ich habe ihn nicht mehr gesehen, nur am Telefon gehört.“ Das Lächeln war verschwunden und der junge Mann sah nun sehr ernst ins Leere. Als würde er über etwas nachdenken. Oder besser gesagt, als ob er über seinen Freund nachdenken.

Tenten bekam das Gefühl, dass es noch was anderes gab. Irgendwas wusste Lee, was ihn nun so ernst erscheinen ließ. Doch nicht nur das Seriöse war in seinem Gesicht gekennzeichnet, auch Besorgnis. Tenten wurde das er etwas verheimlichte. Sie wusste, dass irgendwas mit Neji anders war. Und Lee wusste auch was. Doch sie bezweifelte, dass er es ihr sagen würde. Und sie wollte es herausfinden. Ob es sie etwas anging oder nicht.
 

Tenten hämmerte ohne Gnade gegen die Tür des Ateliers. Sie wusste ganz genau, dass der Künstler da war. Er musste doch einfach nur die Tür aufmachen.

Die Verkäuferin wollte endlich antworten. So konnte das doch nicht weiter gehen. Auch wenn es sie nichts anging was oder wie er etwas machte, so wollte sie es dringend herausfinden. Sonst würde sie keine Ruhe geben.

Als sie plötzlich gegen die Luft schlug, merkte sie, dass die Tür bereits offen war und Neji sie mit einem genervten und wütenden Blick zu gleich ansah.

Und auf einmal war es wieder da. Das Gefühl von Kälte und Schwindel. Doch sie konnte es schaffen wieder Luft zu bekommen und ihm gegenüber zu treten.

„Was wollen Sie?“ Seine Stimme klang rau und alles andere als fröhlich. Doch Tenten ließ sich deswegen nicht abschütteln.

„Die Wahrheit.“ Ihre Stimme klang todernst und das obwohl sie wirklich Mühe hatte nicht gleich nach vorne zu kippen. Doch der Künstler wollte wohl nichts dazu sagen und wollte die Tür wider schließen, doch Tentens Stiefel verhinderte das.

„Vielleicht konnte die Polizei nichts herausfinden, aber ich will es. Sie haben irgendwas mit den Yamuras zu tun“

Tenten spürte, wie sein Blick sie schmerzhaft durchbohrte.

Und dann tropfte etwas Rotes aus ihrem Mund in den Schnee.
 

Sowohl Neji, der die ganze Zeit versucht hatte, die Tür zu schließen, als auch Tenten blieben still und sahen wie sich der Schnee rot färbte.

In ihrem Mund war der eindeutige Geschmack von Blut anwesend. Und das obwohl Tenten keinen Schmerzen empfand.

„Was haben Sie getan.“ Es war nur ein Flüstern, dass von ihr kam, als sie Neji geschockt ansah, der nicht anders zu reagieren schien. Seine weißen Augen zitterten regelrecht und sahen sie mit einem fast schon entschuldigen Ausdruck an.

Der Druck um ihren Fuß löste sich und Neji zog sie am Arm in die Galerie. Im Gegensatz zu draußen war es hier drinnen wirklich angenehm warm, doch leider wurde dies von ihrem Blut in den Schatten gestellt.

Neji holte ihr ein Tuch, das sie sich an den Mund hielt. Das Tuch färbte sich langsam rot und Tenten wäre jetzt am liebsten auf die Knie gefallen, da ihr Beine sie nicht wirklich halten konnte.

Doch Neji erledigte das für sie. Er schob sie in den großen Raum und setzte sie in einen Sessel, der in einer kleinen Möbelgruppe dort stand.

Sie merkte wie das Blut weniger wurde und sie bald auch nicht mehr das Stück Stoff brauchte. Der Künstler selbst saß bei ihr und ließ sie nicht aus den Augen.

„Wie haben Sie das gemacht?“ Tentens Stimme war immer noch sehr leise und das Blut wurde wieder etwas mehr, sodass sie erneut das Tuch an den Mund halten musste.

Neji schwieg. Er sah sie auch nicht an. Und das sehr lange. Wenn Tenten raten könnte, würde sie sagen, dass er über etwas sehr wichtiges nachdachte. Denn er sah angespannt aus. Als ob er etwas zu entscheiden hatte.

„Sie würden es mir doch sowieso nicht glauben“, fing er endlich wieder an etwas zu sagen. Tenten sah ihn nur verwirrt an, doch er schien es ernst zu meinen „Es klingt wie ein schlechtes Märchen. Ich habe die Yamuras und den Anwalt wirklich auf dem Gewissen, aber nicht so wie man es glauben könnte.“

Auch wenn Tenten wirklich schon Befürchtung gehabt hatte, dass Neji was mit den Hotelbesitzern zu tun hatte, überraschte sie das Ganze mehr als sie dachte.

„Sie wollten die Galerie schließen, um eines ihrer Hotel hier zu bauen. Sie wollte die ganze Straße einreißen, nur um mehr Profit zu machen. Ich war bloß der Einzige der damit nicht einverstanden war.“ Anscheinend hatte ihn das mit dem Abriss wohl wirklich getroffen „Dieses Atelier ist das einzige was ich besitze. Es ist mein Lebenswerk. Und ich würde es mir nicht wegnehmen lassen. Aber das war diesen Mistkerlen egal. Sie wollte mir mein einziges Leben wegnehmen und den Leuten in der Straße ihre Wohnungen. Ich hatte keine andere Wahl, denn sie ließen sich nicht umstimmen“

Tenten wurde schlecht. Nicht nur wegen des Blutes in ihrem Mund. Der Gedanke dass hier ein Mörder bei ihr saß, ließ ihr Herz fast stehen bleiben.

„Wie haben Sie es angestellt? Es war doch Herzversagen.“ Tenten wollte endlich die Antwort haben, die sie suchte.

Neji sah ihr endlich wieder ins Gesicht. Sein Ausdruck war unergründlich und das gefiel ihr nicht.

„Ich bin nicht das, wofür sie mich halten“, sagte er und sah ihr tief in die Augen. „Ich kann Menschen töten. Ohne sie zu berühren. Meine Augen tun das. Ich sehe eine Person an und lasse sie irgendetwas empfinden. Oder ich lasse sie sterben.“

Sie konnte nicht glauben was hörte. Sie wollte nicht glauben was da hörte!

„Ich bin kein Mensch, Tenten.“ Er strich ihr über die Wange, ohne dass sie ein Zucken von sich gab. „Und Sie werden mich ganz sicher nicht verraten.“
 

Weihnachten ist das Fest der Liebe. Man ist mit den Menschen zusammen die man gern hat. Und das Glück erfüllt jeden einzelnen.

Doch manchmal ist das Glück nicht dazu bereit zu kommen. Und das Pech bricht ein, dort wo es hätte fröhlich sein müssen.

Das betrifft die Familie von Tenten. Sie werden in diesem Jahr nicht vollständig sein, da das Pech ihnen die einzige Tochter genommen hat, die einen Tag vor Heilig Abend an Herzversagen gestorben war.

24. Dezember - Last Christmas

Die alljährliche Weihnachtsfeier von Konoha war bereits im vollen Gange, als Tenten den großen Ballsaal betrat. Sie mochte diese Feierlichkeiten nicht sonderlich, doch Lee hatte sie gedrängt ihn zu begleiten und sie wollte ihm diesen Wunsch nicht abschlagen. Es war schließlich Weihnachten.

Da es zur Etikette gehörte, trug sie ein schlichtes, schwarzes Kleid, das ihr bis zu den Knien reichte und schwarze Sandaletten. Lee trug einen schwarzen Anzug, was ungewöhnlich für ihn war, doch es war nun einmal Pflicht und niemand sah sie mit prüfendem Blick an, als sie eintrafen.

Letztes Weihnachten war sie noch gerne hergekommen und hatte auch Freude an dieser Feier, doch dieser Tag hatte ihr Leben verändert und es tat noch weh, wenn sie daran dachte, auch wenn es bereits ein Jahr her war.

Unruhig sah sie sich im Saal um und versuchte im Gedränge jemand Bekanntes wiederzusehen. Als sie plötzlich sein Gesicht erblickte, sank ihre Laune fast auf den Nullpunkt.

Sie versuchte sich im Hintergrund zu halten, doch er fixierte sie mit seinem Blick und kam direkt auf die beiden zu.

„Guten Abend“, sagte Neji ruhig. Er hatte einen feinen, schwarzen Anzug an und verbeugte sich ein Stück, als er sie begrüßte.

„Hallo“, murmelte Tenten bloß.

Sie war sich nicht sicher, ob er sich an den Vorfall erinnerte, es war immerhin bereits ein Jahr her, doch diese vertraute Umgebung ließ ihre eigene Erinnerung ungewollt wach werden.

Für gewöhnlich sprachen sie vollkommen offen zueinander, doch an diesem Abend war Tenten ungewohnt angespannt. Es erinnerte sie alles daran.

Neji selbst ließ sich nichts anmerken und sie war der festen Überzeugung, dass er es nicht mehr wusste...
 

Letztes Jahr hatte sie die Veranstaltung zusammen mit Lee und Neji besucht. Sie und Lee hatten sich auf das prächtige Fest gefreut, mit den schönen Kleidern, dem lecken Essen und der winterlichen Musik. Sie hatte gewusste, dass Neji diese Feiern nicht sonderlich mochte, doch er war viel zu wohlerzogen um dies offen zuzugeben.

Sie hatten getanzt, geredet und gespeist. Als sie am Rande der Tanzfläche standen, hatte Tenten aus ihrer Handtasche eine Karte herausgeholt.

„Frohe Weihnachten“, hatte sie Neji leise gesagt und ihm das kleines Kärtchen überreicht.

Er hatte die Karte geöffnet, den Inhalt gelesen, doch hatte nichts dazu gesagt.

„Was stand auf der Karte?“, hatte Lee voller Neugierde gefragt und sie ein Stück von der Menschenmasse gezogen.

„Nur, dass ich ihn von ganzen Herzen liebe.“ Ihr Blick hatte einen nachdenklichen Ausdruck bekommen.

„Hat er etwas dazu gesagt?“, hatte er weiter gefragt und ihn hatte es scheinbar nicht überrascht, dass Tenten Neji liebte.

„Nein“, hatte sie gemurmelt und die Lippen aufeinander gepresst. „Das muss aber kein schlechtes Zeichen sein.“
 

Vor einem Jahr hatte sie ihm ihr Herz geschenkt und er hatte ihr am nächsten Tag gesagt, dass er ihre Gefühle nicht erwidern konnte und sie besser bloß Freunde sein sollten.

Sie war so ein Idiot gewesen, zu glauben, dass Neji ihre Gefühle erwidern würde und sie hätte ihr Geheimnis besser für sich wahren sollen.

Plötzlich riss Lee sie aus ihren Gedanken und holte sie in die Gegenwart zurück. „Ihr steht unter einem Mistelzweig“, sagte er und zeigte über ihre Köpfe.

Tenten sah sich kurz im Raum um und entdeckte geschätzte hunderte dieser Zweige, die von der Decke hingen. Es war also nicht unwahrscheinlich, dass sie direkt unter einem standen.

„Das ist halt Brauch“, sagte Neji, legte die Hände auf ihre Wangen und küsste sie kurz auf die Lippen.

Sie war viel zu perplex über seinen Kuss, um ihn zu erwidern und sah ihn bloß überrascht an. Scheinbar wollte er wieder mit ihren Gefühlen spielen, sonst wäre er auf diese Kinderei nie eingegangen.

„Ihr entschuldigt mich“, sagte er und verbeugte sich. „Wir sehen uns sicher später.“

Er ging wieder in die Menschenmasse zurück, zu seiner Begleitung. Er war mit seiner Cousine Hinata hier und sie war sich sicher, dass die beiden mehr verband als ihre Verwandtschaft.

Es war nur ein Jahr her und doch schien es für Neji bereits unbedeutend geworden zu sein, sonst hätte er sie noch einmal darauf angesprochen. Doch all die Monate hatte er sie gleich behandelt, wie früher, als er noch nichts von ihren gemeinen Gefühlen wusste.

Es war ihr unangenehm, ihn mit seiner Cousine zu sehen. Sie versuchte sich den gesamten Abend vor ihm zu versteckten, doch es gelang ihr kaum. Er war scheinbar immer dort, wo sie auch war und dies ärgerte sie. Eigentlich wollte sie bloß mit Lee einen netten Abend verbringen und nun war sie mehr damit beschäftigt sich vor Neji zu verstecken, als ausgiebig zu feiern.

Die einzige Möglichkeit um wieder frei zu sein, war, dass sie ihn vergessen musste und ihn nicht wieder in ihr Herz lassen. Wahrscheinlich wäre es am einfachsten, wenn sie sich in einen anderen Jungen verlieben würde. Doch das war leichter gesagt als getan, denn Neji umgab eine Aura, die sie faszinierte und sie bewunderte seine Art. Sie liebte ihn, auch wenn sie dies nicht mehr offen zugeben würde.
 

Zusammen mit Lee stand sie auf dem großen Balkon, um ein wenig Luft zu schnappen und einen Moment Ruhe zu bekommen.

Die Luft war eisig kalt und sie sah ihrem Atem in der dunklen Nacht.

Lee schien zu bemerken, dass sie sich unwohl fühlte und er legte sachte einen Arm auf ihre Schulter.

„Vielleicht hätten wir nicht herkommen sollen“, sagte er leise.

„Nein, daran liegt es nicht“, sagte sie, sah zu ihm rauf und lächelte. „Mir geht es gut, wirklich.“

Plötzlich hörte sie Schritte von hinten und Neji kam auf den Balkon.

„Ich habe euch beiden schon gesucht“, sagte er entschuldigend. „Ich dachte schon, ihr wärt nach Hause gegangen.“

„Nein, wir brauchten bloß ein wenig frische Luft“, sagte Lee. „Ich lasse euch besser alleine.“

Lee ging mit schnellen Schritten wieder nach Innen und ließ sie alleine.

„Alles in Ordnung?“, fragte Neji sachte.

Sie antwortete nicht, sondern wich bloß seinem Blick aus.

„Ich hoffe, ich habe euch nicht gestört“, sagte er und dachte offensichtlich, dass sie und Lee ein Verabredung hatten.

„Wir sind nur zusammen hier, nicht mehr“, sagte sie. „Ich gehe wieder rein.“

„Tenten“, sagte er und hielt sie am Arm fest. „Ich denke, wir sollten reden.“

Am liebsten wäre sie wieder hineingestürzt, doch sie blieb stehen und sah ihn prüfend an. „Worüber willst du reden?“

„Es ist zwar bereits ein Jahr her, aber du hast mir mal einen Brief geschrieben.“

Sie war überrascht, dass er dachte, dass sie diesen Vorfall vergessen hatte.

„Ja, ich erinnere mich vage“, murmelte sie und versuchte es herunterzuspielen wie wichtig ihr dieser Brief im Grunde doch war.

„Ich möchte nicht, dass du denkst, dass mir das egal wäre. Ich wollte lediglich deine Gefühle nicht verletzten, indem ich mit dir zusammen bin, dir aber nicht die nötige Liebe geben könnte.“

Es war ihm scheinbar unangenehm, über dieses Thema zu reden, doch er fuhr fort. „Deine Nachricht kam etwas überraschend, ich ahnte nicht, dass du diese Gefühle überhaupt für mich hegst.“

Sie schluckte schwer. „Danke, für deine offenen Worte, doch vielleicht solltest du lieber zu deiner Begleitung zurück.“

„Ich bin nur mit Hinata hier, da mein Onkel nicht wollte, dass sie alleine hier herkommt“, erklärte er ihr. „Sie ist bloß meine Cousine.“

Sie nickte und lächelte. „Wir sollten rein gehen. Es ist recht kalt.“

„Bist du noch alleine?“, fragte er vorsichtig.

„Nein“, sagte sie bloß und lachte kurz und leise. „Ich habe jemanden den ich liebe.“

Sie hatte einen Freund, den sie in ihrem Herzen wahrte und vor den anderen verbarg, um ihn zu schützen. Er kannte ihren Schmerz, kannte ihre Gefühle und gab auf sie Acht. Sie war nicht alleine, denn diese Person war immer bei ihr.

Sie nahm in an die Hand und zog ihn sachte wieder zurück in den großen Saal, wo all ihre Freunde waren, die mit ihnen ausgelassen das Weihnachtsfest feiern wollten.

„Ich stelle ihn dir eines Tages vor“, versprach sie Neji leise und lächelte.

An diesem Tag würde sie ihm sagen, dass er in Wahrheit diese Person war...
 

- Ende -
 

Ich wünsche euch frohe, besinnliche Weihnachten und alles Gute für das neue Jahr.

Lieben Gruß

eure abgemeldet



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Kommentare zu dieser Fanfic (80)
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Von:  yugi-san
2017-06-15T12:22:51+00:00 15.06.2017 14:22
Der OS ist wirklich gut geworden.
Tentens Gedankenwelt wurde absolut logisch und glaubhaft geschildert. Besonders gut hat mir Nejis Auftauchen gefallen und die Reaktion von seinen Schülern als Tenten ihn geboxt hat, sie hat eben ihre Sonderrechte xD
Die Beschreibung ihrer "Beziehung" ist dir ebenfalls sehr gut gelungen^^
Von:  yugi-san
2017-06-15T11:17:56+00:00 15.06.2017 13:17
Was für eine gelungene Einleitung^^
Dein Erzählstil ist wirklich fesselnd und schön zu lesen. Insbesondere deine Darstellungsweise von Gott hat mich wirklich fasziniert und ich finde es bemerkenswert, wie sachlich du daran herangegangen bist (Gott/Religion war schon immer ein heikles Thema) ohne damit deinem Schreibstil zu schaden.
Die Idee des Prologes finde ich sehr interessant und sollte der Adventskalender in dieser Richtung weitergehen, freue ich mich die nächsten Kapitel lesen zu können (ich muss jetzt nicht mehr darauf warten, wie die Mexxler im Adventsjahr).

Mfg
yugi-san

Von:  Schokokatze
2013-03-14T18:54:41+00:00 14.03.2013 19:54
Total lustig! Mir gefällt die Idee richtig gut. Vor allem ist Einsteins Zitat zu Beginn sehr treffend gewählt!
Von:  Schokokatze
2013-03-14T17:58:38+00:00 14.03.2013 18:58
Eine sehr schöne Idee! ^^ Es gefällt mir richtig gut, dass Tenten so viel Anerkennung erhält :)
Von:  _Otaku_
2013-01-09T02:26:15+00:00 09.01.2013 03:26
hab ich da moepse gehoer >:D ;) ! hoehoe lol
Von:  _Otaku_
2013-01-07T23:09:20+00:00 08.01.2013 00:09
aaaaw *-* <3
Von:  moonlight_005
2011-03-16T18:48:00+00:00 16.03.2011 19:48
So ich bin durch. Hoffe, dass ich jetzt noch alles auf die Reihe kriege. Insgesamt fand ich den OS ziemlich toll. Einer deiner besten würde ich sagen. Das Thema ist gut gewählt und du bist auf ziemlich tiefgehende Sachen eingegangen, wo wiederum der Titel ganz wunderbar rein gepasst hat.
Das Stilmittel mit dem Zeitungsausschnitt hat dem ganzen dann noch eine schöne abrundende Wirkung gegeben.
Das Setting ist auch interessant. Gladiatorenkämpfe und Tenten, die in ihrem Leben noch nie was anderes gesehen hat und deswegen nicht in der Lage ist Nejis Sicht zu verstehen. Als sie dann schließlich rausfindet, dass Neji Neji ist (^^"), hast du es sehr gut dargestellt, auch die Konfrontation seitens Tentens. Hier ist mir aufgefallen, dass du Neji und Tenten so dargestellt hast, dass sie sich wirklich sehr nah standen. Allgemein ist mir jetzt auber aufgefallen, das betrifft diesen OS jetzt nicht so sehr, dass du bei Beziehungen irgendwie immer eine gewisse Distanz zwischen den Charakteren wahrst. Ich weiß nicht, ob andere das genauso sehen wie ich, aber ich würde mir wünschen, wenn du diese Distanz durchbrechen könntest, sodass die Charaktere mehr über ihre Gefühle für den anderen sprechen oder zumindest denken. Wenn ich es mir recht überlege fehlt mir das immer ein bisschen. Klar, ich weiß, dass du nicht der Typ bist, der übertriebene Romantik schreibt, aber das wäre möglich, selbst, wenn man es nicht so damit hat. Bei diesem OS war es nicht so extrem wie bei anderen(längeren) Sachen, aber irgendwie ist es mir jetzt auf- und eingefallen. Tippfehler waren ein paar drin, aber das passiert ja jedem.

Ich hoffe, du kannst was damit anfangen. Ich mochte den OS sehr. Fast so sehr wie Winterkrieger und das soll schon was heißen ^^

hdl
moony
Von:  LilHeaven
2010-12-27T18:18:34+00:00 27.12.2010 19:18
Neji, du geiles Arschloch! >.<
Du bringst sie um? Mieses Schwein!

Ich hab mich so auf ein Happy End gefreut und am Ende der Geshichte denk ich nur noch:
"What the fuck...?" o_O

Aber es war auf jeden Fall spannend! ^^
Auch wenn es nicht eine von den Geshichten ist, die ein Happy End haben, so war es wert, sich das durchzulesen!

Daumen hoch! :D
Von: abgemeldet
2010-12-25T11:55:48+00:00 25.12.2010 12:55
Ein schöner OS, wirklich.Auch die Geschichte gefällt mir sehr gut.
Zwar konnte ich mir am Anfang denken, worum es so gehen wird, jedoch war wieder mit dem Ende nicht zu rechnen. Bekommst du jedesmal immerwieder schön hin.
Ich wünsche dir auch schöne Weihnachtstage und einen gelungenen Rutsch ins neue Jahr, in dem es hoffentlich wieder was von dir zu hören gibt ;D
liebe Grüße Konoichi-chan
Von:  LilHeaven
2010-12-24T14:43:46+00:00 24.12.2010 15:43
Awww~~~ <3
Wie süüüß °(>.<)°
Ich fands schon scheiße, dass er sie beim ersten Teil umgebracht hat, aber jetzt bin ich schon erleichtert ^^

Tolle Story *daumen hoch*
lg bubu


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