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Follow me into another World

Riku x Sora, Axel x Roxas
von

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Ein Krach, ein Bumm und da war er

Mein Leben war nicht das, was man als aufregend bezeichnen konnte und wenn ich ehrlich zu mir selbst war (und das war ich nur in der Nacht), konnte ich mich auch nicht als glücklich bezeichnen. Ich hatte einen dummen Job, in einem dummen Büro, wo ich für eine Firma arbeitete, die eine Zeitung heraus brachte. Ich machte die Fotos für die Berichte. Aber auch wenn ich gern fotografierte, war es nicht das, was mich erfüllte. Fotos von alten Menschen in einem Altersheim zu machen, hatte nichts von Kreativität, gehörte aber zu meinem Job, wenn das Altersheim sein Fünfzigstes Bestehen feierte.
 

Meine Karriere (wenn man sie als solche bezeichnen möchte), zog sich hin wie Kaugummi und auch wenn meine Aufgaben variierten, war es in meinen Augen doch immer das gleiche. Vielleicht lag es auch nur an meiner Unzufriedenheit, das ich so dachte, Schließlich ging es mir gut: Ich verdiente gutes Geld, hatte ein Dach über den Kopf und konnte mir beinahe alles leisten, was ich so haben wollte – und das war nicht mal viel, was ich so brauchte. Trotzdem war ich unzufrieden, da ich mir für mein Leben etwas anderes vorgestellt hatte.
 

Ich lebte in eine große Stadt, wo es eine Menge Menschen gab, doch trotzdem war ich allein. Natürlich war ich selbst daran Schuld, denn wenn ich nicht ausging, konnte ich auch niemanden kennen lernen. Es war eine logische Sache, doch würde sich auch nichts daran ändern, wenn ich meinen Hintern bewegte und wirklich vor die Tür trat. Denn manchmal hatte ich einfach das Gefühl, für andere Menschen unsichtbar zu sein. In einer Großstadt sollte das normal sein, aber nicht in einer Firma, wo ich selbst für meine Kollegen nicht existierte.
 

So kam es, das mein Kollege, mit dem ich jahrelang in einem Büro zusammen gearbeitet hatte, sich nicht einmal verabschiedete, als er seinen Job kündigte, um in einer anderen Stadt sein Glück zu versuchen. Seitdem war ich allein in diesem stickigen Raum, doch störte mich das kaum mehr, schließlich war ich die Einsamkeit schon gewöhnt und war mein ständiger Begleiter. Doch tröstete ich mich damit, das ich so wenigstens in Ruhe arbeiten konnte – jedenfalls bis zu dem Tag, als sich polternd die Tür öffnete und mich jemand mit einem strahlenden Lächeln ansah.
 

Ich war gerade dabei gewesen, meine Bilder in einem Textfeld einzufügen, als ich erschrocken meine Maus durch die Gegend schleuderte, als ich den plötzlichen Krach hörte. Sie fiel mit einem scheppern zu Boden, doch ich achtete nicht drauf und starrte auf den unerwarteten Besuch. Seit wann verirrt sich jemand ausgerechnet hier her? Mein Gast grinste mich nur amüsiert an und betrat ganz den Raum, um seine Pappkiste auf den anderen Schreibtisch zu stellen.
 

Ich beobachtete ihn skeptisch und wusste nicht, was ich tun sollte. Dafür wusste der Fremde was zu tun war und lief zu mir, um mir freudestrahlend seine Hand hinzuhalten. Ungläubig sah ich darauf, um nur kurz darauf zu dem grinsenden Gesicht hinauf zu sehen. Dieser nahm einfach meine Hand in seine und schüttelte sie, als er merkte, das ich nicht reagierte.
 

„Ich bin Sora“, stellte er sich vergnügt vor.

„Riku“, schaffte ich endlich zu sagen. Er nickte und ließ seinen Blick durch den Raum wandern. Seine Gesichtszüge veränderte sich, als würde ihm etwas missfallen und noch bevor ich mich fragen konnte, was es denn sein könnte, lief er zum Fenster und zog mit einem weiteren fürchterlichen Geräusch die Jalousie, um die Sonne in den Raum hinein zu lassen. Die plötzliche Helligkeit machte mich fast blind, waren meine Augen doch nur recht dunkle Licht gewöhnt.
 

Ich kniff die Augen zu Schlitzen zusammen, wobei ich weiterhin beobachtete, wie der Fremde sogar das Fenster öffnete, um die warme Frühlingsluft hinein zu lassen. Die dummen Vögel begannen zu zwitschern, da mein Fenster zum Hinterhof hinaus führte. Ich hasste diesen Singsang schon jetzt, doch dem Brünetten schien es zu gefallen, denn er drehte sich zufrieden zu mir um. Wieder grinste er mich an und ließ sich nicht mal von meinem Gesichtsausdruck abschrecken, der nicht sonderlich begeistert sein dürfte. Er war gerade mal ein paar Minuten hier und benahm sich schon, als wäre es sein Büro. Ich war fassungslos.
 

„So lässt es sich doch arbeiten“, freute er sich und lief fröhlich zu dem Schreibtisch zurück, um seinen Pappkarton auszupacken, der noch immer unberührt da stand. Was da zum Vorschein kam, ließ mir den Mund offen stehen. Unfähig irgendwie zu reagieren oder gar etwas zu sagen, beobachtete ich ihn, wie er eine rote Lampe mit ebenfalls roten Teddyohren heraus zog und die sorgsam auf den Tisch neben den Monitor stellte. Dazu folgte ein Bild in einem Rahmen, ein Plüschtier, einen Blumentopf mit bunten Blüten und ein paar Plastikablagen. Doch das schlimmste sollte noch folgen: ein blaues Radio, das die Form einer Katze hatte.
 

Während ich mir noch überlegte, ob es an diesem Pappkarton einen doppelten Boden gab (schließlich konnten unmöglich so viele Dinge dort hinein passen), suchte Sora einen geeigneten Platz für das Gerät. Nur gab es nicht viel, wohin man es platzieren konnte. So schob er sich seinen Stuhl zurecht, um darauf zu steigen und das Radio auf den hohen Schrank zu stellen. Dabei wurde von ihm nicht bedacht, das es sich dabei um einen Drehstuhl handelte. So sprang ich auf, als es gefährlich zu wackeln begann und hielt die Lehne fest, damit er nicht hinunter fallen konnte. Dankbar sah er zu mir hinunter, nur um gleich darauf das Radio hin und her zu rücken, um den geeigneten Platz zu finden. Dabei hatte ich eine schöne Aussicht auf seinen Hintern, der ein wenig herum wackelte, während er einen geeigneten Sender suchte. Ich schüttelte nur mürrisch den Kopf, als mir klar wurde, was ich da für ein dummes Zeug dachte und riss meinen Blick von diesem entzückenden Po weg.
 

Die schreckliche Musik, die nun aus dem Radio kam, lenkte mich zum Glück ab und so bekam ich nicht mal richtig mit, wie er wieder vom Stuhl kletterte und mich direkt ansprach. Erst als er mich mit merkwürdigen Blick musterte, sah ich zu ihm hinab und merkte nach seinem „Du kannst den Stuhl jetzt loslassen“ Kommentar, wie dumm ich mich eigentlich aufführte. Was war nur mit mir los, verdammt nochmal? Sonst handelte ich doch auch kontrolliert und überlegte mir meine Schritte, bevor ich irgendwas tat. Wie konnte es sein, das mich diese wunderschönen blauen Augen, die mich nun ansahen, so aus dem Konzept brachten?
 

Während ich noch nach einer Antwort suchte, führten meine Hände ein Eigenleben und ließen die Lehne des Stuhls los, damit der Brünette ihn wieder an seinem Schreibtisch rollen konnte. Ein wenig verwirrt über die neue Situation, stellte ich mich leise hinter ihm und beobachtete, wie er den Computer anschaltete und darauf wartete, dass er endlich hochfuhr. Ungeduldig tippte Sora mit den Fingern auf der Oberfläche des Tisches herum und machte mich damit zusätzlich nervös. Ich wusste nicht was es war, doch irgendwie konnte der Brünette einfach nicht still sitzen und brauchte immer was zu tun. Diese Eigenschaft von ihm, sollte mich noch so manches Mal in den Wahnsinn treiben.
 

Ich hörte ihn ärgerlich etwas murmeln, doch lenkte mich ein Bild ab, das neben dem Monitor stand. Es steckte in einem blauen Rahmen, das mit bunten Blumen und Schmetterlingen verziert war und zeigte einen blonden jungen Mann, der fröhlich in die Kamera grinste. Vielleicht lag es daran, dass ich eher isoliert lebte, doch ein Gefühl der Eifersucht kam in mir auf, als ich so das Bild betrachtete. Ich wollte gar nicht erst darüber nachdenken, warum ich so fühlte, könnte mir das Ergebnis doch nicht gefallen. Schließlich ging es mich nichts an, ob es sich bei dem Blonden um seinen Partner oder doch nur um einen Freund handelte. Doch irgendwie war ich in dem Glauben, das es sich dabei um seinen Partner handelte. Warum sonst sollte er ein Foto von ihm auf dem Schreibtisch haben?
 

Ich ermahnte mich im stillen, diese seltsamen Gedanken sein zu lassen. Schließlich kannte ich nur den Namen des Brünetten und sonst nichts. Doch irgendwie hatte er etwas an sich, das ihn für mich sympathisch und vor allem interessant machte – wenn man mal von der Musik absah, die laut durch den Raum schallte. Ich sollte mir Kopfschmerztabletten besorgen, wenn ich das hier überleben wollte. Der Brünette ahnte nichts von meinen Überlegungen und haute laut auf die Tasten ein, als der Computer endlich hochgefahren war. Ich stand immer noch hinter ihm, als ich leicht schmunzelnd zu ihm hinunter sah und beobachtete, wie er mit seiner Nase fast den Bildschirm berührte.
 

„Was ist das für ein Computer?“, beklagte er sich und haute weiterhin auf die Tastatur herum. „Das Ding ist doch aus der Steinzeit!“

„Er ist aus den neunzigern“, korrigierte ich, doch bekam nur ein murren als Antwort. „Mit der Zeit wirst du dich daran gewöhnen und dich damit abfinden, dass die Computer hier ein wenig langsamer funktionieren.“ Er schnaubte und drehte sich empört zu mir um. So schnell, das ich keine Zeit mehr hatte um auszuweichen, so dass unsere Nasen miteinander kollidierten. Ein kleines Kribbeln ging durch meinem Bauch, bei dieser unschuldigen Berührung und als wenn ich mich an etwas verbrannt hätte, wich ich zurück. Sora grinste mich nur amüsiert an und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, um mich aufmerksam anzusehen.
 

Ich konnte fühlen, wie sich meine Miene versteinerte, als er mich mit diesem intensiven Blick ansah. So versuchte ich schnell aus dieser Situation zu entkommen und richtete mich auf, um wieder zu meinen eigenen Schreibtisch zu gelangen. Auf die Idee, ihm zu helfen kam ich erst gar nicht, wollte ich doch nur an einem sicheren Ort und mich einfach nur hinter meinem Monitor verstecken. Bei meiner Flucht entging mir natürlich nicht, wie sich sein Grinsen erweiterte und er mich weiterhin amüsiert beobachtete. Ich mochte es nicht, hatte ich doch das Gefühl, das ich ausgelacht wurde.
 

Beinahe hektisch ließ ich mich in meinem Stuhl fallen und war froh, dass ich von meinem Standpunkt aus, Sora nicht mehr sehen konnte, da er hinter dem Bildschirm verschwunden war. So versuchte ich mich wieder an meine Arbeit zu machen, doch die Musik und die lauten Geräusche, die der Brünette machte, hinderten mich daran. Irgendwann erwischte ich mich sogar dabei, wie ich zum Takt der Musik auf meine Tastatur herum tippte. Das konnte doch nicht wahr sein! Als ich kurz davor war, das Radio aus dem Fenster zu schmeißen, damit ich endlich meine Ruhe hatte, sprang der Brünette auf und streckte sich ausgiebig. Mit einer hochgezogenen Augenbraue, schaute ich über den Monitor und beobachtete, wie er an meinem Schreibtisch vorbei lief und einfach den Raum verließ.
 

Ich wusste nicht, was das jetzt wieder sollte, doch war es meine Chance, das furchtbare Radio zu entfernen. Früher oder später musste ich mich entscheiden, ob er oder das Gerät und spontan entschied ich mich dafür, dass das Radio am leichtesten zu entsorgen war – den Brünetten verschwinden zu lassen, würde zu viele Fragen aufwerfen. So stand ich entschlossen auf und lief zum Schrank, um keine Zeit zu verlieren. Mit Leichtigkeit (da ich nicht so ein Winzling war wie Sora), nahm ich das Radio vom Schrank und sah mich im Raum um, um ein geeignetes Versteck für diesen sinnlosen Apparat zu finden. Nur gab es nicht viel in diesem Zimmer, um es langanhaltend verschwinden zu lassen.
 

Zuerst dachte ich daran, es einfach in die Toilette zu versenken, doch verwarf ich die Idee schnell wieder, da es wohl niemanden gefallen würde, wenn die Toilette überflutet war. Realistisch gesehen, würde es noch nicht einmal dort hinein passen. Aber wer hielt sich schon mit solchen Nebensächlichkeiten auf? Als ich schon langsam verzweifelte, fiel mir der kleine Keller ein in dem ich mal musste, um ein paar Akten zu holen. Das war das perfekte Versteck, denn Sora wusste nicht mal von der Existenz von diesem Keller und war so zugemüllt, dass er das Gerät unmöglich finden konnte, wenn ich es nur einigermaßen clever anstellte.
 

Kurzentschlossen trug ich das Radio aus dem Raum und machte mich auf den Weg in den Keller. Dort angekommen öffnete ich vorsichtig die Holztür, die knarrend nachgab und mir ein Anblick offenbarte, den ich so nicht erwartet hatte. Nach meinem letzten Besuch war es noch schlimmer geworden, als ich es erwartet hatte. Der Turm aus Schrott, alten Schränken und irgendwelchen Bürokram türmte sich bis an die Decke und ich musste aufpassen was ich tat, wenn ich nicht darunter begraben werden wollte. Meine Kollegen hatten sich wirklich Mühe gegeben, noch mehr unnützes Zeug in den Keller zu befördern. Da würde ein Gegenstand mehr auch nicht auffallen.
 

Ich traute mich vorsichtig weiter vor und entdeckte eine hübsche Ecke, in der ich das alberne Gerät gut verstecken konnte. So schob ich das Gerümpel zur Seite, biss mir hart auf die Lippen, um ein unmännlichen Schrei zu unterdrücken, als bei meiner Tätigkeit ein paar dicke Spinnen über den Boden krabbelten und platzierte das Gerät so weit wie möglich in die Ecke. Nachdem das getan war, schob ich den Schrott wieder auf seinen ursprünglichen Platz und sah mir zufrieden mein Werk an. Endlich wieder Ruhe.
 

Diese Freude sollte nur nicht von langer Dauer sein, denn als ich wieder mein Büro betrat, drehte sich der Stuhl in meine Richtung und in ihm saß Sora, der mich mit einem wütenden Gesichtsausdruck begrüßte. Zusammengezogene Augenbrauen, die Lippen aufeinander gepresst, verschränkte Arme – ja, ich denke, das ist seine Art zu zeigen, das er wütend war. Das Bestätigte sich, als er mit knurrender Stimme „Wo ist mein Radio?“, sagte. Ich musste mich beherrschen um nicht loszulachen, als er es sagte, da er so verdammt süß dabei war. Ich wandte lieber mein Gesicht ab, als ich an ihm vorbei lief, um mein Schmunzeln vor ihm zu verbergen. Doch als ich mich wieder an meinem Platz setzte und weiter meiner Arbeit nachging, hörte ich ihn aufspringen und schon knallten zwei Hände auf meine Tischplatte, um meine Aufmerksamkeit zu bekommen. Das hätte er nicht mal machen müssen, denn seine Anwesenheit war mir viel zu deutlich bewusst.
 

Diesmal konnte ich mein Schmunzeln nicht verbergen, als ich meinen Kopf hob und direkt in das Gesicht des Brünetten sah. Er war so unglaublich süß, doch fasste er mein Grinsen natürlich vollkommen falsch auf. Seine sonst strahlenden blauen Augen funkelten mich böse an, so dass selbst mir das Lachen verging. Natürlich nur fast, denn innerhalb von ein paar Sekunden hatte ich meinen gewohnt unbeeindruckten Blick wieder aufgesetzt und wartete ab, was er mir zu sagen hatte. Das war natürlich nichts nettes und während er auf mich ein schimpfte, konnte ich etwas in seinen Augenwinkeln glitzern sehen. Vielleicht war es nur eine Täuschung gewesen, denn nachdem er sich kurz von mir weggedreht hatte, um weiter mit seinen Händen herum zu fuchteln, war es auch wieder verschwunden.
 

„Ich bin gerade mal eine Stunde hier und du hast bereits mein Eigentum geklaut!“, schimpfte er, während er vor meinem Schreibtisch auf und ab lief. „Aber ich konnte ja nicht auf die anderen hören, die mich vor dir gewarnt haben. Diese dummen Geschichten, die über dich kursieren, stimmen also doch! Nur ich Blödmann wollte natürlich nicht darauf hören.“ Ich war mir sicher, dass er nicht mal wusste, was er so von sich gab, während er so vor sich hin wetterte. Es war auch nicht weiter wichtig, denn ich hatte gehört, was mir sowieso schon bewusst war. Schließlich war ich nicht dumm oder eher blind, um zu wissen, dass mir meine Kollegen aus dem Weg gingen. Trotzdem blieb Sora ertappt stehen, als ihm endlich bewusst wurde, was er da gesagt hatte und blickte schuldbewusst zu mir hinunter.
 

In dem Moment konnte ich wirklich nur hoffen, das mein Gesichtsausdruck so wirkte, wie ich es beabsichtigt hatte: kalt und ausdruckslos. Ich glaubte erfolgreich zu sein, denn Sora ging ein paar Schritte zurück und machte ein erschrockenes Gesicht. Diesmal fummelte er an dem Saum seiner Shorts herum, als er unentschlossen zu Boden blickte. Wenigstens war er sich im Klaren, das er zu viel erzählt hatte. Immer wieder öffnete sich sein Mund, um etwas zu sagen, doch über seine hübschen Lippen kam kein einziges Wort.
 

„Wir sollten weiter arbeiten“, sagte ich entschieden, nachdem Sora eine Weile nur sinnlos herum gestanden hatte und versuchte die richtigen Worte zu finden. Er nickte nur stumm und ging zurück zu seinem Platz, um das weiter zu machen, wofür er auch bezahlt wurde. Ich sollte zufrieden sein, denn nun hatte ich endlich Ruhe. Doch war es nicht die Art von Ruhe, die ich mir gewünscht hatte. Eine seltsame Spannung lag zwischen uns und immer wieder warf ich flüchtige Blicke zu dem Brünetten, wenn ich glaubte, dass er viel zu sehr mit seiner eigenen Arbeit beschäftigt war, um es zu bemerken. Nur manchmal trafen sich unsere Blicke, doch hielten sie nur ein paar Sekunden an, bis sich einer von uns wieder abwendete.
 

Es war so unmöglich zu arbeiten und das lag nicht nur an die Stimmung in diesem Raum, sondern auch an Sora selbst. Jedes Geräusch das er machte, hinderte mich daran, mich auf meine Arbeit konzentrieren zu können und am Ende des Tages, hatte ich kaum etwas geschafft. Doch während ich mich schon darauf einstellte Überstunden zu machen, erhob sich Sora pünktlich zum Feierabend und verschwand ohne ein Wort aus dem Büro. Die plötzliche Stille waren beruhigend für meine Nerven, doch als ich glaubte, endlich weiter machen zu können, fingen meine Gedanken an, mich zu nerven. Immer wieder schweifte ich ab und dachte daran zurück, was an diesem Tag passiert war. So lange, bis ich endlich aufgab und ebenfalls meine Sachen packte, um nach Hause zu gehen.

Doch nicht allein

Am nächsten Morgen bestätigte sich dass, was ich erwartet hatte: das Büro war leer und nur die bunten Dinge auf den anderen Schreibtisch erinnerte mich daran, dass der Brünette das der Brünette mal hier gewesen war. Ich war nicht mal überrascht darüber, nahm resigniert die Sachen wahr, als ich neben dem Tisch zum stehen kam. Ein bitteres Lächeln zuckte um meine Mundwinkel, als mein Blick auf die Blumen fielen, die noch immer neben dieser lächerlichen Lampe standen. Im Laufe des Tages würde er seine Sachen abholen und dann war ich wieder allein. So wie immer. Ich sollte wohl dankbar dafür sein, endlich wieder meine Ruhe zu bekommen. Doch ein flaues Gefühl breitete sich in meinem Bauch aus und irgendwie passte mir der Gedanke nicht, nur würde ich daran nichts ändern können. Mir kam eine Idee, um wenigstens ein wenig die Wogen zu glätten und meine Schuld wenigstens ein bisschen wieder gut zu machen. So machte ich mich auf und holte sein hässliches Katzenradio wieder aus dem Keller, um es auf seinen Schreibtisch zu stellen. Schließlich wollte er sicher alle seine Sachen wieder mitnehmen.
 

Ich war zufrieden mit mir und setzte mich an meinem Schreibtisch, um die Arbeit nachzuholen, die gestern liegen geblieben war. Diesmal klappte es besser und schon bald war ich so vertieft in meiner Tätigkeit, dass ich fürchterlich erschreckte, als die Tür mit Schwung gegen die Wand donnerte. Mit großen Augen starrte ich auf den Eindringling, doch dieser lächelte mich nur entschuldigend an. Diesen Ausdruck behielt er aber nur kurz, denn schon bald kam wieder das aufmüpfige zum Vorschein und aus dem Lächeln wurde ein freches Grinsen.
 

„Sorry, Mister Perfect, nicht jeder kann pünktlich auf Arbeit erscheinen. Manche Menschen haben noch ein Leben“, er grinste mich schelmisch an und ließ zweideutig seine Augenbrauen hüpfen, „und meins war diese Nacht ziemlich wild.“ Ich hob abwehrend die Hände hoch und machte protestierende Geräusche, als Zeichen, das ich das überhaupt nicht wissen wollte. Es war auch wirklich so, das mich die Privatangelegenheiten von anderen Menschen nicht interessierte und das Leben von Sora interessierte mich besonders nicht – jedenfalls redete ich mir das konsequent ein. So ging ich auf seine Andeutungen gar nicht erst ein.
 

Stattdessen setzte ich mich gerade auf und sah den Brünetten mit strengen Blick an. „Es hat rein gar nichts mit Perfektion zu tun, pünktlich auf Arbeit zu erscheinen“, belehrte ich und erntete ein Augenrollen von ihm, „außerdem war ich nicht auf die Minute genau auf Arbeit erschienen. Und damit es gleich klar ist: dein Privatleben interessiert mich kein bisschen.“ Soras Mundwinkel gingen nach oben, während er mit seinen Fingerspitzen gegen sein Kinn tippte, als würde er über etwas nachdenken. „Schade, die Geschichte hätte dir sicher gefallen“, meinte er vergnügt, doch stutzte dann, „aber wahrscheinlich hättest du meine Art von Geschichten wohl nicht gemocht.“ Er lief zu seinem Schreibtisch und hopste auf seinen Stuhl, der etwas weggerollt war, bei dieser Aktion, doch trotzdem noch sicher darauf landete. Sora ließ sich davon nicht beirren und sah etwas irritiert auf seine Arbeitsfläche, wo noch immer das Katzenradio stand. Als er so in meine Richtung blickte, wirkte sein Gesicht wirklich überrascht auf mich.
 

„Warum steht das Radio hier?“ Sein verblüffter Ausdruck gefiel mir, da sein Mund ein wenig geöffnet war und er mich in diesem Moment wie einer dieser kleinen süßen Hunde mit den langen Schlappohren ansah. Während ich nur auf diese wundervoll geschwungenen Lippen starren konnte, wartete Sora noch auf eine Antwort von mir. Diese gab ich ihn aber erst, als er meinen Namen sagte, da ich seine Worte schon längst wieder vergessen hatte. Diesmal wendete ich meinen Blick unbewusst etwas zu schnell ab und sah beinahe verlegen auf meine Hände. Mein eigenes Verhalten nervte mich, war es doch so verdammt untypisch für mich. Erschrocken von mir selbst, ließ ich mich zu einer eher unfreundlichen Antwort hinreißen: „Ich dachte es könnte sinnvoll sein, dir dein Radio wieder zu geben, wenn du abhaust. Schließlich willst du ja mit all deinen persönlichen Sachen in dein neues Büro ziehen und ich werde das Ding ganz sicher nicht brauchen.“
 

Mit der Reaktion auf meine Antwort hätte ich nun wirklich nicht gerechnet: er kicherte. Ich hob leicht irritiert den Kopf und beobachtete den kichernden Jungen gegenüber von mir. Minuten später fragte ich nach, was denn so witzig sei, doch bekam keine vernünftige Antwort drauf. Der Brünette lachte nur, als ich ihn verstört ansah und hielt sich den Bauch. Während ich ihm so beim lachen zu sah begriff ich, dass der Kleine nicht mal fünf Minuten in diesem Büro war und es doch geschafft hatte, mich in der kurzen Zeit wie ein kompletter Vollidiot fühlen zu lassen. Diese Erkenntnis traf mich und machte mich wütend.
 

„Sora“, ermahnte ich, als sein Gekicher einfach nicht aufhören wollte.

„Schon gut“, erwiderte er japsend und atmete ein paar Mal tief durch, um sich zu beruhigen. Beim dritten Anlauf schaffte er es dann sogar, mir eine halbwegs anständige Antwort zu geben: „Ich muss dich leider enttäuschen: so schnell wirst du mich nicht los. Und nur so als kleine Randinfo: mit dem wiederbringen des Radios hast du dir selbst geschadet, denn ich werde auf keinen Fall auf Musik verzichten!“ Er kramte in seiner Tasche herum, die er noch umhängen hatte und hielt demonstrativ ein weiteres Radio in die Höhe, als wäre es eine Bestätigung für seine Worte. „Nun haben wir zwei, mit denen wir Musik hören können“, rief er übermütig aus und sprang sofort auf, um ein Gerät auf das Fensterbrett neben mir und das andere auf seinen Schreibtisch zu stellen. Gereizt hörte ich dem Gedudel aus den Radios zu und bemerkte so nicht, das Sora wieder in meine Richtung blickte. Mit einem kleinen Grinsen auf den Lippen sagte er: „Danke, es ist süß, das du es mir wieder gebracht hast.“ Ich konnte nichts anderes tun, als ihn entsetzt anzusehen. Süß? Das war nun nicht das Wort, das ich erwartet hatte. Sora musterte mich nachdenklich, eine Hand die seinen Kopf stützte. „Ich mag dich irgendwie. Ich bin davon überzeugt, dass wir noch viel Spaß haben werden.“ Mein Gesichtsausdruck blieb bei seinen Worten weiterhin misstrauisch. Irgendwie konnte ich seine Aussage nicht so ganz teilen.
 

In den nächsten Tagen veränderte sich einiges in unserem kleinen Büro, sodass ich bald in dem Glauben war, das Sora hier einziehen wollte, anstatt hier nur zu arbeiten. Zuerst waren es nur kleine Dinge wie bunte Behälter, um dort die Kugelschreiber und Bleistifte hinein zu tun, die überall auf den Schreibtischen und Schubladen verstreut rumlagen. Doch bald artete es aus und Pflanzen kamen hinzu, die überall in Töpfen und Vasen im Raum verteilt waren. Am Ende der Woche war ich von Grün nur so umzingelt und ich erwischte Sora in der Mittagspause, wie er versuchte ein Bild an die Wand hängen. Ich öffnete gerade rechtzeitig die Tür, um gerade noch zu sehen, wie das Bild mit einem dumpfen Knall auf den Boden fiel.Schmollend folgte er mit seinem Blick das Bild und sah es enttäuscht an, als würde es etwas für seiner Handwerkliche Geschicklichkeit können. Ich räusperte mich, um ihn nicht zu erschrecken, doch als er sich zu mir umdrehte, sah er mich trotzdem ertappt an.
 

Es ist nicht so wie du denkst!“, rief er schnell aus und schob sich vor dem Bild, um es vor mir zu verstecken. Ich hob nur eine Augenbraue und bedachte ihn mit einem zweifelnden Blick.

„Glaubst du wirklich, dass ich auf diesen billigen Trick reinfalle?“ Ich drängte mich an ihn vorbei, um mich zu bücken und das Bild wieder aufzuheben. „Und meinst du nicht, dass ich das Bild früher oder später gesehen hätte?“

Sora grinste und verschränkte fröhlich die Hände hinter seinen Kopf. „Den Pinguin hast du auch nicht gesehen, Ich schätze, du hast einfach keinen Blick dafür.“

„Welchen Pinguin?“

Sein Grinsen breitete sich noch weiter auf seinen Gesicht aus. „Der auf deinen Schreibtisch. Es ist ein Anspitzer. Du musst den Bleistift hinten reinstecken und dann spitzt der ihn automatisch an. Sehr praktisch das Teil.“ Er machte die passenden Bewegungen mit seinen Händen, während er erklärte. Ich konnte nur den Kopf schütteln.

„Das ist ein lächerliches Beispiel.“

Sora legte seinen Kopf schief. „Eigentlich nicht. Bei deiner pingeligen Ordnung hättest du ihn schon längst entdecken müssen.“
 

Anstatt weiter darauf einzugehen, fiel mein Blick auf das Bild in meinen Händen, das er vorgehabt hatte aufzuhängen. Es war nur ein wirres Gepinsel aus Farben und hatte nicht mal eine richtige Struktur. Der Künstler schien nicht viel von seinen Handwerk zu verstehen, doch kam mir Sora zuvor, so konnte ich mein Urteil nicht laut aussprechen. „Das hat mein Bruder gemalt“, erklärte er voller Stolz. Ich nickte nur und war nun heilfroh nichts gesagt zu haben. „Er ist Künstler. Nur leider kann er mit seinen Arbeiten noch nicht genügend Geld verdienen, um davon auch zu leben.“ Er blickte etwas traurig auf das Kunstwerk.“Es ist sehr schade das er seinen Traum noch immer nicht erfüllt bekommt. Aber irgendwann wird er sich durchsetzen und erfolgreich sein.“ Da ich hin und wieder auch so etwas wie Taktgefühl besaß, biss ich mir auf die Unterlippe und verkniff mir einen Kommentar dazu. Stattdessen drückte ich Sora ganz das Bild in die Hände und begutachtete den Nagel in der Wand, der dort bemitleidenswert krumm steckte. Ich tat mein bestes, ihn mit einem Hammer so gerade wie möglich zu rücken und so in die Wand zu hämmern, dass das Werk seines Bruders sicher dort hängen konnte. Irgendwie bekam ich es hin und so stand ich bald neben Sora und wir betrachteten unser Werk.
 

„Es ist perfekt!“, freute sich der Brünette.Doch ich war noch unzufrieden und legte meinen Kopf schief, um es von allen Seiten genaustens zu begutachten. Dann endlich entdeckte ich das Problem und rückte das Bild so zurecht, das es nicht mehr schief an der Wand hing. Als ich mich zufrieden zu Sora drehte, sah mich dieser zweifelnd an.

„Und jetzt ist es besser?“

„Ja, jetzt ist es gerade“, sagte ich von mir selbst sehr überzeugt. Sora verschränkte die Arme vor der Brust und behielt seinen zweifelnden Gesichtsausdruck bei. „Niemand hätte es bemerkt.“

„Doch, ich sehe es und mich stört es. Also habe ich es begradigt.“ Nach einem „Du spinnst“, ließ er mich einfach stehen und war bereits an der Tür angekommen, als ich mich zu ihm umdrehte. „Was hast du vor?“ Er warf einen Blick über die Schulter, während er schon die Hand an der Türklinge hatte. „Essen. Da ich dachte, dass du es ebenfalls seist, hatte ich das mit dem Bild gemacht. Doch da dies nun erledigt ist, kann ich ja endlich essen gehen.“
 

Als sich die Tür hinter ihm schloss, setzte ich mich zurück an meinen Schreibtisch und öffnete meine oberste Schublade, um meine Essenspakete herauszuholen. Gerade als ich in meinen Sandwich beißen wollte, flog wieder lautstark die Tür auf und ich schielte in die Richtung, wo Sora stand. „Warum kommst du nicht?“, fragte er und ich hörte in seiner Stimme etwas Ärger heraus. Dann fiel sein Blick auf mein Essen und ungläubig hob er eine Augenbraue. „Verbringst du deine Mittagspause immer hier?“ Ich nickte , wobei ich mich durch das Gequatsche nicht aus der Ruhe bringen ließ und genüsslich vor mich hin kaute. Sora seufzte nur lauter als nötig und schloss die Tür, um wieder zu mir zu laufen. Der Brünette wusste wirklich nicht was er wollte – oder vielleicht doch, wenn ich ihn so auf mein Sandwich in meiner Hand gieren sah. Demonstrativ schloss ich meine Schublade.
 

„Wolltest du nicht essen gehen?“ Sora warf mir einen schmollenden Blick zu, dass schon dem eines Bettelns ähnlich war. Ich seufzte.

„Du bist ärgerlich“, murrte ich, doch Sora lächelte nur zufrieden, als ich die Schublade wieder öffnete und er nach einem der Pakte greifen konnte. In einer geschmeidigen Bewegung, die ich ihm gar nicht zugetraut hätte, setzte er sich auf meinen Schreibtisch und zusammen aßen wir unsere Sandwichs auf. Es war ganz nett, so mit ihm zusammen zu sitzen und nicht wie sonst, allein essen zu müssen.
 

Vielleicht gefiel mir es ein bisschen, auch wenn es nicht drüber hinweg täuschen konnte, das Sora mit seiner eigentümlichen Art wirklich nerven konnte – jedenfalls mich. Es hatte mich eine ganze Woche gekostet, ihn dazu zu bringen, das Radio nicht so laut zu machen und vor allem nur eins von den Geräten einzuschalten.Diese leidige Streiterei war einen Kompromiss gewichen und Sora hatte irgendwann zugestimmt, auch wenn ich ihm ansehen konnte, das es ihm absolut nicht gefiel. Es war ein kleiner Sieg gewesen, doch wie ich ihn dazu bringen, sollte weniger laut zu sein, war noch eines der Dinge, über die ich nachdenken musste.Irgendwann würde mir wohl hoffentlich etwas einfallen.
 

Wunderlicherweise war ich doch etwas enttäuscht, als Sora an einem Freitag Nachmittag wild auf seiner Maus herum klickte und geräuschvoll seinen Stuhl zurück schob, um ins Wochenende zu gehen. Es war erstaunlich, wie Punktgenau er war, wenn es um seinen Feierabend ging. Ich selbst war so vertieft in meine Arbeit gewesen, dass ich die Zeit vollkommen vergessen hatte. Warum sollte ich auch? Schließlich erwartete mich zu Hause nichts. Etwas betäubt von den neuen Geräuschen, sah ich auf und beobachtete, wie der kleine Brünette einen prüfenden Blick über seinen Tisch warf, nur um Sekunden später seine Jacke über seinen Unterarm zu werfen und mich erwartungsvoll anzugucken. Für einen Moment trafen sich unsere Blicke und seiner Mimik nach zu urteilen, wollte er auch etwas sagen, doch würde ich es wohl nie hören werden, denn nur einen Augenblick später wurde die Tür aufgerissen und unser Chef platzte in den Raum.
 

Mein Körper versteifte sich unbewusst, als ich den rothaarigen sah, doch Sora lief fröhlich auf ihn zu und begrüßte ihn vergnügt, während ich mich sorgte, was ausgerechnet unser Chef hier zu suchen hatte. Schließlich hatte er sich in all den Jahren wo ich hier arbeitete, noch kein einziges Mal sehen lassen. Wenn ich so recht darüber nachdachte, hatte ich ihn das letzte Mal bei meinem Vorstellungsgespräch gesehen. Ich versuchte Sora mit Blicken und Mimik zu warnen, das er unserem Boss gegenüber stand, doch er hielt nur inne und sah mich merkwürdig an. „Riku, alles in Ordnung? Geht es dir gut? Hast du was im Auge?“ Besorgt lief er zu mir und tätschelte mein Gesicht, um mich zu 'untersuchen'. Ich packte schnell seine Handgelenke und nahm seine Hände aus meinem Gesicht, ohne das mir der misstrauische Blick meines Chefs entging. Er kam näher zu uns und musterte mich kritisch. Ich kam mir vor, wie ein Tier im Zoo.
 

Dieses Gefühl verschlimmerte sich sogar, da mir Sora mit seinem Kopf die Sicht versperrte und einfach nicht von mir weichen wollte. Erst als ich ein genervtes: „Mir geht ’s gut, Sora“ rief, ließ er von mir ab und machte endlich den Platz frei, damit ich auf den rothaarigen gucken konnte. Dessen Blick blieb unverändert, doch kratzte er sich nachdenklich die Schläfe, während sein Blick noch immer auf mich ruhte. Dann endlich erhellte sich sein Gesicht, wobei er mit seinen Fingern schnipste und auf mich zeigte. Mein Herz setzte einen Moment aus.
 

„Riku“ ,Er lachte erleichtert auf, „ich wusste, dass ich dich doch von irgendwoher kenne. Du bist der Eisblocktyp!“ Sämtliche Mimik fiel mir aus meinem Gesicht, als ich ihn so reden hörte.

„Schön, das sie ihre Mitarbeiter kennen“, brummte ich. Der rothaarige tauschte mit Sora einen seltsamen Blick aus, bis der kleinere nur ratlos mit den Schultern zuckte.

„Er ist nicht gerade die freundlichste Person hier im Gebäude.“ Unser Chef nickte verstehend und versuchte weiter ein wenig belanglos mit mir zu reden.

„Es ist schön dich kennenzulernen“, Er rieb sich etwas unbeholfen seinen Nacken, „auch wenn mir Sora nie was über dich erzählt hatte.“
 

Empört schnappte Sora nach Luft und stieß ihm nicht gerade sanft, seinen Ellenbogen in die Seite. Ich konnte kaum glauben, was der kleine gerade getan hatte. „Schau nicht so erschrocken“, sagte Sora grinsend, als er meinen Blick sah, „Axel ist diese Behandlung schon gewöhnt von mir.“ Axel selbst verdrehte nur die Augen und legte seinen angewinkelten Arm auf dem Kopf des Brünetten, um sich auf ihm zu stützen. Sein böser Protest, wurde mit einem Grinsen zur Kenntnis genommen. „Also bist du nur hier, weil du mit dem Chef befreundet bist?“, stellte ich mürrisch fest. Der rothaarige überlegte kurz, während er Soras Kopf unsanft mit seinen Arm umschlang und ihn grob an seiner Seite presste.
 

„Nein“, grinste er und guckte zufrieden auf den kleinen, dessen Gesichtsfarbe sich ungesund verfärbt hatte. „Er ist hier, weil ich mit seinen Bruder schlafe.“ Lachend ließ er ihn wieder frei und störte sich nicht daran, das Sora nach Atem rang. Lieber setzte sich Axel lässig auf die Ecke meines Schreibtisches und sah mich vergnügt an. „Sein Bruder war der Meinung, das er endlich einen Job bräuchte und da ich meinem Blondchen keine Bitte abschlagen kann, ist er nun hier.“ Ungläubig sah ich den rothaarigen an, der sich nun spielerisch seine Fingernägel betrachtete.
 

Und nun sollten wir einfach gehen, damit mein Bruder nicht so lang auf uns warten muss!“, rief Sora sauer und zog an seinem Arm, damit er endlich mit ihm kommen würde. Doch Axel bewegte sich keinen Millimeter und schien Spaß daran zu haben, den kleinen auf diese Art zu Triezen, denn wieder wurde er am Kragen gepackt und so daran gehindert, ihn weiterhin am Arm ziehen zu können. Sora protestierte, doch das sorgte nur für ein raues Lachen von dem rothaarigen. Amüsiert sah er zu, wie der kleine versuchte sich zu befreien und wild mit den Armen um sich schlug. Als ich die Szene so beobachtete, fiel mir die Röte in dem Gesicht von Sora auf, doch konnte ich nicht genau sagen, ob es wegen der Anstrengung oder er verlegen war, über die rüpelhafte Art, wie er behandelt wurde. Ich war mir nicht sicher, fand aber diesen Anblick süß, wie er so empört seine Lippen aufwarf und immer wütender wurde, je mehr er sich erfolglos gegen ihn zu wehren versuchte. Es war liebenswert.
 

Doch irgendwann hatte selbst Axel genug davon ihn zu ärgern und ließ ihn unerwartet los, sodass er vorn über fiel und nur stolpernd sein Gleichgewicht wieder fand. „Wir sollten mit diesen Spielereien aufhören“, sagte er ernst, „dein Bruder wartet bereits auf uns.“ Sora drehte sich böse zu seinen Schwager um. „Das habe ich doch schon die ganze Zeit gesagt!“, regte er sich auf. Axel lachte nur über seinen kleinen Wutausbruch und auch ich konnte mir ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen. Der größere streckte sich ausgiebig, nur um kurz darauf wie zufällig, seine Hand auf den Kopf des Brünetten zu legen und ihn mit spielerischen Mitleid, sein Haar zu tätscheln. „Tja, das Leben ist nicht fair.“ Sora knurrte nur und schüttelte seinen Kopf, so fiel Axels Arm auf seine Schulter und gab ihm so die Gelegenheit, ihn einfach Richtung Tür schieben zu können.
 

„Es war schön, dich kennen gelernt zu haben – oder was man sonst so sagt“, wendet sich der rothaarige nun an mich. Ich schnaubte nur verächtlich und vergaß für ein paar Sekunden, wer da eigentlich vor mir stand: „Du wusstest nicht mal wer ich bin!“ Mein Chef grinste mich nur und zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Und? Jetzt kenne ich dich doch“, meinte er leichtfertig, „das genügt mir. Außerdem bist du nicht gerade mit großen Taten aufgefallen, sodass du für mich interessant gewesen wärst. Schade eigentlich, du bist süß.“ Er lachte, als ich ihn nur irritiert angucken konnte. Ich war mir nicht mal sicher, in welcher Hinsicht das gemeint war. Irgendwie schien er Zweideutigkeiten zu mögen, wenn ich seinen amüsierten Gesichtsausdruck richtig deutete. Ich hatte keine Zeit, um darüber nachzudenken, denn schon wurde Sora einfach in einem halben Kreis gedreht und Richtung Tür geschoben. Ohne sich noch einmal umzudrehen, winkte er mir zum Abschied und schob den kleinen einfach aus den Raum, ohne ihm die Chance zu geben, sich selbst von mir verabschieden zu können.
 

Ich blieb fassungslos zurück und musste diese neuen Informationen erst mal verarbeiten: Axel – mein Chef – war also der Schwager von Sora und verrückt – wenn ich es richtig deutete. Diese Erkenntnis sollte mich wohl nicht überraschen, wenn er mit Sora befreundet war – wenn man es denn als Freundschaft bezeichnen wollte. Doch passte es trotzdem nicht zu dem Bild, das ich einst von meinem Chef hatte: souverän und sein Handwerk verstehend. Eine Illusion, die nun komplett zerstört war. Die wenigen Male, wo ich ihn in den langen Jahren, die ich hier arbeitete, gesehen hatte (meistens nur beim vorbeigehen auf den Flur), war er mir so vorgekommen. Ich seufzte. Wahrscheinlich bewies es einfach nur, wie schlecht meine Menschenkenntnis war. Davon mal abgesehen, das ich an einer Hand abzählen konnte, wie oft ich ihn begegnet war. Kein Wunder, das er überlegen musste, wer ich war. Trotzdem war ich beleidigt über diese Tatsache, arbeitete ich doch hart für diesen dummen Verlag.
 

Wütend schaltete ich den Computer aus und machte mich auf den Weg ins Wochenende. Schließlich gab es keinen Grund, um weiterhin hier zu sein und Überstunden zu machen, wenn die beiden auch einfach so in den Feierabend gingen. Grummelnd verließ ich das Büro mit dem Gedanken, mich irgendwo abreagieren zu müssen. Wahrheiten taten weh, doch diese Wahrheit war wie ein Tritt in mein Geschlechtsteil.

Ein Tag im Park (1)

Mein Wochenende war wie immer verlaufen: ereignislos. Doch konnte ich nicht klagen, hatte ich doch das gemacht, was ich mir vorgenommen hatte. So machte ich es mir Tagsüber auf meinem Balkon gemütlich, um das Buch zu lesen, welches ich endlich beenden wollte und war am Abend wie immer, bei einem Film eingeschlafen. Irgendwie konnte mich kein Film genug fesseln, um wach zu bleiben. Dafür schien Soras Wochenende ziemlich wild verlaufen zu sein, denn er kam am Montagmorgen nicht nur zu spät, sondern war auch übermüdet zur Arbeit erschienen. Unmotiviert schlürfte er an mir vorbei, begrüßte mich nur mit einem halbherzigen winken und ließ sich gleich darauf, auf seinen Stuhl fallen, als wäre der Weg zur Arbeit, eine sehr große Anstrengung für ihn gewesen. Neugierig beobachtete ich, wie er seine Tasche auf seinen Schoß setzte und eine Reihe von Energydosen aus dieser heraus holte. Ich war verblüfft, über diese Menge.
 

„Willst du die alle trinken?“, fragte ich unnötigerweise nach.

Er machte ein ärgerliches Gesicht. „Ja Mami, das habe ich vor“, kam die knurrende Antwort. „Nur Langweiler, kommen ausgeschlafen zur Arbeit.“ Zwar hatte ich von diesem lächerlichen Gesetz noch nie etwas gehört, doch ließ ich es einfach sein, irgendeine Antwort darauf zu geben. Schon aus meiner Perspektive, gab er ein jämmerliches Bild ab und ich konnte nur sein Profil sehen. So beschränkte ich mich darauf, nur meine Arbeit zu machen und ihn einfach zu ignorieren. Doch war dies gar nicht so einfach, da er anscheinend mit der einfachsten Technik nicht klar kam und der Tastatur die Schuld dafür gab, dass er sich in diesem kümmerlichen Zustand befand. So hämmerte er böse auf die Tasten ein und fluchte vor sich hin. Bei einem besonders lauten Knall, konnte ich mich nicht mehr beherrschen und fuhr ihn zornig an: „Sora, diese scheiß Tastatur kann nichts für deinen beschissenen Zustand! Sei verdammt noch mal leise oder ich schmeiß' dich mit samt der Tastatur aus dem Fenster!“
 

„Wir sind im Erdgeschoss! Bis zum Boden ist es nicht mal einen Meter!“, schoss er sogleich zurück.

Ich knurrte böse. „Keine Sorge, ich werde mir schon etwas einfallen lassen, damit nicht nur die Tastatur Schaden abbekommt!“

Sora starrte mich noch immer grimmig an, hielt aber zur Abwechslung mal den Mund. Ich war für den Moment zufrieden, doch sollte es nicht lange anhalten. Ein knacken erregte wieder meine Aufmerksamkeit und ich konnte nur meine Augen verdrehen, als die dritte Dose geöffnet und mit großen Schlucken ausgetrunken wurde. Mit einem zufriedenen Laut, presste er die Dose in seinen Händen zusammen und versuchte sie in den Mülleimer zu werfen, über den ein kleiner Basketballkorb hing. Natürlich prallte die Dose am Rand ab und landete wie die anderen, daneben auf dem Boden.
 

Wieder verdrehte ich nur die Augen und sagte mahnend seinen Namen. Nur hörte er mich nicht, da in dem Moment sein Handy zu klingeln begann. Mürrisch zog er es aus seiner Tasche und beachtete mich und mein wenig begeistertes Gesicht nicht weiter, als er laut hinein sprach. Mit Gesten versuchte ich Sora verständlich zu machen, das er leiser sein sollte. Doch er drehte sich nur demonstrativ auf seinem Stuhl von mir weg und redete in der Lautstärke einfach weiter. Sein Benehmen machte mich wütend, besonders als er sich einfach in seinem Stuhl hinein fläzte und so tat, als wäre ich gar nicht da. Doch als ich bereits dabei war aufzustehen, um ihm dieses grässliche Handy aus seinen Händen zu reißen, hielt mich etwas zurück. Das fortlaufende Gespräch machte mich unerklärlicherweise neugierig, so ließ ich mich wieder zurück in meinem Stuhl fallen und hörte aufmerksam zu. Ich wusste nicht, ob ich eine neue Vorliebe des Leidens entwickelt hatte, seit Sora hier war, doch mochte ich nicht, was ich da so belauschte. Vor allem, weil ich das Gefühl hatte, das ich dieses Gespräch mithören sollte. Dabei wusste ich nicht, was schlechter war: dass ich seinen Wunsch folgte und mithörte oder das es sich bei seinem Gesprächspartner offensichtlich um seinen Freund handelte. Beides ärgerte mich, aber noch schlimmer für mich war die Tatsache, das ich über mein eigenes Verhalten wütend war. Irgendwann hatte ich genug davon, dem Gesäusel weiterhin zu zuhören und stand gut hörbar auf, um den Raum zu verlassen. Dabei konnte ich gerade noch aus den Augenwinkeln Soras verblüfftes Gesicht sehen, als er mir mit seinem Blick gefolgt war. Dies ärgerte mich nur noch mehr. Was hatte er bitteschön erwartet? Das ich diesem verliebten Rumgeplänkel weiterhin zuhörte? Niemals.
 

Ich lief aus dem Gebäude und setzte mich erst mal auf eine der Bänke, um mich zu beruhigen. Dies war gar nicht mal so einfach, denn der Platz war für die Raucher bestimmt, um hier in ihrer Pause ihre Zigarette rauchen zu können und da es bereits Pausenzeit war, hatten sich ein paar Grüppchen an Kollegen hier versammelt. Nirgends hatte man seine Ruhe – nicht mal in seinen eigenen Büro! Während ich mit meinen eigenen Gedanken beschäftigt war, bemerkte ich nicht, dass sich jemand neben mich gesetzt hatte. Erst als eine Zigarettenschachtel in meinem Blickfeld auftauchte, sah ich auf und blickte direkt in das Gesicht meines Chefs. Ich schüttelte bei der angebotenen Zigarette den Kopf und sah wieder zu Boden.
 

„Hm, hab gedacht, du könntest sie gebrauchen. So wie du aussiehst.“

Ich schnaubte. „Was ich bräuchte, wäre meine Ruhe oder wenigstens einen neuen Kollegen.“

Axel lachte, als hätte ich einen guten Witz gemacht. „Ist es mit Sora so schlimm? Ich dachte, ihr würdet euch gut verstehen.“

Als ich durch den Schleier meiner Haare zu ihm hoch schielte, konnte ich seinen prüfenden Blick auf mich ruhen sehen. Er schien sich wirklich dafür zu interessieren, aber das war auch kein Wunder, schließlich war Sora der Bruder von seinem Freund – nicht zu vergessen: er war der Chef. Genau diese Tatsache behielt ich im Hinterkopf und wählte meine Worte sorgfältig aus, als ich ihm antwortete. Denn so nervig Sora auch war, wegen mir sollte er nicht gekündigt werden.
 

„Wenn er nicht gerade unser Büro in eine Wohnung verwandelte, mal nicht laut ist oder mit seinem Freund telefoniere, ist er ganz okay.“, platzte es aus mir heraus. Wie war das noch mit den sorgfältig gewählten Worten? Ich schlug mir verbal mit der Hand vor die Stirn. Riku, reiß dich zusammen, ermahnte ich mich im stillen. Axel aber lachte nur, über meinen Kommentar. „Hm, geknebelt und gefesselt kann ich nicht viel mit ihm anfangen“, erwiderte er, „aber um auf deinen letzten Punkt einzugehen: Warum stört es dich so? Eifersüchtig?“ Neckend schaute er auf mich, als ich viel zu schnell aufsah, um ihn gereizt anzusehen. Dabei vergaß ich endgültig, wer da neben mir saß. „Nein,“, blaffte ich, „mich nervt nur dieses Liebesgesäusel am Telefon. Außerdem hat Sora die Angewohnheit, jedem im Raum an seinem Gespräch teil haben lassen zu müssen.“ Ich sah ihn abwartend an, ob er mir dazu etwas zu sagen hatte, doch von dem anderen kam nur ein verstehendes Nicken. Sein kleines Zucken um die Mundwinkel registrierte ich zwar, machte mir aber nicht sonderlich viel Sorgen drum. Ich hatte meinen Standpunkt klar gemacht. Was er jetzt daraus machte, war seine Sache.
 

„Nun gut“, seufzte er, „als Rox mich fragte, gab es nur zwei Plätze, die ich vergeben konnte. Ich hielt es einfach besser für ihn, zu dir zu stecken, anstatt zu Demyx. Wenn die beiden sich ein Büro teilen müssten, würden sie den ganzen Tag nur herum klimpern.“ Er schüttelte seinen Kopf und beobachtete ein paar Leute, die etwas Abseits von uns saßen und sich angeregt unterhielten. „Ich will gar nicht wissen, wie viele Beschwerden ich durch das ganze Geklimper und Gelächter erhalten würde. Wahrscheinlich nicht mal nur für diesen Mist. Zwei Freigeister sollte man nicht zusammen stecken.“
 

„Freigeister?“

Axel ließ sich mit seiner Antwort Zeit und zündete sich Seelenruhig selbst eine Zigarette an. Der Rauch, der in kleinen Wölkchen kurzzeitig vor seinem Gesicht schwebte. Er lächelte geheimnisvoll. „Sagen wir es mal so: Ich bin ein guter Chef, mit einer guten Menschenkenntnis und die beiden brauchen einfach jemanden, der ruhig und geduldig ist. Mit ein wenig Feingefühl, wird auch aus einem chaotischen Menschen, ein fähiger Mitarbeiter.“ Ich zog irritiert meine Augenbrauen zusammen und verstand überhaupt nicht, was er mir damit sagen wollte. Sollte ich so was wie der Babysitter für Sora sein? Axel schmunzelte nur,wobei er seinen Zigarettenstummel lässig weg schnipste. „Du wirst mich schon noch verstehen“, waren seine abschließenden Worte, während er einfach aufstand und mich wieder allein ließ. Ich selbst blieb noch ein bisschen sitzen und versuchte einen klaren Kopf zu bekommen. Fast zwei Wochen war der Brünette nun schon bei mir und es verging einfach kein einziger Tag, an dem ich mich nicht über ihn ärgern oder grübeln musste. Wenn ich nicht bereits Silberhaare hätte, müsste ich mich auch noch darum Sorgen, wegen ihm graue Haare zu bekommen.
 

Immer noch leicht frustriert, stand ich auf und ging zurück ins Büro, wo Sora zum Glück endlich aufgehört hatte zu telefonieren. Dafür trank er inzwischen schon seine vierte Dose dieses Energydrinks aus. Ich ließ ihn machen und setzte mich wieder zurück an meinen Schreibtisch, um weiterzuarbeiten. Das konnte ich von Sora allerdings nicht sagen, der sich viel lieber um sich selbst kümmerte und eine Dose nach der anderen leer trank. Dabei tippte er halbherzig auf seiner Tastatur herum und lag schon halb auf dem Tisch, sein Kinn auf seinen Unterarm liegend. Dieses Trauerspiel schaute ich mir bis zum frühen Nachmittag an. Dann ließ ich meinen Computer runter fahren und klatschte laut in die Hände, um Sora aufzuschrecken, der so aussah, als wenn er bereits eingeschlafen war. Benommen sah der Brünette sich um, dann fiel sein Blick endlich auf mich und er sah mich mit halb geschlossenen Lidern an. „Was soll das?“, murrte er. Grinsend stand ich auf und lief eilig zu Soras Stuhl, um diesen vom Schreibtisch wegzuziehen, damit er keine Schlafgelegenheit mehr hatte. Dieser protestierte schläfrig, als er plötzlich mitten im Raum saß.
 

„Steh auf“, wies ich ihn streng an, „du darfst mich begleiten, wenn wir in die wundervolle Welt des Parks eintauchen.“

Sora blinzelte mich verwirrt an. „An dem Park gibt es nichts wundervolles“, brummte er.

Ich schnipste mit den Fingern vor seinem Gesicht herum. „Falsch! Es gibt eine Kampagne, die nennt sich 'Unser Park muss schöner werden' und jetzt darfst du raten, wer die Bilder für dieses Ereignis machen darf.“

„Du?“ Ich nickte nur übertrieben und grinste ihn unnatürlich fröhlich an. „Ja und nun rate mal, wer den Artikel dazu schreiben darf!“

Sora stöhnte gequält auf und verbarg sein Gesicht in seine Hände. „Ich bin ein Autor und kein Zauberer!“
 

Vielleicht freute ich mich etwas zu sehr über sein Leid, doch war es so eine schöne Genugtuung, ihn ein wenig Triezen zu können. Es war nicht mal meine Idee, doch mochte ich zum ersten Mal so einen Auftrag, wenn es beinhaltete, das ich den kleinen damit ärgern konnte. Manchmal konnte die Welt so schön sein. So nahm ich seinen Arm und drängte ihn, sich endlich zu erheben. Nur weigerte Sora sich und hielt sich verbissen an seinem Stuhl fest. „Das hast du doch mit Absicht gemacht, um mich zu ärgern! Wahrscheinlich ist es auch einfach nur ausgedacht! Niemals bekommen wir solch dämliche Aufträge!“
 

Ich lief zu meinem Schreibtisch, um ihm wenig später mit einem Blatt Papier vor seiner Nase herum zu wedeln. Grimmig riss er es mir aus den Händen und las es sich durch. „Oh“, machte Sora nur, um dann übereifrig zu fragen: “Können wir das nicht einfach auf einen anderen Tag verschieben?“ Bei dieser Frage liebte ich meinen Job einfach nur, denn ich kniete mich etwas vor ihm, sodass unsere Gesichter auf gleicher Höhe waren und schüttelte langsam und deutlich meinen Kopf. Seine Reaktion, war einfach nur, das er enttäuscht die Schultern hängen ließ. „Das ist unfair.“
 

Ich lachte. „Denkst du mir macht das Spaß? Nur ist heute der letzte Tag dieser Aktion und der Zettel lag heute Morgen bereits in der roten Ablage.“

„Was bedeutet das?“ Ich seufzte, obwohl ich es mir doch nicht mal wundern sollte, das Sora mit seinen neuen Aufgaben noch nicht vertraut war.

„Das bedeutet, das ich es schon aufgeschoben habe und es die letzte Chance ist, diese blöden Bilder zu machen.“

Soras Kopf schnellte hoch bei meinen Worten und sein Gesicht erhellte sich. „Der sonst so perfekte Riku schiebt was auf? Wie rebellisch. Was kommt als nächstes? Trennst du dann nicht mehr deinen Müll?“ Sora kicherte über seinen eigenen Scherz. Doch wurde es zu einem Lachen, als er meinen Blick sah. „Reiz mich nicht und komm endlich. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.“
 

Sora stand schwerfällig auf, sodass ich mir schon Sorgen machen musste, ob es eine so gute Idee war, ihn mitzunehmen. Er sah zwar wieder einigermaßen frisch aus und an konnte sich mit ihm auf die Straße wagen, doch seine Bewegungen waren langsam. Wenn er auch in dieser Geschwindigkeit zum Park laufen wollte, würden wir erst ankommen, wenn bereits alles vorbei war. Um dies zu verhindern entschloss ich mich, das Auto zu nehmen. Der Plan war eine sichere Sache gewesen – nur hatte ich mit Sora gerechnet, der während der Fahrt einfach eingeschlafen war. Wie schwierig es war, ihn wach zu bekommen, sollte ich dann an unserem Ziel erfahren. Denn als ich grob an seiner Schulter rüttelte, schlug er einfach meine Hand weg und drehte sich (so weit es ihm möglich war), auf die andere Seite, während seine Knie schon fast sein Gesicht erreichten. Zähne knirschend sah ich auf das schlafende Bündel vor mir und versuchte noch mal, ihn mit dem Schulter rütteln wach zu bekommen.
 

Als dies nicht helfen wollte, wandte ich die harten Mittel an und drehte das Rädchen des Radios so weit es ging auf. Sora sprang mit einem Quieken auf, wobei er sich den Kopf an der Decke anstieß und versuchte, über die Musik hinweg mit mir zu schimpfen. Ich selbst hörte die Musik etwas leiser, da ich mir vorsätzlich lieber die Ohren zuhielt. Nichts von seinen Worten kam bei mir an. Doch konnte ich an seinem Gesicht ablesen, das er wütend über diese plötzliche Störung war. Da ich ihn nur hämisch angrinste, beschloss Sora selbst das Radio auszuschalten und drehte heftig an dem Rädchen. Das Radio war aus und das Rädchen flog in hohen Bogen durch das Auto.
 

„Hey“, rief ich empört aus. Sora verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich mit überheblichen Blick an. „Das geschieht dir recht!“

„Aber du magst doch laute Musik!“, säuselte ich bissig.

„Nicht so!“

„Musik bleibt Musik!“

Sora warf wütend die Lippen auf und sah mich grimmig an. „Da sieht man mal, das du von Musik absolut keine Ahnung hast. Du bist wahrscheinlich so ein Kandidat, der sich nur von dem Radio bedudeln lässt, ohne wirklich darauf zu achten, was da läuft.“

Ich stutzte. „Was ist daran so falsch?“

„Alles“, motzte er und kletterte eilig aus dem Auto.
 

Ich folgte ihm gelassen und holte meine Fotoausrüstung aus dem Kofferraum. Natürlich war Sora nicht mehr da, als ich die Tasche schulterte. Jetzt hieß es auch noch, den Kleinen in diesem Getümmel aus Menschen zu finden. Überraschenderweise waren viele Leute zu diesem Ereignis gekommen, doch ich vermutete Mal, das es nur an dem kostenlosen Essen lag, das noch aufgetischt wurde. Seufzend betrat ich den Park und drängte mich an den Leuten vorbei, um gleich darauf den Bürgermeister zu finden, der auf einer kleinen Bühne stand und eine seiner langweiligen Reden hielt. Ich hörte nicht zu, was er so von sich gab. Schließlich war es immer dasselbe, so machte ich mich eilig an die Arbeit, um so schnell wie möglich wieder von hier weg zu kommen. Der Kleine würde schon irgendwann wieder auftauchen, wenn er sich abreagiert hatte.
 

So umrundete ich den Park und machte die Fotos. Sie waren vielleicht keine Meisterwerke, aber was sollte man schon großartig verlangen, bei den Motiven, die sich mir so boten. Ich gab mir Mühe, die fröhliche Stimmung einzufangen und so viel zu fotografieren, wie ich nur konnte. Als ich dabei war, den weißen Pavillon zu fotografieren (der neue Blickpunkt des Parks), tippte mir jemand auf die Schulter. Ich ließ die Kamera für einen Augenblick sinken und sah über die Schulter. Sora sah ungläubig zurück, in der Hand ein Hotdog haltend. Er reichte ihn mir und ließ sich dann wo er stand, auf die Wiese fallen, um seinen eigenen zu essen. Zufrieden kauend, sah er sich um, während ich ihn nur schmunzelnd bei der einfachen Tat zusah. Es war niedlich, wie er mit vollen Mund und im Schneidersitz da saß und einfach nur zufrieden, mit sich und der Welt war. Es hatte etwas faszinierendes für mich an sich. Unseren Streit hatte er dabei scheinbar vergessen.
 

Ich tat es ihm gleich und setzte mich gegenüber von ihm ins Gras. Natürlich nicht ohne Grund, denn ich war der Meinung, dass man diesen Moment für die Ewigkeit festhalten sollte. Dabei wurde sein erschrockener Gesichtsausdruck natürlich auch fotografiert, als er das Knipsen meiner Kamera hörte und verstört zu mir starrte. Dieser dumme Blick, war einfach unbezahlbar und ich fand gefallen daran, jede seiner Bewegungen zu fotografieren, als er sich aufraffte und versuchte, mir die Kamera wegzunehmen. Ich lachte nur, bei seinen missglückten Versuchen, doch wollte Sora nicht so schnell aufgeben und kletterte halb auf mir, als ich die Kamera an meinem ausgestreckten Arm hoch hielt. Er hätte es leichter haben und aufstehen können, um sich den Fotoapparat holen, doch fing er lieber eine plötzlich Rangelei an, in die er mit seinen spitzen Fingernägeln, auf meinen Seite ein piekte. Lachend versuchte ich mich mit meiner freien Hand zu wehren, doch es war vergeblich.
 

Hilflos ließ ich die Kamera ins Gras fallen und startete den Gegenangriff, in dem ich versuchte, seine Handgelenke festzuhalten. Doch Sora war eindeutig schneller und kicherte nur albern, wenn er meinen Händen geschickt auswich. Längst hatte ich vergessen, wo wir eigentlich waren und hatte nur noch Augen für Sora. Dessen Augen waren prüfend auf mein Gesicht gerichtet, um meine Reaktion zu sehen, als er seine Taktik änderte und mich zu kitzeln begann. Ich hatte es nicht erwartet, da ich viel zu abgelenkt von seinen geröteten Wangen und seinen großen blauen Augen war. Ein flüchtiger Gedanke brachte mich dazu viel zu sehr aus dem Konzept: Er sah in dem Moment entzückend aus. Sora nutzte den Moment der Unachtsamkeit, um einen besonders empfindlichen Punkt zu treffen, der mich nun endgültig zu Boden warf. In einer lächerlichen Siegespose, setzte er sich auf mich, nur um sich Sekunden später fallen zu lassen. Seine Hände, die nun neben meinem Kopf abgestützt waren.
 

Sein Lächeln war verschwunden, als er mich so ansah. Unsere Gesichter, die nur ein paar Zentimeter voneinander getrennt waren. In seinen blauen Augen konnte ich ein kleines Funkeln erkennen, doch war ich nicht dazu fähig, irgendwie zu reagieren. Mein Kopf war wie leer gefegt, als ich sein Gesicht so nah vor meinen eigenen sah. Mein Herz wurde zu einem Verräter und klopfte schneller in meiner Brust, als ich darauf wartete, was als nächstes passieren würde.

Ein Tag im Park (2)

Mit halb geschlossenen Augen, wartete ich ab und war enttäuscht, als der Kleine nur breit grinste und mit einem „Du bist nicht nur ein Langweiler, sondern auch ein Verlierer“, von mir runter krabbelte. Das war nun wirklich nicht das, was ich mir erwünscht hatte. Aber was zum Teufel hatte ich mir denn erhofft? Haare raufend rappelte ich mich ebenfalls auf und suchte Sora, der wieder etwas Abseits mir hockte und bedauernd auf den Hotdog im Gras blickte. Durch unsere Rangelei hatte natürlich auch unser Essen Schaden genommen.
 

„Welche eine Schande“, murmelte Sora.

„Du wirst dir noch genug den Bauch vollschlagen können“, knurrte ich. „Heute Abend gibt es ein kostenloses Grillfest.“ Ich verdrehte nur die Augen, als Soras Gesicht sich bei meinem Worten merklich erhellte.

„Ah, dann hat sich ja unser kleiner Ausflug gelohnt.“ Zufrieden gesellte er sich wieder zu mir und sah mich erwartungsvoll an. Ich wusste nicht, was dieser Blick von ihm zu bedeuten hatte, den er mir nun zuwarf, doch war ich viel zu verwirrt von dieser seltsamen Aktion vorhin, dass ich nicht weiter nachfragte. Damit war der Brünette natürlich nicht einverstanden und pausierte kurz sein wippen, um seinen Kopf fragend zur Seite zu neigen.
 

„Also?“, fragte er ungeduldig.

Ich guckte ihn grimmig an. „Was also?“

„Was machen wir nun?“

„Nun, da es noch immer Arbeitszeit ist“, er rollte nur die Augen bei meinem Satz, „werden wir auch genau das tun. Ich werde noch ein paar Fotos machen und du solltest dir vielleicht ein paar Notizen zu deinen Eindrücken notieren.“

Sora lachte auf. „Welche Eindrücke? Es ist hier öde – genauso wie meine Begleitung. Das einzige gute hier ist das Essen.“
 

Resigniert stand ich auf und holte meine Kamera, die noch immer im Gras lag. Dann wandte ich mich kurz an Sora, der nur da saß und mich verdutzt beobachtete. „Ich weiß nicht was du tust, aber ich werde jetzt noch ein paar Bilder von spielenden Kindern und springenden Hunden machen gehen. Vielleicht habe ich ja Glück und jemand schlägt sich das Knie auf. Dann ist wenigstens mal etwas interessantes passiert.“ Ich hörte noch Soras glucksen, als ich von ihm weg lief, um weiter meiner Arbeit nachzugehen. Eigentlich hatte ich erwartet, dass er mir folgen würde, doch als ich so unauffällig wie möglich einen Blick über meine Schulter warf, war er nirgends zu sehen. Wahrscheinlich war das auch besser so, denn ohne ihn konnte ich wenigstens ungestört meine Arbeit erledigen.
 

So machte ich Fotos von glücklichen Familien, wirklich hübschen Blumen und ein paar Rentnern, die auf Bänken nebeneinander saßen und sich wohl nicht so viel zu erzählen hatten. Wirklich spektakulär – genauso wie mein Job selbst. Langsam war ich frustriert, bis mein Objektiv etwas erfasste, das mein Interesse weckte. Ein stachliger, brauner Schopf tauchte in meine Linse auf. Ich bewegte die Kamera etwas und hatte das Gesicht des jungen Mannes im Visier, der Gedanken verloren am Brunnenrand saß und seine nackten Füße ins kühle Nass tauchte. Aus sicherer Entfernung, machte ich ein paar Fotos von ihm. Bis mir sein nachdenklicher Gesichtsausdruck auffiel und die Art, wie er seine Lippen etwas spitze, wenn er über etwas nachgrübelte.
 

Ich drehte am Rädchen, um mit meiner Kamera näher an dem Brünetten zu kommen und ein Foto von diesem verträumten Blick zu machen. Dabei merkte ich nicht mal, wie ich mit der Kamera vor dem Gesicht weiter lief und ihn aus verschiedenen Blickwinkeln, fotografierte. Das passierte mir ziemlich oft, wenn ich konzentriert fotografierte und versuchte, mein Motiv so gut wie möglich in einem Bild festzuhalten. Erst seine Stimme, holte mich in die Realität zurück. So ließ ich meine Kamera sinken, nur um festzustellen, dass ich nur noch ein paar Meter von ihm entfernt war und Sora mich wenig begeistert anguckte.
 

„Hm, anscheinend hast du keine aufgeschürften Knie gefunden“, murmelte er lächelnd und plantschte mit seinen Füßen im Wasser umher. Ich schüttelte nur den Kopf als Antwort und setzte mich zu ihm – natürlich ohne meine eigenen Füße in dieses, nicht sehr einladende, Wasser zu halten. Eine Weile saßen wir nur still nebeneinander. Bis eine Mikrophon Stimme ertönte und feierlich verkündete, dass das Grillfest eröffnet war. Für Sora gab es nun kein Halten mehr. So sah er mich mit großen Kulleraugen an, nur um gleich darauf eilig seine Schuhe anzuziehen und mich dazu zu drängen, ihm zu folgen. Bei seinem Blick wunderte es mich, das er überhaupt noch daran dachte, mich mitzunehmen.
 

Zusammen erreichten wir den Abschnitt, wo der Grill aufgebaut war und mit leuchtenden Augen schnappte sich Sora ein Pappteller vom Tisch und füllte sich großzügig Fleisch und Salat auf. Das er sich dabei an ein paar Leuten, die ebenfalls Hungrig waren, forsch vorbei drängte, störte ihn in diesem Moment überhaupt nicht. Viel zu sehr lockte das Essen. So sah er auch nicht die missbilligen Blicke der anderen, die von seinem rüpelhaften Benehmen wenig begeistert waren. Doch bevor er sich weiter unbeliebt machen konnte, packte ich ihn am Kragen und zog ihn von den anderen Besuchern weg. Er schrie überrascht auf, bei dieser groben Behandlung, doch ich blieb konsequent und schob ihn einfach etwas Abseits von der Menschenmenge. Als wir wieder im Gras saßen, machte sich der Brünette über seinen Teller her und hatte den kleinen Vorfall schon vergessen. Ich selbst konnte nichts essen, war ich doch viel zu erstaunt darüber, wie viel in diesem schmalem Körper hinein passen konnte. Denn restlos alles wurde von ihm verputzt und mit einem kleinen Rülpsen beendete er sein Mahl.
 

„Schade, das meine Freunde nicht hier sein können. Sie hätten es hier gemocht und wenn es eben nur wegen dem Essen war. Sie hätten diese öde Veranstaltung gehörig aufgemischt“, meinte er etwas traurig. 'Schön, jetzt reichte ich ihm noch nicht mal als Gesellschaft', dachte ich bissig. Bis mir einfiel, dass er mich immer wieder als Langweiler betitelte. Das könnte ein guter Grund für diese Bemerkung sein. Ruhig schnitt ich mir ein Stück Steak auf meinem eigenen Teller ab, ohne auf sein wenig charmanten Kommentar einzugehen. Während ich so aß, konnte ich aus den Augenwinkeln beobachten, wie er nervös mit seinem Fuß wippte – doch auch dazu hielt ich meinen Mund. Nur Sora schien von unserem momentanen Schweigen nicht begeistert zu sein und rief jammernd meinen Namen.
 

„Sora“, mahnte ich gereizt, „wir sitzen uns gegenüber, also ist es überhaupt nicht nötig, das du hier so rum schreist!“

Sora verzog seine Lippen zu einem bezaubernden Schmollmund.“Hm, dann erzähl mir irgendwas.“ Ich ließ mein Teller sinken, wobei ich skeptisch eine Augenbraue nach oben zog, als ich so in seine erwartungsvollen Augen blickte. Da er mich nur aus Langeweile dazu aufforderte etwas zu sagen, gab ich mich auch nicht sonderlich viel Mühe damit, mir etwas interessantes auszudenken. So sprach ich nur von irgendwelchen Nebensächlichkeiten, die er entweder schon wusste oder selbst ihn nicht interessierte. Schon bald bemerkte ich amüsiert, wie sich sein Schmollmund erweiterte. Ich beugte mich etwas zu ihm vor, um meine Arme auf meine Knie abzustützen und hörte damit auf, ihn weiter zu ärgern.
 

„Was möchtest du denn von dem Langweiler wissen?“ Er musste nicht mal lange überlegen, um eine Frage zu äußern.

„Wie lebst du? Allein oder hast du jemanden an deiner Seite?“ Mit dieser äußerst neugierigen Frage hatte ich nun nicht gerechnet. Sein ehrliches Interesse machte mich etwas nervös – uns das lag nicht nur daran, das mich das noch nie jemand gefragt hatte. Wenn ich ihm die Wahrheit sagte, würde er mich wahrscheinlich wirklich für einen Langweiler halten. So versuchte ich es mit einem Scherz: „Ich wohne mit einer Horde Mädchen zusammen, die mir jeden Wunsch von den Lippen ablesen. Natürlich schlafe ich auch jede Nacht bei einem anderen Mädchen und – oh, sie putzen auch mein Haus. Gute Mädchen eben.“ Das mein Scherz nicht sonderlich gut war (Ich bin eben nicht der Sprücheklopfer, geschweige denn witzig), war mir bewusst. Doch hätte ich nicht mit dem enttäuschten Gesicht gerechnet, das Sora nun zog.
 

„Gut“, meinte er patzig, „dann frage ich eben anders: gibt es eine besondere Person in deinem Leben?“

„Ist das nicht genau dieselbe Frage, nur anders und vor allem kitschig formuliert?“ Sora sah beleidigt aus bei meiner Bemerkung, doch gab mit Hände wedelnd zu verstehen, dass ich endlich antworten sollte. So tat ich ihm den Gefallen und schüttelte meinen Kopf. Der Brünette sah mich wenig begeistert an, gab aber nicht auf.
 

„Gab es denn mal jemanden besonderes in deinen Leben?“

„Was willst du nur immer mit deinen 'besonderen'“ Wieder schüttelte ich nur meinen Kopf bei seinen einfältigen Worten. „Ja, die gab es“, seufzte ich. Sora würde schließlich eh nicht Ruhe geben, bis ich ihm eine vernünftige Antwort gab. „Sie hieß Naminè und wir gingen zusammen auf die gleiche Schule. Sie war eines dieser Mädchen, auf die jeder Typ stand – ob nun ernst gemeint oder eben nicht, sei jetzt mal dahin gestellt. Warum sie sich ausgerechnet in mich verliebte, hatte ich nie hinterfragt. Doch wundert es mich noch heute, was sie ausgerechnet mit mir wollte.“ Sora wollte irgendwas einwenden, doch ich sprach einfach ruhig weiter, um ihn davon abzuhalten. Ich wollte einfach nicht dieses nette Geplänkel hören. „Jedenfalls war sie meine erste Liebe gewesen.“
 

„Warum ging eure Beziehung in die Brüche?“ Ich senkte die Lider und seufzte leicht, bei dieser Frage. Es ist lange her, seid ich an Naminè gedacht hatte und ebenso lang, hatte ich dafür gebraucht, um dieses Mädchen und mit ihr die schönen Erinnerungen, endlich vergessen zu können. Es war nicht so, das es noch schmerzte, wenn ich über sie erzählte, aber dennoch war es mir noch immer unangenehm. Trotz diesem unbequemen Thema, versuchte ich meine ruhige Fassade aufrechtzuerhalten und hob nur gleichgültig meine Schultern. „Sie wollte andere Dinge wie ich und vor allem wollte sie einen Freund, der auch an ihrer Seite war. Du weißt schon: Dinge wie heiraten, Familie gründen und so was. Doch zu diesem Zeitpunkt war ich weder bereit dafür, noch wollte ich mich auf irgendwas konsequent entscheiden. Kinder klingen so endgültig, weißt du? Man hat sie Jahre lang und du kannst sie nicht irgendwo abgeben, wenn sie einem nicht mehr gefallen. Diese Vorstellung vom treusorgenden Vater gefiel mir nicht, so hatte sie sich jemand anderen verliebt, der genauso dachte wie sie selbst und hat mich verlassen.“ Sora sah betreten zu Boden, vorsichtig ein paar Grashalme vor sich ab zupfend. Seine Reaktion überraschte mich, hatte ich doch wieder mit solch ein 'besonderer Mensch' Geschwätz gerechnet.
 

„Was denn?“, rief ich deshalb glucksend aus, um mich selbst ein wenig abzulenken. „Kein 'Tut mir leid' oder so was in der Art?“

Sora zuckte nur mit den Schultern und malträtierte die Grashalme weiter. „Sie war nicht die richtige. So einfach ist das.“

Ich schmunzelte. „Das ist also deine Theorie?“

„Ja“, erwiderte er knapp und rutschte näher zu mir, damit er mich vollkommen überzeugt von sich, ansehen konnte. „Es ist doch so: Ihr habt einfach nicht zusammen gepasst. Also war sie nicht die richtige.“ Für ihn war es ganz einfach, nur ich hob zweifelnd meine Augenbrauen hoch, bei seiner naiven Aussage. Doch wurde auch die Neugier in mir geweckt, so drehte ich den Spieß einfach um.

„Okay und hast du den schon den richtigen gefunden?“ Ich betonte 'den richtigen' besonders spöttisch, um mein wirkliches Interesse zu überspielen. Doch eigenartigerweise kam mir plötzlich auch der Gedanke, das mir seine Antwort auch überhaupt nicht gefallen könnte. Nur musste ich jetzt wohl die bittere Wahrheit ertragen, denn nun gab es leider kein zurück mehr, um ihn vom antworten abzuhalten.
 

Zu meiner Verwunderung schüttelte er nur betreten seinen Kopf. Seine Augen traurig auf die Grashalme gerichtet, die er nun fester aus dem Boden heraus riss, als wäre es ein Zeichen, das ihm dieses Thema unangenehm war. Seine Reaktion war unerwartet, so starrte ich etwas schockiert auf sein Handeln, als er leise zu sprechen begann: „Es gab viele Liebeleien, doch war es nie das, was ich mir erhofft hatte. Eine Zeit lang war es spaßig und es hat mich auch gefallen. Nur wurde es auf Dauer langweilig und ich merkte, das diese Beziehungen mich nicht erfüllten.“ Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Sollte ich ihn für seine Naivität auslachen oder ihn doch lieber in den Arm nehmen und trösten? Ich widerstand den Drang zum zweiten und blieb ruhig sitzen, um ihn weiter zu zuhören. „Ich will einfach nicht mit dem falschen zusammen sein, wenn ich genau weiß, dass irgendwo da draußen der richtige herum läuft.“ Grimmig blickte er drein. Grinsend schüttelte ich meinen Kopf und beugte mich vor, um sein Haar zu tätscheln, doch wurde es mir schnell wieder entzogen.
 

„Du hältst es sicher für absoluten Quatsch.“ Das stimmte, nur war ich mehr davon verblüfft, wie ernst dieser aufgedrehte Mensch vor mir sein konnte und wie Abenteuerlich er von der Liebe sprach. Solche stillen Momente hätte ich von ihm nicht erwartet. Nur als ich intensiver darüber nachdachte, wurde mir klar, dass es wohl ziemlich anstrengend sein müsste, immer fröhlich zu sein und wie ein kleiner Wirbelwind durch das Leben zu stolpern. Denn mehr als ein Stolpern, hatte Sora bis jetzt noch nicht geschafft. Zeit seine naiven Vorstellungen ein wenig zu zerstören. „Du weißt, wie viele Menschen es auf dieser Welt gibt?“, fragte ich nicht wirklich feinfühlig. „Die Chancen den richtigen Partner zu finden, dürfte sehr gering sein.“ Sora schnob nur abfällig durch die Nase und warf mir eine Handvoll Grasbüschel ins Gesicht.
 

„Da die Menschen dumm sind und sich auch mit ihren falschen Partnern begnügen, geht die Rechnung natürlich nicht mehr auf. Doch glaube ich fest daran, das ich der richtigen Person schon begegnen werde und da wird es mir schlichtweg egal sein, ob er nun einen Partner hat oder nicht.“ Ich schmunzelte wieder bei seinem aufmüpfigen Verhalten. „Das könnte harte Arbeit werden, wenn diese Person überzeugt davon ist, den richtigen Partner gefunden zu haben. Wie willst du das machen?“ Sora funkelte mich wissend an und grinste geheimnisvoll. „Glaub mir, mir wird schon das passende einfallen. Außerdem, wer sagt denn, dass ich nicht schon längst daran arbeite?“ Verblüfft guckte ich ihn an, doch er ging nicht weiter auf seine Anspielung ein. Lieber stand er fröhlich auf, um noch einmal zum Grill zu laufen und sich noch etwas von dem guten essen zu holen.
 

Nachdenklich sah ich ihm nach und mir kam das Telefonat vom Vormittag wieder in den Sinn, als er mit seinen Freund gesprochen hatte. Wahrscheinlich war er der Jemand, über den er gesprochen hatte. Ich sollte mich für ihn freuen, doch war ich nur enttäuscht über diese bittere Erkenntnis und beglückwünschte mich im stillen selbst dafür, wie dumm ich doch mal wieder gewesen war. Diese Ernüchterung blieb hartnäckig bestehen, auch wenn ich versuchte, sie abzuschütteln und mir immer wieder einredete, dass es sich bei Sora nur um einen nervigen Kollegen handelte. Ich fühlte Sympathie für ihn – aber natürlich nicht mehr! Schließlich war ich noch nie eine Beziehung mit einem Mann eingegangen. Vielleicht war es auch einfach nur Neugier, da ich so etwas einfach nicht kannte. Doch brachten mich meine eigenen Gedanken total durcheinander und mir wurde klar, dass ich irgendwie handeln musste, wenn ich diese wirren Hirngespinste wieder los werden wollte.
 

Als sich Sora wieder freudestrahlend und mit einem gefüllten Teller neben mir fallen ließ, hatte ich eine Entscheidung getroffen. Ich würde diese merkwürdigen Gedanken ignorieren und Sora als das ansehen, was er auch war: ein Kollege. Sora merkte natürlich nichts von meinen Gedankenchaos und war ganz mit seinem Essen beschäftigt. Ich blinzelte an, wartete einfach nur darauf, das er bald mit seinem Essen fertig war und wir zurück ins Büro fahren konnten. Es dauerte nicht mal allzu lang, bis ich zum Aufbruch rufen konnte und wir zusammen zurück zum Auto gingen. Sora klopfte sich zufrieden auf seinen Bauch, als er so neben mir lief und auch ich, war recht zufrieden mit mir. Der Tag hatte mir mehr gebracht, als ich zuerst erwartet hatte. In meinen Kopf blieb der Plan bestehen, auch wenn es wohl schwer werden wird ihn auf Abstand zu halten und meine Gefühle, (falls man das überhaupt so nennen konnte), einfach zu verdrängen. Doch alles war besser, als weiterhin diese unnützen Gedanken in meinem Kopf zu haben und dieses lächerliche Spiel mit zu spielen.

und zurück blieb ein Pinguin

Am nächsten Tag saß ich wieder an meinem Computer und schaute die Bilder durch, die ich am Vortag gemacht hatte. Sie waren gut, so gut wie man eben bei solch einer Veranstaltung fotografieren konnte. Schließlich gab es nichts herausforderndes daran, Fotos von kleinen Kindern, alten Menschen und ein bisschen von der Umgebung zu fotografieren. Trotzdem war ich zufrieden mit mir, die Stimmung in Bildern einfangen zu können – auch wenn sie verfälscht waren. Schließlich war es alles andere als Spaß gewesen, dort teilnehmen zu müssen, nur gaukelten die Fotos einem etwas anderes vor. Meine Augen blieben beim durchklicken auf einem Bild hängen, das die Person zeigte, die diese Veranstaltung etwas erträglicher gemacht hatte. Es hatte Spaß gemacht – wenn man mal von der Rangelei im Park und unserem Gespräch absah...
 

Ich stutzte, wobei ich leicht meinen Kopf schüttelte, als ich mich selbst dabei ertappte, was ich mal wieder dachte und vor allem tat. Es war nicht gerade förderlich auf das Bild des Brünetten zu starren, wenn man aufhören wollte, sonderbar zu denken und vor allem zu fühlen. Seufzend fuhr ich mir mit beiden Händen über das Gesicht, doch half es nicht, diese Gedanken wieder aus meinem Kopf zu bekommen. Es war geradezu ironisch, das ausgerechnet die Person mich aus meinen Gedanken holte, die dafür auch verantwortlich war und gerade poltern zur Tür herein platzte.
 

Ich war erschrocken genug, um ihn zuerst nur überrascht anzuschauen. Doch blieb es nicht dabei und schon bald wandte ich mich hektisch meinem Computer zu, um schnell das Fenster auf dem Monitor zu schließen, damit er nicht sehen konnte, was ich mir da gerade angeschaut hatte. Als ich wieder zu ihm aufsah, schmunzelte er mich nur amüsiert an, wobei ich nicht ganz wusste, ob er es nur wegen meinem Benehmen tat oder er doch noch einen Blick auf meinen Monitor erhaschen konnte. Irgendwie wollte ich das auch nicht lieber nicht wissen. Verbal schlug ich mir mit der Hand gegen die Stirn und fluchte im stillen über meine eigene Dummheit.
 

Während ich noch mit mir selbst beschäftigt war, lief Sora an mir vorbei und setzte sich vor seinem eigenen Schreibtisch. Als ich vorsichtig einen Blick auf ihn warf, ärgerte ich mich noch ein bisschen mehr, denn er hatte noch immer dieses ärgerliche Grinsen im Gesicht, als er einen kurzen Blick zu mir warf. Irgendwie hatte ich das Gefühl, als wüsste er, was ich dachte und mich verspottete. Am liebsten würde ich mir meinen Kopf gegen die Tischplatte schlagen, doch hielt ich mich zurück und blieb so ruhig wie möglich. So wandte ich mich wieder meiner Arbeit zu und wählte die Bilder für den Artikel aus. Dabei entschied ich mich für ein Foto von Sora, das – natürlich nur qualitativ betrachtet – besonders gut aussah. Es war eines der Bilder, die ich am Brunnen von ihm machte, so entschloss ich mich dazu, es mit rein zunehmen, damit die Leser sehen konnten, wer diesen Artikel geschrieben hatte.
 

„Was hältst du davon?“, wandte ich mich wieder an ihn und zeigte auf meinen Monitor. Sora trat neben mich, doch war seine Reaktion so ganz anders, als ich sie erwartet hatte. Entsetzt schüttelte er seinen Kopf, seine Augen die dabei etwas zu groß geworden waren. Irgendwie wirkte er auf mich erschrocken. Als hätte man ihn bei etwas erwischt, was er versucht hatte zu verheimlichen. Ich wusste zuerst nicht was los war, so zog ich misstrauisch eine Augenbraue hoch und bedachte ihn mit einem warnenden Blick. Ein böser Verdacht kam mir in den Sinn, als Sora mir einfach nicht antworten wollte und nur albern herum druckste, als könnte man mich so vom Thema ablenken.
 

„Sora“, sagte ich gereizt, „du hast den Artikel doch sicher schon fertig?“ Der Brünette wurde immer unruhiger und gab mir immer noch keine Antwort. Seufzend strich er sich durch das Haar und hob beschwichtigend seine Hände hoch, als ich diesmal ungeduldiger seinen Namen sagte. „Bevor du jetzt an die Decke gehst“, erwiderte er so sachlich wie möglich, wobei er Sicherheitshalber lieber einen großen Schritt von mir weg rückte, „ich habe mit dem Wisch angefangen.“ Er warf einen prüfenden Blick auf mich, doch gefiel ihm anscheinend nicht, welchen Ausdruck sich auf meinem Gesicht gebildet hatte, so rückte er lieber noch ein paar großzügige Schritte von mir weg.
 

„Was heißt bei dir 'angefangen'?“

Er druckste ein wenig herum. „So ein paar Sätze“, sagte er kleinlaut.

Ich stöhnte gereizt auf. „Der Artikel soll noch heute auf Axels Tisch liegen“, erklärte ich und fügte streng hinzu: „Sonst reißt er dir den Kopf ab!“ Sein Gesicht wurde blass. Neugierig beobachtete ich, wie er unschlüssig dastand und über die Konsequenzen für sein Handeln sein könnten. Es war ein herrlicher Anblick – jedenfalls so lange, bis sich sein Blick veränderte und ihm eine Idee einfiel, um dem unschönen Kopf abreißen zu entgehen. Seine Gesichtszüge erhellten sich, wobei sich sein Blick veränderte und einem bettelnden Ausdruck wich. Ich konnte bei diesen Anblick nur mit den Augen rollen und sagte sofort „Nein“.
 

„Aber Riku!“, rief er jammernd aus, wobei er näher zu mir lief, um sein Betteln noch ein bisschen zu erweitern. „Ich bin noch nicht mal einen Monat hier! Willst du wirklich, das ich so schnell gefeuert, werde?“ Ich machte den bösen Fehler, ihm direkt in die großen blauen Augen zu sehen. So wurde es schwer, seine Bitte abzuschlagen und weiterhin meinen strengen Blick aufrechtzuerhalten. Sora bemerkte mein Dilemma und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Schließlich wusste er, was seine Augen auswirken konnten und setzte sein Siegeslächeln auf. So gab ich auf und wendete mich wieder dem Computer zu.
 

„Was hast du denn bis jetzt geschrieben?“, brummte ich. Er guckte für einen Moment unschuldig zur Seite, bevor er sich endlich bewegte und langsam zu seinem Schreibtisch lief. Ungewohnt still kam er zurück und legte vorsichtig einen Schreibblock vor mir. Ich las es mir durch, nur um ihn kurz darauf verdattert zu ihm aufzuschauen. „Das ist alles?“ Sora nickte. „Unser Park soll schöner werden, war das diesjährige Motto unserer Stadt und sorgte dafür, dass Familien und Rentner gleichermaßen ihre Heime verließen, um diesem Ereignis beizuwohnen. Bei strahlendem Wetter, hörten sie dem Bürgermeister bei seiner gähnend langweiligen und vor allem langen Rede zu. Wer danach noch nicht eingeschlafen war, konnte sich beim späteren Grillfest die Bäuche mit allerlei Essen voll hauen. Denn das war das einzige, wofür es sich wirklich lohnte, überhaupt das Haus zu verlassen“, las ich skeptisch vor. Als ich endete, warf ich einen zweifelnden Blick zu ihm hinauf, doch hob er nur unschuldig die Schultern.
 

„Was soll dieser Blick bedeuten? Es ist doch nur die Wahrheit!“

Ich drehte meinen Stuhl zu ihm, damit ich genau vor ihm war. „Sora“, begann ich seufzend, „manchmal muss man einen Artikel ein wenig ausschmücken, um ihn etwas interessanter zu machen.“

Sora sah mich verständnislos an. „Du meinst lügen?“ Ich nickte bestimmt. „Aber ich habe das Essen gelobt!“, beharrte er, doch ich schüttelte nur meinen Kopf und drehte mich wieder mit meinen Stuhl dem Computer zu, um das Schreibprogramm zu öffnen und auf meiner Tastatur herum zu tippen. Sora trat neben mir und beobachtete mich aufmerksam,wie ich so schrieb. Als ich fertig war, schnappte er empört nach Luft.
 

„Das ist doch nicht die Wahrheit!“

Ich sah ihn überheblich an. „Es ist das, was die Leute lesen wollen. Da ist die Wahrheit relativ.“

„Aber das ist doch nicht richtig!“

Ich verdrehte nur die Augen. “Es geht darum, objektiv zu denken, weißt du? Denn es gab dort auch Menschen, die dieses Fest gefallen hat.“ Er schnaubte bei meiner Erklärung wieder, doch schnitt ich ihm das Wort ab, als er wieder sprechen wollte: „Das Thema ist beendet. Der Artikel ist fertig, basta.“ Sora sah mich nur mit offenen Mund an, doch ich kümmerte mich nicht darum und ging weiter meiner Arbeit nach, um noch die Fotos hinzu zu fügen. Es dauerte eine Weile, doch als ich fertig war, rief ich wieder nach Sora, damit er sich das fertige Werk ansehen konnte. So war ich ziemlich verstört, als Sora anstatt lobende Worte, nur ein entsetzten Aufschrei für meine Arbeit übrig hatte. Ich verstand nicht, was diese Aufregung sollte, so sah ich ihn vollkommen fassungslos an. Doch dieser ließ sich davon nicht beirren und schüttelte nur bestimmt den Kopf.
 

„Das kannst du nicht machen!“, rief er aufgeregt aus, „Ich will mein Foto nicht in diesem Artikel haben!“

„Warum nicht?“ Er suchte fieberhaft nach einer Antwort, nur um kurz darauf siegessicher zu grinsen. Ich war gespannt auf seine Antwort, die daraufhin auch prompt folgte: „Es ist nicht mal von mir. Außerdem muss keiner wissen, wer es geschrieben hat!“

Ich zog misstrauisch eine Augenbraue nach oben. „Es ist üblich, den Autoren am Ende des Artikels zu erwähnen und auch ein Foto von ihm zu haben. Axel legt sehr viel wert darauf“, erklärte ich, doch Sora war einfach nur entsetzt über diese Idee.

„Das geht nicht. Wir müssen uns ein Pseudonym für mich finden!“

Nun war ich wirklich verdutzt. „Ein Pseudonym?“, fragte ich zweifelnd noch mal nach.

Er nickte nachdrücklich, doch ich verstand diese ganze Panik nicht. Es war doch nur ein Foto. „Ja, irgendwas kreatives und mysteriöses.“ Ich seufzte nur und nahm das Bild wieder heraus, um es durch ein anderes zu ersetzen. Irgendwie schien es mir besser zu sein nachzugeben, als weiterhin mit ihm zu diskutieren und vielleicht Dinge zu sagen, die nicht so schön sein könnten. Während ich Seelenruhig den Artikel beendete, lief er vor meinem Schreibtisch auf und ab und warf gelegentlich ein paar lächerliche Namen in den Raum. Ich versuchte gar nicht erst ihm zu zuhören. Stattdessen druckte ich den fertigen Artikel aus, um ihn Sora einfach hinzuhalten. Als er die Blätter sah, stoppte er sein sinnloses herum Gelaufe und starrte ungläubig darauf.
 

„Während du zu Axel gehst, kannst du ja noch weiter darüber nachdenken und es Vorort mit deinem Schwager besprechen.“ Unschlüssig nahm er die Blätter an sich, wobei er auf seiner Unterlippe herum knabberte. Erst als ich ihn spöttisch angrinste, sah er mich trotzig an und lief endlich aus dem Büro. Ich wusste nicht, ob er sich nicht die Blöße vor mir geben wollte, doch war sein Verhalten merkwürdig gewesen. Schließlich schienen Axel und er eher eine Hassliebe zueinander entwickelt zu haben, da der rothaarige ihn nicht sonderlich ernst nahm. Anders konnte ich es mir nicht erklären, das er eine knappe Stunde verschwunden war. Als er wieder kam, sah er sichtlich wütend aus und sprach kein Wort mit mir. Das Gespräch war wohl nicht gut für ihn gelaufen.
 

„Alles in Ordnung?“, fragte ich nach. Zu meinem Erstaunen, klang meine Stimme etwas ängstlich.

„Nein, nichts ist in Ordnung!“, rief Sora wütend zurück und wirbelte zu mir rum. Seine böse funkelten Augen waren ein neuer Anblick für mich und ließen mich etwas zurückschrecken. „Axel ist ein Idiot“, stellte er klar, als würde er mir etwas neues erzählen. Als ich ihn nur anstarren konnte, begann er ein paar Dinge in seine Tasche zu stopfen. Ich war mir sicher, dass er nicht mal genau wusste, was er da so hinein steckte.
 

„Und das soll heißen?“, gab ich kühl zurück und erntete nur ein lautes Seufzen als Antwort.

„Das soll heißen, das ich von hier verschwinde! Axel ist ein uneinsichtiger, verständnisloser Dummkopf!“ Er stutzte kurz und suchte verzweifelt nach den richtigen Worten, um seinen Schwager am besten zu beschreiben. „Und ein Dickkopf!“, setzte er demonstrativ nach. „Mir doch egal, was mein Bruder davon hält, wenn ich diesen dummen Job schmeiße!“ Ich wusste nicht, was in Axels Büro geschehen war, doch fand ich Soras Verhalten doch etwas zu kindisch. So sagte ich mahnend seinen Namen, doch der Brünette schüttele nur resigniert seinen Kopf und hing sich seine Tasche um die Schulter. Trotzig drehte er sich zu mir um und für einen Moment trafen sich unsere Blicke. Ich war erschrocken, als ich in diesen blauen Augen etwas verletzliches sehen konnte, sodass ich den Drang hatte, einfach aufzustehen und den Kleinen in die Arme zu nehmen, um ihn zu trösten. Natürlich hielt mich meine Unfähigkeit auf und ich wandte mich ab, um diesen Anblick nicht mehr sehen zu müssen.
 

Sora brummte nur leise, nahm mein Benehmen als Anlass, um ohne ein Wort zu verschwinden. Mein Kopf war gesenkt, al er einfach aus dem Raum lief und somit auch wieder aus meinem Leben verschwand. Ich fühlte eine eigenartige Leer in mir, die in den nächsten Tagen auch sinnbildlich einsetzte, als Axel vorbei kam, um die Dinge von Sora aus dem Büro räumen zu lassen. Irgendwann in dieser Woche erinnerte nichts mehr daran, das der Brünette überhaupt existiert hatte. Es war elendig still an dem Freitag, als ich die letzten Zeilen in die Tastatur tippte und mich dabei erwischte, wie ich zu dem anderen Schreibtisch sah. Natürlich war der Platz leer und niemand machte mir mit lauten Geräuschen klar, dass es Feierabend war und es in das Wochenende ging. So war ich wie üblich über die Zeit, als ich den Computer herunter fuhr und so meine Arbeit beendete.
 

Doch gerade als ich mich erhob, um nach Hause und somit in ein langweiliges Wochenende zu gehen, fiel mein Blick auf eine kleine Figur, die mich mit unschuldigen Gesicht anguckte und unter meinem Monitor stand. Vorsichtig nahm ich sie auf und sah sie erstaunt an. Es handelte sich um den kleinen Pinguin, den Sora irgendwann mal mitgebracht hatte. Damals war ich nicht sonderlich begeistert von seinem Dekorationswahn gewesen und er hatte mir vorgeworfen, das ich eh zu blind dafür wäre, um es überhaupt zu sehen. Wenigstens mit dem Pinguin hatte er recht behalten, denn diesen lächerlichen Anspitzer hatte ich wirklich erst jetzt entdeckt. Ich drehte das Plastikding in meinen Fingern und lächelte, als ich mich daran zurückerinnerte, wie er mir vorgeführt hatte, wie das Ding funktionierte. So steckte ich es kurz entschlossen einfach in meine Hosentasche, ohne den genauen Grund meines Handelns zu hinterfragen.
 

Es war das einzige Objekt, welches Axel mir nicht weg genommen hatte und ich glaubte nicht, das der rothaarige überhaupt von seiner Existenz wusste. So stand ich endgültig auf und fuhr nach Hause.

Halbwahrheiten

Am Montagmorgen war ich der gewohnte Langweiler und erschien pünktlich auf Arbeit. Umso verblüffter war ich, als ich mein Büro betrat und mich ungewohnter Besuch erwartete. Axel hatte es sich auf Soras Stuhl gemütlich gemacht und grinste mich vergnügt an, als ich etwas erschrocken am Türrahmen stehen blieb und ihn nur anstarren konnte. Er nahm eine Hand von seinem Hinterkopf weg und begrüßte mich freundlich. Mein Blick verfinsterte sich automatisch, bei seinem Anblick und mit einem leisen stöhnen lief ich zu meinem eigenen Schreibtisch, um mich selbst zu setzen.
 

Axel nahm mein Verhalten gelassen hin und beobachtete mich aus neugierigen Augen. Eine Weile herrschte ein unangenehmes Schweigen zwischen uns. Jedoch sollte es nicht lange so bleiben, denn Axel ergriff das Wort und würde hoffentlich schnell den Grund seines Besuches verraten, damit er auch ebenso schnell wieder verschwinden konnte.
 

„Wie geht es dir Riku?“, begann er im Plauderton zu fragen. Mein genervter Gesichtsausdruck wurde einfach nur belächelt. „Seit Sora nicht mehr da ist, müsste es hier ziemlich einsam sein.“ Ich gab vor beschäftigt zu sein und schaltete den Computer ein, nur um kurz darauf ein paar Unterlagen aus der Ablage zu herauszuziehen und darin herum zu blättern. Bei meiner Tätigkeit hob ich nur gleichgültig meine Schultern. „Es ist ruhig.“
 

„Etwas, was du immer gewollt hast, seit der Kleine da war.“ Ich nickte mechanisch und ignorierte diesen seltsamen Unterton in seiner Stimme. Er war hartnäckig, so musste ich wohl seine Anwesenheit noch eine Weile ertragen müssen. Jedoch versuchte ich mein bestes, um meinen kühlen Ausdruck zu halten, in der Hoffnung ihn so genug zu verschrecken, damit er so schnell wie möglich wieder verschwindet. Schließlich war ich doch der Eisblock – wie Sora mal so schön erwähnt hatte und diesen unkreativen Spitznamen konnte ich ja nicht umsonst haben.
 

Als ich ein knarren hörte, sah ich hoffnungsvoll auf und glaubte schon, dass er endlich wieder gehen würde. Umso enttäuschter war ich, als sich Axel nur noch tiefer in seinen Stuhl gemütlich gemacht hatte und nun schon seine Beine auf den Tisch ausstreckte. Dabei sah er mich überheblich an, als er meinen Blick bemerkte. Anscheinend wollte er mich aus der Reserve locken, doch diesen Gefallen würde ich ihm keinesfalls tun. So ging es bald einfach nur noch darum, wer als erstes seine Fassung verlor und endlich zu reden begann. Mit gekonnter Ruhe und betont gelangweilten Blick, begann ich meine Arbeit und ließ mich nicht von den Blicken und Geräuschen des rothaarigen ablenken. Schließlich hatte ich durch Sora bereits Übung darin, nicht auf alles zu reagieren, was so in meiner unmittelbaren Umgebung passierte. So wusste ich, dass ich gewonnen hatte, als Axel theatralisch zu seufzen begann und sich in seinem Stuhl aufrichtete.
 

„Gut“, seufzte er, „so kommen wir nicht weiter. Du willst also nicht mit mir reden? Okay, dann eben nicht.“ Ich sah in dem Moment auf, wo er sich in meine Richtung drehte, wobei diese intensiven grünen Augen mich neugierig musterten. Unter seinen Blick verhärteten sich meine Gesichtszüge, mochte ich es doch nicht, so angestarrt zu werden. Axel schmunzelte schelmisch. „Bei unserem ersten Treffen mochte ich dich irgendwie lieber. Da warst du noch so schön unterwürfig – das hat mir gefallen.“
 

Ich verdrehte nur die Augen bei seinen Worten. „Was willst du Axel“, fragte ich gerade heraus.

Axel schnalzte tadelnd mit der Zunge. „Spricht man denn so mit seinem Chef?“

„Wenn er nervt, ja.“ Woher ich diese Frechheit besaß so etwas zu sagen, war mir nicht ganz klar, doch nervte mich schon seine bloße Anwesenheit.

Axel lachte dunkel. „Gut, dann komme ich auf den Punkt, damit du endlich deine heilige Ruhe haben kannst.“ Provozierend wackelte er mit seinen Fingern herum und machte ein dummes Gesicht.
 

„Ich habe einen Auftrag für dich. Du wirst Kairi begleiten. Sie wird einen Artikel schreiben und du wirst dazu zuständig sein, die Fotos dazu zu machen.“

„So was wie diese Parkaktion?“

Axel warf mir einen vielsagenden Blick zu. „Ich habe die Fotos gesehen, Riku und ich denke, du wirst bei diesem Auftrag ebenso viel Spaß haben, wie im Park.“ Meine Augenbrauen hoben sich überrascht, als ich sein breites Grinsen bemerkte. Als er meinen Ausdruck sah, bemühte sich Axel, besonders unschuldig zu schauen. Natürlich gelang es ihm nicht, denn Unschuld und Axel, passten einfach nicht zusammen. Wie kam er darauf, dass ich dabei Spaß hatte? Ich wurde etwas nervös bei seiner seltsamen Anspielung. Vielleicht war ich auch einfach nur paranoid. Nur nachfragen würde ich ganz sicher nicht. Schließlich reichte mir schon sein Grinsen, das einfach nicht aus seinem Gesicht verschwinden wollte.
 

„Wie dem auch sei“, sagte er, nachdem es eine Weile still zwischen uns war, „Morgen früh um Punkt acht geht es los. Warte vor dem Bürogebäude auf Kairi, sie wird dich dort treffen und dir alles weitere erklären.“ Ich hatte keine Chance, um noch etwas zu fragen und war viel zu verwirrt von dem Verhalten des rothaarigen. Doch dieser erhob sich einfach von seinem Stuhl, als er der Meinung war alles gesagt zu haben und verließ mit einem vielsagenden Blick, mein Büro. Sobald sich die Tür hinter ihm schloss, stöhnte ich gequält auf und rieb mir mit den Händen über mein Gesicht. Irgendwie sehnte ich mich nach der Zeit zurück, als ich meinen Chef nur aus der Ferne gesehen hatte.
 

Ich hatte ein flaues Gefühl im Bauch, als ich am nächsten Morgen wie gewünscht vor dem Bürogebäude stand und auf meine Kollegin wartete, dessen Namen ich nur kannte. Dabei war ich mir nicht ganz sicher, was schlimmer war: das ich absolut keine Ahnung hatte was mich erwartete oder die Tatsache, dass ich nicht mal wusste, wie diese Kairi eigentlich aussah. So stand ich unschlüssig da und ließ meinen Blick unauffällig über die Menschenmenge streifen, die sich vor ihrer Arbeit auf den Platz versammelten, um sich noch eine Zigarette zu gönnen. Dabei fühlte ich mich irgendwie ausgeschlossen, als ich so ganz allein an der Tür stand und auf die vielen kleinen Grüppchen blickte. Trotzdem hatte ich das Gefühl, als wäre ich der Mittelpunkt des Interesses meiner Kollegen, denn immer wieder wurden mir neugierige Blicke zugeworfen. Ich erschauderte unter diesen Blicken, versteifte mich unbewusst ein bisschen, in dieser ungewohnten Situation.
 

So war ich froh, als sich die Grüppchen langsam auflösten und in dem Gebäude verschwanden. Dass es auch bedeutete, das ich nun allein auf den Platz stand und sich Kairi verspätet hatte, war mir zuerst egal. Jedenfalls so lang, bis ich von der Warterei endgültig genug hatte und mich genervt auf den Bordstein neben des Bürogebäudes setzte. So war ich wenigstens von den Blicken der Leute geschützt und konnte in Ruhe warten, bis sich Kairi endlich dazu entschloss, hier aufzutauchen. Dabei musste mein Gesicht besonders grimmig ausgesehen haben, denn als eine junge, rothaarige Frau auf den Platz lief und mich sah, blieb sie einen Moment unschlüssig stehen, bevor sie etwas vorsichtiger auf mich zugelaufen kam. Ich sah zu ihr auf, als sie vor mir stoppte und mich mit einem etwas unsicheren Lächeln anzusehen. Ich erwiderte es nicht. Warum auch, schließlich gab es keinen Grund dazu. Schnell verschwand das Lächeln wieder, als sie meinen Blick sah.
 

„Hi, du musst Riku sein“, sagte sie zaghaft. Eines musste man ihr lassen, sie versuchte wenigstens höflich zu sein und streckte ihre Hand aus, als sie sich mit „Ich bin Kairi“, vorstellte. Doch unternahm ich keinen Versuch, es ebenso zu sein und antwortete nur mit einem spöttischen schnauben. Schnell ließ sie ihre Hand wieder sinken, um sie wie ein kleines Mädchen, hinter ihrem Rücken zu verstecken.
 

„Du bist zu spät.“

Sie gluckste unbeholfen auf. „Ja, mein Auto ist stehen geblieben. So musste ich die Strecke zu Fuß zurück legen. Wir sollten wohl besser mit deinen Auto fahren.“

„Ist es denn so weit?“

Sie gab mir einen seltsamen Blick und nickte verblüfft. „Ja, das Viertel liegt am Ende der Stadt. Mich wundert es, das du das nicht weißt, momentan spricht jeder davon.“ Ich erhob mich, wobei ich mich demonstrativ vor ihr aufrichtete, um sie herablassend ansehen zu können. Eine Geste, die ihre Wirkung nicht verfehlte und sie erschrocken ein paar Schritte von mir zurück wich. „Lass uns einfach fahren, damit wir diesen Auftrag so schnell wie möglich hinter uns bringen können.“
 

Ich konnte die Absätze ihrer Schuhe hinter mir hören, als sie versuchte mit mir Schritt zu halten, während ich bereits losgegangen war. So musste ich im Auto auf sie warten, bis sie endlich eingestiegen war. Außer Atem nahm sie neben mir Platz und ich fuhr nach ihren Anweisungen durch die Stadt. Es war eine überraschend lange Fahrt. Grund genug für diese Kairi,im Plauderton ein Gespräch anzufangen. Etwas, was ich nun überhaupt nicht gebrauchen konnte. So schaltete ich einfach ab und konzentrierte mich nur auf das Fahren. Jedenfalls so lang, bis sie etwas sagte, das ich so ähnlich schon einmal gehört hatte.
 

„Hm, reden ist anscheinend nicht deine Stärke. Aber wahrscheinlich verlernt man so was, wenn man ständig allein ist.“ Ich lachte humorlos auf. Wobei ich darauf achtete, ihr einen finsteren Blick zu zuwerfen, als ich kurz meinen Kopf zu ihr drehte. Sie sah etwas erschrocken zurück, ihre Hände, die nervös auf ihren Schoß gegen einander rieben. Trotzdem hielt sie meinen Blick stand und ein kleines, unscheinbares Lächeln huschte über ihre Lippen. „Es ist Unsinn. Ich bin weder allein, noch verlernt man so was wie das reden“, brummte ich. Aus den Augenwinkeln sah ich sie kurz an, wie sie sich wieder gerade aufrichtete und etwas besorgt aus der Frontscheibe des Autos blickte.
 

„Nun gut, vielleicht sollte ich mich etwas anders ausdrücken: Du wirst von den anderen als Eisprinz bezeichnet. Einfach weil du es irgendwie geschafft hast, jeden Kollegen aus dem Weg zu gehen oder vor den Kopf zu stoßen, wenn er versucht hatte, mit dir zu reden. Aber mit dem grimmigen Gesicht, das du anscheinend nicht mehr ablegen kannst, dürfte es nicht so schwer sein, Menschen zu verschrecken.“ Zähneknirschend hörte ich ihr zu und fragte mich, was sie sich eigentlich einbildete, so mit mir zu reden. Schließlich kannten wir uns gerade mal zehn Minuten oder so und da sollte es für ehrliche Worte noch viel zu früh sein. Mein Gesicht wurde zu einer Art Maske und spontan entschied ich mich dafür, einfach meinen Mund zu halten, um nichts falsches zu sagen. Schließlich war sie nur eine junge Frau, die zu viele Psychologie Zeitschriften gelesen hatte und nun glaubte, jeden Menschen einschätzen zu können. Wahrscheinlich würde sie sofort anfangen los zu heulen, wenn ich ihr die passende Antwort auf ihre unverschämten Worte gab. Ich mochte keine heulenden Frauen oder gar Menschen die flennten, da ich einfach nicht damit umgehen konnte. Nur machte sie mir es nicht gerade einfach, keine Widerworte zu geben, da sie einfach nicht ihren Mund halten konnte. Verdammte Frauen!
 

„aber es macht dich auch interessanter“, sagte sie nachdenklich und schmunzelte leicht. Sie nickte nachdrücklich, als ich sie seltsam musterte und sprach ungefragt weiter: „“Ja, im Ernst. Deine introvertierte Art scheint dich interessant zu machen – sonst würdest du nicht so viele Namen bekommen. Vielleicht sollte ich das auch mal probieren, damit der Typ aus der dritten Etage auf mich aufmerksam wird. Nur mag ich Menschen einfach zu gern.“ Sie lachte hell auf, doch mir schwirrten ihre Worte noch immer im Kopf herum, sodass ich es kaum hörte. Seit wann hatte ich denn bitteschön solch einen Ruf? Ich wunderte mich ehrlich darüber, war ich doch immer der Meinung gewesen, dass ich von meinen Kollegen nicht beachtet wurde. Also war an Soras Behauptung, das er auf die anderen hätte hören sollen, doch etwas dran gewesen. Zu dem Zeitpunkt, wo er dies sagte , hatte ich es für einen unbedachten Satz gehalten, den er nur gesagt hatte, weil er wütend auf mich gewesen war. Nun hörte ich es noch einmal von Kairi und irgendwie glaubte ich ihr. Gerüchte waren eine seltsame Sache, doch verbreiteten sie sich äußerst schnell. So wollte ich lieber nicht wissen, was da noch so über mich kursierte. Mir reichten die 'Wahrheiten', die ich von ihr hörte. Darum war ich auch erleichtert, als sie abgelenkt war und plötzlich „Wir sind da!“ rief.
 

Ich hielt neben dem großen Torbogen, auf dem mit großen, bunten Buchstaben „Willkommen“ drauf gemalt war und nur aus einer einfachen Holzplatte bestand, das notdürftig dort befestigt worden war.Als wir aus dem Auto ausstiegen, konnte ich altertümliche Musik hören, die eindeutig aus dem inneren dieses komischen Viertels kam. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte, doch ging mit Kairi an meiner Seite durch den großen Torbogen, um es herauszufinden. Doch im Gegensatz zu meiner Kollegin, die ein ehrfürchtiges Geräusch machte und sich umschaute, wie ein Kind, in einem Süßwarenladen, blieb ich gelassen bei dem Anblick, der sich mir nun bot. Zugegeben, es war erstaunlich, als würden wir eine neue Welt betreten. Nur war ich noch unsicher, ob mir diese neue Welt auch gefiel.
 

Vor uns erstreckte sich eine Art großer Park, in dessen Mittelpunkt ein großer Pavillon stand, der ebenso bunt und auffällig war, wie die Häuser, die den Park umrundeten. Dabei fielen die farbenfrohen Malereien an den Mauern besonders auf, die allesamt irgendwelche Fabelwesen oder Fantasiefiguren zeigten. Kitsch fiel mir dazu nur ein und das der Maler von dem Zeug, das er genommen hatte, wohl etwas zu viel hatte. Dafür gefiel es Kairi, die kaum ihren Mund vor lauter staunen wieder zu bekam. Ihre Augen leuchteten, als sie neugierig auf die Einheimischen schaute, von denen einige auf der Wiese und in dem Pavillon herum lungerten. Ich zückte meine Kamera und fotografierte die kleinen Grüppchen auf der Wiese, die meine Tätigkeit nur teilnahmslos zur Kenntnis nahmen. Wahrscheinlich hatte ihr Guru oder wie immer diese Hippies ihren Boss auch nannten, ihnen schon gesagt, das ein paar Großstadttrottel von der Zeitung vorbei kamen und sie wie seltene Tiere anstarren und fotografieren würden. Bei diesem Anblick der verlotterten Menschen fühlte ich mich selbst seltsam reich und irgendwie versnobt. Ich freute mich.
 

„Wir müssen zu jemanden, der sich selbst Xemnas nennt“, holte mich Kairis Stimme aus meiner Arbeit. Als ich in meiner knienden Position zu ihr aufsah, zuckte sie nur ratlos mit den Schultern. „Er ist so was wie der Chef dieser Truppe – glaube ich. Ich weiß nichts über ihn. So kann ich auch nicht sagen, ob es sein richtiger Name ist.“

„Wie gut, das du dich so ausgiebig informiert hast“, meinte ich sarkastisch. Als ich ihren betroffenen Gesichtsausdruck sah, war ich zufrieden und erhob mich gelassen. Genug Bilder von diesen verlotterten Menschen gemacht. „Hast du wenigstens eine Ahnung wo wir diesen Xemnas finden können?“ Sie bedachte mich nur mit diesem unschuldigen klein Mädchen Blick, dann suchte sie in ihren Unterlagen herum. Ich beobachtete sie nur mit zweifelnd erhobener Augenbraue.
 

„Sag mir jetzt nicht, dass du auch das nicht weißt“, seufzte ich und kassierte prompt einen bösen Blick von der jungen Frau.

„Spuck nicht so große Töne! Du hättest dich genauso gut informieren und mir helfen können!“

Ich verschränkte die Arme vor der Brust, wobei ich darauf achtete, besonders abfällig auf sie zu schauen. „Mein Job ist es, Fotos von diesen Gestalten zu machen und diese Aufgabe habe ich schon erfüllt. Dieser ganze Recherchekram ist deine Sache!“ Sie blinzelte mich angesäuert an, dann kramte sie weiter in ihren Unterlagen herum und murmelte etwas von: „Kein Wunder, das dein Kollege vor dir geflüchtet ist.“ Es war nur ein kleiner, undeutlicher Ausspruch, doch sorgte es dafür, das ich sie vollkommen verblüfft anschaute. Kairi bemerkte es nicht sofort, so dauerte es ein paar Sekunden, bis sie fragend zu mir aufsah.
 

„Wie kommst du darauf, das Sora vor mir geflohen sei?“, fragte ich gerade heraus. Das in meiner Stimme auch was verletzliches mitschwang, ärgerte mich im nach hinein, denn Kairi lächelte hämisch, als sie merkte, dass sie einen wunden Punkt von mir getroffen hatte. „Man redet darüber, dass du diesen Sora verscheucht hättest. Angeblich habt ihr euch gestritten und er hat gekündigt, weil er mit dir einfach nicht mehr arbeiten konnte“, erwiderte sie gleichgültig. Ich biss mir auf die Unterlippe, während ich sie nur verständnislos ansehen konnte. „Und du glaubst diesen Quatsch?“ Sie hob nur gleichgültig die Schultern und sah etwas verlegen weg. „An jedem Gerücht gibt es auch ein Fünkchen Wahrheit“, war sie sich sicher, wobei sie auf auffällige Weise versuchte, das Thema zu wechseln. So ging sie noch einmal ihre Unterlagen durch und lächelte zufrieden, als sie endlich den richtigen Zettel gefunden hatte.
 

„Wir müssen zu einem goldenen Haus.“ Sie stutzte zweifelnd bei ihren eigenen Worten. „Der Typ scheint ein bemerkenswertes Ego zu haben. Denn es ist auch das Haus, in dem er lebt.“

„Okay, dann lass uns gehen, damit wir so schnell wie möglich wieder von hier weg kommen. Wenn es dunkel wird, möchte ich lieber nicht mehr hier sein.“

Ich warf einen skeptischen Blick zu den kleinen Grüppchen, die uns nun neugierig musterten. Kairi kicherte. „Was denkst du, was passiert, wenn es dunkel wird?“

„Das möchte ich gar nicht erst raus finden.“
 

Sie kicherte immer noch, als wir zusammen weiter liefen und nach dem goldenen Haus Ausschau hielten, in dem der Typ angeblich leben sollte. Man sollte denken, dass es einfach sei, ein goldenes Haus zu finden. Doch war das Arsenal doch größer, als wir zuerst gedacht hatten. Kairi hatte irgendwann vorgeschlagen, jemanden nach dem Weg zu fragen, doch wurde es von mir sofort abgelehnt, nachdem ich einen Blick auf den langhaarigen und nicht gerade vertrauenerweckenden Typen warf, den sie ansprechen wollte. Ich zog sie einfach von ihm weg, als sie zu ihm laufen wollte und registrierte zufrieden, seinen verwirrten Gesichtsausdruck, als ich dies tat. Die rothaarige Frau brummte etwas, gehorchte mir aber.
 

So gingen wir weiter an zwielichtigen Menschen vorbei, die auf den Straßen oder in Hauseingängen saßen und durchquerten eine schmale Seitenstraße, die uns zu einer weiteren Wiese führte. Sie war kleiner als der Park und anstatt einem Pavillon, standen dort fünf große Bäume, die mit bunten Stoffbändern geschmückt waren. Zwischen ihren Stämmen, waren Leinen Gespannt, auf denen Wäsche hing und kleine Kinder fröhlich spielten. Als sie uns sahen, hielten sie kurz an und musterten uns kurz mit leicht ängstlichen Augen. Anscheinend wussten sie, dass wir fremd waren, doch war es auch kein Wunder, sahen wir doch normal aus. Ein kleiner, entzückender Laut Kairis zwang mich gerade zu, sie am Arm zu packen und sie weiter zu schieben, damit sie nicht zu den kleinen Kindern hinlaufen konnte. Was war das nur mit den Frauen und Kindern? Ekelhaft, doch murrend lief sie mit mir weiter und warf nur einen sehnsüchtige Blick zu den kleinen Gören zurück. Wir liefen weiter, wobei ich Kairis Arm wieder los ließ, als wir weit genug von den Knirpsen weg waren. Nachdem wir ein paar weitere Seitenstraßen durchquert hatten und noch ein paar seltsamen Menschen begegnet waren, tat sich vor uns endlich das goldene Haus auf, dessen Farbe in unseren Augen blendete, als die Sonne so auf die Mauern schien. Wir tauschten einen irritierten Blick aus, als wir das Gebäude sahen und selbst Kairi wurde etwas unsicher, ob wir wirklich da hinein gehen sollten.
 

„Axel hat mit diesem Xemnas etwas gemeinsam: Beide haben einen seltsamen Humor“, brummte ich, als ich so auf das Gebäude empor schaute.

„Und ein ausgeprägtes Ego“, fügte Kairi hinzu und seufzte, als wir auf die Holztür zuliefen. Zu meiner Überraschung war sie offen, als ich die Klinke hinunter drückte und sich mit einem Quietschen ganz öffnen ließ. Ein seltsam beißender Geruch stieg in unsere Nasen, als wir das Gebäude betraten und auf die nächste Überraschung trafen: Wir standen in einer großen Halle, an dessen Ende in U – Form, Raumteiler aufgestellt waren. In dessen Mitte türmten sich Kissen, auf denen eine Gestalt saß, die nun mit leicht verrückten Blick aufsah, als sie uns bemerkte. Wieder tauschten wir unsichere Blicke aus, liefen aber weiter tapfer auf die seltsame Person zu.

aus einem Traum erwacht

Während wir auf ihn zu schritten, fielen mir die bunten Tücher an den Wänden auf und wie viele Türen in andere Zimmer führten. Ich wollte gar nicht erst wissen, was sich dahinter befand, reichte mir doch schon dieser seltsame Typ, der uns lächelnd dabei zu sah, wie wir vor ihm zum stehen kamen und weit die Arme ausstreckte, um uns Willkommen zu heißen. Seine Augen funkelten seltsam golden, in dem Schein der Kerzen, die überall im Raum aufgestellt waren. Das lange silberne Haar, das sanft über seine Schultern fiel. Seine ganze Aura strahlte Ruhe aus, jedoch wirkten seine Augen auf mich seltsam neugierig, als sie ausgerechnet auf mir ruhten.
 

„Willkommen“, säuselte er. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Ich fühlte mich merkwürdig unwohl in seiner Gegenwart, so war ich froh, als Kairi ein paar Schritte auf ihn zu ging und ihn ebenfalls begrüßte. „Wir sind hier, um mit ihnen das Interview zu führen. Sie wissen schon, den Artikel, über ihr faszinierendes Viertel.“ Der Mann nickte und gestikulierte mit seiner Hand, dass wir uns setzen sollten. Wir gehorchten einfach und der Mann war zufrieden.
 

Während Kairi das Interview führte, hörte ich nur halbherzig zu. Die Augen des Silberhaarigen Mannes, die mich neugierig musterten, waren dabei verstörend. Da half es nicht mal, das ich betont kühl zurück schaute. Doch nicht mal dies schien ihn nicht abzuschrecken, denn sein Blick ruhte nur auf mich, als er so mit Kairi sprach. Dabei bewegte er sich kein kleines bisschen, als er so in Schneidersitz vor uns saß und ruhig, mit der jungen Frau redete.
 

„Wir sind nur eine friedliche kleine Gemeinde, die von der schnelllebigen und Geld und Erfolg gelenkten Gesellschaft missverstanden wird“, säuselte er nun, wobei Kairi eilig ihr Diktiergerät in seine Richtung hielt. „Wir wollen nichts böses von den Menschen. Nur so leben, wie es uns gefällt. In Frieden und Ruhe. Nur sieht es die Außenwelt anscheinend als nicht konventionell an, wenn man nicht nach ihren Maßstäben lebt. So will man uns aus unserer friedlichen Welt vertreiben und uns dazu zwingen, so zu leben, wie sie es für richtig halten und es gewohnt sind. Wir leben in Harmonie, doch das scheint unseren Bürgermeister nicht zu gefallen, da wir nicht nach seinem Regiment leben wollen und unabhängig sind. Eine Schande, wenn du mich fragst.“
 

Kairi nickte eifrig und hing förmlich an seinen Lippen. Anscheinend hatte sie an diesem merkwürdigen Mann gefallen gefunden. Schließlich hatte dieser charismatische Mann wirklich etwas an sich, das nicht nur Kairi anzog und sie ihn anhimmelte. Höchst wahrscheinlich ging es den anderen Bewohnern dieses Viertels ähnlich. Doch schätzte ich, dass es bei den anderen nicht nur beim anhimmeln blieb und sie sich auch das Bett - oder in was auch immer diese Leute schliefen – teilten. Vielleicht war es nur ein Vorurteil meinerseits, doch vermutete ich, das er bereits mit jeden dieser Mitglieder, schon geschlafen hatte. Ein Gefühl des Ekels, breitete sich bei diesem Gedanken in mir aus. Meine Augenbrauen zogen sich zusammen, als ich mich angeekelt schüttelte.
 

Natürlich blieb dies nicht unbemerkt, so guckten mich die beiden mit seltsamen Blicken an. Jedenfalls Kairi, denn Xemnas bedachte mich nur mit einem leicht spöttischen Blick, der mich unweigerlich zusammen zucken ließ. Ich fuhr mir ungeschickt durch das Haar, wobei ich vorgab, das nichts geschehen war. Nur machte es alles etwas schwieriger, als die Augen des Typen immer noch auf mich ruhten und ich darum kämpfen musste, meine Fassung zu bewahren.
 

„Geht es dir gut?“, fragte Kairi besorgt. Ich antwortete ihr nicht, sondern sah ihr nur stur ins Gesicht, um nicht auf Xemnas sehen zu müssen.

„Sind wir hier endlich fertig?“, brummte ich. Kairi öffnete erstaunt ihren Mund, bei meiner groben Frag und warf einen flüchtigen Blick auf den Mann vor uns, als wollte sie sichergehen, dass er durch meine Worte nicht beleidigt war. Dieser lächelte nur.
 

„Mir scheint, dass du unsere Lebensweise nicht teilst oder gar verstehst“, sagte er freundlich. „Es steht dir frei zu gehen. Niemand sollte dazu gezwungen werden, an einem Ort zu bleiben, wo er sich nicht wohl fühlt.“ 'Wie großzügig', dachte ich Zähne knirschend. Doch blieb ich sitzen und hörte weiterhin die wirren Worte von Liebe und Frieden des seltsamen Mannes zu. Schließlich konnte ich Kairi mit diesem Typen nicht allein lassen. Diese schien mit meiner Entscheidung nicht ganz so zufrieden zu sein, warf sie mir doch einen nicht so ganz begeisterten Blick zu. Vielleicht irrte ich mich auch und es war noch immer, wegen meinem nicht so ganz höflichen Verhalten. Wie dem auch sei, blieb ich auf meinen Hintern sitzen und wich nicht von ihrer Seite. Schließlich war ich die einzige Person, die auf sie aufpassen konnte. So hörte ich wieder nur halbherzig zu, als sie ihn Fragen stellte und wartete einfach ab, bis dieses Interview endlich vorbei war.
 

Nach einer gefühlten Ewigkeit, stand Kairi unbeholfen auf und bedankte sich überschwänglich bei dem Mann, der nur mit einen sanften Lächeln auf den Lippen, nickte. Ich schaute bei der Szene einfach nur unbeteiligt zu und winkte nur zum Abschied. Dafür kassierte ich auch kurz darauf, einen bösen Blick der jungen Frau, die meinen Abschiedsgruß wohl wieder mal nicht so höflich fand. Mir sollte es egal sein, war ich doch nur froh, wieder aus diesem stickigen Raum, mit dem merkwürdigen Gerüchen zu kommen und endlich wieder frische Luft einatmen zu können. Dies tat ich ausgiebig, als wir vor die Tür traten; Kairis missbilligen Blick einfach ignorierend.
 

Dieser hielt nur nicht lange an, denn etwas erregte ihre Aufmerksamkeit und mit einem „Ist das nicht dein Kollege?“ Ausruf, zwang sie mich, ihren Finger zu folgen, mit dem sie in eine bestimmte Richtung zeigte. Tatsächlich stand Sora auf der anderen Seite des Hofes, doch war er nicht allein. Ein blonder Mann war bei ihm und sie sahen nicht so aus, als würden sie in dieser Harmonie sein, über die Xemnas die ganze Zeit gefaselt hatte. In ihren Gesichtern war Wut zu lesen und sie sahen so aus, als würden sie sich streiten – jedenfalls kam es mir so vor, als ein paar Wortfetzen ihres Gespräches, zu mir drangen. Wie betäubt blickte ich zu dem Paar und plötzlich dämmerte es mir, das es sich bei dem Blonden, um den Typen auf dem Foto handelte, das Sora so sorgsam auf seinen Schreibtisch stehen hatte.
 

Ich wusste nicht, was ich mich gefahren war, doch irgendwie griff ich geschockt einfach nur nach Kairis Arm und zog sie schnell weg, um diesen Ort endlich zu verlassen. Dabei konnte ich nur darauf hoffen, das Sora mich nicht gesehen hatte, auch wenn Kairis verblüfftes Geräusch, nicht gerade leise gewesen war. Erst als wir wieder auf der Wiese mit den spielenden Kindern waren, ließ ich sie los, achtete aber darauf, über die Wiese zu laufen, damit die Wäsche, die auf der Leine hing, eine Art Sichtschutz für mich bieten konnte. Auf Kairis verwirrte Fragen, ging ich dabei gar nicht ein, versuchte nur Kopflos einen Weg aus diesem verdammten Ort zu finden. Dann entdeckte ich endlich die schmale Seitenstraße, die ich prompt passierte und froh war, endlich wieder den bunten Pavillon zu sehen.

Während ich noch überlegte, ob ich weit genug von dem Paar weg war, hielt Kairi schimpfend neben mir. Sie keuchte ein bisschen, ihre Wangen, die von der Anstrengung gerötet waren. Als ich etwas spöttisch zu ihr hinunter blickte, funkelte sie mich böse an.
 

„Was soll der Quatsch?“, fragte sie erzürnt. Ich grinste süffisant, bei ihrem Gesichtsausdruck und freute mich noch ein bisschen mehr, als sie dadurch noch wütender wurde. Es war so einfach, sie zu reizen. So machte ich weiter, um mich selbst ein bisschen besser zu fühlen und vor allem abzulenken. „Was? Wir sind fertig. Du hast den Typen interviewen können, also können wir zurück in unsere Büros.“ Sie sah mich nur mit offenen Mund an, die Hände wütend an ihren Hüften gestemmt. Dann aber veränderte sich ihr Blick, der mir so gar nicht gefallen wollte. Das Mädchen wollte anscheinend einen Schlagabtausch mit mir, jedenfalls sprach ihr neugieriger Blick dafür.
 

„Und diese Entscheidung hast du natürlich vollkommen spontan getroffen?“

Ich nickte.

„Und hat natürlich nichts mit den kleinen Brünetten zu tun?“, hakte sie weiter nach.

Ich sah sie nur kühl an. “Können wir nun endlich gehen?“, fragte ich gelangweilt.

Kairi schüttelte nur langsam ihren Kopf. „Nein, wir sind hier noch nicht fertig!“ Ihre strenge Stimme ärgerte mich, doch anscheinend war ihr dies vollkommen egal. So stöhnte ich nur genervt auf, was bei ihr nur dafür sorgte, dass sie ihre Hände an ihre Hüften stemmte und mich erbost anzugucken.
 

„Denkst du ernsthaft, dass ein paar Fotos von einem Pavillon Axel reichen werden? Deine überhebliche Art nervt mich. Ich bin fertig mit meinem Job. Nur du solltest dir etwas einfallen lassen, um diesen Artikel interessanter zu machen!“, meinte sie provozierend und setzte mit funkelten blauen Augen fort: „und noch was, Mr. Klugscheißer; wenn du so clever bist, wie du so gerne tust, hättest du auch gleich so klug sein und ein paar Fotos von Xemnas machen können, anstatt ihn anzugucken, als wäre er ein ekelhafter Parasit!“
 

Ich konnte sie nur fassungslos anstarren. Ein Blick, den Kairi an mir besonders gut gefiel, denn sie grinste mich überheblich an. „Gut“, gab ich zornig auf, „dann mach ich eben noch ein paar beschissene Bilder!“ Ohne eine Antwort abzuwarten, stampfte ich an ihr vorbei und schaute die Umgebung an, um ein halbwegs gutes Motiv zu finden. Dabei war es mir egal, was es genau war, Hauptsache ich konnte endlich von hier weg. Kairi beobachtete mich bei meiner Tätigkeit, während mein Blick auf einen Mann in einem langen Mantel und großen Zylinder auf den Kopf, fiel. Er spielte auf einem seltsam aussehenden Leierkasten, aus dem nur schiefe Töne heraus kamen. Er lächelte mich gutmütig an. So zückte ich meine Kamera und fotografierte den Mann halbherzig.
 

Gerade als ich damit fertig war und mich wieder aufrichtete, sah ich aus den Augenwinkeln, wie eine Gestalt auf mich zugelaufen kam. Ich konnte gar nicht so schnell reagieren, wie es passierte und hätte die kleine Person um ein Haar nicht auffangen können, als sie sich überschwänglich auf mich stürzte. Instinktiv griffen meine Hände nach den anderen Körper und versuchten ihn, trotz der Wucht, auf den Platz zu halten, damit er nicht runter rutschen konnte. Noch bevor ich begriff, was hier eigentlich geschah, legten sich weiche Lippen auf die meinen und ein verräterisches Kribbeln, breitete sich in meinen Bauch aus, bei diesem unschuldigen Kuss. Es waren nur unsere Lippen, die sich berührten, doch löste es so viel mehr in mir aus. Ich war wie betäubt, als mich strahlende blaue Augen ansahen und sich ein paar Arme etwas fester um meinen Hals schmiegten. Was geschah hier gerade? Ich war wie gelähmt und meine Fähigkeit zu denken, setzte komplett aus. Dafür wusste der Brünette die richtigen Worte und redete auf mich ein, ohne dass ich alles verstehen konnte, da sein Gesicht an meinem Hals ruhte und er deshalb viel zu undeutlich sprach.
 

„Du bist wirklich da!“, rief er glücklich aus, wobei er sich in meinen Armen etwas herum hampelte, sodass ich meine Schwierigkeiten hatte, ihn festzuhalten. Als er seinen Kopf wieder hob, um mich mit einem strahlenden Lächeln anzugucken, sah ich ihn noch immer vollkommen verdattert an. „Ich wusste einfach, das ich dich wiedersehen würde! Das war Schicksal!“

„Oder Axel, der mir den Auftrag erteilt hat, hier her zu kommen“, bekam ich endlich mal einen vollständigen Satz heraus. Sora ließ sich von meinen harten Worten nicht verunsichern und lächelte mich weiterhin glücklich an.
 

„Ich habe dich vermisst!“

„Du bist abgehauen“, brummte ich, „außerdem weißt du ja, wo du mich findest.“ Ich hatte absolut keine Ahnung warum ich so reagierte. Vielleicht lag es einfach nur daran, das ich von der neuen Situation einfach zu überrumpelt war und nicht ganz so genau wusste, wie ich handeln sollte. Die Worte fielen einfach so aus meinem Mund, obwohl mein Herz wild schlug, als mir bewusst wurde, wie nah er mir war. Ich versuchte es zu ignorieren, konzentrierte mich auf Sora, der nun eine beleidigte Schnute zog. Trotzdem ließ er nicht von mir ab und schmiegte sich wieder an meinen Hals. Durch das störrische Stachelhaar, konnte ich eine weitere Überraschung ausmachen, die sich in Form von einem blonden jungen Mann zeigte, der mich nicht gerade freundlich beobachtete. Sofort versteifte ich mich unter dem Blick des anderen, das von Sora natürlich nicht unbemerkt blieb und mich fragend ansah. Als ich ihm keine Erklärung gab, folgte er meinem Blick, indem er sich etwas ungeschickt drehte und missbilligend murrte, als er ebenfalls auf den Blonden sah.
 

Mein erster Impuls war, den Brünetten einfach loszulassen. Doch der andere hatte seine Arme und Beine fest genug um mich geschlungen, das es unmöglich war. So starrte ich nur finster auf den blonden Typen vor mir, der meinen Blick feindselig begegnete. In was für eine eigenartigen Beziehung bin ich hier rein geraten? Was sollte das, das Sora mich vor seinem Freund umarmte und vor allem, mich vor ihm sogar küsste? Als mir bewusst wurde, was ich hier tat oder besser, wo ich hier hinein gezogen wurde, versuchte ich Sora von mir runter zu schieben, um möglichen Ärger zu entgehen. Doch dieser war damit überhaupt nicht einverstanden und protestierte, als ich es versuchte.
 

„Okay, du freust dich also nicht mich zu sehen“, stellte er enttäuscht fest.

„Nicht unter diesen Umständen“, zischte ich leise in sein Ohr.Irgendwie hatte ich das Gefühl, das viel zu viele Augenpaare auf uns gerichtet waren.

„Umstände?“, fragte Sora überrascht, „Was meinst du damit?“ Ich deutete mit dem Kopf in die Richtung des Blonden und er folge meine Geste, um gleich darauf zu kichern. „Du meinst Rox?“, lachte er immer noch, um dann etwas feindseliger zu sagen: „Der wollte gerade gehen!“
 

Mein verwirrter Verstand, versuchte alle neuen Informationen zu verarbeiten, um verstehen zu können, was hier gerade passiert war. Rox? War das nicht der Name von Axels Freund und...

„Rox? Rox dein Bruder“, stammelte ich. Meine Stimme gefiel mir dabei gar nicht. Sora nickte nur breit grinsend.

„Ja, Rox. Der große Bruder von Sora, dem es gar nicht gefällt, wo du gerade deine Hände hast“, sprach der Blonde zum ersten Mal mit mir. Er deutete auf mich und wieder brauchte ich einen Moment, um zu kapieren, dass ich meine Hände auf den Hintern des Brünetten hatte. Unter dem bösen Blick von Rox, ließ ich seinen Bruder los und nur widerwillig, stand Sora wieder auf seinen eigenen Füßen. Dieser rollte nur mit den Augen und drehte sich zu dem Blonden um.
 

„Ich bin kein Kind mehr. Du musst dich hier nicht aufspielen, wie ein großer Bruder!“, motzte er.

Der Angesprochene seufzte nur genervt. „Es ist dringend notwendig, sich wie der große Bruder aufzuspielen. Viel zu lange, habe ich mich von dir an der Nase herum führen lassen. Außerdem muss ich ein ernstes Wort mit Axel reden!“
 

Ich verstand gar nichts mehr. Nur eine Sache war sicher: die Brüder waren im Streit, nur war noch unklar warum. Während die beiden ihre Diskussion fortsetzen, beobachtete ich sie verwirrt, wobei ich nur unnütz vor ihnen stand. Aus ihren Worten, konnte ich nicht den Grund des Streits heraus hören, doch wurde es lauter und gereizter zwischen ihnen. Sora, der immer sturer und bockiger reagierte und Roxas damit nur noch wütender machte. So kannte ich den Brünetten nur, wenn er nicht ausgeschlafen war. Während ich nur so da stand und die Brüder ungeschickte anstarrte, bemerkte ich nicht, wie sich jemand an meiner Seite stellte und meinen Arm mit den Ellenbogen an stupste. Überrascht sah ich zur Person neben mir hinunter und blickte direkt in das ungläubige Gesicht der rothaarigen.
 

„Das ist also dieser Sora?“, flüsterte sie mir verwirrt zu. Ich nickte. „Kein Wunder, das du flüchten wolltest.“ Meine Hände vergruben sich in meine Jeanstaschen, als ich verwirrt auf Kairi blickte und nicht so genau wusste, was ich von diesem Kommentar halten sollte. Ich war viel zu durcheinander, um vernünftig zu denken oder reden zu können. Die vielen neuen Informationen sprudelten nur so auf mich ein, so war ich mir nicht mal sicher, ob ich mich über dieses überraschende Wiedersehen freuen sollte oder eben nicht. Dieses Viertel war nicht nur eine eigene Welt, sondern für mich schon wie ein verstörender Traum. Kairi lächelte sanft, als sie mir prüfend in mein Gesicht sah. Anscheinend spiegelte mein Ausdruck das wider, was mir so durch den Kopf ging. Eine Erkenntnis, die mir so gar nicht gefallen wollte. Besonders, als sie mir tröstend meinen Arm tätschelte.
 

„Du hast doch gesagt, das wir fertig sind, oder?“, fragte sie daraufhin und lächelte mich aufmunternd an. Wieder nickte ich nur, meinen Blick wieder auf die Brüder gerichtet. „Dann sollten wir gehen. Ich glaube, du brauchst erst mal eine Pause von all dem.“ Ich machte ein Geräusch der Zustimmung, hielt ihre Aufforderung, für eine gute Idee. So trat ich ein paar Schritte vor und legte Sora eine Hand auf die Schulter, so drehte er sich zuerst etwas erschrocken zu mir um, bis er erkannte, dass ich es war und mir ein liebevolles Lächeln entgegen brachte. Liebevoll? Ich schüttelte leicht meinen Kopf, bei diesem absurden Gedanken.
 

„Wir müssen gehen, Sora“, übernahm schließlich Kairi das Wort, „Unser Auftrag ist erledigt und schließlich sind wir ja noch -“

„- in der Arbeitszeit“, beendete Sora kichernd ihren Satz und verdrehte die Augen in meine Richtung. „Das durfte ich mir von Riku auch ständig anhören.Er hält sich immer so schön an die Regeln.“

Kairi stimmte in sein Gekicher mit ein. „Er ist auch nicht gerade ein geselliger Mensch“, fügte sie hinzu, nachdem sie merkte, dass sie einen Leidensgenossen gefunden hatte. Wild gestikulierte sie mit ihren Händen herum, als sie sagte:“Und wehe man kommt zu spät. Du hättest ihn heute Morgen mal sehen sollen! Er hat mich angesehen, als würde er mich jeden Moment erwürgen wollen.“
 

Wildes Gelächter kam nur von Sora bei ihrer Erzählung. Ich warf einen grimmigen Blick auf die beiden, die ihre Köpfe zusammen steckten und weiter über mich redeten, als wäre ich überhaupt nicht da. Eher unfreiwillig erlöste mich Roxas aus meiner Situation mit einem lauten Räuspern, um wieder die Aufmerksamkeit seines Bruders zu bekommen. Das nun drei Augenpaare auf ihm gerichtet waren, nahm er nur mit einem grimmigen Ausdruck zur Kenntnis. „Wenn ihr nun mit eurem Mädchengeschwätz fertig seit, würde ich jetzt meinen Bruder mitnehmen und mit ihm ein Gespräch unter vier Augen führen.“
 

Sora murrte, erntete aber nur einen strengen Blick von dem Blonden, der keine Widerrede duldete. Er seufzte niedergeschlagen und drehte sich zu mir um, ein kleines Lächeln auf seinen Lippen. Vorsichtig nahm er meine Finger in seine Hände und streichelte ein wenig über die Haut dort. Wieso verschaffte mir solch eine simple Berührung so ein Kribbeln im Bauch? „Es war schön, dich wiederzusehen“, sagte er etwas verlegen. Sein Kopf war etwas gesenkt, als er so mit großen Kulleraugen zu mir aufsah. Doch kam er nicht mehr dazu, noch etwas zu sagen, da Rox ihn einfach von mir wegzog und irgendwo mit ihm in der Menge verschwand. Wie betäubt starrte ich dem Brüderpaar nach und setzte mich nur widerwillig in Bewegung, um zurück zum Auto zu gelangen und wieder zurück ins Büro zu fahren.
 

Als wir durch das große Tor gingen, fühlte es sich seltsam an, wieder die befahrene Straße zu sehen und den Großstadtlärm zu hören. Wir waren wieder in der „realen“ Welt gelandet und es war irgendwie komisch, die gestressten Menschen zu sehen, die an uns vorbei liefen und wieder ein Teil, dieser schnelllebigen Stadt zu sein. Es war wie ein Traum, aus dem ich aufgewacht war, doch konnte ich noch immer die schiefen Töne des Leierkastenmannes hören, der einfach weiter spielte, als sei nichts passiert.

Zu viele Informationen

Es dauerte nur einen Tag, bis Axel wieder in meinen Büro auftauchte und mich mit diesen wissenden Grinsen anschaute. Dabei setzte er sich auf den Bürostuhl, der einst Sora gehörte, anscheinend darauf bedacht, es so geräuschvoll wie möglich zu machen, damit er sich sicher sein konnte, dass er meine Aufmerksamkeit hatte. Anscheinend wollte er so eine Art Ritual einführen, denn immer wenn er sich in diese Position begab, führte unser Gespräch in eine Richtung, die mir nie so ganz gefiel und auch diesmal lag ich richtig, als ich fragend eine Augenbraue hob und er nach einer langen Pause zu sprechen begann: „Ich habe gehört, der Auftrag war für dich ziemlich erfolgreich.“ Der leicht amüsierte Unterton in seiner Stimme gefiel mir noch weniger, so weichte meinem fragenden Blick, ein genervter Ausdruck.
 

Ich richtete mich in meinem Stuhl auf, um ihn direkt in sein Gesicht zu sehen. „Machen wir es kurz: Du wusstest, das Sora da sein würde – ebenso dieser Rox.“

Er gluckste auf, damit ich mich noch lächerlicher fühlen konnte und schnalzte mahnend mit der Zunge, als er langsam seinen Kopf schüttelte. „Vielleicht“, säuselte er, „nur weiß ich nicht immer, wo sich mein kleiner Blondschopf so rum treibt. Aber darum geht es auch gar nicht.“ Er machte eine dramatische Pause, um mich unverblümt höhnisch anzugucken und meine Reaktion zu testen. Als ich nur gelangweilt abwartete, was er zu sagen hatte, fuhr er fort: „Mir wurde zugetragen, dass du gestern geküsst wurdest“, er machte ein spielerisch enttäuschtes Gesicht, „Zwar nur so ein langweiliger, ohne Zunge und so, aber es ist ein Anfang.“
 

Ich zuckte unmerklich zusammen, bei seinen Worten und ließ für ein paar Sekunden, meine kühle Fassade fallen. Entweder Kairi oder Roxas mussten geplaudert haben! Warum konnten sie nicht einfach mal ihre Klappe halten! Axel lachte bei meinem Gesichtsausdruck, wobei er mit seiner Hand auf die Schreibtischoberfläche herum klopfte. „Keine Sorge, dein Geheimnis ist bei mir sicher.“ Verdutzt schaute ich ihn an und fragte mich, welches Geheimnis er denn bitte schön geheim halten wollte, wenn gleich drei Personen davon wussten. Einer dieser drei Personen würde plaudern und dann würden alle davon wissen. „Von Sora hatte ich eigentlich mehr erwartet. Doch weiß er sicher besser, wie weit er bei seinem Eisprinzen gehen kann.“
 

Ich knurrte leise, bei seinem leicht spöttischen Worten und war drauf und dran einfach zu gehen, um diesen nervigen rothaarigen zu entkommen. In was für eine nervigen Familie werde ich da nur hinein geraten? Ich ließ den Kopf hängen, als ich merkte, was für ein Schwachsinn ich da eigentlich dachte. Nun erwischte ich mich schon dabei, mich zu fragen, wie ärgerlich es sein würde, mehr mit dieser fragwürdigen Familie zu tun zu haben, wenn wie zusammen wären. Dazu noch Axels dunkles Lachen, das in meinen Ohren geradezu bösartig klang. Als würde er mich auslachen.
 

„Würdest du mich jetzt endlich arbeiten lassen? Schließlich hast du ja deine Leute, die dir erzählen, was geschehen war“, knurrte ich.

„Ja, aber meine Quellen wissen auch nicht alles. Was passiert, wenn meine Informanten mal nicht dabei sind und ihr alleine seit? Es wäre tragisch, nicht alles zu wissen, was noch so zwischen euch passiert.“ Er wackelte mit seinen Augenbrauen, als ich ihn genervt anguckte. Doch schien ihm das keineswegs zu stören, denn er stichelte einfach weiter. „Also, werdet ihr euch wiedersehen?“ Ich stutzte, wobei ich etwas nervös mit dem Kugelschreiber vor mir auf den Tisch spielte. Dann endlich zuckte ich etwas ratlos mit den Schultern, was nur dafür sorgte, dass Axel gequält aufstöhnte. „Ihr küsst euch und habt kein weiteres Treffen vereinbart?“, rief er aufgebracht aus, „Wie dumm könnt ihr eigentlich noch sein? So klappt das doch nie!“ Er klatschte sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. „So wird das nie was, Riku! Ich verzichte nicht auf einen Monat Sex, nur damit nichts passiert, außer einem lächerlichen Kuss!“
 

Mein Kopf schnellte schockiert nach oben, nach diesem merkwürdigen Ausbruch und schon hatte ich meine Hände abwehrend gehoben, damit er ja nicht zu viel sagte. „Zu viele Informationen, Axel! Ich will gar nicht wissen, warum du wegen uns auf Sex verzichten musst!“

Axel grinste schelmisch. „Oh, es heißt jetzt schon 'uns'?“ Er pfiff andächtig. „Du gehst aber ran.“
 

Meine Laune war nun endgültig im Keller. Erst recht, als Axel wieder lachte und sich in seinem Stuhl zurück lehnte. Mit einem Handwedeln wollte er, das ich weiter redete. Doch gab es nichts, was ich erzählen könnte und wenn es so gewesen wäre, hätte ich es wohl ganz sicher nicht getan. „Axel“, sagte ich nach einer Weile, „wir sind nur Kollegen. Du interpretierst viel zu viel in einem einfachen Kuss hinein. Es war nichts weiter passiert und wir werden uns auch nicht wiedersehen. Es war nur ein zufälliges Treffen.“ Ich hatte mit lautem Protest gerechnet, nachdem ich das sagte, doch Axel legte nur seine Füße auf den Tisch und verschränkte die Hände hinter seinem Kopf. Aus dieser Position sah er mich prüfend an, nur sagte er nichts. Dabei schienen mich diese grünen Augen beinahe zu durchbohren, sodass ich mich unter seinem Blick regelrecht unwohl fühlte. Dies ging eine Weile so, bis ich genug hatte und aufstehen wollte.
 

„Du bist ein Idiot, Riku“, hielt mich seine Stimme auf und ließ mich in meiner Bewegung inne halten, um einfach nur auf ihn zu starren, bei seiner harten Behauptung. Für einen Augenblick trafen sich unsere Blicke und ich war ein bisschen geschockt davon, wie böse diese grünen Augen doch funkeln konnten. Trotzdem richtete ich mich ganz auf und packte meinen Portmonee ein, um ausnahmsweise, mal in der Cafeteria essen zu gehen. Schließlich konnte ich ja hier nicht meine Ruhe finden und mit Axel als Gesellschaft, war das Mittagessen einfach unmöglich. So hörte ich gar nicht mehr zu, was der rothaarige mir noch zu sagen hatte und ließ mich aus meinen eigenen Büro vertreiben.
 

Als ich auf den Weg in die Cafeteria einen flüchtigen Blick über die Schulter warf, war Axel zum Glück nicht hinter mir, um mich weiter unnütz auszufragen. Eine erfolgreicher Fluchtversuch also, doch als ich durch die gläsernen Schiebetüren der Cafeteria öffneten und ich zufrieden hindurch ging, sollte mir meine Zufriedenheit auch schon wieder vergehen. In der Mitte des Raumes, war eine kleine Inseltheke, hinter der eine nicht sehr vertrauenswürdige Frau stand. Davor waren viele einfach Tische, an denen bereits Leute saßen. Als ich einen flüchtigen Blick über die Menge warf, stellte ich grummelnd fest, dass bereits alle Tische besetzt waren. Erst nachdem ich mir mein Essen bereits gekauft hatte, bemerkte ich aus den Augenwinkeln einen Tisch, ganz hinten in einer Ecke und abschirmt von der Menge. Das neben diesem Tisch bereits das Durchreiche Fenster für das dreckige Geschirr war, störte mich, aber es war immer noch besser, als Axel im Büro ertragen zu müssen. Es war der einfache Grund, warum sich dort niemand hinsetzen wollte.
 

Ich ergab mich seufzend meinem Schicksal und zwängte mich an den überfüllten Tischen vorbei, um endlich an mein Ziel zu kommen. Noch bevor ich ganz saß, konnte ich schon den ersten Krach hören, als jemand sein Tablett am Fenster abstellte. Zähne knirschend verfluchte ich Axel und seine verdammte Neugier! Ich wollte mich gerade über mein Essen hermachen, als mich eine Stimme davon abhielt. Noch bevor ich wusste wie mir geschah, bekam ich auch schon etwas hartes an die Schulter, nur damit es gleich darauf hinter mir polterte. Wie konnte das sein? Ich saß doch schon mit dem Rücken zu Wand.
 

Ein „Entschuldige“ später, schielte ich auf ein Gesicht direkt neben meiner schmerzenden Schulter und der Störenfried hantierte hinter mir herum, ohne das ich wusste, was er da genau tat. Wieder war Lärm hinter mir zu hören und schon bald konnte ich ein blaues Ungetüm, vorsichtig von dem Typen wieder hingestellt, an der Wand lehnen sehen. Ich blickte ungläubig auf das Ding, das wie ein Musikinstrument aussah und dann auf den Typen, den dieses Teil gehörte. „Es tut mir leid“, rief der Typ schnell aus und legte besorgt eine Hand auf meine Schulter. „Hast dich meine Sitar verletzt?“
 

Allein diese merkwürdige Frage, ließ mich zweifelnd zu dem anderen Mann, mit den sandfarbenen Haar aufblicken. Er sah mich zuerst immer noch besorgt an, doch wandelte sich sein Ausdruck und er warf einen unsicheren Blick zur Seite. Erst durch diesen Hinweis, sah ich das er nicht allein war und noch jemand anderes da war, der sich bereits an dem Tisch gesetzt hatte und ruhig sein Essen aß. Neben dem Tablett lag ein aufgeschlagenes Buch, in dem er las und sich nicht mal von der Unruhe um ihn herum, ablenken ließ. Da der andere sich Hilfe von ihm erhofft hatte, aber diese nicht bekam, zog er seine Unterlippe hervor und rief etwas jammernd seinen Namen. Zexion, was war denn das für ein Name! Der Angesprochene blätterte nur unbeteiligt eine Seite seines Buches um und reagierte nicht sofort.
 

„Setz' dich einfach“, sagte er ruhig und der andere gehorchte murrend. Als er dies tat, schielte ich so unauffällig wie möglich zu ihm und bemerkte die ulkigen Haare, die oberhalb des Kopfes, steil nach oben gegelt waren, während die Haare an den Seiten, viel kürzer waren. Es sah schräg aus, aber was sollte man schon von jemandem erwarten, der eine blaue Sitar mit sich herum schleppte? Ich versuchte mich wieder auf mein Essen zu konzentrieren, doch der Typ mit der seltsamen Frisur, hatte wohl etwas dagegen, denn während ich so aß, tauchte eine Hand direkt vor meinem Gesicht auf und versperrte meiner Gabel den Weg zu meinem Mund.
 

Ich ließ grimmig das Besteck fallen und starrte auf, um den anderen so unbeeindruckt wie nur möglich, anzugucken. Dieser lächelte aber nur freundlich zurück und hielt mir die Hand noch immer vor die Nase. „Demyx“, stellte er sich vor, ich schreibe die Artikel für die neuste Musik. Demyxtime * nennt sich die Rubrik.“ Ich schüttelte nur halbherzig seine Hand, damit sie endlich vor meinem Gesicht verschwindet und brummte undeutlich meinen eigenen Namen. Zu meiner Verwunderung, machte er nur fröhlich mit seiner Hand, eine wegwerfende Bewegung.
 

„Du musst dich nicht vorstellen, ich kenne dich bereits“, lachte er.

„Unter welchem Namen?“, brummte ich zurück.

Demyx sah mich erst seltsam an, dann verstand er, worauf ich anspielte. „Da ich finde, dass diese Namen nicht zu dir passen: Riku.“

„Oder Glückspilz“, murmelte Zexion, ohne von seinem Buch aufzusehen. „Du hast wenigstens ein eigenes Büro und musst nicht, dieses ständige Geklimper auf der Sitar ertragen.“ Demyx protestierte, doch war es seinen Kollegen anscheinend egal. Diese Ignoranz, ließ Demyx näher mit den Ellenbogen auf den Tisch, zu ihm rutschen und er bekam einen Kuss auf die Nase gedrückt. „Und trotzdem hast du mich gern“, strahlte er. Diesmal hob Zexion seinen Blick so weit, das er den anderen auf den Mund küssen konnte. Ein kleines Lächeln zuckte um seine Mundwinkel, als er ihm sanft über die Wange streichelte. Ein Anblick, der mir seltsam vertraut vor kam.
 

Irgendwie erinnerten mich die beiden an Sora und mich und an die Bemerkung von Axel, der von den beiden erzählt und sie sogar mit uns verglichen hatte. Ich erstarrte bei dem Gedanken. Nicht nur, das Axel es schon von vornherein plante, uns zu verkuppeln (oder was auch immer); ich erwischte mich auch noch dabei, wieder 'uns' zu denken. Diese neue Erkenntnis, machte mich fertig, noch dazu der Anblick des Paares, die sich mit kleinen Gesten zeigten, wie sehr sie sich mochten. Aus einem absurden Grund, den ich mir selbst nicht erklären konnte, konnte ich diesen Anblick nicht ertragen. So stand ich ohne ein Wort zu sagen auf und machte mich wieder auf in meinen Büro. Dort war ich sicher und konnte nicht mit noch mehr Informationen und Anspielungen, bombardiert werden.
 

Am liebsten hätte ich die Tür hinter mir abgeschlossen, nachdem sie hinter mir zufiel, doch so was wie ein Schlüssel, gab es hier leider nicht. Zeit, eine gute Investition zu tätigen und ein Schlüssel anfertigen zu lassen. Seufzend ließ ich mich in meinem Stuhl sinken und rieb mir mit beiden Händen über das Gesicht. Ich sollte weiter arbeiten, anstatt solchen Blödsinn zu denken. Nur wollten diese Gedanken, mich nicht so einfach in Ruhe lassen, sodass ich mich anstrengen musste, um ordentlich weiter arbeiten zu können. Als ich endlich mit meinem Tagespensum fertig war, stellte ich zu meinem erstaunen fest, das es in dem Raum bereits dunkel war. Es dämmerte bereits, als ich einen Blick aus dem Fenster warf.
 

Ich stöhnte genervt auf und raufte mir die Haare. Es war eindeutig zu spät, da musste ich nicht mal auf die Uhr sehen. So lange wollte ich gar nicht bleiben. Leise vor mir hin fluchend, nahm ich meine Tasche und lief zur Tür. Die Stille, in diesem Gebäude, war nicht gerade förderlich, um meine Stimmung zu heben, denn das einzige Geräusch, das ich hörte, waren meine Schritte auf dem Steinfußboden. Es war ein bisschen seltsam, so im Dunkeln durch das leere Gebäude zu gehen, doch als ich die Lobby schon fast erreicht hatte, bemerkte ich, das ich doch nicht ganz allein war.
 

Ich stoppte noch im Gang, als ich Stimmen hörte und dachte nicht mal darüber nach, was ich da eigentlich tat, als ich mich schnell näher an die Wand drückte, um mich hinter einem der Kaffeeautomaten zu verstecken. Mit klopfenden Herzen, zog ich meine Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und versuchte zu erkennen, welche zwei Schatten, da so durch die Lobby gingen. Erst als sie die Schiebetür erreichten, konnte ich blondes Haar erkennen, das durch das fahle Licht der Laternen, die durch die großen Fenster fiel, golden schimmerten. Ich war etwas verwundert darüber, in dem Blonden Roxas zu erkennen, da Axel ja erwähnte, dass er für einen Monat keinen Sex bekommen würde und man eigentlich darauf schließen konnte, das sie sich gestritten hatten. Trotzdem war er bei Axel, der auf mich wie immer wirkte.
 

„Es geht nur noch um ihn. Gibt es eigentlich noch ein anderes Thema, über das du reden willst?“ Das war die Stimme von Axel, die ich deutlich hören konnte, da sie reichlich verärgert klang und deshalb lauter war, als sonst. Der größere tippte mit den Finger auf den Kopf des Blonden, als dieser sich zu ihm umdrehte. „Gibt es in deinem Kopf nur noch deinen Bruder? Er wird schon wieder auftauchen!“ Rox stöhnte genervt auf und schlug ihm einfach die Hände weg, als dieser ihn umarmen wollte. „Es tut mir leid Ax, wenn ich dir mit meinen Sorgen um meinen Bruder auf die Nerven gehe. Ich hatte nur geglaubt, das ich wenigstens mit meinen Freund darüber reden könnte und mir hilft, anstatt mir in den Rücken zu fallen und mir ebenfalls auf die Nerven zu gehen.“
 

„Rox“, sagte er diesmal sanfter und schlang seine Arme von hinten um den kleineren, als er weiter gehen wollte. Diesmal hielt er ihn etwas fester, damit der Blonde, ihn nicht entkommen konnte. „Wenn Sora nicht gefunden werden will, dann wird er dies auch nicht. Er ist verschwunden und das gefällt mir überhaupt nicht. Du weißt, was das letzte Mal passiert ist, als er abtauchte.“

„Das wird diesmal nicht geschehen.“

Roxas schnaubte verächtlich und löste sich etwas von seinem Freund, um Axel einen flüchtigen Kuss auf den Mund zu geben. „Mein Bruder ist ein Volltrottel. Natürlich wird das passieren.“
 

Ich konnte Axels Antwort nicht mehr hören, da das Paar Hand in Hand das Gebäude verließ. Durch die großen Fenster, konnte ich sehen, wie es sich immer weiter von dem Gebäude entfernten. Trotzdem wartete ich noch, bis ich mich selbst aus meinen Versteck traute. Nicht auszudenken was passierte, wenn sie mich beim lauschen erwischen würden. Ich erkannte mich selbst nicht mehr wieder und schlich mich wie ein Verbrecher, aus dem Gebäude, um endlich zu meinen Auto zu gelangen und nach Hause zu fahren. Mein Gehirn brauchte dringend eine Pause von all dem und die sollte ich auch bekommen.

Stumm

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

seltsame Ratschläge

Selbst ein paar Tage später, ließ mich die Begegnung mit Sora nicht los. Das verletzte Gesicht des Brünetten, hatte sich tief in mein Gedächtnis verankert und ich fühlte die Schuld an mir nagen, immer wenn ich daran zurück dachte. Es tat mir leid, ihm weh getan zu haben, doch ließ es mein verdammter Stolz nicht zu, mich bei ihm zu entschuldigen. Da half es auch nichts, sich irgendwie abzulenken oder in die Arbeit zu stürzen. Natürlich würde ich mich lieber in Selbstmitleid zu stürzen und zu bejammern, was ich verloren hatte. Doch würde es mir nicht weiter helfen.
 

So traf ich eines Tages eine schwere Entscheidung und klopfte an eine Tür, die für mich den Untergang bedeuten konnte. Als von innen ein „Herein“ zu hören war, wollte ich schon wieder weglaufen, da alles in mir irgendwie danach schrie, einfach abzuhauen. Doch hörte ich nicht darauf und drückte, mit einem dicken Kloß im Hals, die Klinke der Tür hinunter. Vorsichtig stieß ich sie ein wenig auf, so konnte ich durch den entstandenen Spalt bereits Axels arrogantes Grinsen sehen, als er seinen Kopf hob und mir direkt ins Gesicht sah. Seine Mimik wirkte auf mich als würde er mir unmissverständlich ein 'ich wusste es' sagen wollen. Ich hasste es schon jetzt, dabei hatte ich noch nicht mal mit ihm gesprochen, geschweige denn, den Raum betreten. Ich war schon dabei gewesen, irgendwelche Ausreden für mein erscheinen zu erfinden, als sein Blick milder wurde und er mich mit einem Zeichen seiner Hand, herein bat. Widerwillig trat ich ein paar Schritte vor, doch war die Entfernung zwischen mir und Axel noch enorm. Mich störte es ganz und gar nicht. Nur der Rotschopf schien etwas dagegen zu haben.
 

„Oh, werden wir nun wieder unterwürfig?“, ergriff Axel das Wort und drehte seinen Stuhl, um mich mit diesem großspurigen Ausdruck in seinem Gesicht anzusehen. „Gefällt mir, dass du meinem Wunsch nachkommst und wieder so herrlich respektvoll bist. Ich mag es.“ Ich schnappte empört nach Luft, wobei ich meine Abwehrhaltung ganz automatisch einnahm, um ihn so besser verächtlich anschauen zu können. „Darum geht es nicht.“ Meine Antwort war patzig, doch er nickte nur anerkennend. „Was verschafft mir dann die Ehre deines Besuches?“ Ich konnte den Spott direkt in seinen Worten hören, dazu musste ich ihn nicht mal ansehen. Natürlich wusste er den Grund, warum ich hier war, doch wollte er es von mir selbst hören. Er würde mir nicht helfen, wenn ich nicht redete, obwohl ich bereits wie auf dem Präsentierteller vor ihm stand und nur meine Würde behielt, indem ich ihn mit kühlen Blick bedachte.
 

Meine Fassade hielt zum Glück, denn in mir drin drohte meine Abneigung und Nervosität übermächtig zu werden. Es brodelte regelrecht, doch Axel lehnte sich nur lässig zurück und wartete darauf, dass ich etwas sagte. So musste ich ihm wohl oder übel den Gefallen tun, auch wenn ich lieber ganz andere Dinge machen würde. Ihm dieses höhnische Grinsen aus seinem Gesicht zu schlagen, zum Beispiel. Ich vergrub meine Hände in den Hosentaschen. Meine Finger, die das harte Plastik umklammerten, das der Körper von dem kleinen Pinguinanspitzer war. Ich war ein bisschen überrascht darüber, hatte ich doch nicht mehr dran gedacht, es noch in der Tasche zu haben.
 

„Also?“, hakte er nach, nachdem von mir immer noch nichts kam. Ich trat näher an ihn heran und versuchte dabei so kühl wie möglich auf ihn herab zu sehen. „Ich will wissen, wo Sora steckt.“

Axel pfiff andächtig durch die Zähne. „Das ging aber schnell.“

Ich verdrehte nur die Augen bei seinem spöttischen Kommentar. „Hör auf zu schwatzen und sag es mir.“

„Nun,“, begann er spielerisch traurig, „mich überrascht es, das du nicht selbst drauf kommst – dabei ist es doch so einfach. Ach Riku, dank dir hab ich kein Sexleben mehr, weil Roxas sauer auf mich ist und nun kommst du hier her und stellst mir so eine Frage.“ Er schüttelte seinen Kopf. „Es ist ein Jammer, wie blind du doch bist.“
 

„Was soll das heißen?“

„Das du deine Zeit verschwendest und umsonst hier her gekommen bist. Sora lebt in diesem Hippie viertel. Warum sonst, sollte ich dich dort hinschicken?“ Seine plötzliche Boshaftigkeit, ließ mich zurück schrecken. Anscheinend war es eine Wohltat für ihn, da ihn sehr amüsierte, wie ich mich verhielt. „Wegen diesem dummen Auftrag?“, brummte ich gereizt. Axel richtete sich etwas auf und betonte nun jedes Wort, als würde er mit einem Dummkopf reden. „Nein, damit du den Kleinen wieder siehst.“ Meine Fassade bröckelte immer mehr. So merkte ich nicht mal, wie ich ihn mit offenen Mund anstarrte.
 

Axel seufzte laut. „Ich habe dich für klüger gehalten, Riku“, tadelte er, „Doch anscheinend kannst du nicht mal die subtilsten Hinweise verstehen. Eigentlich sollte ich Mitleid mit dir haben, doch hält es sich bei deiner Inkompetenz doch in Grenzen. Ein bisschen Mitarbeit ist schon erforderlich, damit Pläne funktionieren.“ Fassungslos sah ich auf den rothaarigen Mann vor mir, der nur da saß und mir streng entgegen blickte. Er hatte Recht, ich war dumm. Doch es so hart ins Gesicht gesagt zu bekommen, traf mich – besonders wenn es sich bei dieser Person ausgerechnet um Axel handelte. Wie verrückt konnte es bitte schön noch werden?
 

„Darf ich darauf hinweisen, dass du daran Schuld bist, dass er weg ist?“, wies ich ihn bissig drauf hin. Axel hob nur gleichgültig die Schultern, jedoch erweichte sich sein Blick ein wenig und ein kleines Funkeln war in seinen Augen zu finden.War es Schuld? Bei Axel schwer ein schätzbar. „Es war eine dumme Idee von meinem Blondschopf, Sora hier herzuholen – das wusste ich von Anfang an. Nur kann ich ihm leider keine Bitte abschlagen, wenn er mich mit seinen großen blauen Augen so anguckt. Aber das kennst du ja, schließlich hast du ja Erfahrung damit, da du mit seinem Zwilling zusammengearbeitet hast. Das Sora nicht lange durchhalten wird, war klar und nicht weiter überraschend. Früher oder später wären wir eh aneinander geraten. Vielleicht hast du es ja bemerkt, aber unsere Beziehung ist nicht gerade die beste. Da ist es leicht, mit Sora in einem Streit zu geraten.“ Er schüttelte bestürzt seinen Kopf und grinste dann spöttisch. „Und das alles nur wegen einem Pseudonym. Sora zu verstehen, ist schon eine Sache für sich.“
 

Ich lachte humorlos auf. Meine Finger, die noch immer dieses dumme Plastikding umklammerten, ohne das mir es überhaupt bewusst war. Meine Aufmerksamkeit war durch die angespannte Situation generell eingeschränkt. So merkte ich auch nicht, wie Axel sich aufrichtete und mich neugierig ansah. Erst als er wieder mit mir sprach, schreckte ich aus meinen Gedanken, wobei es wohl eher wegen seiner Frage war, als wegen seiner dunklen Stimme. „Also?“, hakte er nach, „wirst du mir erzählen, wie es zu diesem plötzlichen Sinneswandel kam. Es muss doch schließlich einen Grund geben, warum du wissen möchtest, wo er sich befindet. Das letzte Mal als wir uns sahen, wirktest du auf mich nicht gerade so, als würdest du ihn wiedersehen wollen.“
 

Ich starrte ihn an und schwieg. Mir gefiel seine Neugier nicht. Ich redete einfach ungern über Dinge, die mich selbst betrafen und von denen ich nicht mal selbst eine Ahnung hatte. Ich verstand mich selbst nicht mal, wie sollte ich also etwas erklären, was ich nicht mal selbst verstehen konnte? Vor allem mit ihm, der mit mir sprach, als wären wir langjährige Freunde. Die Situation entwickelte sich immer seltsamer, doch hatte ich irgendwie das Gefühl, reden zu müssen und wenigstens einer Person davon zu erzählen, was mit mir los war. So überwindete ich mich und antwortete ihm widerwillig: „Er war vor ein paar Tagen bei mir.“
 

Mein innerlicher Konflikt wurde nur noch mehr geschürt, als ich seine Augen neugierig aufblitzen sah. Etwas zu aufgeregt, setzte er sich in seinem Stuhl auf und beugte sich vor, um mich so besser ansehen zu können. „Und weiter?“, drängte er.

„Er hat bei mir übernachtet“, erzählte ich ein bisschen stockend weiter.

„Wow, nicht schlecht“, rief er beeindruckt aus. „Hab gar nicht gewusst, dass du so ein Draufgänger sein kannst.“

Ich blickte ihn etwas schockiert an, um gleich darauf schnell meinen Kopf zu schütteln. „Nicht so, verdammt! Natürlich schlief er auf der Couch und ich im Bett.“ Ich strich mir nervös durch das Haar, während er nur enttäuscht seufzte. „Wenigstens ein Anfang“, murrte er, „und weiter?“

„Was und weiter?“

„Es muss doch irgendwas vorgefallen sein. Sonst wärst du doch sicher nicht hier bei mir.“
 

Ich seufzte nur, fand einen Punkt hinter Axel an der Wand, den ich besonders interessant fand und starrte darauf, um nicht meinen neugierigen Gegenüber angucken zu müssen. „Er hat mich geküsst.“

Er pfiff beeindruckt. „Huh, jetzt wird es interessant. Was ist passiert?“ Ich schwieg lieber. Alles war mir einfach zu unangenehm, um darüber zu reden und vor allem wurde es lächerlich. Es war eine absolute Pleite und dumme Idee gewesen, hier her zu kommen. Wieso gab ich mir überhaupt die Blöße und kam zu ihm? Seit wann handelte ich bitteschön so verdammt dumm? Ich war doch immer jemand gewesen, der alles genau plante und durchdachte und nun stand ich hier, unter den prüfenden Blick meines Chefs und wusste nicht, was ich sagen sollte.
 

Ein enttäuschter Aufschrei später ließ mich erschrocken auf den rothaarigen starren. „Du hast nichts gemacht?“, erriet er übertrieben fassungslos. „Nichts, Nada, Niente?“

„Ich konnte nicht“, gab ich zerknirscht zu. Noch bevor ich wusste wie mir geschieht, war er aufgesprungen und kam eilig zu mir, um mich an den Schultern zu packen und mich aus dem Büro zu manövrieren. „Dann solltest du es sofort nachholen! Geh zu ihm, steck ihm deine Zunge in seinen Hals und vögel ihn durch, bis er seinen eigenen Namen vergessen hat!“
 

Ich versuchte zu protestieren, doch als ich mich zu ihm umdrehen wollte, stand ich bereits auf den Flur und konnte gerade noch sehen, wie vor meinen Augen die Tür zugeworfen wurde. Es ging alles so schnell, das ich einen Augenblick lang nur schockiert auf die Tür starren konnte. Irgendwie schien Axel das zu merken und rief aus dem Zimmer: „Hau ab und mach das, was ich dir gesagt habe!“ Ich verdrehte bei diesem albernen Kommentar nur die Augen und verschwand von seiner Bürotür. Nur wollte ich nicht so recht auf das hören, was er gesagt hatte und ließ mir so viel Zeit wie möglich, um zu meinem Auto zu gehen. Warum auch nicht, schließlich hatte ich Feierabend. So konnte ich mich selbst etwas beruhigen und mich auf das vorbereiten, was mich erwarten könnte. Niemand konnte mich davon abhalten. Niemand, bis auf... Jemand legte mir eine Hand auf die Schulter und sorgte so dafür, das ich mich erschrocken herum drehte und in die entsetzten Augen von Kairi blickte, die so was von mir wohl nicht erwartet hätte.
 

„Ruhig Riku“, murmelte sie, „du bist ja noch viel angespannter als sonst.“ Sie sah mich besorgt an, doch ich hatte keine Lust, mich zu erklären. Was sollte ich auch schon sagen? Das mein Chef mich aufgefordert hatte, seinen Schwager das Hirn aus dem Kopf zu vögeln oder doch lieber, dass ich kurz davor war durchzudrehen? „Warum so durcheinander heute?“ Sie schaute mich neugierig an, doch antwortete ich ihr nicht und blickte nur etwas verstört zurück. „Ich muss gehen“, sagte ich nur und ließ sie einfach stehen, um zu meinen Auto zu laufen.
 

Während ich wieder zu dem Viertel fuhr, versuchte ich mir einen Schlachtplan zu überlegen. Doch das einzige was mir einfiel war, das ich nicht mal wusste, wo Sora genau steckte. Er lebte zwar in diesem Viertel, doch war es groß genug, um ihn erst mal suchen zu müssen. Schon allein die Tatsache, machte mich etwas mutloser. Wie sollte ich das machen? Es dauerte länger als nötig, um zu meinem Ziel zu gelangen und auf dem Parkplatz vor dem bunten Schild, auf dem 'Delonia' stand, zu parken. Irgendwie wollte ich es mir schwerer als nötig machen und fuhr Umwege, um nicht so schnell zum Viertel zu gelangen. Lächerlicherweise schlug mein Herz schneller, sobald ich auf dem Parkplatz stand und den Schlüssel aus dem Zündschloss zog.
 

Seufzend lehnte ich mich in dem Sitz zurück und wartete. Ich wusste nicht mal warum, doch kam es mir in dem Moment richtig vor. Meine Nerven waren viel zu angespannt, um richtig denken zu können. So war ich drauf und dran, wieder nach Hause zu fahren. Der kleine Feigling in mir, hielt es für eine sehr gute Idee – jedenfalls bis ein Klopfen an der Fensterscheibe, ihn verstummen ließ. Verschreckt zuckte ich zusammen und starrte in das freundliche Gesicht einer Frau, die durch die Fensterscheibe guckte. Sie lachte ein bisschen, als sie meine Reaktion auf sie sah. Mein Schockzustand brachte mich dazu, ohne zu überlegen, das Fenster herunter zu kurbeln und sie verstört anzugucken.
 

„Hi“, sagte sie freundlich und winkte mir leicht zu. „Ich wollte dich bei was auch immer du da tust nicht stören. Nur stehst du hier schon eine Weile mit deinem Wagen herum, so wollte ich einfach mal fragen, ob es dir gut geht oder ich dir irgendwie helfen kann.“ Ihre grünen Augen sahen amüsiert auf mich. Ich raufte mir die Haare und wusste nicht so recht, wie ich auf ihre Worte reagieren sollte. An ihrer Kleidung, dass aus einem altrosafarbenen Kleid bestand, konnte ich erkennen, dass sie eine von denen war. Vielleicht war es nur Zufall, das sie gerade jetzt vorbei kam und mich ansprach. Doch für mich war es ein wahrer Glücksfall, da ich sie so fragen konnte wo Sora war und mir so die nervige herum Fragerei ersparen konnte. Wenn ich geschickt genug vorging, würde sie mir helfen können. Doch ihrem sanften Lächeln nach zu urteilen, hätte sie mir wahrscheinlich auch so geholfen.
 

„Ähm, ich suche jemanden“, sagte ich endlich.

„In deinem Auto?“, fragte sie verblüfft und kicherte, als ich sie verdutzt anguckte. Dann schüttelte ich meinem Kopf und machte eine Geste, damit sie ein paar Schritte zurück ging und ich aus meinen Wagen steigen konnte. „Nein, natürlich nicht“, ärgerte ich mich etwas, als ich vor ihr stand. „Ich suche einen brünetten Mann. Sein Name ist Sora.“ Das Gesicht der hübschen Frau erhellte sich merklich und sie lächelte mich wieder an. „Hm, momentan scheint ihn jeder zu suchen.“ Sie ging nicht weiter auf ihren Kommentar ein, als ich sie fragend ansah, sondern deutete mir nur an, ihr zu folgen. Etwas unsicher ging ich ihr nach, wobei ich immer aufgeregter wurde, je tiefer wir in das Viertel kamen. Vorsichtig warf ich flüchtige Blicke auf die Menschen, die wir auf unseren Weg begegneten und hatte wieder dieses Gefühl, als würde ich in einer andere Welt eintauchen.
 

Dabei machte es überhaupt keinen Sinn hier zu sein und es gab schon gar nicht einen Grund dafür, warum mein Herz in meiner Brust, immer schneller schlug. Ich war überfordert mit meinen Gefühlen und den neuen Sinneseindrücken, die mir dieser Ort zu bieten hatte. Irgendwie schien die brünette Frau das zu ahnen. Welchen Grund hatte sie sonst, um stehen zu bleiben und mich sanft, aber konsequent weiter zog? Warum waren heute nur alle gegen mich? Während ich noch grummelnd darüber nachdachte, hielten wir vor einem Haus. Doch darauf wurde ich erst aufmerksam, als die Frau feierlich verkündete, dass wir da seien. Mit skeptischem Blick sah ich an dem Gebäude hoch, das nicht wirklich sehr einladend aussah. „Bist du dir sicher?“, hakte ich lieber noch mal nach. Sie sah mich etwas irritiert an, nickte aber. Zweifelnd betrachtete ich das Haus, dessen violette Farbe schon abgeblättert war und an dessen Fenster statt Vorhänge, Decken hingen.
 

„Du bist dir wirklich sicher?“ Wieder nickte die junge Frau, sah mich aber dafür etwas verständnislos an. Trotzdem versuchte sie ihr freundliches Lächeln aufrecht zu erhalten , auch wenn es ihr diesmal schwerer fiel. „Soll ich dich begleiten?“ Ich antwortete ihr nicht, sah lieber etwas angeekelt auf das heruntergekommene Gebäude. Wie kann man in solch einen abbruchreifen Haus nur leben? Meine Entscheidung wurde mir abgenommen, ob ich hinein gehen sollte oder nicht, als ein dumpfer Knall aus dem inneren zu hören war. Noch bevor ich mich versah, wurde ich auch schon in das Gebäude gezogen und ich fand mich auf dem Flur wider. Als ich am Arm haltend, die Treppe hinaufgezogen wurde, gab ich darauf acht, um mit nichts in Berührung zu kommen, das auffällig widerwärtig war – was so gut wie alles, in meinen Augen war.
 

In der oberen Etage trat ich in ein Zimmer ein, das wahrscheinlich schon mal eine Tür hatte. Ich konnte nicht weiter drüber nachdenken, was das für einen Sinn haben sollte, da ich auch schon mit dem nächsten Schock konfrontiert wurde. Als ich meinem Blick schweifen ließ, konnte ich auf dem Boden fünf Matratzen liegen sehen. Alle waren fein säuberlich nebeneinander angeordnet und wahrscheinlich das Schlaflager der Personen, die hier lebten. Auf jedem lag eine unordentliche Decke, als wären sie eben erst aufgestandenen. Nur unter einer, konnte ich zwei Erhebungen ausmachen, die seichte Geräusche machten, als würden sie schlafen. Irritiert starrte ich darauf, nur um im selben Moment von meiner Begleitung mit einem räuspern, weggezogen und in einem anderen Raum geführt zu werden.
 

„Sora?“, rief sie durch das Zimmer. In ihrer Stimme schwang etwas Aufregung mit, doch konnte ich mich auch irren, da ich viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt war, um klar denken zu können. Vorhin hatte ich noch geglaubt, dass der Besuch bei Axel das Schlimmste wäre, doch das hier toppte einfach alles. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so unwohl gefühlt und wollte einfach nur weg von einem Ort wie jetzt. Doch für eine zierliche Frau, hielt mich die Brünette ganz schön fest am Arm . Wenn ich nicht wie ein kompletter Volltrottel aussehen wollte, musste ich da wohl durch. Wieder rief sie seinen Namen und diesmal antwortete er ihr mit fröhlicher Stimme. Bei dem klang seiner Stimme begann mein Herz wie wild zu klopfen und wurde zu einem Verräter.
 

„Du hast Besuch.“ Sie wandte sich mir zu und schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln.

„Wer ist es?“ Es war so typisch für ihn, erst zu fragen, anstatt einfach zu uns zu kommen.

„Ein hübscher junger Mann. Er hat mir nicht seinen Namen verraten.“ Sie schmunzelte, als keine weiteren Rufe von ihm kamen, aber dafür ein poltern zu hören war. Nervös sah ich zur Tür, aus die diese lauten Geräusche kamen und endlich standen wir uns wieder gegenüber. Nur war das Wiedersehen eher befangen, da Sora einfach an der Tür stoppte und mich verblüfft anschaute. Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte, doch gefiel mir dieser Reaktion überhaupt nicht. Was hatte ich Dummkopf auch erwartet? Das er mir Freudestrahlend um den Hals fiel und mein Gesicht mit Küsse bedeckte? Welch ein Unsinn! Schließlich war ein Kuss auch daran Schuld, dass ich überhaupt hier war. Mir stockte der Atem bei seinen Anblick, da er mich mit einer ungewohnt abwertenden Haltung anstarrte. Unschlüssig stand ich ihm gegenüber und wusste nicht was ich sagen sollte, da mein Hals wie zugeschnürt war. Es war so eine ungeschickte Situation, das ich mir absurderweise schon wünschte, das Axel hier wäre und mir helfen würde. Schließlich war er auch daran Schuld, dass ich hier war.
 

„Ich muss wieder zurück an meinem Stand, Sora. Cloud hat noch ein paar Dinge zu erledigen, so kann ich nicht so lange wegbleiben“, erklärte die brünette Frau verlegen.

„Geht in Ordnung, Arith. Ich komme ganz gut allein klar.“ Verbissen presste er seine Lippen aufeinander, verfolgte nur kurz, wie die Frau aus dem Raum ging und uns somit allein ließ. Als sie weg war, begann er zu reden, doch war es feindseliger, als ich vermutet hatte. „Was machst du hier?“ In meiner Fantasie bildete ich mir ein, dass er gleich zu mir gestürmt kam und mir eine runterhaute. Die Vorstellung war ein bisschen beängstigend, auch wenn ich natürlich viel stärker war und mich gegen ihn kinderleicht wehren konnte.
 

„Hat dich Roxas geschickt?“ Er guckte argwöhnisch auf mich, doch ich verneinte nur. Erleichtert atmete er aus, jedoch blieb sein misstrauischer Ausdruck auf seinem Gesicht. „Okay, wenn nichts davon zutrifft, komme ich wieder zu meiner ersten Frage: Was machst du hier?“ Ich war verwirrt genug, um ihm nicht sofort zu antworten. Sein Blick gefiel mir nicht, da er nicht so wie üblich war und irgendwie so abwertend auf mich wirkte. Außerdem war ich mir nicht so ganz schlüssig, was ich ihm überhaupt antworten sollte. So klangen meine Worte viel zu unsicher und holprig in meinen Ohren. Mein Blick ging zur Seite, als ich zu sprechen begann: „Ich wollte sehen wie es dir geht. Seid wir uns das letzte Mal gesehen hatten... nun ja, es ging etwas unglücklich aus.“
 

Sora prustete los. „Das kann man wohl sagen. Du bist ein schlechter Gastgeber.“

„Immerhin konntest du bei mir bequemer schlafen als hier“, brummte ich.

„Bist du hier um ich zu beleidigen oder dich bei mir zu entschuldigen?“ Seine freche Frage verblüffte mich, doch er lachte nur bei meinem Gesichtsausdruck.

„Ich wollte mich nicht bei dir entschuldigen!“, entgegnete ich grober als nötig.

„Okay und warum bist du denn da?“

„Hab ich doch gesagt.“

„Also wolltest du mich nur sehen?“
 

Seine Stimme war ungewohnt bissig, als würde er mich mit seinen Worten verletzen wollen. Mein Gesicht verfinsterte sich bei dieser Feststellung und langsam wurde ich wütend, bei seinen unhöflichen Verhalten. „Ich hätte auch Axels Vorschlag durchziehen können, doch schien mir dies nicht richtig.“

„Und das wäre?“

„Dich durchvögeln, bist du dienen eigenen Namen nicht mehr weißt.“

Er lachte, während mein Blick unverändert blieb. „Als ob du das könntest! Du bist selbst zu dumm dafür, jemand anderen zu küssen. Wie solltest du mich dann ficken können?“

Er lachte härter, sodass ich das Gefühl nicht los wurde, das er eine böse Freude daran hatte, mich zu verspotten. „Es kann nicht so viel anders sein, wie ein Mädchen zu bumsen.“

„Ja, aber dazu sollte man erst mal fähig sein, einen anderen Menschen zu küssen“, stichelte er weiter.

„Du hast eine ziemlich große Klappe!“
 

Er provozierte mich absichtlich – das war klar – doch diesmal tat ich ihm den Gefallen und ging darauf ein. „Du stellst mich hier wie eine prüde Jungfrau hin!“, merkte ich an, doch Sora ließ das unbeeindruckt und setzte zum Gegenschlag aus. „Du benimmst dich auch so. Wahrscheinlich gibt es Naminè nicht einmal und du hast sie erfunden, damit du vor mir nicht wie ein Depp da stehst!“ Nun war klar, das er mich ärgern wollte und er hatte es auch mit Bravour geschafft. Ich wurde wütend auf ihn. So lief ich auf ihn zu und konnte dabei sehen, wie sein überheblicher Blick, einem geschockten Ausdruck wich. Eigentlich hatte ich ganz andere Dinge mit ihm vor, doch irgendwie verabschiedete sich mein Hirn von seinem Dienst und aus einem Impuls heraus, den ich mir selbst nicht erklären konnte, landeten meine Lippen auf seine.
 

Zufrieden hörte ich, wie Sora überrascht auf keuchte und gierig seine Lippen gegen meine bewegte. Es machte mich mutiger. So legten sich meine Hände fordernd gegen seinen Rücken, damit ich ihn näher an mich drücken konnte. Mein leichtes knabbern an seiner Unterlippe brachte ihn leicht zum stöhnen und ich grinste in dem Kuss hinein, meine Chance nutzend, um meine Zunge in seinen Mund wandern zu lassen. Es brauchte nur ein paar Sekunden, bis sie von seiner eigenen angestupst wurde und immer wieder aufeinander trafen. Das Gefühl war überwältigend und das Kribbeln in meinem Bauch tat fast schon weh. Doch irgendwann löste ich mich von diesen süßen Lippen und ich schnappte leise nach Luft. Dabei gefiel mir Soras betäubter Blick, mit dem er zu mir aufsah. Sein Mund war leicht geöffnet und er rang etwas nach Atem. Ich lächelte bei seinem Anblick und streckte meine Hand aus, um ihn eine verirrte Strähne aus der Stirn zu streichen.
 

„Okay, küssen kannst du“, murmelte er endlich und für einen kurzen Moment, sah ich ihn überheblich grinsend an. Jedenfalls so lang, bis er etwas hinzufügte, was mich wieder rum verstörte: „Wollen wir jetzt Axels Vorschlag umsetzen?“ Meine Mundwinkel gingen nach unten, wobei Sora nur albern kicherte. „Es war nur ein Scherz.“

„Ich weiß“, entgegnete ich brummend, „Seit wann tust du auch was, was Axel vorgeschlagen hat.“ Soras Lächeln erstarb ein bisschen, als er nur weich seinen Kopf schüttelte. „Er ist momentan nicht wichtig. Ich will nicht über ihn reden.“ Trotzig sah er zu mir auf und tatsächlich war das Thema erst mal erledigt. Schließlich wollte ich die neue Situation nicht kaputt machen und wenigstens einmal das richtige tun.
 

Auch wenn es ungewohnt war, einen anderen Mann zu küssen, hatte es mir doch gefallen. Nur war ich mir nicht so sicher, was als nächstes zu tun war. Meine spontanen Aktionen hatten eigentlich immer damit geendet, dass irgendwas Schlechtes passierte und seltsamerweise wartete ich direkt darauf, dass es jeden Moment so weit war. Sora sah mich skeptisch an. „Du bereust es schon“, sagte er leise. Ich konnte ihn nur verwundert ansehen.

Allein sein

Verwirrt strich ich mir durch das Haar und sah in Soras erwartungsvolles Gesicht. Es wirkte etwas enttäuscht, so schüttelte ich nur leicht meinen Kopf und versuchte etwas zu sagen, was ihn ein wenig aufmunterte. Doch zu meinem Leidwesen hatte mein Gehirn wieder angefangen zu denken und meine Gedanken rasten nur so durch meinen Kopf, sodass ich nicht fähig war, etwas sinnvolles zu sagen. Sora versuchte in meinem Gesicht nach einer Antwort zu suchen, war etwas ängstlich, als ich meine Augenbrauen zusammenzog und betreten auf ihn schaute. Sein Griff um meine Oberarme wurde lockerer, doch ich dachte gar nicht daran, meine eigenen Arme von seiner Hüfte zu lösen. So standen wir uns schweigend gegenüber und eine drückende Stille setzte zwischen uns ein, die nur von leisen Geräuschen, die von draußen kamen, unterbrochen wurden.
 

„Es ist okay,“, murmelte Sora tapfer, „Ich habe Erfahrung damit, mich in den falschen Mann zu verlieben. Vielleicht bin ich wirklich zu naiv für die Liebe und gehe zu euphorisch an die Sache heran.“ Er lächelte bitter. Ich war viel zu durcheinander, um seine Worte zu realisieren. Irgendwie hörte ich nur das Wort 'Liebe' und hatte nur Augen für Sora, in dessen Gesicht etwas verletzliches zu finden war. Ich streckte meine Hand nach ihm aus und streichelte über seine Wange. „Gib mir etwas Zeit“, flüsterte ich endlich leise hervor. Er nickte leicht, auch wenn ich ihm ansehen konnte, das ihm meine Antwort nicht gefiel. Doch war es momentan das einzige, was ich ihm bieten konnte.
 

„Okay“, murmelte er, nur um gleich darauf schelmisch zu grinsen und an meinem Shirt zu spielen. „Aber während ich dir Zeit gebe, ist doch ein bisschen Knutschen drin, oder?“ Ich lachte auf, doch statt einer Antwort, drückte ich ihm nur einen Kuss auf die Stirn. Er kicherte, doch wurde unsere Zweisamkeit gestört, als plötzlich ein Krach ganz in unserer Nähe zu hören war. Zeitgleich drehten wir unsere Köpfe in diese Richtung und sahen drei Augenpaare, die neugierig auf uns blickten. Sie standen alle drei im Türrahmen und grinsten breit über ihre Gesichter. Sora schien sie zu kennen, denn er stöhnte nur genervt auf.
 

„Ist das der Typ? Der Kerl, von dem du schon so viel erzählt hast?“, fragte das brünette Mädchen aufgeregt. Ihre großen grünen Augen starrten auf mich, wobei mir ihr reges Interesse schon unheimlich war. „Sei nicht albern, Olette!“, rief Sora empört aus. Ich grinste amüsiert zu ihm hinab, doch als sich unsere Blicke kurz trafen, wirkte er eher verlegen auf mich. Olette strahlte ihn an und klatschte aufgeregt in ihre Hände. „Also ist er es wirklich!“ Schnell lief sie zu uns, um mich aus der Nähe zu betrachten. Dabei war ihre Neugier schon unheimlich, sah sie mich doch von unten nach oben an. „Hm, er ist hübsch“, urteilte sie nach einer Weile. Zweifelnd hob ich eine Augenbraue an dem Mädchen hoch, doch diese lachte nur hell auf.
 

„Olette, halt endlich die Klappe!“, rief eine andere Stimme und weckte so meine Aufmerksamkeit. Ich sah zu dem Kerl mit dem Sandfarbenen Haar, der mich ebenfalls etwas zu neugierig ansah. Nur guckte er mich wenigstens nicht an, als wäre ich irgendein seltenes Tier. Das Mädchen murrte, gehorchte aber ihrem Freund und ging einige Schritte von mir zurück. Doch sollte niemand die Chance bekommen noch etwas zu sagen, da mich Sora einfach am Arm packte und mich grob an seinen Freunden vorbei schob. Ich ließ ihn gewähren, hatte ich doch selbst keine Lust darauf, noch weiter unter Beobachtung zu stehen. Auch wenn es schade war, so nicht mehr hören zu können, was Sora so über mich gesagt hatte.
 

Er führte mich aus dem Gebäude, wobei ich an seinem Gesicht ablesen konnte, das er selbst nicht genau wusste, wohin er eigentlich mit mir gehen wollte. Trotzdem hielt er meine Hand noch immer, als er mich trotzig weiter zog. So schleifte er mich durch die Gasse, um da zu landen, wo ich schon mal mit Kairi war: vor dem goldenen Gebäude, in dem Xemnas lebte. Die Sonne fiel direkt auf das Haus, sodass das grelle Licht meine Augen blendete, als ich einen kurzen Blick darauf warf. So bemerkte ich nicht, wie Sora weiter lief und außerhalb meines Blickwinkels, herum hantierte. Erst als er mich rief, drehte ich mich zu ihm um und war überrascht, ihn halb hinter einer paar wild wachsenden Büschen versteckt, zu finden. Er winkte mich zu ihm, so folgte ich seiner Geste und guckte ihn verwirrt an, als er auf einem breiten Riss in der Wand zeigte.
 

„Was ist das?“, stieß ich leise hervor.

„Ein Loch in der Wand“, gab er leichthin zurück.

Ich verdrehte die Augen. „Das sehe ich auch. Aber wohin führt es?“

Er grinste nur geheimnisvoll. „Das können wir zusammen herausfinden.“
 

Während ich noch unentschlossen da stand, hatte sich Sora schon auf seine Knie fallen lassen und krabbelte durch die Öffnung. Als ich mich immer noch nicht bewegte, steckte er seinen Kopf hindurch und gab mir euphorisch zu verstehen, dass ich ihm folgen sollte. Etwas unschlüssig ging ich auf ihn zu, wartete bis er wieder hinter der Wand verschwunden war, um dann ebenfalls hindurch zu kriechen. Als ich mich wieder aufrichtete, erstreckte sich vor mir ein kleiner Wald, dessen hellgrüne Baumkronen in der Sonne leuchtete. Es war ein hübscher Anblick, gab es doch in dieser Großstadt nur wenig Natur zu finden. Hinter mir raschelte es und als ich mich kurz zu diesem Geräusch umdrehte, sah ich Sora wieder auf allen Vieren knien, wie er an der Öffnung in der Wand herum hantierte.
 

„Was machst du da?“

Er grinste mich verschmitzt an. „Ich versuche den Eingang zu verstecken, damit niemand weiß, dass wir hier sind. Wir sind nicht sonderlich viele, so wissen sie schnell, wenn ein Neuling im Viertel ist.“

„Wäre das so schlimm, wenn sie mich sehen würden?“ Er richtete sich wieder auf und klopfte sich den Dreck von seinen Shorts, um kurz darauf einfach gleichgültig mit den Schultern zu zucken. „Ich möchte dich einfach für mich allein haben“, gab er zu, „die können dich auch später noch sehen.“ Seine Worte schmeichelten mir und ließen keine Zweifel zu, den Moment zu zerstören. Es war für mich, als würde ich in eine andere Welt getaucht sein, in dem es nicht nötig war, darüber nachzudenken ob etwas richtig oder falsch war. Selbst für mich galten diese Gesetzte nicht mehr und ich war froh, bei ihm zu sein und einfach nur seine Anwesenheit genießen zu können.
 

So gingen wir den kleinen Trampelpfad entlang und schon vom Weitem, konnte ich ein Eisentor entdecken, das silbern in der Sonne leuchtete. Als wir näher kamen, eröffnete sich uns ein großes Haus, das stolz in den blauen Himmel ragte. Nun war ich wirklich erstaunt. „Was ist das?“, fragte ich. Sora sah zu mir auf, freute sich, dass es mir sichtlich gefiel. „Das alte Herrenhaus“, antwortete er grinsend. „Ich hatte es vor ein paar Jahren entdeckt und gehe ab und an mal her, wenn ich Ruhe haben will – aber nur am Tag.“
 

Während wir nebeneinander her liefen, sah ich Sora fragend an. „Warum nur am Tag?“

Sora blickte etwas zögerlich zur Seite, antwortete mir jedoch nicht, sondern öffnete lieber das Tor, welches quetschend nachgab. Als wir das Anwesen betraten, stockte mir der Atem. Es war vielleicht mit Pflanzen überwuchert und aus dem verwilderten Garten, ragten steinerne Säulen hervor, doch war es noch immer wunderschön und irgendwie magisch. „Manche behaupten, hier würde es Geister geben“, flüsterte Sora und holte mich so aus meinem faszinierten Zustand. Mein Kopf fuhr herum, als ich seine Worte hörte. Sein Blick war verlegen, als er noch immer zur Seite sah und es nicht wagte, mich direkt anzugucken. „Und du glaubst daran?“, prustete ich spöttisch.
 

Erbost verschränkte er die Arme vor der Brust und schmollte. „Ich habe wirklich etwas vor dem Fenster gesehen, als ich am Abend hier war!“

„Und das wäre?“

Sora zog böse seine Augenbrauen zusammen und schmollte noch ein bisschen mehr. „Etwas weißes war vor dem Fenster zu sehen. Es sah aus wie eine Frau in einem weißen Kleid.“

Ich lachte härter bei seiner Erzählung. „Natürlich Sora“, ich ging ein paar Schritte auf ihn zu, um ihn spielerisch seinen Kopf zu tätscheln, „wahrscheinlich war es auch noch ein Geist.“

Er schlug trotzig meine Hand weg. „Bitte“, meinte er bockig, „aber erwarte nicht, dass ich dich retten werde, wenn das Mädchen plötzlich vor uns steht. Ich in dann ganz sicher verschwunden!“

„Damit werde ich wohl leben müssen.“
 

Immer noch etwas verärgert über meine Worte, stapfte er weiter und ich folgte ihm neugierig, um ihn gleich darauf zu helfen, das schwere Holztor zu öffnen. Die Luft war Staub verhangen, als wir die Lobby betraten, in der zu meiner Enttäuschung, nur Dreck und Gerümpel zu finden war. Als sich meine Augen an das Dunkel gewöhnt hatten, konnte ich links und rechts von uns breite Treppen entdecken, die in die obere Etage führten und durch dessen große, gut erhaltene Fenster, helles Sonnenlicht herein fiel. Es macht nicht gerade einen einladenden Eindruck, doch gefiel mir, wie düster und unheimlich es hier war.
 

„Lass uns nach oben gehen“, schlug ich vor, als Sora keine Anstalten machte, irgendwas zu tun.

Der Brünette schüttelte nur energisch seinen Kopf und wirkte etwas entsetzt, über meinen Vorschlag. „Oh nein! Da oben gehe ich ganz sicher nicht hin!“

„Aber du hattest doch gesagt, das du schon ein paar Mal hier warst.“

Er guckte mich merkwürdig an, schüttelte aber wieder nur seinen Kopf. „Ja, aber nur hier. Da oben war ich noch nie. Dort lebte das Mädchen.“ Während er die ersten Sätze noch stur betont hatte, sprach er den letzten nur in einem Flüsterton, als könnte 'das Mädchen“ es hören, wenn er es zu laut sagte. Ich verdrehte nur meine Augen und griff kurzentschlossen nach seiner Hand, um ihn einfach mit mir die Treppen hinauf zu ziehen. Schließlich waren wir nicht umsonst hier und seine Märchengeschichten hatten mich neugierig gemacht.
 

Dabei achtete ich nicht auf den Kleinen, den ich regelrecht mit mir ziehen musste und wieder irgendwas von Geistern und Geräuschen vor sich hin murmelte. Als wir in den oberen Etagen angekommen waren, blieb ich einen Moment stehen, um ihn mit einem vielsagenden Blick anzugucken. „Siehst du? Alles gut, niemand ist hier, um nach deinem Leben zu trachten.“ Vorsichtig sah er sich um, um sich zu vergewissern, das ich auch recht hatte. Ich wartete einfach ab, bis er sich umgeschaut und ein wenig beruhigt hatte. „Vielleicht hast du recht“, murrte er, doch sein Gesichtsausdruck war noch immer zweifelnd. „Aber vergiss nicht, was ich dir gesagt habe: Nur das kleinste Geräusch und ich bin weg. Dann kannst du selbst sehen, wie du mit dem Geist fertig wirst!“
 

„Angsthase!“

„Ich mag mein Leben“, meinte er trotzig.

Ich gluckste. „Gut, ist registriert. Nun komm endlich und lass uns mal da lang gehen.“ Er folgte mir mit seinem Blick, als ich nach rechts zeigte. Ein bisschen angespannt war er, als ich meine Hände auf seine Schultern legte und ihn in die Richtung führte. Ich tauschte mit dem Kleinen einen Blick aus, dann streckte ich meine Hand vor, um die Tür zu öffnen. Mit einem knarren gab sie nach, sodass Sora bei diesem Geräusch etwas zusammen zuckte. In der Stille klang es besonders laut und ich hatte die Illusion, dass es noch an den Wänden nach halte. Ein Umstand, den der Brünette überhaupt nicht gefiel und am liebsten wieder verschwinden würde. Ich hielt ihn an seinem Platz und schob ihn in den nächsten Raum. Sein meckerndes murmeln wurde dabei von mir ignoriert, war ich doch viel zu neugierig, was sich in dem Zimmer befand.
 

Dementsprechend war auch mein Ausdruck, als ich mit Sora in meinen Armen, vor einem langen Tisch stand und meine Augen durch den Raum wandern ließ. Durch das große Fenster fiel bereits das Abendlicht, erhellte den Raum und ließ kleine Staubpartikel in der Luft tanzen. An den Wänden hingen Bilder, die selbst gemalt waren und wirkten, als wäre es von einem kleinen Kind gemacht worden. Ein keuchen unter mir, weckte meine Aufmerksamkeit. Doch bevor ich etwas sagen konnte, löste er sich aus meinen Armen und schritt weiter in das Zimmer hinein, ums sich die Bilder genauer anzusehen. „Gruselig“, murmelte er nach einer Weile ehrfürchtig.
 

„Es sind nur Bilder.“ Ich ging nach links, doch außer noch mehr dieser Zeichnungen, war nichts interessantes zu finden. Es war ein bisschen Enttäuschend, hatte ich mir doch mehr von solch einem verlassenen Herrenhaus erwartet. So trat ich vor das Fenster und war beeindruckt von der Aussicht, die es mir zu bieten hatte. Die Sonne war dabei unter zu gehen und ließ ihre letzten geröteten Strahlen über den verwahrlosten Garten streifen. Sora würde es wahrscheinlich ebenfalls als gruselig bezeichnen. So war es besser, das er sich noch immer die Zeichnungen an den Wänden ansah und nicht aus dem Fenster guckte. Er würde dort nur wieder Dinge sehen, die nicht da waren und schleunigst verschwinden wollen. Nur war ich viel zu gespannt darauf, was hier noch so zu entdecken war, um jetzt schon gehen zu können.
 

„Vielleicht hat ja das Mädchen im weißem Kleid die Bilder gemalt“, vermutete Sora nun.

Ich verdrehte nur spöttisch die Augen. „Es gibt kein Mädchen.“

Sora drehte sich zu mir um und zeigte auf das Bild, das er sich gerade angeguckt hatte. „Aber es sieht noch nicht so alt aus. Es ist weder vergilbt, noch sonst was.“

„Es sind nur Geschichten, Sora“, entgegnete ich ruhig, konnte mir aber diesen abfälligen Unterton nicht verkneifen. „Wahrscheinlich hat nur jemand von deinen Leuten das falsche Gras geraucht und kam in seinen Wahn auf diese absurde Geschichte.“
 

Sora war beleidigt, zog seine Unterlippe hervor, damit ich mir sicher sein konnte, dass ich was falsches gesagt hatte. „Und wie erklärst du dir die Zeichnungen?“

„Vielleicht hat die ja dein Bruder gemalt und sieht diesen Raum als eine Art Galerie?“ Sein Gesicht war so unbegeistert wie lange nicht mehr, doch ließ mich das vollkommen unbeeindruckt. Mich freute es eher, das wir unseren normalen Umgang miteinander wieder hatten und diese ungeschickte Stimmung vorüber gehend verschwunden war. Es machte viele Dinge einfacher, auch wenn es natürlich nicht ewig anhalten würde.
 

Ich lächelte ein bissen und lief auf Sora zu, um einen Arm ihm zu legen, damit ich ihn wieder auf den Gang ziehen konnte. Schließlich wollte ich noch den anderen Raum sehen, bevor es dunkel wird und wir das Haus wieder verlassen mussten. Widerwillig ließ sich der Brünette zu der zweiten Tür führen und ich bedauerte ein bisschen, das es die einzige, auf dieser Etage war. „Bereit?“, fragte ich, als wir vor der nächsten Tür standen. Ich hatte bereits die Hand auf der Klinke, als er mutig nickte. Als die Tür aufging, erwartete uns ein etwas kleineres Zimmer, das wohl mal die Bibliothek gewesen war. An drei Wänden waren hohe Regale angebracht, die bis zur Decke gingen und gefüllt mit Büchern waren. Ich war beeindruckt von dieser großen Sammlung. Nur Soras Interesse schien eher darin zu bestehen, was sich da so weiteres im Raum befand.
 

Fasziniert ließ ich meinen Blick über die Buchrücken wandern und schon bald zog ich eins aus dem Regal und zog mich damit vor dem Fenster zurück. So bemerkte ich nicht, wie sich Sora gegenüber von mir auf das Fensterbrett setzte. Erst als er mich anstupste und mich dabei direkt anschaute, blickte ich auf und sah ihn fragend an. Der brünette lächelte, gab aber kein Laut von sich. Für seine Verhältnisse höchst merkwürdig. „Was ist los? Hast du einen Geist gesehen?“ Er schüttelte nur seinen Kopf, rutschte aber diesmal näher zu mir, um mein angewinkeltes Bein zu berühren. Ich zog fragend eine Augenbraue hoch, doch beugte er sich nur ohne weitere Erklärungen zu geben vor und küsste mich sanft auf die Lippen. Ein bisschen überrascht, erwiderte ich seinen Kuss, auch wenn ich nicht ganz wusste, was es zu bedeuten hatte.
 

„Wofür war das?“

Sora strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. „Du hast mir erlaubt, dich zu küssen. Erinnerst du dich?“ Ich nickte, fühlte ein mulmiges Gefühl im Bauch, als er mich so liebevoll ansah. War es Schuld? Ich konnte zum Glück nicht weiter drüber nachdenken, denn wieder legten sich seine Lippen auf die meinen und ich lächelte in den Kuss hinein, als er ungeschickt versuchte, näher zu mir zu kommen. Nur klappte es nicht so ganz, da mein Bein noch immer im Weg war. So streckte ich es aus, um ihn in meine Arme schließen zu können und unseren Kuss zu intensiven. Er keuchte ein bisschen, lag auf mir, als er über meine Wangen streichelte. Als unser Kuss endete, ruhte sein Kopf auf meiner Schulter und er kuschelte sich näher an mich.
 

In dieser Position verharrten wir und schon bald war das Buch vergessen, das ungeachtet auf den Boden gefallen war, als ich ihn in meinem Armen hielt. Während ich nur müde die Augen schloss und ein wenig vor mir hin döste, hörte ich über mir ein gleichmäßiges Atmen. Ein kleines Geräusch, das entfernt nach einem Schnarchen klang, kam ab und an von dem Brünetten. Ich lächelte, drückte ihn etwas fester an mich und war irgendwann selbst eingeschlafen.

Gerüchteküche

Ich öffnete meine Augen als sich etwas bewegte. Zuerst verwirrt, blinzelte ich auf die Gestalt über mir, die in einem hellen Lichtstrahl gehüllt, etwas Geisterhaft über mir schwebte. Aus irgendeinen dummen Grund glaubte ich für einen Moment, das der Geist uns heimsuchte und nun vor mir war. Dementsprechend erschrocken, blinzelte ich ein paar Mal, bis mein Blick klarer wurde und ich Sora vor mir erkennen konnte. Ein bisschen zu erleichtert, atmete ich auf. Verdammtes Geistergelaber!
 

„Guten Morgen“, lächelte er. Mit fahrigen Bewegungen streckte ich meine Hand nach ihm aus und strich ihm durch das stachelige Haar, das in dem Moment noch strubbeliger aussah als sonst.

„Morgen“, nuschelte ich. Er beugte sich zu mir vor, um mir einen Kuss zu geben, den ich zuerst auch erwiderte, bis mir etwas auffiel, was mich schockiert die Augen aufreißen ließ.

„Wie spät ist es?“

Sora schaute mich irritiert an. Sein Gesicht nur Millimeter von meinem entfernt. „Ich weiß es nicht. Ich habe keine Uhr.“ Gut, dann blickte ich eben auf meine eigene, nur um entsetzt festzustellen, dass es eindeutig zu spät war. Mit einem „verdammt“, schob ich Sora von mir und sprang vom Fensterbrett, nur um Sekunden später zu merken, dass dieser Schlafplatz eine sehr schlechte Idee gewesen war. Ich spürte jeden einzelnen Knochen und selbst mein strecken vermochte es nicht, die Schmerzen etwas zu lindern.
 

„Was ist los?“, fragte Sora wenig begeistert. Als ich mich zu ihm umdrehte, saß er noch immer auf der Fensterbank und beobachtete mich trotzig.

„Ich spüre jeden einzelnen Knochen.“

Sora verdrehte die Augen. „Das meine ich nicht. Ich rede davon, warum die Uhrzeit so wichtig ist.“

„Das heißt einfach nur, das ich schon vor zwei Stunden auf Arbeit sein sollte. Ich war noch nie zu spät!“

Er saß da, seine Füße runter baumeln lassen, als er nur lächelnd seinen Kopf schüttelte. „Es ist kein Weltuntergang“, Er zeigte hinter sich zum Fenster hinaus, „Siehst du? Die Welt dreht sich weiter.“

Ich seufzte und ließ die Schultern sinken, bei seinem Kommentar.
 

„Es ist nur...“, begann ich, doch Soras Lächeln blieb, als er von der Fensterbank hopste und geradewegs auf mich zu lief. Er nahm meine Hände und grinste schelmisch. „Ist schon okay. Dein Perfektionismus kann zwar nerven, doch muss ich es wohl hinnehmen – für das erste jedenfalls. Also begleite ich dich noch zu deinem Auto.“ Bevor ich überhaupt reagieren konnte, zog er mich aus dem Zimmer hinaus. Händchen haltend liefen wir zu meinem Wagen, doch als wir durch das Tor traten, passierte etwas, das ich selbst nicht mal gemerkt hatte und vollkommen unbewusst geschah: Ich ließ seine Hand los und stellte mich gegenüber. Dabei bemerkte ich seinen etwas zweifelnden Gesichtsausdruck, doch war ich abgelenkt von dem Großstadtlärm und den Menschen, die an uns vorbei liefen.
 

Ich war gehemmt, konnte aber leider nichts dagegen tun, damit Sora davon nichts bemerkte. Dieser gab mir ein schwaches Lächeln, das eher enttäuscht auf mich wirkte, und kratzte sich unschlüssig am Nacken. Irgendwie wurde die Situation wieder etwas ungeschickt, als wäre die Magie verschwunden, sobald wir durch das Tor gegangen waren. Es war enttäuschend, doch Sora sah mich tapfer an und tat so, als würde ihn diese Situation unbeeindruckt lassen. „Sehen wir uns heute Abend?“ Seine Stimme klang unsicher und er blickte etwas verlegen drein. Ich ging ein paar Schritte auf ihn zu und beugte mich etwas zu ihm hinunter, um seine Stirn zu küssen. Während er noch immer seine Augen bei dieser Geste geschlossen hielt, flüsterte ich ihm ein „Ich denke schon. Nur habe ich noch ein paar Dinge zu tun. Es könnte spät werden.“
 

Das wollte Sora natürlich nicht hören. Dementsprechend betrübt schlug er wieder seine Augen auf. Er schluckte, nickte aber, als ich schon dabei war, in meinen Auto zu steigen. Ich drehte das Fenster hinunter und winkte ihn zu mir. Als er gehorchte und sich etwas zu mir runter beugte, um seine Arme dagegen zu lehnen, traf auch schon wieder mein Mund auf die schönen Lippen vor mir. Ein bisschen überrascht guckte er mich an, als wir uns wieder voneinander lösten. Dann grinste er mich spitzbübisch an und strich mir sanft über meine Wange. „Gut, dann sehen wir uns später. So schnell wirst du mich nicht los. Ich bekomme immer was ich will.“ Ich lachte auf, doch war verblüfft, als ich in seinem Gesicht ablesen konnte, das er es vollkommen ernst meinte. So küsste ich ihn ein letztes Mal, ohne auf seine Worte einzugehen und fuhr vom Parkplatz. Sora winkte noch kurz und war dann wieder in dem merkwürdigen Viertel verschwunden.
 

Als ich endlich im Büro kam, war ich lächerlicherweise erleichtert, dass niemand dort war. Ich wusste nicht genau, was ich erwartet hatte, doch war ich froh allein zu sein und die Eindrücke der letzten Stunden, richtig verarbeiten zu können. Wahrscheinlich sollte ich glücklich sein, doch meine Gedanken nahmen ungeahnte Richtungen ein und verwirrten mich. Es sollte mich nicht mal wundern, wäre ich doch nicht ich, wenn ich nicht über alles nachgrübeln müsste. So hatte ich um die Mittagszeit kaum etwas geschafft, doch dafür Hunger, da ich nicht wie sonst am Morgen, gefrühstückt hatte. Nicht mal ein Mittagessen hatte ich mir vorbereiten können. So musste ich notgedrungen in die Cafeteria gehen, um meinen Magen gefüllt zu bekommen.
 

Zu meiner Überraschung wurde wild gewunken, sobald ich durch die Schiebetür gegangen war. Der Kerl mit der Sitar saß mit seinem Freund an einem Tisch und grinste breite, als er mich sah. Ich tat ihm den Gefallen und setzte mich zu ihnen, während ich fieberhaft überlegte, wie dieser Typ eigentlich hieß. „Welch ein seltener Anblick“, rief er aus, „Hallo Riku.“ Ich nickte nur und stand auf, um mir selbst etwas zu Essen zu holen. Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen, als ich das Angebot sah. Trotzdem kam ich mit einem gefüllten Teller wieder zurück. Während sein Freund nur still da saß und ganz in seinem Buch vertieft war, blickten mich die grünen Augen des Sitartypen neugierig an. Ein Blick, der mich nervte und nur schwer zu ignorieren war. Ich tat mein Bestes, um mich nur auf mein Essen zu konzentrieren, doch ließ er andere sich nicht so einfach zum schweigen zu bringen.
 

„Ich habe deinen Artikel gelesen“, sagte er nun und weckte so doch noch meine Aufmerksamkeit.

Ich ließ die Gabel sinken und sah ihm direkt ins Gesicht. „Es ist nicht meiner“, erwiderte ich, nur die Fotos sind von mir.“

Der dunkelblonde schlug sich leicht mit der flachen Hand auf die Stirn. „Stimmt, ich hatte das Foto von dem Autoren gesehen. Hast du das auch gemacht? Dieser Sora war darauf abgebildet, wie er an einem Brunnen sitzt.“ Ich war verwundert über diese Aussage, hatte ich doch gedacht, dass er den Artikel über das Viertel meinte. Den Parkartikel hatte ich schon längst wieder vergessen. Ich bemerkte, wie der andere merkwürdig sein Gesicht verzog. „Wenn ich mich recht erinnerte, war das Foto von ihm viel größer, als es normalerweise bei Autoren der Fall war. Ein Bisschen seltsam war es, für einem Autoren, der nur sehr kurz bei uns war.“
 

„Wenn man der Schwager vom Chef ist, dürfte das nicht so seltsam sein. Da scheint man Sonderrechte zu haben“, mischte sich nun auch eine weibliche Stimme ein. Bei dem etwas gehässigen Kommentar sah ich auf und konnte gerade noch beobachten, wie die rothaarige, mit der ich für den anderen Artikel zusammen arbeiten musste, sich zu uns an den Tisch setzte. Sie lächelte mir freundlich zu und stellte ihr Tablett vor sich auf dem Tisch ab. Ich hatte das Bedürfnis, ihr irgendwas gemeines entgegen zu bringen, nachdem was sie über Sora gesagt hatte, nur konnte ich es einfach nicht. Schließlich hatte sie recht, auch wenn ich eher darauf spekulierte, dass Axel sich einfach nur an den Brünetten rächen wollte, anstatt ihn zu bevorzugen, weil es sein Schwager war. Ich könnte es klar stellen, doch würde es nur weitere Fragen aufwerfen, die ich nicht bereit war zu beantworten. So ließ ich es so stehen und aß ruhig weiter. Jedenfalls so lange, bis die beiden ihre Köpfe zusammen steckten und sich angeregt unterhielten – oder tratschen, wie ich es bezeichnen würde. Ich gab nie viel auf Klatsch und Tratsch – jedenfalls bis jetzt nicht. Das änderte sich, als Soras Name fiel und etwas behauptet wurde, das mich verblüfft aufsehen ließ.
 

„Er ist nach nur drei Wochen raus geflogen“, erzählte Kairi aufgeregt. „Donald aus der dritten Etage hat gesagt, das er im Büro von Axel war und es dort zum Streit kam und Arielle meinte mit einem Augenzwinkern, das es einen speziellen Grund hätte für den Streit und Roxas sehr wütend auf die beiden sein soll.“ Der Dunkelblonde sah sie mit offenen Mund an. „Nein!“, rief er schockiert aus, „du meinst doch nicht? Sag bloß, er hat es mit – du weißt schon.“ Kairi nickte nachdrücklich. „Unglaublich!“
 

Ich verdrehte nur die Augen. Ebenso der Typ neben mir, der nun seinen Kopf hob, wobei sein Blick sehr zweifelnd auf die beiden gerichtet war. „Mädels“, meinte er bissig, „können wir wenigstens beim Mittagessen dieses Thema sein lassen? Es reicht doch schon, das Demyx selbst außerhalb dieser Mauern, es nicht sein lassen kann darüber zu reden. Dank ihn erfahre ich schon genug von diesem Quatsch. Meinetwegen können sie es treiben, wo sie nur wollen, so lange ich nichts davon sehen muss.“
 

Demyx sah ihn etwas pikiert an, doch war es schnell wieder verschwunden und schon konnte er seinen Freund wieder trotzig angucken. „Zexion hat gesprochen“, meinte er abfällig, „und keinen interessiert es. Jeder redet davon, man hat eigentlich gar keine Chance, nichts von dem mitzubekommen – außer dir natürlich.“ Die beiden kicherten wie kleine Schulmädchen, während der Typ mich nur Augen rollend anguckte. Er seufzte abfällig. „Okay, von dir habe ich nichts anderes erwartet. Nur dich Kairi, hatte ich eigentlich anders eingeschätzt.“ Die rothaarige Frau warf ihm einen ertappten Blick zu, doch lächelte ihn bald darauf wieder an. Schulterzuckend nippte sie an ihrem Kaffee. „An jedem Gerücht ist auch ein Fünkchen Wahrheit dran und es ist nun mal kein Geheimnis, das sie sich gestritten haben, aber niemand weiß warum. Es ist ungewohnt, das Axel jemanden feuert. So ist er einfach nicht. Seltsamerweise tat er es aber bei seinem eigenen Schwager.“ Dann setzte sie ihre Kaffeetasse ab und tat etwas, was mich verwundert drein schauen ließ: Sie funkelte mich mit neugierigen Augen an. Ich wusste vielleicht nicht mehr ihren Namen, doch erinnerte ich mich daran, wie gefährlich es war, wenn ihre Augen zu funkeln begannen. Dummerweise musste ich nicht mal lange warten, bis sie wieder ihren Mund aufmachte und mich etwas fragte, was ich so nicht erwartet hatte.
 

„Hm Riku, du bist doch mit ihm befreundet. Du könntest uns doch am besten sagen, was an diesen Gerüchten dran ist.“ Sie legte ihre Hände unter ihr Kinn und sah mich erwartungsvoll an, während ich nur Zähneknirschend zurück sah und mich fragte, was dieser Quatsch sollte. Konversation war nicht meine Stärke, erst recht nicht, wenn es um solche Themen ging. Einen Seitenblick später und mir war klar, dass mir nicht mal Zexion helfen würde. Er war wieder in seinem Buch vertieft und hörte dem Geschwätz seiner Freunde (oder was immer Kairi für ihn war) nicht mehr zu.
 

Demonstrativ steckte ich meine Gabel in das Fleisch auf meinem Teller und guckte sie grimmig an. „Ich denke nicht, das an den Gerüchten etwas dran.“

Aber du weißt es nicht genau?“, hakte sie weiter nach.

Ich schüttelte meinen Kopf. „Woher sollte ich es wissen?“

Kairi grinste schelmisch, weckte so die Aufmerksamkeit von Demyx, dessen Kopf aufgeregt zwischen uns hin und her ging. Anscheinend mochte er es nicht, wenn ihm Geheimnisse vorenthalten werden. Dementsprechend oft fragte er nach, wovon wir redeten. Ich verdrehte nur meine Augen, bei seinem kindischen Benehmen.
 

„Hm, ihr saht ziemlich vertraut aus, als ihr euch gesehen habt.“

„Das täuscht.“

„Also kann ein Kuss täuschen?“

„Ja.“

„Er hat dich besprungen.“

„Seine Art um 'Hallo' zu sagen.“
 

Kairi sah mich mit merkwürdigen Blick an. Als würde sie in meinem Gesicht lesen wollen, was ich gerade dachte. Es war der Moment, wo sich meine Barrikaden aufrichteten und ich wieder demonstrativ meine Schutzhaltung annahm. Trotzdem grinste sie noch immer so ärgerlich, dass ich schon befürchtete, dass es nichts bringen würde. Darum zuckte ich nur bewusst gleichgültig mit den Schultern, was für die rothaarige Frau natürlich keinesfalls ein Grund war, um endlich aufzugeben. Warum mussten Frauen nur so neugierig sein? So in den Mittelpunkt gerückt, fühlte ich mich unwohl und war schon beinahe froh, als jemand grob eine Hand auf meinen Rücken schlug und sich einen Seitenblick später, als Axel entpuppte. Diese Erleichterung blieb aber nicht von langer Dauer, denn als sich dieser verkehrt herum auf einem Stuhl neben mir setzte und ich diesen erwartungsvollen Blick von ihm sah, wurde mir klar, dass es nur schlimmer werden konnte. Ich sollte mich nicht mal täuschen, denn sobald er den Mund aufmachte und was sagte, waren gleich drei Augenpaare auf mich gerichtet.
 

„Huh, ich sehe, du hattest eine interessante Nacht“, witzelte er und deutete mit seinen Kopf auf mich, als ich ihn nur verständnislos anguckte. „Anscheinend warst du heute Nacht nicht mal zu Hause.“ Es war nur eine kleine Bemerkung, die aber so viel mehr auswirkte, als ich erwartet hatte. Ein unruhiges Murmeln ging durch die Runde, was mich nur dazu brachte, genervt meine Augen zu verdrehen. „Wieso sollte ich das nicht gewesen sein? Lass deine absurden Behauptungen“, meinte ich bissig. Axel lachte nur und legte seine Unterarme auf die Lehne des Stuhls, um sich noch etwas weiter zu mir vorzubeugen. Mit einem Augenbrauen wackeln meinte er: “Du hast noch immer die Kleidung an, die du schon gestern getragen hast. Außerdem sehen deine Haare nicht gekämmt aus.“ Grinsend griff er danach und spielte einen kurzen Moment mit einer Strähne, bis ich einfach meinen Kopf wegdrehte.
 

„Du hast also auf mich gehört und bist zu ihm gegangen. Freut mich, nun will ich wissen, was passiert ist und lass ja kein dreckiges Detail aus. Hast du auf mich gehört und ihn richtig ran genommen?“ Ich schüttelte entsetzt den Kopf und erntete nur ein enttäuschtes aufstöhnen von den Drei, das mich noch entsetzter drein blicken ließ. Dieses Interesse an andere Menschen war mir unheimlich. „Okay, was ist dann passiert?“, hakte Axel etwas weniger enthusiastisch nach. Vielleicht war es einfach nicht mehr so spannend für ihn, wenn es ausnahmsweise mal nicht um Sex ging. Mir sollte es recht sein, hatte ich doch eh nicht vor, etwas von unserem Treffen zu erzählen. Dabei ging es mir nicht mal nur um die Neugier der Drei Personen am Tisch, sondern auch auch das ich mir selbst noch nicht sicher war, was ich eigentlich wollte. Es war etwas, was nur uns etwas anging und eine egoistischer Teil wollte einfach, dass dies auch unsere Sache blieb. Irgendwie wollte ich Sora für mich, ohne das jemand von uns wusste und an unserer Beziehung (oder was auch immer das war), teilhaben konnte.
 

So stand ich einfach auf, blickte grimmig in die Runde und verschwand, ohne ein weiteres Wort zu sagen, in meinem Büro. Wieder war es eine eigenartige Flucht, um unangenehmen Fragen zu entgehen. Doch war ich froh, wieder allein und in meiner vertrauten Umgebung zu sein. Eine gewisse Zeit lang, konnte ich von Menschen umgeben sein, doch es gab auch einen Punkt, wo es mir zu viel war und ich einfach nur meine Ruhe brauchte – so wie jetzt. So ließ ich mich in meinen Stuhl sinken und arbeitete weiter. Irgendwann schaffte ich es wieder mich nur noch auf meine Arbeit zu konzentrieren und nicht mehr an den Vorfall in der Cafeteria zu denken.
 

Wieder mal vergaß ich dabei die Zeit und schreckte so auf, als wie von Geisterhand der Raum erhellt wurde. Verschreckt verrenkte ich etwas meinen Hals, als ich zu der Person aufsah, dessen Hände auf meinen Schultern ruhten. Ich entspannte mich ein wenig, als ich Sora erkannte, der hinter mir stand. Nur sah sein Gesicht nicht so fröhlich aus, wie es sonst immer war. Sein Ausdruck war verärgert, als er zu mir hinab sah. „Wie lang hatte es gedauert, bis du mein Zeug aus dem Büro entfernt hast?“ Er sah regelrecht beleidigt aus, da nichts mehr da war, was er einst hier her gebracht hatte. „War es eine halbe Stunde nachdem ich verschwunden war oder hast du schon angefangen auszuräumen, nachdem ich gegangen bin?“
 

„Sora“, seufzte ich und löste seine Hände von meinen Schultern, um ihn an der Hüfte haltend, zu mir zu ziehen. Immer noch murrend, setzte er sich vorsichtig auf meine Oberschenkel. „Axel war hier und hat deine Sachen mitgenommen. Ich habe keine Ahnung wo genau er sie hingebracht hat. Doch bin ich davon überzeugt, dass du all dein Zeug wiederbekommen wirst.“ Er schnob abfällig, während er sich etwas bequemer auf meinem Schoß machte und seinen Kopf auf meine Brust legte. „Dieser hinterhältige Kerl hat sie sicher bei sich unter gestellt, damit ich zu meinen Bruder muss, wenn ich sie wieder haben will.“
 

„Sora“, mahnte ich ruhig. Er reagierte nicht, sondern schmiegte sich lieber näher an mich heran.

„Lassen wir das einfach“, säuselte er nun. „Ich möchte nicht über ihn reden. Lieber will ich wissen, was wir heute noch so machen.“

Meine Finger hielten kurz inne und hörten auf, mit den Strähnen seines Haares zu spielen. „Ich weiß nicht. Ich hab noch nicht drüber nachgedacht.“

Sora kicherte. „Wie hast du es nur geschafft, Naminè für dich zu gewinnen, wenn du dir noch nicht mal über solche einfachen Sachen Gedanken machst?“
 

Ein Schauer fuhr über meinen Rücken, als ich ihn wieder gegen meinen Hals kichern spürte und liebevoll einen Kuss, auf die dort empfindliche Haut hauchte. Ich antwortete ihm lieber nicht darauf, da meine Freundin es gewesen war, die für solche romantischen Aktionen zuständig war. Sie war es auch gewesen, die mich an geflirtet und angesprochen hatte. Ich selbst wäre nicht mal drauf gekommen, dass sie mich mögen könnte. Wie sollte ich auch? Ich war derjenige, der in der Schule meistens allein war und meine Zeit damit verbrachte zu lernen. Das war selbst in meinem Fußballverein so gewesen, in der ich mal gespielt hatte. Aber anscheinend mochten Frauen Fußballspieler, denn das blonde Mädchen war bei jedem Spiel dabei und hatte mich angefeuert – vielleicht hätte das ein Zeichen für mich sein sollen, das sie Interesse an mich hatte. Im Nachhinein betrachtet, klang es auf jeden Fall logisch.
 

Ich unterdrückte ein Gähnen, versuchte mich nicht von der Stille einlullen zu lassen, die so einschläfernd auf mich war. Diesmal wollte ich ganz sicher nicht in so einer Position einschlafen. Sora war anscheinend der gleichen Meinung und bewegte sich ein bisschen, um besser auf meinem Schoß sitzen zu können. Dabei machte er einen überraschten Laut, so öffnete ich träge ein Auge bei diesem Geräusch und sah, wie Sora etwas von mir abrückte und irgendwie verstört, oberhalb auf meine Beine guckte. „Was ist los?“, fragte ich und folgte seinen Blick, wobei ich etwas irritiert schaute, als er auf meine Hosentasche herum piekte. „Ich saß auf irgendwas hartes, nur war es leider nicht das, was ich erwartet hatte.“
 

Während ich ihn mit großen, verwunderten Augen beobachtete, nestelte er an meiner Hosentasche herum und fischte endlich das Objekt heraus, was ihm so gestört hatte. Mit einem erfreuten Aufschrei, hielt er es mir vor die Nase. So dicht, dass ich nichts erkennen konnte und seine Hand etwas verschob, um es besser sehen zu können. „Du hast ihn noch!“, rief er erfreut aus und hielt den kleinen Pinguinanspitzer hoch. Ich blickte ihn nur verständnislos an, doch das tat seiner Freude keinen Abbruch. „Ich hatte ihn nur eingesteckt, damit ich ihn später wegwerfen kann. Anscheinend hab ich das Ding einfach vergessen.“
 

Sora grinste nur wissen von einem Ohr zum anderen. „Natürlich Riku“, meinte er spöttisch. „Deswegen sieht er auch schon so ramponiert aus, weil du ihn erst vor kurzem in deine Hosentasche gepackt hast. Du hast mich vermisst!“ Ich konnte seine Freude nicht so ganz nachvollziehen. „Es ist nur ein Pinguin“, meinte ich deshalb mürrisch. „Ein hartnäckiger Pinguin, der sich nicht mal in der Waschmaschine ertränken lässt.“ Soras Grinsen blieb auf seinem Gesicht, als er sich einfach an meinem Hals warf und mein Gesicht mit kleinen Küssen bedeckte.
 

„Oh, ich scheine zu stören“, unterbrach uns eine heitere Stimme. Erschrocken fuhren wir etwas auseinander und starrten den Neuankömmling an.

Erinnerungen

Unsere Gesichter müssen besonders dumm ausgesehen haben, denn Axel lehnte sich lachend am Türrahmen. Ich war so schockiert über seine Anwesenheit, dass ich nicht mehr so ganz wusste, was ich da eigentlich tat und aus einem Reflex heraus, Soras Arme grob von mir weg schob und er dabei fast von meinem Schoß fiel, wenn er sich nicht gerade noch an der Tischkante festgehalten hätte. „Interessant, was hier so alles passiert, wenn man glaubt, dass ich weg bin. Ich sollte öfter mal einen kleinen Rundgang um diese Zeit machen. Wer weiß, was meine Mitarbeiter noch so alles anstellen, wenn sie glauben, dass keiner mehr im Gebäude ist.“
 

„Natürlich Axel, als würdest du freiwillig länger bleiben oder gar arbeiten“, meinte Sora spöttisch. Der rothaarige stieß sich vom Türrahmen ab und wanderte lässig durch das kleine Büro. Dabei waren seine grünen Augen immer auf Sora gerichtet, als würde er ihn jeden Moment angreifen wollen. Er stoppte direkt vor uns und klopfte ungeduldig mit seinen Fingern auf seinen Ellenbogen herum. „Lass uns nicht damit anfangen, Sora Ich bin hier und mir gehört die Firma. Was hast du zu bieten – außer das du jegliche Arbeit verweigerst?“ Seinen verstohlenen Blick auf mich blieb mir dabei nicht verborgen. Auch nicht, wie der Brünette warnend auf seinen Schwager sah, als würde er ihm so vermitteln wollen, dass er ja nichts falsches sagen sollte.
 

Axel lachte abfällig. „Keine Sorge, dein kleiner neuer Freund wird von mir nichts erfahren – das kannst du schön allein machen. Ich bin nur hier, weil ich darauf aufmerksam gemacht wurde, dass hier noch Licht brennt. Der Nachtwächter ist sehr streng, wenn es darum geht, dass noch Leute in dem Gebäude sind. Irgendwie hab ich das Gefühl, das er Menschen nicht sonderlich leiden kann. Mir soll es recht sein, sind wir hier doch nicht im einsamen Overlook-Hotel. Aber seid gewarnt, wenn ein kleiner Junge auf seinem Dreirad durch die Gänge fährt. Dann dürfte es nicht mehr so lange dauern, bis ein merkwürdig drein blickender Mann mit einer Axt auftaucht.“
 

Ein auf keuchen an meinem Ohr brachte mich dazu, zu diesem Geräusch umzudrehen und unvermittelt in das Gesicht von Sora zu sehen, der mit großen Augen zurück sah.

„Es ist nur ein Film, Sora“, seufzte ich.

„Ein böser Film. Warum sagst du so was, Axel?“, beschwerte sich der Brünette.

„Ich wollte Riku nur etwas Starthilfe geben, damit er weiß, was er machen muss, wenn er will, dass du dich ängstlich in seine Arme kuschelst.“
 

Er ahmte Sora nach, wie er sich an einem imaginären Riku festhielt und verstellte sogar die Stimme, um mich zu imitieren: „Oh Riku, bitte beschütze mich“, rief er in hohen Tönen auf, seine Augen dramatisch weit aufgerissen. „Sei mein Prinz auf einem weißen Pferd und errette mich!“ Er war merklich zufrieden mit seinem Auftritt, als Sora empört seinen Namen schrie. „Was?“, Er zuckte mit seinen Schultern, „Es ist doch nur die Wahrheit. Magst du die Wahrheit etwa nicht, Soralein?“ Er sagte es noch immer neckend, doch schien noch mehr dahinter zu stecken, als nur bloße Neckerei. Das zeigte schon Soras Reaktion auf seine Worte, denn er sprang empört von meinem Schoß und griff nach meiner Hand, um mich dazu aufzufordern, mit ihm zu kommen.
 

Ich reagierte nicht sofort, war noch viel zu betäubt von diesem kleinen Vorfall. Dementsprechend lang war mein Blick auf den rothaarigen gerichtet, als er uns Platz machte und wir an ihm vorbei liefen. Doch als sein Blick den meinen begegnete, war er noch immer amüsiert und lachte mich an. Dann waren wir auch schon aus dem Raum und Sora zog mich durch die Flure. Als wir draußen waren und an meinem Auto hielten, wartete Sora ungeduldig darauf, dass ich meinen Schlüssel aus der Hosentasche zog. Als wir endlich im Wageninneren saßen, blieb ich ruhig sitzen und sah Sora mit ausdruckslosem Gesicht an. Dieser war ganz mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt und bemerkte erst später, dass wir noch nicht losgefahren waren.
 

Verwundert schaute er mich an. „Warum fahren wir nicht?“

„Dann sag mir wohin.“ Wieder gab er mir diesen süßen verdutzten Blick.

Nachdenklich kaute er auf seiner Unterlippe herum und guckte dabei auf mich. „Lass uns zu dir fahren“, antwortete er schließlich und fügte mit einem Lächeln hinzu: „Du siehst müde aus, so denke ich, das es besser ist, wenn du diesmal in deinem eigenen Bett schläfst. Meins dürfte dir eindeutig zu unbequem sein und möchte ich dir besser nicht antun.“

„Was ist damit?“ Ich startete den Motor und fuhr los.

Sora kicherte. „Du hast doch die Matratzen auf den Boden gesehen, als du mit Arith zu mir gekommen bist oder nicht?“ Ich bejahte nur. „Siehst du, damit hat sich auch deine Frage geklärt.“

„Du schläfst tatsächlich auf diesen alten Dingern?“

Sora schnalzte tadelnd mit der Zunge. „Warum klingt bei dir alles nur so arrogant, wenn du was sagst? Es ist wirklich verblüffend, wie du selbst mit den einfachsten Worten jemanden dazu bringen kannst, dass er sich angegriffen fühlt.“
 

„Das ist meine charmante Art.“

„Eher eine Art Schutz“, klärte er mich auf. „In Psychologie habe ich das mal gelernt. So lenkt die Person von ihrem mickrigen Selbstbewusstsein ab.“ Er nickte nachdrücklich, doch sein Grinsen verging ihn sehr schnell, als er meinen finsteren Gesichtsausdruck sah. „Noch mehr von solchen Beleidigung und du kannst zu Fuß nach Hause gehen“, murrte ich und fügte abfällig hinzu: “Seit wann kennst du dich überhaupt mit Psychologie aus?“
 

„Ich hatte es ein Semester lang. Aber das von eben war einfach, dazu braucht man kein Studium.“

Ich lachte humorlos auf und ignorierte seinen Kommentar. „Warum hast du aufgehört?“, fragte ich stattdessen.

Sora druckste ein bisschen herum. „Ich bin nicht der Sohn von reichen Eltern. So fehlte mir das Geld. Er lachte wieder. „Aber um ein Charakterprofil von dir zu erstellen, reicht es allemal. Du bist einfach nur ein Kerl, der sich hinter seiner arroganten Art versteckt. Wenn du das ein wenig einschränken würdest, wärst du sicher ein netter Kerl.“

„Gehst du gern mit arroganten Kerlen aus?“, fragte ich prompt.

Sora verzog überrascht sein Gesicht und zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich schon. Ich weiß nicht, ob es gerade genau dieser Typ von Mann ist, dazu hatte ich schon zu viele verschiedene Freunde.“
 

Hatte ich mich davor noch drüber gefreut, dass wir zu unseren üblichen Neckereien übergegangen waren, gefiel mir dieses Thema nun so überhaupt nicht. Ich wollte nicht wissen, wie viele Partner er schon hatte und schon gar nicht, mit wie vielen er schon geschlafen hatte. Irgendwie verstand ich mich selbst nicht mehr, wollte ich doch vor noch nicht mal einer Woche, meine Gefühle für ihn verdrängen und nun saß ich hier und wollte einfach nur, dass er mit seinen Erzählungen über seine vergangene Partner wieder aufhörte. Niemand wollte doch wissen, was sein Partner so getrieben hatte, bevor man sich kennen gelernt hatte. Dabei konnte ich noch nicht mal sagen, ob meine Eifersucht überhaupt berechtigt war. Schließlich waren wir gerade erst dabei, uns kennen zu lernen und handelten eher wie Freunde (wenn man mal von unseren Küssen absah), anstatt wie Liebende. Zum Glück war Soras Auffassungsgabe diesmal höher und er hörte auf zu reden, nachdem er meinen Blick sah. Trotzdem konnte er sich ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen.
 

„Okay, Roxas hatte recht. Mit seinen potenziellen Freund sollte man nicht über seine verflossenen Partner reden.“

„Schade, dass dir das so spät eingefallen ist“

„Ja, wenn Rox jetzt hier wäre, hätte er mir wohl öfter den Ellenbogen in die Rippen gerammt, um mich davon abzuhalten, das falsche zu sagen.“

„Ein guter großer Bruder.“

„Ja, früher war er ein guter großer Bruder. Nur heute ist er eher wie ein strenger Vater. Ich liebe ihn zwar, doch er übertreibt es mit seiner Fürsorge.“

Ich hielt auf dem Parkplatz nahe am Haus und zog den Schlüssel aus dem Zündschloss. „Er macht sich nur Sorgen um dich, Sora.“

Der Brünette kletterte aus dem Auto und blickte über das Dach zu mir, als ich es ebenso tat. „Ich bin erwachsen. Außerdem hat Roxas seine eigenen Sorgen, so sollte er sich nicht noch mit mir belasten müssen.“ In seinen trotzigen Worten schwang auch Sorge mit.
 

Vielleicht gab es zwischen den Zwillingen eine besondere Beziehung, trotz den Streitigkeiten. Ich hatte irgendwo mal gelesen, das Zwillinge immer wissen, ob der jeweils andere traurig oder glücklich war. Vielleicht auch ein Stück weit wissen, was der andere gerade dachte. Ich wusste nicht, ob es auch bei ihnen so war, aber ich würde es mir für die Zwillinge wünschen. Auf jeden Fall musste es schön sein, auf so einer Art mit einem anderen Menschen verbunden zu sein. „Woran denkst du?“, holte mich seine Stimme wieder aus meinen Gedanken. Ich schüttelte nur leicht meinen Kopf. „Jeder hat seine Probleme. Mal mehr, mal weniger große“, erwiderte ich, ohne auf seine eigentliche Frage einzugehen. Wir liefen nebeneinander her, da wir noch ein kleines Stück gehen mussten, um zu meiner Wohnung zu gelangen. Es war merkwürdig, das es schon dunkel war, kam mir es doch so vor, als wäre der Tag viel zu schnell vergangen, ohne dass ich irgendwas erreicht hatte.
 

Als wir den richtigen Hausaufgang erreichten, schloss ich die Tür auf und ließ ihn hinein. Zu meiner Verblüffung lief er vor und hielt an der richtigen Wohnungstür an. Irgendwann fiel mir wieder ein, dass er mich schon mal besucht hatte und dieser Besuch ja eher fragwürdig ausgegangen war. Dafür hatte er aber gesorgt, dass ich das Bedürfnis hatte, mich bei ihm zu entschuldigen und enden tat es wieder an dem gleichen Ort, wo ich diesen Bockmist angestellt hatte. Irgendwie lustig, wenn man näher drüber nachdachte. „Kommst du oder willst du weiterhin auf den dunklen Flur stehen und grübeln?“, hörte ich die amüsierte Stimme von Sora. Ich sah auf, bemerkte, das er bereits an der Wohnungstür stand und er das Licht in der Wohnung angemacht hatte. Ein kleines Lachen ertönte, als ich ihn etwas verblüfft anblinzelte und mich in Bewegung setzte.
 

„Der Prinz braucht wohl eine Extraeinladung“, witzelte er, während ich an ihm vorbei lief und er mir übermütig die Tür aufhielt.

„Prinz? Hab ich ein paar Ränge übersprungen? Sonst war ich für dich immer nur der Langweiler.“

Sora kicherte hinter mir und ich konnte die Tür klacken hören, als er sie ins Schloss fallen ließ. „Hm, es kommt wohl auf die Situation an. Ich bin da sehr flexibel, wenn es um so was geht.“

„Davon bin ich überzeugt“, brummte ich, während ich in die Küche lief, um etwas zu trinken zu holen. Als ich mit einer Flasche Wein und zwei Gläser zurück kam, stand Sora an meinem Bücherregal und blätterte in einem herum. Ich stellte alles auf dem Tisch ab und ging zu ihm, um ihn über die Schulter zu gucken. Zu meiner Überraschung, sah er sich ein Fotoalbum an, das ich mal vor Jahren angelegt hatte und seit Jahren unberührt im Regal stand.
 

„Wer ist diese Frau?“

„Naminè“, antwortete ich schlicht.

„Sie ist sehr hübsch.“

„Ja, sie war früher mein liebstes Model gewesen. Sie war perfekt, um schöne Fotos zu machen. Ich habe noch viel mehr Bilder von ihr.“

Sora hob das Fotoalbum etwas höher und legte seinen Kopf schief. „Yeah, sie sieht perfekt aus.“
 

Ich lachte bei seinem abfälligen Unterton und führte ihn zur Couch, o ich ihn einfach drauf bugsierte. Er blätterte noch immer in dem Album herum, während ich den Wein in die Gläser einschenkte. „Wer ist dieser Mann?“ Ich rutschte näher zu ihm und guckte mir das Bild an, auf welches er mit seinen Finger drauf tippte. Es zeigte einen Silber haarigen Mann, der finster in die Kamera blickte und so aussah, als würde er den Fotografen jeden Moment angreifen wollen. „Mein Vater. Er ist Soldat bei der Armee, so sah ich ihn bereits als Kind nicht oft. Meine Mutter hatte sich von ihm getrennt, da dürfte ich so vier gewesen sein. So gab es meistens nur Geschenke und Karten zu den Festtagen. Aber er selbst kam nur selten zu solchen Anlässen.“
 

„Das ist traurig.“

„Hey, ich war immerhin das einzige Kind, das immer die neusten Spielsachen und Klamotten hatte. Sephiroth hatte wenigstens dafür gesorgt, das sein Kind immer im Trend lag.“

„Sephiroth?“, fragte Sora ungläubig. Sein Gesichtsausdruck war mitleidig, doch gab es doch nichts, um Mitleid mit mir haben zu müssen. Auch ohne einen Vater, ist was aus mir geworden.

„Ihn Vater zu nennen, hat er einfach nicht verdient.“ Etwas betroffen über meine Worte, wandte er sich wieder dem Album zu und blätterte darin, bis das nächste Foto seine Aufmerksamkeit erregte.

„Wer sind diese drei Silberlinge?“

„Silberlinge?“ Verwirrt sah ich mir das Foto an und lachte, als ich die drei Herren in ihren Anzügen erblickte. Es war ein altes Bild und wurde anscheinend bei einer Hochzeit aufgenommen. „Meine drei Onkel“, erwiderte ich. „Sie sind ganz cool. Immer wenn sie auf mich aufpassen mussten, durfte ich machen was ich wollte und ganz lange aufbleiben. Sie gaben mir auch mein erstes Bier zu trinken.“

„Wie nett.“

„Ja, nur meine Mutter fand das nicht so witzig.“

„Kann ich mir denken.“
 

Er schob seine Füße auf die Couch und rückte näher an mich heran, als ich ihm das Glas Wein gab. Während er an dem Glas nippte, blätterte er weiterhin in dem Album und stellte Fragen über die Personen, die auf den Fotos abgebildet waren. Irgendwann stand er dann auf und packte es wieder weg, um sich das nächste zu holen. Er kuschelte sich wieder an mich und ich genoss einfach nur die Nähe zwischen uns, war irgendwie angetan davon, wie interessiert er von den Bildern war. Ich war abgelenkt, viel zu eingelullt von der Stimmung, sodass ich etwas zusammen zuckte, als Sora einen überraschten Laut machte. „Du hast die Fotos vom Park im Album?“, lachte er und schnitt eine Grimasse, als er sich die Bilder anguckte. Es zeigte die Bilder von der Rangelei, die weder besonders gelungen, noch unsere Köpfe richtig drauf waren. Doch irgendwie hatte ich sie damals zu schade gefunden, um sie von meinem Fotoapparat zu löschen. Nun sah ich es als Fehler an, es nicht getan zu haben und mir war es irgendwie unangenehm, das Sora die Bilder gefunden hatte.
 

Dieser bemerkte meine Scham nicht und sah sich vergnügt die Bilder an. Ich beobachtete seine Mimik, mochte, wie seine Lippen etwas geöffnet waten und sich leicht zu einem Lächeln verzogen. Erst später erkannte ich es als Verwunderung an, da er bereits weiter geblättert hatte und die Bilder von ihm nicht weniger werden wollte. Es war eindeutig das falsche Album, das er da erwischt hatte. Während ich noch überlegte, wie ich ihm am besten das Album wegnehmen konnte, schenkte sich Sora sein zweites Glas Wein ein und guckte sich weiter mit regen Interesse, die Bilder an. Ich war mir nicht sicher, ob es sein Interesse gut oder schlecht war, da ich es nicht gewöhnt war, das sich jemand meine Arbeiten anguckte.
 

„Oh“, machte Sora nun. Ich guckte auf das Foto, das er sich gerade anguckte, wobei ich dies gleich Mal zum Anlass nahm, meinen Kopf auf seine Schulter zu legen. „So nah seh ich eindeutig merkwürdig aus.“ Ich lachte leicht, als ich auf das besagte Foto sah. Sora hatte recht, er war wirklich viel zu nah an der Linse und außer seinen Augen und ein wenig von seiner Nase, sah man nicht viel. Doch hatte das Bild für mich etwas besonderes, da Sora darauf so viel Lebensfreude ausstrahlte, das man unweigerlich lächeln musste, wenn man es sich anguckte. Menschen sind am schönsten, wenn sie ehrlich und aus vollem Herzen lächeln und Sora hatte diese Gabe, so lächeln zu können. 'Bewundernswert', dachte ich.
 

„Wir sollten irgendwann richtige Fotos von mir machen. Diese sind schrecklich.“

„Ich mag sie“, gab ich murmelnd zurück, „außerdem dachte ich, du würdest keine Bilder von dir mögen.“ Soras Lachen holte mich aus meiner schönen Trägheit, schaffte es aber nicht, mich von meiner momentanen Position zu erheben. „Was ist so lustig?“, fragte ich deshalb nur.

„Du bist ein Trottel, das ist los“, kicherte er und drückte mir einen kleinen Kuss auf die Haare. Ich beschwerte mich halbherzig, doch Sora unterbrach mich einfach: „Ich mag Fotografien von mir,“ Er blickte skeptisch auf meine Bilder, „Wenn sie gut gemacht sind. Nur damals hielt ich es einfach für eine gute Idee, dich ein bisschen zu testen, da ich mir noch nicht sicher war, ob du Interesse an mir hast. Es war einfach eine gute Gelegenheit, um es heraus zu finden.“
 

Ich sollte über seine Worte wahrscheinlich beleidigt sein, doch gluckste ich nur, bei seinem Geständnis. „Und zu welcher Antwort bist du gekommen?“

Sora schwieg für einen Moment und schlug seine Wimpern nieder, als müsste er erst mal sorgfältig darüber nachdenken. Als ich schon glaubte keine Antwort mehr zu bekommen, redete er endlich: „Ich bin mir nicht sicher. Damals war durchaus das Verlangen da mich zu küssen, doch muss ich wohl noch herausfinden, ob es nur reine Neugier ist oder aus uns wirklich was werden kann.“ Seine Antwort verblüffte mich ein bisschen, doch hatte er durchaus recht: Ich war mir unsicher und irgendwie nagte doch ein bisschen die Schuld an mir, das ich ihn nur dafür benutzen könnte, um mir meinen eigenen Gefühlen sicher zu sein. Nur blieb mir wenig Zeit, um darüber nachzugrübeln, denn Sora holte mich wieder aus meinen trüben Gedanken und bewegte sich schnell vor, um sich ein weiteres Glas einzuschenken. Mit einem Zug, trank er den Inhalt leer und grinste mich wieder an.
 

„Ich bin davon überzeugt, das wir ein gutes Ergebnis erzielen werden. Bis dahin muss ich eben damit Vorlieb nehmen, was du mir zu geben hast.“ Er kuschelte sich wieder an mich und sah sich weiter das Album an. Anscheinend war das Thema für ihn damit auch erledigt, denn er lenkte einfach ab und machte Scherze über die Bilder, die noch so kamen. Da es das Album vom Park war, gab es auch genug Zündstoff, um Witze zu machen. Es war schön mit ihm zusammen zu sitzen und einfach nur rum zu albern, ohne sich um etwas Sorgen machen zu müssen. Es war so leicht mit ihm einfach nur Spaß zu haben, da wurde selbst ein langweiliges Fotoalbum, zu einer lustigen Angelegenheit. Doch irgendwann begann der Brünette herzlich zu gähnen und legte das Fotoalbum sorgfältig auf dem Tisch. „Müde?“ Sora drehte sich mit kleinen Augen zu mir um, wobei er sich mit dem Handrücken darüber rieb und nickte. „Wir sollten ins Bett gehen. Für heute ist es genug.“
 

„Gut“, sagte ich und stand auf, um im Nebenraum zu gehen, „dann hole ich mal dein Bettzeug.“

„Ähm Riku“, hielt mich Soras Stimme unverzüglich auf. Ich war bereits am Türrahmen meines Schlafzimmers, als ich mich zu ihm umdrehte. „Du holst hoffentlich nur das Bettzeug, weil die andere Seite deines Bettes, noch nicht überzogen ist?“ Sein skeptischer Ausdruck, passte mir dabei gar nicht. So nickte ich unsicher, obwohl ich was ganz anderes geplant hatte. Nur das musste er ja nicht wissen. „Gut“ Zufrieden stand er auf und lief zu mir. „Denn dein Bett ist groß genug, um locker fünf Leute drin schlafen zu lassen. Warum braucht jemand, der eh allein wohnt, so ein großes Bett? Gibt es doch noch etwas, das du mir sagen möchtest?“
 

Neugierig guckte er zu mir auf, doch zu seiner Enttäuschung, schüttelte ich nur meinen Kopf. „Ich mag es einfach bequem, das ist alles.“ Gleichgültig hob ich meine Schultern. Dann wurde ich stutzig und sah Sora zweifelnd an, als dieser einfach an mir vorbei lief. Da er meinen Gesichtsausdruck nicht sehen konnte, fragte ich etwas verunsichert nach: „Warum weißt du, wie groß mein Bett ist? Wenn ich mich recht erinnere, hattest du es damals nicht mal gesehen.“ Ertappt blieb Sora stehen, wobei er versuchte, besonders unschuldig zu gucken, als er sich zu mir umdrehte. „Vielleicht hab ich ja einen klitzekleinen Blick in dein Schlafzimmer geworfen, als du so friedlich geschlafen hast.“ Ich hob fragend eine Augenbraue, doch Sora kicherte nur. „Schade nur, das du Boxershorts getragen hast. Ich hatte gehofft, während du schläfst würde vielleicht dein Bademantel verrutschen und ich könnte einen Blick auf deinen Hintern erhaschen. So blieb es leider nur bei einem bedeckten Po.“
 

Je mehr er redete, desto ungläubiger wurde mein Blick. Doch er störte sich nicht daran und plauderte einfach weiter, während er mein Schlafzimmer betrat. „Wusstest du eigentlich, das du verdammt süß aussiehst, wenn du schläfst? Dein Gesicht ist so herrlich zerknautscht und du streckst deinen Hintern ein bisschen vor, wenn du auf dem Bauch schläfst.“

„Du hast mich beim schlafen beobachtet?“, fragte ich leicht schockiert, „Das ist merkwürdig.“

Sora kicherte und warf sich auf die andere Seite des Bettes, die noch nicht überzogen war. „Es ist reizend“, widersprach er, nur um sich gleich darauf, auf seinen Bauch zu drehen und mich beim schlafen zu imitieren. „Siehst du?“, rief er und streckte seinen Hintern übertrieben vor. „So schläfst du! Dazu winkelst du aber noch deine Arme ganz dicht an deinem Körper an.“

„Sora“, rief ich warnend aus, da mir seine Interpretation überhaupt nicht gefiel. So schlief ich auf keinen Fall! Außerdem war ich auch ganz sicher nicht süß. Mit einem resignierten Seufzen, ließ er sein Becken wieder auf das Bett sinken und griff nach dem Kissen, um damit nach mir zu werfen.
 

„Vertrau mir doch einfach. Es ist wirklich ein hübscher Anblick“, beharrte er weiterhin und fügte dann mit einem anzüglichen Grinsen hinzu: „Und vielleicht auch ein bisschen Sexy.“

Um ein Haar hätte ich bei seinen Worten das Kissen nicht gefangen, das ich nun verdattert in meinen Händen hielt. „Sexy?“ , wiederholte ich zweifelnd.

Sora nickte. „Du zerwühlst deine Decke so schön, wenn du schläfst. Da bleibt viel Raum für Spekulationen“, lachte er, als er meinen Blick sah. Ich räusperte mich und war ungewöhnlich schnell darauf bedacht, meine Arbeit zu erledigen und das Bett zu beziehen.
 

Dabei war es noch leicht, ihm das Kissen wegzunehmen, auf dem er lag und ein Bezug drüber zu machen. Nur die Bettdecke, stellte sich als schwieriger heraus als gedacht, da Sora nicht vorhatte mir zu helfen und einfach darauf liegen blieb. Da er mich anscheinend ein bisschen ärgern und selbst bei mehreren ermahnen nicht weichen wollte, machte ich kurzen Prozess und zog kräftig an der Decke, sodass Sora etwas über das Bett wollte. Während er noch protestierte, überzog ich die Decke ebenfalls und ließ sie wieder über Sora fallen. Als dieser hörte, wie ich mich weg bewegte, zog er die Decke von seinem Kopf und guckte mich erwartungsvoll an. „Trägst du für mich heute wieder nur deine Boxershorts?“
 

Zögernd bedachte ich ihn mit verwirrten Blick. Dann nickte ich und ging Augen rollend ins angrenzende Badezimmer, um mich für das Bett vorzubereiten. Ich hatte geglaubt, wenigstens dort allein zu sein, doch kam mir Sora auch dort nach und stellte sich neben mich, während ich mir die Zähne putzte. Ein kurzen Seitenblick später und ich wühlte in dem Schränkchen über mir herum, um ihm etwas später, einfach eine Zahnbürste in die Hand zu drücken. So standen wir gemeinsam vor dem Waschbecken und putzten uns die Zähne. Fast synchron, spuckten wir die Zahnpasta aus, wobei ich etwas verdattert guckte, als Sora seine Bürste wie selbstverständlich, neben meine in den Becher stellte. Es war so lange her gewesen, dass das jemand gemacht hatte. Ich lächelte ein bisschen, bei diesem ungewohnten Anblick.
 

Als ich wieder zur Seite blickte, konnte ich durch den Türspalt Sora erkennen, wie er vor dem Bett stand und sich auszog. Dabei fielen seine Kleidungsstücke einfach auf den Fußboden. Seufzend tat ich ihm es nach, achtete aber darauf, meine Sachen auf meinen Arm zu legen. Als ich das Schlafzimmer betrat, nahm ich Soras Kleidungsstücke ebenfalls auf und legte sie sorgfältig über den Stuhl. Sora beobachtete mich bei meiner Tätigkeit und lachte. „Siehst du, nun bist du wieder mein Langweiler“, kommentierte er grinsend. Murrend legte ich mich zu ihm ins Bett und Schaltete das Licht aus.

normale Menschen tun das so

Es war ein merkwürdiges Gefühl, jemanden neben mir liegen zu haben – vor allem jemanden, der sich im Bett hin und her bewegte und mich so dabei störte, endlich einzuschlafen. Wie kann es so eine kleine Person nur schaffen, das sich das ganze Bett bewegte, wenn er sich nur umdrehte? Ich hatte nicht mal die Gelegenheit die Situation seltsam zu finden, da Sora mich mit seinem rum wälzen gehörig nervte. Irgendwann hatte ich genug davon und packte ihn an den Hüften, um ihn näher zu mir zu ziehen. Fest an meine Brust gedrückt, verharrte er einen Moment, nur um gleich darauf wieder zu versuchen, sich zu drehen. Diesmal hielt ich ihn am Platz, was Sora gar nicht gefiel.
 

„Lass mich los, es ist noch immer ungemütlich“, jammerte er.

„Das ist es schon seit einer geschlagenen halben Stunde! Du schläfst sonst nur auf eine Matratze, also warum machst du jetzt so einen Aufstand?“

„Hier gibt es diese Ritze zwischen den zwei Matratzen, die es in meinen Bett nicht gibt“, beschwerte er sich, „Außerdem schlafe ich immer auf den Bauch ein!“

Seufzend ließ ich ihn los und spürte wieder, wie sich Sora neben mir bewegte. „Zufrieden?“, fragte ich, nachdem es neben mir ruhig geworden war.

„Hm, eine Sache fehlt noch.“

„Und die wäre?“
 

Statt einer Antwort, wurde nach meiner Hand gegriffen und mein Arm einfach auf seinen Rücken getan. Ich lächelte und kam dieser Aufforderung nur zu gerne nach. So schmiegte ich mich näher an seinen Körper und schmunzelte, als Soras Nase meinen Hals berührte und ein zufriedenes Seufzen von ihm zu hören war. Irgendwie könnte ich mich daran gewöhnen, nicht mehr allein schlafen zu müssen. Jedenfalls war es angenehm, Sora neben mir liegen zu haben und seinem gleichmäßigen Atmen zu zuhören und seine weiche Haut, gegen meine zu fühlen. Mit diesem Gedanken im Kopf, schlief ich ein...
 

… und wurde am nächsten Morgen unsanft geweckt, indem eine Hand auf meinem Gesicht klatschte. Augenblicklich schlug ich meine Augen auf und entfernte diese Hand von mir, damit ich mit meiner eigenen, meine Nase befühlen konnte. Diese tat ein bisschen weh von dieser groben Behandlung. Als ich mir sicher war, dass sie wirklich nur ein bisschen schmerzte, sah ich träge an mir herab und bemerkte, dass der Besitzer dieser groben Hand, halb auf mir lag. Sein Kopf ruhte auf meiner Brust, während sich sein Schritt etwas an meinem Bein rieb, als er sich ein wenig bewegte. Zusammen gefasst: er benutzte mich, als sein persönliches Kissen. Ich streifte ein bisschen durch sein Haar, das an meinem Gesicht kitzelte, und hörte ihn etwas murmeln. Was genau es war, konnte ich nicht verstehen, doch war es interessant, das er nicht mal im Schlaf seine Klappe halten konnte.
 

„Sora?“, flüsterte ich. Ein Laut der Bestätigung drang zu mir empor. Sein geknautschtes Gesicht brachte mich zum schmunzeln. „Aufstehen, es wird Zeit.“ Das gefiel ihm anscheinend nicht, denn er klammerte sich fester an meinen Oberkörper. „Es ist sicher noch nicht so spät“, nuschelte er gegen meine Haut. Ich warf einen Blick auf meinen Wecker. Gut, es war vielleicht nicht meine Aufstehzeit, so könnte man ja noch ein paar Minütchen liegen bleiben und den Versuch wagen, Sora aus dem Land der Träume zu holen. Dieser hatte scheinbar keine Lust, meiner Aufforderung zu folgen und drehte sich mit seinem Kopf auf die andere Seite, um weiter zu schlafen. Dabei richtete sich sein Körper ein bisschen auf, um eine geeignete Position zu finden und rieb ungeschickt eine Region, die lieber nicht gereizt werden sollte. Ich konnte ein Keuchen gerade noch unterdrücken, doch das überraschte aufzucken, das durch meinen Körper ging, schien bemerkt worden zu sein.
 

Da er sich von mir weggedreht hatte, konnte ich sein Gesicht nicht sehen. Doch war ich mir sicher, das er grinste, als er sich etwas hochschob und seine Hüften fast unschuldig, sodass man glauben könnte, es wäre unabsichtlich, wieder meinen Schritt streiften. Diesmal konnte ich mein Keuchen nicht unterdrücken und obwohl es leise war, gab es Sora scheinbar den Mut, um weiter zu machen. Nur diesmal war es etwas fester und ich konnte fühlen, wie sich in meiner Hose, etwas aufrichtete. Das war nun wirklich nicht das gewesen, was ich wollte. Ich biss mir auf die Unterlippe, um keinen Lärm zu machen. Doch irgendwie fanden meine Hände ihren weg in Soras Haar und krallten sich darin fest, als sich seine Hüften abermals erhoben, wobei sich flinke Finger in meine Boxershorts verirrten. Dort stellten sie Dinge an, die mir Schauer über meinen Rücken jagten und dazu zwangen, unbeherrscht aufzustöhnen. Mit offenen Mund, begannen mich weiche Lippen wild zu küssen. Eine Zunge, die an meiner saugte und mich weiter dazu aufforderte, mit ihr zu spielen, während die fremde Hand in meiner Hose, immer schneller zu pumpen begann.
 

Ich war nicht mehr fähig dazu klar zu denken, diese neuen Emotionen und wie ich berührt wurde, waren überwältigend. So konnte ich bereits spüren, wie die Wellen in meinem Bauch stärker wurden, bis sie über mir zerbrachen und mich in einem Gefühlsrausch stürzten, das ich so lange nicht mehr gefühlt hatte. Von weit weg, konnte ich mein Stöhnen hören, als ich durch seine Hand kam und genoss einfach nur diesen betäubten Zustand, von meinen eigenen Gefühlen weggeschwemmt zu werden. Als ich wieder meine Augen öffnete, war Sora über mich gebeugt und lächelte mich an. Ich schmiegte meine Wange an seine Hand und erwiderte den kleinen Kuss, den er mir auf meinem Mund gab. Meine Lippen, die weiter machen wollten, doch Sora entzog mir die seine einfach und schenkte mir ein weiteres, entzückendes Lächeln.
 

„Hm, an diesem Anblick könnte ich mich gewöhnen“, meinte er frech und lachte, als ich nur gequält aufstöhnte.

„Du kannst auch jeden Moment zerstören“, murrte ich.

Sora legte seinen Kopf schief und bedachte mich mit einem irritierten Blick. „Warum? Nur weil ich sage, dass mir dein Anblick gefällt, wenn du in dieser gewissen Stimmung bist?“

Ich erhob mich, wobei ich etwas pikiert bemerkte, wie auf Soras Hand etwas von dem Ergebnis meines Höhepunktes zu finden war. Es war unangenehm für mich, doch Sora schien es nichts auszumachen. Davon angewidert, kletterte ich aus dem Bett und lief geradewegs ins Badezimmer, um die Spuren unserer Fummelei zu beseitigen.
 

Als ich damit fertig war und wieder das Schlafzimmer betrat, hockte Sora noch immer auf dem Bett und sah mich betroffen an. „Alles okay mit dir?“, fragte er besorgt. Ich nickte nur und holte mir ein paar Sachen aus dem Kleiderschrank, um sie mir schnell anzuziehen. Sora beobachtete mich zweifelnd, blieb aber still. Erst als ich mich umdrehte, konnte ich noch immer diesen beunruhigten Ausdruck, in seinem Gesicht sehen. 'Mach nur nicht den gleichen Fehler wie damals“, warnte ich mich selbst. Diesmal wollte ich einfach schlauer sein und vor allem meine Worte sorgfältig wählen, da es doch diesmal schlimmer enden könnte, als beim letzten Mal. Schließlich war es diesmal mehr, als ein einfacher Kuss. So ging ich auf ihn zu, bis die Bettkante mich stoppte und als Sora bis dahin krabbelte, nahm ich sein Gesicht in meine Hände, sodass er mir direkt in die Augen gucken musste.
 

„Es ist alles Okay, Sora“, ich küsste ihn auf seine leicht geschwollenen Lippen, „diese spontane Sache, war wohl nur etwas zu spontan für mich.“

Er lachte leise auf und drehte seinen Kopf ein wenig, um mir einen Kuss auf meine Fingerspitzen zu hauchen. „Okay, dann sag ich dir das nächste Mal Bescheid, bevor ich mich wieder auf dich stürze.“

„Hm, vielleicht wäre es besser, die Vorwarnung etwas anders zu machen“, überlegte ich schmunzelnd, „Ich denke, nur eine Vorwarnung und sich dann auf mich zu stürzen, fällt noch unter spontan.“

Sora stutzte, wobei er mich etwas zu skeptisch anguckte. „Das wird schwierig.“

„Dir wird schon was einfallen, da bin ich mir sicher“, meinte ich lachend und gab ihm einen schnellen Kuss auf die Lippen.
 

Während Sora noch drüber grübelte, wie er es am besten anstellen könnte, war ich bereits auf dem Flur und hielt ihm meine Hand unter die Nase, als ich wieder zurück kam. Er nestelte an meiner Hand herum und öffnete erstaunt seinen Mund, als er sah, was auf meiner Handfläche lag. „Ein Schlüssel!“, rief er erfreut aus und nahm ihn gleich an sich, als würde ihn den jemand wieder wegnehmen wollen. Als er ihn in seiner Hosentasche verstaut hatte, fiel er mir um den Hals. „Damit du kommen und gehen kannst, wann du willst“, erklärte ich und war selbst überrascht über meine eigenen Worte. Wir kannten uns gerade mal einen Monat und ich gab ihm schon meinen Wohnungsschlüssel? Seit wann war ich so spontan und vor allem gutmütig? Verrückt, doch schien es mir der richtige Moment zu sein. Die ganze Situation war verrückt, also warum sollte ich nicht ebenso handeln? Es klang für mich plausibel. Außerdem mochte ich Soras gerührten Gesichtsausdruck, als ich ihm den Schlüssel gegeben hatte.
 

„Nun lass mich zur Arbeit gehen, sonst reißt mir Axel noch den Kopf ab.“ Sora schnob abfällig, doch ließ mich los. Er sah nicht sonderlich begeistert aus und ließ sich trotzig wieder auf das Bett fallen, um mich kommentarlos gehen zu lassen. Jedoch nicht, ohne sich noch einen Abschiedskuss von mir zu holen. Zum ersten Mal bedauerte ich es wirklich, arbeiten gehen zu müssen. Ebenfalls zum ersten Mal, ging ich pünktlich aus dem Büro und freute mich regelrecht auf zu Hause, obwohl ich noch nicht mal wusste, ob Sora überhaupt noch da war. Schließlich hatten wir keine Zeit ausgemacht, so könnte es auch gut sein, das mich eine einsame Wohnung erwartete. Es wäre schade, aber nicht zu ändern, da ich Trottel ja schließlich nichts weiter mit ihm vereinbart hatte.
 

So schloss ich mit lächerlich klopfenden Herzen die Tür auf und war erleichtert, als ich aus der Küche lautes klappern hören konnte. Leise schloss ich hinter mir die Tür und ging den Geräuschen nach, nur um festzustellen, das Sora gerade dabei war, etwas zu kochen. Er hatte mich nicht bemerkt, da er mit den Rücken zu mir stand. So schlich ich mich an ihn heran und schlang meine Arme um seine Hüften. Sobald ich meine Hände auf ihn hatte, schrie er erschrocken auf und beruhigte sich nur ein bisschen, als er sah, dass nur ich es war.
 

„Mach das ja nie wieder! Das nächste Mal wird es nicht so gut für dich ausgehen“, warnte er wütend.

Ich lachte nur. „Was machst du da?“ Ich schielte über seine Schulter und konnte gerade noch sehen, wie er eine weitere Zutat in den Topf warf.

„Ich versuche zu kochen, doch du machst es mir nicht gerade leicht. Wie hast du es geschafft so lange zu überleben, bei den wenigen Lebensmitteln, die du im Haus hast?“

„Ich habe genug Geld, um mir immer einen Happen kaufen zu können“, meinte ich verwundert. „Außerdem ist genug Essen in dem Tiefkühlfach drin.“

Von dem Brünetten kam nur ein empörtes Schnauben. „Das ist alles nur Fastfood. Damit vergiftest du nur deinen Körper! Außerdem, wenn du sagst 'ein Happen kaufen', schließt das auch deine Sandwichs mit ein, die du zu Mittag isst?“

„Klar“, erwiderte ich.
 

Irgendwie konnte ich diesen Aufstand nicht ganz verstehen, schließlich wurde man auch von so was satt und das war doch die Hauptsache. Wieder nur ein tadelnder Laut von Sora. Doch bevor ich was sagen konnte, legte er mir den Kochlöffel an meine Lippen. „Probier“, verlangte er und ich tat, was mir gesagt wurde.

Überrascht sah ich auf den trotzig guckenden Brünetten. „Das schmeckt gut.“

„Ein Wunder, das bei deinen Essgewohnheiten deine Geschmacksnerven noch nicht abgestorben sind. Es gibt nur Nudeln mit meiner selbst kreierten Sauce – was anderes konnte ich leider nicht machen, da mir die Mittel fehlten.“Ich verdrehte die Augen bei seinen Nörgeln und bekam einen strengen Blick, da er es natürlich gesehen hatte.
 

„Wir müssen unbedingt einkaufen oder am besten gleich zu Olette gehen. Sie hat das beste Gemüse in der Gegend und ist selbst unter den Großstädtern schon zu einem Geheimtipp geworden.“

„Okay.“ Etwas besser gelaunt, nahm er die Töpfe vom Herd und füllte zwei Teller auf, um sie auf den Küchentisch zu stellen. Als ich einen davon nahm und verschwinden wollte, kam das nächste schimpfen von Sora: „Wohin willst du mit dem Teller?“

„Ins Wohnzimmer. Zum Essen passt fernsehen perfekt.“
 

Soras fassungsloser Ausdruck sollte mir wohl sagen, dass er von dieser Idee nicht viel hielt. Ich seufzte resigniert und setzte mich an dem Tisch, meinen Teller vor mir hinstellend. Ein zufriedenes Nicken später und der Brünette setzte sich zu mir. Es war zwar für mich nicht ganz nachvollziehbar, warum wir nicht genauso gut im Wohnzimmer essen konnten, doch gab ich Sora einfach mal nach und so schlecht war es auch nicht. Das letzte Mal hatte ich als kleines Kind zum Abendbrot an einem Tisch gesessen, da meine Mutter immer darauf bestanden hatte, dass die Familie wenigstens einmal am Tag zusammen war. Unsere Familie bestand zwar nur aus meiner Mutter, meinen Bruder und mir, aber sie sollte ihren Willen bekommen. Genauso wie Sora nun – obwohl dieser Vergleich doch arg merkwürdig war und sie nicht so gut kochen konnte wie Sora, dessen Essen wirklich ausgezeichnet schmeckte. Ganz anders als das von meiner Mutter, die jedes Essen entweder verkohlte oder nur halb gar kochte. Vielleicht war das auch der Grund, warum alles besser war, als das Essen meiner Mutter und es viel Luft nach oben gab.
 

„Es ist wirklich gut“, lobte ich.

„Das freut mich. Nur gewöhne dich nicht dran, ich werde ganz sicher nicht, deine kleine Hausfrau spielen.“

„Schade“, murmelte ich wirklich bedauernd, „wenigstens kann ich so nicht wund werden. Woher hast du so gut kochen gelernt?“

„Arith hat es mir beigebracht. Damals meinte sie, es wäre eine gute Sache so was zu können. So könnte ich die Jungs um den Finger wickeln.“

„Die hübsche Frau in dem rosa Kleid, die mich zu dir geführt hat?“
 

Sora nickte und legte sein Besteck zur Seite, als er mit seinem Essen fertig war. Ein träumerische Glanz, hatte sich in seinen Augen gebildet, als er weiter sprach: „Sie ist so eine liebe Frau! Du wirst sie mögen, wenn wir mal wieder in dem Viertel sind. Sie ist wirklich toll.“ Seine Begeisterung war ja zum neidisch werden, so versuchte ich vom Thema abzulenken und stellte stattdessen eine andere Frage: „Wie lang lebst du schon dort?“

„Ein paar Jahre. Es ist mein zu Hause und die Leute dort, sind wie eine Familie für mich. Wir helfen uns gegenseitig und sind immer für einander da.“ Seine Worte waren viel zu schön, um wirklich wahr sein zu können und irgendwie hatte ich das Gefühl, als würde er nicht ganz auf meine eigentlich Frage eingehen wollen.
 

„Was ist mit Roxas?“, hakte ich nach.

„Was soll mit ihm sein?“, fragte er etwas trotzig. „Er lebt mit Axel zusammen.“

„Er ist auch ein Teil deiner Familie.“

Für einen Moment konnte ich es in Soras Augen funkeln sehen. Anscheinend mochte er nicht über seinen Bruder reden und seine Gestik nach zu urteilen, versuchte er einen Weg, aus dieser Situation zu finden. „Ja, er ist auch ein Teil meiner Familie“, presste er hervor, „doch ist die Beziehung zu ihm anders, als die zu den anderen. Sie sind nicht nur meine Freunde, sondern eben viel mehr. Menschen, auf die man sich verlassen kann und die einen nicht absichtlich weh tun.“ Sein Ton war schärfer geworden, so wagte ich nicht mehr, noch irgendwas zu fragen. Es war genug gesagt worden und ich wollte Sora nicht verärgern. So lenkte ich freiwillig ab, um den Abend in einer entspannten Atmosphäre ausklingen zu lassen.
 

„Wie wäre es nun mit fernsehen?“

Sora rollte die Augen. „Ist es das, was normale Menschen so tun, wenn sie Feierabend haben?“

„Ich schätze schon.“

„Gut, dann sind wir heute mal normal und gucken fernsehen“, grinste er und stellte gleich klar: „Aber ich bestimme das Programm. Nicht das wieder so was läuft wie beim letzten Mal, wo ich dich besucht habe!“ Während Sora schon aufstand und ins Wohnzimmer lief, überlegte ich noch, was er damit meinte. Dann fiel es mir wieder ein und rief empört: „Ich habe doch gesagt, dass ich vor dem Fernseher eingeschlafen war!“
 

„Das ist die häufigste Ausrede von Menschen, die nicht zugeben wollen, das sie vermeintlich schmutzige Filme sehen.“ Er warf mir einen spöttischen Blick zu, als ich mich neben ihm auf die Couch fallen ließ. Sofort griff er nach der Fernbedienung auf dem Tisch und schaltete wild durch die Kanäle, das mir schon die Augen vom zugucken weh taten. Ich ließ ihn einfach machen und wartete ab, bis er endlich was passendes gefunden hatte. Es sollte eine Weile dauern, bis er an einem Film hängen blieb und die Fernbedienung endlich weg legte. Wie selbstverständlich, streckte er sich seitwärts auf die Couch aus, seinen Kopf, der auf meinem Schoß ruhte. Meine Finger, die mit den Spitzen seines Haares spielten.
 

Doch während Sora aufmerksam den Film folgte, schweiften meine Gedanken ab und waren wieder bei unserem Gespräch von vorhin. Es war viel zu seltsam gewesen und vor allem, wenig aufschlussreich. Es machte einfach keinen Sinn, was er sagte und viel zu naiv hatte er beschrieben, wie die Menschen in diesem Viertel miteinander agierten. Wenn ich wenigstens ein paar Fragen beantwortet haben wollte, sollte ich handeln. So nahm ich mir vor, im richtigen Moment noch einmal mit Sora drüber zu reden. Schließlich wollte ich wissen, was in dem Kopf meines neuen Freundes so vor sich ging.
 

Doch für das erste, wollte ich nur unser zusammen sein genießen, so schob ich diesen Gedanken erst mal weit von mir weg. So passierte das, was mir immer passierte, wenn ich einen Film sah: Ich schlief mitten drin ein. Während ich in den Schlaf abdriftete, konnte ich von weit weg, sein Lachen hören. Ich lächelte bei dem entzückenden Geräusch. Irgendwie könnte ich mich dran gewöhnen, dieses Geräusch immer wieder zu hören.

doch nicht so verschieden

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

leere Versprechungen?

Es stellte sich als eine ziemlich schlechte Idee heraus, mit Sora zusammen in einem Bett zu schlafen, da wir irgendwie nicht die Finger voneinander lassen konnten und ich deshalb das dritte Mal in dieser Woche zu spät dran war. Nur ärgerte es mich nicht so sehr, wie es eigentlich sollte, da es sich durchaus gelohnt hatte. Ich mochte das zusammen sein mit ihm und genoss unsere kleinen Abenteuer – auch wenn sie nie einen Schritt weiter gingen. Wir hatten noch immer keinen 'richtigen' Sex, befriedigten uns nur mit unseren Händen oder den Mund. Mir reichte es, war zufrieden damit und mochte es, wenn er es mir mit den Mund machte.
 

Ja, ich konnte wirklich zufrieden sein, hatte ich doch einen kleinen Schatz zu Hause, der so schön verborgen war, dass ihn niemand anderes finden konnte. Das meine kleine Seifenblase irgendwann zerstört werden könnte, schob ich ganz weit von mir, verbannte den Gedanken in die hinterste Ecke meines Kopfes. Vielleicht hatte ich mich auch etwas von Soras Naivität anstecken lassen, das ich mich kaum sorgte. Wer weiß? Es war in Moment auch nicht wichtig, da ich erst mal nur froh drüber war, nicht entdeckt worden zu sein, als ich so durch die Gänge lief und unbemerkt in mein Büro verschwand. Erleichtert darüber, machte ich mich an die Arbeit, war so vertieft darin, dass ich nicht mal merkte, wie schnell die Zeit verging. Erst als sich während meiner Arbeit, Hände weich auf meine Schultern legten, schreckte ich hoch und mein Kopf schnellte herum, um unmittelbar in das Gesicht eines grinsendes Soras zu starren. Dieser küsste mich nur auf die Nase und hopste auf mein Schoß.
 

„Warst du wieder so in deiner eigenen kleinen Welt versunken, dass du mich nicht mal bemerkst?“

Ich guckte ihn böse an, meine Hände, die sich wie selbstverständlich um seine Hüften legten, um ihn näher an mich zu ziehen. „Ich hätte mich vor jeder Person erschreckt.“

Sora machte ein unsicheres Gesicht. „Ja vielleicht, aber du behauptest doch andauernd, ich wäre ein Trampeltier und besonders leise war ich diesmal wirklich nicht.“

„Das bist du nie.“

Er protestierte ein bisschen, doch das brachte mich nur zum lachen. „Das ist also der Dank dafür, das ich dir dein Essen bringe!“
 

Ich guckte ihn fragend an, doch als Antwort hielt er mir nur grinsend eine Papiertüte vor meiner Nase. Ich lächelte und nahm ihn sie ab, damit ich einen Blick hinein werfen konnte. Schief lächelnd guckte ich über den Rand der Tüte. „Das ist ein Fresspaket“, sagte ich, „damit könnte ich ein paar tage auskommen.“ Soras Augen leuchteten, als er mir fast trotzig die Tüte aus der Hand nahm, um sie zwischen uns zu platzieren. „Das ist ja auch nicht nur für dich allein. Ich dachte, wir könnten zusammen zu Mittag essen.“§ Während er das sagte, holte er bereits die Sandwichs heraus und drückte mir eines in die Hand. Lächelnd beobachtete ich, wie er sein eigenes vom Papier befreite und zufrieden hinein biss. Meines blieb unberührt in der Hand, als ich mich etwas vorbeugte, um ihn auf die Stirn zu küssen. Verblüfft sah er auf.
 

„Wofür war das?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Einfach so, weil du mich davor bewahrst, in der Kantine gehen zu müssen, um zu essen. So ersparst du mir, wieder bei den Spinnern sitzen zu müssen.“

Sora sah mich merkwürdig erstaunt an. „Du gehst in die Cafeteria?“

„Als wäre das eine Sensation“, brummte ich.

„Und hast dort Leute, mit denen du zusammen sitzt und isst?“

Mein Augen verdrehen wurde gekonnt ignoriert. Stattdessen sah er mich immer noch mit diesem verblüfften Gesicht an. „Ja“, brummte ich, „Kairi und zwei Typen wollten meine Gesellschaft beim Mittag essen haben. Als wäre es eine so große Sache.“
 

„Das ist es“, meinte Sora nickend und zupfte ein wenig an seinem Brot herum. „Ich dachte, du hast keine Freunde.“ Er guckte etwas betreten nach unten, während ich nur da saß und ihn anstarrte.

„Wie kommst du darauf?“, fragte ich schließlich, nachdem wir eine Weile nichts gesagt hatten.

Er riss sich etwas von seinem Brot ab und steckte sich die Bissen in den Mund. „Weil ich jetzt schon eine Weile bei dir wohne und du nie Besuch bekommst oder jemand bei dir angerufen hat.“

Ich runzelte bei seiner Antwort leicht die Stirn, „Das liegt daran, das meine Freunde nicht hier wohnen. Sie leben auf Destiny Island, da wo ich auch aufgewachsen bin.“

„Nie von diesem Ort gehört.“

„Es ist eine kleine, öde Insel von der ich immer weg wollte. Sie ist ziemlich langweilig, da gibt es auch nicht großartig was drüber zu erzählen.“

Soras Augen leuchteten begeistert auf, als er zu mir aufsah. „Eine Insel? Du hast auf einer Insel gelebt?“

Ich nickte, nicht ganz sicher, was ich von seiner Begeisterung halten sollte. „Oh, das klingt schön. Ich war noch nie am Meer.“

Ich streckte meine Hand aus, um ihm sanft durch das Karamellfarbende Haar zu streichen. „Wenn du möchtest, können wir gern mal dort hin fahren.“

Verblüfft guckte er mich an, war wohl nicht so überzeugt von meinen Worten, wenn ich seinen Blick richtig deutete. Etwas skeptisch zog er eine Augenbraue hoch und guckte mich an.
 

„Ehrlich?“, fragte er lieber noch mal nach.

Ich nickte, ließ meine Hand immer wieder über das weiche Haar fahren. „Ehrlich. Warum sollte ich dich anlügen?“

„Hm“, machte er und senkte seinen Blick ein bisschen, um mit den Knöpfen meines Hemdes zu spielen. Ein bisschen verlegen murmelte er: “Gut, dann nehme ich dich beim Wort. Vielleicht lerne ich dann auch deine Freunde kennen. Es wäre nett.“ Ich stoppte meine Hand und ließ sie über seine Wange streifen, bis sie an seinem Kinn hielt, das ich sanft hob, damit ich wieder in diese entzückenden blauen Augen sehen konnte. In diesen waren Zweifel zu erkennen, die mich etwas betroffen zurück schauen ließ.
 

„Warum guckst du mich so an?“

Sora sah zur Seite und kaute ein bisschen auf seiner Unterlippe herum, ohne ein Wort zu sagen. Tatsächlich dauerte es ein wenig, bis er endlich wieder seinen Mund öffnete und mir eine Antwort gab: „Dein Versprechen klingt nett und vielleicht nimmst du mich ja wirklich mit auf deine Insel. Ich weiß ja nicht, wie gut du dich noch mit deinen Freunden verstehst und wie weit du dich mit mir sehen lassen willst. Bis jetzt klingt es nur nach einem netten Versprechen. Aber die Zeit wird es schon zeigen, ob du es dann tatsächlich wahr machst.“Schockiert guckte ich ihn an, doch er ließ sich davon gar nicht erst verunsichern. So schüttelte er leicht seinen Kopf und lächelte ein wenig in meine Richtung. „Es ist doch so, das wir jetzt einen knappen Monat so was wie zusammen sind oder was auch immer wir sind. Dabei hat man uns noch nie zusammen gesehen und unsere kleine Welt spielt sich nur in deiner Wohnung ab. Darum ist es eher merkwürdig, wenn du solche Versprechungen machst und mich auf die mit nehmen willst.“
 

Betroffen sah ich ihn an, war zu verstört, um etwas vernünftiges sagen zu können. Seine ehrlichen Worte machten mir Sorgen. Seine blauen Augen, die mich nun direkt anguckten, konnte ich kaum ertragen. Ich fühlte mich etwas in die Enge getrieben, als ich seinen Blick sah und ließ mich zu einer Antwort hinreißen, wo ich nicht so genau wusste, ob es jetzt richtig war oder eben nicht: „Gut, dann lass uns einen Schritt weiter gehen und zusammen ausgehen.“ Sora sah mich zuerst verblüfft an, dann grinste er breit. „Einen Schritt weiter gehen, hm?“, lachte er. „Wir haben schon so viele Schritte durcheinander gebracht, dass wir schon gar nicht mehr von einer richtigen Reihenfolge sprechen können.“ Als ich ihn nur fragend ansah, grinste er schief und verdrehte die Augen. „Eigentlich hatte ich von dir erwartet, dass du dich mit diesem langweiligen Kram auskennen würdest und ich dir wenigstens das nicht erklären müsste. Ich hatte dich so eingeschätzt, dass du dich mit dem normalen Dingen auskennst. Aber nun gut, ich hab mal gehört, dass normale Menschen erst mal Dates haben, um sich besser kennenzulernen und dann damit beginnen, sich gegenseitig an die Wäsche zu gehen. Irgendwie haben wir das ein bisschen durcheinander gebracht.“ Er sagte es, als würde er mir ein wichtiges Geheimnis verraten. Sein leicht spöttischen Unterton hörte ich heraus, kam aber nicht auf die Idee, irgendwas darauf zu erwidern, da sich bei seinen Worten, bereits seine Handflächen auf meine Brust legten und leicht über meine Stoff bedeckte Haut strichen. Ein kleines flattern in meinem Bauch, löste diese sachte Berührung aus und nur unbewusst hörte ich das leichte rascheln, als er die Tüte einfach beiseite tat. Ich schloss die Augen, legte mein Kinn auf seinen Schultern, meine Hand, die sich auf seinen Nacken legte und dort das feine Haar kraulte.
 

„Aber wir können ganz einfach damit anfangen, ohne diesen normalen Kram machen zu müssen, indem du mich heute Abend zu dem Fest begleitest, wozu ich dich einladen wollte“, flüsterte er in mein Ohr. „Das war nämlich mein eigentlicher Anlass, um hier her zu kommen.“

„Fest?“, fragte ich benommen, da mich seine Streicheleinheiten daran hinderten, klar denken zu können. Immer wieder strichen seine Hände über meinen Oberkörper, streiften über meine Brustwarzen und kniffen gelegentlich hinein. Ich keuchte leicht, als es wieder geschah und küsste leicht seinen Hals. „Ja“, murmelte Sora stockend, „ein Sommerfest im Viertel. Es wird dir gefallen, da es einer der Highlights des Sommers ist und wirklich jeder dort hingeht. Irgendwie scheinen die Leute uns wenigstens dann zu mögen, wenn wir so ein Fest veranstalten.“ Mein Denken war benebelt, als er dazu überging, seine Hüften zu rollen und so Druck auf meinem Schritt auszuüben. Ich biss die Zähne aufeinander, versuchte mich daran zu erinnern, wo wir waren und mich davon abzuhalten, dass sich in der unteren Region etwas regt. Es war gar nicht so einfach, meine Hände auf seine Seiten zu legen und ihn festzuhalten, damit er mit den Neckereien aufhörte. Doch Sora wollte gar nicht davon abgehalten werden und ließ seine Finger in meine Hose wandern, um dort über die feinen Härchen zu streichen. Ich keuchte, windete mich etwas unter ihm.
 

„Sora“, seufzte ich stockend.“

„Hm?“, machte er nur und ich konnte ein leises Geräusch hören, als er den Knopf meiner Hose öffnete und den Reißverschluss herunter gezogen wurde. Ich konnte bereits die Kälte spüren, als meine Boxershorts ungeduldig etwas herunter gezogen wurde. Doch konnte ich ihn rechtzeitig aufhalten, bevor wir Dinge taten, die in diesem Raum überhaupt nicht angebracht waren. Sora machte einen enttäuschten Laut, trotzdem hielt ich sein Handgelenk fest. „Wir haben so lang nicht mehr“, jammerte er und versuchte sich weiterhin an meine Hose zu kommen.

„Ich lachte leicht. „Erst heute Morgen. Du erinnerst dich?“
 

Er murrte leicht, doch hörte ich nur das laute räuspern, das eindeutig nicht von Sora stammte. Erschrocken drehte ich meinen Kopf in diese Richtung und starrte in das grinsend Gesicht von Axel, der lässig am Türrahmen stand. Ich wollte gar nicht wissen, wie lange er schon dort stand und wie viel er gesehen hatte. Panisch schloss ich meine Hose, konnte nur hoffen, dass er nicht zu viel von mir gesehen hatte. Mein Handeln wurde nur mit einem dunklen Lachen quittiert und einem Blick, der mich noch tiefer in meinem Sitz sinken ließ. Sora selbst starrte seinen Schwager nur wütend an und achtete gar nicht auf mich und mein Leid.
 

„Was machst du hier?“, rief er böse aus.

Axel sah uns mit hoch gezogenen Augenbrauen an. Sein Blick, der etwas zu neugierig auf uns gerichtet war. „Arbeiten, Soralein“, antwortete er spöttisch. „Aber davon verstehst du nichts.“ Er stieß sich mit dem Fuß vom Türrahmen ab, um etwas durch den Raum zu wandern. Dann setzte er sich lässig auf den anderen Stuhl und beobachtete uns mit ärgerlichen Blick. Sora rutschte ungelenk etwas von meinem Schoß herum, um ihn weiterhin böse ansehen zu können. „Warum bist du hier?“, fragte er noch mal, nachdem der Rothaarige nur da saß und sonst nichts weiter machte oder sagte. Er zuckte bei seiner Frage gleichgültig mit seinen Schultern. „Ich wollte mit Riku reden. Wie konnte ich ahnen, dass er solch einen Besuch hat?“ Er grinste schief. „Aber so bekomme ich wenigstens auch meine Antworten – auch wenn ich nicht damit gerechnet hatte, dass ich sie in so einer bildlichen Form bekommen würde.“
 

Sora schnaubte abfällig, während ich nur teilnahmslos da saß und mich immer noch fragte, wie mir solch ein dummer Fehler passieren konnte. Ich wurde erwischt und das auch noch von meinem eigenen Chef! Wie peinlich konnte diese Situation denn bitte noch werden? Die Antwort sollte ich prompt bekommen, denn Axel hielt anscheinend nichts von Taktgefühl und noch weniger konnte er einfach mal seinen verdammten Mund halten. „Es ist sehr interessant, was so in meinen Büros vor sich geht. Wie lange geht das schon mit euch? Das letzte Mal wo ich mit Riku gesprochen hatte, meinte er noch, ihr würdet euch nicht mehr wiedersehen und nun erwische ich euch in Flagranti, wie ihr euch gegenseitig befummelt.“
 

„Das geht dir nichts an!“, fauchte Sora ungehalten.

Axel sah zuerst etwas verblüfft aus, dann schnalzte er tadelnd mit der Zunge und seine Augen funkelten böse. „Es geht mich eine Menge an, Soralein“, meinte er streng. „Schließlich geht es hier nicht nur darum, dass du mit deinem neuen Freund rum fummelst. Dir scheint auch nicht bewusst zu sein, was du hier tust und falls es dir entgangen sein sollte: Ich bin noch immer mit deinem Bruder zusammen, der sich Sorgen um dich macht und ich mag es einfach nicht, wenn Roxas Kummer hat. Ich denke, das sind genügend Gründe, damit es mich etwas angehen kann.“ Sora schnaubte abfällig und wollte etwas entgegen setzen, doch hielt ich ihn zurück, damit die Situation nicht eskalieren konnte.
 

„Axel“, sagte ich endlich und versuchte wirklich vernünftig vorzugehen, auch wenn es mir in diesem Moment wirklich schwer fiel. „Roxas muss sich um Sora keine Sorgen machen. Er ist bei mir und alles ist gut. Was immer passiert ist, er hat keinen Grund mehr, sich wie ein großer Bruder aufzuspielen.“ Axel sah mich überrascht an, fand aber schnell seine Fassung wieder. Er schüttelte nur gemächlich seinen Kopf und seufzte bitter. „Jemand der keine Ahnung hat, sollte solche Dinge nicht einfach so sagen, Riku. Ich weiß nicht, wie lange das schon so geht, doch bin ich mir nach deinen Worten sicher, dass er so gar nichts von sich erzählt hat. Dieses Vertrauen ehrt dich zwar, doch wird es dir nichts nützen und ist beinahe noch naiver, als Sora selbst es ist.“
 

Ich schluckte hörbar, doch Axel nahm es nur mit einem zweifelnden Gesichtsausdruck zur Kenntnis. „Es freut mich wirklich, dass ihr zueinander gefunden habt. Doch wird es noch eine menge Arbeit für euch werden, um eine gemeinsame Zukunft zu haben.“ Mit diesen Worten stand er auf und bedachte Sora mit einem nachdenklichen Blick. „Ich hoffe nur für dich, dass es diesmal was wird, Sora. Riku ist ein anständiger Kerl, also versaue es diesmal nicht.“ Betroffen starrte er seinen Schwager an, doch dieser seufzte nur und drehte sich um, um endgültig das Büro zu verlassen. Zurück blieb ein seltsam schweigsamer Sora und eine bedrückende Stimmung, die ich nicht ganz erfassen konnte.
 

Eine Weile saß Sora nur so da, bis er unruhig auf meinem Schoß herum rutschte und endgültig herunter hopste. „Ich muss gehen“, murmelte er monoton. Sein Blick war zu Boden gerichtet, als würde er es nicht wagen wollen, mir direkt in die Augen zu sehen. Betäubt ließ ich mir auf den Mund küssen und beobachtete schweigend, wie er ebenfalls mein Büro verließ und mich mit meinen wirren Gedanken einfach allein ließ.

Festliche Überraschungen

Tatsächlich kam er am Abend wieder in meinem Büro zurück, um mich abzuholen. Dabei war er wie immer und gab mir sein strahlendes Lächeln, als er so auf mich zulief und mich euphorisch umarmte. „Ich hoffe mal, du bist so weit?“, fragte er. Er guckte mich etwas zweifelnd an, als ich nichts darauf erwiderte. Trotzdem schüttelte ich meinen Kopf und verdrehte die Augen, als er nur gequält aufseufzte. Sora verschränkte die Arme vor der Brust, als er so auf meinem Schoß saß und mich böse ansah. „Du bist auch viel zu früh dran!“, versuchte ich mich brummig zu wehren. Der Brünette seufzte wieder und gab sich mit meiner Antwort überhaupt nicht zufrieden. Dafür passte mir auch sein verhalten nicht, da er sich kurzentschlossen zu meinem Computer wandte und diesen einfach runter fahren ließ. Mit einem zufriedenen Lächeln guckte er in mein wenig begeistertes Gesicht.
 

„Was soll das?“

Soras Lächeln erweiterte sich nun zu einem Grinsen, als er einen flüchtigen Kuss auf meine Lippen hauchte. „Wir haben eine Verabredung, schon vergessen?“, flüsterte er an meinem Lippen. „Die Zeit ist vorbei, wo du bis im späten Abend in deinen Büro saßt, weil du nichts mit dir anfangen konntest, wenn du zu Hause warst.“

Ich schnaufte abfällig. „Was soll das heißen?“
 

Soras Augen strahlten mich aus nächster Nähe an. „Nur das du nun einen Grund hast, um nach Hause zu gehen.“ Er gab mir einen weiteren Kuss und sprang von meinem Schoß. Etwas überrumpelt über seine Worte, erhob ich mich und konnte dabei nicht verhindern, das um meine Mundwinkel ein kleines Lächeln zuckte. Für einen Moment hatte ich sein verwirrendes Verhalten vergessen und war einfach nur angetan über seine einfachen Worte. Es war richtig, was er sagte, denn ich hatte wirklich eine lächerliche Freude daran, Sora wieder zu sehen, wenn ich von der Arbeit kam. Es war einfach schön zu wissen, das jemand auf mich wartete, wenn ich nach Hause kam - auch wenn wenn es Tage gab, an denen er sich nicht blicken ließ. Wo er war, wusste ich nicht. Aber ich vermutete, dass er sich wieder in dem Viertel herumtrieb und dort seine Freunde besuchte.
 

„Also, wollen wir endlich gehen?“, fragte Sora und streckte seine Hand aus. Ich lächelte noch immer, als ich mich vom Stuhl erhob und kurz seine Hand drückte. Dann küsste ich ihn kurz auf die Lippen und verließ mit ihm zusammen das Gebäude. Mit einem Gefühl aus Neugier und Abneigung, stieg ich aus dem Auto aus, wobei ich bereits die Musik aus dem inneren des Viertels hören konnte. Zu meinem Erstaunen, waren schon viele Leute da, die ebenfalls an dem Fest teilnehmen wollten. Ich hatte nicht mal dran gedacht, dass auch Menschen außerhalb dieser bunten Mauern, Interesse an dieser Veranstaltung haben könnten. Doch der Menschenmenge nach zu urteilen, schien es sehr beliebt zu sein.
 

Sora lachte ein bisschen auf, als er meinen verblüfften Blick auf die Menschen bemerkte, die entweder vor den Mauern standen oder bereits in das Viertel strömten. So ganz gefiel mir es nicht, so viele Menschen auf einem Platz zu sehen. Trotzdem ging ich an Soras Seite durch das Tor und staunte ein bisschen, als wir in dem ersten Arenal ein paar improvisierte Stände rund um die Wiese sah. Auf der Wiese selbst, saßen bereits ein paar Gäste in kleinen Gruppen zusammen; einige mit Papptellern in ihren Händen und am essen. Andere, die einfach nur da saßen und einem langhaarigen Kerl zuhörten, der auf seiner Gitarre herum klimperte und dazu sang. In dem mit Lichterketten geschmückten Platz, erkannte ich auch den Leierkastenmann wieder, der in der Mitte der Wiese stand und die Gäste freundlich anlächelte. Er schien mich sogar an mich zu erinnern, denn als wir an ihm vorbei liefen, nickte er mir freundlich zu. Kairi und ich mussten bei ihm anscheinend einen bleibenden Eindruck hinter lassen zu haben.
 

Mir stieg der Geruch von leckeren Essen in die Nase und wollte nach dem Grund dafür Ausschau halten, da ich doch etwas Hunger hatte. Doch Sora zog mich einfach weiter, als würde er einen bestimmten Plan verfolgen. So fand ich mich schnell im zweiten Arsenal wieder, in dem ich eine weitere Überraschung finden sollte. Zwischen den drei Bäumen, in dessen Ästen die Lichter wie kleine Sterne funkelten, war eine kleine Bühne aufgebaut. Eigentlich bestand es nur aus einem großen Podest, auf dem eine Band spielte, in der ich auch jemanden sah, der eindeutig nach Demyx aussah. Mit voller Inbrunst spielte er auf seiner Sitar und hatte ein großes Grinsen auf seinem Gesicht. Das Publikum war begeistert von ihnen, klatschten und einige tanzten sogar zu ihrer Musik. Ungläubig blieb ich stehen, merkte nur kurz, wie Sora noch etwas weiter lief, bevor er merkte, dass ich stehen geblieben war. Eine Weile sahen wir ihnen einfach nur beim spielen zu. Sora, der sich mit seinem Rücken an meine Brust schmiegte und andächtig der Musik lauschte.
 

„Das ist Demyx. Der Typ mit der Sitar“, erklärte ich.

Sora lachte. „Ich wusste gar nicht, dass du Musiker kennst.“

“Ich habe eben doch noch ein paar Überraschungen zu bieten, auch wenn man von kennen nicht wirklich reden kann. Ich hab mal mit ihm zusammen zu Mittag gegessen.“

„Oh.“ Ich sah ihn von der Seite an und bemerkte, wie Sora ein leicht unzufriedenes Gesicht machte. „Warum seid ihr ausgegangen?“

Ich blinzelte ihn verblüfft an. „Es war in der Cafeteria und ich habe dir heute davon erzählt“, meinte ich leicht spöttisch, „außerdem könnte sein Freund gehörig was dagegen haben.“

Sora grinste ein bisschen, doch dachte ich nur an dem Typen zurück und dachte laut: „Er sieht nicht gerade danach aus, als wäre er freundlich gestimmt, trägt scheinbar immer ein Buch mit sich und wirkt irgendwie immer genervt.“
 

Ich sah zu Sora hinab, als dieser zu kichern begann. „Kenn' ich irgendwoher.“

Ich schnaufte empört auf. „Was soll das heißen?“

„Das Demyx und ich etwas gemeinsam haben“, meinte er fröhlich. „Obwohl sie so gegensätzliche Charaktere haben, mögen sie sich. Kommt dir das nicht irgendwie bekannt vor?“ Da er sich noch immer an meiner Brust schmiegte, musste er seinen Kopf etwas drehen, um mich spitzbübisch anzugucken. Ich starrte nur ungläubig zurück und runzelte die Stirn, ohne irgendwas darauf zu erwidern. Soras Mundwinkel gingen etwas nach unten, bei meiner Reaktion darauf. Er sah wieder zurück zur Bühne. Wo die Band diesmal ein schnelles Lied spielte und wippte zum Takt der Musik mit. Dabei wiegte er seinen Kopf leicht zu den Klängen der Band mit und hatte ein zufriedenes Lächeln auf seinen Lippen. Ich merkte nicht mal, wie sich mein Mund zu einem schmunzeln verzogen hatte und erwischte mich bei dem Gedanken, wie ich unschlüssig damit haderte, ob ich ihn umarmen oder etwas anderes machen sollte, um ihn zu zeigen, dass mir seine Gesellschaft gefiel.
 

Diese Entscheidung wurde mir auch schnell abgenommen, als Sora zu auffällig auf einen Typen schielte, der an uns vorbei lief. Ohne darüber nachzudenken, schlängelten sich meine Arme um ihn und ich warf dem Typen einen betont finsteren Blick zu, als er sich ein bisschen zu interessiert zu Sora umdrehte. Erst später merkte ich an Soras Gesichtsausdruck, den er sich so gut es ging verkneifen wollte, wie sehr ihm mein Verhalten gefiel. Trotz meinem fragenden Ausdruck, versuchte er das schiefe Grinsen zu unterdrücken und sich nichts von seiner Freude anmerken zu lassen. Lieber schmiegte er sich näher in meine Arme und beobachtete weiterhin die Band, die erstaunlich gut war, obwohl Demyx mitspielte.
 

Ich war nicht ganz sicher, ob ich meine Reaktion als Fehler oder doch als Glücksgriff ansehen sollte, um zu zeigen, das mir was an ihm lag. Vielleicht von beiden, aber ganz sicher kein Fehler. Schließlich gab es eine Bindung zwischen und ich konnte nicht mal leugnen, dass ich ihn mochte. Mein dummer Bauch, in dem ich wieder dieses Kribbeln fühlen konnte, verriet mich. Nur gab es auch einen Teil in mir, der einfach nicht glücklich sein wollte und alles hinterfragte, was so passierte. Diesmal war dieser Teil besonders hinterhältig, ließ mich daran denken, was Sora damals im Park gesagt hatte: 'Es war eine Zeit lang schön, doch langweilten meine Partner mich schnell und ich merkte, dass sie doch nicht die richtigen für mich waren.'
 

Dieser Satz schwirrte in meinem Kopf herum und waren nicht gerade passend für diese Situation. Doch je länger ich drüber nachdachte, desto mehr wurde mir klar, dass es richtig war, wie ich dachte. Was wäre, wenn ich mich wirklich in ihn verliebte und er mich verließ, weil ich ihm zu langweilig war? Bis jetzt war es nur anfängliche Zuneigung. Doch was würde passieren, wenn ich mich ganz auf ihn einließ? Es war einem zweischneidigen Schwert gleich, da ich einfach nicht auf eine plausible Antwort kommen wollte. Mit Sora war es wie eine Art neues Abenteuer, das immer weiter voranschritt und jeden Tag irgendwas neues für mich bereit hielt. Doch waren wir noch nicht weit genug, um mir sicher sein zu können, ob es dieses Abenteuer auch wert war. Vielleicht würde uns auf unserer Reise ja jemand begegnen, den Sora attraktiver und interessanter fand als mich und mich einfach so verlassen. Wie man es auch drehte, es war ein riskantes Spiel und ich wusste nicht genau, ob ich es wagen sollte, dieses Spiel mitzuspielen. Zu viele Fragen mussten noch geklärt werden und auch wenn ich das zusammen sein mit ihm mochte, war ich mir doch unsicher.
 

Es war eine unschuldige Berührung, die mich aus meinen Grübeleien holte und mich dazu zwang, aufzusehen. Ein Lächeln von ihm, vertrieb meine düsteren Gedanken ein wenig und löste mich aus meiner Starre. Noch bevor ich wusste was passierte, legten sich seine Arme um meine Taille und mit sanften Druck, forderte er mich auf, mich zu bewegen. Etwas verwirrt übernahm ich die Führung und führte uns, als wir zu tanzen begannen. Dabei machte Sora ein erstauntes Geräusch und unsere Blicke trafen sich, als ich meinen Kopf senkte, um zu erfahren, was falsch war.
 

„Du kannst tanzen!“, rief er verblüfft aus.

Ich verdrehte bei seinem Kommentar die Augen. „Natürlich kann ich das. Meine Mutter hat mich als Kind zu einer Tanzschule geschleppt, das sie der Meinung war, das man als Mann so etwas können sollte. Später meinte sie, damit könnte man auch gut Frauen beeindrucken.“
 

Sora gluckste. „Was würde sie nur sagen, wenn sie wüsste, dass du diese Fähigkeiten nutzt, um mit einem Mann zu tanzen?“

Ich zuckte nur gleichgültig mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich halte es auch nur für eine Ausrede von ihr. Eine trotzige Reaktion, da mein Vater kaum mit ihr tanzen ging und wenn er doch mal bereit dazu war, ist er ihr mehr auf die Füße getreten. Wahrscheinlich war es auch nur Rache, da mein Vater von der Idee eines tanzenden Sohnes nicht sonderlich begeistert war.“

„Ich finde es schön“, seufzte er und schmiegte seine Wange an meine Brust. „Ich mag es, wenn Männer tanzen können. Deine Mutter ist eine kluge Frau.“
 

„Haben dich deine Eltern als Kind nie zu irgendwelchen Kursen oder so was gezwungen, weil sie glaubten, dass ihr Sohn das unbedingt lernen sollte?“ Als Sora sich etwas in meinen Armen verkrampfte, legte ich meinen Kopf schief, um fragend auf ihn zu gucken. Dieser dachte drüber nach, schüttelte aber schon bald seinen Kopf. „Hm, ich scheine der talentlose Zwilling zu sein. Roxas ist eher der kreative Part von uns, der mit seinen vielen Talenten auffiel“, Etwas zerknirscht sah er zu mir auf, „ Aber ich war mal im Blitzballteam für eine Weile. Nur war ich zu schlecht, sodass ich nur auf der Ersatzbank saß und nur einmal spielen durfte – das ging übrigens auch sehr spektakulär in die Hose. Außerdem war ich im Töpferkurs, doch auch da kamen nur schiefe Kannen und Vasen raus. Meinte Mutter meinte, es wären sehr fantasievolle Arbeiten, die ich da gemacht hätte und hatte sie sogar ins Regal gestellt. Erst als ich älter war und sie genauer betrachtete, wusste ich, dass fantasievoll nur ein nettes Wort für hässlich war. In kreativen und sportlichen Dingen bin ich eine absolute Niete.“
 

Ich schob ihn näher an mich, als er betrübt seine Lider senkte. „Schon im Mutterleib hat er mir alles weggenommen und wie ein Vampir die Talente aufgesaugt, damit ich nichts abbekommen konnte.“, nuschelte er verärgert. „Wie meinst du das?“ Ich hatte nicht wirklich mit einer Antwort gerechnet, doch purzelte die Frage einfach so aus meinen Mund. Doch zu meinen Erstaunen, bekam ich tatsächlich eine Antwort, auch wenn sie nicht so nett klang, wie ich es mir erhofft hatte. „Er war schon immer in allen besser gewesen als ich. Als Kind hatte er mehr Freunde als ich, war als Teenager in vielen Projekten und Gruppen tätig. Er war jedes Jahr Schulsprecher und im Blitzballteam ein fantastischer Spieler. Auch beneide ich ihn um die kreative Ader, die er besitzt, da ich nicht mehr als Strichmännchen malen kann.“
 

„Deine Strichmännchen sehen sicher toll aus“, sagte ich überzeugt, doch Sora schnaufte nur verächtlich.

„Damit meine ich nur, dass ich keinerlei Talent besitze – außer vielleicht, andere Menschen zu nerven. Aber sonst eben nichts.“

„Das stimmt doch gar nicht“, flüsterte ich in sein Ohr und strich ihm über das braune Haar. Du hast sicher viele Talente.“

„Und die wären?“ Mit dieser Frage hätte ich rechnen müssen, doch fiel mir nicht sofort eine Antwort ein und musste er mal drüber nachdenken. Natürlich gefiel Sora das ganz und gar nicht und mit dementsprechenden Gesichtsausdruck, guckte er nun zu mir auf. „Siehst du, du weißt nichts!“
 

„Lass mich doch überlegen!“

Sora schnaufte wieder abfällig und schob missbilligend seine Unterlippe vor. Ganz in Bedrängnis geraten, dachte ich nach und kam zu einer schnellen Antwort, bevor er vollkommen beleidigt war: “Wenn es um Dekorationen und Farben geht, hast du Talent.“ Soras Blick ging von skeptisch, zu einem wirklich ärgerlichen Ausdruck. „Im Büro mochtest du meine Dekorationen nicht und in deiner Wohnung hast du mir verboten irgendwas zu verändern.“ Aus dieser Nummer würde ich wohl ohne einen Trick nicht wieder heraus kommen. So wagte ich den Schritt, trotz der vielen Menschen um mich herum und legte meine Hände auf seinen Wangen, um ihn einen Kuss auf seine wundervollen Lippen zu hauchen. Doch blieb es nicht bei diesem scheuen Kuss und schon bald trafen unsere Lippen immer wieder aufeinander. Sora seufzte in dem Kuss hinein und ich wusste bei diesem Geräusch, das ich gewonnen hatte.
 

Das Prickeln in meinem Bauch wurde stärker, als ich seine Zunge an meiner Unterlippe fühlen konnte, die immer wieder darüber streifte. Bereitwillig öffnete ich meinen Mund und ließ die fremde Zunge ein, die mich zu einem Spiel animierte, auf das ich mich gern einließ. Er stöhnte leicht auf, als meine eigene gegen seinen Gaumen rieb und sich immer wieder um seine eigene Zunge schlängelte. Als ich mich wieder etwas von ihm löste, konnte ich ihn leise nach Luft schnappen hören und grinste süffisant, als ich seine geröteten Wangen bemerkte.
 

„Was denn, seit wann wird das Blumenkind denn verlegen, wenn man ihn küsst?“

Er funkelte mich böse an. „Ich habe einfach nicht damit gerechnet!“, stellte er ärgerlich klar. „Aber du kannst wundervoll küssen.“ Der letzte Satz kam nur als Flüstern über seine Lippen, als hätte er es nur zu sich selbst sagen wollen. Doch konnte ich jedes Wort hören und ließ mich diesmal sehr zufrieden grinsen. Als er es sah, war er etwas erschrocken darüber und legte eine Hand über seinen Mund, was mich noch mehr erfreute. Diese Verlegenheit war eine Art Genugtuung für mich, war er es doch sonst immer gewesen, der die Initiative ergriffen hatte und mich verlegen werden ließ. Ich war also doch in der Lage, den Spieß umzudrehen und das gleiche bei ihm zu machen. Doch Sora hatte Glück, denn die Band beendete das Lied, so konnte er sich etwas drehen und der Band applaudieren, ohne weiter auf das Thema eingehen zu müssen. Ich beließ es einfach dabei und beobachtete, wie die Mitglieder sich verbeugten und winkend von der Bühne liefen.
 

„Möchtest du die nächste Gruppe sehen oder lieber weiter gehen?“, fragte Sora, wobei er mir über die Seite streichelte, um meine Aufmerksamkeit zu bekommen.

„Ich würde mir gern den Rest der Veranstaltung ansehen.“

„Oh, das ist gut!“, rief er fröhlich aus und zeigte mit seinen Daumen auf sich selbst, „Denn du hast ein Mitglied des Viertels hier, der sich ein wenig herum führen wird. Dann kannst du auch die Ecken sehen, die die anderen Besucher nicht zu sehen bekommen.“

Ich zog zweifelnd eine Augenbraue nach oben. „Und die wären?“

Er sah mich mit einem geheimnisvollen Lächeln an. „Lass dich überraschen. Jedenfalls werden wir heute Nacht nicht bei dir zu Hause schlafen.“
 

Ich war nicht so ganz von seinen Worten überzeugt, ließ mich aber trotzdem von ihm weiter ziehen, um in einem Bereich zu gehen, der mich nicht mal sonderlich überraschte. Viel mehr wunderte ich mich über den Typen, der mit einer Zigarette zwischen seinen Lippen, die so aussah, als würde sie jeden Moment aus seinen Mund fallen, hinter einer Theke mit allerlei Essen stand. Seine grimmigen blauen Augen guckte zwischen uns hin und her, als würden wir irgendwas böses von ihm wollen. Trotz seiner Erscheinung, begrüßte ihn Sora fröhlich und bestellte sogar etwas bei ihm. Ich murrte heimlich, schließlich hatte er bei meiner Küche und dessen Inhalt gemäkelt, aber von dem zwielichtigen Typen wollte etwas Essen. Jedenfalls verneinte ich schnell, als Sora mich fragte, ob ich auch was wollte und schüttelte mich unmerklich, als ich sah, was er da auf seinen Pappteller hatte. Irgendwie sah ich mich bei diesem Anblick schon dabei, wie ich ihm auf der Toilette Gesellschaft leistete, während er sich übergeben musste.
 

Doch bis jetzt war alles noch friedlich und wir setzten uns etwas versteckt zwischen zwei Verkaufsständen hin, damit Sora essen konnte. Dieser haute kräftig rein, doch hatte ich meinen Blick stur geradeaus gerichtet, um ihn nicht dabei zusehen zu müssen. „Cid ist eigentlich unser Mechaniker“, erklärte er zwischen zwei Bissen, „Er repariert einfach alles. Es ist unglaublich. Nur hat Arith ihn anscheinend dazu verdonnert, am Imbissstand auszuhelfen. Dementsprechend freundlich guckt er. Eigentlich hätte Arith wissen müssen, das niemand an dem Stand kommt und was kauft, wenn Cid dahinter steht. Da helfen nicht Mal ihre Überredungskünste, um ihn lächeln zu lassen.“
 

„Wie lang lebt er schon hier?“

„Oh, seit einer Ewigkeit. Niemand weiß so genau wie lang – außer vielleicht Xemnas. Er und Cid haben das Viertel gegründet und aufgebaut. Er ist unglaublich, was sie erschaffen haben und auch wenn es knapp war, konnten sie das Viertel doch immer halten.“ Ich sah zur Seite, um auf Sora zu gucken, der diesmal etwas nachdenklich aussah. Für einen Moment hörte er auf zu essen und vergaß seinen Teller, den er auf seine Beine gestellt hatte.
 

„Was meinst du damit?“

Sora hob kurz seine Schultern. „Nicht jeder ist von unserem Viertel begeistert. So mussten sich die Bewohner recht oft mit Konfrontationen auseinander setzten. So wie jetzt auch, da die Pacht für dieses Land ausläuft und es Ärger mit den Bürgermeister gibt, da er uns als Schandfleck der Stadt ansieht. Vielleicht werden wir diesmal kein Glück haben und er wird es doch schaffen, uns von hier zu vertreiben. Unser Budget ist diesmal nicht so hoch und die Spenden waren nicht genug, um die Kosten aufbringen zu können, um das Land zu halten. „
 

„Was wirst du tun, wenn ihr es nicht schafft?“

Sora guckte mich mit einer Mischung aus Trotz und Ärgernis an, während er seinen Kopf schüttelte. „Das wird nicht passieren. Sie können und nicht einfach unser zu Hause wegnehmen!“ Ich atmete tief ein und aus, wobei mein Blick auf ihn eher skeptisch war. Sein Kampfgeist war zwar löblich, doch irrte er sich gewaltig, wenn er seine eigenen Worte wirklich glaubte. „Sie können Sora“, sagte ich deshalb ruhig, „und sie werden es auch, wenn ihr eure Raten nicht bezahlen könnt. Wichtig ist dabei nur, dass du nicht auf der Straße sitzt.“ Der Brünette sackte etwas in sich zusammen und senkte seine Lider. Dabei warf er seinen Teller achtlos zur Seite, als würde es eine rebellische Reaktion auf meine Worte sein. „Das wird nicht passieren“, murmelte er trotzig, „schließlich ist das doch mein zu Hause.“
 

Ich legte einen Arm um ihn und schob ihn näher zu mir, damit er seinen Kopf an meine Schulter legen konnte. Wortlos versuchte ich ihn zu trösten, da meine eigentlichen Worte unerhört bleiben würden. Eine Weile blieben wir so sitzen, hörten nur den Geräuschen des Festes zu und hielten uns einfach nur fest. Jedenfalls so lang, bis sich Sora über die Nase rieb und sich von mir ein bisschen entfernte. Als ich ihn überrascht anguckte, grinste er nur breit. „Ich habe dir doch Überraschungen versprochen. Also los, lass uns weiter auf Entdeckungsreise gehen, anstatt hier Trübsal zu blasen!“

magischer Fall

Er hätte mir nicht mal Überraschungen versprechen müssen, denn davon hatte ich auch so schon genug. Wieder hatte ich das Gefühl, ich wäre in einer anderen, viel friedlicheren Welt gelandet und langsam wurde ich lockerer, auch wenn Sora nicht der gleichen Meinung war und ich meinte, ich sollte doch mal den Stock aus meinen Hintern ziehen. Ich gab ihn einfach eine Kopfnuss als Antwort und für ein paar Augenblicke war er ruhig. Jedenfalls so lang, bis er vorgab mir einen Arm die Taille legen zu wollen. Doch anstatt einer netten Geste gab es von ihm nur gepiekse, als er seinen spitzen Finger in mein Fleisch bohrte. So begann eine kleine Rangelei, in dem wir uns gegenseitig ärgerten.
 

Lachend versuchte er sich zu wehren, als ich meinen Arm um seinen Hals legte und ihn an meinen Körper presste. Da er sich nicht befreien konnte, hielt er sich mit beiden Armen an mir fest. Natürlich nicht, ohne weiter meine Seiten zu malträtieren. Keuchend versuchte ich mit einer Hand nach seinen Handgelenken zu greifen, um ihn davon abzuhalten, erwischte jedoch nur eines. Ich lachte, bei seinem merkwürdigen herum wackeln, als er sich in meinen Griff windete, um sich von mir zu lösen. Ganz in unserer Rangelei vertieft, bemerkte ich nicht, das Sora unsanft mit seinen Kopf gegen irgendwas stieß. Erst als er einen überraschten Laut machte, blickte ich in meiner momentanen Haltung auf und starrte in die seltsam goldenen Augen meines Gegenübers. Sofort ließ ich Sora los und richtete mich schnell auf, als hätte ich etwas böses angestellt.
 

„Ich sehe, ihr habt Spaß“, sagte er mit säuselnder Stimme. Aus den Augenwinkeln konnte ich Sora eifrig nicken sehen. Ich selbst blieb stumm, musterte den Silber haarigen Mann nur argwöhnisch, dessen Blick wieder nur auf mir ruhte. Merkwürdigerweise trug er diesmal eine schwarze Robe, die bis zum Boden reichte und nicht wirklich zu diesem Anlass passte. „Gefällt dir das Fest, Riku?“, fragte er freundlich. „Mir kam es beim letzten Mal so vor, als würdest du unsere Kultur nicht sehr zu schätzen wissen. Es wundert mich, dich hier sehen zu dürfen. Aber anscheinend weiß Sora wie man dich überreden kann, aus deinem Schneckenhaus zu kriechen und neue Dinge zu entdecken.“ Ein Funkeln blitzte für einen kurzen Moment in seinen goldenen Augen auf, als er dies sagte. Irgendwie wirkten seine Worte auf mich so, als würde er nicht nur über meine Anwesenheit auf dem Fest reden. Stirn runzelnd bewegte sich mein Kopf, als er sich zu Sora beugte und ihm einen Kuss auf die Wange gab. Dabei flüsterte er ihm etwas zu, sodass Sora wieder aufgeregt nickte und der Silber haarige Mann mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen, sich wieder aufrichtete. Wieder ruhte sein Blick auf mich, als er sich zu mir drehte, um sich höflich von uns zu verabschieden.
 

„Gruseliger Typ“, murmelte ich, als er sich mit seidigen Bewegungen von uns entfernte. Sora tat es mir nach, bis er in einer bunten Menschenmenge verschwunden war.

„Inwiefern?“, fragte er nun.

„Er guckt mich so komisch an.“

Sora kicherte, wobei sich seine Lippen zu einem anzüglichen Grinsen verformten. „Er mag eben gutaussehende Typen und wahrscheinlich gefällst du ihn einfach nur.“

„Wie beruhigend.“
 

„Mach dir keine Sorgen.“ Er kam auf mich zu, um schließlich seine Arme um meine Taille zu legen. „Du bist Mein. Deshalb wird er dich schon nicht belästigen.“

Warum klangen seine Worte nur so überhaupt nicht beruhigend auf mich? Ich runzelte unbewusst die Stirn. „Belästigen?“, hakte ich nach.

Sora verzog seine Lippen ein bisschen, als er nach den richtigen Worten suchte. „Belästigen ist wohl das falsche Wort. Er mag einfach attraktive Menschen und ist dem anderen Geschlecht auch nicht abgeneigt. Außerdem ist er selbst ein gutaussehender Typ, mit einem gewissen Charisma und da er das auch weiß, ist es für ihn nicht sonderlich schwer, demjenigen ins Bett zu bekommen, der ihm gefällt.“
 

Mein zweifelnder Ausdruck wollte einfach nicht verschwinden, doch Sora hob nur gleichgültig die Schultern. „Es ist nichts schlimmes daran, ein wenig Spaß zu haben und sich das zu nehmen, was einem gefällt.“ Ich starrte ihn fassungslos an, was ihn dann doch etwas nervös machte. „Damit willst du doch hoffentlich nicht sagen, das du mit ihm... ?“ Ich konnte es nicht mal aussprechen, da der Gedanke doch zu ekelhaft war. Sora seufzte, tat aber noch immer so, als wäre es völlig normal.
 

„Es gab eben Zeiten, wo ich einsam war und einfach nur körperliche Nähe benötigte.“

„Hast du bei ihm auch geglaubt, er sei der richtige?“, fragte ich mit triefenden Spott in der Stimme. Sora zuckte bei meinen rauen Ton unwillkürlich zusammen, fing sich aber wieder, um schnell seinen Kopf zu schütteln. „Nein“, erwiderte er patzig, „es war so wie ich gesagt habe! Ich wollte nicht allein sein und er war eben für mich da, als ich jemanden gebraucht habe.“

„Zum Ficken?“, fragte ich schroff. Sora sah genervt auf und löste seine Arme von mir, um mich strafend anzugucken.

„Ja, zum Ficken!“, rief er aus und störte sich nicht daran, dass ein paar Leute die Köpfe nach ihm umdrehten.
 

Verblüffender weise hatte ich sie selbst ignoriert und in meinen Zorn nur auf Sora geachtet. Nun wurde mir erst bewusst, was ich ins Rollen gebracht hatte, doch war das Starren der Menschen nicht so schlimm, wie das ekelhafte Gefühl, das sich in meinen Magen ausbreitete. „Wir haben ein paar Mal die Nacht zusammen verbracht, um ein bisschen Spaß zu haben. Es ist nichts schlimmes daran, sich ein bisschen zu vergnügen. Doch bei deinem Spießer denken, scheinst du das nicht so zu sehen“, polterte er wütend weiter. „Außerdem wusste ich nicht Mal, ob du das gleiche Interesse an mir hast, wie ich an dir. Du hast schließlich nichts gemacht, damit ich mir sicher sein konnte, das meine flirtversuche bei dir erfolgreich sind.“
 

Diesmal war ich es, der ihn ungläubig anblinzelte. „wie hast du mein angebliches Interesse denn bemerkt?“

Sora lächelte verschmitzt. „In dem du in meiner Anwesenheit unruhiger wurdest und wegen der Tatsache, das du genervt den Raum verlassen hattest, als ich mit meinem angeblichen Freund geredet hatte“, plapperte er munter drauf los und wollte dabei gar nicht mehr aufhören. „Vielleicht auch, weil ich in deinen Augen einfach sehen konnte, das du mich magst, obwohl deine Worte an mich nicht so nett waren. Oh, und du bist im Park auf meinen Trick reingefallen. Erinnerst du dich? Du wolltest mich küssen. All das waren Gründe, die dafür sprachen und auch das du mich in deiner Wohnung hast schlafen lassen, ist ein weiterer -“ Er unterbrach sich selbst und verzog das Gesicht zu einer ärgerlichen Miene. „Obwohl das Ende nicht so nett war“, murmelte er missmutig.
 

Bevor er noch mehr sagen konnte, hielt ich ihn einfach den Mund zu. „Deine Gründe sind seltsam“, flüsterte ich lächelnd. Sora schob meine Hand vorsichtig weg und lächelte zurück, als er sie in die seine nahm, um sie ein wenig zu drücken. „Genauso seltsam wie ich, denn nichts anderes war ich für dich und trotzdem konnte ich dich irgendwie für mich gewinnen.“

„Du bist nicht seltsam“, murrte ich. „Nur ärgerlich und laut.“

„Das ändert nichts an der Tatsache, das du mich magst und ich dein kaltes Herz berühren konnte.“ Grinsend tippte er leicht mit den Finger über meine Brust, wo er mein Herz vermutete und ging dazu über, drüber zu streichen. Ich schloss die Augen und legte meine Stirn gegen sein, als er dies machte.
 

„Das ändert aber auch nichts daran, dass du mit Xemnas im Bett warst“, murmelte ich, doch hörte überraschenderweise nur ein Kichern von meinem Blumenkind.

„Höre ich da etwa Eifersucht raus?“

Ich schnaufte nur spöttisch auf und zog ihn fester als nötig an mich. „Es gefällt mir nicht“, gab ich zu, „und werde es hoffentlich so schnell wie möglich aus meinem Gedächtnis bekommen. Der Gedanke daran, ist wirklich gruselig.“
 

Ich vergrub mein Gesicht an seinen Hals und fühlte seine Hände auf meine Haut, als er flüchtig über meine Wange streichelte. „Es war vor deiner Zeit, Riku. Und wie ich bereits gesagt hatte: Du bist Mein. Also hab keine Sorge darüber. Es ist vergangen. Ich hätte nicht mal davon anfangen sollen. Doch habe ich das Gefühl, das ich deine Besitzergreifende Art an dir, doch zu schätzen weiß. Es ist ein guter Anfang, denke ich und vielleicht legst du ja auch eines Tages deine prüde Art ab.“ Ich protestierte, doch lachte er nur drüber und legte seine Hände auf meinen Hintern, um dort zart hinein zu kneifen. „Ich möchte wirklich, dass aus uns etwas Ernstes wird“, flüsterte er in mein Ohr. „Deshalb halte ich mich auch zurück und stürze mich nicht sofort auf dich – auch wenn es mir immer schwerer fällt, wenn ich dich so ansehe.“
 

Ich gluckste, obwohl sich auch ein wenig Angst in mir breit machte. In der Theorie wusste ich, wie Männer Sex hatten, doch war außer ein bisschen Fummeln und das wir uns gegenseitig mit der Hand befriedigt hatten, nichts zwischen uns geschehen und das letztere, war nur zweimal passiert. Irgendwie machte mich der Gedanke nervös weiter zu gehen. Als hätte ich eine Blockade in meinen Kopf, die so was einfach nicht zulassen wollte. So konnte ich ihm einfach nicht antworten, blieb stumm, als er mit einer Strähne meines Haars spielte. Ich musste auch gar nicht antworten, denn ein lautes Geräusch holte uns aus unserer kleinen Welt und veranlasste mich dazu aufzuschrecken. Dabei wedelte ich etwas mit meinen Armen umher und beförderte fast einen langhaarigen Typen zu Boden, der auf seinen furchtbar hohen Stelzen, an uns vorbei lief.
 

Er konnte geradeso noch ausweichen, doch als ich ihn so anguckte, wünschte ich mir wirklich, sein Gesicht im Dreck liegen zu sehen. Er trug bunte, weite Klamotten, die einem Clown ähnlich waren und grinste mich dämlich an. Was brauchte es noch, damit er es verdient hätte? Ich kam nur dazu, den Typen mit bösartigen Blick anzugucken, denn Sora zog mich einfach weiter. Wieder liefen wir an bunten Menschen vorbei, die sich gut zu amüsieren schienen und vom weitem konnte ich einen Mann mit Bauchladen um seinen Hals ausmachen, der irgendwelchen Ramsch verkaufte und immer wieder laut rief, was er so anzubieten hatte. Sora interessierte es nicht weiter und zog mich einfach mit sich. Vorbei an den vielen bunten Lichtern und ein paar Mädchen, die in ihren weißen Kleidern, zu den Gitarrenklängen eines jungen Mannes tanzten. Ich starrte ihnen fasziniert nach, während Sora mich einfach weiter führte, bis wir im letzten Arenal angekommen waten und seine Stimme meine Aufmerksamkeit erregte.
 

Blinzelnd sah ich zu ihm hinab, doch lächelte er nur. „Ich hatte dir doch eine Überraschung versprochen“, sagte er geheimnisvoll und ging auf seine Knie. Ich war viel zu verblüfft um zu handeln, schaffte es aber gerade noch mich umzusehen, um heraus zu finden, ob Menschen in unserer Nähe waren. Doch waren wir hinter ein paar Büschen versteckt, sodass man uns unmöglich sehen konnte. Die ganze Aufmerksamkeit der Besucher, spielte sich vor dem goldenen Haus von Xemnas ab, so hatte niemand Interesse daran, zwei Typen hinter ein paar Büschen zu beobachten. Ich schluckte hart, als Sora sich etwas bewegte und wartete mit wild klopfenden Herzen darauf, was als nächstes passieren würde.
 

Ein Rascheln ließ mich meinen Kopf drehen, wobei ich nur noch Soras Hintern sehen konnte, als er durch ein Loch in der Mauer krabbelte. Ich war zuerst äußerst verwirrt und schnappte erst auf, als mich Soras Stimme dazu aufforderte, ihm es nach zu tun. Mir war nicht ganz klar, was ich erwartet hatte, doch war es sicher nicht das, was ich beabsichtigt hatte. Die Enttäuschung war mir anscheinend anzusehen, denn Sora kicherte, als ich ebenfalls durch das Loch gekrabbelt war und mich auf der anderen Seite wieder erhob.
 

„Was hast du gedacht was ich mache?“, fragte er lachend, als er in mein Gesicht sah.

„Nichts.“

„Ach komm schon, du dachtest, ich will in deine Hose!“
 

Er grinste breit. Selbst dann noch, als ich mich etwas beugte und unsere Gesichter nur Millimeter voneinander entfernt waren. Ich konnte sein Atem bereits auf meinen Lippen fühlen, doch war mein Blick auf seine Augen gerichtet, dessen Lider sich flatternd schlossen. Ein Lächeln zuckte um meine Mundwinkel, als ich meine Hände auf seinen Wangen legte und meine Finger sein weiches Haar berührten. Meine Nase streifte seine empfindliche Haut und ich konnte ein leises Keuchen von ihm hören, als meine Lippen sein Ohr berührte. „Du bewegst dich in einem gefährlichen Terrain, Sora. Ich bin nicht geizig damit, Kopfnüsse zu verteilen“, flüsterte ich ihm hämisch zu. Soras Augen sprangen wieder auf, um mich empört anzusehen. Jammernd rief er meinen Namen aus, doch konnte ich nur drüber lachen und wich geschickt seinen Schlägen aus.
 

„Das ist gemein!“, rief er empört aus.

„Das warst du auch. Also hör auf ...“, weiter kam ich nicht, denn als ich hinter Sora blickte, empfing mich ein unglaublicher Anblick. Ich war sprachlos, konnte nur mit offenen Mund in das kleine Waldstück starren. Sora folgte meinen Blick und schmiegte sich an mich. „Das wollte ich dir zeigen“, hauchte er mich zu. Ich konnte nur nicken. Zwischen den grünen Blättern und Wiesen des Waldes schwebten kleine Lichter umher und machten die dunkle Nacht zu etwas Märchenhaftes, das ich so noch nie gesehen hatte. Sie waren überall, strahlten ihr helles Licht aus und erhallten den Wald in einem seichten Schein. „Das ist unglaublich“, stieß ich überwältigt hervor.
 

Sora nahm meine Hand und führte mich vorsichtig näher an die kleinen Lichter heran. Mit sanften Druck bewegte er mich dazu, mich in das weiche Moos einer kleinen Lichtung zu legen, um von dieser Position aus, diesem wundervollen Schauspiel zu zusehen. „Du bist der erste Mensch, dem ich das zeige“, flüsterte er, während er seinen Kopf auf meine Brust bettete. Träge legte ich meine Arme um den schmalen Körper und beobachtete die Leuchtkäfer über uns. Sie strahlten so eine Ruhe aus, passten perfekt in das Bild und diese Ruhe übertrug sich auch auf uns. Dieser Moment war einfach perfekt. Eine Weile lagen wir in einem angenehmen Schweigen zusammen, ließen uns von der einträchtigen Stille einnehmen, die uns umgab. Bis ein kleines Geräusch über mir, das entfernt wie ein Pfeifen klang, zu hören war. Ich schielte nach unten zu dem Brünetten, konnte aber sein Gesicht nicht sehen, darum flüsterte ich nur seinen Namen. Er reagierte nicht, so glaubte ich, dass er eingeschlafen war.
 

„Schlafmütze“, murmelte ich mit einem Grinsen. Doch gönnte ich ihm sein kleines Nickerchen und genoss einfach die Nähe des anderen, die so unschuldig und schön war, dass ich mich schon fragen musste, ob es wirklich real war. Mein Umfeld sprach jedenfalls dafür, das ich einfach nur träumte und bald aus diesem Traum erwachte. Bis dahin genoss ich den Augenblick, ließ meine Gedanken einfach schweifen. Ich hatte das Gefühl für Zeit und Raum verloren und driftete in einem seichten Schlaf ab, bis mich eine kleine Bewegung über mir, wieder aufschrecken ließ. Blinzelnd öffnete ich die Augen und blickte in das schläfrige Gesicht von Sora, der über mir war. Er guckte mich aus kleinen Augen an, wirkte noch viel zu verschlafen auf mich. Doch zierte ein dummes Grinsen seine Lippen. „Guten Morgen“, murmelte er undeutlich und schon gab es einen kleinen Kuss auf meine Lippen.
 

„Wie spät ist es?“, fragte ich nur und hörte gleich darauf ein kleines, murrendes Geräusch als Antwort.

„Weiß nicht.“ Er richtete sich auf und kratzte sich am Kopf. Sein Gesicht wirkte nicht sonderlich begeistert, als er sich in Schneidersitz neben mir setzte. Ich sah auf meine Armbanduhr und stellte fest, dass ich noch etwas Zeit hatte, bis ich zur Arbeit musste. So setzte ich mich auf und streckte meine Hand aus, um sie auf seine Wange zu legen. Als er aufsah, lächelte ich ihn aufmunternd an. „Wollen wir noch Frühstücken gehen, bevor ich zur Arbeit muss?“ Sein Gesicht erhellte sich, als er nickte und schnell stand er auf, um mit mir zusammen das kleine Waldstück zu verlassen.
 

„Arith macht tolles Essen. Du wirst von ihren Kochkünsten begeistert sein!“, rief er vergnügt aus, während wir nebeneinander her liefen. Ich stutzte ein bisschen, hatte ich doch eigentlich gedacht, dass wir Essen gingen und nicht hier Frühstücken würden. Es gefiel mir nicht sonderlich, doch würde ich ihm den gefallen tun, da er mal wieder in seiner üblichen Euphorie verfallen war. So folgte ich ihn in das zweite Arsenal und war überrascht, dort schon ein paar Bewohner des Viertels vorzufinden. In einen von ihnen erkannte ich die brünette Frau wieder, die auf einen tragbaren Grill das Frühstück zubereitete. Als wir näher auf die Gruppe zu gingen, wurden einige auf uns aufmerksam. Dabei fiel mir vor allem ein großer, brünetter Mann auf, dessen Blick unfreundlich auf uns gerichtet war.
 

Während Sora fröhlich in die Runde winkte und seine Freunde begrüßte, musterte mich der Mann mit einer seltsamen Neugier. Als er an der Reihe war von Sora umarmt zu werden, konnte ich deutlich von ihm ein „Wer ist das?“ hören. Es klang nicht sonderlich freundlich, doch schien das Sora nicht zu hören. So löste er sich nur wieder von seinem Freund und drehte sich zu mir um. „Das ist Riku“, stellte er mich aufgeregt vor. „Mein Freund.“ Bei diesen Worten verfinstere sich der Blick von dem Mann noch ein wenig mehr. Gute Aussichten für einen potenziellen Freund, wenn seine Freunde einen nicht mochten. Doch trotz seiner Unhöflichkeit, lief ich zu ihm und schaffte es, eine Begrüßung heraus zu bringen. Nur interessierte es dem Typen nicht sonderlich und ging mit einem abfälligen Schnauben einfach weg, um Arith beim Frühstück zu helfen.
 

„Ach Leon, sei doch nicht so unhöflich und begrüße unseren Gast.“ Ich konnte gar nicht so schnell gucken, wie plötzlich ein schwarzhaariges Mädchen in mein Blickfeld hopste und mich vergnügt anstrahlte. Wieder wurde ich prüfend angeguckt, doch war es diesmal eine positive Neugier. „Hi, ich bin Yuffi“, stellte sie sich vor und reichte mir die Hand, die ich etwas überrumpelt schüttelte. Wenigstens gab es ein paar nette Menschen hier, die mich freundlich begrüßten. Ich schielte wieder zu dem brünetten Mann namens Leon, der wieder nur ein abfälliges Schnauben für mich übrig hatte und einfach seiner Arbeit nachging. So hantierte er weiterhin am Grill herum und füllte die Teller, um sie seinen Freunden zu geben. Ich war als letztes an der Reihe und grob wurde mir der Teller in die Hand gedrückt. Böse funkelte ich ihn an, doch er begegnete meinen Blick nur mit verhärteten Gesichtszügen.
 

Der Mann hatte eindeutig ein Problem mit mir und ließ sich nicht mal von meinen finsteren Ausdruck beeindrucken, die dem seinen in nichts nach stand. Ich brummte, wurde aber schnell von Sora am Arm weg gezogen, bevor ich etwas zu dem anderen sagen konnte. Er wirkte etwas nervös, seine Augen, die immer wieder ängstlich zu Leon huschten und kleine Gesten machte, die wohl mahnend sein sollte. Aber auch dies ließ diesen Leon kalt, nur mir selbst ließ es stutzig werden und ich fühlte mich unwohl, als ich mich zu der Gruppe ins Gras setzte und mein Frühstück aß. Es war eine ungewohnte Situation für mich, da ich mich noch nie in so einer Situation befand, mich in einer festen Gruppe intrigieren zu müssen.
 

Unbewusst versteifte ich mich, wollte nur, dass dieses merkwürdige Frühstück endlich vorbei war und ich von hier flüchten konnte. Ich sehnte mich bereits danach, wieder in mein Büro sein zu können um mich dort zu verstecken. Doch erst mal musste ich dieses Frühstück überstehen, das nur aus holprigen Gesprächsfetzen und einsilbigen Antworten bestand. Ich hatte auf meinen Teller geguckt, aß still mein Essen. Jedenfalls bis ich etwas Blondes aus den Augenwinkeln auftauchen sah und mein Interesse weckte. Mein Blick hob sich ganz, wurde von dem Blonden bemerkt, der mir kurz zu nickte. Ich erwiderte es, doch irgendwie glitten meine Gesichtszüge ab, als er sich zu Leon beugte und ihm einen Kuss auf die Lippen gab. Ihm war es nicht mal aufgefallen, doch der Blick des Brünetten war trotz des Kusses seines Freundes auf mich gerichtet gewesen. Während sein Freund den Kopf auf seiner Schulter ruhen ließ und ihn leicht anlächelte, stöhnte er gequält auf. Ein Geräusch, das mich irritiert zu ihm starren ließ.
 

„Dein Freund scheint noch nie zwei Männer gesehen zu haben, die sich mögen“, wandte er sich nun brummend an Sora. Dieser sah ihn erschrocken an, etwas Panik war in seinen blauen Augen zu finden, als er den rauen Ton des anderen hörte. Nervös knabberte er auf seiner Unterlippe herum, schüttelte aber scheu seinen Kopf. Ich beobachtete die Situation mit Interesse, merkte so, das Leon so was wie das Oberhaupt dieser kleinen Gruppe war. Selbst Sora wurde unter seinen Blick unruhig und ganz still, wagte kaum, ihn direkt ins Gesicht zu schauen.
 

„Sora“, seufzte er, als würde er mit einem sturen Teenager reden. Soras Blick ging zu Boden, als er seinen Namen hörte und nervös zupfte er Grashalme heraus, um seinen Händen etwas zu tun zu geben. Ich beobachtete ihn kurz dabei, hatte nur den Wunsch ihm zu helfen und sagte eher unfreundlich: „Ich denke nicht, dass es dir irgendetwas angeht!“ Leon schnob abfällig, ließ sich nicht mal von seinem Freund aufhalten, der beruhigend auf ihn einreden wollte. Er wischte seine Hände einfach weg und richtete sich auf, um mich mit finsteren Blick anzugucken.
 

„Du hast absolut keine Ahnung, wie viel es mich angeht, Junge!“, sagte er rau.

„Leon!“, rief Arith schockiert aus, doch wurde es nur mit einem abfälligen Kopfschütteln abgetan.

Wie lange seid ihr schon zusammen?“, fragte er unbeirrt weiter. Die Frage kam so unerwartet, dass ich so spontan keine Antwort darauf wusste und ihn lieber zähneknirschend anstarrte. Ein höhnisches kleines Grinsen zuckte um seine Mundwinkel, als ich still blieb. „Zwei Monate“, sagte Sora kleinlaut. Ich warf einen Blick zur Seite und mit unschuldigen Augen, begegnete er meinen Blick. Er suchte in meinem Gesicht nach einer Art Bestätigung, doch konnte ich ihm die nicht geben. Waren wir zusammen? Ich glaube nicht. Wir waren in eine Art Kennlernphase, obwohl wir da wohl schon ein paar Sachen durcheinander gebracht hatten.
 

Sora guckte mich bestürzt an, als ich darauf nichts erwiderte, doch für Leon war es eine Bestätigung für seine Vermutung, das nicht alles rund für uns lief.

„Hm, dein Schweigen beantwortet mir vieles“, brummte er, „aber wenigstens kommst du mir nicht mit irgendwelchen lächerlichen Ausreden, so wie die anderen Typen.“

„Leon“, quiekte Sora schockiert.

Leon starrte ihn aus eiskalten grauen Augen an. „Ist er wieder so einer dieser Typen, die deine potenzielle, ach so große Liebe sein könnte? Du bist seltener hier, daher vermute ich mal, dass du wieder halb bei ihm eingezogen bist. Dabei hast du wahrscheinlich wieder mal total die Tatsache verdrängt, dass er scheinbar nicht mal auf Männer steht.“

„Das weißt du doch gar nicht!“, rief Sora aus und war dabei schon den Tränen nahe. Leon kannte kein Mitleid, redete einfach weiter. Ich war wie gelähmt über dessen offensichtliche Wut und das er kein Erbarmen mit den kleinen hatte, über dessen Wangen bereits Tränen kullerten.
 

„Ich habe seinen Blick gesehen, als ich Cloud geküsst haben. Ich kenne diesen Blick. Deine Exfreunde hatten genau den selben Blick gehabt, wenn sie uns so gesehen haben!“

„Es ist diesmal anders!“, heulte Sora. „Wirklich, Leon. Riku ist anders als meine anderen Freunde!“ Leon blieb unbeeindruckt von seinen Worten, wurde nur von Cloud zurückgehalten, der eine Hand auf seinen Arm legte. „Oh, na dann geht es ja in Ordnung, wenn er ja so anders ist.“ Seine Stimme triefte nur so vor Spott. „“Also ist er so anders als dieser Cifer, aus dessen Wohnung ich dich holen musste oder dieser Lex, der dir nicht erzählte, dass er Frau und Kinder zu Hause hatte, während er mit dir fickte?“
 

Sora schnappte erschrocken nach Luft, bei diesen harten Worten. Peinlich berührt durch dessen Worte, wagte er mit roten Wangen einen kurzen Blick zu mir, um meine Reaktion darauf zu erfahren. Benommen sah ich zurück, sah sein betroffenen Ausdruck auf seinen Gesicht und war mir unschlüssig darüber, was wohl in meinem Gesicht zu lesen war. Ob es nun geschockt war oder doch ausdruckslos, dafür war ich viel zu durcheinander von diesen neuen Informationen. Sora deutete es anscheinend als ersteres, denn bestürzt schüttelte er seinen Kopf und guckte mich mit diesem verletzten Ausdruck in seinem geröteten Gesicht an.
 

„Sora“, sagte Arith mit einem sanften Lächeln und trat vor, um sich vorzubeugen und eine Hand auf seine Schulter zu legen, „wir wollen doch nur, dass es dir gut geht und -“ Weiter kam sie mit ihren Beruhigungsversuchen nicht, denn Sora rappelte sich plötzlich auf und rannte einfach weg. Diesmal war ich jedoch schlauer und sprang ebenfalls auf, um dem kleinen Brünetten nach zu laufen. Es war nicht mal schwer ihn einzuholen, so konnte ich bereits nach seinen Arm greifen, ehe er das Tor erreicht hatte. Als ich nach ihm griff, versuchte er sich zu befreien, doch sorgte es nur dafür, dass ich ihn fest an seinen Schultern packte und an seinen Platz hielt. Trotzdem versuchte er sich weiterhin aus meinen Griff zu lösen, doch war ich stärker als er und garantiert nicht dazu bereit, ihn ein zweites Mal einfach gehen zu lassen. Meine grobe Behandlung hatte schon bald Erfolg. So senkte er missmutig seinen Kopf, den Blick von mir abgewandt und rieb sich trotzig mit den Handrücken unter seiner Nase. Dabei konnte ich ein unterdrücktes Schniefen hören, als würde er versuchen wollen, seine Tränen vor mir zu verbergen.
 

„Sora“, sagte ich sanft, nachdem wir eine Weile nur so dagestanden hatten. Als Antwort bekam ich nur ein trotziges Kopfschütteln.

„Lass mich einfach gehen“, schniefte er, doch ich dachte gar nicht daran, seine Worte zu befolgen.

„Das geht nicht. Wenn ich das tue, würde es wieder eine Ewigkeit dauern, bis ich dich finde oder du mich findest.“
 

Sora schniefte wieder; ein kleines Zittern ging durch seinen Körper, als er versuchte sein Weinen zu unterdrücken. Ein erbärmliches Bild, das mich dazu antrieb, ihn einfach in meine Arme zu ziehen und ihn nur festhalten zu wollen. Eine Handlung, die nur dafür sorgte, dass er seine Tränen nicht mehr zurückhalten konnte und an meiner Brust ganz in Tränen ausbrach. Ich tat mein Bestes um ihn zu beruhigen, flüsterte bette Worte in sein Ohr, doch sorgte es nur dafür, dass er sich noch fester an mich klammerte.
 

„Warum tust du das?“, flüsterte er mir mit brüchiger Stimme zu. Mir war zuerst der Sinn dieses Satzes nicht klar, da er doch langsam wissen müsste, dass ich ihn mochte.

„Was meinst du?“ Es war dumm nachzufragen, doch war ich mit der momentanen Situation überfordert genug, um nicht klar denken zu können. Auch wenn ich mir nicht sicher war, ob ich unter anderen Umständen anders gehandelt hätte. Ich war einfach nicht gut darin, mich um andere Menschen zu kümmern.
 

„Nach den bösen Worten von Leon“, schniefte er. „Warum bist du trotzdem noch bei hier? Du musst mich doch für abscheulich halten.“ Er vergrub sein Gesicht enger an meine Brust, als wäre er darauf bedacht, sein Gesicht vor mir verstecken zu können. Ein kleines Lächeln zuckte um meine Mundwinkel. „Leon meint es nur gut mit dir. Er macht sich nur Sorgen um dich.“ Meine Worte lösten in ihm eine Trotzreaktion aus, indem er mich einfach grob weg schob. „Jeder meint es nur gut mit mir.“
 

„Ja, weil dich jeder gern hat.“

„Ich bin erwachsen!“, stellte er trotzig klar.

Ich schaute zweifelnd zu ihm hinunter. „Es ist nicht gerade erwachsen einfach wegzulaufen, wenn einem eine unangenehme Situation nicht gefällt.“ Soras Blick wurde ärgerlich, als er abfällig schnaubte. Er versuchte mich böse anzugucken, doch glich es eher wie eine groteske Maske mit seinen roten, geschwollenen Augen. „Das sagt gerade derjenige, der sich in seiner Wohnung versteckt und geradezu ängstlich gegenüber fremden Menschen ist!“ Sein patziger Ton gefiel mir dabei überhaupt nicht. Mein erster Impuls war, ihm eine gleichwertig schroffe Antwort zurück zu geben. Doch besann ich mich, als er ein bisschen aufsah, gerade genug, um in seine traurig drein blickenden Augen sehen zu können. So atmete ich ein paar Mal tief durch, um meinen Ärger einfach hinunter zu schlucken. Es würde schließlich nichts bringen, wenn wir uns stritten und er wieder davon lief.
 

„Willst du wirklich einen Streit provozieren?“, fragte ich deshalb ruhig. Sora schaute mich unschlüssig an, wusste scheinbar in seiner Verwirrtheit nicht, was er mir antworten sollte. Er überlegte kurz und seufzte dann etwas zu verzweifelt. „Es ist doch wahr. Wenn wir uns nicht im Büro getroffen hätten, wären wir uns nie begegnet.“ Ich lächelte leicht bei seiner trotzigen Aussage und legte meine Hände auf seinen Wangen. So beugte ich mich zu ihm hinunter, sodass unsere Gesichter sich ganz nah waren und ich ihm in seine Schönen blauen Augen sehen konnte. „Aber wir sind uns begegnet und nur das ist wichtig.“, flüsterte ich und strich weich mit meinen Lippen über die seinen, bevor ich sie vorsichtig küsste. Als ich mich etwas von ihm löste, hatte er noch immer seine Augen geschlossen und lächelte leicht.
 

„Ich mag solche Zufälle, sie sind mir die liebsten.“

Ich gluckste. „Es war ein sehr überraschender Zufall“, murmelte ich. „Aber ich denke, dass es ein sehr Guter war und nun komm, lass uns gehen. So kannst du dich beruhigen und Axel kann mir nicht den Kopf abreißen.“
 

„Ja, das wäre sehr schade, du hast einen ziemlich hübschen Kopf.“ Ich lachte und drückte ihn einen Kuss auf die Stirn, während ich ihn zu meinen Auto schob. Als wir einstiegen, wühlte ich in meinem Handschuhfach herum, was von Sora nur ungläubig beäugt wurde. So setzte ich ihm meine alte Sonnenbrille vorsichtig auf die Base, das nur widerwillig zugelassen wurde. Als ich fragend angeschaut wurde, erklärte ich schmunzelnd: „Es reicht wenn ich dich so sehe. Deinen Anblick sollte den anderen doch lieber erspart werden.“ Sora murrte, legte seinen Gurt aber doch an, damit wir endlich losfahren konnten. Mein Plan war schlicht und nicht ausgefeilt. Irgendwie untypisch für mich, war ich doch jemand, der alles genau durchplante. Aber irgendwie hatte sich einiges geändert, seit Sora in mein Leben gestolpert war. Spontaner und aufregender. Ja, so konnte man es beschreiben. Nie hatte ich ein Gedanken daran verschwendet, dass ich mal Gefühle für einen anderen Mann haben würde. Doch so war es nun mal und so fand ich mich mit Sora in meinem Büro wieder und versuchte meine Arbeit nachzugehen, während Sora an seinem ehemaligen Schreibtisch saß und sich gelangweilt in dem Raum umsah. Dabei machte er diese widerlichen Geräusche mit dem Kugelschreiber, auf dem er träge herum drückte.
 

Irgendwann reichte es mir und ich rief warnend seinen Namen. Dieser guckte mich nur mit großen, unschuldigen Augen an und wusste nicht, was ich von ihm überhaupt wollte. „Kannst du dich nicht einfach mal still verhalten und gar nichts tun?“ Immer noch dieser ungläubige Blick, als er seinen Stift erst hoch hielt und dann demonstrativ weg legte. „Nein“, meinte er trotzig, während er mit den Bügeln seiner Sonnenbrille spielte, „also gib mir was, womit ich mich beschäftigen kann.“ Ich seufzte laut und erhob mich, um nach ein paar Blättern zu greifen, die auf meinen Schreibtisch in der Ablage lagen. Damit lief ich zu ihm und legte es vor Sora auf den Tisch. „Gut, da du eh dran schuld bist, dass ich mit meiner Arbeit hinterher hinke, kannst du mir ja helfen. So hast du was zu tun, ich schaffe meine Arbeit und du kannst deine Schuld wieder gut machen.“
 

Sora guckte mich mit einem schelmischen Grinsen an und zog eine Augenbraue hoch. „Ich lenke dich also ab?“ Diese neue Information schien ihm sehr zu gefallen. So beugte ich mich vor, um ihn provozierend anzugucken. „Ja und du tust es schon wieder. Also mache dich einfach an die Arbeit und halte einfach mal deinen Mund. Deine Hände können auch mal für sinnvolle Dinge eingesetzt werden.“ Kaum hatte ich dies gesagt, legten sich seine Hände auf meinen Bauch und streichelten vorsichtig darüber. Ich keuchte ein bisschen, behielt aber meinen strengen Blick auf Sora. „So wie jetzt?“, fragte er unschuldig. Ich versuchte das warme Gefühl in meinen Bauch zu ignorieren, als seine Finger weiter hinunter strichen und über den Stoff meiner Jeans fuhren. Doch bevor er weiter gehen konnte, griff ich nach seinen Händen und legte sie grob auf seinen Schoß zurück.
 

„Lass uns einfach arbeiten“, entschied ich streng.

Sora murrte, gab aber wirklich auf und wandte sich dem Computer zu. „Spielverderber!“, rief er mir nach, als ich wieder zurück zu meinem Schreibtisch ging. Ich war zufrieden, als ein einträchtiges Tippen den Raum erfüllte und ich mich nur auf meine Arbeit konzentrieren konnte. Nur Sora seufzte nach einer Weile wieder laut auf, sodass ich finster über meinen Monitor schaute. „Was ist diesmal falsch?“ Sora schmollte bei meiner groben Frage und sah sich wehmütig im Raum um. „es ist so still und kalt hier. Wie soll man sich hier nur konzentrieren können?“
 

„Kalt? Es ist Sommer!“, erinnerte ich schroff. Sora schüttelte nur seinen Kopf und seufzte wieder. Diesmal, weil ich ihn einfach nicht verstehen wollte.

„Das meine ich nicht. Der Raum ist so steril und fad. Wie soll man hier arbeiten können?“ Ich guckte ihn verständnislos an, doch Soras wehmütiger Blick blieb. „Meine schönen Sachen. Nicht mal mein Handy kann ich benutzen, um etwas Musik zu hören.“
 

„Du hast dein Handy hier liegen lassen?“

Sora nickte. „Ja, materielle Dinge sind im Viertel verboten. So dachte ich mir, dass ich es hier lassen könnte.“

Ich horchte bei seinen Worten auf, meine Augenbrauen, die sich fassungslos zusammen zogen. „Soll das heißen, du hast diesen ganzen Dekowahn nur hier ausgelebt, weil du es im Viertel nicht durftest?“ Er guckte ein bisschen verlegen drein und biss auf seine Unterlippe herum. „Vielleicht.“
 

Ich stöhnte bei der Neuigkeit auf und fuhr mir durch das Haar. „Du bist unmöglich. Irgendwie hast du jeden Tag irgendwas neues , mit dem du mich überraschen kannst.“ Sora strahlte mich an. Ein eigenartiges Bild, wenn man bedachte, das seine Augen noch immer rot und angeschwollen waren. Er störte sich nicht an meinem fassungslosem Ausdruck und sprang auf, um zu mir rüber zu laufen und schließlich auf meinem Schoß zu sitzen. Seine Arme, die sich überschwänglich um meinen Hals legten. „Aber darum magst du mich doch“, kicherte er und gab mir einen Kuss auf den Mund. Ich strich ihm durch das braune Haar, während sein Lächeln etwas verwelkte, als er meinen Blick sah. „Was ist los?“
 

„Es stimmt, dass ich dich mag. Doch gibt es noch viele Dinge, die gesagt werden müssen.“ Sora schnitt eine Grimasse und senkte seinen Blick, als würde er die Wahrheit so umgehen können. Ernste Gespräche schienen ihm regelrecht zu missfallen und so versuchte er auf stur zu schalten, um diese zu umgehen. So legte ich meine Finger sanft unter seinen Kinn und versuchte ihn so zu zwingen, mich anzusehen. Doch sein Blick hatte er noch immer gesenkt. „Leon hätte seinen Mund halten sollen“, grummelte er. Ich schüttelte bei seiner Aussage nur den Kopf. „Ich denke, das Leon viele Dinge richtig gemacht hat und es wichtig ist, auch solche Sachen zu wissen.“ Sora schmollte, verbarg sein Gesicht an meinem Hals, um mir wenigstens nicht ins Gesicht sehen zu müssen. Es reichte mir aus, ließ es für das erste zu, das er mir nicht antwortete. Schließlich hatte ich meinen Standpunkt klar gemacht und war mir sicher, dass ich irgendwann meine Antworten bekommen würde. Ich hatte meinen Wunsch in Worte gefasst. Nur war ich mir nicht sicher, ob ich für die Geheimnisse des anderen schon bereit war.

von unerwarteten Besuchern und seltsamen Gesprächen

Sora war wirklich gut. Nicht nur, dass wir mit unserer Arbeit schnell voran kamen, auch war er perfekt darin, seine übliche Fröhlichkeit wieder aufleben zu lassen und so zu tun, als wäre nichts passiert. Es war geradezu bewundernswert, wie er zu seiner üblichen, fröhlichen Art überging und mich schon mit kleinen Dingen zu reizen vermochte. So waren wir bald in unseren üblichen Kabbeleien verstrickt und ich viel zu abgelenkt, um weiter über den heutigen Morgen nachzudenken. Jedenfalls fast, denn am Ende des Tages waren die Worte von Leon noch immer in meinem Kopf und nicht mal Sora konnte mit seinem rum Gehopse etwas daran ändern, als er ungeduldig darauf wartete, das ich endlich das Auto aufschloss.
 

So fuhren wir nach Hause und sofort machte sich Sora daran, das Abendessen vorzubereiten; denn seit er bei mir wohnte, hatte ich auch einen guten gefüllten Kühlschrank. Schmunzelnd saß ich auf einem Stuhl, während ich beobachtete, wie Sora summend durch die Küche lief und in den Töpfen herum rührte. Immer wieder warf er mir dabei ein kleines Lächeln zu, doch lag über diese kleine Geste doch etwas wehmütiges. Die ganze Situation war irgendwie spannungsgeladen, auch wenn Sora vorgab, das es nicht so war und tat, als wäre nichts passiert. Doch seine Körperhaltung verriet mir, dass er genauso angespannt war wie ich. Ich wollte, das es wieder normal zwischen uns war und ich nicht mehr diese angespannte Stimmung ertragen musste. Aber noch ging ich auf sein Spiel ein, aß mit ihm zu Abend, auch wenn mich das Geklapper von dem Besteck nicht wirklich beruhigte, sondern eher dafür sorgte, dass es noch mehr in mir brodelte. Ich musste mich zusammenreißen, ging nur mit einsilbigen Antworten auf seine Fragen ein. Sein Lächeln, das er mir schenkte, wirkte dabei gequält. Erst als wir mit dem Essen fertig waren und er aufsprang, um das Geschirr abzuwaschen, versuchte ich das Thema eher grob als vorsichtig, wieder anzuschneiden.
 

„Hast du für deine Liebhaber auch mal gekocht?“

Sora hatte mir den Rücken zugewandt, doch konnte ich beobachten, wie sehr ihm meine Frage missfiel, als er den Teller wieder zurück ins Spülwasser fallen ließ. „Riku“, seufzte er gequält auf.

„Es ist eine einfache Frage.“
 

Sora ließ seine Schultern hängen und wusch einfach weiter das Geschirr ab. An den wilden Geklapper, konnte ich ausmachen, das er wütend war und diese Wut irgendwo heraus lassen musste. „Also?“, hakte ich nach. Sora pustete sich eine Strähne aus dem Gesicht und machte einfach weiter, sodass ich schon glaubte, dass er mir nicht antworten würde. „Ja“, gab er endlich zurück und drehte sich leicht zu mir, um mir verschmitzt zu zuzwinkern. „Aber für keinen habe ich mir so viel Mühe gegeben.“ Ich verdrehte bei seinem Kommentar nur die Augen und bemerkte dabei seinen enttäuschten Gesichtsausdruck. Schnell griff er sich ein Handtuch vom Harken neben sich und trocknete seine Hände ab. „Hör mal Riku“, sagte er diesmal mit ernster Miene.
 

Er lief auf mich zu, seine Hände auf dem Tisch abgestützt, als er mir direkt in die Augen sah. „Ich habe in meinen Leben ein paar Fehler gemacht – so wie jeder andere auch. Manche waren nicht so schlimm, andere wiederum würde ich gern wieder rückgängig machen. Nur kann ich das leider nicht mehr ändern und muss wohl oder übel damit leben. Was Leon gesagt hat, ist zwar wahr, jedoch hätte ich es dir lieber selbst gesagt, anstatt das du das so erfährst. Ich wollte dich langsam drauf vorbereiten und dich nicht verschrecken. Wer weiß, was du nun von mir denkst.“ Er guckte mich prüfend an, als könnte er in meinem Gesicht lesen können, was ich dachte. Ich runzelte meine Stirn. „Meine Meinung über dich ist genauso schlecht wie vorher auch“, grinste ich, „da hat sich nichts dran geändert.“
 

Meine Worte verfehlten ihre Wirkung nicht, denn Sora guckte mich etwas entgeistert an. Dann spitzte er beleidigt seine Lippen und schüttelte nur seinen Kopf. „Dein Humor ist grässlich“, schimpfte er, doch gab ich nichts auf seine Aussage und zog ihn einfach an mich, um ihn auf meinem Schoß zu ziehen. „In meinem Einsiedlerdasein hatte ich keine Gelegenheit, meine Humorfähigkeiten zu perfektionieren. So musst du wohl geduldig sein und warten, bis ich besser geworden bin.“ Sora lachte vergnügt auf. Ein Laut, der mich erschaudern ließ, hörte es sich doch so seltsam in meinen Ohren an. „Gut, dann haben wir wohl beide etwas, in dem wir geduldig sein müssen“, meinte er schmunzelnd und küsste mich auf meine Nase. „Denn ich verrate erst beim ersten Date ein bisschen was von mir.“
 

Ich murrte ein bisschen, doch ließ Sora sich davon nicht beeindrucken und zuckte nur gleichgültig mit seinen Schultern. „Tja, so ist das eben. Selbst meine Exfreunde haben es geschafft, wenigstens einmal mit mir auszugehen.“ Er schaute mich mit unschuldigen Augen an, doch sein Ausdruck verriet mir, dass er mich etwas reizen wollte. Ich war sprachlos, hatte es aber auch nicht anders gewollt. Auch wenn dieses Thema doch eine ganz andere Wendung genommen hatte. „Wohin haben sie dich ausgeführt?“ Er versuchte sein Grinsen zu verbergen, wobei er sein bestes tat, um so unschuldig wie nur möglich auf mich zu schauen. Spielerisch neigte er seinen Kopf zur Seite und machte einen kleinen, entzückenden Schmollmund. „Nun ja“, säuselte er, „sie haben mich in teure Restaurants ausgeführt und ich konnte bestellen, was auch immer ich wollte.“
 

Noch bevor er seinen Satz ganz aussprechen konnte, folgte ein erschrockenes auf quieken und er windete sich in meinen Armen, als er versuchte meinen Fingern auszuweichen, die ohne Gnade in seine Seiten piekte. „Hey Hippie junge, übertreib es nicht! Wie war das mit dem 'Materiellen Dingen' und so weiter. Xemnas hatte Kairi mit diesem Vortrag geradezu vollgelabert und immer wieder von dem wirklich wichtigen Werten gesprochen.“ Soras Kopf lag auf meine Schulter, als er mich vor Anstrengung geröteten Wangen , aber dafür mit einem strahlenden Grinsen, anguckte. Ich hörte auf damit ihn zu ärgern und starrte mit einem Lächeln zurück.
 

„Er sagt aber auch, dass Genuss wichtig ist und man mehr genießen sollte – und dazugehört auch Essen.“

„Du machst es dir ganz schön einfach. Teure Restaurant besuche dürften auch zu den Dingen gehören, die von Xemnas auch verpönt sind.“ Sora kicherte nur bei meiner Belehrung und schien sich dafür absolut nicht zu interessieren. „Es gibt viele Dinge, die ihm missfallen und ich trotzdem tue. So habe ich mich auch von Roxas überreden lassen, den Job anzunehmen, obwohl Xemnas damit auch nicht zufrieden sein dürfte, dass ich mich dem schnelllebigen Großstadtleben anpasse. Nur bekommt man mit dem Gemüseverkauf nicht genügend Geld, um die Pacht bezahlen zu können.“
 

„Also weiß er nichts von deinem zweiten Job?“

Sora machte ein entsetztes Gesicht. „Natürlich nicht! Aber Roxas weiß auch nicht, dass ich das Geld nicht für mich behalte.“

„Du manipulierst also die Leute.“
 

„Nein, ich lasse sie nur nicht alles wissen. Warum auch, wenn jeder davon profitiert. Jeder ist so zufrieden; also kann es nicht schlecht sein.“ Er war überzeugt von seinen Worten, so schüttelte ich nur ungläubig meinen Kopf. Statt einer Antwort, schob ich meinen Arm unter seine Knie und trug ihn in das Wohnzimmer, um ihn auf das Sofa zu betten und mich neben ihn zu legen. Sofort kuschelte er sich wieder an mich, seinen Kopf, der auf meine Brust ruhte, als ich den Fernseher anschaltete und durch die Kanäle zappte. Irgendwann hielt ich bei einem Film an, den wir zusammen schauten. Während Sora aufmerksam den Film folgte, überlegte ich, wie ich es am besten anstellen konnte, ein Ort für unser erstes Date zu finden.
 

Ich war nicht gut darin, hatte doch Naminè immer dafür gesorgt, dass wir in kleinen, hübschen Lokalen ausgingen. Nun war ich auf mich allein gestellt und diesmal reichte der Wunsch allein nicht aus, ein perfektes Date zu haben und wieder Soras glücklichen Gesichtsausdruck zu sehen, wenn ich ihn dort hin ausführte. So dachte ich fieberhaft drüber nach, während Sora über eine Stelle im Film lachte, die scheinbar besonders lustig war. Als ich mich wieder mal von den Geräuschen des Fernsehers einlullen ließ und fast in den Schlaf abdriftete, kam mir endlich die rettende Idee und mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen, schlief ich ein.
 

In meiner Mittagspause hatte ich alles besorgt, was ich für mein Vorhaben benötigte. Zu meinem Erstaunen war es gar nicht mal so schwer, alles zu besorgen und ich konnte es lächerlicher weise gar nicht abwarten, bis es endlich Feierabend war und ich meinem Blumenkind endlich erzählen konnte, was ich vor hatte. Es war neu, aufregend und sorgte dafür, dass sich in meinem Bauch ein warmes Gefühl breitmachte, auch wenn ich nur daran dachte. So hatte ich eine lächerliche Vorfreude, als ich endlich nach Hause fahren und Sora von meiner Idee erzählen konnte. Nur als ich die Tür zu meiner Wohnung öffnete, erwartete mich nicht das, was ich erwartet hatte und mit einer bösen Vorahnung, folgte ich den lauten Stimmen, die aus der Küche kamen.
 

Tatsächlich fand ich dort den Brünetten, doch war er nicht allein. Wie konnte Roxas wissen, das Sora bei mir wohnte und vor allem, warum musste es ausgerechnet heute sein? Verärgert knirschte ich mit den Zähnen, als ich die Brüder wieder streiten sah. Die beiden nahmen mich zuerst nicht mal wahr. Dafür aber Axel, der sich neben mir stellte und mir eine Hand auf die Schulter legte. Als ich ihn einen finsteren Blick zuwarf, schüttelte er nur tadelnd seinen Kopf. „Lass uns ins Wohnzimmer gehen“, schlug er ungewohnt ruhig vor, „die beiden werden wohl noch etwas länger brauchen, bis sie ihr 'Gespräch' beendet haben.“ Ich schaute ihn misstrauisch an, wusste nicht so recht, was ich von diesem Vorschlag halten sollte. Als ich Soras erboste Stimme vernahm, drehte ich meinen Kopf in seine Richtung und hatte nur den Wunsch, zu ihm zu laufen, um ihn zu helfen.
 

„Ich kann ihn doch nicht allein lassen“, gab ich schroff zurück, doch als ich tatsächlich zu ihm gehen wollte, hielt mich Axels Hand auf. „Mach kein Drama draus. Es ist alles in Ordnung, lass sie einfach reden.“ Seine Stimme konnte ich durch das Geschrei der Brüder kaum hören. So zweifelte ich umso mehr an Axels Worte und sah beunruhigt zu Sora, der mal wieder wütend aussah, als er seinen Bruder gegenüber stand. „Komm einfach mit, Dramaqueen“, hörte ich den Rothaarigen sagen und wurde auch schon aus der Küche gezogen. Zu meinem Leidwesen war er stärker als ich und konnte mich mit Leichtigkeit mit sich ziehen. Ich murrte, ging aber mit. Was blieb mir schon anderes übrig, als ihm zu folgen?
 

Lässig ließ er sich auf das Sofa fallen und ließ sich von den lauten Geräuschen aus der Küche nicht beirren. Er zog mich mit sich, so musste ich mich neben ihn setzen; seine Hand, die noch immer meinen Arm fest hielt. Ich schaute ihn irritiert an, doch er lächelte nur aufmunternd zurück. „Hab keine Sorge. Ich mach das schon eine Weile mit und deinem Kleinen wird schon nicht sein hübsches Köpfchen abgerissen.“ Das beruhigte mich so gar nicht.
 

„Warum seid ihr überhaupt hier?“

Axel guckte mich neugierig an. „Hattet ihr etwa Pläne?“ Mein abschätzender Blick wurde mit einem Lachen weg gewischt. „Okay, die müssen wohl warten“, entschied er leichthin, „das hier ist wichtiger. Ich habe das Bedürfnis meinen Roxas wieder glücklich zu sehen und vor allem will ich nicht mehr dieses ständige Genörgel über seinen Bruder hören müssen. Eine Zeitlang habe ich wirklich versucht, euch in Ruhe zu lassen und Roxas nicht zu sagen, wo Sora steckt. Nur nahm das Gerede überhand und … nun ja, ich bin egoistisch und habe so meine Bedürfnisse, die von meinem Freund nicht mehr erfüllt werden. So habe ich ihm gesagt, wo Sora steckt.“
 

„Du verrätst uns für Sex?“, fragte ich fassungslos. Axels schnelles Nicken, brachte mich nur dazu, meine Augen zu verdrehen. Doch dieser grinste nur spöttisch und tätschelte meine Schulter. „Ihr habt es noch nicht gemacht, oder? Sonst würdest du mich verstehen.“ Ich schwieg, sah unbewusst zu Boden. Das sorgte nur für ein raues Lachen des Rothaarigen und ein „Ich wusste es“. Mein Brummen ging durch sein Gelächter unter und ich fühlte mich unwohl, da ich ahnte, wohin unser Gespräch führen konnte. Das sich seine Gesichtszüge erweichten und er mir wieder mitleidig auf die Schulter klopfte, half mir dabei überhaupt nicht. „So viel Geduld hätte ich Sora gar nicht zugetraut. Wie lange kennt ihr euch schon?“
 

Ich antwortete nicht, blickte nur verdrossen zur Seite und hörte wieder den streitenden Stimmen der Brüder zu. Dabei war ich mir nicht sicher, wer von uns beiden es schlechter getroffen hatte: Mich oder Sora. „Hör mal“, sagte Axel ungewohnt weich, „Sora mag dich wirklich, auch wenn Roxas das nicht glauben möchte. Vielleicht ist der Kleine etwas zu flatterhaft, aber ich denke, dass du ganz brauchbar als potenzieller Freund wärst. Nach all den ganzen Fehlschlägen, würde ich es dem Kleinen jedenfalls gönnen, wenn er endlich jemanden hat, mit dem er jeden falls eine Zeit lang glücklich sein kann.“ Es waren überraschend ehrlich Worte; trotzdem konnte ich ihn nur irritiert angucken. Saß ich hier gerade wirklich mit meinem Chef zusammen und redete mit ihm über mein Liebesleben, während mein Freund mit seinem Bruder lautstark stritt? Es war eine seltsame Situation. Doch seit ich Sora kannte, kamen mir alle Situationen irgendwie verrückt vor. Ich jedenfalls raufte mir die Haare und wusste nicht mehr, wie ich mich überhaupt verhalten sollte.
 

„Wieso ist Roxas so gegen mich?“, wagte ich schließlich nach einer Weile zu fragen.

Axel machte ein nachdenkliches Gesicht und überlegte sich ungewohnter weise seine Worte genau. „Du bist eine Hete und unser Kleiner scheint eine ungewöhnliche Vorliebe für solche Typen zu haben. Er legt es anscheinend darauf an, blind nach den falschen zu greifen, anstatt nach dem zu suchen, nachdem er sich sehnt. So gab es schon viele Fehlschläge, die Roxas aber nicht von ihm selbst erfahren hatte. Leon war derjenige, der ihm darüber aufklärte, was Sora so trieb und das gefällt ihm natürlich nicht. Somit geht es nicht direkt um dich, sondern eher darum, seinen Bruder beschützen und ich denke, dass er diesen Schutz auch nötig hat, da Sora viel zu naiv ist, um selbst zu entscheiden zu können. Es gibt Menschen, die sich regelrecht nach Liebe und Geborgenheit sehnen und so nicht merken, wie sie sich immer mehr in die gegensätzliche Richtung bewegen.“
 

Ich dachte über seine Worte nach; blieb von außen ruhig, während es in mir doch brodelte. So tat ich das einzige, was mir in dem Moment einfiel und stand auf, als ich Sora wieder irgendetwas sagen hörte. Schnell lief ich zu ihm zurück, bemerkte nur am Rande, wie Axel mir folgte. In der Küche angekommen, standen sich die Brüder noch immer gegenüber und warfen sich unschöne Worte entgegen. Als wir den Raum betraten, sahen beide zu uns und sahen dabei wenig freundlich aus. Einen Augenblick war es still zwischen uns, die Stimmung zum zerreißen angespannt, bis Roxas wieder zu sprechen begann und mit abfälligen Gesichtsausdruck auf mich zeigte. „Du willst also weiterhin bei dem wohnen bleiben?“
 

„Ja das will ich.“ Roxas warf mir einen missbilligenden Blick zu, sein Gesicht war dabei grimmig und wirkte auf mich geradezu arrogant. Doch seufzte er einen Moment später kläglich auf und bedachte seinen Bruder mit einen strengen Blick. „Also kann ich dir hier erreichen?“ Wieder nickte Sora, auch wenn ihm Roxas Worte nicht so ganz passen wollten.

„Versprochen?“, hakte er noch mal nach.

„Versprochen“, maulte Sora.
 

Roxas musterte ich kurz, doch schien er einigermaßen zufrieden mit dieser Antwort. Axel trat hinter ihm und legte seine Hände auf die Schultern seines Freundes, um sie ein wenig zu massieren. „Mach dir keine Sorgen, Rox. Ich habe ein gutes Gefühl bei der Sache.“ Der Blonde sah besorgt zu Axel hinauf und seufzte. „Ich hoffe es.“ Der andere lachte leise auf und drückte ihm einen Kuss auf die Schläfe. „Sei dir sicher, das wird es. Außerdem erfahre ich ja aus erster Hand, wenn etwas nicht okay ist.“ Roxas folgte seinem Blick, als er mit dem Kopf in meine Richtung deutete. Diesmal war ich derjenige, der seufzte. „Soll ich gleich ein Protokoll führen, damit ihr immer auf den neusten Stand seid?“, schlug ich schroff vor.
 

Axel lachte, nur Roxas schien meinen Scherz nicht zu gefallen und funkelte mich böse an. „Wenn du dich weiterhin wie ein Idiot benimmst, wäre es wohl gar nicht mal schlecht.“

„Unerwarteter Besuch in dieser Form, sorgt bei mir eben nicht für Luftsprünge.“

Sora stöhnte genervt auf. „Wieder das Thema“, mischte er sich nun auch noch ein. „Langweiler mögen es nicht, wenn man sich nicht vorher anmeldet. Viel zu viel Überraschung und so, weißt du.“ Seine spöttische Erklärung sorgte für ein kleines Zucken um Roxas' Mundwinkel und zum ersten Mal konnte ich beobachten, wie die Brüder sich zulächelten – auch wenn es nur angedeutet war. Wenigstens hatte ich mit meiner Bemerkung für diese kleine Geste gesorgt.
 

„Genau Sora“, sagte ich schroff, „und da ich ja Dinge so gerne plane, bewegst du deinen Hintern und kommst mit mir.“

Mit ungläubigen Blick schaute er mich an und hob eine Augenbraue hoch. „Du hast was geplant? Eine Überraschung?“ Weder sein Blick, noch die Art wie er es sagte, gefiel mir. Als wäre ich nicht fähig irgendwas zu planen, das ihm gefallen könnte. Was hatten Blumenkinder denn schon für besondere Ansprüche? „Willst du weiterhin sinnlos herum stehen und mich mit offenen Mund anstarren oder lieber gucken, was ich für dich vorbereitet habe?“
 

Unschlüssig guckte er das Paar vor ihm an, bevor er schnell zu mir lief. Ich war zufrieden, erhoffte mir lächerlicher weise sogar Pluspunkte bei Roxas für meinen Versuch, seinen Bruder auszuführen. Doch dem Blonden ließen meine Worte unbeeindruckt und widerwillig verließ er mit uns die Wohnung. Das würde wohl noch ein langer Weg werden, bis Roxas mich akzeptieren würde. Der Abschied fiel dementsprechend ungeschickt und kühl aus. So war Sora schnell in das rettende Auto verschwunden und wartete ab, bis ich mich neben ihm setzte und den Motor startete. Er war ungewohnt still, während der Fahrt und hing lieber seinen eigenen Gedanken nach. Ich war ein bisschen enttäuscht, hatte ich mir doch etwas mehr Euphorie von ihm gewünscht.
 

Vielleicht war es nach all dem einfach keine gute Idee gewesen, ihn so schnell zu einem Date auszuführen. So spielte ich schon mit dem Gedanken einfach umzukehren und es auf einen anderen Tag zu verschieben. Es war wohl einfach nicht die rechte Zeit für ein Date. Doch irgendwas hielt mich zurück, wollte es einfach durchziehen, um Sora auf andere Gedanken zu bringen und ihn so ein wenig abzulenken. Ich vermisste sein Lächeln, wollte es wieder auf seinen Lippen sehen und mich davon erfreuen lassen. So schob ich meine negativen Gedanken einfach beiseite und hielt auf den Parkplatz an. Als ich den Motor ausschaltete, sah auch Sora überrascht auf und guckte aus dem Fenster, um zu sehen wo wir waren.
 

Während er sich in der Dunkelheit bemühte was zu erkennen und so auszumachen wo wir waren, steig ich bereits aus dem Wagen und holte die Utensilien aus dem Kofferraum, die ich für diesen Abend vorbereitet hatte. Als ich damit fertig war, stand auch Sora schon neben mir und bedachte mich mit einem seltsamen Blick. „Was soll das werden?“, fragte er. Die Begeisterung von ihm war ja kaum auszuhalten. So drückte ich ihm grob die Decke und einen Korb in die Hände. „Das wird unser erstes Date“, murrte ich zurück und deutete mit einem Kopfnicken in eine Richtung. „Also folge mir einfach und lass dich überraschen.“
 

Sora war irgendwie nicht ganz so überzeugt von meinen Worten, gehorchte mir aber, sodass wir bald an unserem Ziel ankamen. „Oh“, rief er entzückt auf und blieb stehen, um sich die Umgebung genau anzuschauen. Um ein Haar wäre ich in ihm hinein gerannt, doch störte es mich nicht, da mein Blick nur auf seinem Gesicht ruhte, in dem diesmal eine ehrliche Überraschung zu sehen war. „Gefällt es dir?“

„Es ist wunderschön.“ Staunend öffnete er seinen Mund und in seinen großen Augen spiegelten sich die Lichter wider.

Ein Date

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Augenblicke

Irgendwann in der Nacht fuhren wir zurück zu meiner Wohnung und ich hielt noch immer seine Hand, als wir das Schlafzimmer betraten. Träge zog er sich aus und legte sich einfach in das Bett. Dabei griff er wieder nach meiner Hand und führte mich auf die Matratze, damit ich neben ihn legen konnte. Während er sich an mich kuschelte und hin und wieder schniefte, lag ich da und starrte nachdenklich an die Decke. Zu viele Dinge gingen mir durch den Kopf und alle betrafen Sora und das, was passiert war.
 

Plötzlich ergab es einen Sinn, wenn auch noch nicht alle Puzzlestücke zusammengesetzt waren und ich konnte auch Roxas plötzlich verstehen, das er mir gegenüber so eine Abneigung hatte. Für Roxas war ich wie die anderen Typen, die ihn nur benutzt hatten und nachdem was Sora erzählte, war es nur logisch, das er seinen Bruder nur beschützen wollte. Nur war mir nicht klar, warum er in dem Viertel wohnte und Roxas sich so viele Sorgen um ihn machte. Aber ich war davon überzeugt, dass auch dieses Geheimnis gelüftet werden würde.
 

„Riku?“, hörte ich seine brüchige Stimme.

„Hm?“

„Es tut mir leid.“

„Das sollte es auch“, brummte ich.

Sora lachte hell auf. „Trotzdem war es ein guter Test“, freute er sich.
 

Ich schaute zu ihn hinab, konnte aber nur sein braunes Wuschelhaar erkennen. Trotzdem schien er irgendwie zu spüren, dass ich ihn beobachtete, denn er hob seinen Kopf, um mich grinsend anzusehen. „Ich hätte nie gedacht, dass du da mitmachen würdest. So war es ein guter Test.“ Ich lachte humorlos auf und verdrehte meine Augen. Doch Sora sah mich weiterhin zufrieden an und nickte mit einem anzüglichen Lächeln. Als es auftauchte, fiel meine Hand grob auf seinen Kopf und schob ihn wieder zurück auf meine Brust, damit ich es nicht mehr sehen musste. Dieses muntere Geplänkel war eigenartig und störend, als wenn er schnell von dem eigentlichen Ereignis im Auto ablenken und wieder zu unserem alten Zusammensein übergehen wollte. Nur gingen mir diese Dinge nicht mehr aus dem Kopf, während Sora sie gut überspielen konnte. So guckte er mich albern an, obwohl man an seinen Augen sehen konnte, dass er geweint hatte.
 

„Lass uns einfach schlafen“, murmelte ich, ohne auf seine Grimassen einzugehen. Er sah ein bisschen enttäuscht aus, gehorchte aber und schob sich etwas höher, um sein Gesicht an meinen Hals zu schmiegen. Eine Weile lagen wir eng umschlungen da und ich hatte schon fast geglaubt, dass er eingeschlafen war. Dementsprechend erschrocken war ich, als ich seinen Atem an meinem Ohr spürte. „Egal wie dieses Abenteuer ausgehen wird, ich bin froh, dass ich dir begegnet bin.“ Ich erschauderte bei seinen Worten und drehte träge meinen Kopf ein bisschen, um ihn auf die Stirn zu küssen. „Ich auch“, murmelte ich, „schon allein, weil ich so einen Menschen wie dir noch nie begegnet bin. Irgendwie gibt es in deiner Nähe einfach keine Ruhe.“
 

Sora gluckste. „Du schaffst es auch immer wieder, jeden Moment zu zerstören. Aber ich sehe es einfach mal als Kompliment an, dass ich in dein Leben ein bisschen Schwung bringe.“

„Das war kein Kompliment“, brummte ich.

Sora bettete seinen Kopf neben mir auf das Kissen und durch die Straßenlampen von draußen, dessen Licht in unser Schlafzimmerfenster fiel, konnte ich ihn noch immer grinsen sehen. „“Dein Talent liegt jedenfalls nicht darin, nette Dinge zu sagen und wenn mal was nettes aus deinen Mund kommt, war es unabsichtlich und hört sich trotzdem noch böse an. So muss ich mir wohl aus deinen Worten das beste heraus picken.“
 

Ich brummte. „Viellicht hat Rox einfach nur Recht und ich bin genauso falsch wie die anderen vor mir auch.“ Soras Augen weiteten sich, nachdem ich diesen Satz ausgesprochen hatte. Er wirkte wirklich erschrocken, brauchte etwas länger, um sich zu erholen und mich wieder anlächelte. Dann schüttelte er sacht seinen Kopf. „Ich bin davon überzeugt, dass es was wird“, erwiderte er und piekte mir mit den Fingern über die Brust. „Dort ist ganz versteckt dein kleines Herz, das ich selbst mit meiner rüpelhaften Art berühren konnte. Deine Blicke und deine Gesten zeigen es mir ganz deutlich; auch wenn du deine eigene und kompliziertere Art hast es mir zu zeigen.“
 

Ich blieb still, war erstaunt über seine Zuversicht, da ich nicht wirklich dazu fähig war, meine Gefühle direkt zu zeigen. So viel Geduld hatte ich ihm nicht zugetraut. Doch wie lang er noch geduldig sein und mich ertragen können? Vielleicht hatte er Recht und ich sollte wirklich den Augenblick genießen, bis sich Sora jemand anderes suchte, der offener war und nicht so lange brauchte, um Dinge zu tun, die Paare nun mal taten. Dabei ging es nicht mal nur um Sex, sondern um die alltäglichen Dinge, die verliebte nun mal so taten. So bestand unsere Beziehung nicht mal aus Liebe. Sora gab sich damit zufrieden, schmiegte sich beinahe trotzig an mich, um endlich einzuschlafen. Ich selbst brauchte lange, um selbst einschlafen zu können. Zu viele Gedanken gingen mir durch den Kopf, wurden zum alltäglichen Ritual, seit ich Sora begegnet war.
 

Als ich am nächsten Morgen erwachte, stieg mir der Geruch von gebratenen Speck und Eier in die Nase. Träge richtete ich mich auf, fuhr mir mit der Hand über mein Haar und lächelte leicht, als ich den schiefen Gesang meines Blumenkindes hörte. Dabei wurde mir bewusst, dass es mir gefiel, so aufzuwachen und die Stimme des anderen zu hören. Noch ein bisschen Schlaftrunken schlürfte ich in die Küche und blieb am Türrahmen lehnend stehen, um Sora dabei zu zusehen, wie er am Herd herum hantierte und das Frühstück zubereitete. Wiedermal dudelte dabei das Radio, doch diesmal hatte er es auf eine angenehme Lautstärke gestellt.
 

Er trug nur seine Pyjamahose, seine Haare, die noch immer wild von seinem Kopf ab standen. Unbekümmert rüttelte er an der Pfanne herum, während ich ihn nur still beobachtete und nicht mal bemerkte, dass ich ihn schon anstarrte. „Du lächelst“, stellte Sora munter fest. Verblüfft guckte ich ihn an, doch er achtete nur auf seine Tätigkeit. „Es ist schön, gefällt mir, wenn du lächelst.“ Er stellte die Herdplatten ab und lief langsam auf mich zu, um seine Hände auf meine Brust zu legen und sich zaghaft auf seine Zehenspitzen zu stellen. Sanft legte er seine Lippen auf meine und lächelte in den Kuss hinein, als ich meine Arme um ihn schloss.
 

Ich mochte, wie sich seine weiche Haut unter meinen Händen anfühlte und seine wundervollen Lippen, die meine berührten. Es fühlte sich richtig an und nichts erinnerte in diesem Moment daran, was gestern Abend passiert war. Nichts, außer vielleicht die geröteten Augen von Sora, die mich nun glücklich anstrahlten. „Hm, ich könnte mich an so was gewöhnen“, schmunzelte ich. Sora kicherte und spielte mit einer Strähne meines Haares. „Gewöhne dich nur nicht daran. Ich habe nicht vor, für dich hier den Hausmann zu spielen und dich zu bekochen und den Haushalt zu führen.“
 

„Aber du bist so gut darin“, protestierte ich, „außerdem musst du ja irgendwas machen.“

Soras Kopf fuhr von mir weg, als ich ihn wieder küssen wollte und guckte mich abwertend an. „Diese Rollenverteilung ist albern!“

„Aber sinnvoll“, warf ich mit belehrenden Blick ein.

Sora zog eine Schnute. „Aber es ist so ein Schubladendenken!“

„Gut“, meinte ich belustigt, „dann übernehme ich eben das Kochen und wenn du mich wirklich magst, wirst du es auch essen.“

Er machte ein angeekeltes Gesicht und schüttelte energisch seinen Kopf. „Es ist kein Liebesbeweis, wenn ich nach dem Verzehr deines Essens elendig verrecke. Das lassen wir mal lieber, dazu mag ich mein Leben viel zu sehr. Außerdem wärst du dann ganz allein und was würdest du nur ohne mich machen?“
 

„Jemanden suchen der weniger nervt?“, vermutete ich trocken. Sora schmollte, doch ich achtete nicht darauf und ließ lieber meine Hände über seine Hinterseite wandern, dass mit einem kleinen, quiekenden Laut belohnt wurde, als ich in seinen Hintern kniff. „Bei deinem Charme läuft dir nicht mal ein streunender Hund hinterher.“

„Das ist auch gut so, ich mag keine Hunde. Sie sind laut und haben Flöhe.“ Sora schob sich etwas von mir weg und verdrehte spöttisch die Augen. „was magst du überhaupt? Alles ist entweder zu laut oder nervt dich.“ Bei seinen Worten bekam ich eine Idee, sodass Sora bei meinem Gesichtsausdruck skeptisch guckte. Doch ließ ich mich davon nicht beirren und grinste ihn weiterhin mit funkelnden Augen an. „Weißt du noch, was du mir an unseren zweiten Abend gesagt hast?“
 

„Nein.“ Ich seufzte und strich ihm eine braune Strähne aus dem Gesicht, die sich dorthin verirrt hatte. Dabei schaute ich ihm in sein skeptisch drein blickendes Gesicht. Seine Lippen waren gespitzt, als er meinen Blick erwiderte. „Dir gefielen meine Fotos nicht, die ich von dir gemacht hatte. Da du meintest, wir sollten neue machen, könnten wir dies auch tun.“ Sora lachte hell auf, wirkte merkwürdig erleichtert über meinen Vorschlag. Ich blinzelte ihn fragend an, doch er hatte sich bereits von mir abgewandt, um wieder zum Herd zu gehen und sich zu bücken, um zwei Teller aus dem Schrank zu holen. Dabei hatte ich einen schönen Blick auf seinen Hintern. Doch viel zu schnell hatte er sich wieder aufgerichtet und deckte den Tisch.
 

Es war noch immer ein merkwürdiges Gefühl, nicht mehr allein Frühstücken zu müssen, doch ich genoss es regelrecht die Gesellschaft von Soras, der munter drauf los plauderte und dabei fast sein eigenes Essen vergaß. Mit vollen Wangen redete er und hätte irgendwelche Vorschläge, was wir noch so machen konnten. Ich hörte ruhig zu, lächelte in mich hinein und freute mich einfach, über seine ehrliche Fröhlichkeit. Langsam bekam ich das Gefühl dafür, wann er seine Fröhlichkeit nur spielte und wann sie echt war.
 

Als wir mit dem Frühstück fertig waren, machte sich Sora an den Abwasch, während ich meine Morgentoilette erledigte und mich für die Arbeit umzog. Ich mochte gar nicht gehen, wollte lieber weiterhin bei Sora bleiben und mit ihm den Tag verbringen, anstatt in dem stickigen Büro zu sitzen. Dementsprechend lustlos ging ich wieder zurück zu Sora, der inzwischen den Abwasch beendet hatte und nun tatenlos im Raum rumstand. Er schmollte ein bisschen, als er zu mir aufsah. So lief ich zu ihm, um ihm einen Kuss auf sein Haaransatz zu hauchen.
 

„Wir sehen uns heute Abend?“, fragte ich.

Sora nickte. „Klar, ich habe heute nichts vor.“

Ich stutzte und schob ihn etwas von mir weg, um ihn verwirrt anzuschauen. „Willst du nicht ins Viertel gehen, um deine Freunde zu besuchen?“

Sora schüttelte eigenartig traurig seinen Kopf. „Nachdem was vorgefallen war, halte ich es für keine gute Idee.“

Ich seufzte. „Es sind deine Freunde.“

„Ja“, murmelte er bitter, „aber ich möchte sie lieber nicht sehen.“

„Angst vor Leon?“
 

Sora schüttelte wieder seinen Kopf und guckte mich böse an. „Er war gemein.“

Ich strich ihm über die Wange und lächelte ihn aufmunternd an. „Bei dem was er sagte, war seine Skepsis mir gegenüber berechtigt.“ Sora brummte. Meine Worte waren anscheinend nicht die, die er gerne hören wollte. Doch hatte ich nicht vor, ihm beizustehen, wenn es nicht berechtigt war. Schließlich wollte ich ihm nicht nach den Mund reden, nur um ihn zu gefallen. Das passte ihm ganz und gar nicht und das zeigte er mir natürlich deutlich. „Konfrontation ist nicht gerade deine Stärke“, brummte ich.
 

Sora guckte mich nicht gerade begeistert an, sagte aber nichts. „Hab einen schönen Tag“, seufzte ich und legte meine Hände auf seine Wangen, um seine Lippen zu küssen. Als ich mich wieder von ihm löste, versuchte er sich an einem Lächeln, das ihn nicht wirklich glückte. „Werde ich haben“, murrte er und guckte sich unschlüssig um. „Hier gibt es bestimmt etwas, was ich machen könnte.“ Seine Worte klangen ironisch, doch ich erwiderte lieber nichts dazu. So verabschiedete ich mich von ihm, um nun endgültig zur Arbeit zu fahren.

neue Freunde?

Der Vormittag verlief langsam, obwohl ich mein bestes tat, um diese Zeit so schnell wie möglich vergehen zu lassen. Doch trotz der vielen Arbeit wollte dieser dumme Tag einfach nicht vergehen. Umso erfreuter war ich, als um die Mittagszeit die Tür auf flog und mein trister Alltag durch ein helles Lächeln erstrahlt wurde. Sora warf mit einem lauten Knall die Tür wieder zu, nur um gleich darauf zu mir zu laufen und auf meinem Schoß zu hopsen.
 

„Hallo“, grinste er. Ich lächelte ihn erfreut an und küsste ihn. Mein Blick fiel auf die Sonnenbrille, die ich ihn gegeben hatte und nun trug. Ein kleines Gefühl der Schuld keimte in mir auf, als ich sie sah und ich konnte nur hoffen, dass es das letzte Mal sein würde, das er die brauchte, um seine geröteten Augen zu verstecken. Ich mochte es überhaupt nicht, wenn seine schönen blauen Augen hinter diesem hässlichen Ding verborgen waren. „Ich dachte, ich besuche dich mal. Zu Hause war es so langweilig und so können wir wenigstens zusammen zu Mittag essen.“
 

Ein warmes Gefühl stieg in mir auf, als ich ihm das sagen hörte und mit einem Lächeln küsste ich ihn erneut. „Hast du was mitgebracht?“

Sora guckte mich mit erhobener Augenbraue an und schnaufte empört. „Erinnerst du dich daran, was ich dir erst heute Morgen gesagt habe? Ich bin nicht dein Hausmann! Ich dachte, wir würden in der Cafeteria essen.“ Ich schluckte hart, dachte an meine Kollegen, die wahrscheinlich um diese Zeit auch essen gingen. Ich mochte den Gedanken nicht, dass sie ihn sehen könnten und noch weniger gefiel mir, das wir mit ihnen essen müssten. Doch diese aufdringlichen Leute würden wohl nicht eher Ruhe geben, bis wir uns zu ihnen setzten. So musste ein Plan her, um Sora von dieser Idee abzubringen.
 

„Wir könnten auch auswärts essen gehen. Die Cafeteria ist nicht so besonders und es ist viel zu laut. Zudem schmeckt das Essen dort nicht mal.“

Sora guckte mich ungläubig an. „Erinnerst du dich noch daran, dass ich hier mal gearbeitet habe? Ich kenne die Cafeteria und weiß, wie das Essen dort schmeckt.“ So leicht wollte ich nicht aufgeben, auch wenn ich es wirklich für einen kurzen Moment vergessen hatte, wollte ich ihn weiterhin umstimmen. „Dann weißt du ja wie schlecht diese Idee ist. Außerdem, willst du es wirklich riskieren, Axel zu begegnen?“ Perfekt, mit dieser Karte des Triumphs würde ich ihn kriegen! Glaubte ich jedenfalls so lang, bis ich seinen Blick sah.
 

Gleichgültig hob er seine Schultern und sah mich forschend an. „Suchst du etwa gerade nach einer Ausrede, damit du dich nicht mit mir zeigen brauchst?“

Ich schnaubte verächtlich. „Natürlich nicht. Doch bist du doch derjenige, der bei meinen Kühlschrank bereits rum gemäkelt hatte; da kann dir der Fraß auch nicht gefallen.“ Sora hob trotzig seinen Kopf und guckte mich entschlossen an – kein gutes Zeichen, wie ich schon bald fest stellen sollte. „Gut, nun riskiere ich es erst recht!“, meinte er und fügte begeistert hinzu: „Außerdem möchte ich die Leute kennenlernen, mit denen du deine Mittagspause verbringst.“
 

Irgendwie schien er da etwas missverstanden zu haben. Doch konnte ich nichts mehr erklären, da er bereits aufgesprungen war und mich dazu aufforderte mit zu kommen. So fand ich mich bald in dem Getümmel der Cafeteria wieder und wie erwartet, konnte ich Demyx bereits wild mit seinen Armen wedeln sehen. Ich hatte gehofft, das Sora es nicht gesehen hatte, da er seit einer gefühlten Ewigkeit damit beschäftigt war, sein Essen auszuwählen. Doch leider war der Musiker zu laut gewesen, so lief Sora vergnügt auf dem Tisch zu, an denen er mit Kairi und Zexion saß. Während der letzter nur kurz aufsah, um den Brünetten wenig interessiert zu begrüßen, hatte Kairi dieses merkwürdig neugierige Funkeln in den Augen, das einfach nichts Gutes zu bedeuten hatte. Ich sollte aufpassen, was die beiden sich zu erzählen hatten, da sie bereits munter drauf los redeten und Sora nicht zu viel ausplaudern sollte. Schließlich war Soras Mund schneller als sein Gehirn und ich wollte einfach nicht, dass er zu viel von uns verriet – am besten gar nichts – wenn es nach mir ging. Schließlich kannte ich ihre Tratsch runde bereits und wollte nicht als Futter dafür enden. Dabei machte es mir ebenfalls Angst, das nun auch Demyx an diesem Gespräch teil nahm und alle durcheinander redeten.
 

Soras „Wir haben dich auf dem Sommerfest spielen gesehen. Du bist wirklich gut! Ausruf war noch der harmloseste Satz – dachte ich jedenfalls, bis Demyx etwas sagte, was mich warnend auf den Brünetten sehen ließ. „Oh Danke, kannst du selbst ein Instrument spielen?“ Sora schüttelte traurig seinen Kopf. „Wenn du willst, kann ich es dir beibringen auf der Sitar zu spielen.“ Natürlich war Sora sofort begeistert und bejahte es. Ebenso zufrieden grinste Demyx ihn an und deutete mit einem Augenrollen auf seinen Freund, der nur teilnahmslos neben ihm saß und in seinem Buch las. Irgendwie beneidete ich ihn für seine Ignoranz.„Endlich jemand, der meine Musik zu schätzen weiß!“, rief Demyx erfreut aus. „Mein Freund hier trifft nicht mal einen Ton oder kann sich überhaupt eine Melodie merken. Dementsprechend desinteressiert ist er, wenn es um meine Musik geht.“
 

Sora kicherte. „Es gibt einfach zu viele Menschen die nicht offen genug dafür sind, um die Schönheit der Musik zu erkennen“, meinte er mit einem Seitenblick auf mich.

„Ja“, rief der andere wehleidig aus, „wie Recht du doch hast!“ Ich ließ sie einfach reden und kümmerte mich um mein Essen. Schließlich hatte ich Hunger und war auch dafür hier, um zu essen. Nur konnte ich nicht richtig abschalten, da die drei sich anscheinend viel zu erzählen hatten und einfach nicht aufhören wollten zu reden. Ich hätte eigentlich wissen müssen, dass sich Sora gut mit ihnen verstehen würde. Aber schließlich konnte ich ja nicht alles vorhersehen und mich vor allem schützen.
 

„Du lebst in diesem Viertel?“, fragte Kairi nun. Sora guckte mich erst unschlüssig an, als müsste er erst prüfen, ob ich damit einverstanden wäre und bejahte dann Kairis Frage. Diese schaute kurz irritiert, um ihn dann wieder freundlich anzulächeln. „Das muss schön sein dort zu leben“, murmelte sie träumerisch. „Frei und unabhängig sein und sich nicht den Gesetzen der Großstadt anpassen zu müssen.“
 

„Ja, es ist ganz nett dort“, stimmte Demyx zu, doch muss man nicht so leben um frei zu sein. Es geht auch anders. Ich kann schließlich auch so sein wie ich will, ohne dort zu leben. Es hat was mit dem Herzen zu tun und dem Gefühl, was einem selbst wichtig ist. Wenn man dort zu Besuch ist, ist es ganz schön. Aber ich möchte dort lieber nicht so leben – dazu mag ich das Großstadtleben zu sehr. Dieses nicht materielle Leben würde mich verrückt machen.“
 

„Noch verrückter?“, brummte Zexion spöttisch. Er sah erst ein bisschen auf, als sich Demyx albern an seinem Arm schmiegte und mit Hundeblick zu ihm aufsah. „Deshalb magst du mich doch so sehr. Gerade weil ich so bin, wie ich bin.“ Er klimperte demonstrativ kokett mit seinen Wimpern und grinste, als sein Freund bei seinen Benehmen die Augen rollte. „Oder weil ich keine Fluchtmöglichkeiten habe um von dir loszukommen. Du würdest mir überall hin folgen, sodass ich nicht Mal eine Chance hätte, von dir wegzukommen.“ Dieser grobe Kommentar brachte Demyx zum schmollen und ein kleiner Schlagabtausch begann, den ich aber nicht mehr folgte.
 

Irgendwie kam mir die Szenerie viel zu vertraut vor. So guckte ich mächtig irritiert, als ich das Paar beobachtete. Sora ging es ähnlich und grinste vielsagend, als ich ich mich ihm skeptisch zuwandte. Ich wusste nicht was dieser Blick zu bedeuten hatte. Vielleicht sollte es auch nur ein Beweis sein, das wir dasselbe wie das Paar haben könnten, wenn ich es nur zu ließ. Anders war es mir nicht zu erklären, das Sora sie fragte, wie lang sie denn schon zusammen waren. Demyx Gesicht erhellte sich sofort und ein dummes Grinsen formte sich auf seinen Lippen. „Fünf Jahre“, kicherte er.
 

„So lange habe ich es schon mit dir ausgehalten?“, brummte sein Freund erstaunt. Demyx nickte übertrieben. Wieder gab mir Sora diesen Blick, von dem ich nicht wusste, was es zu bedeuten hatte. Nur wurde er diesmal schnell wieder abgelenkt, als eine Frage auftauchte, die Soras Mundwinkel schnell wieder nach unten wandern ließ. „Aber ich glaube, ich habe dich schon mal in den Viertel gesehen. Ich spiele ja da öfter. Bist du eigentlich noch immer mit diesem Typen zusammen? Wie hieß er noch gleich?“ Demyx überlegte eine Weile angestrengt, bis er Sora erwartungsvoll ansah, als würde er ihn die Antwort geben können. Einen Seitenblick später und ich wusste, dass er zwar ebenfalls darüber nachdachte, aber auf kein Ergebnis kam.
 

Unsicher schaute er zu mir, kaute auf seiner Unterlippe herum, als er versuchte, meinen Blick zu deuten. Mich sollte es nicht mal wundern, das er es nicht wusste, da ich mir bereits dachte, dass er schon genug Liebhaber hatte, um den Überblick zu verlieren. Schließlich war ich nicht dumm. Aber es so gnadenlos serviert zu bekommen, war dann doch etwas zu viel für mich. Vor allem, weil es ziemlich viele sein mussten, wenn er nicht mal mehr die Namen wusste. Demyx Gesicht wurde unsicher, als seine Augen zwischen uns hin und her huschten.
 

„Jack“, sagte Sora endlich und eigenartig erleichtert darüber, dass ihm endlich der Name einfiel.

„Ja genau! Was macht er jetzt?“

„Ich weiß nicht“, gab der Brünette zu. „Wir haben uns getrennt und seit dem auch keinen Kontakt mehr.“

„Oh, das tut mir leid“, meinte Demyx bedauernd.

Sora hob nur gleichgültig die Schultern. „Es hat einfach nicht funktioniert. Er war einfach nicht der richtige.“
 

Ein betretenes Schweigen am Tisch, während um uns herum munteres Geplauder und Geklapper zu hören war. Ich hatte erwartet, dass dieses Thema damit beendet sei, doch Kairi meldete sich wieder zu Wort, um meine Hoffnung zu zerstören. Wie erkennt man denn bitteschön, ob es der richtige ist?“

„Man fühlt es einfach“, erwiderte Sora überzeugt, „und wenn einem der Partner nach einer Zeit langweilt, war es eben nicht der richtige. Ich denke, nach einer Weile kann man schon erkennen, ob er einem auf die Nerven geht oder eben nicht. Man muss sich einfach verstehen und füreinander da sein.“
 

„Wie lang war denn deine längste Beziehung?“, fragte nun Zexion mit mehr als nur einem skeptischen Blick. Anscheinend kamen ihm Soras Worte ein wenig zu absurd vor. Diese Frage machte den kleinen etwas verlegen und unsicher. So kaute er wieder an seiner Unterlippe herum und ließ sich Zeit mit der Beantwortung der Frage. Scheinbar gefiel ihm der Verlauf des Gesprächs ebenso wenig wie mir. Seine fröhliche Fassade bröckelte ein bisschen, als er kleinlaut mit einem „ein paar Monate“ antwortete. „Blumenkinder haben es nicht so mit Beziehungen, hm?“, kommentierte Zexion in seiner gewohnt bissigen Art. Demyx stieß ihm seinen Ellenbogen in die Rippen und bedachte Sora mit einem freundlichen Lächeln. Aber auch dies half nicht weiter, um ihn sich besser fühlen zu lassen.
 

„Ich weiß nicht“, versuchte sich Sora an einer Antwort, wobei er mich hilfesuchend anschaute. Ich begegnete seinen Blick, doch wusste ich selbst nicht so recht, wie ich ihm da hinaus helfen sollte. So bewusst wurde mir sein freizügiges Leben noch nicht präsentiert. „Irgendwann wirst du schon dieser Person begegnen, die es schafft, dich an ihn zu binden und dich glücklich zu machen“, meinte Demyx aufmunternd und streckte kurz seine Hand aus, um Soras tröstend zu tätscheln. Dabei deutete er kurz auf mich und brachte Sora dazu leicht zu grinsen.
 

„Vielleicht sollten wir uns einfach mal außerhalb der Arbeit treffen und zusammen ausgehen. So könnten wir uns ein bisschen besser kennenlernen und dir helfen, deinen Mr. Right zu finden“, schlug Kairi vor. Soras Gesicht hellte sich merklich auf und sofort war er Feuer und Flamme für diese Idee. „Oh ja, das können wir gerne machen. Ich liebe es, neue Bekanntschaften zu machen!“
 

„Das wissen wir jetzt auch“, konnte ich mir einen bissigen Kommentar einfach nicht verkneifen. Zexion lachte, während die anderen mich nur etwas verstört anschauten. Jedoch war mir das egal. Dafür war es mir aber nicht so egal, dass mir Sora einen beleidigten Blick zuwarf. „Gut, dann können wir am Wochenende in diese schnuckelige kleine Bar gehen“, nahm Demyx heiter das eigentliche Gesprächsthema wieder auf. „Es wird dir gefallen, Sora. Dort gibt es viele gutaussehende Typen, die dich garantiert sabbern lassen – sie sind wirklich heiß.“ Er grinste breit und wackelte anzüglich mit seinen Augenbrauen. Sora lachte und ihm schien es sichtlich zu gefallen, was der andere so erzählte.
 

Demyx stand erfreut mit seinem Tablett auf. „Ich bin mir sicher, dass wir uns sehr gut amüsieren werden. Du musst mir nur noch deine Adresse geben, damit wir dich abholen können.“ Sora handelte schnell und schrieb seine Adresse auf eine Serviette. Ich schielte auf seine Kritzelei und stellte fest, dass es meine Adresse war. Toll, jetzt wussten sie wo wir lebten und unser Versteck war nicht mehr so geheim, wie ich mir wünschte. Soras fröhliches Grinsen verblasste ein bisschen, als er in mein wenig begeistertes Gesicht sah. Seinen Blick nach zu urteilen, wusste er nicht Mal, warum ich so reagierte. Doch wandte er sich unbekümmert wieder seinen neuen Bekanntschaften zu und verabschiedete sich von ihnen.
 

Genug Zeit für mich, um mich einfach umzudrehen und zu verschwinden. Schließlich waren sie so mit sich selbst beschäftigt, dass sie mein verschwinden nicht mal bemerken würden. Soll er sich doch mit seinen neuen Freunden vergnügen und mit ihnen ausgehen, damit sie noch mehr Gründe haben, um neue Gerüchte in die Welt zu setzen. Mir gefiel der Gedanke nicht, doch war Sora alt genug um selbst entscheiden zu können, was er tat. Es lag in seiner Hand und ich würde ihn ganz sicher nicht beschützen. Die reale Welt war da und Sora würde sie wohl so kennenlernen müssen.

ernste Worte

Als die Tür polternd geöffnet wurde, erinnerte ich mich wieder daran, dass ich mir noch einen Schlüssel für mein Büro besorgen wollte. Diese spontanen Besuche ärgerten mich, so würde es eine fantastische Idee sein, um diese zu umgehen. Aber statt Sora, betrat Axel mein Büro und legte mir nur schweigend ein paar Unterlagen in meine Ablage. Ich schielte darauf, während Axel weiterhin interessiert auf seine Papiere in der Hand blickte und wieder Richtung Tür lief, um mein Büro zu verlassen.
 

Verblüfft starrte ich ihn an. „Hast du nicht was vergessen?“, brummte ich und erlangte so seine Aufmerksamkeit. Axel drehte sich irritiert zu mir um und ließ seine Unterlagen in seiner Hand sinken.

„Was sollte ich vergessen haben?“, fragte er ehrlich überrascht. Ich beugte mich vor und sah ihn prüfend an. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, ihn anzusprechen, da ich mir mal wieder wie ein Idiot vorkam. „Also?“, hakte er nach, nachdem ich ihm nicht antwortete.
 

„Vergiss es einfach.“

Axel grinste schelmisch und drehte sich ganz zu mir um, um sich auf die Kante meines Tisches zu setzen. „Also, wo drückt denn der Schuh?“

Ich murrte grimmig und schellte mich selbst aus, weil ich überhaupt was gesagt hatte. „ich dachte nur“, begann ich und seufzte. „Das irgendwie was von dir kommen würde. Schließlich sagst du immer was, wenn du hier bist. Da ist es ungewohnt, wenn es dann wirklich nur um die Arbeit geht.“
 

Axel schaute mich ungläubig an und grinste dann. „Vermisst du mich etwa?“, scherzte er. „Oder hast du dich einfach nur dran gewöhnt jemanden zu haben, mit dem du reden kannst?“ Seine Worte machten mich stutzig, hatte ich doch damit absolut nicht gerechnet. Aber es könnte vielleicht wahr sein, da ich in dieser schwierigen Zeit wirklich jemanden brauchte, mit dem ich reden konnte. Natürlich würde ich das niemals zugeben, doch war ein kleines Fünkchen Wahrheit dran. Schließlich hatte ich sonst niemanden, mit dem ich über so was reden konnte.
 

Axel lächelte mich freundlich an und gab mir ein Zeichen, das ich ihm antworten sollte. Doch tat ich es nicht sofort, da es mir irgendwie peinlich war, das ich Ansprüche an ihm erhob. Schließlich waren wir nicht mal Freunde und Axel auch nichts weiter als mein Chef, der auch zufällig der Freund von Soras Bruder war und mir ein bisschen half, mit der Tatsache klar zu kommen, dass ich Gefühle für Sora hatte. Vielleicht waren seine Verkupplungsversuche etwas hinterhältig und plump gewesen, aber es änderte nichts daran, das er mir dabei geholfen hatte.
 

Axel seufzte nach einer Weile des Schweigens. „Okay, was ist passiert?“

Ich zuckte mit meinen Schultern. „Nichts besonderes. Nur ein seltsames Gespräch zwischen Demyx und den anderen über Sora. Ich muss mich wohl einfach dran gewöhnen, das Sora in der Vergangenheit ein kleines Flittchen war und sich durch die Gegend gevögelt hat.“ Axel schnalzte unerwartet mit seiner Zunge und blickte mich überraschend verärgert an. Ein Blick, der mir etwas Angst machte, der mir etwas Angst machte, da ich immer dachte, dass er genau derselben Meinung war. Laut klatschte er mit seiner Hand auf den Tisch und beugte sich zu mir vor, um mich mit seinen grünen Augen böse an zu funkeln.
 

„Vielleicht ist das so – vieles spricht jedenfalls dafür. Nur erinnere dich dran, was ich dir in deiner Wohnung gesagt hatte. Nicht alles ist auf den ersten Blick einsehbar und sofort offensichtlich. Sora trägt sein Herz am rechten Fleck – auch wenn es nicht immer so gut ist, es so offen vor sich her zu tragen. Doch ist er noch immer ein guter Mensch und er ist es wert, um ihn zu kämpfen.“ Er machte eine Pause, um mich prüfend anzusehen und meine Reaktion auf seine Worte zu sehen. „Er mag dich und du magst ihn. Also wo ist das Problem? Sei nicht so ein verdammter Sturkopf und lass es einfach zu, das man dich liebt. Dabei spielt seine Vergangenheit nicht mal eine allzu große Rolle, schließlich kann es auch sehr nützlich sein jemanden zu haben, der schon Erfahrung hat.“
 

Ich rollte die Augen, doch er schüttelte nur belehrend seinen Kopf. „Ich meine es ernst, Riku“, sagte er daraufhin. „Es gibt nicht viele Menschen, die so lange bei ihm geblieben sind oder die Sora so lang bei sich haben wollte. Außerdem wird es ihm gut tun jemanden zu haben, der ihn wirklich gern hat.“

„Seine neuen Freunde wollen mit ihm in eine Bar gehen, um ihn bei der Suche nach Mr. Right zu helfen“, warf ich grimmig ein. „Er hat sofort zugesagt, ohne mit der Wimper zu zucken.“
 

„Axel schmunzelte. „Eifersüchtig?“

Ich guckte ihn erschrocken an, nur um energisch mit dem Kopf zu schütteln. „Natürlich nicht. Soll er doch machen was immer er für richtig hält!“

Axel lachte laut auf. „Okay, also doch eifersüchtig.“ Er stand auf und griff nach meinen Stuhllehnen, nur um mir dabei viel zu nahe zu kommen. „Weißt du, Riku. Wenn man nicht miteinander redet, kann es auch nicht funktionieren und nur weil Sora gern Zeit mit deinen Kollegen verbringen möchte, heißt es noch lange nicht, das er sich gleich den nächstbesten Kerl an den Hals schmeißt. Es gibt genug Möglichkeiten warum er das getan hat; du musst nur mit ihm reden, um es herauszufinden.“ Er richtete sich auf und grinste breit, bevor er einen Schritt zur Seite machte und so einen Sora offenbarte, der betreten drein schauend am Türrahmen stand. „Und nun hast du auch die Gelegenheit dazu.“
 

„Wie lang steht er schon da?“, rief ich entsetzt aus. Axel grinste, als er sich aufrichtete und wieder seine Papiere in die Hand nahm. „Lang genug um Potenzial für ein sinnvolles Gespräch zu liefern.“ Er warf einen Blick zu Sora, der vorsichtig ein paar Schritte vorwärts lief und nun verloren im Raum stand. Er sah den Rothaarigen etwas zweifelnd an und kaute auf seiner Unterlippe herum. Bei diesem Anblick verdrehte Axel nur die Augen und schnellte plötzlich zu ihm vor, um ihn forsch an den Schultern zu packen und ihn zu mir zu schieben.
 

„Nun stellt euch doch nicht so an und macht kein Drama daraus“, schimpfte er. „Nicht alles muss so furchtbar kompliziert gemacht werden.“ Sora Beine trafen meine Knie, als er so zu mir geschoben wurde. Doch Axel interessierte es herzlich wenig und verließ, ärgerlich was vor sich hin murmelnd, das Büro. Für einen Moment sah ich ihn ungläubig nach, dann hob sich mein Blick, als Sora zu reden begann. „Ich sag es sehr ungern, aber er hat recht. Du benimmst dich wie eine kleine Diva.“
 

Unschlüssig saß ich da und bedachte ihn mit kritischen Blick. „Es ist ungewohnt und -“

„Ich weiß“, unterbrach er mich seufzend. „Doch solle es langsam mal vergehen – wenigstens ein bisschen. Ich hab das Gefühl, das wenn wir einen Schritt weiter kommen, wird es immer komplizierter mit dir.“
 

„Es ist nicht meine Schuld.“

Sora schnaubte. „Es geht nicht um Schuld, sondern darum, mal eigenständig zu handeln und mir zu sagen, was du willst. Was du nicht willst hast du mir ja schon oft genug gezeigt. Nur solltest du auch mal die Initiative ergreifen und nicht nur mir überlassen, unsere Freundschaft zu intensiven.“ Ich guckte ihn betroffen an, hörte einfach nur zu, was er mir zu sagen hatte. Dabei versuchte ich mich zurückzuhalten, nicht auf mein wild klopfenden Herz zu achten. Diese ernste Situation überforderte mich, doch wurde ich den bohrenden Gedanken nicht los, dass er auf was anderes hinaus wollte.
 

So blinzelte ich ihn zweifelnd an, legte meine Hände auf seine Hüften, um ihn rittlings auf meinem Schoß zu ziehen. Dabei wanderten meine Finger weiter nach vorn und nestelten an dem Bund seiner Hose herum. Zuerst guckte er mich misstrauisch an, dann griffen seine Hände die meine und hielten sie bei ihrer Tätigkeit auf. „Was ist los, Sora?“, rief ich etwas zu forsch aus. „Ist es nicht das was du wolltest? Ein bisschen Sex, damit ich mal die Initiative ergreife? Darum geht es dir doch oder nicht?“ Er wehrte sich, sagte mir immer wieder, das ich aufhören sollte.
 

So ließ ich von ihm ab und legte meine Hände auf seine Wangen, damit ich seinen Kopf etwas anheben konnte und er mir in die Augen sehen musste. „Ich bin nicht einer dieser Typen, die dir irgendwas vorgegaukelt haben, damit du für sie die Beine breit machst und ganz sicher bin ich nicht einer dieser Männer, die mit dir spielen wollen. Also höre auf, es mit mir tun zu wollen – dafür ist diese ganze Situation noch viel zu neu für mich und ich würde das ganze sicher nicht tun, wenn du mir nicht etwas bedeuten würdest.“
 

Eindringlich sah ich ihn an, war viel zu aufgewühlt über seinen schockierten Anblick um zu realisieren, was ich gerade gesagt hatte. Dafür veränderte sich sein Gesichtsausdruck und mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen, sah er mich an. „Ich... .“ Er seufzte und wandte seinen Blick ab, als er seinen Satz noch mal anfing. „Vielleicht haben sich meine anderen Beziehungen doch ein wenig geprägt. Ich versuche doch nur, so viel Zeit wie möglich mit dir zu verbringen und diese gemeinsame Zeit mit schönen Dingen zu füllen, bis du dich doch umentscheidest und mich verlässt.“ Dieses offene Geständnis berührte mich. So wanderten meine Hände auf seinen Rücken, damit ich ihn an mich ziehen konnte.
 

So hörte ich sein leicht stockendes Atmen, als er seinen Kopf auf meiner Brust ruhen ließ. Seine Finger, die sich in meinen Shirt festhielten. „Ich kann dir nicht versprechen, das unsere Freundschaft halten und aus uns mehr wird – dazu habe ich nicht dieses romantische Denken. Doch bin ich glücklich darüber, dir begegnet zu sein und hoffe, dass es lange genug anhält. Ich bin nicht gerade der einfachste Mensch, so wirst du wahrscheinlich bald die Nase voll von mir haben.“ Bei meinen Worten bewegte er sich ein bisschen und hob seinen Blick, um leicht seinen Kopf zu schütteln.
 

„Das werde ich nicht!“, sagte er überzeugt. „Vertraue mir einfach, das wird nicht passieren.“ Ich strich ihm vorsichtig mit den Fingern unter die Augen, um die glitzernden, einzelnen Tränen davon zu streichen. Er schmiegte sich in dieser kleinen Geste und lächelte. „Wenn ich dich weiterhin zum weinen bringe solltest du wohl recht behalten, denn dann wird mich dein Bruder lynchen.“ Sora kicherte und strich sich ungeschickt eine Strähne aus der Stirn. „Und wenn du nicht weiter arbeitest, wird dich Axel noch kündigen. Irgendwie halte ich dich ständig von der Arbeit ab.“
 

Er wollte sich von meinen Schoß schieben, als er sich doch umentschied und mich ernst anguckte. „Ich wollte dich damit nicht ärgern, sondern nur deine neuen Freunde kennenlernen und ein Teil davon sein. Außerdem hielt ich es für eine gute Idee, mal ein bisschen auszugehen und einfach nur ungezwungen mit dir und den anderen zu handeln. Mir scheint, dass du nur hinter verschlossenen Türen deine Kontrolle abgibst und lockerer bist. Wie kommt das?“ Mit ehrlichen Interesse sah er mich an, doch konnte ich nur verwirrt zurück sehen, da ich keine Antwort darauf wusste. So hob ich nur meine Schultern und gab ihm keine Antwort darauf.
 

Dafür grinste ich ihn diebisch an, als ich meine Arme um ihn schlang und unsere Lippen aufeinander trafen. Vorsichtig bewegten sie sich gegen aneinander, doch wollte Sora schnell mehr und fuhr mit seiner Zunge über meine Unterlippe. Bereitwillig öffnete ich meinen Mund und ließ sie ein, um wieder dieses Prickeln in meiner Magengegend zu fühlen, als sie miteinander spielten. Ein kleines Keuchen kam von meinem Blumenkind, als meine Zunge über seinen Gaumen fuhr und meine Hände seinen Hintern massierten. Etwas außer Atem löste er sich von mir und lächelte. Ich mochte den Anblick seiner geröteten Wangen und den leicht geschwollenen Lippen, als er mich so mit seinen vernebelten Blick anschaute. Es war süß und irgendwie... sexy.
 

Ich beugte mich vor, um einen weiteren Kuss von seinen Lippen zu stehlen, doch er verweigerte es mir einfach und schob seinen Kopf mit einem Grinsen zurück. „Es ist zwar gut zu wissen, das du deine Passivität ablegst, sobald ich in deiner Nähe bin, doch solltest du weiter arbeiten. Sonst hängst du noch nach deinem Feierabend hier rum und ich hab nichts mehr von dir, wenn du dann endlich nach Hause kommst.“ Ich brummte, als er tatsächlich von meinem Schoß rutschte und seine Kleidung zurecht zog. „Seit wann bist du so vernünftig?“, zog ich ihn auf.
 

Sora grinste. „Du färbst wohl ein bisschen auf mich ab. Es ist eine Schande, dich nun verlassen zu müssen, doch hab ich heute Abend noch ein bisschen was mit dir vor.“ Sein geheimnisvolles Lächeln ließ mich ihn verblüfft anschauen. Doch wollte er mir keine weiteren Details verraten und gab mir stattdessen nur einen Abschiedskuss. Etwas was mir so gar nicht gefallen wollte, doch hatte er kein Mitleid mit mir und verschwand einfach. So machte ich mich Notgedrungen an meine Arbeit und fragte mich, was er wohl heute Abend mit mir vor hatte.

Zukunftspläne

Ich hoffte inständig, das Sora meine Worte verstanden hatte und mich nicht halb nackt an der Tür empfangen würde. Es war ja nicht so, das ich diesen Anblick nicht mögen würde, wäre es doch auch das erste Mal, das ich ihn komplett nackt sah. Denn auch wenn wir diese Dinge taten, hatten wir uns noch nie ganz nackt gesehen. Ich stutzte, als ich vom Parkplatz zu meiner Wohnung lief und ließ einige der Momente in meinen Kopf noch mal aufleben. Es stimmte, Sora hatte sich in den letzten Wochen extrem zurück gehalten und es gab nur wenige Situationen, wo er mich intim berührt hatte. Es kam immer von ihm, wurde mir klar und ein anderer Gedanke keimte in mir auf, der mich nicht so schnell wieder los lassen sollte. Was machte ein Kerl, der viel Sex gewöhnt war, wenn er diesen nicht mehr zur Verfügung hatte?
 

Mit dieser Frage in meinem Kopf schloss ich die Haustür auf und stieg die Stufen der Treppe hinauf, um vor meiner Wohnungstür zu halten. Als ich diese aufschloss, kam mir ein wunderbarer Geruch von Essen entgegen. Ich lächelte, als ich Sora in der Küche herum hantieren hörte und wieder mal das Radio lief. Dafür das er nicht mein kleiner Hausmann spielen wollte, war er ziemlich oft in der Küche. Nur würde ich garantiert nicht so dumm sein und es ihm sagen. Schließlich mochte ich seine Kochkünste sehr gern und würde ganz sicher nicht darauf verzichten wollen. So ließ ich ihn in den glauben, dass er es nicht war und genoss einfach das Essen, das er mir jeden Abend zubereitete.
 

Also lief ich schnell in die Küche, um zu gucken, was er uns diesmal gekocht hatte. Als er mich sah, legte er aufgeregt seinen Kochlöffel weg und sprang regelrecht in meine Arme. So stellte ich mir doch eine gute Begrüßung vor. Erst recht, als er mich sanft auf den Mund küsste. Als er so in meinen Armen lag, schielte ich zu den Töpfen und Pfannen, die auf dem Herd standen und dessen Inhalt fröhlich vor sich hin köchelte. Es war eine erstaunliche Menge, die er da zubereitet hatte.
 

„Wow, hast du das echt in der kurzen Zeit alles allein gemacht?“

Sora folgte meinen Blick und nickte stolz. „Ja, inklusive ein Mal zum Supermarkt gehen, um das ganze Zeug zu besorgen.“

Ich stutzte und schob ihn auf Armlänge von mir weg, um ihn prüfend anzusehen. „Hast du nicht gesagt, du wolltest nur noch das Gemüse von Olette besorgen? Ich meine von dir gehört zu haben, dass sie ja das ach so tollste Gemüse haben soll.“
 

Soras Blick verfinsterte sich. „Das Supermarktgemüse muss genügen.“

„Soll das heißen, das du seit dem Streit mit Leon, nicht mehr im Viertel warst?“ Sora guckte trotzig weg und löste sich von mir, um wieder in seinen Töpfen herum zu rühren. So sagte ich warnend seinen Namen und hatte Erfolg, denn er ließ unvermittelt seine Schultern sinken und seufzte theatralischer als nötig auf. „Nein, war ich nicht.“
 

„Warum nicht?“ Sora gab weiterhin vor, furchtbar beschäftigt zu sein und bereitete weiter das Essen zu, sodass ich schon befürchten musste, dass er mir nicht antworten würde. Nur wollte ich es nicht schweigend aus sitzen und redete weiter auf ihn ein, als er nichts sagte. „Sora, es sind doch deine -“

„Freunde und machen sich nur Sorgen um dich! Blablabla“, beendete er bissig meinen Satz. „Ich kann dieses Gelaber schon nicht mehr hören! Außerdem weiß ich besser, wie ich mit meinen Freunden umgehen muss und ich warte ab, bis sich Leon etwas beruhigt hat.“
 

„Meinst du nicht, das er dazu schon genug Zeit, hatte?“ Für meinen Kommentar gab es wieder nur einen bösen Blick von ihm und wenn ich so weiter machen würde, würde er wohl wütend genug sein, um den restlichen Abend nicht mehr mit mir zu sprechen. Trotzdem wollte ich es riskieren und lief auf ihn zu, um von hinten meine Arme um ihn zu legen. „Sora“, flüsterte ich ruhig in sein Ohr, um ihn nicht zu verschrecken. „Du sagtest mir, sie seien deine Familie. So solltest du zu ihnen gehen und sie wissen lassen, das es dir gut geht. Dieses Versteckspiel ist weder gut für dich noch für deine Freunde. Also rede mit ihm und höre dir auch seine Meinung an, anstatt weiterhin so stur zu sein und dich hier zu verstecken.“
 

Sora schnob abfällig und drehte sich ein wenig in meinen Armen, um den Herd auszuschalten. Dann seufzte er und ließ traurig seinen Kopf hängen. „Geht es eigentlich auch mal, das wir nur einen Abend für uns haben, in dem es nicht um meinen Bruder oder meinen Freunden geht? Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass es jemals so gewesen war. Warum geht es eigentlich immer nur um mich?“Seine unbedarfte, trotzige Reaktion brachte mich zum schmunzeln. So schlang ich meine Arme fester um seinen Oberkörper und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Hm, fassen wir mal zusammen: Du lebst in einem Viertel, in dem es nur diese seltsamen Leute gibt, hast aus irgendeinem Grund Streit mit deinen Bruder und verheimlichst Dinge vor mir. Außerdem scheinst du auch keinen Kontakt mit deiner Familie zu haben, da du so gut wie nie über sie redest.“
 

Sora versteifte sich bei meinen Worten ein bisschen, blieb aber still. Ich konnte ihn leicht atmen hören und wie seine Augen hektisch hin und her huschten, als würde er nach einer plausiblen Antwort suchen wollen. Seufzend löste ich mich von ihm und holte zwei Teller aus dem Schrank, um ein wenig vom Thema abzulenken. „Irgendwann wirst du hoffentlich genug vertrauen zu mir haben, um mir deine ganze Geschichte erzählen zu können“, flüsterte ich leise. Aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, wie er schuldig in meine Richtung sah, aber es nicht wagte, mich direkt anzusehen. In seiner Not versuchte er etwas zu finden, um mich und sich selbst abzulenken. Da kam es ihm gerade gelegen, dass das Essen bereits fertig war. So füllte er die Teller auf und schon bald saßen wir und schweigend gegenüber, um zu Essen. Dabei erfüllte nur das Klappern des Bestecks die bedrückende Stille. Sora verzog etwas das Gesicht, als würde ihm die momentane Situation nicht gefallen und schielte vorsichtig zu mir auf. Als unsere Blicke sich trafen, versuchte er sich an einem Lächeln, das ihm aber nicht so recht gelingen wollte.
 

„Würde es dich denn glücklich machen, wenn ich zu Leon gehe und mit ihm rede?“ Seine Stimme war nur ein Flüstern und hörte sich ein wenig brüchig an, als er das fragte.

„Sora, es geht -“

„Ja oder Nein“, unterbrach er mich brüsk.

Seufzend kam ein ruhiges „Ja“ aus meinem Mund.

„Gut, dann gehe ich am Montag zu ihm, wenn du auf Arbeit bist. Nur lass und bitte einen Abend lang einfach nur ein normales Paar sein, das zusammen isst und den ganzen Mist vergessen.“ Ich nickte, obwohl ich nicht wirklich davon überzeugt von dieser Idee war und lächelte ihm zu. Zufrieden erwiderte er mein Lächeln und griff nach seinen Besteck.
 

„Also, wie war dein Tag?“, fragte er nach einer Weile, nachdem wir uns wieder nur an geschwiegen hatten. Ich blinzelte ihn an und war über mich selbst überrascht, wie sehr mir seine Frage gefiel. „Nun“, sagte ich und faltete meine Hände unter dem Kinn zusammen. „Du warst dabei, also erübrigt sich wohl die Frage.“

Sora verdrehte die Augen. „Es muss doch was passiert sein, als ich wieder weg war.“

„Nein.“
 

Der Brünette seufzte und machte ein bedauerndes Gesicht. „Nicht mal Axel war da?“

Ich schüttelte meinen Kopf. „Das ist lahm. Ich schätze, ich sollte wieder mit dir zusammen arbeiten, damit du was auf Arbeit erleben kannst.“

„Es reicht, dich in meinem Privatleben zu haben. Wenn wir noch zusammen arbeiten, könnte es ziemlich anstrengend werden. Außerdem könnte ich dir dann ja nicht mehr von meinem Tag berichten, wenn du eh schon alles weißt.“
 

Sora verengte murrend seine Augen und schmollte ein bisschen. „Aber mir hat es gefallen mit dir zusammen zu arbeiten. Es hat Spaß gemacht und es wäre kein Problem für mich, wieder eingestellt zu werden. Axel tut für Roxas alles, so würde ich meinem Bruder einen Gefallen tun und gleichzeitig bei dir sein.“ Mir gefiel weder die Idee, noch die Tatsache, das Sora wieder mal seinen Bruder dafür benutzen wollte, um seinen alten Job wieder zurück zu bekommen. Doch wollte ich es diesmal cleverer anstellen und biss mir auf die Zunge, um nichts falsches zu sagen. So wandte ich einen kleinen Trick an, um ihn davon abzubringen, seine Idee auch in die Tat umzusetzen, ohne ihn dabei zu verletzen.
 

„Du mochtest diesen Job nicht einmal. Vielleicht solltest du dir stattdessen überlegen, was du gut kannst und was du gerne machen möchtest. Schließlich soll dich der Job auch glücklich machen und dich erfüllen.“ Er guckte mich nachdenklich an, seine blauen Augen, die mich musterten. Seine Lippen waren gespitzt, deuteten ein kleines Schmollen an. „Du willst nicht mit mir zusammen arbeiten“, stellte er enttäuscht fest.
 

„Du verstehst mich nicht. Es geht einfach nur darum was du willst und nicht ich. Du sollst mir keinen Gefallen tun, sondern selbst entscheiden, was du gerne tun möchtest. Deinen eigenen Weg finden sozusagen.“ Sora schmollte noch immer, wollte meine Worte einfach nicht verstehen. In seiner Sturheit merkte er nicht, dass ich es einfach nur gut mit ihm meinte und es nicht hauptsächlich darum ging, das ich ihn nicht überall um mich haben wollte. So stand ich auf und lief zu ihm, um Sora von seinen Platz zu ziehen und mich mit ihm auf dem Schoß zurück auf meinen Stuhl zu setzen. „Es geht nicht darum, das ich dich nicht gern um mich habe“, flüsterte ich in sein Ohr, als er sich schmollend an mich schmiegte. „Sondern nur, das du deinen eigenen Weg gehst und deine eigenen Sachen machst. So könntest du zum Beispiel als Koch arbeiten. Die Leute würden dein Essen lieben.“
 

Sora schüttelte energisch seinen Kopf. „Nein. Ich mag es zwar zu kochen, doch mit Zwang wird aus dieser Leidenschaft wohl nur ein Job, den ich machen muss. Ich mag es gern für dich oder meinen Freunden zu kochen, doch würde es wohl zu einer Qual werden. Ich möchte nicht so werden wie du, der sich jeden Tag zur Arbeit schleppt und dabei schon längst seine Leidenschaft aus den Augen verloren hat.“ Ich guckte ihn etwas verstört an, doch er schmiegte nur sein Gesicht näher an meiner Brust und so blieb mein Blick für ihn verborgen. „Weißt du, deine Bilder sind wirklich schön – wenn man mal von denen im Park absieht. Man sieht, wie ungewöhnlich du deine Motive eingefangen hast und wie sehr du auf Kleinigkeiten achtest. Nur geht dieses Talent irgendwann verloren, wenn man sich nicht weiter entwickelt und versucht mehr zu fotografieren, als nur Rentner oder seltsame Veranstaltungen. Der Job macht dich nicht glücklich, du trampelst nur auf einer Stelle herum und bewegst dich einfach nicht voran, wenn du nicht weiterhin übst. Wann hast du das letzte Mal einfach nur aus Spaß fotografiert?“
 

Ich brauchte einen Moment um zu antworten, da ich mit der Wende des Gespräches nicht so ganz einverstanden war. Davon mal abgesehen, dass ich erst mal selbst überlegen musste, wie lange es schon her war. Ich stöhnte leise auf, als ich eine Antwort fand, dessen Erkenntnis mich wie ein harter Schlag ins Gesicht traf. „Seit Naminè mich verlassen hatte, hab ich auch nicht mehr privat fotografiert.“ Sora hob ein wenig seinen Blick, um mich leicht zweifelnd anzusehen. Nervös strich ich mir durch das Haar, nahm meine Gabel wieder auf, um scheinbar unbekümmert weiter zu essen. Ich hatte die Hoffnung, so dass Thema umgehen zu können, doch Sora ließ nicht locker und war noch lange nicht fertig.
 

„Es ist vergeudetes Talent“, brummte er und öffnete seinen Mund, als ich ihm die Gabel hin hielt. Nachdenklich kauend guckte er mich an, sagte aber nichts und ließ sich weiter von mir füttern, als ich ihm wieder die Gabel hin hielt. Das sollte ich mir wohl merken: Unbequemen Gesprächen konnte ich einfach aus dem Weg gehen, in dem ich ihn einfach mal mit Essen lockte. Gefräßiges Blumenkind! „Oh!2, machte Sora nach einer Weile, als wäre ihm etwas wichtiges eingefallen. Schnell schluckte er den Bissen herunter und schaute mich mit leuchtenden Augen an. „Ich habe ganz vergessen zu erwähnen, das Kairi angerufen hat. Wir treffen und am Samstag Punkt zwanzig Uhr am Giles.“
 

„Giles und vor allem: Wir?“

Sora nickte nachdrücklich. „Natürlich. Schließlich soll das Giles die beste Bar in der Stadt sein – laut Demyx. Auch wenn ich bezweifle, dass es in dieser Großstadt nicht noch mehr gute Bars gibt.“

„Und da soll ich mit?“ Meine Zweifel machten sich selbst in meiner Stimme bemerkbar.

Wieder kam von Sora nur ein begeistertes Nicken. „Ja, schließlich haben sie auch dich eingeladen.“
 

Ich sah ihn ungläubig an, konnte ich mich doch genau daran erinnern, dass eindeutig nur von Sora die Rede war und nicht von mir. Doch als ich meinen Mund aufmachte um zu protestieren, gab es nur ein Kopfschütteln von dem Brünetten. „Keine Widerrede! Es wird dir Spaß machen“, meinte er streng. „Außerdem geht es nur darum etwas zu trinken und mit ein paar Freunden zusammen zu sein – und trinken wirst du ja noch können.“
 

„Es sind nicht meine Freunde, sondern nur ein paar Arbeitskollegen“, stellte ich grimmig klar.

Sora grinste schelmisch und zuckte nur gleichgültig mit den Schultern. „Und? Es könnten deine Freunde werden, wenn du dich nur ein bisschen anstrengst!“ Misstrauisch sah ich ihn an, klang es doch in meinen Ohren wie eine Aufforderung, um neue Freunde zu machen – ob ich nun wollte oder nicht. Es passte mir nicht, doch redete ich mir ein, dass es schließlich nur ein Abend sein würde und tröstete mich damit, dass auch Zexion da war und ich somit wenigstens einen normalen Menschen haben würde, mit dem ich reden konnte. Ich seufzte leidend, doch Sora schob mir lieber einen weiteren Bissen in den Mund, anstatt weiter darauf einzugehen und beobachtete zufrieden, wie ich mürrisch mein Essen kaute.
 

Durch diese Art von essen dauerte es doppelt so lang, bis Sora die Teller wegräumte und sich wieder auf meinen Schoß setzte, um noch ein bisschen mit mir zu kuscheln. Ich gähnte leise und schielte zur Uhr, nur um festzustellen, dass es weit nach Mitternacht war. Viel zu spät für kleine Langweiler wie mich. So griff ich mir den anderen Körper und trug den leicht protestierenden Sora ins Schlafzimmer, um ihn dort auf das Bett abzusetzen. Nur widerwillig ließ er von mir ab und schaute mir schmollend nach, als ich ins Badezimmer verschwand. Gerade als ich damit fertig war mich Bett fertig zu machen, betrat Sora ebenfalls das Zimmer und stellte sich neben mich, um seine Zähne zu putzen. Dabei war er ein bisschen bockig, wie ich lächelnd bemerkte, als ich in den Spiegel zu ihm blickte.
 

So küsste ich ihn Kopfschüttelnd auf seinen Haaransatz und verließ das Bad, um mich schon mal ins Bett zu legen. Keine Viertelstunde später spürte ich, wie sich die Matratze unter mir bewegte, als er zu mir unter die Decke krabbelte. Blind zog ich den anderen Körper an mir, wartete geduldig darauf, bis er die richtige Position gefunden hatte und schlief mit Sora in meinen Armen ein.

Ein Besuch im Giles

Sora bewegte sich ein bisschen, als er ein Klicken hörte. Das Gesicht ein wenig zerknautscht, da ich ihm das Geräusch missfiel. Ein weiteres Klicken später und er kniff die Augen zusammen und rollte sich herum, um auf seinem Bauch weiter zu schlafen. Dabei versuchten seine Hände träge nach der Bettdecke zu greifen, tappten aber jedes Mal ins Leere, da sie nur noch knapp seinen Hintern bedeckten und die Zipfel noch weiter an Ende gerutscht waren. Er stöhnte leicht auf, als wieder dieses Geräusch ertönte, war aber noch so im Halbschlaf, dass er viel zu faul dazu war, um seine Augen zu öffnen.
 

Ich grinste, als ich ihm bei seinem Vorhaben beobachtete, wie er versuchte seinen Kopf unter dem Kissen zu verstecken, damit ihm das grelle Sonnenlicht nicht mehr ärgern konnte. Als es nicht so recht klappen wollte, warf er sein Kissen kurzerhand auf seinen Kopf und verbarg so sein liebreizendes Antlitz vor mir. So war das nicht von mir geplant gewesen, so ließ ich etwas enttäuscht meine Kamera sinken und beobachtete ihn eine Weile dabei, wie er versuchte in eine bequeme Position gelangen. Wobei sich dieses als ziemlich schwierig entpuppte, da ich noch immer auf dem Bett stand und meine Füße jeweils an den Seiten seinen Körpers drapiert hatte, kam er nicht sonderlich weit, da die Decke sich nur fester an seinem Körper schlang.
 

Nachdem ich genug davon hatte ihn zu beobachten, ließ ich mich vorsichtig auf ihn fallen und landete auf etwas weichem, was vermutlich sein Hintern war. So legte ich die Kamera auf meinen Nachttisch, nur um gleich darauf meine Hand nach ihm auszustrecken und ihm das Kissen von seinem Kopf zu ziehen. Ein weiteres murren ertönte, als das Sonnenlicht ihn erneut ärgerte, doch ich beugte mich nur zu ihm hinunter, um ihn einen Kuss auf seine Lippen zu geben. Dies war gar nicht mal so einfach, da sie fast gänzlich vom Laken verdeckt waren. Sora erwiderte es träge, so legte ich mich zu ihm, um einen weiteren Kuss von ihm zu erhaschen.
 

„Aufstehen, Schlafmütze“, neckte ich. „Ich hab schon das Frühstück vorbereitet, während du nur faul im Bett rum liegst.“

Sora öffnete träge ein Auge und schielte zu mir auf. „Du hast Frühstück gemacht? Ernsthaft?“ Seine Stimme klang viel zu misstrauisch nach meinem Geschmack.

„Ja, habe ich. Es gab auch mal eine Zeit, wo ich mich allein ernähren musste und du siehst, ich lebe noch.“

„Wie auch immer du das geschafft hast“, gab Sora brummend zurück.

Ich verdrehte die Augen und strich ihm eine Strähne aus der Stirn. „Nun steh' auf, bevor es kalt wird.“

„Du kannst es wohl kaum abwarten mich zu vergiften, hm?“
 

Ich rückte von ihm ab, als er sich bewegte und sah grinsend zu, wie er unbeholfen aus dem Bett krabbelte. So tapste er in die Küche und ich folgte ihm, um mich ebenfalls auf einen Stuhl gegenüber von ihm zu setzen. Dabei ignorierte ich großzügig seinen skeptischen Blick, als er auf seinen Teller schaute. Zugegeben, die gebratenen Eier waren vielleicht ein wenig zu dunkel, aber es war noch kein Grund um so zu gucken! Umso überraschter war ich, als er tatsächlich sein Besteck nahm und ohne zu murren das Frühstück aß. Sein Blick war dabei zwar nicht sonderlich begeistert, doch er aß alles tapfer auf. So nahm ich zufrieden mein eigenes Besteck auf und begann selbst zu essen.
 

„Was war das eigentlich für ein komisches Geräusch vorhin?“, fragte er nach einer Weile. Als er aufsah versuchte ich mich an einem unschuldigen Gesicht, doch durchschaute er mich natürlich und zog skeptisch eine Augenbraue hoch. In diesem Moment erinnerte er mich an Axel – ein gruseliges Bild. „Ich weiß nicht was du meinst.“

„Dieses dumme Klicken -“ Ich konnte ihn regelrecht dabei zusehen, wie sich in seinem Kopf eine Antwort bildete und damit endete, mich schockiert anzuschauen. „Du hast mich doch nicht etwa fotografiert während ich geschlafen habe?“
 

„Vielleicht.“

„Oh Riku! Als ich sagte, dass du mehr fotografieren solltest, meinte ich nicht, dass es so was sein soll! Ich sehe auf den Fotos bestimmt furchtbar aus!“

Ich war überrascht über diesen Ausbruch, hatte ich doch nicht mit so einer Reaktion gerechnet. „Seit wann bist du eitel?“, gab ich schmunzelnd zurück.

„Seitdem mein Freund nichts besseres zu tun hat, als mich beim schlafen zu fotografieren! Unerhört ist das!“

„Noch nicht mal richtig wach und schon am schimpfen“, tadelte ich ihn neckend.
 

Kaum hatte ich dies laut ausgesprochen, versuchte Sora mich auch schon böse anzuschauen. Natürlich klappte es mal wieder nicht, da seine Augen noch ganz klein waren und sein Ausdruck eher süß als bedrohlich war. Als er merkte, dass sein Blick seine Wirkung verfehlte, beugte er sich überheblich grinsend zu mir vor. „Okay, würde es dir gefallen, wenn man so was mit dir machen würde?“

„Mir wäre es egal“, gab ich leichtsinnig zurück und bereute es auch gleich wieder, als ich sein süffisantes Grinsen sah. „Gut, ich werde es mir merken“sagte er nur und aß einfach weiter. Verblüfft starrte ich ihn an, doch er tat so, als würde er es nicht sehen.
 

Als wir das Frühstück beendet hatten, verweilte er kurz, um dann mit seinen Fingern auf der Tischplatte herum zu trommeln. Warnend hob ich schon nach kurzer Zeit meinen Blick, doch er dachte gar nicht daran mit dem grässlichen Geräusch aufzuhören. So packte ich schnell seine Hände und zwang ihn so dazu, damit aufzuhören. Sora blinzelte mich überrascht an, zog aber schon bald eine Schnute. „Mir ist langweilig“, verkündete er trotzig. „Was machen wir jetzt?“
 

„Ich weiß nicht was du tun wirst“, sagte ich und erhob mich von meinem Stuhl, „aber ich werde nun Duschen gehen.“

Soras Augen hellten sich auf und schnell tat er es mir gleich, um mir zu folgen. „Ich komme mit!“ Ich warf einen Blick über die Schulter und tatsächlich folgte er mir. Irgendwie gefiel mir die Idee nicht. Der Gedanke mit ihm nackt in eine Nasszelle zu sein ließ mich unbehaglich werden. Dementsprechend schien auch mein Blick zu sein, dem ich ihn nun zuwarf, denn Sora blieb unvermittelt stehen und schaute mich mit diesem leicht enttäuschten Gesicht an. „Oder ich warte einfach bis du fertig bist und gehe nach dir duschen“, murmelte er kleinlaut und drehte sich um. Ich sah ihm nach, wie er wieder in der Küche verschwand und ich kurz darauf Wasser laufen hören konnte. Seufzend ging ich ins Badezimmer und schloss hinter mir die Tür, während er den Abwasch erledigte. Natürlich hatte ich ein flaues Gefühl im Magen, ihn durch so eine einfache Geste verletzt zu haben, doch war mir das doch zu viel, mit ihm unter einer Dusche zu sein. Ich wusste nicht mal warum, doch fühlte ich einfach, dass es einfach besser war und ich damit zufrieden sein sollte, wie es war.
 

Als ich mein Morgenritual beendet und wieder aus dem Badezimmer kam, rannte ich beinahe in Sora hinein, der mich etwas genervt anschaute. „Was machst du so lang darin? Du hast tatsächlich eine Stunde für das Duschen gebraucht!“ Meinen erschrockener Ausdruck wich einem spöttischem Grinsen, als ich meine Hand hob und ihn wie ein kleines Kind über seinen Kopf tätschelte. „Das erfährst du, wenn du größer bist. Bis dahin bleibt es wohl mein Geheimnis.“ Ich zwinkerte ihn überheblich zu, was bei dem anderen nur für ein empörtes Schnauben sorgte. Grinsend lief ich einfach an ihn vorbei und konnte gerade noch ein undeutliches „Diva“ und „Hauptsache die Haare sitzen“ von ihm hören. Doch mir sollte das Grinsen schnell wieder vergehen, da ich hinter mir wildes Trampeln hörte und nicht schnell genug reagierte, um zu verhindern, dass Sora mit einem Schwung, der mich ein wenig taumeln ließ, auf meinen Rücken sprang. Ich versuchte meine Balance, trotz des zusätzlichen Gewichtes zu halten, scheiterte aber kläglich. Mit einem Stöhnen landete ich auf den Boden und schaffte es gerade so, mich mit meinen Händen abzustützen, um nicht mit dem Gesicht voran, auf dem Boden aufzuprallen. Sora lachte bei meinem jämmerlichen Versuch und rollte sich von mir ab, um immer noch kichernd auf seinen Rücken zu liegen.
 

So stützte ich mich auf, schon ein Schimpfen auf meinen Lippen, welches mir aber schnell im Halse stecken blieb, als ich unvermittelt auf ihn schaute. Sein Gesicht war gerötet und kleine Tränen glitzerten in seinen Augenwinkeln, als er meinen Blick immer noch kichernd begegnete. Vielleicht war es einfach nur mein Glaube daran, dass er in meiner Nähe zum ersten Mal unbeschwert lachte, aber in meinen Kopf keimte auch zum ersten Mal der Gedanke auf, dass er wirklich schön und dieses ehrliche Lachen nur für mich bestimmt war. Instinktiv streckte ich meine Hand nach seiner Wange aus und zog sein Gesicht näher zu mir, um ihn zu küssen. Ein überraschendes Keuchen ging von ihm aus, als meine Lippen immer wieder auf die seinen trafen und sich mein Knie zwischen seinen Beinen drängte, damit ich ihn näher an mich spüren konnte. Als er sich außer Atem von mir löste, guckte er mich überrascht und mit diesen furchtbar unschuldigen blauen Augen an.
 

„Wofür war das?“, fragte er stockend.

Ich zuckte meine Schultern und grinste ihn verschmitzt an. „Nur so.“

Sora schaute mich zweifelnd an, grinste dann aber ebenfalls. „Gut, dann will ich weiterhin solche 'nur so's ' von dir haben.“ Kaum hatte er das ausgesprochen, legten sich seine Lippen auch schon wieder auf die meinen und bewegten sich sanft. Dabei konnte ich spüren, wie er grinste, als er seine Arme fest um meinen Hals schlang , um mich wieder an sich zu ziehen. An so was konnte ich mich nun wirklich gewöhnen, konnte ich doch gar nicht genug von diesem süßen Mund bekommen. Doch nach einer Weile schob er mich etwas von sich weg, damit er mir lächelnd in die Augen sehen konnte. „Wollen wir tatsächlich den Nachmittag damit verschwenden hier so herumzuliegen und zu knutschen?“ Sofort kam ein Nicken von mir, das Sora nur mit einem Lachen beantwortete.
 

„Was ist so schlecht dran?“

„Eigentlich nichts“, gab Sora zurück, „nur sollte es woanders sein als auf dem Boden. Es wird echt ungemütlich.“ Damit konnte ich leben, so ließ ich von ihm ab und erhob mich, nur um Sora schnell mit mir zu ziehen. Während wir küssend zum Schlafzimmer stolperten, machte ich mir daran, die Knöpfe seines Oberteils zu öffnen und ihn den unnötigen Stoff einfach von seinen Schultern zu streifen. Achtlos warf ich es auf den Boden, ebenso Sora, der das gleiche bei mir getan hatte und und nun seine Hose weg kickte, die nur noch um seine Knöchel baumelte. In meinem vernebelten Verstand merkte ich, wie Sora seine Finger in den Saum meiner Boxershorts gesteckt hatte, aber nicht weiter ging. So ließen wir uns wieder auf das Bett fallen und erst als sich die Decke über unseren Körpern legten, schlüpfte seine Hände in meine Boxershorts und streiften sie mir über die Beine. Überrascht holte ich nach Luft, als ich etwas warmes und feuchtes um meine intimste Stelle fühlen konnte, dessen Zunge um meine Spitze schnellte, nur um ihn dann ganz in den Mund zu nehmen und daran zu saugen. Ich bäumte mich auf, krallte meine Finger in das Laken, als er diese unglaublichen Dinge mit mir tat. Stöhnend wagte ich es ein wenig meine Augen zu öffnen und auf die leicht erhobene Bettdecke zu schielen, dich sich wie von Geisterhand auf und ab bewegte.
 

Mein ganzer Körper begann zu zittern und mein Gehirn hatte sich schon längst verabschiedet, so dass ich in diesem schutzlosem Zustand den Mut aufbringen konnte und mit einem Ruck die Bettdecke zurück zog, um ihn bei seinen Tätigkeiten zu beobachten. Unsere Blicke trafen sich, sein verschleierter Blick, der den meinen traf, als dein Mund sich zu einem schiefen Grinsen verzog. Ein erregender Anblick, der mich erneut zum keuchen brachte und dazu verleitete, träge nach seinem Haar zu greifen, um den Rhythmus vorzugeben und ihn dazu zu bringen, schneller zu werden. Ich war ganz nah und einen flüchtigen Blick später konnte ich sehen, dass es auch bei ihm nicht mehr lange dauern würde, bis er zu seinem Höhepunkt kam. Dabei war seine Hand in seiner Boxershorts verschwunden, als er diese Dinge mit mir tat und sich seine Bewegungen die seinem Mund anpassten. Der Anblick war zu viel für mich, so kam ich mit einem kleinen Schrei, meine Welt verschwamm, als ich noch ganz in meinem eigenen Höhepunkt gefangen war. Von weit weg konnte ich Sora ebenfalls stöhnen hören und fühlte, wie sich sein Körper sanft wieder auf meinen legte, um sich an mir zu kuscheln. Träge legte ich meine Arme um ihn, während ich meine Augen noch immer geschlossen hielt, um diesen wundervollen Moment ganz auszukosten. So bemerkte ich nicht mal, wie ich in einem traumlosen Schlaf ab driftete und erst wieder erwachte, als eine Stimme immer wieder meinen Namen sagte.
 

Faul öffnete ich ein Auge und schielte auf Sora, der im Schneidersitz neben mir auf dem Bett saß. Verwirrt bemerkte ich, das er sich bereits umgezogen und ein buntes Hemd anhatte, dessen Farbe sich in meinen Augäpfeln einbrannte. „Hi“, begrüßte dieser mich nichts ahnend und küsste meine Lippen. Er war nahe genug, um die Knöpfe seines Hemdes aufknöpfen zu können und ihn das Stück Stoff einfach über seine Schultern zu streifen. Sora machte ein überraschten Laut und kicherte, als erneut eines seiner Hemden auf den Boden landete. „Oh, so unersättlich heute?“, kicherte er und machte einen kleinen Laut. „Hm, vielleicht können wir die anderen ja ein bisschen warten lassen.“ Er wollte mich gerade küssen, als er meinen Blick sah und doch unschlüssig stoppte.
 

„Was ist los?“

„Dein Hemd.“

„Was ist damit?“

„Du willst es doch hoffentlich nicht anlassen?“

„Aber -“

„Nichts aber! Hast du keines, das einem nicht gleich die Augen wegätzt sobald man da drauf guckt?“

Sora guckte mich empört an und richtete sich auf, um mich verärgert anzusehen. „Das ist mein bestes Hemd!“

„Das spricht nicht gerade für einen guten Kleidungsstil. Es ist grässlich.“
 

Beleidigt verschränkte er die Arme vor der Brust und schmollte. Mir war es einerlei. So sprang ich auf, um zum Schrank zu eilen und in Soras Fach nach einem passenden Hemd zu suchen. Zu meinem entsetzen gab es dort nur noch mehr von diesen bunten Hemden, die für unser Vorhaben einfach nicht passen wollten. „Du musst doch auch Klamotten im Schrank haben, die etwas dezenter sind“, fluchte ich und drehte mich zu meinem Freund um, der mich mit einem finsteren Blick bedachte und unter den ganzen Kleidungsstücken, die ich achtlos auf das Bett geworfen hatte, halb vergraben war.
 

„Sonst hat dich mein Kleidungsstil doch auch nie gestört!“, motzte er, während ich meine Suche aufgab.

„Ja, aber diesmal gehen wir zusammen aus“, gab ich zurück und suchte diesmal in meinen Klamotten, „und ich will mich nicht für dich schämen müssen.“ Ich wühlte weiterhin im Schrank herum, so dass ich nicht registrierte, wie Sora immer wütender wurde.

„Das stimmt nicht. Wir waren bei dem Sommerfest und auch im Park und da hat es dich – oh“, unterbrach er sich selbst. Ganz in meiner Tätigkeit versunken, hörte ich nicht, was er sagte und zog zufrieden ein Hemd heraus, das mir zu klein war und Sora somit passen dürfte. Lächelnd drehte ich mich um und hielt es demonstrativ hoch, um es einem nicht so begeisterten Sora zu zeigen. „Probiere das mal an“, forderte ich und warf es ihm auf den Schoß. Widerwillig gehorchte er und verdrehte die Augen, als ich anerkennend nickte.
 

„Darf ich wenigstens die Hose anbehalten oder hast du auch daran etwas auszusetzen?“ Ich musterte ihn mit kritischen Blick und machte eine Geste mit der Hand, dass er aufstehen sollte. Wieder gehorchte er und stand nun auf dem Bett, um sich zu zeigen. „Ja, das sieht gut aus. So kannst du gehen.“

„Wie nett“, brummte er, doch hörte ich es nur leise, da ich mich selbst noch zurecht machen musste und so wieder im Badezimmer verschwand. Als ich wieder ins Schlafzimmer kam, wartete ein genervter Sora auf mich, der mich dementsprechend auch ansah. „Du siehst aus wie immer“, stellte er trocken fest, „also warum verdammt noch mal brauchst du so lange im Bad?“
 

„Duschen, Haare waschen – das braucht alles seine Zeit“, gab ich lässig zurück und stellte mich vor dem Kleiderschrank, um mir ebenfalls passende Klamotten zu suchen. Dies sorgte bei Sora nur für ein genervtes Aufstöhnen. „Das ist nicht dein Ernst, oder?“ Ich blickte fragend über meine Schulter, doch Sora klatschte sich nur mit seiner Hand gegen die Stirn. Mit spitzen Kommentaren hier und da kommentierte er meine Klamotten, die ich ihm hinhielt und irgendwann kam ich dann auch mal zu dem Entschluss, dass es wohl keine gute Idee war, auf seine Hilfe zu hoffen. So suchte ich mir allein meine Kleidung aus und drehte mich zu Sora um, als ich damit fertig war und sich gerade ein Gähnen unterdrücken musste. „Fertig?“ Ich nickte. Sora krabbelte vom Bett und schob mich aus dem Raum, als ich Anstalten machte, den ganzen Klamottenhaufen wieder zurück in den Schrank zu sortieren.
 

So fuhren wir zum 'Giles', doch zu meiner Überraschung warteten keine bekannten Gesichter auf uns. „Wo sind sie?“, fragte ich.

„Wahrscheinlich hatten sie es genauso satt wie ich auf dich zu warten“, schnob Sora und öffnete die Tür, um mich einfach in die Bar zu schieben. Im Inneren erwartete mich eine böse Überraschung, denn die Mehrheit der Besucher war Männlich und einige von ihnen sahen so aus, als würden sie sich mehr als nur gut kennen. So liefen wir an turtelnden und knutschenden Männern vorbei, die ich nur pikiert mustern konnte, während Soras einziges Interesse daran bestand, unsere Bekannten zu finden. Bei einem sehr offenherzigen Paar blieb mein Blick hängen und entsetzt starrte ich die beiden an, als sie sich mit offenen Mündern küssten und ich regelrecht dabei zuschauen konnte, wie ihre Zungen sich immer wieder lasziv berührten. Demyx hatte mir verschwiegen, dass das Giles eine Schwulenbar war! Verdammt, wie konnte dieser Trottel nur so in wichtiges Detail vergessen!
 

Dabei war es nur ein kleiner Trost, dass es Sora nicht besser ging, denn während ich ihm nachlief und dabei noch immer das Paar nachstarrte, blieb dieser abrupt stehen, so dass ich fast in ihn hinein lief und sagte im abfälligen Ton: „Was macht der denn hier?“ Es war laut genug, um mich zu ihm umzudrehen und mit skeptischen Ausdruck im Gesicht, auf die kleine Runde zu schauen, in der auch Axel und Roxas saßen. Während die Augen des Blonden leicht hoffnungsvoll auf seinen Bruder blickten, hatte der Rothaarige nur ein süffisantes Grinsen für Sora übrig. Na das konnte ja ein schöner Abend werden, dachte ich.

Vorwürfe

Entsetzt starrte Sora auf seinem Bruder, der grimmig zurück schaute und den Eindruck machte, als wüsste er selbst nicht so genau, was das alles hier sollte. So sah er einige Augenblicke später zu Axel, der nur ertappt zu dem Blonden schielte. Als dieser ihn mir strengen Blick bedachte, gab der Rothaarige seufzend nach und legte seinen Arm um die schmale Schulter seines Freundes. „Demyx hat mich eingeladen. So dachte ich mir 'Wieso nicht?', schließlich sind wir so lange nicht mehr zusammen ausgegangen und wenn du mal ein paar andere Gesichter siehst, kann dir das nur gut tun.“ Der Blonde verdrehte nur die Augen, gab sich aber seinen Schicksal hin und gab keine weiteren Widerworte. Zufrieden lächelte Axel seinen Freund zu und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Während ich sie dabei beobachtete, legte ich eine Hand auf Soras Rücken und schob ihn weiter vor, damit wir uns endlich auf die letzten beiden Plätze setzen konnten. Zu meinem erstaunen tat er er es auch ohne zu murren – doch sollte es nicht die letzte Überraschung für den Abend gewesen werden. Denn als hätte sich ein Schalter in Sora umgelegt und noch bevor er richtig saß, begrüßte er auch schon die anderen in seiner gewohnt fröhlichen Art. Mein starren auf ihn wurde dabei nur mit einem Lächeln weg gewischt, doch nicht mal er konnte verhindern, dass sich bald eine angespannte Atmosphäre über die Runde legte und nicht mal das Blumenkind wusste, was er als nächstes sagen sollte, um die Stimmung aufzulockern.
 

Es war gerade zu lächerlich, wie sieben erwachsene Menschen in einer Runde zusammen saßen und sich nur anschwiegen, während sich die Leute um ihren Tisch amüsierten. So gab es nur unbeholfene Satzanfänge von Demyx, dessen Versuche still schweigend geduldet wurden. Doch selbst er wusste irgendwann, wann es einfach besser war den Mund zu hakten. So schwieg der sonst so fröhliche Musiker schon bald und gab sich so der Mehrheit hin. Das ging eine Weile so, bis Roxas Blick etwas zu lange auf seinen Bruder ruhte und er überraschender weise auch was sagte: „Was ist das für ein Hemd? Ich habe es noch nie an dir gesehen. Sonst trägst du doch nur diese bunten Teile und nichts was Stil hat.“ Sora sah ein bisschen beleidigt aus, während ich mir ein Grinsen nur schwer verkneifen konnte. „Riku hat es mir gegeben. Er fand es passend für den Abend.“
 

Der Blonde nickte missbilligend und warf mir einen kurzen Blick zu, den man nicht gerade als sympathisch bezeichnen konnte. Irgendwie fühlte ich mich unter Beobachtung und das auf mehr als nur eine Art. Wieder legte sich eine unangenehme Stille über uns und als ich einen flüchtigen Blick auf das Paar vor mir warf, konnte ich sehen, wie Axel und Roxas sich immer wieder verstohlene Blicke zuwarfen. Dabei wirkte der Blonde ebenfalls nicht so, als würde er gerne hier sein – jedenfalls kam es mir so vor. Doch Axel warf ihm immer wieder aufmunternde Blicke zu, berührte seinen Freund, um ihm zu zeigen, dass er bei ihm war. Dieser erwiderte zwar die Gesten, aber seine Augen ruhten noch immer auf Sora, der bei diesem Blick nicht mehr so recht wusste, wohin er noch gucken sollte. Ungewohnt still, senkte er seine Lider und schaute unbeholfen auf seine Hände.
 

„Wow, ihr seid hier der lauteste Tisch, da musste ich doch einfach mal vorbei schauen“, meldete sich eine fremde Stimme zu Wort. „Wenn ihr euch noch mehr amüsiert, muss ich euch leider wegen unangemessenes Benehmen raus schmeißen.“ Ich sah etwas irritiert zu der Frau auf, die sich an unseren Tisch gesellt hatte und ihr Zettelblock zückte, um auffordernd in die Runde zu blicken. Ihr Lächeln war vergnügt, als sie in unsere verstörten Gesichter schaute und eine blaue Strähne aus dem makellosem Gesicht streichte. Sie war sehr hübsch, dachte ich und als wenn sie meine Gedanken lesen konnte, zwinkerte sie unvermittelt zu. Ich war etwas erschrocken darüber, aber auch geschmeichelt über diese Geste. Etwas, was wieder nur streng von Roxas beäugt wurde. So passte es, als Kairi ein leise gemurmeltes „Eine Frau in einer Schwulenbar?“ von sich gab. Die Kellnerin gluckste fröhlich bei dieser Bemerkung und sah sie mit hochgezogener Augenbraue an. „Ach Süße, schau mal bitte in dein Oberteil, da wirst du eine interessante Entdeckung machen.“ Kairi sah sie mit großen Augen an, doch die vorlaute Kellnerin hatte schon längst das Interesse an ihr verloren und blickte abermals in die Runde, um ihren Job nachzugehen. So bestellten wir unsere Getränke und als sie wieder weg war, hatten wir uns wieder nichts zu erzählen.
 

Jedenfalls so lange, bis Kairi ihren unbedachten Mund aufmachte. Ich konnte ihr nicht mal einen Vorwurf machen, schließlich wusste sie ja nichts von der Geschichte der Brüder und ihrer momentanen Situation - doch konnte es unpassender nicht sein. „Riku hat Geschmack“, meinte sie lächelnd. „So wirst du sicher deinen Mr. Right finden.“ Sora schaute sie schockiert an. Ein Blick, der nicht nur Kairi vollkommen verwirrte. Auch die anderen in unserer kleinen Runde starrten Sora nun erstaunt an; eine Situation, mit der er so gar nicht umgehen konnte und beschämt tiefer in seinen Stuhl sank. Dabei wagte er einen vorsichtigen Blick zu seinem Bruder, der ihn prüfend anschaute, während er noch einmal nachhakte, was Kairi genau damit meinte. Ihre Augen huschten hektisch zwischen Sora und Roxas hin und her, als wäre sie sich diesmal furchtbar unsicher, was sie darauf antworten sollte. Da Sora aber immer noch auf seine Hände starrte und ihr absolut keine große Hilfe war, sagte sie kleinlaut: „Wir hatten in der Cafeteria drüber gesprochen, dass wir zusammen ausgehen um uns besser kennenzulernen und vielleicht einen Freund für Sora zu finden, damit er nicht mehr so allein ist.“
 

Axel stöhnte bei ihren Worten genervt auf. Ein Geräusch, das Kairi unvermittelt zusammen fahren ließ und sie verstört zu ihm aufsah. Doch dieser bemerkte das nicht mal und sah warnend zu mir. Als würde er mir damit sagen wollen 'Ich dachte du hast mit ihm geredet'. Natürlich war Kairi aufmerksam genug um es zu sehen und so schaute sie uns wieder abwechselnd an, als würde sie so rauskriegen, was hier eigentlich los war. Diese Frau hatte ein feines Gespür dafür, wenn ihr etwas vorenthalten wird und als ihr Blick an mir haften blieb und sie mich fragend anschaute, wusste ich, dass es eine verdammt schlechte Idee war, dass wir uns an dem Tisch gesetzt hatten. Erst recht, als Sora unbeholfen auflachte und sich verlegen am Nacken kratzte. „Ich bin nie allein, Kairi.“
 

Roxas schnaubte abfällig. „Das ist wohl wahr. Aber wenigstens ist es hier diesmal der richtige Ort um Männer kennenzulernen, die auch wirklich auf Typen stehen – somit ist das schon Mal ein Fortschritt für dich und nebenbei kannst du Riku gleich eindrucksvoll beweisen wie Flatterhaft du bist.“

„Es ist nicht so wie du denkst“, murrte Sora mit dünner Stimme.

„Wie dann? Hast du etwa noch niemanden gefunden in den du dich wiedermal verliebt hast?“

„Roxas!“, rief Axel warnend aus und funkelte ihn wütend an, als dieser erschrocken zu ihm aufsah. Eine solche Behandlung schien er von dem anderen nicht gewohnt zu sein.

„Es ist genug. Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt für so was.
 

Leider erholte sich der Blonde sehr schnell von seinem Schock und schnaubte verärgert zurück: „Wann ist dann der richtige Zeitpunkt, Axel? Wenn er wieder heulend vor unserer Tür steht und wir wieder helfen müssen, weil ihn einer seiner Lover wieder rausgeschmissen hat und somit doch nicht 'der richtige' war? Es ist geradezu lächerlich, wie er mit offenen Herzen und Hose durch die Gegend rennt und sich von jedem Typen nur benutzen lässt!“
 

„Roxas!“, riefen Axel und ich Synchron aus, doch ließ sich der Blonde nicht einfach so über den Mund fahren. So wurde ich sein nächstes Opfer, als er meine Stimme hörte. Als sein Kopf zu mir herum fuhr und er mich mit diesen hasserfüllten Augen anschaute, wurde mir dann doch etwas anders zumute. „Versuche mir ja nicht den Mund zu verbieten, Riku! Du bist nicht anders als diese Typen, die er sonst gedatet hatte. Es wird nicht lange dauern bis entweder du oder Sora genug von den anderen hat und ihr wieder getrennte Wege geht. Weißt du Riku, Sora ist nicht gerade der geduldigste Mensch – schon damals nicht und er langweilt sich schnell. Es ist schon ein Wunder, dass er es bereits so lange mit dir ausgehalten hat. Aber gewöhne dich nicht daran, auch du wirst bald Geschichte sein – denn im Gegensatz zu Axel glaube ich nicht daran, dass aus eurer 'Freundschaft' eine feste Beziehung werden kann.“
 

Ich blieb ruhig, auch wenn es in mir brodelte und meine Finger eine üble Lust darauf hatten, sich ihn einfach zu schnappen und ihm zu zeigen, wie viel ich mit den anderen miesen Typen gemein hatte. Es hätte mir so eine Freude bereitet, ihn dieses überhebliche Grinsen aus dem Gesicht zu wischen – doch ich behielt meine Fassung und schaute ihn nur mit undurchdringlichen Blick an. „Dann wirst du wohl eines Besseren belehrt werden“, gab ich kühl zurück, „denn ich habe nicht vor ihn so schnell wieder herzugeben – auch wenn du es noch so gern sehen möchtest und dann erneut sagen kannst, dass du wieder recht hattest. Schließlich mache ich diesen ganzen Scheiß nicht umsonst mit, nur um ihn am Ende einfach so wieder gehen zu lassen.“ Für einen Moment schaute mich Roxas fassungslos an und ich mochte dieses neue Gefühl der Genugtuung, die ich in diesem Augenblick spürte. Es war toll, gab mir die Bestätigung die ich brauchte um weiterzureden. So blickte ich entschlossen zu Sora, der mit einer Mischung aus Erstaunen und Erleichterung zu mir aufsah. Ein kleines Lächeln zuckte um seine Mundwinkel. So ließ ich meine Hand zu seiner wandern und drückte sie leicht, um ihn zu zeigen, dass er nicht allein war. Doch dieser kleine Sieg sollte nur von kurzer Dauer sein, denn wieder ergriff Roxas das Wort und das was er sagte, war nicht sonderlich freundlich. „Du spuckst ziemlich große Töne für jemanden, der absolut keine Ahnung hat was hier eigentlich vor sich geht. Vielleicht täusche ich mich ja, aber du scheinst noch naiver zu sein als Sora.“
 

Ich hatte meinen Kopf bereits wieder zu ihm gewandt und wollte etwas darauf erwidern, als die vorlaute Kellnerin wieder an unserem Tisch kam und die Getränke brachte. Gespielt genervt schüttelte sie ihren Kopf und stemmte ihre Hand an die Hüfte, um tadelnd in die Runde zu schauen. „Ich sagte, ihr sollt euch amüsieren. Anscheinend habt ihr meine Anweisung falsch verstanden. Jungs, es ist Samstagabend! Hier gibt es tolle Musik und gutaussehende Typen und ihr sitzt da als wäre euer Hund gestorben. Ihr habt eine eigenartige Art Spaß zu haben.“ Als alle nur irritiert zu ihr sahen, schmunzelte sie Augen rollend und stellte die Getränke auf dem Tisch ab.
 

Als sie damit fertig war, schielte sie zu mir und zwinkerte mir zu. „Und für dich sollte es erst recht gelten, dass du auf die Tanzfläche gehst und deine Hüften kreisen lässt. Ich bin mir sicher, dass die Männer höchst interessiert an dir wären, wenn du dich mal richtig zeigen würdest.“ Ich starrte sie fassungslos an. Was glaubte sie denn was ich bin? „Guck mich nicht so süß an, sonst kann ich mich nicht mehr daran hindern und muss mich leider auf dich stürzen.“ Ein protestierender Laut später und sie wandte sich Sora zu, der sie böse anschaute. Wieder kam nur ein heiteres Lachen von ihr und als wenn Sora nicht sonderlich ernst zu nehmen würde, wuschelte sie ihm durch das Haar als wäre er ein kleines Kind. „Oh, ist das dein Freund?“, rief sie entzückt aus. „Er ist süß, wenn auch ein bisschen zickig.“ Sora wich störrisch ihrer Hand aus und guckte finster drein, was bei den anderen ebenfalls für Gelächter sorgte. „Ihr seid ein süßes Paar.“ Wieder murrte der Brünette nur.
 

Die Kellnerin richtete sich wieder auf und blickte abermals in die Runde. Dabei war ihr Blick streng auf uns gerichtet, als sie sagte: „Und nicht vergessen: Hier wird sich amüsiert. Wenn ich euch noch einmal mit langen Gesichtern sehe, komme ich wieder und dann wird es nicht mehr freundlich sein.“
 

Axel druckste bei dieser Drohung auf. „Was willst du machen? Uns den Hintern versohlen?“

Die junge Frau sah Axel provozierend in die grünen Augen. „Das und noch viel mehr wenn du willst.“

Axel lachte. „Die Frau gefällt mir. Wenn ich auf Weiber stehen würde, wärst du genau meine Beute!“

„Dann ist ja gut das ich aus deinem Raster falle“, entgegnete sie lachend und verschwand wieder so schnell wie sie gekommen war.

„Eine aufdringliche Person“, motzte Roxas wenig später.

„Mir gefällt sie“, meinte Axel leichtfertig und zuckte gleichgültig mit seinen Schultern, als Roxas ihn einen verärgerten Blick zu warf. „Bin ich wirklich nur mitgekommen um mir diesen Quatsch anzuhören?“, schimpfte er weiter.
 

Axel grinste und legte ihm großspurig einen Arm um die schmalen Schultern, nur um ihm gleich darauf einen Kuss auf die Wange zu geben. Eine Geste, die ihm etwas versöhnlich stimmte und ihm ein kleines Lächeln entlockte. „Wir sind hier, damit du mal wieder was zusammen machen und du was anderes siehst, als nur die Wände unserer Wohnung. Ein hübscher Nebeneffekt ist, dass auch dein Bruderherz dabei ist und wir hoffentlich auch mal einen Abend zusammen verbringen können, ohne das es zu einem Streit führt.“ Liebevoll streichelte er über seine Wange und lächelte, als sich Roxas näher an seine Hand schmiegte. Trotz dieser Geste war Axels Ausdruck besorgt, als er in das Gesicht seines Freundes schaute, obwohl er sein bestes tat, um sein gutmütiges Lächeln weiterhin aufrecht zu erhalten. Ich beobachtete die beiden mit einer eigenartigen Faszination und fragte mich, was wohl hinter seinen Worten stecken könnte. Doch war es scheinbar nicht der richtige Zeitpunkt um es zu erfahren, da Axel ihn plötzlich mit einem breiten Grinsen bedachte und den widerwilligen Roxas mit dem fröhlichen Satz: „Und nun lass uns ein bisschen Spaß haben und tanzen, sonst kommt sie wirklich noch zurück und verprügelt uns“, vom Stuhl zog. Murrend ließ sich der Blond von ihm hochziehen und das Paar verschwand in der Menge, um zur Tanzfläche zu gehen, die etwas versteckt hinter der Bar verborgen war.
 

Ich sah ihnen kurz nach, bis etwas an meinem Ärmel zupfte. Als ich nach unten blickte, guckte Sora bittend zu mir auf und beugte sich zu mir. „Lass uns gehen, so lange sie beschäftigt sind“, flüsterte er mir zu. Dabei schielte er zu den anderen, um sicher zu gehen, dass sie nichts von seinen Worten hörten. So kam von ihm nur ein enttäuschtes Seufzen, als ich nur bedächtig meinen Kopf schüttelte. „Alles hat seinen Grund, Sora. Hast du mir das nicht mal gesagt? So hat auch das seinen Sinn und auch wenn ich es nicht gern sage, aber Axel hat recht. Es ist eine gute Idee euch an einem öffentlichen Ort zusammen zu bringen.“
 

Sora schaute mich finster an. „Es ist dumm und ich will nicht hier sein.“

„Tja, dann wirst du diesen Abend wohl oder übel über dich ergehen lassen müssen, denn wir bleiben hier, ob nun fröhlich oder eben mit langem Gesicht – deine Entscheidung, wie du den Abend verbringen willst.“ Sora schaute mich entsetzt an, gehorchte aber, obwohl ihm mein strenger Ton überhaupt nicht passte. Er war es nicht gewohnt, war er es doch sonst immer gewesen, der mich geführt hatte und nicht umgekehrt. Obwohl es ihm überhaupt nicht gefiel hielt er seinen Mund, machte mir aber mit seiner verärgerten Miene klar, dass ihm meine Entscheidung nicht gefiel. Ich würde es wohl ertragen müssen, wenn ich wollte, dass dieser dumme Streit zwischen den Brüdern endlich aufhörte.

Alles hat seinen Grund

Sora war verdammt gut, musste ich Zähneknirschend fest stellen, als ich so neben ihm saß, während er sich angeregt mit den anderen unterhielt. Dabei schaffte er es, mich vollkommen zu ignorieren und trotzdem seine fröhliche Fassade aufrecht zu erhalten. Ich war beeindruckt von seiner Schauspielerei, auch wenn es mir gehörig auf die Nerven ging, scheinbar unsichtbar für ihn zu sein. Natürlich wusste ich selbst, dass er mich provozieren und so was wie 'bestrafen' wollte, so versuchte ich mich zusammen zu reißen und meine teilnahmslose Fassade aufrecht zu erhalten. Erst als Demyx bei einem Song entzückt auf quiekte und mit leuchtenden Augen zu seinem Freund blickte, wurde ich wieder aufmerksam und konnte gerade noch sehen, wie er den wenig begeisterten Zexion auf die Tanzfläche schob. Nun waren wir wieder zu dritt, doch sollte es nicht lange so bleiben, denn auch Kairi rutschte unruhig auf ihren Stuhl herum und teilte diese Begeisterung mit Demyx. So sprangen Sora und sie ebenfalls auf und verschwanden in der Menge, um mich ganz allein zu lassen. Allein an einem Tisch, umringt von lauter Menschen, dessen Blicke mir ruhten. Jedenfalls glaubte ich es, auch wenn es wohl eher nur Paranoia von mir war. Warum sollten sie sich auch für mich interessieren?
 

Nach einer Weile blickte ich vorsichtig auf und sah geradewegs in das Gesicht eines Typen, der mich viel zu lange beobachtete. Vielleicht war das Gefühl doch nicht so falsch gewesen mich beobachtet zu fühlen, denn kaum hatte ich meinen Kopf gehoben, lächelte mir der Kerl auch schon zu. Er machte keinen Hehl daraus, dass er an mir interessiert war und obwohl es absolut absurd war, fühlte ich mich doch geschmeichelt. Er sah gut aus – wenn man das als Mann überhaupt denken durfte – doch wandte ich mich trotzdem schnell wieder von ihm ab, um ihm damit zu zeigen, dass ich nicht interessiert war. So weit kommt es noch, dass ich mit jemandem in so einer Umgebung flirtete! Verwirrt schüttelte ich meinen Kopf. Was dachte ich da nur? Dieses ganze Umfeld und diese offene Atmosphäre musste meine Gedanken vernebelt haben; anders war nicht zu erklären, warum ich solche lächerlichen Hirngespinste hatte. Vielleicht hatte mir auch diese Kellnerin mit den blauen Haaren auch einfach irgendwas in meinem Drink gemixt, damit ich diese scheiß Gedanken hatte. Während ich noch meinen Verschwörungstheorien nachging, setzte sich Axel wieder zu mir und schubste mich am Arm an, um meine Aufmerksamkeit zu bekommen.
 

Als ich zu ihm aufschaute, grinste er mich breit an und deutete leicht auf den Typen, der mich noch immer neugierig musterte. „Hm, du scheinst hier besonders viel Aufmerksamkeit zu erregen“, stellte er amüsiert fest.

Ich guckte ihn grimmig an. „Ich bin nicht interessiert.“
 

Axel lachte bei meiner Antwort und schlug mir grob auf den Rücken. „Ich weiß“, lachte er. „Aber wer fühlt sich denn bitte nicht geschmeichelt, wenn er so begehrt wird? Nur lass dich nicht von Soralein erwischen – er mag es nicht, wenn sein Freund so angehimmelt wird.“ Das überraschte mich wirklich, hatte ich Sora nie als eifersüchtigen Menschen eingeschätzt. Schließlich war er nicht gerade ein Kind von Traurigkeit, so wollte ich lieber nicht so genau wissen, wie viele Freunde er schon vor mir hatte. Ich konnte nicht so ganz einschätzen, ob es am Alkohol lag, dass ich mich zu so einer Aussage hinreißen ließ, doch irgendwie kam sie einfach so über meine Lippen und klang viel verbitterter, als ich es beabsichtigte. „Für Sora dürfte es hier wie ein großes Buffet sein. Überall gutaussehende Typen, an denen er naschen kann. Vielleicht geht er heute ja mit jemand anderem nach Hause und Roxas hat was er wollte.“
 

Während Axel mich aufmerksam musterte und schon den Mund öffnete, um was zu sagen, hatte die Kellnerin diesmal ein ausgezeichnetes Timing und stellte nun neue Gläser auf unserem Tisch. Dabei beugte sie sich zu mir hinunter, sodass ihre Brust meine Schulter streifte und flüsterte mir schelmisch ins Ohr: „Der Drink ist von dem Kerl an der Bar. Du solltest ihn genießen und dabei an ihn denken.“ Als ich meinen Kopf drehte, stießen unsere Nasen beinahe zusammen. Sie grinste mich schief an und fügte mit einem Schulter zucken hinzu: „Frischlinge sind hier sehr beliebt – wenn auch die Flirtereien ziemlich stumpf sind.“ Ich verdrehte die Augen und folgte ihrem Blick, um auf einem Typen zu schauen, der mir in dem Moment auch noch zuwinkte. Ich erwiderte es nicht und wandte mich schnell wieder ab. Angeekelt schüttelte ich mich, was bei den anderen nur für ein Lachen sorgte. „Sei froh, dass ich das mit den saugen und den Strohhalm nicht erwähnt habe“, setzte die Kellnerin noch einen drauf und sorgte bei mir nur für ein gequältes aufstöhnen. „Ich werde ihm sagen, das du nicht interessiert bist“, versprach sie mir lachend und verschwand wieder.
 

Eine Weile saßen wir nur schweigend zusammen, bis ich mich etwas verrenkte, um nach Sora zu suchen. Irgendwie gefiel es mir nicht, das ich ihn in der Menschenmenge nicht entdecken konnte und er schon viel zu lange weg war. Mein einziger Trost war der Gedanke, dass die anderen auf ihn aufpassen würden, damit er keine Dummheiten machte – jedenfalls hoffte ich, dass sie bei ihm waren und er noch nicht mit einem Typen, der ihm gefiel, verschwunden war. Axel schien meine Gedanke irgendwie erraten zu haben und legte mir beruhigend eine Hand auf die Schulter. „Du tust ihm unrecht damit, wenn du denkst, er würde sich mit dem erst besten Typen abgeben“, erklärte er ruhig, als ich mich wieder zu ihm umdrehte. „Wenn du ihn langweilen würdest, hätte er sich schon längst von dir getrennt. Sora ist nicht gerade der Mensch, der sonderlich geduldig ist.“
 

Ich schnaubte abfällig und zog den Strohhalm aus dem Glas, um es mit einem Schluck leer zu trinken. „Genau das macht mir Sorgen“, sagte ich Zähneknirschend und stand auf. „Und deswegen werde ich ihn suchen gehen, damit er keine Dummheiten machen kann.“ Axels vielsagender Blick wurde dabei von mir gekonnt ignoriert, schließlich wollte ich nicht noch mehr gutgemeinte Ratschläge hören. Dabei musste ich nicht mal lange suchen, bis ich einen braunen Schopf entdecken konnte, der in der Menge aus Schattenhaften Körpern auftauchte. Ohne auf die Menschen um mich herum zu achten ging ich näher auf den stacheligen Haarschopf zu und knirschte mit den Zähnen, als ich sein fröhliches Lachen sah, als er mit dem anderen Typen tanzte. Dabei konnte Sora von Glück reden, dass keinerlei Körperkontakt bestand. 'Alles ganz unschuldig', redete ich mir ein, nur um instinktiv anders zu handeln, als ich es eigentlich beabsichtigt hatte. So griff ich nach seinem Arm, wobei ich mit einer Art Genugtuung registrierte, wie der Typ mich vollkommen überrumpelt anstarrte, als ich Sora mit einer schnellen Bewegung einfach zu mir zog.
 

Dieser machte einen überraschten Laut und starrte ebenso zu mir auf. Dabei bemerkte ich zu spät, wie fest meine Hand um seinen Arm griff und wie er entsetzt versuchte, sich von mir zu befreien. Erschrocken von diesem Anblick, ließ ich seinen Arm los, doch trotz meiner Handlung, blieb sein verstörter Ausdruck weiterhin in seinem Gesicht, während er sich mit der Hand über die Stelle seines Armes rieb, wo ich ihn angefasst hatte. Irgendwas in seinen blauen Augen beunruhigte mich und ließ mich ihn betroffen anschauen, war die neue Situation doch viel zu unerwartet, um richtig handeln zu können. Sein betretener Ausdruck machte es mir nicht leichter, da ich mir nur schemenhaft bewusst wurde, was ich getan habe.
 

Als ich mich endlich traute ein paar Schritte auf ihn zu zulaufen, senkte er seinen Blick und legte seine Stirn an meine Brust. Mein Kinn hatte ich auf seinen Kopf gelegt, sodass ich seine Stimme trotz der lauten Musik hören konnte, als er zu reden begann.

„Es tut mir leid“, sagte er. „ich habe mich nur erschrocken, als du so auf uns zu gestürzt kamst. Irgendwie kamen böse Erinnerungen auf.“

„An was hast du dich erinnert?“

Sora schmiegte sich enger an mich, seine Arme, die sich um mir legten, als er seicht seinen Kopf schüttelte. „Schlechte Erfahrungen, schätze ich. Es gab eine Zeit, wo ich mit jemandem zusammen war, der … sagen wir mal … Besitzergreifend war. Ich denke, das es mich mehr geprägt hat, als mir selbst bewusst war. Ein flaues Gefühl bildete sich in meiner Magengegend, als ich ihn so reden hörte. So wanderte meine Hand an seinen Nacken, um ihn näher an mich zu ziehen.
 

„Es tut mir leid“

Wieder kam von Sora nur ein leichtes Kopfschütteln. „Dich trifft doch keine Schuld. Schließlich wusstest du es nicht. Mich wundert es sowieso, dass du es so lange mit mir aushältst und mich nicht unter Druck setzt mit irgendwelchen Fragen.“ Ich seufzte, wobei ich überhaupt nicht wusste, was ich von seinen Worten halten sollte. Sollte es eine absurde Art von Kompliment sein oder war es nur ein Beweis dafür wie dumm ich eigentlich war? Schließlich stimmte es; ich wusste kaum etwas über ihn und hatte in der Zeit wo wir zusammen waren, nur halbherzig versucht, etwas über ihn herauszubekommen. Vielleicht war es einfach nur die Angst ihn zu verlieren, wenn ich zu viele Fragen stellte und ich dann wieder allein war, wenn er mich verlässt. War ich wirklich so einfältig, dass ich das in Kauf nahm, um nicht mehr allein sein zu müssen?
 

„Ich weiß nicht, ob ich es wert bin“, nuschelte er. „Doch bin ich dankbar dafür, dass du es so lang mit mir aushältst.“ Ich ließ seine Worte unkommentiert und hielt ihn einfach nur in meine Arme, da es der einzige Trost war, den ich ihn in dem Moment geben konnte. In meiner Naivität glaubte ich, dass es bald eine Erklärung geben würde – irgendwann. So lang musste ich wohl warten, denn so leicht wollte ich nicht mehr aufgeben, wie mir nun bewusst wurde. Der Anblick von ihm, wie er mit einem anderen Typen tanzte, hatte mich wütend gemacht und auch wenn ich es nicht gern zugab: ich war durchaus eifersüchtig. So hielten wir uns eine Weile nur in den Armen, umringt von fremden, tanzenden Menschen und laute Musik in unseren Ohren. Doch irgendwie bekam ich es kaum mit, fühlte mich wie in einer anderen Welt, als ich den anderen Körper so in meinen Armen hielt. Trotz dieser neuen Situation fühlte ich mich gut, wollte nirgendwo anders sein, als bei ihm.
 

Doch sollte auch dieser Augenblick irgendwann vorbei sein. So löste sich Sora etwas von mir und lächelte zu mir auf, als er meine Hand nahm und mich wieder zu unserem Tisch führte. Dort angekommen, funkelte er mich böse an und zeigte auf den Tisch, auf dem sich eine handvoll Gläser angesammelt hatten. Doch während ich nur verwirrt mit meinen Schultern zuckte, gab Axel ihn grinsend eine Antwort. „Dein Freund hier scheint bei den Männern sehr beliebt zu sein. Aqua bringt andauernd neue Drinks an unserem Tisch. Wenn das so weiter geht, können wir uns heute kostenlos betrinken!“ Sora wandte sich zu mir um, wobei sein Blick mich streng musterte. „Du machst eine Szene, weil ich mit einem Typen tanze, während du von lauter fremden Kerlen Drinks spendiert bekommst? Los Riku, erzähl' mir, was an dieser Situation falsch ist!“
 

Ich sah nur hilflos zu Axel, der mir aber keine große Hilfe war und sah fassungslos zu, wie die Kellnerin einen weiteren Drink an den Tisch brachte. Mit einem amüsierten Grinsen guckte sie mich an und meinte lachend: „Der Drink ist von dem Typen an dem Tisch dort“, Sie zeigte mit dem Finger in eine Richtung, die ich aber nicht folgte, „Frag mich nicht von wem die anderen fünf sind. Irgendwann hab ich einfach den Überblick verloren. Du machst mir echt viel Arbeit heute.“ Wieder warf mir Sora einen verärgerten Blick zu, doch anstatt ihm zu antworten, legte ich ihm meine Hände auf den Schultern und zwang ihn so, sich wieder zu setzen. Ich tat es ebenso und griff nach einem der Gläser, wo ich der Meinung war, dass er gut schmecken konnte. So stieß ich mit Axel an und beinahe synchron tranken wir unsere Gläser aus. „Ach Soralein“, summte Axel vergnügt, nachdem er laut sein Glas auf den Tisch gedonnert hatte. „Mach dir keine Sorgen und erfreue dich einfach an die kostenlosen Drinks, die uns dein Freund eingebracht hat. Er ist wirklich Gold wert.“
 

Mit diesen Worten schob er den schmollenden Brünetten ein Glas zu, doch murrte er nur als Antwort und verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust. Dabei verfinsterte sich sein Blick noch ein bisschen mehr, als sich Aqua zu ihm hinunter beugte und lächelnd sagte: „Du solltest dir erst Sorgen machen, wenn die Herren ihre Gegenleistung für die spendierten Getränke einfordern – schließlich machen sie es ja nicht umsonst.“ Axel lachte bei ihrem Kommentar laut auf, während Sora und ich sie entsetzt anstarrten. „Glaubst du wirklich, sie machen das ohne jegliche Hintergedanken?“, rief der Rothaarige schallend aus. „Aber du musst keine Angst haben, Riku. Ich bin für dich da und keiner dieser Kerle wird dich belästigen.“
 

„Dafür werde ich schon sorgen!“, zischte Sora ungewohnt feindselig und trank das angebotene Glas in mehreren Zügen und mit einer angeekelten Grimasse, in mehreren Zügen aus. Unsere erstaunten Blicke interessierten ihm dabei herzlich wenig. Als Aqua wieder verschwand, war nur noch Axel an unserem Tisch, der seinen Schwager neugierig musterte. Doch anstatt einen weiteren spöttischen Kommentar zu äußern, erhob er sich ungewohnt ruhig und verkündete, dass er wieder zurück zu Roxas gehen würde. Missmutig sah Sora ihm nach, dann griff er nach dem nächsten Glas, an dem er aber diesmal nur vorsichtig nippte. „Ich weiß was diese Typen wollen“, brummte er trotzig. „Schließlich hab ich es oft genug mit gemacht.“
 

Ich starrte ihn fassungslos an. „Also warst du hier schon oft?“

Er nickte und nahm einen weiteren Schluck aus seinem Glas. „Es ist der beste Ort um Männer kennenzulernen wenn man einsam ist und vergessen will.“

„Vergessen?“, fragte ich betroffen.
 

Sora senkte seinen Blick und starrte nachdenklich auf die grüne Flüssigkeit in seinem Glas, als er langsam nickte. „Es ist ein guter Ort um etwas Spaß zu haben und wenigstens für einen Abend die Realität vergessen zu können. Früher war ich hier sehr oft und erfreute mich daran, so beliebt zu sein. Es war, als würdest du unter Freunden sein, die dich verstehen – eine Art Abenteuer. Nur war es für mich ein anderes Abenteuer als für sie. Ich war neu, naiv und mochte diesem Glanz im Scheinwerferlicht. Man interessierte sich für mich und das war so neu für mich, dass ich mich dieser Illusion hingab. Hier konnte ich so sein wie ich wollte, ohne das jemand mir sagte, dass ich abartig sei oder es falsch wäre was ich tat.“
 

Mir sollte es eine Warnung sein, dass er wieder nach seinem Glas griff und grimmig den letzten Rest davon austrank. Trotzdem hielt ich ihn nicht auf und ließ ihn trinken. Irgendwie hatte ich das Gefühl, als müsste er sich Mut antrinken um seine Geschichte zu erzählen und ein egoistischer Teil von mir war einfach zu neugierig, was er mir zu erzählen hatte. So ließ ich ihn gewähren, als er nach dem nächsten Glas griff. Als ich ihn dabei in dieser zusammen gekrümmten Haltung sah, keimte in mir der Gedanke aus, dass ich es hier mit einer verlorenen Seele zu tun hatte. Einen Menschen, der nichts weiter suchte als ein bisschen Bestätigung und einen Platz in dieser wirren Welt. Dieser Verdacht bestätigte sich, als er mit glasigen Augen zu mir aufsah.
 

„Ich war jung, naiv und geblendet von diesem neuen Abenteuer, das mir so furchtbar aufregend vorkam. Schließlich war ich zum ersten Mal in dieser neuen Welt, in der jeder so war wie ich und ließ mich von dieser Aufmerksamkeit blenden, die mir entgegen gebracht wurde. Es war auch viel zu aufregend, mich Nachts aus dem Haus meiner Tante zu schleichen, um hier her zu kommen und ein bisschen Spaß zu haben. Ich führte eine Art Doppelleben: Am Tag gehorchte ich brav der Gesellschaft und in der Nacht konnte ich so sein wie ich war. Dabei merkte ich nicht, wie die Typen mich ausnutzten und es einfach nur geil fanden, einen jungen Kerl zu ficken, der zudem noch minderjährig war.“
 

„Wie alt warst du?“

„Sechzehn, fast siebzehn“, antwortete er und wandte sich von mir ab, um betrübt auf sein Glas zu starren. Seine Hände, die es umklammerten, als würde er so etwas Halt bekommen. „Ich weiß es nicht so genau, da die Zeit doch ziemlich verwirrend für mich war und ich in so eine Art Dauerrausch. Alles ging so schnell – zuerst genoss ich meine nächtlichen Abenteuer, nur um irgendwann in einem tiefen schwarzen Loch zu fallen, als meine Tante mich dabei erwischte, wie ich mich eines Nachts in mein Zimmer schlich. Ihre einzigen Worte waren „Ich weiß wo du warst. Du riechst nach ihnen. Du trägst ihren Schmutz auf dir.“ Es waren die letzten Worte, die ich von ihr hörte, bevor sie mich einfach aus dem Haus warf. In dieser Zeit lernte ich Cifer kennen und kam bei ihm unter. Nur konnte man ihn nicht gerade als einen netten und liebevollen Freund bezeichnen. Er mochte es, mich zu dominieren und zu kontrollieren. Es war nicht so, dass er gewalttätig oder so war, doch schränkte er mich ein und sorgte dafür, dass ich immer unglücklicher wurde. Doch hatte ich keine andere Wahl, als bei ihm zu bleiben, da ich sonst nicht wusste, wohin ich sollte.“
 

„Was war mit deinen Eltern?“

Sora lachte humorlos auf. „Es war ihnen egal. So musste ich allein dafür sorgen, wie ich über die Runden kam. In dieser Zeit war ich unglücklich, doch sollte es nicht lange so bleiben. Ein Zufall sollte mein Leben verändern, als Cifer wieder einer seiner Eifersuchtsattacken bekam und so Leon auf uns aufmerksam wurde. Niemand interessierte sich dafür, dass ich mitten in der Stadt von meinem Freund angeschrien wurde. Warum auch? Schließlich war ich nur einer von einer breiten Masse und kein Großstadtmensch interessiert sich für einen einzelnen Menschen. Nur Leon ging dazwischen und half mir aus dieser Situation heraus. Ich nenne es gerne Schicksal, dass ich ihn begegnet war und er mir nicht nur auf eine Art und weise half. Er gab mir eine Familie, holte mich aus meinem Tief heraus, in dem ich viel lange gefangen war. Trotzdem blieb ich zuerst bei Cifer, besuchte das Viertel nur, in dem ich so viele neue Freunde gefunden hatte. Jedenfalls so lange, bis Cifer dahinter kam und er mir verbat, weiter dort hin zu gehen. Als ich es trotzdem tat, ließ er mich nicht mehr aus der Wohnung. Wieder war es Leon, der dafür sorgte, dass ich von ihm weg kam und er mich nicht mehr belästigen Konnte. Ich habe diesem Menschen so viel zu verdanken, obwohl ich wohl nicht immer der einfachste Mensch war, war er immer für mich da und beschützte mich, wenn ich in Schwierigkeiten geriet. Und trotzdem war ich nicht immer fair zu ihm, obwohl er immer so nett zu mir war.“
 

Er stoppte sich und fuhr sich mit den Handrücken unter die Nase. Im seichten Licht des Lokals konnte ich einzelne Tränen über seine Wangen kullern sehen. So machte ich das, was mir als erstes in den Sinn kam und streckte meine Arme aus, um ihn zu mir zu ziehen und ihn zu trösten. Doch gefiel ihm diese ungemütliche Position nicht lange, sodass er ungeschickt auf meinen Schoß krabbelte und sein Gesicht an meinem Hals vergrub. Schniefend verharrte er dort und still drückte ich ihn nahe an mich, um ihn den nötige halt zu geben, während sich die Menschen um uns herum amüsierten und die laute Musik in unseren Ohren dröhnte.
 

Eine Weile saßen wir nur so da, bis ich verblüfft merkte, dass der Körper über mir aufgehört hatte zu zittern und sich ruhig an meinem schmiegte. Vorsichtig verrenkte ich mich ein bisschen, nur um erstaunt festzustellen, dass er trotz der lauten Musik friedlich schlummerte. So etwas konnte auch nur meinem kleinen Blumenkind passieren. Seufzend strich ich ihm durch das stachelige Haar und ließ ihn schlafen. Vielleicht war es auch besser so, war ich doch viel zu aufgewühlt von seinen Erzählungen, um noch mehr von ihm zu erfahren. Die neuen Informationen reichten mir, um meinen eigenen Gedanken nachzuhängen und mir selbst die Zeit zu geben, um seine Worte zu verarbeiten.

Das gewisse Gefühl

Ich schien ein gemütliches Bettchen zu sein, denn Sora bewegte sich keinen Millimeter und schlummerte friedlich weiter. Es war vielleicht ein wenig absurd, ausgerechnet an diesem Ort zu tun, doch wagte ich mir nicht ihn einfach zu wecken oder mich gar zu bewegen, obwohl er nach einer Weile doch etwas schwer wurde. Trotz meiner meiner Beine, die langsam zu schmerzen begannen, mochte ich den Gedanken, dass er so viel vertrauen zu mir hatte, um in meinen Armen einzuschlafen. Schließlich wollte ich sein Halt sein, jemand, zu dem er vertrauen hatte und mir wurde in dem Moment irgendwie klar, dass ich genau das erreicht hatte. So trank ich geduldig mein Glas leer und ließ meinen Blick über die Menge schweifen, die sich sichtlich amüsierten und uns nicht mal zur Kenntnis nahmen. Bei meinen Beobachtungen blieb mein Blick an einem Typen hängen, der noch ziemlich jung aussah und wahrscheinlich nicht mal Alkohol trinken durfte. Er tanzte mit einem Mann, warf ihm immer wieder anzügliche Blicke zu, bis sie kurzerhand in der Menge verschwanden.
 

Ich konnte nur erahnen wohin sie gingen, doch nach Soras Erzählungen würden sie sich wohl ein ungestörtes Plätzchen suchen, um sich zu zweit zu vergnügen. Während sie in der Menge verschwanden, konnte ich noch ein letzten Blick auf das Gesicht des Jungen erhaschen und war etwas erschrocken darüber, in meiner Einbildung Soras Gesicht kurz aufblitzen zu sehen. Er selbst war mal dieser Junge gewesen, der mit so einem Typen mitgegangen war. Ich erschauderte bei diesem Gedanken, schüttelte meinen Kopf, um diesen Gedanken aus meinem Hirn zu bekommen. Es war seine Vergangenheit, viel zu lange her, um darüber nachdenken zu müssen.
 

„Er schläft?“, fragte eine Stimme recht uninteressiert. Erschrocken fuhr ich beim Klang dieser Stimme zusammen, schaute instinktiv auf Sora, der davon zum Glück nicht aufgewacht war. Dann richtete sich mein Blick auf Roxas, der mich mit ausdruckslosem Gesicht anschaute. Ich konnte gerade noch ein genervtes aufstöhnen verhindern, als er sich neben mich setzte. Denn trotz meiner momentanen Lage, wollte ich nicht riskieren, einen Streit mit Roxas zu provozieren. Schließlich war er sein Bruder und wie sagte Axel noch? Wir wollen einen ruhigen Abend ohne Streit verleben und vielleicht würden die Brüder einen Schritt aufeinander zugehen. So oder so ähnlich. So blieb ich ruhig, als er uns musterte, wobei ein kleines Lächeln um seine Mundwinkel zuckte, als sein Blick auf das schlafende Gesicht seines Bruders fiel. Vorsichtig streckte er seine Hand aus und strich zart mit seinen Fingerspitzen über das braune Stachelhaar. Still beobachtete ich ihn dabei, war verblüfft über diesen liebevollen Ausdruck in seinem Gesicht, als er dies tat, und bewunderte sein seltenes Lächeln, das mich so an das von Sora erinnerte.
 

„Er kann wirklich überall schlafen“, murmelte er mehr zu sich selbst. „Schon als Kind brauchte er sich nur irgendwo hinlegen und war sofort eingeschlafen. Man musste nur dem schnarchen folgen, um ihn zu finden.“ Er lachte, doch klang es eher bitter als fröhlich. Als er meinen Blick einfing, räusperte er such und zog seine Hand wieder zurück, als hätte er sich verbrannt. Unschlüssig legte er seine Hände in den Schoß und sah mich nachdenklich an, als müsste er erst mal überlegen, wie er weiter vorgehen sollte. Wahrscheinlich wartete er darauf, dass ich irgendwas sagen würde, um ein Gespräch zu beginnen. Doch war ich viel zu angespannt und die Stimmung viel zu bedrückend, um etwas sinnvolles zu erwidern. Doch nach einer langen, schweigsamen Pause rang ich mich doch dazu durch und meinte ungeschickt: „Er scheint nicht sonderlich viel Alkohol zu vertragen.“ So unauffällig wie möglich schielte ich zur Seite, in der Hoffnung, dass jemand von den anderen an unserem Tisch kommen würde. Doch als ich so in die Menschenmenge blickte, konnte ich etwas leuchtend rotes dort auftauchen sehen. Axel war damit beschäftigt mit den anderen zu tanzen und schien gar nicht daran zu denken, mir aus der Patsche zu helfen. Wo war sein unpassendes Timing wenn man es mal brauchte?
 

Ich seufzte leicht und schaute wieder auf den Blonden, dessen Augen unruhig hin und her huschten. Es war nicht gerade beruhigend, dass er genauso wenig wusste, was er nun machen sollte. „Da mein Bruder keine Chance zum weglaufen hatte, musste er etwas finden, um diese ungewohnte Situation zu überstehen. Er ist nicht gut darin, in stressigen Situationen einen klaren Kopf zu bewahren. Streit geht er äußerst gern aus dem Weg, da er nicht gut argumentieren kann.“ Ich nickte leicht, erinnerte mich an dem Vorfall in meiner Wohnung, wo er nach dem unerwarteten Kuss einfach geflohen war. Es war ein gutes Beispiel dafür, dass Roxas recht hatte, obwohl mir noch mehr Beispiele einfielen, die seine Worte bestätigen. Sora mochte Harmonie – so viel war selbst mir klar. „Er hat den Alkohol auch gebraucht, um mir ein bisschen was über sich zu erzählen“, wagte ich zu sagen und sofort wurde ich überrascht angestarrt. „So seltsam es auch ist, sich dafür betrinken zu müssen.“
 

Wieder guckte er seinen Bruder mit diesem liebevollen Lächeln an. „Mein Bruder war schon immer nicht leicht zu verstehen. Nicht mal ich kann alle seine Entscheidungen nachvollziehen – dabei bin ich sein Zwilling. Einige seiner Entscheidungen konnte ich nicht mal akzeptieren, da ich einfach nicht verstehen kann, wie man freiwillig in diesem Viertel leben kann, in dem es nur so von Spinnern wimmelt.“
 

„Sie sind seine Familie.“

Roxas funkelte mich böse an. „Sie sind nicht seine Familie, sondern nur ein weiterer Grund, um sich vor der Realität zu verstecken!“ Seine Stimme war lauter geworden, so schaute er sofort auf seinen Bruder, um sicher zu gehen, dass er durch seinen Wutausbruch nicht geweckt wurde. Natürlich war er es nicht, denn wenn er durch die laute Musik nicht aufwachte, würde er es auch nicht durch Roxas Worte tun. Etwas leiser fuhr der Blonde fort: „Ich leugne nicht, dass sie ihn helfen und beschützen. Doch so in Watte gepackt, schafft er es nie selbstständig sein Leben zu bestreiten. Irgendwann werden auch seine Freunde weg sein und er muss sich neue suchen, um wieder einen Grund zu haben, um nichts allein machen zu müssen. Ich hörte still zu und wurde mir so seiner Besorgnis bewusst. Er war einfach nur ängstlich, wollte nur das beste für seinen Bruder – auch wenn er damit nur das Gegenteil erreichte, da sich Sora so von ihm abgewandt hatte. Es war genau der falsche Weg gewesen und ich war mir sicher, dass ihm das auch bewusst war.
 

„Er ist vielleicht naiv, aber clever genug, um seinen Weg finden zu können“, sagte ich ruhig.

Roxas blaue Augen verfinsterten sich, als er seinen Kopf schüttelte. „Nicht wenn er immer wieder einen dummen Typen findet, der ihn aushält und er in dem Schoß seiner 'Familie' flüchten kann, wenn ihm der Verlauf der Dinge nicht gefällt.“ Seine Worte waren wie ein Faustschlag in meinen Gesicht. Da war er wieder: Der strenge Bruder, der mir eine verbale Ohrfeige verpasste. Es war überraschend genug, sodass ich nichts weiter tun konnte, als ihn dumm anzustarren. Nichts war mehr von dem lächelnden Gesicht übrig geblieben, als er mich abfällig ansah. Auf meinem Lippen lag bereits die passende Antwort darauf, die nur drauf wartete, in die Freiheit entlassen zu werden. Doch diesmal war Axels Timing besser, denn wie auf dem Nichts tauchte er hinter seinem Freund auf und legte seine Arme um ihn. So schluckte ich meinen Ärger hinunter, war einfach nur dankbar dafür, dass der Rothaarige da war und mich davon abhielt, etwas falsches zu sagen.
 

Ein weiterer Pluspunkt war, dass er Roxas ablenkte und dieses Gespräch somit beendet war. So küsste er seinen Freund auf die Lippen und lächelte ihm zu, als hätte unser Gespräch nie stattgefunden. Axel selbst guckte auf Sora und mir, nachdem der Kuss endete und grinste über das ganze Gesicht bei seinem Anblick. „Der kleine hält auch gar nichts aus. Kaum ein paar Gläschen getrunken, schon macht er ein Nickerchen. Die großen Partys scheinen die Hippies nicht zu schmeißen, wenn man Soralein so sieht.“ Amüsiert beugte er sich vor und drückte mit seinem Finger auf Soras Nase rum, bis dieser sie rümpfte. Protestierend versuchte er dieser groben Behandlung zu entfliehen und drückte sein Gesicht tiefer in meinen Hemd. Nur wollte Axel das nicht so leicht akzeptieren, schien ihm das doch zu viel Spaß zu machen. So ging er näher zu uns und flüsterte in amüsiert in sein Ohr: „Aufwachen Soralein, dein sabbern ruiniert Rikus Hemd.“
 

Träge öffnete er ein Auge und guckte auf den grinsenden Axel. „Hau ab“, motzte er schmollend.

Der Rothaarige lachte. „Nö, schließlich ist es hier ein öffentlicher Ort und es macht viel zu viel Spaß, dein zerknautschtes Gesicht zu sehen. Wie kann Riku nur jeden Morgen dein Nachtgesicht ertragen? Respekt Kumpel.“

Sora fluchte leise, während er sich etwas aufrichtete und über seine Augen rieb. „Genauso gut, wie Roxas deine nervende und penetrante Art ertragen kann!“, schoss er zurück.

Axel lachte wieder. „Das war wohl ein Eigentor.“
 

Sora guckte ihn verwirrt an, entschied sich aber dafür, nicht weiter darauf einzugehen. Lieber rieb er sich über die Stirn und versuchte sich ordentlich auf meinen Schoß zu setzen, während er noch ein bisschen orientierungslos durch die Gegend schaute. Sein verschlafendes Gesicht ruhte wieder an meiner Schulter, als seine Bewegungen doch noch etwas wackelig waren. „Wie viel hast du davon getrunken?“, fragte Roxas alarmiert und zeigte dabei auf die leeren Gläser auf den Tisch, die mehr waren, als ich vermutete.
 

„Weiß nicht, hab einfach getrunken“, nuschelte er. „Schließlich sollten kostenlose Getränke ausgenutzt werden, wenn mein Freund schon so beliebt ist.“ Mir wurde ganz warm im Bauch bei den Worten 'Mein Freund' und freute mich insgeheim mehr darüber, als ich es eigentlich sollte. Da störte mich nicht mal Roxas Blick, der mich abschätzend musterte. Trotzdem nahm ich Soras Zustand als Grund, um endlich aufzubrechen und dem Blonden zu entkommen. Schließlich hatte der Abend genug Überraschungen parat gehabt und mein Bedürfnis war bei dieser Art von Überraschungen gedeckt. So deutet ich Sora an aufzustehen, damit ich mich selbst erheben konnte. „Du willst schon gehen?“, fragte Axel verblüfft. Ich nickte nur und hielt Sora am Arm fest, als dieser bedrohlich wankte.
 

„Es wird Zeit.“

„Es ist erst Mitternacht“, warf Axel ein.

„Für einen Langweiler viel zu spät“, gluckste Sora und pikste mit spitzen Finger in meinen Bauch rum. „Er muss ins Bettchen, das Sandmännchen ruft schon nach ihm.“ Er lachte über seinen eigenen Scherz albern, während ich nur mit den Augen rollte und einen Arm um seine Schultern legte, damit er auf seinen Füßen stehen blieb. So verabschiedete ich mich von dem Paar und war froh, von den beiden weggekommen zu sein.
 

Wir brauchten länger als nötig, um zu meinem Auto zu gehen, da Sora sich nicht mal die Mühe gab, um einen Schritt vor den anderen zu machen und lieber albern kicherte, wenn er über seine eigenen Füße stolperte. So war ich froh, als er endlich auf den Beifahrersitz saß und ich mir wenigstens vorerst um ihn keine Sorgen mehr machen musste. Trotzdem fand er eine andere Methode, um mich zu ärgern und plapperte munter drauf los, als ich uns nach Hause fuhr. „Als du meintest, dass es für uns Zeit wird, hast du hoffentlich an was anderes gedacht, als wirklich nach Hause zu fahren, oder?“ Ich schaute kurz in sein erwartungsvolles Gesicht und schüttelte meinen Kopf. „Nein“, erwiderte ich streng und schon gab es ein enttäuschtes Schnauben von ihm.
 

„Aber ich will noch nicht Heim“, murrte er und sprang in seinem Sitz auf, um sich enthusiastisch an meinem Arm zu schmiegen. „Ich bin viel zu hibbelig um schlafen zu gehen!“ Höchst zweifelhaft wollte er das auch beweisen und ließ seine Finger federleicht über meine Schenkel wandern, bis sie etwas fester über meinen Schritt streichelten und dort verweilten. Dabei warf er mir ein anzügliches Grinsen zu, als ich ihn zweifelnd anschaute. Schnell griff ich nach seiner Hand und legte sie demonstrativ wieder auf seinen Schoß zurück, was erneut zu einem kindlichen Protest seinerseits führte. „Sora“, seufzte ich, „du bist betrunken und kannst noch nicht mal geradeaus gucken – ein schlechter Zeitpunkt für solche Dinge.“
 

„Dinge“, gluckste er, „ich kenne wirklich niemanden, der Sex so beschreiben würde. Ach, du bist viel zu vernünftig. Andere Typen hätten mich schon längst durchgevögelt, wenn ich das mit ihnen gemacht hätte.“

„Ich bin nicht die anderen.“

Sora seufzte und schob sich weiter in seinem Sitz hinein, seine Knie, die dabei beinahe sein Kinn berührten. „Ich weiß“, murmelte er nach einer Weile. „Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich dich so gerne mag. Irgendwie wusste ich, dass du anders bist als die anderen. Mein Gefühl sagte mir, dass ich es mit dir versuchen sollte und mein Bauchgefühl hat mich noch nie getäuscht.“
 

Ich runzelte meine Stirn bei seinen Worten, dabei mein Blick weiterhin auf die Straße gerichtet, als ich etwas zu grimmig fragte: „Wie bei den anderen Männern, die du schon in deinem Leben getroffen hast?“ Sora blieb beunruhigend still. So schielte ich vorsichtig zu ihm und war froh, als ich ihn nur nachdenklich aus dem Fenster starren sah. Es hätte eindeutig schlimmer ausgehen können. „Nein,“ antwortete er nach einer schwerfälligen Pause, „es ist anders. Ich kann es dir nicht erklären, aber es das zweite Mal, dass ich dieses gewisse Gefühl habe. Es ist anders als bei den Typen die ich sonst kennen lernte, da es bei ihnen eher um andere Dinge ging. Das Gefühl was ich meine, ist intensiv und einfach anders. Du würdest es nicht verstehen und es als lächerlich bezeichnen, wenn ich es dir näher erkläre.“
 

„Wahrscheinlich“, gab ich zu. „Ich bin auch nicht der richtige Gesprächspartner dafür, um über so was zu reden, bin ich doch eher ein Mensch, der sich auf sein gesunden Menschenverstand verlässt.“

„Sora kicherte. „Das bist du wirklich, aber du schlägst dich wacker und wie auch beim ersten Mal, hatte ich mit meinem Gefühl recht – auch wenn ich hoffe, dass es diesmal anders ausgeht.“

„Wie ist es ausgegangen?“

„Wir haben uns getrennt“, sprach er das offensichtliche aus.
 

Ich konnte in der aufkommenden Stille seine Geräusche höre, als er sich etwas bewegte, um sich ordentlich hinzusetzen. Verwirrt ließ ich seine Worten auf mich wirken, dachte noch eine Weile drüber nach, ohne ihn weiter danach zu fragen. So konzentrierte ich mich wieder auf das fahren und war froh, dass wir schon fast an unserem Ziel waren und ich war mal wieder mit der unliebsamen Suche nach einem Parkplatz konfrontiert. Als ich endlich einen fand und den Schlüssel aus dem Zündschloss ziehen konnte, stand ich aus und half Sora aus dem Auto. Viel zu weit kam mir die Strecke zu meiner Wohnung vor, als Sora nach meinem Geschmack viel zu sehr herum bummelte und lieber seinen Spaß dabei hatte, über seine eigenen Füße zu stolpern. Das machte er ein paar Mal, bis ich genug davon hatte, ihn immer halten zu müssen, wenn er wieder einmal drohte zu fallen und ihn kurzerhand auf meine Arme nahm, um ihn nach Hause zu tragen. Dabei wurde ich das Gefühl nicht los, dass er es mit Absicht getan hatte, da er sich viel zu gern in meine Arme schmiegte.
 

Wie dem auch sei; ich war einfach nur froh, als ich hinter mir die endlich die Tür zumachen konnte und dieser Abend hinter mir lag. Noch mehr Aufregung konnten Langweiler wie ich einfach nicht ertragen. So trug ich ihn direkt in das Schlafzimmer und legte ihn behutsam auf das Bett ab, wo zu meinem Leidwesen noch immer unsere Klamotten verteilt lagen. Während Sora sich davon nicht abhalten ließ, einfach unter die Decke zu krabbeln, griff ich mir die ersten Kleidungsstücke, um sie sorgfältig zurück in den Schrank zu hängen. Dabei dachte er nicht daran, mir zu helfen und schaute mir amüsiert dabei zu. „Du bist so ein Spießer!“, lachte er mich auch noch aus.
 

„Möchtest du unter einem Kleiderhaufen schlafen?“

„Ich will, dass du dich neben mir legst, anstatt aufzuräumen. Schließlich wolltest du doch, dass wir schlafen gehen.“

Ich verdrehte meine Augen und machte einfach weiter. „Ich schlafe nicht in einem Bett, das so chaotisch aussieht!“

„Dabei hast du es selbst angerichtet“, neckte er weiter und grinste breit, als ich murrte. Dann streckte er seine Arme aus, um mich ins Bett zu locken.
 

Ich tat ihn bald den Gefallen, wenn auch unter meinen Bedingungen, die ihn wieder zu einem seufzen verleitete, als ich mich vorher umzog, um nicht wie er, mit Klamotten ins Bett zu gehen. Doch kaum hatte ich meine Schlafanzughose über meinen Hintern gezogen, griffen auch schon wieder seine Hände nach mir und zogen mich stürmisch ins Bett. Ein wenig zu grob drückte er sich an mich, nur um nur ein paar Momente später, ärgerlich aufzustöhnen. Bevor ich aber fragen konnte was los sei, drehte er sich um und suchte neben mir eine geeignete Position. Minuten später stöhnte er erneut auf und starrte missmutig an die Decke.
 

„Das ist oll!“, rief er genervt aus.

„Was meinst du genau?“

„Ich bin so ekelhaft hibbelig, dabei konnte ich in der Bar doch so wunderbar schlafen!“ Er zappelte ein bisschen herum und murrte wieder.

Ich schmiegte mich in mein Kissen und grinste. „Vielleicht solltest du deine überschüssige Energie dazu verwenden, um dich auszuziehen oder willst du wirklich so schlafen gehen?“
 

Sora kicherte, als er sich ungeschickt aufrappelte, um sich seiner Klamotten zu entledigen. Dabei stand er bedrohlich schief da, als er versuchte, aus seiner Hose raus zukommen. Nur noch auf einem Bein stehend, verlor er doch sein Gleichgewicht und fiel neben mir zurück aufs Bett, um dort den Rest der Hose loszuwerden. Als er endlich fertig war und unter die Decke schlüpfte, knipste ich das Licht aus, wobei ich schon wieder seine Arme um meine Taille wandern spüren konnte. „Erzähl mir was“, forderte er.
 

Ich gluckste leicht auf. „Was willst du denn hören?“

„Hm“, machte er. „Erzähl mir was über die Insel. Warum bist du da fort gegangen? Ich stelle mir das dort so fantastisch vor! Das Meer vor der Nase, Sonne das ganze Jahr über und dieses schöne Geräusch vom rauschen des Wassers. Wie kann man nur freiwillig so einen schönen Ort verlassen?“

Ich lächelte in die Dunkelheit hinein, meine Finger, die liebevoll durch sein rebellisches Haar streichen. „In dem man dort keinen Sinn mehr sah, dort zu bleiben. Es war dort langweilig und es gab dort nichts, was ich nach der Schule machen konnte um Geld zu verdienen. Es ist eine kleine Insel, auf der man als junger Mensch Job mäßig nicht weiter kommt, wenn man nicht gerade als Fischer arbeiten oder irgendwelche Dinge an einem Stand verkaufen will.“
 

Sora machte ein knurrendes Geräusch. „Die sind sexy.“

Ich lachte. „Wenn man auf alte, bärtige Männer steht, dann wohl schon.“

„Auch die können sexy sein“, gab er überzeugt zurück.
 

Ich guckte zu ihm hinab, konnte schemenhaft die Umrisse seines Kopfes erkennen, da das Licht der Straßenlaternen leicht in das Zimmer fiel. Soras Augen leuchteten hell, als er ein wenig seinen Blick hob und ich sein schelmisches Grinsen sehen konnte. „Hey, sie können wirklich sexy sein, wenn sie nicht gerade furchtbar alt sind. Ich war mal mit Leon in einer Bar wo solche Kerle waren und sie waren zum anbeißen. Muskulös und grob – wir hatten jedenfalls unseren Spaß.“ Er schaute mich verdutzt an, als ich nur gequält aufstöhnte. „Sora, hör auf damit.“ Er richtete sich etwas auf, sein Kinn auf dessen gefalteten Hände gebettet. Aus großen, fragenden Augen sah er mich an. „Was ist los?“
 

„Sora, niemand möchte wissen, was sein Partner vor seiner Zeit gemacht hast. Deine scheiß Erzählungen sorgen bei mir nicht gerade für Luftsprünge – vor allem wenn du mit Seemännern vögelst.“ Seine Gesichtszüge entglitten ihm, als ich das sagte. Er guckte mich weiterhin mit diesem seltsamen Blick an, um daraufhin einfach zu seufzen. „Aber es ist mein Leben, Riku“, wisperte er eindringlich. „Ich habe dir davon erzählt, weil ich es für richtig hielt und ich keine Geheimnisse vor die haben wollte.“
 

„Und trotzdem hast du noch immer welche vor mir.“ Er lachte bitter auf und senkte seinen Blick, als er sich näher zu mir schob, sodass unsere Gesichter sich nahe waren und ich in diese dunklen Augen sehen konnte, als er verhalten aufblickte. Etwas unentschlossen, was ich als nächstes tun sollte streichelte ich mit dem Handrücken über seine Wange und hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn. Einen Moment lang verharrte ich so, bis Soras Hände nach meinen Schultern tasteten und sie leicht drückten. „Ich gebe mir Mühe“, versprach Sora flüsternd. „Es ist nur so ungewohnt für mich, da kaum jemand von meiner Vergangenheit weiß.“ Er machte ein Geräusch, das entfernt an einem auflachen erinnerte. „Okay, vielleicht wollte auch niemand was davon wissen.“ Traurig löste er sich von mir und legte schweigend seinen Kopf zurück auf meine Brust.
 

Eine Weile blieb es still zwischen uns und ich konnte nur das leise atmen von ihm hören, so dass ich schon glaubte, er wäre eingeschlafen. Umso überraschter war ich, als ich wieder seine Stimme hören konnte: „Du bist mir wichtig, Riku. Ansonsten wäre ich schon längst nicht mehr bei dir und ich werde mir Mühe geben, dir alles zu erklären. Doch brauche ich Zeit, so wie du Zeit brauchst, um dich an alles zu gewöhnen. Ich werde dir alles erklären, wenn der rechte Zeitpunkt gekommen ist.“ Er kicherte albern. „Na gut, vielleicht nicht alles, denn ein paar Geheimnisse muss ich ja schließlich auch noch haben.“ Er schmiegte sich an mich und kuschelte sich weiter in die Decke. Ich hatte eigentlich erwartet, dass er noch etwas sagen würde oder er von mir eine Antwort verlangte – doch nichts geschah.
 

Von der Stille eingehüllt und die angenehme Wärme des anderen auf meiner Haut spürend schlief ich ein. Doch lange sollte diese Idylle nicht andauern, denn mitten in der Nacht konnte ich seine wimmernde Stimme an meinem Ohr hören und wie sich die Matratze unter mir hektisch bewegte. Als ich träge ein Auge öffnete, war Sora weg und ich konnte aus den Augenwinkeln einen hellen Lichtschein aus dem Badezimmer scheinen sehen. Aus diesem kamen unangenehme Geräusche, die mir den Magen umdrehten. Trotzdem siegte die Sorge und ich richtete mich schlaftrunken auf, um nachzuschauen ob es meinem kleinen Blumenkind gut ging. Nach dem würgenden Geräuschen aus dem Badezimmer zu urteilen, war er wenigstens am Leben.

Idiot

Als ich den Raum betrat, konnte ich Sora vor der Toilette knien sehen. Seine Hände umklammerten die Klobrille, als er sich übergab und die dabei entstehenden Geräusche waren sehr unschön. So lief ich schnell zu ihm, legte meine Hand auf seinen Rücken und griff nach der Rolle Klopapier, um ein Stück davon abzureißen, als er seinen Kopf hob. Zum Glück hatte er sein Gesicht von mir abgewandt, als er das Papier nahm und sich damit seinen Mund abwischte. Dann drehte er sich erst zu mir, wankte selbst bei dieser Bewegung, sodass ich rasch nach ihm griff, damit er nicht auf die kalten Fliesen landen konnte. „Es dreht sich alles, Riku. Mach das es aufhört!“, wimmerte er, während sein Gesicht sich an meiner nackten Brust schmiegte. Instinktiv griff ich nach seinen Körper, war erleichtert, als er seine Beine um meine Taille schlang und es mir so leichter machte, mich zu erheben, um ihn schnell wieder zurück ins Bett zu bringen. Nur gab er sich nicht mal die Mühe sich von mir zu lösen, als wir auf die Matratze fielen. Er lag einfach nur auf mir, sich nur ein bisschen bewegend, um seine Beine ein wenig zu verschieben, um so in eine bequemere Position zu erhalten. Aber scheinbar ging es ihm nicht schlecht genug, um mit dem jammern aufzuhören und sich immer wieder darüber zu beschweren, wie mies er sich doch fühlte.
 

„Du bist selbst daran Schuld, Sora! Warum trinkst du auch so viel!“, meinte ich bissig, nachdem ich genug von seiner Jammerei hatte.

Sora wimmerte wieder. „Weil die Drinks kostenlos waren und ich mir einfach Mut antrinken wollte.“

„Mut wofür?“

„Damit ich dir meine Geschichte erzählen kann, Dummkopf!“

„Dummkopf?“, fragte ich erstaunt. „Ich war nicht derjenige, der mit seinem Kopf über der Kloschüssel hing und sich nun beschwert, wie ach so schlecht es ihm doch geht. Nimm es wie ein Mann.“

Prompt kam ein anklagendes aufstöhnen von ihm. So schön theatralisch, dass es in meinen Ohren surrte. „Ich kann dich auch Idiot nenne, wenn du willst, da du überhaupt nichts zu schätzen weißt und selbst dann noch gemein zu mir bist, wenn es mir dreckig geht.“ Dieser Vorwurf saß dann doch ein bisschen. Seufzend legte ich meine Hand auf seine schweißnasse Wange, während die andere über sein feuchtes Haar streichelte. Er seufzte leise, war aber ansonsten erst mal still. Eine gute Sache.
 

Nach einer Weile bewegte er sich wieder ein bisschen, doch als ich zu ihm nach unten schielte, stellte ich erleichtert fest, dass er erneut nur nach einer bequemeren Position suchte. Wieder dauerte es, bis er sie gefunden hatte und zufrieden gegen meine Brust seufzte. Ich grinste amüsiert bei diesem Anblick, den er mir da bot. Vielleicht auch ein wenig froh darüber, dass er nicht erneut ins Badezimmer stürzte, um sich zu übergeben. Schließlich war ein halb auf mir liegender Sora angenehmer, als ihm die restliche Nacht im Bad Gesellschaft zu leisten, während er sich den letzten Rest an Mageninhalt aus sich heraus würgte. Somit konnte ich mit meiner momentanen Situation höchst zufrieden sein, da ich ihn schon bald leise über mir atmen hören konnte. In den glauben, dass er eingeschlafen war, schloss ich selbst die Augen und döste ein wenig ein. So verpasste ich fast die murmelnden Worte über mir, die sich in meinem benebelten Verstand beinahe trotzig anhörten. „Du stellst Fragen, die mir vorher noch nie jemand gestellt hat.“
 

Verblüfft öffnete ich ein Auge und schaute in das schlafende Gesicht Soras. Dabei wusste ich nicht, ob er nur vorgab zu schlafen oder es wirklich tat. Doch der kleine Satz berührte mich, waren sie doch so unschuldig und trotzdem vorwurfsvoll an mich gerichtet. Ungeduldig wartete ich darauf, ob er mir sein Unterbewusstsein noch was zu sagen hatte. Doch das Murmeln wurde schwächer, beschränkte sich nur noch auf kurze Worte, die für mich keinen Sinn ergaben. Trotzdem haftete mein Blick noch etwas länger auf ihn, da sein Schlaf unruhig war, als würde er in ihm etwas verarbeiten müssen, dass er im wachen Zustand stets verdrängte. Sein leicht gequälter Ausdruck machte mir Sorgen, so schlang ich meine Arme um den kleineren Körper, und versuchte ihn selbst in seinen Träumen noch Schutz zu bieten. Als ich ihn fest an mich drückte, wurde es weniger und ich fragte mich verblüfft, was ihn so beschäftigen konnte. War es das Gespräch in der Bar oder doch etwas anderes, das ihm selbst im Schlaf nicht loslassen wollte. Ich selbst wollte lieber das erstere glauben, da ich den Gedanken nicht mochte, dass er noch mehr vor mir verbergen könnte.
 

Dieser Wunsch wurde bestätigt, als ich aus seinen Wortfetzen, den Namen seines Bruder heraushören konnte. In meinem verwirrten Verstand war es jedenfalls das Wort, das mich wieder die Augen schließen ließ. Schon bald war ich in einem tiefen Schlaf abgedriftet und als ich diesmal von einer unbedachten Bewegung aufwachte, war es Tag. So öffnete ich träge meine Augen, nur um enttäuscht festzustellen, dass ich allein im Bett lag. Die Ereignisse des gestrigen Abends tauchten wieder auf, brachten mich zu einer Schlussfolgerung, die mir Angst machte und ich mich erschrocken aufsetzte. Mit einem beklemmenden Gefühl im Bauch, sah ich mich im Zimmer um – ich war allein. Ohne zu überlegen, was ich hier eigentlich tat, rief ich seinen Namen und ignorierte dabei wütend, den leicht ängstlichen Unterton in meiner Stimme. Es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis mir eine leicht patzige Stimme antwortete.
 

„Schrei nicht so! Wir sind kein Fünfundachtzig jähriges Paar, das sich anschreien muss, um sich zu verständigen! Bei der Lautstärke klingeln mir ja die Ohren!“, meckerte er weiter und tauchte schon bald im Zimmer auf. Grummelnd tapste er zum Bett, um sich wieder zu mir zu legen; die Bettdecke tief über sein Gesicht gezogen. Lächelnd schaute ich auf das Häufchen Elend neben mir. Irgendwie gefiel mir der Vergleich mit dem alten Paar ein bisschen zu gut. Das Bild von einem grauhaarigen Sora tauchte vor meinen inneren Augen auf, der noch immer diese bunten Klamotten trug und trotz des hohen Alters noch immer sein übliches, fröhliches Grinsen auf seinen Lippen hatte. Schnell biss ich mir auf die Unterlippe, und schüttelte meinen Kopf, um dieses seltsame Bild aus meinen Hirn zu bekommen. Sora als Althippie war dann doch zu absurd. Doch blieb auch der Gedanke haften, dass wohl nie ganz erwachsen werden würde. Schließlich war er Anfang zwanzig und hatte nichts weiter erreicht, außer sich von anderen Menschen aushalten und beschützen zu lassen.
 

Diese Erkenntnis war ernüchternd, aber doch war. So starrte ich betroffen auf das Bündel unter der Decke, von dem ein leises Atmen zu hören war. Eine Weile guckte ich darauf und kam dann zu einem Entschluss: Ich würde mich nicht in die Reihe von verflossenen Liebhabern einordnen, die ihn durch das Leben führten und ihn ausnutzen, sondern ihn lieber auf seinem Weg begleiten und ihn fördern, sein Leben in die Hand zu nehmen und was besseres daraus zu machen, als es mit ein paar bedeutungslosen Bekanntschaften und herum lungernden Freunden zu verschwenden. Mit dem Gedanken in meinem Kopf legte ich mich zu ihm und zog die Decke ebenfalls über mich, um mich an ihm zu schmiegen. Doch lange hielt es nicht lange an, denn irgendwann hatte ich einfach nur das Bedürfnis aufzustehen, da mir der Gedanke irgendwie nicht gefiel, den ganzen Tag damit zu verschwenden, im Bett zu liegen. Meine Unruhe wurde bemerkt, denn Sora murrte leise neben mir und drehte sich um, als ich mich bewegte. Kurzentschlossen warf ich die Decke von uns und rappelte mich auf. Meine Tat wurde grummelnd zur Kenntnis genommen, aber nicht akzeptiert. So tastete er schläfrig nach der Decke, um sie wieder über sich zu ziehen. Doch lag sie unerreichbar auf den Boden, sodass seine Hand immer ins leere griff. Ich schmunzelte, als er schmollend die Unterlippe vorzog und zwanghaft seine Augen zukniff, damit er die Helligkeit nicht ertragen musste.
 

„Sora“, mahnte ich, als er sich wie eine Katze zusammenrollte.

„Lass mich“, maulte er. „Ich will einfach nur hier liegen bleiben und vor mich hin vegetieren. Mein Magen entwickelt ein Eigenleben, so bald ich mich bewege. So bleibe ich lieber weiter ganz still liegen und warte, bis die Party in meinem Bauch vorbei ist.“ Bei seinem wehleidigen Ton konnte ich nur die Augen verdrehend. So leicht würde ich es ihm sicher nicht machen, so packte ich ihn einfach an den Armen und zog ihn hoch. Mit einem überraschten Aufschrei saß er im Bett, guckte mich schmollend an, wobei seine Hände demonstrativ auf seinen Bauch lagen, während er einen besonders leidenden Gesichtsausdruck machte. „Sei nicht so ein Baby!“, schimpfte ich und erntete dafür nur ein empörtes Schnauben. Doch störte mich das herzlich wenig, und selbst sein Jammern rührte mich nicht. Schließlich war er selbst an diesem Zustand Schuld und es war ja nicht so, als würde er daran sterben, so wie er es immer wieder betonte.
 

Leise grummelnd packte ich seine Hand und zog ihn mit mir, als ich aus dem Bett kletterte. Dabei gut aufpassend, dass er nicht fiel, als er mir stolpernd folgte. „Warum können wir nicht einfach im Bett bleiben?“, fragte Sora verständnislos. „Da war es so schön warm und ruhig und Ruhe magst du doch!“

„Dein Gejammer spricht nicht gerade für Ruhe“, gab ich forsch zurück. „Außerdem kann ich nicht den ganzen Tag nur im Bett bleiben und nichts tun.“

Sora blinzelte mich erbost an. „Und was schlägst du dann vor?“

Mein Blick war seinem eben würdig. „Da du nach Kneipe riechst, wirst du erst mal duschen und dann gehen wir ein bisschen raus. Frische Luft wird dir gut tun.“
 

Ein genervtes Aufstöhnen später, und ich wusste, dass meine Idee bei ihm nicht sonderlich gut ankam. Doch legte ich konsequent meine Hände auf seine Schultern und schob ihn einfach ins Badezimmer. Dort verfiel Sora ein wenig in sein altes Verhaltensmuster und vergaß für einen kurzen Moment wie schlecht es ihm doch ging, um mich mit einem anzüglichen Grinsen von oben bis unten zu mustern. „Duschen wir zusammen?“, fragte er prompt. „Schließlich hast du ja selbst noch nicht geduscht, so könnten wir es zu zweit tun.“ Verblüfft schaute ich ihn für einen Bruchteil einer Sekunde an, nur um dann resigniert meinen Kopf zu schütteln. Mein Verhalten wurde mit einem albernen Kichern belohnt, doch war ich viel zu überrumpelt, um mich darüber ärgern zu können. Es würde das erste Mal sein, dass wir uns komplett nackt sahen und auch wenn ich den Gedanken mochte und ein Teil von mir ganz aufgeregt war, wollte ein anderer doch lieber einfach nur flüchten. Es war ein seltsames Gefühl irgendwie, denn auch wenn wir zusammen diese Dinge taten, hatten wir dabei doch immer noch irgendwelche Kleidungsstücke anbehalten. Es war eine unausgesprochene Vereinbarung gewesen, die er nun auflösen und einen Schritt weiter gehen wollte. Nur war ich mir nicht sicher, ob ich darauf auch eingehen wollte.
 

Doch während ich noch darüber nachdachte, nahm er bereits meine Hand und redete sanft auf mich ein. Ich hörte gar nicht zu, wurde erst wieder aufmerksam, als er meinen Namen sagte. Als ich wieder zu ihm hinunter sah, guckte er mich mit einem weichen Gesichtsausdruck an und gluckste auf. „Ich verspreche dir, ich werde auch nicht hingucken.“ Ich zweifelte an seinen Worten, da sein Grinsen nicht gerade Vertrauens würdig war. Doch ließ ich mich darauf ein und schob mit wild klopfenden Herzen meine Boxershorts hinunter, um ungeschickt daraus zu steigen. Als ich mich wieder erhob, guckte mir Sora viel zu schnell in mein Gesicht. Seinem unschuldigen Blick nach zu urteilen, hatte er sein Versprechen bereits gebrochen. Als ich ihn mit einer zweifelnd hochgezogenen Augenbraue betrachtete, lachte er ungeschickt auf. Sollte er ebenso nervös sein wie ich? Kaum vorzustellen, doch konnte ich es nicht weiter hinterfragen, denn schon hatte er sich ebenfalls nach unten gebeugt, um sich seiner eigenen Unterhose zu entledigen. Dann griff er erneut nach meiner Hand und zog mich aufgeregt in die Duschkabine. Ein bisschen zu forsch, vielleicht aus Angst, ich könnte es mir anders überlegen.
 

Das Wasser wurde aufgedreht und ein Quietschen später, löste ich mich aus meiner Benommenheit und streckte meine Hand aus, um die richtige Temperatur einzustellen. Dabei berührte mein Oberkörper seinen Rücken und ein intensives Kribbeln durchfuhr meinen Körper, als meine Haut auf die meine traf. Es war geradezu faszinierend, was er in mir mit solch einfach Berührungen auslösen konnte, auch wenn es mir gleichermaßen Angst machte. Seufzend schloss ich meine Augen, versuchte meine Aufregung zu kontrollieren, während ich mein Gesicht ein wenig hob, um das warme Wasser darüber laufen zu lassen, um die letzten Spuren des gestrigen Abends davon zu spülen. Es war angenehm, dass arme Wasser auf meiner Haut und die das leichte Streifen des anderen Körpers zu spüren, als dieser sich umdrehte. Selbst ein kleines, ploppendes Geräusch, konnte mich nicht aus diesem angenehmen Zustand holen und mit einem leichten auf keuchen, ließ ich es zu, dass mich zwei kleine Hände streichelnd einseiften.
 

Mein Herz hämmerte gegen meine Brust und neue, mir unbekannte Emotionen stiegen in mir auf und drohten mich zu überwältigen. So biss ich mir auf die Unterlippe, um ein weiteres Keuchen zu unterdrücken und öffnete träge ein Auge, nahm ihm die Duschlotion ab, um das gleiche bei ihm zu tun. Nur unbewusst bekam ich dabei mit, wie er seine Stirn an meine Schulter legte und geräuschvoll ausatmete, als seine Hände forschend über meinen Rücken wanderten. Die Wärme des Wassers, begleitet von den sanften Berührungen und die weiche Haut unter meinen Handflächen lullten mich ein, ließen mich vergessen, wo ich war und mit wem ich das hier alles tat. Es war viel zu berauschend, um darüber nachzudenken, dass ich das gerade mit einem anderen Mann tat. So musste ich mich beherrschen, als seine Hände anfingen, nach meinen Pobacken zu greifen, um sie sanft zu massieren und ich mich unbewusst näher, an seinen Körper drängte. Instinktiv rieb ich mich an ihm, war viel zu süchtig nach dieser unentdeckten Erregung, die nun in mir aufstieg und ich einfach nur danach gierte, mehr davon zu bekommen.
 

Es war so gut, doch sollte dieses berauschende Gefühl nicht von langer Dauer sein, als sich ein Finger zwischen meinen Pobacken verirrte und zu einer intimen Region vordrang, der mich entsetzt aufstöhnen ließ. Vollkommen schockiert davon, stieß ich ihn von mir weg und starrte in das verstörte Gesicht von Sora, der mich mit großen Augen anschaute. „Was soll das, Sora?“, rief ich fassungslos aus. Meine Stimme bebte, doch störte mich das in Moment überhaupt nicht, war ich doch viel zu geschockt darüber, wo er mit seinem Finger gewesen war. Sora warf mir einen verwirrten Blick zu, ein wenig Panisch, wenn ich es richtig deutete. Dieser Ausdruck blieb selbst dann noch, als ich bereits aus der Duschkabine stieg und mir schnell ein Handtuch um meine Hüften warf. Sora blieb verdattert zurück, das Wasser, das noch immer auf seinen Kopf prasselte und dieses Bild noch absurder machte. „Riku, ich ...“, begann er nach einer Weile, nur um sich dann selbst zu stoppen. Unsicher kaute er auf seiner Unterlippe herum, schaffte es nur mühsam, endlich das Wasser abzustellen und endlich selbst aus der Dusche zu steigen.
 

Er tat mir beinahe leid, als er so unschlüssig mitten im Badezimmer stand und nicht so recht wusste, wie er handeln sollte. Doch war ich noch viel zu schockiert über seine Tat, um etwas brauchbares sagen zu können. So standen wir uns eine Weile nur schweigend gegenüber und starrten uns an. „Es war nur“, begann Sora erneut hilflos zu stammeln. „Es tut mir leid. Ich dachte nur … wir waren in dieser gewissen Stimmung und ich wollte nur ...“ Wieder unterbrach er sich und ließ betroffen seine Schultern hängen. Mit gesenkten Kopf lief er an mir vorbei und griff nach einem Handtuch. Es war ein ungewohntes Bild, als er sich vor mir abtrocknete, und immer wieder verstohlene Blicke zu mir warf, in der Hoffnung, dass ich irgendwas sagen würde. Mit Naminè hatte ich solche intimen Momente nie erleben dürfen, obwohl wir sogar in einer Beziehung waren. Kopfschüttelnd versuchte ich den unpassenden Gedanken loszuwerden. Das war nicht der richtige Moment, um Sora mit seiner Exfreundin zu vergleichen!
 

Als er damit fertig war, ließ er sein Handtuch einfach auf die Fliesen fallen und trat ein paar vorsichtige Schritte auf mich zu. „Riku“, sagte er leise, „ich wollte nichts böses. Es ist nur … eine Art, wie Männer Sex haben. Es war nicht mal beabsichtigt von mir gewesen. Doch dachte ich, du wärst in dieser gewissen Stimmung und ich könnte einen Schritt weiter gehen. Es tut mir leid.“ Seine Stimme bebte, als er seine Entschuldigung ein weiteres Mal aussprach, doch konnte ich ihn dabei einfach nicht in die Augen sehen. So starrte ich nur stur geradeaus, damit ich nicht ein weiteres Mal diesen verletzten Ausdruck in ihnen sehen musste. Ich atmete unbewusst aus, als ich seine Schritte hören konnte, die sich von mir entfernten und er mich schlussendlich allein ließ. Allein mit meinen Gedanken und der Tatsache, dass ich mich schuldig fühlte, ihn wieder einmal verletzt zu haben. Schließlich war es doch normal, dass Paare auch Sex hatten, wenn sie eine gewisse Zeit zusammen waren. Also warum war ich so gelähmt gewesen, als er diese Sache mit mir gemacht hatte?
 

Mir kamen wieder die Bilder des Paares in den Sinn, die ich mir im Internet angeschaut hatte. Damals fand ich sie erregend, erinnerte mich peinlich berührt daran, dass ich mir bei ihren Anblick sogar einen runter geholt hatte. Also warum konnte ich dies nicht auch selbst machen und hatte diese innere Barriere? Das neue sollte mich doch eigentlich neugierig machen und mich vor Aufregung erzittern lassen. Doch warum stieß ich ihn einfach von mir weg? Ich könnte mich selbst für meine Dummheit schlagen, doch stattdessen ging ich aus dem Badezimmer, nur um Sora mit gesenkten Kopf auf dem Bettrand sitzend vorzufinden. Er sah nicht mal auf, als er Geräusche hörte, saß einfach nur regungslos da und hatte sich nicht mal die Mühe gemacht, sich anzuziehen. Sein trauriger Anblick machte mich fertig, doch konnte ich mich nicht dazu überwinden, einfach zu ihm zu gehen, um mich bei ihm zu entschuldigen. So stand ich unschlüssig im Zimmer herum und versuchte mir fieberhaft überlegen, was ich in so einer Situation sagen könnte. Irgendwie war mein Kopf wie leer gefegt und ich hasste mich dafür, dass ich mich nicht mal richtig ausdrücken konnte. Wie unfähig konnte ich denn bitteschön noch sein?
 

Es war ja schon ein Wunder, dass er bei meiner chronischen Unfähigkeit noch immer bei mir war. Wenn ich mit mir zusammen wäre, würde ich wohl schon nach ein paar Stunden fliehen – vielleicht auch schon früher. Ich war ein Idiot, doch würde mir diese Erkenntnis wohl nicht weiterhelfen. Ich sollte handeln, anstatt mich selbst runter zumachen. Doch war es so viel einfacher, als auf ihn zu zugehen und mit ihm zu reden. Eine gefühlte Ewigkeit später zwang ich mich dazu, mich unsicher neben ihm zu setzen. Dabei glaubte ein naiver Teil von mir, dass er selbst den Anfang machen würde, sobald ich es tat. Doch sein Blick blieb weiterhin gesenkt und seine langen Wimpern zitterten ein wenig, als ich ihn von der Seite betrachtete. „Sora“, schaffte ich es endlich zu sagen und hasste dabei, wie brüchig doch meine Stimme klang. Ich mochte es nicht, fand mein unbeholfenes Verhalten schrecklich. Doch konnte ich es leider nicht verhindern. Wo war mein Selbstsicheres Auftreten hin? Wo war der Riku, der immer wusste was zu tun war und alles unter Kontrolle hatte? Dieser war wohl gegangen und hatte Platz für einen erbärmlichen Riku gemacht, nachdem Sora in seinen Leben gestolpert und alles auf den Kopf gestellt hatte. Nichts war mehr so, wie es einmal war und auch wenn ein Teil von mir dankbar dafür war, gab es doch einen anderen, der alles so verdammt verwirrend fand und ich mochte diesen Zustand überhaupt nicht, da ich mich in solch einer Situation wie ein Dummkopf benahm.
 

Wieder sagte ich seinen Namen. Diesmal mit sicherer Stimme und bekam endlich eine Reaktion von ihm, auch wenn es nur aus einem leichten Kopfschütteln bestand. Es gab mir den Mut, um zaghaft eine Hand auf seine Schultern zu legen und mich näher vorzuwagen, um mein Kinn darauf zu betten. So nah, konnte ich seinen berauschenden Duft einatmen und war ein bisschen betäubt von der Wärme, die sein Körper ausstrahlte. „Es tut mir leid“, wisperte ich in sein Ohr und konnte spüren, wie sein Körper ein bisschen zitterte. Wieder schüttelte er seinen Kopf, kleine Tröpfen, die dabei von seinen Haarspitzen fielen und mein Gesicht benetzten. Seufzend bewegte er sich etwas und als er endlich seinen Mund öffnete. „Dein Blick“, murmelte er zaghaft. „Er war so voller Abscheu. So voller Ekel, als hätte ich irgendwas verdammt widerliches gemacht.“ Unbeholfen fuhr er sich über das störrische Haar und seufzte erneut, als würde es ihm verdammt schwer fallen, darüber zu reden. „Natürlich ist mir klar, dass ich einen Fehler gemacht habe. Ich hätte dich vorwarnen oder fragen müssen, doch wie gesagt, ich dachte, es wäre der richtige Zeitpunkt dafür, um vielleicht einen Schritt weiter zu gehen.“
 

Geräuschvoll atmete er aus, wandte seinen Kopf zaghaft zu mir, sodass seine Wange meine Nase streifte. Ein seltsam verzerrtes Lächeln legte sich um seinen Mund, als er dies machte. „Ich bin nicht gut darin, den richtigen Zeitpunkt zu ermitteln. Doch mit solch einer Reaktion hatte ich einfach nicht gerechnet. Solche Blicke tun mir weh – besonders wenn sie von einem Menschen kommen, den ich gern habe.“
 

„Es tut mir leid“, wiederholte ich bitter. Natürlich würde es nicht viel bringen, doch war es das einzige, was ich momentan über meine Lippen brachte. Wie sollte er auch wissen, dass mir selbst diese kleinen Worte, so viel Überwindung kostete.

„Ich habe gedacht, dass wir uns auf einem guten Weg befinden und für deine Verhältnisse warst du auch erstaunlich offen. Doch bin ich ein ungeduldiger Mensch und es zerrt an meine Nerven, dass wir nicht wie ein normales Paar handeln können. Es ist einfach so, dass sich im Laufe der Zeit meine Gefühle für dich verändert haben.“ Unbewusst hielt ich die Luft an, klangen seine Worte doch so verbittert und endgültig. Was wollte er mir damit nur sagen? Ich richtete mich auf, schaute ihn betroffen an, als unsere Blick sich trafen und ich in seinen Augen so viel Traurigkeit erkennen konnte.
 

Angst keimte in mir auf, doch war ich nicht fähig, irgendwas entgegen zu setzen.

Ich war so ein Idiot.



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Kommentare zu dieser Fanfic (22)
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Von:  RandaleEiko
2015-08-07T16:01:20+00:00 07.08.2015 18:01
Noooin sie dürfen sich nich trennen QnQ
Von:  RandaleEiko
2015-07-08T05:09:46+00:00 08.07.2015 07:09
Schönes kapitel besonder der schluss. Tja hätte sora mal nicht zu viel gesoffen, ne?
Von:  Lyneth
2015-02-26T07:59:34+00:00 26.02.2015 08:59
Endlich erzählt Sora mal ein bisschen was aus seiner Vergangenheit, auch wenn der Alkohol wohl ein bisschen dazu beigetragen hat. Hoffe du schreibst bald weiter. Freu mich schon aufs nächste Kapitel. LG Lyn
Von:  RandaleEiko
2015-02-19T21:06:23+00:00 19.02.2015 22:06
Ach mensch Sora das überlebst du schon.....ich frage mich ob die sich überhaupt mal alle verstehen würden und wann sie endlich mit dem rumgezicke aufhören. Ichbin sehr gespannt was den weiteren verlauf der Fanfic angeht
Von:  Lyneth
2014-10-15T16:20:39+00:00 15.10.2014 18:20
Juhu endlich geht's weiter. Hab mich vorhin so gefreut als ich das neue Kapitel gesehen hab. Und wie zu erwarten wieder super gelungen. Ich bin ja mal gespannt wann die beiden einen Schritt weiter gehen. Riku sollte langsam mal warm werden. ^^ Freu mich aufs nächste Kapitel. Lieber Gruß Lyn ♡♡
Antwort von:  LadySam
20.11.2014 22:20
Oh je, ich bin mal wieder viel zu spät. Aber ich versuche es gut zu machen (auch wenn ich nicht ganz so genau weiß, ob man hier überhaupt links einstellen kann). Nun, ich werde es wohl erfahren ... http://www.fanfiktion.de/s/51b0f08b00015389366adcfb/1/Follow-me-into-another-World Der Link führt zu weiteren Kapiteln von der Geschichte - nur wenn du magst natürlich. Vielleicht kann ich ja so danke für deine lieben Kommentare sagen ;)
Von:  Lyneth
2014-08-27T07:14:39+00:00 27.08.2014 09:14
Ein sehr schönes Kapitel. Ich mag es wie Zexion mit dem aufgedrehten Demyx umgeht. Und Riku soll mal nicht so beleidigt sein, sollte langsam lieber mal zu seinem Sora stehen. Ach ich freu mich schon aufs nächste Kapitel. Ganz lieber Gruß Lyn ♥♥
Von:  Lyneth
2014-07-10T16:29:07+00:00 10.07.2014 18:29
Ein süßes Kapitel. Ich mag es total gerne wenn Axel so direkt ist und Riku damit so n bisschen auf die nerven geht. Find es total süß das Riku ein Date geplant hat obwohl das eigentlich gar nicht sein ding ist. Freu mich schon drauf wie es weiter geht. Lg Lyn
Von:  Lyneth
2014-05-07T10:44:35+00:00 07.05.2014 12:44
Mal wieder ein super schönes Kapitel. Ich fand es zu süß als Riku seine Arme um Sora schlang weil er einen anflug von Eifersucht verspürte. <3 Deine FF zaubert mir immer wieder ein lächeln auf die Lippen. Freu mich schon auf die nächsten Kapitel die Folgen. Ganz liebes Grüßle Lyn
Antwort von:  LadySam
12.05.2014 13:44
Oh, danke dir. Freut mich, dass ich dich mit meiner kleinen FF unterhalten kann :)Das liest man doch gern, wenn anderen die Arbeit gefällt :)

liebe Grüße, Sam
Von:  Johnny290993
2014-04-23T21:34:02+00:00 23.04.2014 23:34
Wiedermal ein tolles Kapitel! Ich freue mich schon so auf die Fortsetzung : D
Antwort von:  LadySam
26.04.2014 00:10
Oh, danke dir :)
Ich bin immer noch total überrascht über die positive Resonanz für diese Geschichte. Der Fanfictionbereich ist dann doch noch ein bisschen neu für mich^^
Von:  RandaleEiko
2014-03-14T17:06:04+00:00 14.03.2014 18:06
Och süß. Ich glaube entweder er wacht mit einer bösen überaschung auf oooder mit einer unglaublich niedlichen surprise auf ^^


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