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Go Fast Be Good Have Fun

Wenn Träume wahr werden
von

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Prolog

Es war ein kalter, verschneiter Dezember Morgen, wie ihn das deutsche Mittelgebirge schon lange nicht mehr gesehen hatte, als, gestört von ihrem Wecker, das junge Mädchen aus ihrem Bettchen kroch. Wie jeden Schultag, machte sich die Abiturientin im Bad fertig, nahm je nach verbleibender Zeit ihr Frühstück zu sich und packte ihre Sachen, um sich ins Auto zu setzen und los zu fahren. Am Parkplatz erhielt sie, wie immer wegen ihres späten Erscheinens, nur einen Platz am hintersten Ende. Schnellen Schrittes lief sie an den Rauchern vorbei, welche ihre letzten Züge nahmen, bevor auch sie sich in den Schulstress stürzten. Den Geschi-Raum erreichte die junge Dame gerade in dem Moment, in dem der letzte Schüler schon die Türe hinter sich schließen wollte. Schnell schlüpfte sie noch durch den Spalt, grinsten dabei ihren Stufenkameraden an und bahnte sich ihren Weg durch den verengten Raum zu ihrem Platz im hinteren Bereich.
 

„Jule, Da bist du ja!! Ich dachte schon, ich müsste 2 Stunden Clemens ohne dich ausstehen.“, ertönte es neben der Angesprochenen, als diese sich lustlos auf ihren Stuhl plumpsen ließ.

Ihrer Stimmung entsprechend war auch die Antwort:

„Mhm.. Sag mal, was hatten wir nochmal auf?“

Ihre Nachbarin stöhnte nur auf und schüttelte den Kopf. Daraufhin blickte Jule in ihr gerade ausgepacktes Heft.

„Lesen.. what else? Ich hab's sogar gemacht“, kommentierte sie das Gelesene und grinste ihre Freundin an.

„Wie war's gestern bei Patrick?“, fügte sie, nun mit deutlich mehr Elan hinzu.

Ihr Gegenüber verdrehte die Augen.

„Frag nicht!!“.

„Cathy, ich versteh einfach nicht, wieso du dir das schon seit mehr als einem halben Jahr antust!!“ Nun musste auch Jule ihren Kopf schütteln. Bevor Cathy jedoch, wie immer bei diesem Thema, eine Diskussion anfangen konnte, begann die Lehrerin den Unterricht.
 

90 Minuten und eine vollgeschriebene Din-A4 Seite später begaben sich die beiden Freundinnen, das Briefgespräch fortführend, auf den Weg zur Pausenhalle, um sich mit den anderen zu treffen. „Und, hast du dich jetzt zu diesem Rennen in Winterberg angemeldet?“, fragte Cathy, die sich dem letzten Thema des vorangegangenen Tages entsann.

Jule hatte schon seit einigen Wochen überlegt, an einem kleinen, öffentlichen Rennen teilzunehmen. Es würde 1,5 Stunden Fahrt entfernt im hohen Sauerland stattfinden.

„ Ja..“, sagte eine rot-werdende Jule, „ verdammt!! Das wird so peinlich. Ich kann doch gar nicht Skifahren und ich hatte ja kaum Zeit mich wieder einzufahren und ich hab ja gar kein Training und meine Skier sind kurz und lahm und..“

„Ach Quatsch!!“, wurde sie von Cathy unterbrochen, als sie bei ihren Freundinnen aus den anderen Jahrgängen ankamen, „mach dich doch nicht fertig. Du fährst doch voll gut!“

„Sagte Cathy, die keine Ahnung vom Skifahren hat..“, war Jules Kommentar dazu.

Schließlich hatte sie Cathy erst letzten Monat gewissermaßen 'entjungfert', als sie ihre Freundin 2-mal mit zur – oh wunder, schon im November – geöffneten Skipiste schleppte.

„Sah aber trotzdem gut aus“, ließ sich Cathy nicht beirren. „ Außerdem kann's nur gut gehen, wenn ich dabei bin.“

Cathy konnte sich das Grinsen nicht verkneifen, als sie mit dieser guten Nachricht herausrückte. „WAS?! Du Sau!! Du kannst Samstag doch mit. Geil!“, brach es aus Jule etwas laut hervor, sodass sich einige Lehrer und Schüler zu der kleinen Mädchenclique umdrehten.

Danach integrierten sich die beiden in die üblichen Gespräche der anderen über Lehrer, Unterricht und sonstigen Schultratsch.
 

Am Ende der Pause trennten sich die Mädchen.

„Sag mal, du schreibst doch jetzt Klausur, oder?“, bemerkte Cathy.

„ Yes, English“, sagte Jule grinsend.

Das Fach lag ihr eigentlich, ohne, dass sie viel dafür lernen müsste. Trotzdem hatte sie sich gestern eine Fahrt zur Piste verkniffen und tatsächlich mal etwas für dieses Fach getan.

Die vierstündige Klausur überstand die junge Frau auch dementsprechend gut, war aber nach soviel Schreiberei froh, endlich nach Hause fahren zu können.
 

Den Nachmittag hielt es sie aber nicht zurück, schließlich hatte sie schon mit ihrem 'Trainer' ausgemacht, dass er ihr einen Kurs steckte auf der 500 Meter kurzen, flachen Piste. Als sie den Lift erreichte, wartete dieser schon ungeduldig auf sie.

„Hey, da bist du ja endlich!“, rief Dominik ihr schon entgegen. „Ich hab dir heute einen etwas anspruchsvolleren Slalom gesteckt. Schaffst du aber auch alleine, oder? Will auch noch ein paar Runden drehen und dann mit den andren ein Bierchen trinken“

„Ja, klar.“, meinte Jule, auch wenn es ihr besser gefiel, wenn sie jemanden hatte, der ihr sagte, was sie falsch machte.

Aber das Wort 'Trainer' war bei Dominik wahrlich übertrieben. Er hatte sich auf Jules Betteln hin dazu bereit erklärt, ihr Kurse zu stecken und hin und wieder ein paar Tipps zu geben. Dominik war selbst früher ein paar regionale Rennen gefahren und ein begeisterter Skifahrer. Doch wie jeder normale Mensch verbrachte auch er lieber seine Zeit damit selbst zu fahren, als anderen zuzuschauen und Tipps zu geben.
 

Die beiden kamen jedoch gleichzeitig zum Lift und so teilten sie sich einen Anker. Zunächst herrschte Schweigen, während Jule runter zu ihren und dann zu seinen Ski schaute. Bei seinem Vorjahresmodell eines Rennskis.

„Neid!!“, dachte die leidenschaftliche Skifahrerin.

Während sie die Längen verglich, kam ihr eine Idee.

„Sag mal, wie lang sind deine Ski eigentlich?“

„165, wieso?“, war die knappe Antwort des jungen Mannes.

Ihm war zwar aufgefallen, wie sehr sich die 19-Jährige im letzten Jahr gemacht hatte und musste sich in der Hütte auch die Kommentare der andren männlichen Wesen anhören, doch kannte er sie einfach schon zu lange und konnte sich eine Beziehung mit ihr auch schon wegen der entfernten Verwandtschaft nicht vorstellen. Nicki, ihr Cousin würde ihn umbringen.

Zumindest nahm er diese Gründe als Vorwand, denn in den letzten Wochen beim Fahren, hatte er sich doch mehr zu ihr hingezogen, als ihm recht war. Deshalb versuchte er auch mehr und mehr Distanz zu wahren.

Davon ahnte Jule jedoch nichts, sondern dachte, es wäre seine übliche Gleichgültigkeit ihr gegenüber.

„Hmm.. Dürfte ich sie mir eventuell nachher ausleihen, wenn du was trinken gehst?“, fragte Jule ihn hoffnungsvoll mit ihren unwiderstehlichen, grau-blauen Augen anblickend.

Der junge Mann musste bei diesem Anblick schlucken und hätte beinahe durch Skikreuzen einen Ausfall aus dem Lift verursacht.

„Ja, klar..“, brachte er abgehackt hervor.

Eigentlich wäre seine Antwort 'Nein' gewesen, denn es waren ja seine heiligen neuen Ski. Nun konnte er es aber nicht mehr zurück nehmen. Auch Jule war sehr überrascht von seiner Antwort, freute sich aber zu sehr, um sich Gedanken über die Gründe zu machen.
 

Als die beiden oben ankamen, wünschten sie sich noch ein knappes 'Ski heil' und fuhren getrennte Wege. Jule nutzte die erste Fahrt, um den Slalom zu besichtigen. Danach fuhr sie, ohne ein richtiges Einfahren den Kurs. Dominik hatte Recht gehabt, er war deutlich anspruchsvoller, als die letzten. Doch auch ihn schaffte sie auf Anhieb mit nur einem kleinen Wackler.
 

Eine Stunde lang fuhr das kleine Sportbündel den Kurs immer und immer wieder, jedes Mal enger und schneller fahrend. Beim gefühlten tausendsten Mal wartete Dominik mit einem verschlossenen Gesichtsausdruck auf sie.

„Was ist denn jetzt schon wieder?“, dachte der unschuldige Schützling.

„Wow“, brachte schließlich der Herr hervor, „ das war nicht schlecht!“

Um ehrlich zu sein war er geradezu begeistert von ihren Fahrten.

„Willst du jetzt mit meinen Ski versuchen?“, fragte er unnötiger Weise.

Natürlich wollte sie das, hatte sie doch den Plan, ihm diese für Samstag und Sonntag abzuschwätzen.

Schnell wechselte Jule die Ski, um sich schnellstmöglich an die Ski zu gewöhnen. Selbstverständlich gelang ihr dies im Kurs nicht sofort, doch sie machte schnell Fortschritte, was auch die Herrschaften in der Hütte bemerkten.
 

Als der Liftbetrieb stoppte, gesellte sich auch Jule zu der Runde. Zwar fühlte sich die kleine Dame nicht wohl dort, doch hatte sie noch eine Mission zu erfüllen:

„Ich brauch diese verdammten Ski, damit ich nicht komplett wie ein Vollidiot da steh.“, dachte sie für sich, als sie mit einer Tasse Kakao Platz nahm.

„Hey, dir gefallen meine Ski, was?“, bemerkte Dominik.

Doch bevor Jule antworten konnte ging ein Raunen durch die Runde.

„Du hast ihr nicht etwa deine Ski gegeben?!“, riefen einige der Herren.

„Doch. Sie fährt gut. Und sie musste doch auch mal was Vernünftiges fahren.“, verteidigte sich Dominik, der etwas rot geworden war.

„Chm..“, räusperte sich Jule, als wieder Ruhe eingekehrt war.

„Ich..“, begann sie in ihren Kakao schauend. „Ich wollte dich da um einen .. chmm.. nun ja.. um einen Gefallen bitten“, druckste das Mädchen herum.

Der Angesprochene legte den Kopf zur Seite und schaute seinem Gegenüber in die Augen.

„Ach ja? Und welchen diesmal?“

Darauf fasste das normalerweise weniger mundfaule Mädchen ihren Mut zusammen und kam zum Punkt.

„Ich wollte fragen, ob ich die Ski auch am Wochenende bekommen könnte. Mit meinen gewinne ich ja keinen Blumentopf.“

Bei dem Gedanken mussten die Herren am Tisch lachen, worauf das Mädchen etwas rot wurde. Allerdings eher vor Wut als vor Scham. Es konnte sich nun mal nicht jeder teure Ski leisten!! Ihr Blick fiel auf Dominik, der zu ihrer Überraschung nicht lachte, sondern ernsthaft darüber nachzudenken schien.

„Hmm.. Zugegeben, mir gefällt der Gedanke nicht, dir meine Ski für die 2 Renntage anzuvertrauen. Andererseits hast du Recht. Mit deinen kannst du unmöglich antreten. Und du warst gerade wirklich gut unterwegs.“, erklärte er ihr.

Langsam machte sich Hoffnung in der jungen Frau breit. Ein leichtes Lächeln zeichnete ihre Lippen.

„Ok, du bekommst sie.“, schloss der Mann. „Bring sie mir aber ja wieder heil zurück.“

Jule begann zu strahlen.

„Danke, du bist der Beste!“, sagte sie überschwänglich. „Bist du Freitag hier? Dann kann ich sie mitnehmen.“

So verlief sich das Gespräch dann und kurze Zeit später brach Jule noch immer strahlend auf.

Endlich Samstag... Verdammt!!!

Die Zeit bis zum Samstag verging schnell. Nachdem Jule in der Schule gewesen war, kam sie nach Hause um zu lernen und am Abend dann zur Skipiste zu fahren. So verlief jeder Tag, bis auf Donnerstag, wo sie lieber zum Fitnessstudio ging, anstatt zur Piste.

Die Nacht zum Samstag konnte das Mädchen vor Aufregung nur bedingt schlafen. Als sie sich dann morgens früh schlaftrunken fertig machte, fragte sie sich die ganze Zeit, warum sie sich das antat. Dominik hatte ihr zwar versichert, dass es schon gut gehen würde und sie wirklich Chancen hatte, nicht die Letzte zu sein, doch wollte die in solchen Fällen weniger selbstbewusste Jule das nicht so recht glauben. Beim Essen bekam die junge Frau keinen Bissen runter und ließ es somit auch ganz bleiben.
 

Um 7 Uhr holte das Mädchen dann ihre Freundin ab. Zu ihrer Überraschung war diese nicht allein. Auch Maarja, eine Freundin aus ihrer Mädchenclique stieg grinsend ins Auto ein.

„Ich darf doch?“, war die ironische Frage der Brünetten.

„Klar!!“, freute sich die Fahrerin.

„Dann ist Cathy nicht so alleine, wenn ich die Läufe hab.“, erklärte die junge Frau.

„Falls ich's überhaupt in den 2. Lauf schaffe.“, fügte sie kleinlaut hinzu und ließ somit ihre Aufregung durchblicken.

„Ach was! Das packst du schon!“, versicherten ihr die beiden Begleiterinnen und leiteten dann das Gespräch schnell zu anderen Themen, um ihre Freundin abzulenken.
 

Durch die Beschäftigung waren die anderthalb Stunden Fahrt auch schon schnell vorbei und bei Jule stieg wieder die Aufregung. Wie immer in solchen Situationen wurde sie ganz still und verschlossen und ließ sich von niemanden aufheitern. Selbst nicht, wenn diese Personen Cathy und Maarja waren. Diese ließen wirklich keine Gelegenheit aus, um die Aufmerksamkeit ihrer Freundin zu bekommen. Sie halfen Jule ihre Sachen zum Start zu bringen, sich anzumelden, zwangen sie, doch noch ein halbes Brot hinunter zu würgen, kamen mit zur Besichtigung (Jule war tatsächlich die einzige Starterin, die ohne Trainer sich den Kurs anschaute) und versuchten durch Witze über die anderen Starter und Besucher Jule etwas aufzuheitern.

Dies gelang ihnen nur bedingt und als sie sich von ihrer Freundin trennten, um das Rennen von unten aus zu verfolgen, machten sie sich doch etwas Sorgen, wie die eigentlich toughe Frau die Wartezeit ohne sie überleben sollte. Schnell machten sich die beiden auf den Weg und suchten sich ihren Platz.

„Was denkst du?“, fragte Maarja schließlich ihre blonde Freundin, „Meinst du sie hat 'ne Chance?“

„Klar!!“, antwortete Cathy in voller Überzeugung. Sie kannte ihre Freundin und deren starken Kampfgeist nur zu gut. Aber so ruhig und abwesend hatte sie ihre Freundin tatsächlich noch nicht erlebt.
 

Während die beiden weiter plauderten und die ersten Läufer beobachten, hockte Jule alleine neben dem Starthaus und wartete, dass sie endlich dran kam. Natürlich merkte sie die niederträchtigen Blicke einiger anderen Läuferinnen. Stören tat sich Jule aber nicht daran, schließlich hatte sie mit so etwas schon gerechnet. Stattdessen war ihre Aufmerksamkeit auf ein Gespräch neben ihr zwischen einer jungen Läuferin und ihrem Trainer gefallen.

„Bist du dir da sicher!?! Jetzt ohne Witz!? Oh my god!! Ich bin so aufgeregt. Hoffentlich hab ich einen guten Lauf.“, entfuhr es dem Mädchen mit weit aufgerissenen Augen.

„Nicht so laut! Ja, ganz sicher ist dort unten ein DSV-Scout. Die Frage ist nur, welchen Rang er hat. Talentscouts sind bei solchen Rennen ja in der Regel immer anwesend. Dieser scheint aber von Bedeutung zu sein. Allerdings weiß ich noch nicht, wer es ist. Beruhige dich aber, Lisa. Konzentriere dich lieber auf deinen Lauf.“, erklärte der ältere Herr.

Während dieses Mädchen, welches auf den Namen Lisa zu hören schien, schwieg, ihr aber immer noch die Unruhe anzusehen war, machte sich auch Jule ihre Gedanken.

„Oh Mann!! Das wird so peinlich...“, wodurch sie sich aber deutlich von denen ihrer 'Konkurrentin' unterschieden.

„Ach, reiß dich zusammen. Du bist hier doch eh nur zum Spaß, also genieß die Fahrt“, sagte Jule leise, aber bestimmt zu sich selbst und schon ging's ihr schon viel besser.

Es huschte sogar ein leichtes Lächeln über ihr Gesicht, als sie die anderen Fahrer beobachtete, die aussahen, wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen. Sie musste sich sogar zusammen reißen, dass sie nicht laut zu lachen anfing, als sie sich daran erinnerte, was die beiden anderen vorhin über gewisse Fahrer gesagt hatten. Nun konnte sie es kaum erwarten, auf die Piste zu kommen.
 

Als es endlich so weit war, packte sie ihre Ski und ging zum Starthaus.

„ Nummer 23?“, fragte sie der Startrichter mit Blick auf ihre Nummer.

Jule nickte nur. Erst jetzt bemerkte sie, dass es ihre Lieblingszahl war. Jetzt konnte es einfach nur gut gehen, dachte sie lächelnd, während sich der Herr wunderte, dass dieses Mädchen so ungewöhnlich locker war. Waren doch alle anderen Starter fast am durchdrehen.

„Das Mädel hat was..“, dachte er bei sich, als sie sich die Ski festschnallte und ihre Skischuhe schloss.

Dann war es endlich soweit. Sie spürte, wie sich nun dieses Kribbeln und der Druck in Brust und Kopf in ihr breit machte. Doch blieb sie die Ruhe selbst und als der Starter abzählte legte sich ein beseeltes Lächeln auf ihre zarten Lippen.
 

Mit all ihrer Kraft katapultierte sich die begeisterte Skifahrerin aus dem Starthaus. Schnell fand sie den Rhythmus, denn wie immer lag ihre volle Konzentration darauf, bei den Toren früh dran zu sein. Dadurch verhinderte sie zu hartes Kanten, welches einen Geschwindigkeitsverlust bedeuten würde, und sorgte für eine sichere Fahrt. Der Kurs, heute ein Riesenslalom, war schnell gesteckt und konnte rund gefahren werden, was der jungen Läuferin entgegenkam. Sie hatte sichtlich ihren Spaß und war überrascht, wie schnell sie das Ziel erreichte.

„Schade, wäre gerne noch länger gefahren“, dachte die Kleine. Wer auf die Durchsagen achtete konnte hören, dass sie einen 2. Lauf haben würde, denn sie reihte sich auf Position 3 ein. Jule bekam davon aber gar nichts mit und war der Überzeugung, dass ihr Lauf nicht gerade zu den Besten gehören dürfte. Schnell öffnete sie die Schnallen und stieg aus den Ski. Raschen Schrittes und mit breitem Grinsen machte sie sich auf den Weg zu ihren Freundinnen, die sie schon längst entdeckt hatte.
 

„DAS. WAR. SOOOOOOOO. COOL.“, brachte die glückliche Läuferin hervor. „ Danke, dass ihr mitgekommen seit!! Dafür dürft ihr jetzt aussuchen, was wir machen. Haben ja noch einen halben Tag Zeit.“, sprudelte es nur so aus ihr heraus, ohne dass sie bemerkte, wie sich die Mimen der beiden andren bei den letzten 2 Sätzen verzogen.

„STOP!!“, unterbrach schließlich Cathy, bevor Jule mit ihren Erzählungen von ihrer Wartezeit und dem Gefühlsleben während des Laufes beginnen konnte.

„Hast du nicht deine Zeit mitbekommen?“, fragte Maarja mit großen Augen.

Jule's Gesicht wurde starr. Darüber hatte sie sich keine Gedanken gemacht. Cathy war dies klar.

„Ist ja wieder typisch“, dachte diese für sich und erklärte dann ihrer Freundin:

„JULE!! Du bist Dritte. Und der Kommentator meinte, es dürfte keine bessere Läuferin mehr kommen. Wir werden also wohl oder übel hier bleiben müssen. Und du wirst wohl oder übel nochmal eine Fahrt runter bringen müssen. Wobei das dir bei deiner Begeisterung wenig ausmachen dürfte.“

Da war die Angesprochene baff.

„Ich.. Ich bin DRITTE?!“, stammelte sie.

„JA!!“, riefen die anderen beiden grinsend im Chor, sprangen auf und ab und umarmten die verblüffte Freundin.

Nun konnte Jule nicht anders, als los zu lachen. Sie hatte es geschafft!! Sie hatte einen guten Lauf runter gebracht. Breit grinsend freute sie sich wie eine Verrückte mit ihren Begleiterinnen, ohne zu bemerken, wie sie von jemandem Beobachtet wurde. Dann stockte das junge Mädchen.

„Aber wo muss ich denn jetzt hin? Über einen 2. Lauf hab ich mir gar keine Gedanken gemacht.“
 

Die Drei machten sich nun auf den Weg jemanden zu finden, der ihnen weiterhelfen konnte. Das war natürlich sehr peinlich. Da fährt so ein unerfahrenes Ding mitten unter die Favoriten und hat von nichts eine Ahnung! Doch die kichernden Mädchen hatten ihren Spaß. Es kannte sie ja keiner. Und woher soll man auch wissen, wie es nach dem 1. Lauf weiter im Programm geht.

„Konnte ich doch nicht wissen, dass die heute alle so beschissen fahren!!“, sagte Jule spitz.

Die beiden anderen brachen daraufhin in schallendes Gelächter aus. So gefiel ihnen ihre Freundin schon viel besser.
 

Sie setzten sich noch kurz in die Hütte, um 3 Portionen Pommes zu verschlingen und dann ging es auch schon zur Kursbesichtigung. Diesmal machte sich Jule auch mit den anderen beiden darüber lustig wie ernst und konzentriert sich die anderen Läufer den Kurs einprägten.

„Soo wichtig ist dieses Rennen doch auch mal wieder nicht.“, meinte die komplett lockere Drittplatzierte.

Damit hatte sie diesmal jedoch kein Recht. Mittlerweile hatte sich unter den Fahrern herum gesprochen, dass ein hohes Tier vom DSV anwesend war und wer dieses von sich begeistern konnte, hatte guten Grund sich Hoffnungen zu machen gefördert und in den C- oder gar B-Kader aufgenommen zu werden. Weder das, noch dass sie von genau diesem Herren beobachtet wurde, bekam Jule mit und konnte somit entspannt den Kurs abrutschen und sich dann von den beiden anderen verabschieden. Diese würden diesmal direkt unten bleiben.
 

Jule bahnte sich ihren Weg zum Lift, ließ sich dort auf einen Smalltalk mit ihrem Nebenmann, offensichtlich Trainer eines Skiteams aus der Gegend, ein und suchte sich, sobald oben angelangt, ein ruhiges Plätzchen. Da es diesmal nur 15 Starter gab, war die Wartezeit wesentlich kürzer und bald schon fand sich das gelassene Mädchen im Starthaus wieder, um sich bereit zu machen.

„Toller Lauf eben.“, lobte sie der Startrichter, welcher gefallen an diesem lebensfrohen Ding gefunden hatte.

„Hoffentlich sieht das auch Gerd.“, dachte dieser bei sich.

Mit Gerd meinte er keinen geringeren als Gerd Lauenbach, das DSV Mitglied, von dem alle sprachen und der ein guter Freund des Alpindirektors Wolfgang Maier war.

„Danke! War aber auch super gesteckt. Hoffentlich macht dieser genauso Spaß!“, plauderte Jule drauf los.

„Er ist etwas versetzter, aber dürfte machbar sein für dich.“, meinte der alte Mann, auch wenn er natürlich genau wusste, dass schon einige ihre Probleme hatten.

Er wollte sie aber nicht beunruhigen, dann würde sie es schon schaffen.
 

Er sollte Recht behalten. Bis auf ein paar Wackler fuhr das kleine Kraftpaket einen ordentlichen Lauf und baute ihre vorerst Bestzeit aus. Als die Fahrerin das hörte, konnte sie ihr Glück kaum fassen. Das war einfach der Wahnsinn. Sie hatte mindestens einen dritten Platz. Aufmerksam beobachtete sie die beiden letzten Fahrerinnen. Die im 1. Durchgang Zweitplatzierte legte einen sauberen, aber auf Durchkommen bedachten Lauf hin. Ihr Vorsprung schmolz dahin, doch blieben ihr im Ziel noch 13 Hundertstel.

Das war von der Spannung schon Weltcup-Niveau, was die Damen hier lieferten! Strahlend gratulierte Jule der Läuferin und wartete gemeinsam mit dieser auf die letzte Fahrerin. Diese machte einen schnellen, aber unkontrollierten Lauf und verpasste auf halber Höhe in einer schwierigen Kombination ein Tor. Gefrustet gab das Mädchen auf, welches Jule als diese Lisa erkannte. Dann realisierte die junge Dame erst:

Sie war Zweite. Silber! Siegerehrung!! Und das auch noch in ihrer eigentlich schwächeren Disziplin.

Sie konnte es kaum fassen.
 

Wie im Rausch durchlebte sie die nächsten 1,5 Stunden mit Beglückwünschungen, Siegerehrung, noch mehr Gratulationen, Foto und Gesprächen mit anderen Skibegeisterten, die alle genauso wenig, wie die Glückliche selbst, begriffen, wie diese 19-Jährige ohne jegliche Rennpraxis (wenn man mal das bisschen Grasski weg nimmt) Silber in einem relativ gut besetztem Feld holen konnte. Schließlich waren hier die besten Leute nördlich der Alpen am Start gewesen, wovon Jule zunächst gar nichts wusste, bis man sie aufklärte.
 

Nachdem sich die beiden Mädchen schon um 18 Uhr auf den Heimweg machten – Jule musste ja morgen schon wieder fit sein und hatte einen relativ langen Weg -, feierten die Meisten ein ausgelassenes Après-Ski-Fest.

In einer Ecke der Hütte saß, zusammen mit einigen anderen älteren Herren, wie z.B. dem Startrichter, Gerd Lauenbach und diskutierte mit den anderen über ihre Eindrücke. Wie allen gefiel auch ihm, was die junge Unbekannte geleistet hatte. Wenn sie morgen nochmal so fuhr, stand sie ganz oben auf seiner Liste und dann durfte keine Zeit verschwendet werden, sie in die internationalen Wettkämpfe zu bringen.

Doch von all dem hatte Jule keine Ahnung, als sie am Abend nach einem kurzen Telefonat mit Dominik totmüde ins Bett fiel.

Juhuuu... Zum Slalom mit 'Trainer'

Der nächste Morgen brach an und Jule erwachte mit einer deutlich besseren Laune, als am Vortag. Und das, obwohl sie heute eine Stunde früher aus den Federn musste. Leise summend und die Lieder aus dem Radio mitsingend, schmierte sie sich ihre Brote für den Mittag und aß sogar eine kleine Schale Müsli.

Dann machte sie sich auf den Weg ins Nachbardorf, wo ihre beiden Freundinnen übermüdet und in der Morgenfrische bibbernd auf die Chauffeurin warteten.

„Wir bekommen Zuwachs“, verkündete Jule zur Begrüßung den beiden.

„Dominik kommt auch mit“, strahlte das Mädchen.

Wenigstens würde sie heute etwas professioneller wirken, wenn sie mit jemandem auftauchte, den man annähernd als Trainer bezeichnen konnte. Die beiden Freundinnen brauchten jedoch etwas, um das Gehörte zu verarbeiten. Dann riefen beide im Chor:

„Was?! ECHT?“

„Ja!!“, strahlte Jule sie an, froh, dass ihre Freundinnen endlich aufwachten.

„Dann lernen wir den Herrn ja endlich mal kennen!“, meinte Cathy, denn weder sie, noch Maarja hatten je die Ehre gehabt den jungen Mann kennen zu lernen.

Lediglich aus Jules knappen Erzählung wussten sie, dass er recht passabel aussah, gerne Party machte, leidenschaftlich Ski fuhr und, als Sohn des Cousins von Jules Tante, mit ihr entfernt verwandt war.
 

Schon erreichte der Wagen die Nachbargemeinde und Dominik gesellte sich zu den Mädels. Als er einstieg dachte er nur bei sich:

„Oh Gott!! Mit 3 gut gelaunten Mädchen den Tag verbringen. Was hab ich mir nur angetan.“

Doch ließ er sich schon bald von ihren Gesprächen mitreißen, die sich überwiegend um den gestrigen Tag drehten.
 

Bis die Truppe ihr Ziel erreichte, war Dominik bestens informiert über alles, was gestern abgelaufen war. Nur eine winzig kleine Tatsache fehlte, die ihm Jule beim abstellen des Wagens eröffnete. „Ach ja, und die machen sich alle fertig, weil irgend so ein Typ vom DSV zuguckt.“, erwähnte das ahnungslose Mädchen nebenbei.

„Ach?“, fragte ihr 'Trainer', „Du weißt nicht zufällig den Namen?“

Da mussten die drei Mädchen lachen, wie wenig der Herr doch über Jule wusste. Sich Namen zu merken gehörte nicht gerade zu ihren Stärken, um es gelinde auszudrücken. Das Mädchen konnte froh sein, wenn sie sich an ihren eigenen erinnerte! Maarja, die in dieser Hinsicht das komplette Gegenteil von Jule war, erbarmte sich des verdutzt drein schauenden Mannes:

„Irgend so ein Gerd Lauenbach.“.

Darauf hin erstarrte Dominik und schaute sie und dann Jule mit großen Augen an.

„WAS?!“, entfuhr es ihm.

Ihm war zwar von vornherein klar gewesen, dass dieses Rennen ein nicht gerade uninteressantes Starterfeld aufwies, aber dass ein Gerd Lauenbach zuschaute hätte er nicht gedacht. Dominik war nämlich, im Gegensatz zu den Mädchen, der Name bekannt. Hatte er doch selbst einmal die Ehre gehabt ein Rennen zu bestreiten, wo dieser Herr anwesend war. Leider hatte Dominik damals, vor 3 Jahren, einen Einfädler im 1. Lauf.

„Dir sagt der Name etwa was?“, fragte Jule überrascht.

„Selbstverständlich! Er ist einer der bekanntesten Scouts und es heißt, er wäre gut mit Maier befreundet.“, erklärte ihr ihr 'Trainer'.

„Der Name dürfte dir doch wenigstens was sagen, oder?“, fragte Dominik extra nochmal nach. „Hermann Maier oder dieser Maier vom DSV?“, fragte Jule,einen auf unwissend machend, nach. „Wolfgang Maier natürlich!“, fauchte sie Dominik kopfschüttelnd an, als sie mittlerweile die Anmeldung erreichten.
 

Als dort alles geklärt war – Jule durfte sich wieder glücklich schätzen ihre geliebte Nummer 23 tragen zu dürfen – machten sich die Drei auch schon auf den Weg zur Kursbesichtigung. Der Slalom erwies sich als komplizierter als der Riesenslalom, weshalb Jule die Besichtigung etwas ernster nahm, zumal auch Dominik dabei war und er gewiss davon marschieren würde, wenn sie zu sehr rumalberte.
 

Ihre beiden Freundinnen blieben danach wieder unten, um das Rennen zu verfolgen. Langsam fanden sie ihre Freude daran. Dominik kam hingegen mit zum Start und meinte Jule mit gefühlten zehntausend Wiederholungen des Kursverlaufes nerven zu müssen. Irgendwann platzte dem Mädchen dann auch der Kragen.

„Es reicht!! Ich weiß alle Besonderheiten und es macht mich wahnsinnig, sie ständig runter zu rattern.“, erklärte sie ihrem Begleiter in einem etwas zu lautem Ton, weshalb sich schon einige zu den beiden umdrehten.

„Ach, Dominik! Du hier?“, fragte einer der Umstehenden und ersparte Jule somit eine Diskussion.
 

Stattdessen packte sie ihren Mp3-Player aus. Heute konnte sie ihn ja mitnehmen, da Dominik ihn während des Laufes aufbewahren konnte. Das Mädchen ließ die beiden Herren alleine und verkroch sich irgendwo in eine Ecke, um abzuschalten. Dies gelang ihr auch ganz gut, bis Dominik zu ihr trat und ihr die Stöpsel aus den Ohren nahm.

„Du solltest dich so langsam fertig machen.“, verkündete er ihr mit Blick auf die Uhr.

Ein Nicken war die knappe Antwort seines Schützlings.

Bis zu dem Moment, als die Läuferin vor Jule startete sprachen die Dominik und sie kein Wort. „Viel Glück dann“, brach Dominik schließlich das Schweigen.
 

Wenig später fand sich das Mädchen dann auf der Piste wieder. Mitten in einem schnell drehenden Kurs, der diesmal wirklich alles von ihr abverlangte. Ihren Plan, wieder bei jedem Tor früh dran zu sein durchkreuzten 2 Wackler schon direkt am Anfang. Um nicht aus dem Kurs zu fliegen, mussten schnelle Wechsel her und die Läuferin fiel wieder in ihre gewohnte Rücklage. Irgendwie überstand sie dann aber doch die Fahrt, die ihr wie eine halbe Ewigkeit vor kam. Diesmal lauschte sie den Worten des Kommentators:

„Mit fiel Kampfgeist schafft es die Silbermedaillengewinnerin von gestern ins Ziel. Ihre Zeit: 41,05. Damit reiht sie sich auf Rang 5 ein. Nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass das Mädchen keine Rennerfahrung hat. ...“
 

Zufrieden mit ihrer Zeit begab sich Jule auf den Weg zu ihren Freundinnen. Doch gerade, als sie diese in der Menge entdeckt hatte, stellte sich ihr jemand in den Weg.

„Was will dieser seltsame Mann von mir??“, fragte sich das Mädchen, während sie von oben bis unten gemustert wurde, was ihr sehr unangenehm war.

„Du bist Jule, oder?“, fragte sie der Herr.

„Wieso?“, war ihre dreiste Gegenfrage. Was ging es diesen Kerl an, ob sie Jule hieß, oder nicht! Sie wollte einfach nur zu ihren Freundinnen, nachdem sie jetzt schon viel zu lange von eben diesen getrennt war.

„Du gefällst mir.“, gab der Mann von sich, aus ihrer Reaktion schließend, dass sie Jule sein musste. Das Mädchen zog die Augenbraue hoch und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ach ja?! Ich kann auf einen notgeilen, alten Mann aber gerne verzichten! Darf ich jetzt zu meinen Freundinnen.“, sprach Jule offen heraus, was sie dachte und quetschte sich an dem Kerl vorbei. „Ok, alt war vielleicht übertrieben.“, dachte sie noch bei sich, als sie endlich die beiden andren Mädchen erreichte.
 

„Boah.. Was denkt der Kerl sich eigentlich!?“, schnaubte das wutentbrannte Mädchen drauf los.

„Wer?“, fragten Maarja und Cathy gleichzeitig.

„Dieser Kerl dahinten!! Stellt sich einfach vor mich, will meinen Namen wissen und erklärt mir, dass ich ihm gefalle. Ich glaub es hackt!“, ließ Jule ihrem Ärger weiter freie Bahn.

In diesem Moment erreichte Dominik schon die Mädchen und bekam gerade noch die letzten 2 Sätze.

„Von wem sprichst du?“, fragte der Brünette verwundert.

„Das Arsch dahinten. Moment der mit...“, brach Jule ihre Erklärung ab.

Ihr Blick war auf die Rückenaufschrift der Jacke des Mannes gefallen: DSV.

„Oh.. my..“, flüsterte sie nur.

„Dann hat dich der Lauenbach tatsächlich angesprochen?“, fragte Dominik begeistert. Er hatte gar nicht die Miene des Mädchens mitbekommen.

„Jule!! Was hast du dem gesagt?“, wollte Cathy bestürzt wissen. Schließlich waren ihr Jules nicht gerade höflichen Antworten bekannt, wenn ihr jemand dumm kam.

„Das mich so ein notgeiler, alter Mann nicht interessiert.“, gab das geschockte Mädchen kleinlaut von sich.

„DU HAST WAS?!“, schrie ihr 'Trainer' nahezu.

„Das ihr Mädchen auch immer alles auf euer Aussehen beziehen müsst.“, fügte er dann kopfschüttelnd hinzu.

„Tss.. mal ehrlich, wenn der Kerl auch nicht sagen kann, was genau er meint! 'Du gefällst mir.' ist doch kein Wunder, wenn man da was falsches versteht.“, gab Maarja ihre Meinung von sich.

„Stimmt allerdings!“, pflichtete ihr Cathy bei.

Jule hingegen war in Gedanken versunken.

„Wie kann ich das nur wieder gut machen?“, flüsterte sie leise.

„Gar nicht.“, antwortete Dominik knapp. Sie hatte schließlich ihre Chance vertan.

„Sagt mal,“ sprach er stattdessen zu Cathy und Maarja, „wollt ihr nicht diesmal hoch zum Start? Ich würde gerne den 2. Lauf beobachten.“

Cathy schaute zu Maarja und zuckte mit den Achseln.

„Hmm.. Klar, ich denke schon.“, gab Cathy als Antwort.

Maarja hingegen nickte nur.
 

Die Gruppe machte sich dann auf zum Essen und schon bald war der Vorfall erst einmal vergessen. Danach gab es wieder den schon bekannten Ablauf:

Kursbesichtigung, Warten, Fahrt.

Diesmal lag letztere der Läuferin besser und sie kam mit großem Vorsprung ins Ziel. Dort gesellte sich ein breit grinsender Dominik zu ihr.

„4 Sekunden!!“, rief Jule ihm entgegen.

„Wahnsinn!“, pflichtete Dominik ihr bei, „Das war eine geniale Fahrt. Lauenbach und Neureuther waren begeistert.“

„Bitte was?“, entfuhr es der jungen Frau, „Neureuther? Welcher?“

„Felix“, grinste Dominik, „Er ist zusammen mit Lauenbach hier. Die Herren haben dieses Wochenende Speeddisziplinen, welche der Felix ja nicht fährt.“

„Und woher weißt du das? Also das sie begeistert waren?“, wollte Jule wissen.

„Nunja.. Ich stand neben den beiden und wir sind auch ins Gespräch gekommen.“, erklärte der junge Mann lächelnd.

„Lauenbach fragte, ob du immer so vorlaut wärest.“, fügte er grinsend hinzu.

Das Mädchen vergrub darauf hin ihr Gesicht in den Händen.

„Oh nein!“, rief sie aus, „Was muss der nur von mir denken?“

„Du gefällst ihm immer noch.“, neckte Dominik sie mit seiner Wortwahl.
 

Während dessen war auch die letzte Starterin im Ziel.

„Wow.. Sieh nur! Ich bin Erste!“, packte Jule Dominik am Ärmel und deutete auf die Anzeigetafel.

„Glückwunsch!“, rief der Mann und umarmte seinen Schützling überschwänglich.
 

Wenig später kamen auch Cathy und Maarja unten an. Die Zeit bis zur Siegerehrung verging schnell. Heute waren Lauenbach und Neureuther diejenigen, die den ersten Drei gratulierten und die Pokale überreichten. Als Lauenbach ihr eben diesen übergab, wurde sie knall rot.

„'Tschuldigung“, murmelte sie.

Doch der Mann gluckste nur.

„Schon gut. Du bist super gefahren.“, sagte er schmunzelnd.

Dann musste er schon Felix Neureuther Platz machen. Jule konnte ihr Glück nicht fassen. Felix Neureuther! Hier in Winterberg! Bei dem Rennen, was sie gewonnen hatte!

Strahlend nahm sie seine Glückwünsche entgegen. Auch Felix musste breit grinsen. Natürlich hatte ihm Gerd von der Begegnung erzählt.

„Nun ja. Schlecht sieht sie ja wirklich nicht aus.“, dachte er bei sich.
 

Später ließen sich Jule, Dominik, Maarja und Cathy doch noch dazu herab in der Hütte den Sieg zu feiern, obwohl die Damen eigentlich gerne nach Hause wollten. Dominik schwatzte Jule dann auch ein Bier zur Feier des Tages auf. Somit würde Maarja die Fahrt nach Hause übernehmen, da Cathy sich schwer tat, mit fremden Autos zu fahren.

Es dauerte nicht lange, da gesellten sich Felix und Gerd zu der Truppe.

„Na, feiert ihr denn schön?“, fragte Felix strahlend.

„Klar“, antworteten die vier.

Herr Lauenbach grinste derweil Jule an. Dann sprach er endlich aus, was ihm schon die ganze Zeit auf dem Herzen lag:

„Seh ich denn wirklich so notgeil aus??“, fragte er offen heraus.

Alle prusteten los. Nur Jule blieb ernst. Ihr war das ganze nun sehr peinlich.

„Nein, aber..“, begann sie, „Ich weiß auch nicht, was ich in dem Moment gedacht hab. Es tut mir wirklich so so leid.“

„Naja.. Gerd muss sich auch wirklich ungünstig ausgedrückt haben,“ meinte Felix.

„Ja, allerdings. Nunja, weshalb wir eigentlich hier sind. Hättest du Gefallen daran, öfters an Rennen teilzunehmen?“, fragte Herr Lauenbach gerade heraus.

Die Herren hatten nicht mehr so viel Zeit und Dominik hatte ihnen schon viel über Jule erzählt, zumindest was das Skifahren betraf.

„Ehmm.. ja, schon.“, meinte das verplüffte Mädchen.

„Gut, wir müssen nämlich bald schon los und würden uns dann bei dir melden, um weiteres abzusprechen.“, erklärte ihr Lauenbach, „Könntest du mir deine Adresse aufschreiben?“

„Klar“, antwortete Jule, fragte am Tresen nach Stift und Zettel und gab sie ihm bereitwillig.

„Danke“, sagte Lauenbach.

Man verabschiedete sich dann und kurz darauf machten sich auch die Vier auf den Heimweg.

Back to reality! oder doch nicht?

Die folgende Woche verlief für Jule und ihre Freundinnen recht stressig, befanden sich die Schüler der Jahrgangsstufen 12 und 13 doch in der Klausurenphase. Zudem litt Jule unter enormen Schlafmangel und so hatte sie auch schnell das vergangene Wochenende verdrängt.
 

Erst am Freitag in der 2. großen Pause, als alle Klausuren für diese Woche geschrieben waren, sprach Cathy wieder das Thema an:

„Sag mal Jule... Hat sich dieser Lauenbach eigentlich bei dir gemeldet?“, wollte die Abiturientin von ihrer Freundin wissen.

„Von wem? Ach, dieser Talentscout. Nein, hat er nicht. Die haben mich doch bestimmt wieder vergessen und ich bin zu alt und überhaupt wahrscheinlich nicht gut genug.“, plapperte Jule drauf zu.

„Hmm.. finde ich aber schon seltsam. Er war doch ganz angetan, um nicht zu sagen begeistert.“, pflichtet Maarja Cathy bei.

„Naja, jetzt kümmere ich mich erstmal um meinen Abschluss. Und dann muss ich auch sehen, wie das mit den Niederlanden klappt. Heerlen war ja schon cool. Die Uni zumindest,“ erklärte Jule, welche vorhatte an der Hogeschool Zuyd Physiotherapie zu studieren und deshalb mit ihren Freundinnen diese im November besichtigt hatte.

„Stimmt“, bestätigte Cathy, „und unseren Urlaub nach Spanien müssen wir auch noch planen.“

„Also ich weiß nicht, wie das bei mir klappt.“, sagte Maarja betröppelt drein schauend,

„Ich mein: Ihr müsstet wegen mir erst in den Ferien fahren und dann ist das ganze so teuer. Und ich weiß nicht, was wir die Ferien vor haben.“

„Hmm, stimmt. Das ist echt doof.“, sah Jule ein. „Und in den Ferien müsste ich dann wahrscheinlich schon nach Holland, um das mit einer Wohnung zu klären, evtl. doch noch 'nen Sprachkurs zu machen und überhaupt schon etwas Gefühl für's Niederländische zu bekommen.“

„Ach kommt, irgendwie müssen wir doch eine Lösung finden!“, rief Cathy aus.

Ihr passte der Gedanke nicht, ihre Freundin ausschließen zu müssen. Immerhin wollten sie doch alle zusammen nach Madrid, um dort ihre Traumtypen zu treffen! Zumindest fast Traumtypen im Falle von Jule und Cathy. Trotzdem würden die beiden Iker Casillas und Fernando Torres nicht von der Bettkante stoßen. Nun ja, dass waren natürlich nur der Mädels Traumvorstellungen. Selbstverständlich ging es den Freundinnen um die wunderschöne Stadt, dass tolle Klima und die vielen Sehenswürdigkeiten.
 

An diesem Tag kamen die Mädchen jedoch zu keiner Lösung und so ging der Schultag schleppend zu Ende. Ausgelaugt von der Woche kam Jule nach Hause, wo sie zu Mittag aß. Gerade schob sie sich den letzten Löffel Joghurt in den Mund, da ging das Telefon.

Wer die junge Frau beobachtete, konnte erkennen, wie sich ihre Augen weiteten und ihr Mund sich leicht öffnete.

„Hmm.. hmm... ja, klar.. und wo genau?.. und die Fahrt ist schon organisiert?.. Aha.. ja, kein Problem,... Ich freu mich.“, gab das Mädchen von sich.

Mittlerweile hatten sich auch ihre verwundert drein blickenden Eltern vor ihr postiert. Als Jule endlich auflegte, wich die Verblüffung einem Lächeln.

„Ich wurde zu einem Trainingscamp eingeladen. Dieses Wochenende. Oh Mann, ich muss noch so viel vorbereiten!!“, rief Jule aus und wollte schon in ihr Zimmer flitzen, als sie nochmal inne hielt.

„Ich darf doch? Bitte, bitte, bitte...“, flehte sie ihre Eltern an.

Diese überhäuften sie natürlich sofort mit Fragen, wo das denn wäre und wie sie dahin käme und und und. Doch als Jule alle Antworten zu ihrer Befriedigung gab, gestatteten sie ihr die Teilnahme.
 

Sofort sprintete das Mädchen hoch in ihr Zimmer, um alles zusammen zu packen. Dies geschah in einer, für ihre Verhältnisse, Rekordzeit. Nur 2 Stunden nach dem Telefonat saß Jule im Zug, auf dem Weg nach München, von wo aus sie ihre Reise in die Alpen mit einem Bus fortsetzen würde.
 

Erst spät abends kamen die Campteilnehmer in Kitzbühel an. Der Abend verlief noch sehr entspannt, indem sich die jungen Leute Kennenlernspielchen zu unterziehen hatten und es dann eine kleine Einweisung in das Programm gab.

Um 23 Uhr fielen dann alle müde in ihre Betten.
 

Am nächsten Morgen war frühes Aufstehen angesagt. Nach dem Frühstück ging es in kleinen Gruppen direkt auf die Pisten, wo die Trainer den Trainingsstand ihrer Schützlinge feststellen wollten.

Jule, die vor Aufregung die Nacht schlecht hatte schlafen können, fiel zu ihrer eigenen Überraschung nicht ganz so schlecht auf, wie zu erwarten war. Zwar hatte sie schon einige Mängel im Vergleich zu anderen Fahrern, aber vor allem ihre Kraft und ihr Wille beeindruckten den Trainer.
 

Bis zur Mittagspause verbrachte man die Zeit mit allgemeinem Techniktraining. Während des Essens wurde sich dann unter den Gruppen ausgetauscht, was gemacht wurde und man holte sich von den anderen Tipps, wie man gewisse Sachen verbessern konnte.

Jule kam recht gut klar und das, obwohl sie als Mitteldeutsche eine klare Außenseiterin unter den ganzen Bayern war. Schnell hatte sie sich in die schnatternde Masse integriert. Immerhin hatten alle schon eine große gemeinsame Leidenschaft: Ski fahren.

Viele der Teilnehmer waren jedoch jünger als Jule, aber diese war das schon vom Grasski gewohnt und machte sich somit herzlich wenige Gedanken, ob ihr gegenüber jetzt 15, oder 19 Jahre war. Es war sogar sehr erfrischend, mit den Jugendlichen sich auszutauschen, denn so fühlt man sich selber nochmal etwas jünger.
 

Nach dem Mittagessen ging es wieder auf die Piste und diesmal kamen die Stangen zum Einsatz. Jetzt war Jule voll in ihrem Element, lag es ihr doch um einiges mehr, durch einen gesetzten Kurs zu fahren, anstatt trockene Übungen zu absolvieren. Dies bemerkte auch der Trainer und vermerkte sich ihre Leistung, um sie am Abend bei der Trainersitzung anzusprechen.

Davon ahnte Jule aber noch herzlich wenig, hatte sie doch einfach nur ihren Spaß mit ihren 2 Brettern, diesmal nagelneue Rennski, welche jeder Teilnehmer geliehen bekommen hatte, über das weiße Element zu gleiten.

Viel zu schnell verging die Zeit bis zum Abend, an dem sich die Fahrer zusammen setzten, um ihre Anekdoten zu erzählen, während die Trainer ihre Leistungen besprachen.
 

Am nächsten Morgen ging es nochmal auf die Piste. Diesmal fuhren alle zusammen und die Trainer steckten einen Kurs für ein kleines, abschließendes 'Rennen'. Als fünftplaziertes Mädchen war Jule zufrieden mit ihrer Leistung. Anschließend wurden die Schützlinge ihrer Leistung entsprechend in Gruppen eingeteilt.

Jule erwartete nicht viel, machte sie sich doch herzlich wenige Hoffnungen, dass aus ihr noch eine große Skifahrerin würde. Nun ja, groß schon mal gar nicht, mit ihren 1,65m.

Doch der Trainer erklärte der Gruppe, dass sie alle Recht gute Leistungen gebracht hätten und sich der DSV freuen würde, wenn sie an internationalen Juniorenrennen teilnehmen würden. Dies sei auch bei Jule, trotz ihres schon recht fortgeschrittenen Alters möglich. Alle erhielten einen Terminkalender für die Saison und Anmeldeformulare für die nächsten Rennen.
 

Dann ging es zum Mittagessen, auf welches die Heimreise folgte. Auf dieser schaffte es Jule sogar ihre Hausaufgaben einigermaßen ordentlich zu erledigen. Am späten Abend kam sie dann völlig erschöpft zu Hause an und fiel tot ins Bett.
 

Montagmorgen, 6:30 Uhr krabbelte Jule aus ihrem Bett, um sich für die Schule bereit zu machen. Nach 2 schweren Stunden Deutsch, freute sie sich schon darauf, ihren Freundinnen von ihrem ungewöhnlichen Wochenende zu berichten.

Diese staunten nicht schlecht, als Jule ihnen von dem Programm und der Einladung zu internationalen Rennen erzählte.

„Hey, es sind nur Juniorenrennen. Nichts Großes. Kommt wieder runter“, beschwichtigte sie die anderen Mädchen.

„Aber immerhin werde ich schon nächstes Wochenende in die Schweiz fahren dürfen.“, ergänzte Jule freudestrahlend.

„Wow, immerhin.“, ließ sich Cathy nicht beirren.

„Ich könnte sogar nach Japan“, grinste Jule ihre Freundin an, welche schon seit langem für dieses Land schwärmte.

„WAS?! Will auch!!“, brach es aus Cathy heraus.

„Vielleicht könnte ich dich als meinen persönlichen Coach mitnehmen.“, scherzte Jule und wechselte dann das Thema. Ihr war nämlich ein Einfall gekommen, wie sie doch zu dritt nach Madrid fliegen konnten.

„Wir haben Christi Himmelfahrt doch wieder fast die ganze Woche frei, wieso fahren wir nicht dann?“, fragte sie ihre Freundinnen.

Denen fiel es wie Schuppen von den Augen. Warum hatten sie nicht schon vorher daran gedacht? Es war doch so logisch.

„Ich müsste mich dann nur 2 Tage entschuldigen, was eigentlich kein soo großes Problem darstellen dürfte“, bemerkte Maarja, die sich insgeheim schon überlegte, wie sie ihre Eltern überzeugen sollte.

Obwohl sie schon 18 war, war es auch bei ihr der Fall, dass die Eltern in solchen Angelegenheiten immer noch das Sagen hatten.

Schon ging die Pause ihrem Ende zu und die Mädchen machten sich auf den Weg zu ihren LKs.
 

Die letzten 2 Wochen bis zu den Weihnachtsferien vergingen für Jule wie im Flug. In der Woche packte sie zunächst der Alltagsstress mit den letzten zu schreibenden Klausuren. An den Wochenende ging es in die Alpen zu Rennen, welche recht gut verliefen. Mittlerweile hatte Jule Dank des DSVs von einer Skifirma Material gestellt bekommen. Somit hatte sie, zumindest was das anging, keinen all zu großen Nachteil den anderen Startern gegenüber.
 

Und dann waren sie endlich da, die Ferien.

Oh du schöne Weihnachtsferienzeit!

Weihnachten verlief für Jule wie immer. Ihre große Schwester kam nach Hause, es wurden Plätzchen gebacken, der Weihnachtsbaum geschmückt und Weihnachtslieder gesungen. Am Heilig Abend ging man gemeinsam in die Kirche, um danach zu Abend zu essen und dann mit der Bescherung zu beginnen. Für Jule gab es dieses Jahr jedoch nicht all zu viel, da es ihr Wunsch war, bei den Rennen zumindest seelisch unterstützt zu werden. Ihre Eltern konnten es sich leider nicht leisten, sie zu begleiten, jedoch war es für Jule eine große Erleichterung nicht, wie erwartet, jede einzelne Rennteilnahme erstreiten zu müssen.

Somit gestatteten sie ihr nun tatsächlich nach Japan zu fliegen und Jule hatte es sogar organisieren können, dass Cathy mit ihr kommen durfte.

Deshalb wurde die besinnliche Zeit auch mit Kofferpacken überschattet.
 

In der Nacht zum Freitag saßen die 2 Freundinnen dann endlich im Flieger. Die Zeit bis zur Landung verbrachten sie überwiegend damit, hilfreiche Sätze auf Japanisch zu lernen. Das amüsierte die beiden sehr, war doch die Aussprache recht ungewohnt. Wenn Jule und Cathy mal nicht Japanisch lernten, plauderten sie einfach so, aßen, oder beschäftigten sich damit, sich auf ihr Abitur vor zu bereiten.

Dann setzte das Flugzeug endlich zur Landung an. Als Jule und Cathy zum ersten Mal japanischen Boden betraten, kniffen sie sich, konnten sie doch kaum wahr haben, dass sie wirklich hier waren. Dann wurden Fotos geschossen.

Als das erledigt war kam das große Problem. Wie findet man sich am Flughafen von Sapporo zurecht?

Zunächst liefen die kichernden Mädchen den anderen Fluggästen hinterher, um zur Gepäckausgabe zu kommen. Danach ging es auf mehr oder weniger direktem Weg, die jungen Damen verliefen sich nämlich, zur Information, um raus zu bekommen, wie sie zu der Bushaltestelle gelangen konnten, wo ein Bus für sie und andere Rennteilnehmer bereit stand.

Dieses Gespräch war dank des schlechten Englisch der netten Dame am Service-Point noch einmal eine Erfahrung für sich und nahm deutlich mehr Zeit in Anspruch, als erwartet. Doch auch dieses Problem meisterten Jule und Cathy mit Humor und gelangten doch noch rechtzeitig zum Bus. Sogar mit einem kleinen Umweg über die Toilette und einem Imbiss.
 

Als sie den Bus erreichten, lachten die Mädchen immer noch über die Versuche, heraus zu bekommen was für Essen der Imbiss verkaufte. Schließlich hatten die 2 sich für Reis mit Gemüse und Hähnchen, das wie sie hofften auch wirklich von einem Huhn stammte, entschieden.

Im Bus erwartete Jule und Cathy eine bunt gemischte Gruppe aus allen Ländern der Welt. Da die anderen deutschsprachigen Rennläufer den beiden Mädchen etwas eingebildet schienen, gesellten sie sich zu Mädchen und Jungen aus Neuseeland und Australien, welche sich als sehr aufgeweckte Leute heraus stellten.
 

Etwas mehr als 2 Stunden später erreichte die Truppe ihr Ziel Furano. Dort bezogen die jungen Leute ihr Quartier. Während einige, darunter vor allem die Österreicher, ihren Abend mit Training verbrachten, zog es Jule, Cathy und einige andere in den hübschen, ihnen noch fremden Ort.

Erst später am Abend kamen sie wieder zurück in die Herberge. Dort waren Jule und Cathy mit ihren neuen Freunden aus Neuseeland und Australien auf einem Zimmer. Nach einer guten Stunde fröhlichen Beisammensein, ging's für alle ins Bett.

Den nächsten Morgen kroch Jule als Erste im Zimmer aus dem Bett. Zunächst zog es die junge, neugierige Frau ans Fenster, um den schönen Blick auf die Berge zu werfen. Aber zu ihrer leichten Enttäuschung war diese Aussicht mit 'Arbeit' verbunden, musste Jule doch zunächst den Reif von der Scheibe kratzen. Als diese einigermaßen frei war fiel der Blick des Mädchens jedoch nicht zum Berg, sondern zu den Leuten, die schon um 6 Uhr morgens ihre gymnastischen Übungen in der Kälte absolvierten.

„Oha!“, dachte sich Jule, „Man kann's auch übertreiben. Wenn ich das machen müsste, würde mir doch der ganze Spaß vergehen.“

Danach machte sich Jule in aller Ruhe fertig. Als sie zum Frühstück aufbrach, waren auch schon die anderen bereit und gemeinsam ging man mit etwas mulmigen Gefühl in den Essenssaal. Schließlich wussten die jungen Leute nicht, was sie bei einem japanischen Frühstück erwartete.

Doch schon beim ersten Blick auf die Essensauswahl wurde die kleine Gruppe beruhigt. Bei dem Frühstück handelte es sich um gewohntes Herbergsessen: Brot, Eier, Marmelade, Honig, 'Möchte-gern-Nutella' und verschiedene Aufschnitte.

Gierig stürzten sich die Freunde auf das Essen, merkten sie doch plötzlich, wie hungrig sie wirklich waren.
 

Nach ausgiebigem Frühstück ging es dann wieder auf das Zimmer, um sich für das Rennen fertig zu machen. Gemeinsam ging's zum Einfahren, wo die Frühaufsteher aus den Alpenländern schon längst ihre Runden drehten.

„Meine Güte, haben die eigentlich noch ein Leben?“, fragt Jule ihre Mitbewohner.

„Wieso? Nur weil die etwas früher sind als wir?“, fragte Lilly, eine der Neuseeländerinnen.

„Oh, das hatte ich ja noch gar nicht erzählt!“, bemerkte Jule, „Als ich heut Morgen aufgestanden bin, waren die schon draußen und haben sich aufgewärmt, wenn man das noch als solches bezeichnen kann.“

„WAS?! Brauchen die denn keinen Schlaf?“, wollte Cathy wissen, welche es als überzeugte Spätaufsteherin nicht nachvollziehen konnte, wie man um 5Uhr schon aus den Federn kriechen konnte, erst recht nicht für Sport.

„Naja, wahrscheinlich waren die gestern um 8 Uhr schon brav in ihren Bettchen.“, kicherte Jule.

Darüber mussten auch die anderen lachen. Das sie das Rennen nicht ernst nehmen würden, wäre nicht der Wahrheit entsprechend. Doch ging es ihnen beim Skifahren in erster Linie immer noch um den Spaß. Und den hatten sie gestern Abend eindeutig gehabt und der würde auch heute beim Rennen nicht fehlen. Die Trainer ließen ihre Schützlinge auch gewähren, solange sie ihre Leistung brachten. Nur Jule wurde von dem Herren, der die Deutschen diesmal begleitete, argwöhnisch beobachtet.
 

Die Zeit bis zum Rennen verging schnell. Pünktlich um 10 Uhr wurde der erste Starter seinem Schicksal überlassen. Der 1. Riesenslalomkurs war schnell gesetzt und forderte viele Opfer. Fast die Hälfte des Starterfeldes schaffte es nicht ins Ziel.

Jule aber lag der Kurs und sie reihte sich mit einer guten Leistung zwischen den ganzen Österreichern und Schweizern ein. Die Miene des deutschen Trainers verfinsterte sich jedoch. Ihm gefiel nicht, dass dieses widerspenstige Wesen, dem es, in den Augen des Herren, nur um den Spaß außerhalb der Piste ging, sich besser platzierte, als seine brav trainierenden Schützlinge.

Im 2. Lauf wurde seine Laune aber schlagartig gebessert. Jule verpasste in der Mitte des arg drehenden Kurses ein Tor und schied aus. Der Trainer schob diesen Fehler auf mangelnde Konzentration bei der Besichtigung und war froh dies seinen Kollegen in der Heimat berichten zu können, um Jule endlich los zu werden.

Diese Begründung entsprach jedoch nicht ganz der Wahrheit. Jule hatte einfach schon beim 2. Tor einen Schlag abbekommen und war seit dem spät dran gewesen. Das Mädchen selbst vermerkte sich im Hinterkopf, dass sie irgendwie an ihrer Schnellkraft arbeiten musste, um mit einem geschickten Schwung wieder in den Rhythmus zu finden. Doch darüber konnte sie sich Gedanken machen, wenn sie zu Hause war. Was brachte es, kurzfristig für den Slalom und Super-G, in welchem sich Jule zum 1. Mal versuchen wollte, wenn sie den Abend sich durch Training auslaugte?
 

Stattdessen verbrachte sie den Abend, wie schon gestern, mit ihren neuen Freunden und Cathy und genoss die Zeit in dem ihr so fremden Land. Die jungen Leute gingen heute in einen Club und wurden sofort von den Japanern umzingelt.

Während Jule ihre Verehrer nur des Spaßes halber gewähren ließ, hatte Cathy tatsächlich ihre Freude an einigen der jungen japanischen Männern.

Irgendwann später in der Nacht beschränkte Jule sich dann doch wieder auf die Neuseeländern, die eher ihrem Geschmack entsprachen. Bei einem der Herren kribbelte es der jungen Frau in der Magengegend.

„Schade, dass wir uns nicht so oft sehen können“, dachte sie bei sich.

Doch verdrängte sie die Gedanken recht schnell und kam ihm immer näher. Während Cathy sich drinnen weiter mit den Japanern amüsierte, ging Jule raus, um etwas frische Luft zu bekommen und gleichzeitig die Gelegenheit zu nutzen, mit Tim, so hieß der junge Mann, mehr oder weniger allein zu sein.

„Wow, ich hätte nicht gedacht, dass es hier so einen guten Club gibt“, bemerkte Tim.

„Ja, allerdings. Und mich wundert's ehrlich gesagt, dass die Trainer sich nicht beschweren. Ihr habt es echt gut, dass sie euch das durchgehen lassen.“, antwortete Jule.

„Naja, die Trainer erwarten nicht so viel von uns und denken, dass wir die beste Leistung bringen, wenn wir unseren Spaß haben“, erklärte ihr der junge Mann, welcher mit seinen 19 Jahren der älteste in seinem Team war, „Ich denke sie haben recht.“

„Ja. Schade, dass der deutsche Begleiter etwas anderer Meinung ist.“, bemerkte Jule mit verdrießlichem Gesicht.

„Hmm, unser Trainer hat heute mit uns darüber gesprochen, dass dieser Kerl nicht sonderlich gut auf dich zu sprechen ist. Er will dich aus der Mannschaft kicken.“, warnte sie Tim, „John, unser Trainer, kann's nicht verstehen. Der wäre froh, wenn er eine so talentierte Fahrerin hätte.“

„Weißt du, darüber mach ich mir jetzt noch keine Gedanken. Er kommt mit meiner Art nicht klar, spricht aber auch nicht mit mir, um zu erklären, was ich besser machen könnte. Jetzt genieße ich aber erstmal die Zeit hier.

Ach komm... ich bin doch nicht so viel besser als eure Mädels. Ich bin älter und hab wahrscheinlich mehr Muskeln aufgebaut, aber sonst...“, meinte Jule.

„Ja, das wird sich schon klären. Er ist ein Idiot, wenn er nicht sieht, dass du eine Bereicherung für die Mannschaft bist. Und natürlich bist du besser als unsere Mädchen. Du hast ein riesiges Talent. Ich mein, du hast kaum Training und Erfahrung und fährst trotzdem mit den Leuten auf einem Niveau, die schon seit ihrer Kindheit trainieren.“, antwortete Tim.

Dann schüttelte er den Kopf, strich mit seiner Hand über ihre Wange und küsste sie.

„Du bist 'ne tolle Frau.“, murmelte er in den Kuss.

Jule war etwas überrascht, erwiderte ihn jedoch und musste auf seine Worte hin lächeln.
 

Nach einer Weile gingen die beiden zurück in den Club. Allerdings nur kurz. Dann verabschiedeten sie sich von den anderen und machten sich auf den Weg zum Zimmer von Tim.

Nachdem sie die gröbste Kleidung entfernt hatten, ließen sie ihre Körper ins Bett fallen. Während sie ihre Körper liebkosten und immer erregter wurden, entfernten sie Stück für Stück die restliche Kleidung...
 

Als sie eine Stunde später wieder mehr oder weniger angezogen erschöpft im Bett lagen, kamen die Zimmergenossen von Tim. Jule, etwas errötet, zog sich schnell komplett an und verabschiedete sich mit einem Kuss von Tim und lächelte den anderen zu. Dann ging sie in ihr Zimmer, wo schon die anderen grinsend auf sie warteten.

Cathy umarmte ihre Freundin zur Begrüßung und flüsterte ihr zu:

„Wir müssen echt reden! Aber jetzt wird erstmal geschlafen.“

Jule nickte nur erschöpft, erledigte nur das gröbste zur Vorbereitung für die Nacht und viel halb tot in ihr Bett.
 

Der nächste Morgen verlief ähnlich wir der vorherige. Das Mädchenzimmer von Jule und Cathy stand auf, während einige der Konkurrenten schon ihre frühe Trainingseinheit abhielten. Man konnte den jungen Damen die Geschehnisse der letzten Nacht nicht anmerken, abgesehen von der Müdigkeit vielleicht.

Beim Essen wurde der gestrige Abend angeschnitten, jedoch nur minimalisiert, denn man stand unter Beobachtung.

Nach den Scherzen beim Frühstück konzentrierten sich die Läufer auf den Slalom. Es ging zur Besichtigung und bald war schon der 1. Läufer auf der Strecke, sodass Cathy keine Möglichkeit hatte, ihrer Freundin vom letzten Abend zu berichten. Doch auch anders herum herrschte Erzählbedarf.
 

Jule war erst recht spät an der Reihe und hatte dadurch mit einer miserablen Strecke zu kämpfe. Trotzdem schaffte sie es, sich für den 2. Lauf zu qualifizieren und hatte sogar nur 2 Sekunden Rückstand auf die führende Österreicherin, was für Jules Verhältnisse nicht viel war.

Im Hinterkopf machte sich bei der 19-jährigen schon etwas Schadenfreude breit, war sie wieder beste Deutsche. Und das trotz der recht langen Partynacht.

Leider hatte sie sich zu früh gefreut, denn im 2. Lauf fädelte Jule ein und schied aus, während des Trainers Musterschülerin sich um 10 Plätze auf den 5. Rang verbesserte.

Das Mädchen nahm es gelassen: Shit happens. Immerhin konnte sie sich jetzt mit Cathy an einen ruhigen Ort verkriechen und endlich reden. Der Trainer jedoch schmiedete schon seine Pläne, wie er diese schreckliche Blondine los wurde.
 

Als die beiden Mädchen alleine waren brach es aus Cathy heraus:

„Was. War. DAS?!“, schrie sie nahezu ihre Freundin an.

„Was? Ich hab eingefädelt. Passiert. Das ist ein gängiger Fehler, wenn man zu viel will.“, antwortete Jule Schulter zuckend und mit breitem Grinsen. Natürlich wusste sie, was ihre Freundin Cathy eigentlich meinte.

Diese verdrehte laut stöhnend ihre Augen:

„Boah... Nicht das Rennen! Gestern Nacht mit Tim.“

„Achsooooooo.. DAS meinst du. Sag das doch!“, zögerte Jule ihren Bericht heraus und ihr Grinsen wurde nur noch breiter.

„Jetzt fang schon endlich an“, sagte Cathy nun wirklich entnervt, aber mit steigender Spannung.

Da begann Jule endlich:

„Aaalso.... Eigentlich weißt du doch schon, was passiert ist.“

„Aber ich würd es trotzdem gern von dir hören“, plapperte Cathy dazwischen.

Jule fuhr ungerührt fort, war sie Unterbrechungen von ihrer blonden Freundin gewohnt:

„Naja, wir sind aufs Zimmer und haben im Prinzip da weiter gemacht, wo wir im Club begonnen hatten.“, erklärte Jule und erzählte dann mehr oder weniger genau die Abläufe.

Auch wenn sie und Cathy sich sehr, sehr nahe standen, mussten Details ja nun wirklich nicht sein!

Als die Erzählerin fertig war, überhäufte die aufmerksame Zuhörerin sie geradezu mit Fragen:

„Und wie war's? War er gut? Hattest du diesmal deinen Höhepunkt?“, wollte sie schamlos wissen.

Jule hatte diese Fragen schon erwartet.

„Naja, er war nicht schlecht.“, antwortete sie, „Und ja, ich bin sogar gekommen, auch wenn ich's nicht erwartet hätte. Aber ehrlich: ich glaube es gibt noch Steigerungspotenzial. Und wie verlief dein Abend noch?“

Auf diese Frage lief Cathy knallrot an, denn sie hatte gehofft, dass sich dieses Thema vermeiden ließe.

„Naja... Er verlief am Anfang ähnlich wie deiner. Nur wir haben uns in einen dunklen Flur zurück gezogen. Als ich halbnackt vor ihm stand, kam auf einmal der andere Typ und wollte mitmachen. Ich hab Panik bekommen und meine Sachen gepackt und bin auf's Klo gerannt, wo ich mich dann langsam wieder beruhigen konnte“, gestand eine ziemlich pikierte Cathy.

Jule klappte der Mund auf.

„Oha!“, entfuhr es ihr und nahm ihre Freundin instinktiv in die Arme.

Jetzt plagten das arme Mädchen doch Gewissensbisse, wo sie doch den ganzen Tag, dank der letzten Nacht so entspannt war.

„Ich hätte sie nie alleine lassen dürfen!!“, dachte Jule bei sich.
 

Die 2 Mädchen sprachen noch eine ganze Weile über ihre Erlebnisse und verpassten sogar fast das Abendessen.

Am nächsten Tag war dann nur noch der Super-G angesagt. Jule machte es einen Riesenspaß, war es doch für sie der erste Start in einer Speed-Disziplin. Allerdings musste das Mädchen mit ihren Riesenslalomski antreten und fand auch nicht gerade die optimale Linie.

Immerhin kam sie durch und übernahm nicht einmal die rote Laterne.

Nach dem Rennen machte man sich schon bald auf den Heimweg und am Flughafen hieß es dann Abschied nehmen, von den neuen Freunden.
 

Nach einem langen Flug und der Autofahrt von Frankfurt, kam Jule endlich total erschöpft, aber glücklich nach einem langen, erlebnisreichen Wochenende zu Hause an.

Sie ahnte noch nicht, was sie die nächsten Tage für ein Stress erwarten würde.

Es kommt immer alles anders als man denkt.

Es vergingen keine 2 Tage, da kam auch schon der Anruf.

Sie würde mit sofortiger Wirkung aus dem Team geschmissen, da sie sich dem Trainer widersetzt hätte und nicht genug Ernsthaftigkeit an den Tag legen würde.

Jule ließ das natürlich nicht so ganz auf sich sitzen, schließlich hatte sie sich auf die Rennen konzentriert und auch Leistung gebracht. Die Fehler, die sie hatte, waren gewöhnlich für den Sport und sie hatte schon daraus gelernt.

Das stimmte im übrigen, denn schon gestern hatte sie sich bemüht im Internet spezielle Übungen zu finden und wollte diese nun ausprobieren.

Der Anrufer schien aber gar nicht zuzuhören, ließ sie zu Ende plappern und verabschiedete sich.
 

Jule klappte nach dem Gespräch der Mund auf. Ihr Leben hatte sich zwar nur für ein paar Wochen geändert, aber schon hatte sich das Mädchen an die Rennwochenenden gewohnt.

Noch konnte sie sich jedoch zusammenfassen, rief ihre Freundin an und fragte, ob sie vorbei kommen könnte.

10 Minuten später betrat Jule Cathys Zimmer. Als sie sich setzte, konnte die junge Frau sich nicht mehr zurück halten. Unter Tränen berichtete sie ihrer Freundin von dem Gespräch. Diese setzte sich neben Jule, legte ihren Arm um sie und hörte erstmal zu.

Als diese fertig war, konnte Cathy sich nicht zurück halten:

„Diese verdammten Arschlöcher! Das können die doch nicht machen! Ich mein: Du bist doch nicht schlechter als die anderen, oder?!“

„Naja, offensichtlich können sie's“, schluchzte Jule, „Hmm, weiß nicht... ich dachte eigentlich, dass meine Leistung bisher in Ordnung war. Nur halt dieses eine Wochenende mit 2 Ausfällen. Aber anscheinend hat dieses Arsch mehr Macht, als ich ihm zugetraut hätte.“

Cathy schüttelte nur den Kopf:

„Dieser dumme Idiot. Der hat doch keine Ahnung. Nur weil du nen bisschen feiern warst? Das kann doch nicht dem sein Ernst sein.“

„Tja... Was soll ich machen? Das war's dann... .“, meinte Jule, die sich langsam wieder etwas beruhigte.

Sie erinnerte sich daran, wie sie noch vor wenigen Monaten im Traum nicht daran gedacht hätte, dass sie jemals an einem Skirennen teilnehmen würde. Erst recht nicht an einem internationalen. Also, was sollte es? Sie hatte mehr erreicht, als sie sich je erhofft hatte.

Das versuchte sie zumindest sich einzureden. Da sie aber nun einmal so weit gekommen war, konnte sie nur sehr schwer wieder loslassen.
 

Einige Zeit später fuhr Jule schon deutlich besserer Stimmung nach Hause.

Die nächsten 2 Tage verbrachte sie trotzdem mit dem sich vorgenommenen Training. Es konnte ja nicht schaden.

Dann lag auf einmal ein Brief in der Post:
 

Liebe Julia,
 

Mir tut es sehr Leid, dass du aus der Mannschaft geworfen wurdest.

Ich habe versucht, mit den Verantwortlichen zu sprechen, aber es ließ sich nichts machen.

Trotzdem will ich nicht aufgeben, da du mir sehr gefallen hast.
 

Wie wär's, wenn du mit mir zum Training in die Schweiz fährst? Von morgen an will ich dort eine halbe Woche mit einem Freund Ski fahren.

Du bist uns zwar gnadenlos unterlegen, aber wir würden ein Nachsehen mit dir haben :-D.
 

Mit freundlichen Grüßen

Felix
 

P.S.: Meld dich bei mir, wenn du nicht kommst. (0175 3892817) Die Tickets für den Flug von Köln nach Zürich habe ich dir direkt mit geschickt.
 

Jule musste den Brief 3-mal lesen, bis ihr bewusst wurde, was sie da las. Felix Neureuther, DER Felix Neureuther hatte SIE zum Training eingeladen. Es tröstete sie zwar nicht wirklich darüber hinweg, nicht zurück in die Mannschaft zu kommen, aber hey, sie konnte wieder Ski fahren, auf Bergen, nicht auf einer 300m Pisspiste.

Als sich das Mädchen gefasst hatte, lief sie zu ihren Eltern, um um Erlaubnis zu bitten. Diese waren mindestens genauso überrascht, wie ihre Tochter, konnten aber nicht „Nein“ sagen, wurde dem Mädchen der Skiurlaub ja geschenkt. Und Jule ein Training mit Deutschlands bestem Skifahrer verwehren? Welche Eltern würden das ihren Kindern antun?!

Eine Bemerkung zu Jules mangelnder Abiturvorbereitung konnten sie sich jedoch nicht verkneifen.

Die Tochter nahm dies mit einem gelassenem Schulterzucken hin.

„Ich nehm mir Sachen mit und lern während des Fluges und abends.“, erklärte sie den somit halbwegs zufriedenen Eltern.

In Gedanken verdrehte Jule jedoch die Augen. Immer mussten sie damit nerven!!

Dann machte sich das Mädchen jedoch auf, um zu packen und alles vor zu bereiten und natürlich um ihre Freunde zu informieren.
 

Einen Tag später saß Jule dann im Flieger nach Zürich. Tatsächlich lernte das Mädchen sogar wie versprochen. Nach dem kleinen Snack, setzte das Flugzeug auch schon zur Landung an.

Am Flughafen wurde Jule von Felix schon erwartet.

„Hey, schön, dass du Zeit hattest!“, grinste der Mann ihr entgegen.

„Hi! Danke für die Einladung. Die konnte ich ja wohl kaum absagen.“, erwiderte Jule ebenfalls breit grinsend.

Die beiden gingen zum Parkplatz, wo Felix' Auto stand. Der Herr, ganz der Gentleman, hatte es sich natürlich nicht nehmen lassen, das Gepäck der jungen Dame zu schleppen.

Als Jule sich auf den Beifahrersitz plumpsen ließ, blickte sie verwundert zu Felix:

„Wolltest du nicht mit einem Freund trainieren?“, fragte sie erstaunt.

„Ja, er kommt aber mit eigenem Wagen und erwartet uns bei der Gondel.“, antwortete der junge Mann lachend.

Jule hörte den Unterton natürlich heraus.

„Wo ist der Haken?“, fragte sie offen heraus.

Da sah sie Felix schmunzelnd an.

„Naja.. was ich in meinem Brief nicht erwähnt hab: Unsere Hütte liegt auf 2000 Metern fern ab von jeglicher Zivilisation. Wir werden mit einer Gondel hochfahren, uns die Ski anschnallen und zur Hütte sausen.“, erklärte er ihr breit grinsend.

„Keine Sorge. Wir helfen dir bei deinem Gepäck. Ist ja schließlich auch meine Schuld.“, fügte er zwinkernd hinzu.

Jule musste erstmal schlucken, fasste sich aber schnell und freute sich schließlich sogar darauf in so einer urigen Schweizer Hütte zu verweilen.

Die 2 jungen Leute plauderten die gesamte Fahrt ins Schweizer Hochgebirge über Gott und die Welt und verstanden sich einfach auf Anhieb richtig gut.
 

Als Felix den Wagen parkte und die beiden ihr Gepäck ausluden, wartete einige Meter entfernt, mit verschränkten Armen lässig an seinen Porsche gelehnt ein sehr männlich wirkender Herr mittleren Alters.

Erst als Felix über die Schulter rief, bemerkte Jule den Mann.

„Ey Ami, pack ma mit an. I woiß, du kannst au ein Gentleman sein!“

Dem Mädchen stand der Mund leicht offen, als ihr bewusst wurde, dass sich gerade Bode Miller auf sie zu bewegte, um ihr beim Tragen ihrer Sachen zu helfen.
 

Zunächst jedoch wurde der Kumpel mit einem festem Händeschlag und einer kurzen Umarmung begrüßt.

Dann kam er zu Jule.

„Hi! Nice to meet you.“, grüßte Bode, während er die junge Frau skeptisch abcheckte.

Zwar hatte er auf Felix Betteln hin zugestimmt, dass dieses kleine deutsche Mädchen mitkäme, erfreuen konnte sich der Herr jedoch nicht, zerstörte so ein weibliches Wesen doch die 'Männer-WG'.
 

Während man sich auf den Weg zur Station machte, erklärte Miller, dass er seit dem Morgen da war und seine Sachen schon oben wären. Deshalb konnte er auch Jules großen Koffer nehmen, als die 3 Skifahrer oben ankamen und sich ihre Bretter anschnallten.

Die Fahrt zur Hütte war nicht lang, aber recht anspruchsvoll für Jule. Zufrieden sah sie jedoch, dass auch Felix mit seinem Gepäck ab und zu zu kämpfen hatte. Nur dem Amerikaner war nichts anzumerken. Locker, als ob er ohne jegliche Last fuhr, setzte er seine Schwünge.

Dann erreichten sie endlich die Hütte.
 

Als Jule in die Hütte eintrat entfuhr ihr ein „Wow“. Die Hütte hielt, was sie versprach: klein, gemütlich, romantisch. Während das Mädchen es sich noch in ihrem Zimmer (sie hatte eins für sich, während sich die 2 Männer das andere teilten) gemütlich machte, sorgten die Herren der Schöpfung für ein gemütliches Kaminfeuer.

Nachdem Jule im Zimmer fertig war, machte sie sich am Essen zu schaffen. Zum Glück gab es einen Herd, auf dem die junge Frau Spaghetti mit leckerer Tomatensoße kochen konnte.
 

Wenig später saßen die 3 am Tisch und aßen.

„Hmm.. immerhin kann sie kochen.“, dachte Miller grimmig, während die Jule und Felix ihre Gespräche von der Fahrt fortsetzten.

Die Rollenverteilung war recht schnell klar. Jule als Frau durfte auch den Abwasch übernehmen, während die beiden Männer sich's in Sesseln mit einem Bierchen gemütlich machten.

Als Jule fertig war, schnappte sie sich ebenfalls eine Flasche und ließ sich auf die noch freie Couch fallen. Wie sie so da lag merkte sie, wie müde sie schon war.

In das Gespräch der Männer, überwiegend über die laufende Saison, schaltete sich das Mädchen immer seltener ein.

„Hey, ab ins Bett“, stuppste sie Felix später an.

Jule gehorchte aufs Wort und schleichte sich in ihr Zimmer um dort ziemlich schnell einzuschlafen.
 

Am nächsten Morgen weckte sie eine schöne männliche Stimme.

„Aufstehen! Frühstück machen!“, rief Miller ins Zimmer, als er laut die Tür öffnete, „Wir verhungern!“

So sehr ihm die Anwesenheit Jules störte, musste er doch gestehen, dass der Anblick des Mädchens, wie es zusammen gerollt im Bettchen lag.

Schmunzelnd knallte der Mann hinter sich die Tür zu. Im Wohnraum deckte Felix recht verschlafen den Tisch und Miller stellte sich in die Küchenzeile, um das Brot per Hand zu schneiden.

Als Jule kam, waren die beiden schon fertig.

„Ach, ich dachte ich sollte das machen.“, sagte das Mädchen mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.

„Naja, erster Tag. Wir wollten dich noch schlafen lassen.“, erklärte der nun etwas munterere Felix.

„Aha. Wie freundlich. Und was steht heute auf dem Plan?“, wollte das Fräulein, welches von Felix angesteckt ebenfalls langsam wach wurde.

„Ski fahren, what else?“, sagte Miller trocken.

„Bode! Reiß dich zusammen. Ich hab sie eingeladen und sie ist ne wirklich tolle Skifahrerin.“, schnauzte Herr Neureuther seinen Freund zusammen.

Dann wendete er sich wieder an Jule.

„Heute geht’s erstmal ins freie Gelände. Ein bissl Spaß haben: Steile Eisplatten, Tiefschnee, Sprünge..“, erklärte Felix mit strahlenden Augen.

Dann aßen die 3 ruhig zu Ende und machten sich fertig für die Piste. Jule hatte dabei ein mulmiges Gefühl. Steile Eisplatten und Tiefschnee: ok, aber Sprünge?!

Sie machten ihr zwar Spaß, aber nicht nur einmal verlor sie dabei einen Ski.

Im Herrenzimmer hingegen sprach Miller seinen jüngeren Kumpel auf Jule an.

„Sag, gefällt dir das Mädchen?“, wollte er in seinem gebrochenem Deutsch wissen.

„Was? Ja, aber als gute Freundin. Sie ist hübsch und eine tolle Frau, aber ich mag sie einfach so. Frag mich nicht wieso. War schon so, als ich sie das letzte Mal in Winterberg getroffen hat. Weißt du, was sie zu unserem Scout gesagt hat?“, erklärte Felix und erzählte Bode vom Rennen im Rothaargebirge.
 

Um halb 9 verließ das Trio seine Unterkunft, schnallte sich die Ski an und fuhr los. Zunächst suchten sie sich durch den Wald einen Weg, um zu den ausgeschriebenen Pisten zu gelangen. Dort fuhren sie zum Aufwärmen ein paar mittelschwere rote Pisten, um dann die schwarzen in Angriff zu nehmen.

Soweit konnte die kleine Blondine mit den beiden Rennfahrern mithalten. Allerdings hatten diese auch ihr Tempo etwas gedrosselt.

Als sich Miller etwas zurück fallen ließ und die andere beobachtete, musste er schon zugeben, dass das Mädchen gar nicht mal so übel war.

„Und ihr Hintern kommt wunderbar zur Geltung“, dachte der Herr schmunzelnd für sich.
 

Drei Stunden später saßen die 3 in der Bergstation am Tisch.

„Gar nicht mal so übel, wie du fährst, oder Bode?“, bemerkte Felix.

„Hmm.. nicht schlecht für ein Girl.“, antwortete dieser kurz angebunden.

„Ach Blödsinn. Das sagt ihr jetzt nur“, meinte Jule kopfschüttelnd, „und du brauchst dich nicht zurück fallen zu lassen, nur um mir das Gefühl zu geben, ich könnte mithalten, Bode.“

Der angesprochene zog die Augenbrauen hoch und grunzte.

„Wieso sollte ich das tun? Ich wollte etwas ruhiger fahren.“

Dann nahm er sein Handy und entfernte sich vom Tisch. Jule schaute ihm stirnrunzelnd hinterher.

„Was hat er gegen mich?“

„Ach, nimm's nicht persönlich. Er hat im Moment einige Probleme.“

Jule sah Felix fragend an.

„Das ist also der Grund, warum er mit dir alleine trainieren wollte?“

„Hmm.. Er hat mir gesagt, es wäre in Ordnung, wenn du kommst. Und was seine privaten Sachen angeht reden wir ja auch abends drüber. Wobei wir jetzt auch nicht so eng befreundet sind, dass er mir alles erzählt.“

Das Mädchen guckte dennoch bedröppelt auf den Tisch.

„Kopf hoch!“, meinte Felix, „Er ist schonmal etwas eigen. Deswegen sollten wir uns nicht den Spaß verderben lassen. Und jetzt ab auf die Piste! Beziehungsweise neben die Piste in den Tiefschnee.“
 

Nach 2 Stunden in der weißen, sahnigen Schneemasse ging es in zum Funpark. In Jule kam wieder die morgendliche Aufregung auf. Diesmal gar so sehr, dass ihr die Anspannung anzusehen war.

„Was ist los?“, wollte Felix wissen, „Magst du keine Sprünge?“

„Naja, mögen schon. Aber ich glaub ich bin nicht so talentiert dafür.“, gestand das Mädchen mit leicht roten Bäckchen.

„Ach was! Wir geben dir Tipps, dann klappt das schon.“, meinte Felix aufmunternd und fügte an Miller gerichtet hinzu:

„Nicht wahr?“

Das Felix genervt war, war deutlich raus zu hören, hatte Bode sich doch seit dem Mittagessen aus allen Gesprächen so gut es ging raus gehalten.

„Klar. Ich fahr vor und du erklärst dem Baby.“, antwortete der Herr grinsend.

Noch bevor Felix irgendetwas sagen konnte, platzte es aus Jule heraus:

„BABY?!!? Apüh...“

Eingeschnappt packte die junge Frau ihre Stöcke und nahm Geschwindigkeit auf, während sie den nächsten Sprung anpeilte. Erst als es schon zu spät war einen Rückzieher zu machen, kamen in ihr wieder die Zweifel und Erinnerungen an frühere Sprünge auf. Schnell schüttelte sie diese aber ab und konzentrierte sich voll, auf das, was auf sie zu kam.

Beim Sprung zog sie die Knie an, hielt die Ski parallel und schlang die Arme unter ihren Hintern. Auch die Landung machte ihr wenige Probleme, konzentrierte sie sich darauf, nicht in Rücklage zu geraten.

Gerade atmete Jule erleichtert auf, da geschah das, was schon öfter passiert war: Eine Bindung öffnete sich. Geschickt nahm die junge Frau das betroffene Bein hoch und versuchte sich auf dem anderen zu halten. Doch im Gegensatz zu den vorigen Malen schaffte sie es diesmal sich etwas zu halten. Beim Versuch durch Kanten anzuhalten, rutschte sie dann aber weg und kam neben ihrem losen Ski zum Halt.
 

Wenig später erreichten die beiden Begleiter das Mädchen, welches sich langsam aufrappelte.

„You're ok?“, fragte Miller, konnte sich das Grinsen aber nicht verkneifen.

Dafür fing er sich von Felix einen bösen Blick ein, welcher sich sofort zu Jule runter beugte, um zu checken, ob sie verletzt war.

„Ja. Ich hoffe nur dem Ski geht’s ähnlich.“, antwortete das Mädchen geknickt.

„Bestimmt! Die sind robuster, als man denkt. Glaub mir, ich spreche aus Erfahrung.“, meinte Bode augenzwinkernd und hielt die Hand hin, um der jungen Frau auf zu helfen.

Diese sah ihn schmunzelnd an, wusste sie von Millers Fahrstil, dem schon einige Bretter zum Opfer gefallen sein mussten.

Als Jule stand, nahm sie ihren Ski in die Hand und inspizierte ihn. Er schien, bis auf ein paar Kratzer nichts abbekommen zu haben und somit schnallte ihn sich die junge Skifahrerin wieder an den Schuh.
 

Danach war Bode etwas offener gegenüber Jule und half ihr, ihre Sprungtechnik zu verbessern und zeigte ihr zusammen mit Felix ein paar weitere Tricks.

Als es dunkel wurde machten sich die 3 Fahrer wieder zurück zur Hütte.

Gerade hatten sie ihre Sachen abgelegt, da hörten sie ein immer lauter werdendes Donnern.

„Gewitter?“, fragte Jule, beantwortete sich aber selbst die Frage mit einem Kopfschütteln, handelte es sich doch um ein stetiges Geräusch.

Auch Miller schüttelte den Kopf und ging schnellen Schrittes zum Fenster.

„Oh My God!! It's an avalanche!“

„An what?“, fragte Jule verwirrt.

Ihr Englisch war zwar nicht schlecht, aber jedes Wort kannte sie dann doch nicht.

„Eine Lawine“, klärte Felix sie auf und schaute ebenfalls mit großen Augen aus dem Fenster, „und sie kommt direkt auf uns zu.“

„Shit“, entfuhr es Jule und guckte ebenfalls raus.

„Hält das unsere Tür überhaupt?“, fragte sie besorgt vorausschauend, während die Herren der Schöpfung noch fasziniert der Schneemasse entgegen sahen.

Wie aus Trance erwacht blickten die beiden Männer das Mädchen an, dann zur Tür und schließlich sich in die Augen. Ohne ein Wort ausgetauscht zu haben, schnappten sie sich einige schwere Möbel und stellten sie vor die Holztür.
 

Und schon krachten mit lautem Donnern die Schneemengen gegen die Hütte. Die Bewohner wichen schnell vom Fenster, welches von der Wucht der Massen zerbrach.

Dann herrschte plötzlich Stille und Bode, Felix und Jule sahen sich mit großen Augen an. Aus ihren Blicken konnte man nur eine Frage erkennen:

Was nun?

Traute Dreisamkeit

Nachdem die 3 den Schnee, welcher durch das gebrochene Fenster gekommen war, entfernt und einen Schrank vor eben dieses geschoben hatte, machten sie schnell das Feuer an.

Jule ließ sich in einen Sessel plumpsen und starrte ins Feuer.

Auch die beiden Herren setzten sich auf das Sofa. Miller zog sein Handy aus der Tasche.

„Du hast Empfang?“, wollte Jule mit hochgezogenen Augenbrauen wissen.

Der 33-jährige blickte auf den Display und zuckte mit den Schultern.

„Einen Versuch war es wert.“

Jules Blick hingegen wanderte zum kleinen Holzstapel neben dem Kamin.

„Wie lange, denkt ihr, wird das reichen?“

„Hoffentlich lang genug, bis uns jemand findet“, grummelte Bode.

„Ich denke länger, als das Essen“, bemerkte Felix.

„Schon, aber der Mensch kommt lang genug ohne Nahrung aus. Und Wasser haben wir genug.“, erklärte Jule.

„Ja, aber wir haben auch Decken, wenn das Feuer ausgeht.“, meinte der Deutsche.

„Und unsere Körper.“, fügte Miller mit schiefen Blick zu Jule hinzu.

Das Mädchen dachte sich nichts besonderes dabei, hatte er Recht, was die Körperwärme anging. Felix hingegen ahnte, was in den Gedanken des Amerikaners vorgehen könnte.

Als Jule den Raum verließ, sprach er dies auch sofort an.

„Ich dachte, du könntest sie nicht leiden“, bemerkte er kalt.

„Kann ich auch nicht. Sie ist ein dummes, kleines Ding, was dir offensichtlich den Kopf verdreht hat.“

„Mann, begreif doch, dass ich nichts von ihr will! Wir sind Freunde, mehr nicht.“, fauchte der Jüngere, der es Leid war, das erklären zu müssen.

„Und was sollte der Blick dann eben, wenn du sie für 'ein dummes, kleines Ding' hältst?“

„Ihr Körper ist ja ganz brauchbar.“, grinste der Herr seinen Kumpel an, wohlwissend, dass er eben diesen mit seinem Kommentar zum kochen bringen würde.

Felix schaute Bode nur entsetzt an. Er hätte nicht gedacht, dass sein Gegenüber so ein Idiot war.

Als Miller bemerkte, dass Felix seine Bemerkung ernst nahm, lenkte er dann doch ein.

„Boah, meinst du im Ernst ich bin so ein Arsch?!“

„Darüber macht man keine Witze.“, entgegnete der Deutsche ernst.

„Ok, um ehrlich zu sein, Sex macht im Notfall wirklich Sinn. Und ja, dann wäre ich selbst von dem kleinen Girl da nicht abgeneigt“, sagte er mit einem Kopfnicken zu Jule, die gerade das Zimmer betrat.

„Aber soweit wird es hoffentlich nicht kommen.“, fügte er grimmig mit Blick auf das Mädchen hinzu, welches verdutzt stehen geblieben war.

„Apüh..“, machte Jule und ging wieder zu ihrem Platz, setze sich und zog die Beine an.

„Eher erfrier ich.“, murmelte sie in ihre Knie.

Miller schnaubte.

„Das will ich sehen.“

„Boah, bis ich hier erfriere, hab ich keine Pille mehr. Meinst du ich riskiere ein Baby von so nem Scheiß Kerl wie dir zu bekommen?!“, brach es aus dem Mädchen hervor.

Felix hielt sich heraus, konnte sich ein Grinsen darüber, in welche Richtung das Gespräch lief aber nicht verkneifen.

„Denkst du etwa, ich will meine Gene in dir fortpflanzen“, sah Miller Jule mit großen Augen an.

„Du bist ein Mann. Natürlich willst du deine Gene verbreiten. Immer. Und überall.“, lachte Jule auf.

„Ach, will ich das?“

„Du wirst gar nicht gefragt, ob du willst oder nicht. Deine Hormone steuern dich einfach, um deine Fitness zu steigern.“, bemerkte die Bio-LKlerin.

„Und Frauen sind von der Fitnesssteigerung ausgenommen?“, hakte nun doch Felix nach.

„Nein, wir überlegen uns aber, mit wem wir unsere Fitness steigern. Die 9 Monate müssen sich ja lohnen.“

„Denk doch was du willst. Ich bin jedenfalls erstmal glücklich mit meiner einen Tochter. Bis ich nicht eine passende Frau gefunden habe, reicht mir das.“, schloss Miller und stand auf, um sich was zu trinken zu holen.

„Sagt mal, wann wollen eigentlich essen?“, fragte er von der Küchenzeile, als er bemerkte, wie ihm langsam der Magen knurrte.

„Ehm.. Gute Frage. Ich bekomm auch langsam Hunger.“, bemerkte Felix und guckte zusammen mit Bode das Mädchen an.

Dieses verdrehte die Augen und stand stöhnend auf.

„Ich geh ja schon“, murmelte sie und machte sich auf den Weg.
 

Diesmal gab es Reis mit Curryhähnchen. Allerdings für jeden eine deutlich kleinere Portion, als eigentlich geplant, wussten sie ja nicht, wie lange sie eingesperrt sein würden.

Heute Abend machten die Männer den Abwasch, während Jule schaute, wie man sich das essen einteilen könnte.

„Ok, ich geh schlafen.“, sagte die junge Frau schließlich, als die beiden Mitbewohner die Trockentücher bei Seite legten.

„Alleine!“, fügte sie hinzu, als sie Millers Grinsen bemerkte.
 

Ein Bier später machten sich auch die Herren in ihr Zimmer.

„Ich versteh dich nicht.“, platzte es aus Felix heraus.

Der andere sah ihn fragend an.

„Willst du was von Jule, oder hasst du sie?“

Bode zuckte mit den Schultern.

„Sie pisst mich irgendwie an. Und sorry, aber ich finde es gibt hübschere.“

„Ja, zum Beispiel Platinblondinen mit langen Beinen und einem perfektem Styling. Nicht wahr?“, bemerkte der Jüngere wohl wissend, woran sein Freund dachte.

Dieser grinste nur und legte sich ins Bett.

„Gute Nacht!“
 

Am nächsten Morgen war Jule als erstes wach und hatte schon den Frühstückstisch gedeckt, als Miller aus dem Herrenzimmer trat.

„Guten Morgen!“, lächelte das aus unerklärlichem Grund gut gelaunte Mädchen entgegen.

Der Mann sah sie verwundert an und schüttelte dann verständnislos den Kopf.

„Morgen“, grummelte er, als er sich setzte, „ gut kann man ihn nicht nennen. Dir scheint es nichts auszumachen mit 2 Männern in eine Hütte gesperrt zu sein.“

„Och, ich kann mir auch bessere Begleitung vorstellen.“, giftete Jule zurück, „ Aber es gibt schlimmeres, als ein paar Tage in einer Hütte eingesperrt zu sein. Länger wird es bestimmt nicht dauern, bis uns jemand hier raus holt.“

„Ach wen denn?“, grinste der Herr neugierig.

Die junge Frau schnaubte.

„Geht dich doch nichts an. Hauptsache jemand, der nicht so rumzickt.“

„Und was soll es schlimmeres geben, als mit dir hier eingesperrt zu sein?“, wollte Bode wissen.

Da sprang Jule auf und marschierte in ihr Zimmer. Der Appetit war ihr vergangen. Sie würde sich später was holen, wenn der Herr fertig war.

„Was ist denn mit der los?“, wollte Felix wissen, als er just in diesem Moment in den Raum trat.

Bode zuckte mit den Achseln.

„Wechseljahre?“, schlug er breit grinsend vor.

Felix schnaubte nur, wusste er, dass Miller das Mädchen wieder irgendwie zur Weißglut gebracht hatte.
 

Zwei Stunden später kam Jule wieder hervor gekrochen. Schweigend schmierte sie sich ein Brot und setzte sich auf den noch freien Platz neben Felix.

„Hey!“, sagte dieser freundlich.

„Mhmm,“ entgegnete Jule mit vollem Mund.

Als sie fertig gegessen hatte fügte sie hinzu:

„Wie hast du geschlafen?“

„Ganz gut. Und selbst?“

„Ein bisschen kurz, aber ich hab mich heut morgen trotzdem erholt gefühlt.“, erklärte das Mädchen und fügte mit finsterem Blick zu Bode hinzu: „Bis der da mir auf den Sack ging!“

„Welchen Sack?“, fragte Miller sie neckend.

„Der rechte!“, war die patzige Antwort.

Die beiden Männer sahen sich schmunzelnd an und brachen in Lachen aus.

Jule stöhnte nur.

„Sagt mal, wollen wir zur Sicherheit nicht doch versuchen, ein Loch in den Schnee zu buddeln?“, fragte sie stattdessen, um das Thema zu wechseln.

„Ja, Bode und ich haben das auch schon überlegt. Ich bin dafür, die Tür zu öffnen und dort zu beginnen, er meinte, wir sollten es beim Fenster versuchen.“, erklärte Felix, nun wieder ernst werdend.

„Wie wär's wenn du an der Tür anfängst und Bode am Fenster und ich helf euch beiden immer. Ich mein: Zu dritt können wir eh nicht arbeiten, dafür reicht weder der Platz am Fenster, noch an der Tür.“

„Good one!“, bemerkte Miller, „Du hast ja wirklich etwas Intelligenz.“

Die junge Frau überging den letzten Kommentar und stand auf.

„Ok, dann lasst uns anfangen!“
 

Zusammen schoben die 3 sowohl die Möbel von der Türe weg, als auch den Schrank vom Fenster. Wie abgemacht begann Miller am zerbrochenem Fenster den Schnee in die Hütte zu schaufeln. Gleichzeitig startete Felix an der Tür, welche sich zum Glück nach innen öffnen ließ. Jule versuchte während dessen so viel Schnee wie möglich in Schüsseln und Eimer zu schaffen, wo er zu schmelzen begann und sie ihn dann wegschütten konnte.

So verbrachten die Bewohner den ganzen Tag, abgesehen von einer kurzen Mittagspause. Abends fielen sie dann totmüde in die Betten. Von der Außenwelt hatten sie noch kein Zeichen.
 

Am nächsten Morgen wachten Jule und Bode gleichzeitig auf und machten gemeinsam das Frühstück, ohne viele Worte zu wechseln. Jule war immer noch angepisst und konnte auf weitere sinnlose Diskussionen verzichten.

Der Herr hingegen warf der jungen Frau immer wieder verstohlene Blicke zu.

„Hmm.. so schweigsam gefällt sie einem schon glatt viel besser,“ dachte er bei sich und grinste breit.

„Was?“, wollte Jule mies gelaunt wissen.

Bode begann zu lachen.

„Schade, ich hatte gerade die Ruhe genossen.“, meinte Miller.

Das Mädchen stöhnte nur und schüttelte den Kopf. Der Mann beobachtete fasziniert das Spiel ihrer Haare, als sich ihr hübsches Haupt bewegte.

Dann kam auch schon Felix und die Drei aßen gemeinsam.
 

Nach dem Essen ging es weiter an die Arbeit. Bis zum Einbruch der Dunkelheit war es Miller gelungen, wenigstens ein kleines Loch in die Schneemasse zu brechen und auch Felix war kurz davor, endlich bis zum Tageslicht hervor zu dringen.

Der Deutsche war nach dem Tag voller harter Arbeit ziemlich fertig und legte sich schon bald ins Bett.

Die 2 anderen machten es sich noch etwas vorm Kamin gemütlich.

„Bist du immer noch eingeschnappt?“, wollte Bode grinsend wissen.

Jule sah ihn schief an.

„Wieso sollte ich? Ich bin zwar manchmal nachtragend, aber so schlimm dann auch wieder nicht. Zumal du dazu beiträgst, dass ich hier wieder raus kann.“

„Gut, dann kann ich mir ja was neues einfallen lassen.“, meinte Miller schmunzelnd.

Das Mädchen sah ihn mit großen Augen an.

Zuckte dann aber nur mit den Schultern, packte ihren Mp3-Player aus, um sich abzuschotten. Eine Stunde später machte Miller Anstalten ins Bett zu gehen. Als er seine Zimmertür öffnete, stockte er jedoch.

„Fuck!“, entfuhr es ihm.

Jule, die auch aufgestanden war, um sich fertig für die Nacht zu machen schaute ihn grinsend an.

„Was?“, fragte sie mit einem frechen Ton.

„Ich weck ihn noch auf, wenn ich da jetzt Licht mache. Er schläft grad so süß“, meinte der Mann geknickt.

„Und wenn du grad eben zum Bett läufst und ich schließe die Tür, wenn du liegst.“, schlug Jule vor.

„Ich muss aber noch Duschen.“

„Kannst ja mein Duschgel benutzen.“, grinste das Mädchen.

Miller wägte das wirklich ab.

„Wirklich? Ok. Danke. Ich bin dann mal im Bad“, sagte er schließlich.

Jule starrte ihm mit großen Augen nach.

„Okeeey“, dachte sie für sich.

Dann marschierte sie in ihr Zimmer, um ihr Duschzeug heraus zu holen. Sie selbst hatte schon früher am Abend das kalte Wasser genossen.

Als sich bei der Übergabe die Hände der beiden berührten, gingen ihre Blicke direkt in die Augen des jeweils anderen.

Bode öffnete sich leicht der Mund.

„Yeah, thanks.“, sagte er schnell und drückte sie dann aus dem kleinen Badezimmer raus, um die Tür zu schließen.

Das Mädchen machte sich kopfschüttelnd in ihr Zimmer. Sie hasste es an sich, dass ihr Kopf immer abschaltete, wenn sie einem Typen zu nahe kam.
 

Als es an der Tür klopfte und Miller eintrat, stand das Mädchen gedankenversunken vor dem altbackenen Spiegel. Der Herr zog die Augenbrauen hoch.

„Ich versteh nicht, wie ihr Mädchen stundenlang vor dem Spiegel stehen könnt.“

Achselzuckend drehte sich Jule um und nahm ihr Kakaobutterduschgel entgegen. Dann konnte sie sich nicht zurück halten und schnupperte an ihm. Erst jetzt fiel ihr auf, dass er nur in Shorts vor ihr stand.

„Mmm, lecker“, kicherte das Mädchen, wurde bei seinem Anblick aber leicht rot, „ Felix wird sich freuen.“

„Ey, werd nicht frech, Kleine.“, drohte der Herr und fing an das Mädchen zu kitzeln.

Dieses begann zu schreien und brach in Gelächter aus.

„Hilfe, Hilfe, nein, hör auf!“, rief Jule, während sie sich rückwärts bewegte.

Nach 3 Schritten, stieß sie jedoch gegen das Bett und fiel mit dem Rücken darauf. Miller, der es ebenfalls nicht bemerkte stürzte über sie.

„Fuck!“, entfuhr es ihm, als er bemerkte, dass er jetzt nicht mehr zurück ziehen konnte.
 

Am nächsten Morgen war der Amerikaner wieder der erste, der wach wurde. Erschrocken stellte er fest, dass Jule in seinen Armen lag. Gedankenversunken begann er ihren Körper zu streicheln und küsste ihr Haupt.

Dann lächelte er verbittert.

„Ich hab tatsächlich mit diesem kleinen Mädchen geschlafen...“, dachte er für sich, als die Tür aufgerissen wurde.

„Hier bist du!“, rief Felix ihm entgegen, wurde dann jedoch stutzig.

„Sag nicht du hast.. mit ihr...“

Sein Gesicht wurde fahl, konnte er kaum glauben, was er dort sah. Eine gefühlte Ewigkeit starrte er seinem Kumpel in die Augen.

„DU VERDAMMTES ARSCH!!!“, schrie er Bode an.

Noch bevor dieser irgendetwas erwidern konnte, wurde er von den Bewegungen des durch den Lärm aufgewachtem Mädchen abgelenkt.

Schmunzelnd beobachtete der Mann, wie sie, sich windend, langsam zu sich kam, die Augen rieb und ihn mit eben diesem Entsetzen anstarrte, dass er selber verspürt hatte, als er realisierte, was da gestern passiert war.

„Na, gut geschlafen?“, grinste er Jule an.

Noch im Halbschlaf bejahte die junge Frau seine Frage. Der Herr lachte auf.

„Hat dir besser gefallen, als erwartet, was?“

Jule sah ihn mit großen Augen und offenem Mund. Langsam begann ihr Gehirn zu arbeiten.

„Warte! Du hast das geplant?! Nur um mich zu ärgern?“

Der Amerikaner lachte nur.

Klatsch.

Jules Hand schlug so feste, wie das aus dem Liegen möglich ist gegen seine Wange. Ihn anfunkelnd sprang das Mädchen aus dem Bett, drehte sich um und stürmte mit Tränen in den Augen, an Felix vorbei aus dem Zimmer. Mit lautem Krachen schlug sie die Tür vom Badezimmer hinter sich zu.

Bode hingegen rappelte sich, die Wange reibend, auf.

„I'm sorry,“ murmelte er zu Felix und schaute zwischen ihnen auf den Boden. Doch zu spät, denn schon knallte die Faust des Deutschen mit voller Wucht gegen Bodes Wange und Nase.

Der Ältere stolperte schreiend zur Seite und stoß mit dem Kopf gegen den Rahmen des Spiegels. Aus Reflex packte er sich sofort an die Stelle, von der der brennende Schmerz kam, um sie sofort wieder wegzunehmen. Als er seine Finger betrachtete waren sie voller Blut. Kurz starrte Bode seinen Kumpel an, dann schaute er in den Spiegel, um sein Gesicht zu betrachten. Die Wange, nun schon zum 2. Mal getroffen, war knall rot. Mit seinen Fingern überprüfte der Mann, ob seine Nase noch heil war. Wie er so leicht an ihr wackelte, spürte Bode ein leichtes kribbeln und schon bald kam die rote Flüssigkeit zum Vorschein.

Schnellen Schrittes verließ er das Zimmer, um sich über das Waschbecken in der Küchenzeile zu hängen.

Felix, der hinterher gekommen war, reichte ihm Küchenpapier.

„Du hast es nicht anders verdient.“, murmelte er.

Miller sah ihm in die Augen und nickte nur leicht.

„Kannst du mir etwas Schnee bringen?“, fragte er stattdessen.

Der Jüngere nickte und tat ihm den gefallen. Fürs erste war Bode ja genug bestraft.
 

Als das Nasenbluten langsam nachließ, setzten sich die zwei Herren schweigend auf die Couch und warteten darauf, dass Jule aus dem Bad kam. Da dies nicht der Fall war, stand Miller auf und ging zum Bad.

„Ich glaub das ist keine gute Idee. Lass mich lieber.“, sagte Felix und drängte sich an dem anderen vorbei ins Bad, wo er hinter sich die Tür schloss.

Sofort erblickte der Mann das Mädchen unter der noch laufenden Duschen hockend. Wie er näher trat, bemerkte er ihr Schluchzen. Automatisch schnappte er sich ein Handtuch, bevor er die Tür zur Dusche öffnete und das Wasser abschaltete. Sich weg drehend reichte er ihr das Tuch, dann kniete er sich zu ihr runter.

„Hey..“, flüsterte er, während er ihre Schultern streichelte.

„Ist er immer so ein Arsch?“

„Naja, er ist schonmal etwas eigen. Aber sowas hätte ich ihm nicht zugetraut.“, erklärte Felix dem immer noch schluchzenden Mädchen.

„Aber er hat dir nicht weh getan, oder?“, fragte der junge Mann nun besorgt.

Jule schüttelte den Kopf.

„Nein, dass ist ja das Schlimme: Er hat Recht. Es war gut. Richtig gut.“
 

Während die beiden noch weiter sprachen, machte sich Bode im Sessel so seine Gedanken. Natürlich hatte er den letzten Abend nicht geplant gehabt. Aber als Jule den Gedanken aussprach, konnte er es sich nicht verkneifen, sie in dem Glauben zu lassen. Ihr Gesichtsausdruck war einfach zu schön gewesen und außerdem empfand er das als kleine Rache, dass sie ihn verführt hatte. Zwar unbewusst, aber immerhin.

Dass es Jule nun so sehr mitgenommen hatte, tat ihm Leid, aber nun konnte er auch nicht mehr zurück ziehen. Stattdessen stand Miller auf und machte sich weiter an die Arbeit, einen Weg in die Freiheit zu bahnen.
 

Nach einer Weile kam Felix hinzu und half ebenfalls. Wenig später kam Jule hinzu. Zunächst tat sie so, als wäre Bode gar nicht da, doch als sie dessen Gesicht sah, konnte sie sich nicht zurück halten.

„Was ist denn mit dir passiert?“

Die beiden Männer tauschten einen Blick aus.

„Ehm... Wir hatten ein kleines 'Gespräch' unter vier Augen, nachdem du weg warst.“, erklärte der Amerikaner.

„Gespräch?“, hakte das Mädchen mit hochgezogenen Augenbrauen nach, „So nennt man das nun also...“

Die Herren sahen sich kichernd an. Felix hatte seinem Kumpel zwar nicht verziehen, doch brauchte es mehr, um eine Freundschaft zu zerstören.
 

Schweigend arbeiteten die 3 wie schon am Vortag weiter. Schon bald war auch bei der Tür ein Loch nach oben geschaufelt, während Bode eine Art Stufen nach oben schlug. Irgendwann entfernte sich Jule, um das Mittagessen vorzubereiten.

Plötzlich hörten das Mädchen und die beiden Männer ein Bellen, gefolgt von einer Männerstimme.

„Hier muss es sein. Schaut mal dort, die 2 Löcher!“

Bode schaute sein Loch hoch und sah ein Gesicht zu sich hinunter blicken.

„Hi! Kommt doch rein. Sie kommen genau richtig zum Essen.“, grüßte er den Mann und fügte an Jule gewannt hinzu:

„Meinst du es reicht für unsere Gäste?“

„Du bist so doof,“ murmelte das Mädchen kopfschüttelnd.
 

Bald schon, waren 2 der Herren vom Suchtrupp in der Hütte, während der Rest von oben die Löcher vergrößerte, damit man alles aus der Hütte befördern konnte.

„Ihr könnt schonmal eure Sachen packen,“ meinte schließlich einer der Retter.

Gesagt getan und eine Stunde später waren die 3 Skifahrer samt Gepäck draußen. Es wurden die Ski angeschnallt und los ging die Abfahrt hinunter ins Tal.

Als dort alles geklärt war, wurde es Zeit sich zu verabschieden.

Mit einem Zögern bewegte sich Bode auf Jule zu und überwand sich schließlich, sie zu umarmen.

„Chmm.. Also, see you. And Good Luck!“

„Ja.. Bis dann.“, sagte das Mädchen verdrießlich.

Zwischen den beiden Männern verlief der Abschied herzlicher. Auch Felix wurde umarmt.

„Ok, ich denke wir sehen uns dann in Val Gardena. Bis dahin viel Spaß beim Training. Ich denke, es war trotzdem schön.“, sagte der Jüngere und warf beim letzten Satz einen Blick zu Jule.

„Ja.“, grinste Miller, wurde dann aber nachdenklich.

„It wasn't planned. But don't tell her.“, flüsterte er schließlich in Felix' Ohr und blickte schuldbewusst zu seinem Kumpel.

Dem klappte erstmal der Mund auf. Dann nickte er kurz und klopfte dem älteren ein letztes Mal auf die Schulter, bevor er ins Auto stieg, wo Jule schon am Beifahrersitz wartete.

Alltag einer Abiturientin

Zu schnell vergingen die restlichen Ferien. Jule hatte natürlich viel Zeit mit lernen für das bevorstehende Abitur verbracht. Zudem nahm sie am letzten Wochenende an einem regionalem Rennen teil, mit dem sie sich für die Westdeutschen Meisterschaften qualifizierte.

Wann immer Jule Zeit am PC verbrachte, schrieb sie mit Felix, zu dem sie wirklich eine innige Freundschaft aufgebaut hatte. Auch zu ihren Freunden aus Neuseeland und Australien hatte das Mädchen immer noch regen Kontakt, auch mit Tim, der jetzt eine neue Freundin hatte.

Das einzige, was sich für Jule nicht ergab, war ein Treffen mit Cathy, oder Maarja, oder am besten beiden zusammen. Zwar schrieben auch sie sich per ICQ, doch brachte es Jule es einfach nicht über sich, über ihre Erlebnisse in der Schweiz via Internet zu berichten.

Also musste dies bis zum ersten Montagmorgen im letzten Schulhalbjahr ihres Lebens warten.
 

An eben diesem Tag war Jule zwar totmüde, aber besonders früh in der Schule. So überpünktlich, wie das Mädchen auch war, Maarja wartete schon auf einer der begehrten Heizungen in der Pausenhalle.

„Morgen,“ grüßte Jule mit verschlafener Stimme ihre Freundin und setzte sich auf den freien Platz neben eben dieser.

„Bist du schon lange da?“

„Hey!“, erwiderte Maarja mit ihrem freundlichen Lächeln, „Ne, noch nicht so lange. Und was machst du schon so früh hier?“

Immer mehr wurde Maarja bewusst, dass irgendwas nicht stimmte. Stirnrunzelnd überlegte sie, was sie verpasst haben könnte. Normalerweise bekam sie ihre Freundin nicht vor der ersten großen Pause zu Gesicht, denn Jule war NIE vor dem 1. Gong in der Schule anzutreffen. Nicht selten sah man die junge Frau beim 2. Gong, der die Stunde einleitete über den Schulhof eilen, um eventuell, mit etwas Glück noch vorm Lehrer die Klasse zu betreten.

„Naja... also .. es gibt da etwas, was ich Cathy und dir noch nicht erzählt hab. Über den Schweizaufenthalt“, druckste die Ältere rum.

Maarja sah sie erwartungsvoll an.

„Achja.. da wollte ich dich auch noch was fragen.“, entsann sie sich und sah die andere mit gerunzelter Stirn an.

Jetzt war Jule diejenige, die verdutzt drein schaute.

„Ich hab in der Zeitung von einer Lawine in der Schweiz gelesen. Zwei bekannte Skifahrer waren wohl verschüttet gewesen. Und ich meine einer davon wäre Felix Neureuther gewesen.“, erklärte die Brünette.

Jule begann langsam zu nicken, sich ein Schmunzeln verkneifend. Gerade als sie es nicht mehr verstecken konnte, kam Cathy angeschlurft.

„Hey“, rief sie mit strahlendem Gesicht in die Runde und bekam freundliche Grüße zurück.

Die Blondine schaffte es, sich immer wieder auf's Neue nach den Ferien für die Schule zu motivieren. Zu ihrem Bedauern, und dem ihrer Lehrer, hielt dieser Elan leider nur wenige Tage.

„Du schon hier?“, fragte auch sie überrascht, als ihr bewusst wurde, dass Jule eigentlich noch nicht hierher gehörte.

„Japp“, grinste Jule ihr entgegen.

Maarja hingegen entsann sich wieder dem Thema, bevor Cathy angekommen war.

„Also Jule, warst du nicht mit Felix skifahren?“, wollte sie nun wissen.

Cathy stöhnte und verdrehte die Augen.

„Ja! Langsam solltest du das aber auch wissen.“

Maarja überging den genervten Tonfall und schaute Jule mit großen Augen an. Nach einem etwas längerem Blickkontakt gab diese nach.

„Ja. Ist ja gut. Ich war auch in der Hütte eingesperrt.“, gestand sie schließlich.

„Wie, eingesperrt?“, entfuhr es Cathy etwas lauter als geplant, sodass sich einige zu den dreien umschauten.

Julia grummelte leise.

„Deshalb bin ich früher hier. Ich konnt das einfach nicht übers Internet schreiben, aber ja, ich war Dank einer Lawine mim Felix und Miller,“ bei dessen Namen musste die junge Frau ihr Gesicht verziehen, „in der Hütte eingesperrt.“

„MILLER?!?“, schrie Cathy nun nahezu und nun starrte wirklich die gesamte Pausenhalle.

„Nicht so laut!“, beschwichtigte sie Jule.

„Der Miller für den du Jahre lang geschwärmt hast?“, wollte nun auch Maarja wissen.

„Jaaa, der“, gab die Freundin gequält zu.
 

Da es mittlerweile schon zur Stunde geläutet hat, musste die Mädchen das Gespräch auf die Pause verschieben.

Als diese anbrach, zogen die Drei sich in eine ruhige Ecke zurück. Jule erzählte von Anfang an und die beiden anderen hörten aufmerksam zu, ohne sie groß zu unterbrechen.

Jedoch nur solange, bis Jule zu den Sticheleien von Miller kam und schon bald bekam er den Spitznamen ‚Eingebildetes Arsch‘.

Dann kam Jule jedoch zu dem bestimmten Abend.

„Das ist nicht dein ernst!! Du willst doch nicht etwa sagen, dass du mit diesem eingebildeten Arsch ins Bett gesprungen bist!!“, brach es aus Cathy heraus.

Maarja schwieg dazu erstmal, so geschockt war sie. Jule hingegen schaute betröppelt zu Boden.

„Ich weiß, aber… Hach, er stand nur in Shorts vor mir. Und beim necken sind wir uns zu nah gekommen. Und du weißt ja, wie ich dann abschalte.“, erklärte das arme Mädchen und sah ihre Freundin reuevoll an.

„Wie ‚Du weißt, wie ich dann abschalte‘?“, klingte sich nun doch Maarja ein.

Jule verdrehte die Augen.

„Naja.. Ich hab das Problem, dass wenn mir ein männliches Wesen zu nahe kommt, mein Kopf abschaltet.“, gestand die 19-Jährige.

Cathy beobachtete ihr Freundin immernoch sehr skeptisch und ja, sogar gar etwas säuerlich. Wie konnte sich Jule nur auf diesen Typen einlassen. Allerdings wurde ihr dann bewusst, in was für einem Ausnahmezustand sie sich befunden haben mussten.
 

Die Züge des Mädchen entspannten sich wieder ein wenig und als Jule das bemerkte, fuhr sie fort und erzählte vom nächsten Morgen.

„ER HAT WAS?!?!“, riefen Cathy und Maarja entsetzt.

Beide starrten ihre Freundin zunächst ungläubig und dann zutiefst mitleidig an.

Diese biss sich auf die Lippen, um die Tränen zurück zu halten. Bisher hatte sie ja nur mit Felix darüber gesprochen. Es jetzt mit etwas Abstand ihren besten Freundinnen zu erzählen, war schlimmer, als sie gedacht hatte.

Sie fühlte sich, wo es einmal raus war, so schlampig. So benutzt.

So sehr Jule auch versuchte, ihre Gefühle zurück zu halten, ihre Freundinnen durchschauten sie natürlich sofort und nahmen sie in den Arm.

Schluchzend erzählte das Mädchen zuende.
 

Als die Pause zuende war, war Jule immernoch in Tränen aufgelöst. Cathy konnte so nicht anders, als ihrer Freundin ihre Dummheit zu vergeben. Kurzer Hand beschloss sie, den Rest des Unterrichts sausen zu lassen.

Also verabschiedeten sich die beiden 13er von ihrer Freundin und gingen hoch zum Parkplatz, wo sie sich zunächst einfach nur schweigend ins Auto setzten.

Sobald es Jule besser ging fuhren sie zum Kinderspielplatz und quatschten dort über Gott und die Welt.
 

Die nächsten Wochen wurde Jule schon wieder vom Schulalltag eingeholt. Der ganze Stoff, den sie zu wiederholen hatte, laugte sie aus, was sich auch in ihrer Leistung bei den zwei Rennen, die sie noch fuhr, wiederspiegelte.

Ihre Eltern glaubten schon ihren Augen nicht, als sie das sonst so lernfaule Mädchen stundenlang über Heften hängen sahen. Sollte aus ihr doch nochmal eine strebsame Person werden?

Wohl kaum, den der Stress, unter den sich das Mädchen selber setzte, machte sie kaputt. Kaum noch ging sie unter Leute. Das Haus verließ sie bald nur, um mal ins Fitnessstudio, oder mit dem Hund zu gehen.
 

Als Jule einen Freitagabend regelrecht über ihren Heften zusammenbrach, merkte sie, dass es dringenst an der Zeit war, einen Gang zurück zu schalten.

So packte sie ihre Schulsachen zusammen und legte sich auf ihr Bett, um Gedanken versunken aus dem Fenster zu schauen. Erst nach einer Viertelstunde bemerkte sie, dass draußen ja alles weiß war. Nachdem es die Wochen zuvor so warm gewesen war, dass aller Schnee weggeschmolzen war, hatte es die letzten Tage heftig geschneit.

Jule hatte dies jedoch nur am Rande mitbekommen. Erst jetzt wurde ihr klar, dass mittlerweile genug der weißen Pracht die Landschaft zierte, um auf die Piste zu gehen.

Das nahm sich das Mädchen dann auch den nächsten Tag vor und machte sich schon um 8 Uhr abends fertig für’s Bett.
 

Der Tag Auszeit hatte bei der jungen Frau geradezu Wunder bewirkt. Sie lebte wieder! Natürlich lernte sie schön fleißig weiter, war dabei aber bei weitem nicht so verbissen, wie zuvor.

Gelassen konnte sie auch zu den Westdeutschen Meisterschafften in Mayerhofen fahren. Ihre Fahrten dort waren im Vergleich zu den letzten Rennen eine Augenweide und sie konnte sich für die Deutschen Meisterschaften qualifizieren, was aber bei der Konkurrenz kein allzu großes Ding war. Es handelte sich stehts noch um Amateur-, oder gar Freizeitfahrer, wie Jule es war.

Trotzdem freute sich die 19-Jährige tierisch, konnte sie doch Felix wieder treffen.
 

Bevor Jule jedoch zu den Deutschen Meisterschaften fuhr sie noch ein österreichisches Rennen mit internationaler Beteiligung. Mittlerweile kannte sie bei Veranstaltungenen immer schon ein paar Leute und auch diesmal war dies der Fall.

Am Samstagabend nach dem Riesenslalom ging das Mädchen mit ein paar Leuten aus. Die kleine Gruppe ließ sich in einer der vielen Après-Skibars nieder. Man unterhielt sich zunächst noch über das Rennen, doch glitt schon bald zu anderen Themen über.

Nach einer halben Stunde hatte Jule die Schnauze voll davon, dass alle in der Bar nur auf ihren Hockern saßen und versuchten sich über die laute Partymusik hinweg zu unterhalten.

Schnell überzeugte sie einige Österreicherinnen davon, dass man was dagegen unternehmen musste. Die fechen Mädels machten sich auf dem freien Platz in der Mitte der Bar breit und begannen sich rhytmisch zu der Musik zu bewegen. Zunächst noch recht steif, wurden sie dabei schon sehr bald ziemlich ausgelassen, dass sich die Besucher der Location nur so nach ihnen umdrehten.

An der Bar saßen ein paar Männer, die das ganze eher kritisch betrachteten. Selbst der einzige junge Herr unter ihnen konnte seine immer schlechter werdende Laune nicht verbergen.

Als die Mädchen und Jungs, die sich mittlerweile hinzu gesellt hatten, immer ausgelassener wurden, hielt es ihn nicht mehr auf den Hocker.

Schnellen Schrittes steuerte er das Mädchen an, welches er schon die ganze Zeit am kritischsten beobachtet hatte. Es handelte sich dabei um eine Person, die Jule nur als Isabell kannte und mit der sie viel Zeit verbrachte.
 

Als sie den Typen von der Bar auf ihre Tanzpartnerin und sich zukommen sah, bemerkte Jule, dass er sie an jemanden erinnerte.

„Sagmal, ist das nicht dieser Hirscher?“, fragte sie flüsternd Isabell.

Diese drehte sich überrascht um, hatte sie gar nicht gemerkt, dass sie Gesellschaft bekommen würden. Als sie den jungen Mann sah, überlegte sie kurz, wie sie flüchten könnte.

Doch zu spät, denn schon erreichte er die Mädchen, wobei er zunächst nur einen Blick für Isabell hatte.

„Ich glaube es wird langsam Zeit, dass du ins Hotel zurück gehst!“, bemerkte er mit grimmiger Stimme.

„Wieso hast du das zu bestimmen, Marcel?“, giftete sie zurück.

„Du kennst ihn?“, fragte Jule verwundert.

Mit angespannter Miene betrachtete er zum erstenmal richtig das Mädchen, was offensichtlich eine Freundin von Isabell war.

„Ich bin ihr Bruder. Hat sie das nicht erwähnt?“, merkte der Mann trocken an.

„Was?“, rief Jule aus und schaute fragend zu Isabell.

Diese nickte und murmelte:

„Ja, leider.“

Marcel schnaubte.

„So schlimm einen Spießer wie mich als Bruder zu haben, was?“

„Ich will nunmal nicht, dass alle immer sagen: Ach ja, das ist die kleine Schwester von Marcel Hirscher.“, jammerte Isabell.

Jule tätschelte das zwei Jahre jüngere Mädchen.

„Und wieso sollte sie jetzt schon ins Bett?“, fragte Jule den großen Bruder.

„Hast du schon mal auf die Uhr geguckt? Und schau dich mal um: Das ist doch die reinste Orgie.“, schimpfte der 21-jährige Mann.

Jule guckte tatsächlich auf die Uhr und musste schmunzeln.

„Wir haben gerade mal kurz nach zehn.“, merkte sie an, „Isabell darf bis 24 Uhr hier bleiben.“

Das gab Marcel zu denken.

„Ja, aber sie hat morgen ein Rennen. Sie sollte ins Bett und sich ausruhen.“

„Ach ja! Und du nicht?“, hakte Jule mit hochgezogenen Augenbrauen nach, „Außerdem ist sie alt genug, um selbst zu entscheiden, was für sie gut ist und was nicht.“

Marcel lachte auf.

„Ich bin auch etwas älter, erfahrener und für mich ist das Rennen morgen nicht so ernst, wie für sie. Und man ist nie alt genug zu entscheiden, was für einen gut ist oder nicht“, sagte er weise.

„Hmm.. da ist was dran,“ musste Jule gestehen.

Der Herr sah seine Chance und feuerte gleich weiter:

„Außerdem ist das hier“, hierbei machte er ein Geste in Richtung der anderen Tanzenden, „ nicht gerade der Richtige Umgang für meine Schwester.“

Jule klappte der Mund auf. Kämpferisch verschränkte sie die Arme.

„Achja!! Du willst also behaupten, ich wäre nicht der richtige Umgang für deine Schwester? Ja? Du und die Herren davorne haben uns doch die ganze Zeit kritisch beobachtet. Da müsste doch aufgefallen sein, dass wir nur zwei Bier getrunken haben. Und die liegen jetzt auch schon über ne Stunde zurück. Ja, wir tanzen locker. Und? Was ist falsch daran? Wir haben ein bisschen Spaß, machen uns locker, damit wir morgen gut gelaunt das Rennen bestreiten. Du wirst sehen: Es wird unserer Leistung nicht schaden.“, hielt Jule eine kleine Standpauke.
 

Als hättte er einen Schlag ins Gesicht bekommen, starrte Marcel das kleine Mädchen vor ihm an. Was fiel ihr überhaupt ein?! Wollte diese Anfängerin ihm, dem Weltcupprofi, etwa sagen was richtig und was falsch ist?

„Schön, wie ihr meint!“, gab er schließlich auf.

„Aber komm ja nicht zu mir zum ausheulen, wenn morgen deine Leistung nicht stimmt.“, fügte er an seine Schwester gewand hinzu.

Miesepetrig schlich Marcel zurück an die Bar. Hatte er grad tatsächlich dieser Blondine nachgegeben? Er konnte es selbst nicht glauben.
 

Am nächsten Morgen hielt sich Marcel so oft wie möglich in der Nähe seiner Schwester auf. Nicht, dass er hyperfürsorglich wäre, aber bei Isabell zu sein bedeutete häufig auch in Jules Umfeld zu sein. Er musste einfach mehr über das Mädchen rausfinden, das ihn wie einen Schwächling rüber kommen ließ.

Es kam auch tatsächlich zu einigen unverfänglichen Gesprächen zwischen den beiden.

Jule, gut gelaunt und offen, wie so häufig, dachte sich nicht viel dabei. Jedoch wunderte sie sich schon ein bisschen, dass der junge Herr so freundlich und nett sein konnte.

So gegensätzlich sie vom Charakter auch waren, verstanden sie sich heute blendend.
 

Langsam begann Marcel auch zu verstehen, was das Mädchen gestern mit der Lockerheit meinte. Während Jule und Isabell gelassen, aber trotzdem mit nötiger Konzentration angingen, fuhr er selbst sein Rennen ziemlich verkrampft und verlor an Geschwindigkeit durch zu hartes Kanten.

Den Mädels gelang es locker in die Top10 zu fahren. Er selbst hatte als Topfavorit seine Mühe mit den besten Läufern mitzuhalten.

Nach den Rennen hieß es für ihn leider schon, sich zu verabschieden. Jedoch wollten sie noch per ICQ in Kontakt bleiben. Er konnte es gar nicht erwarten, sich weiter mit ihr auszutauschen, war sie doch so erfrischend für ihn.
 

Auch Jule machte sich auf dem Heimweg so ihre Gedanken. Er war ja schon sehr nett. Und irgendwie der perfekte Gegenpol zu ihr.

Aber Lust auf eine Fernbeziehung hatte sie dann doch nicht. Außerdem hatte sie erstmal genug von mehr.
 

Wieder zuhause, machte Jule sich sofort ans Lernen und konzentrierte sich auf die Abivorbereitung. Bis zu dem Tag als es hieß: Koffer packen für die Deutschen Meisterschaften.

Als das Mädchen am Austragungsort ankam wurde sie mit einem Freude strahlendem Lächeln begrüßt. Felix erwartete sie nämlich schon, als sie aus dem Bus ausstieg.

Sofort plauderten die beiden locker drauf los. Felix, ganz der Gentleman, nahm natürlich einen Großteil ihrer Sachen und trug sie ihr bis ins Zimmer.

„So, du hast also mit Hirscher angebandelt?“, wollte der junge Mann schließlich wissen.

Jule musste grinsen.

„Naja. Da ist eigentlich nicht mehr, als eine freundlicher Internetkontakt.“, sagte das Mädchen wahrheitsgetreu.

„Aber es bahnt sich was an. Du hast es ihm glaub wirklich angetan.“, meinte Felix, „Außerdem ist er ein echt guter Kerl.“

„Hmm..“, überlegte Jule, „Aber wie soll das als Fernbeziehung funktionieren? Abgesehen davon, bin ich glaub nicht bereit für mehr, im moment.“

„Immer noch wegen, du weißt schon, Bode?“, wollte ihr Kumpel besorgt wissen.

„Ja, auch. Aber ich konzentrier mich erstmal voll aufs Abi.“, gestand Jule.

Und fügte grinsend hinzu:

„Ok, voll ist relativ, wenn ich mal eben noch Rennen fahre.“

Auch Felix schmunzelte.

„Verstehe. Naja, meinen Segen hättet ihr auf jedenfall.“

„Ach! Und seit wann hast du das Sagen, mit wem ich gehen darf und mit wem nicht?“, fragt die Blondine empört.

„Natürlich geht es mich was an, mit wem meine kleine Schwester hier zusammen ist!“, erklärte er grinsend, legte einen Arm um ihre Schulter, um sie an sich zu drücken und wuschelte mit der andren Hand ihr Haar.
 

Die Meisterschaften verliefen recht erfreulich und Jule hatte viel Spaß.

Zwar hatte sie in ihrer eigentlichen Paradedisziplin keinerlei Chance, auch nur Ansatzweise mit den Topfahrerinnen mitzuhalten, denn dafür war die Leistungsdichte des deutschen Kaders im Slalom viel zu groß. Und auch das Ergebnis im Riesenslalom, war nicht grad das beste. Doch in den Speeddisziplinen zeigte Jule unentdecktes Talent.

Zu aller Überraschung schaffte es die quirlige Läuferin des Westdeutschen Skiverbands auf den dritten Platz im Super-G.

Das Mädchen bekam sich nicht ein vor Lachen. Wie konnte sie bei den Deutschen Meisterschaften eine Bronzemedaille holen?

Ok, man musste zugeben, dass sie wirklich Glück mit dem Wetter hatte. Mussten die Topläufer noch in regem Schnee- und Schneeregentreiben starten, kam bei den hinteren Startnummern sogar die Sonne zum Vorschein.

So konnte nicht nur Jule nach vorne fahren.
 

Bei fairen Bedingungen in der Abfahrt bestätigte Jule jedoch ihre Leistung einen sauberen Lauf hinunter brachte. Sie beendete ihn als Zehnte, was doch eine beachtliche Leistung war, wenn man bedachte, wie wenig Erfahrung sie hatte und eigentlich kein richtiges Training über sich ergehen ließ.

Auch die Trainer merkten sich ihren Namen. Im Sommer sollte sie dann auch Einladungen zu Trainingseinheiten bekommen und je nach Leistung könnte man sie ja mindestens schonmal im Europacup starten lassen. Doch das lag ja noch alles in weiter Ferne.

Eins stand auf jedenfall fest: Sie war ein Talent, das gefördert werden musste.
 

Als Jule mit der Medaille nach Hause kam zollten ihre Eltern ihr zum ersten Mal richtigen Respekt. Sie hatte es geschafft gute Leistungen zu bringen, ohne die Schule zu vernachlässigen. Zudem hatte sie für ihren Traum alleine gekämpft. Natürlich hatte sie viel Glück gehabt und wurde von Leuten mit Connection unterstützt. Doch hatte sie diese erstmal überzeugen müssen. Diese eine ‚Saison‘, wenn man das so nennen konnte, denn schließlich bestand der Winter aus einem einzigen Mischmasch an Rennen, hatte gezeigt, dass wo ein Wille ist, auch ein Weg ist.
 

Viel Zeit zur Freude blieb dem armen Mädchen jedoch nicht, denn schon standen die Abiturprüfungen vor der Tür.

Trotz des vielen Lernens konnte man nicht sagen, dass sie ein leichtes für Jule waren. Doch mit viel Mühe konnte sie die Prüfungen doch zufriedenstellend abschließen. Dabei hatte sie noch Glück, denn in ihren beiden LKs schrabbte sie nur knapp an mündlichen Nachprüfungen vorbei.

Während in Mathe ihre Note mit einer 1- fast noch zu gut gewesen wäre, ließ eine eher enttäuschende 3 sie in Biologie zittern.

Englisch fiel mit einer glatten 1 wie erwartet gut aus. Wohingegen die mündliche Prüfung, in der sie durch ihr im Winter gewonnenes Selbstvertrauen gut frei sprechen konnte, ihre Geschichtsnote wegen inhaltlichen Mängeln auf eine glatte 3 katapultierte.

Insgesamt kam die junge Frau auf einen für sie vollkommen zufriedenstellenden Durchschnitt von 2,3.
 

Als dies geschafft war, stand Cathy und Jule nun der wohlverdiente Urlaub bevor.

Begleitet von Maarja, ging es endlich nach Madrid in die Sonne.



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Kommentare zu dieser Fanfic (9)
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Von: abgemeldet
2010-11-16T13:05:19+00:00 16.11.2010 14:05
das kapitel lässt sich echt gut lesen, das stimmt.
auch wenn es etwas weniger spannend ist als die davor (ok am anfang schon), aber ich denke das war beabsichtigt :)
und jetzt will ich aber wissen, was in madrid passiert ;D
Von:  Katherine_Pierce
2010-11-14T12:31:56+00:00 14.11.2010 13:31
Wuhu,
es geht nach Madrid. Und Jule hat einem Typen den Kopf verdreht *g*
Also, auf Madrid bin ich gespannt^^
Das war ein gutes Kapitel, nicht zu sehr Füllsel und nicht zu sehr Storylastig, genau in der Mitte. Genug Informationen zu allem, was man nicht kennen könnte. Hm, ich schenk dir zu Weihnachten einen Duden :P
Von: abgemeldet
2010-11-14T12:27:40+00:00 14.11.2010 13:27
cathy: die mängel in der rechtschreibung hab ich heut morgen *wimmer* auch gesehen, musst net alles hier auflisten ;-)

Von:  Katherine_Pierce
2010-10-20T15:55:38+00:00 20.10.2010 17:55
So,
ich bin auch dazu gekommen, es zu lesen und HALLO? Ich könnte dem Mr Miller auch nochmal den Hals umdrehen. Schade, dass Felix nicht nochmal draufgehauen hat. Honestly, Männer, die so sind, sind einfach scheiße...
Gramamtisch und Rechtschreibungsmäßig hab ich allerdings ein bisschen zu meckern. Zum Einen hat Jule Felix wenn dann den KOPF verdreht und nicht die Augen xD Oder sie hat ihm schöne Augen gemacht, aber nicht die Augen vedreht, denn das wäre ja nicht positiv, as you know. Scheißkerl wird zusammengeschrieben, genau wie knallrot und miesgelaunt. Bei einem Satz hast du ein 'wir' vergessen(war die FRage, ob sie nicht mal essen wollten). Zahlen bis 13 werden immer ausgeschrieben. Okay immer mit a, auch wenn ich weiß, wie dus gemeint hast ;) Der Spiegel war höchstens altmodisch, aber nicht altbacken. Nur Brot kann altbacken sein :) Und Kribbeln war in dem Zusammenhang ein Nomen, also großzuschreiben.
Ich hoffe, dass hält dich trotzdem nicht davon ab, eifrig weiterzuschreiben. Maarja und Cathy wollen schließlich wissen, was Jule so erlebt hat!
Von:  Katherine_Pierce
2010-10-11T16:18:29+00:00 11.10.2010 18:18
Wow, drama you love it, me thinks xD
Also, irgenwie mag ich Miller. Der Kerl ist witzig *lach*
Und Felix ist einfach bloß knuffig!
Aber wann gehts denn mal ans Eingemachte? Bzgl. Madrid und so *kicher*
Hier hattest du auch wieder ein paar Schnitzer drin, Rechtschreibungsmäßig und manchmal machst du es wie ich: du vergisst einen Teil des Satzes oder endest mit einer anderen Formulierung, als du begonnen hattest, aber das macht ja nichts. Passiert nun mal im Eifer des Gefechts.
Von:  Katherine_Pierce
2010-09-27T17:40:36+00:00 27.09.2010 19:40
Holla, da gehts aber zu *lach*
Notgeile Japaner, Neuseeländer, die sich als gute Liebhaber erweisen, ein fieser Trainer. Drama's finest ;)
Bin mal gespannt, was für Stress auf die liebe Jule zukommt und ob sie noch öfter Neuseeland-Tim zu Gesicht bekommt xD
Wann gehts nach Spanien? Don't forget, da ist auch Party angesagt.
Also, in diesem Sinne bis zum nächsten Kapitel :)
Von:  Katherine_Pierce
2010-09-24T16:10:36+00:00 24.09.2010 18:10
Mann, du hörst beim Spannendensten auf...
Was passiert denn in den Ferien?
*wissen will*
Du hast mich echt neugierig gemacht!
Und du hast schon wieder Kim statt Maarja geschrieben XD Ach ja, kleiner Tipp am Rande: Masse, nicht Maße ;)
Oh mann...ich will weiterlesen!!!!
Von:  Katherine_Pierce
2010-09-13T15:42:28+00:00 13.09.2010 17:42
Hey :)
Ja, das war jetzt weniger Ski-lastig^^
Und dreist sind wir ja mal gar nicht *lach*
Dass der Kerl dich nicht gewatscht hat, wundert mich xD
Bin gespann wies weitergeht!

Aber ein paar Sachen hab ich dann wieder zu Meckern(Kritik hilft, sich zu verbessern, so critique me if you like :)).
Du hast am Anfang des Chaps geschrieben, dass Jule die Lieder mitsummt im Radio, sie aber auch mitsingt. Eins von beiden häte genügt, das ist sonst doppelt gemoppelt und klingt unschön bzw. seltsam ;)
Dann noch zu den Worten des Kommentators: Woher weiß der Kerl, dass Jule keine Rennerfahrung hat? Sie könnte ja genausogut regional was gefahren sein, von dem die Piefkes, die sich um die Profis bemühen, keine Ahnung haben. Vom daher: unlogisch, bedarf einer Erklärung :)
Uuund was ich dir noch ganz, ganz dringen empfehle: lass Jule ja nicht zu erfolgreich sein, sonst artet das schnell in eine Mary Sue aus(dazu liest du am Besten die Erklärung, was Mary Sue ist). Ich weiß, dass ist gemein, aber lieber ein paar Misserfolge mehr, als ne Mary Sue *patta*

So, das wars auch und schreib ja weiter :D
Von: abgemeldet
2010-09-12T13:54:09+00:00 12.09.2010 15:54
xDDDDDDD
upps... ich sag ja.. hab nicht korrigiert :P
(wegen kim)

geht ja nunmal ums skifahren ^^
hab mich da aber beim sonntag kürzer gehalten :)

danke für die tipps ^^
Von:  Katherine_Pierce
2010-09-12T13:33:34+00:00 12.09.2010 15:33
Hey :)
Das war zwar jetzt seeeehr skilastig, aber trotzdem gut. Kanns kaum erwarten, wies weitergeht, also halt dich ran.
Kleiner Tipp: du solltest mehr Absätze machen, dann lässt es sich um Einiges leichter lesen und ist nicht so blockmäßig(sehr anstrengend fürs Auge). Gut wär außerdem, wenn du bei wörtlicher Rede eine neue Zeile anfingst, dann fällt einem leichter auf, dass gesprochen wird. Und einmal hast du Kim statt Maarja geschrieben xD
Ansonsten aber nichts zu meckern^^°


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