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Arasoi to Kissu

[Gundam Seed]
von

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Betsuri

Mein Herz schlug so fest wie wohl noch nie zuvor. Auch wenn Nicol, der mir keuchend folgte, immer wieder rief, dass nichts ernsthaftes passiert war, konnte ich mich doch nicht beruhigen. Ich fühlte mich schuldig... ob ich es wirklich war... ich wusste es nicht.

Als ich endlich bei der Krankstation ankam, sah ich zuerst Athrun. Mit resignierendem Blick saß er auf einer Liege und ließ sich einen Verband um den Kopf legen. Daneben lagen blutdurchtränkte Tücher. Mich erschreckte schon dieser Anblick, auch wenn es nur Athrun war...

„Wo ist Yzak?“, keuchte ich und Athrun deutete auf eine Tür.

Ohne lange zu überlegen stürmte ich in das Zimmer. Das erste, was ich sah, war auch hier ein rotweißes Tuch, allerdings bei weitem mit nicht so viel Blut. Das nächste war ein wütender Yzak, der auf der Liege lag, mich nicht beachtend, sondern Löcher in die Decke starrend. Und dann die Krankenschwester, die ihm einen Gips an den linken Arm legte.

Ich blieb im Türrahmen stehen. Mein Herz raste noch immer, doch ganz langsam beruhigte es sich, nun da ich sah, dass es ihm wenigstens so gut ging, dass seine Wut noch immer Vorrang behielt.

„Schließen Sie bitte die Tür.“, sagte die Schwester, ohne mich anzusehen.

Ich tat wie mir geheißen und blieb zögernd auf meinem Fleck stehen.

„Von außen, du Trottel!“, fuhr Yzak mich sofort an und drehte den bohrenden Blick zu mir. Erst jetzt sah ich das Pflaster, das nah seiner Schläfe klebte. „Und starr mich nicht so an!“

Nur einen Moment lang verharrte sein Blick auf mir, dann schloss er die Augen.

Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich wollte den Raum nicht verlassen... doch hier haben wollte er mich wohl auch nicht... Ich kam mir doof vor...

Die Schwester stand auf und sah mich an. Dann seufzte sie.

„Wenn du schon hier sein musst, setz dich wenigstens irgendwo hin und steh nicht im Weg.“

Sie ging zu einem Schrank und kramte darin herum, während ich mich auf den Hocker setzte, der nur unweit von der Liege entfernt stand. Ich wollte irgendwas sagen... wollte mit Yzak reden und ihn fragen, ob es ihm gut ging... aber dann wäre er wohl vollends ausgetickt.

Die Krankenschwester ging ans Fußende und blieb einen Moment dort stehen. Ich beobachtete sie und fragte mich, wieso sie so unschlüssig wirkte. Dann trafen sich unsere Blicke.

„Helf mir mal... Wir müssen ihn irgendwie aus dieser Hose bekommen...“

Sofort fuhr Yzak in die Höhe. Sein Gesicht verzerrte sich deutlich vor Schmerzen, doch fauchen konnte er wie immer. „Wie bitte?! Das mach ich selbst!“

„Nichts da!“ Sie drückte ihn wieder auf die Liege hinunter. „Stell dich nicht so an... Du musst noch etwas ruhig liegen bleiben... und es ist doch nichts dabei, wenn dein Freund hilft...“

Ein giftiger Blick traf mich und sagte mehr als tausend Worte. Er schien ihn ziemlich anzuwidern, der Gedanke, das ausgerechnet ich ihm aus der Hose helfen sollte. Aber wieso sollte ich das überhaupt?

Zögernd stand ich auf und stellte mich neben die Schwester. Ich sah Yzak noch immer an, der nun wieder die Augen schloss und einfach nur wütend wirkte.

„So... ich werd das Hosenbein hier aufschneiden und dann müssen wir ganz vorsichtig die Hose wegnehmen...“

Vielleicht sah sie meinen fragenden Blick, als sie hinzufügte. „Er hat sich den Unterschenkel gebrochen...“

Für einen Moment blieb mir die Sprache weg. Bitte? Eine Verletzung am Kopf... ein gebrochener Unterarm... und dann auch noch das Bein? Um Himmels Willen... was war das für ein Kampf? Und warum hatte Athrun nur die Verletzung am Kopf?
 

Ich half der Schwester bei Yzaks Gips, holte danach einen Rollstuhl und fuhr ihn in unser Zimmer. Dort angekommen blieb er in dem Stuhl sitzen, den gesunden Arm über den anderen verschränkt, mit kaltem Blick und ohne ein Wort zu sagen. Ohnehin hatte er die ganze Zeit schon nichts mehr gesagt.

„Yzak?“

Unschlüssig stand ich neben ihm. Irgendwie konnte ich mir ja denken, was in ihm vorging... Nicht nur, dass er ja schon den ganzen Tag schlecht auf mich zu sprechen war, nein, nun war er auch noch ziemlich hilflos und würde so die nächsten Tage meine Hilfe brauchen... Eigentlich kein Wunder, dass er nun nicht mit mir sprach, dass er sauer war...

„Komm... ich helf dir aufs Bett...“

Er drehte den Kopf weg, als ich mich ihm näherte.

„Vergiss es!“ Damit stemmte er sich hoch, auf einem Arm und einem Bein.

Irgendwie sah es gefährlich aus und ich sah ihn schon fallen. Aber er schaffte es. Wahrscheinlich reichte dazu schon der Gedanke, sich nun ständig von mir helfen zu lassen...

Ich seufzte und setzte mich auf meinen Schreibtischstuhl. Eine Weile beobachtete ich Yzak, wie er einfach nur auf dem Bett lag und Löcher in die Luft starrte. Er war mies gelaunt... mehr als das... Er hatte mal wieder einen Kampf gegen Athrun verloren und dann auch noch mit solchen Folgen. Kein Wunder, dass er mies drauf war... ob er mich dafür verantwortlich machte?

Lange dachte ich darüber nach, bis ich beschloss, es gut sein zu lassen... was würde es schon bringen? Also begann ich damit, ein paar Aufgaben zu erledigen und versuchte, mich darauf zu konzentrieren.

Es wurde später... es wurde Abend... und dann hörte ich Geräusche hinter mir. Als ich mich umdrehte, versuchte Yzak gerade sich irgendwie auf einem Bein zu halten und so ins Bad zu gelangen. Sofort sprang ich auf.

„Spinnst du!“ Ich packte ihn und hielt ihn fest. „Was, wenn du umfällst?“

„Quatsch!“ Er versuchte sich von mir zu drücken.

„Kein Quatsch! Die haben dir nicht umsonst den Rollstuhl gegeben!“

Ich verfrachtete Yzak in das Teil, was er sichtlich nur ungern zuließ. Dann schob ich ihn ins Bad, blieb dort einen Moment zögernd stehen.

„Aber allein auf Klo gehen darf ich noch, oder?“, fuhr er mich an mit wütendem Ton.

Jetzt schon irgendwie peinlich berührt, verließ ich das Bad.
 

Als er ein paar Minuten später wieder in seinem Bett lag und ich mich wieder zum Schreibtisch begeben wollte, zischte er plötzlich mit abfälligem Ton: „Das muss dir doch alles wahnsinnig gefallen, oder?“

Irritiert sah ich ihn an. Was meinte er damit?

„Wie bitte?“

„Na... mich so wehrlos vor dir zu haben... hm?“

Sein Blick war drohend und aufs äußerste herablassend. Es machte mich wütend, meine Hände ballten sich zu Fäusten. Wenn du noch immer wütend warst, den Kampf verloren zu haben... musstest du das nun plötzlich an mir auslassen? Aber wahrscheinlich hätte ich damit rechnen sollen.

„Yzak... Ich bin zwar schwul, aber das heißt nicht, dass ich gleich jedem Kerl hinterher hechel... du bekommst doch auch nicht gleich bei jeder Frau nen Abgang, oder?“ Ich war sauer... und irgendwie ziemlich gekränkt.

„Pfft!“ Yzak zog es vor, nicht auf meine Worte zu reagieren und schnappte sich das Buch auf seinem Nachttisch.

Seufzend begab ich mich wieder an meinen Schreibtisch. Mit aller Kraft versuchte ich mich damit abzulenken, als Yzak etwas murmelte.

„Jeder Kerl also... tz...“

Es brachte mich dazu, zu schmunzeln. Ob er es wollte oder nicht, meine Worte hatten scheinbar ein bisschen an seinem Stolz gekratzt.
 

Knapp eine Woche würde er den Gips am Arm tragen müssen, den am Bein ein oder zwei Tage länger. Ihn regte dies ziemlich auf, während die Schwester noch grinsend zu mir meinte, man solle ihm sagen, bei ihm würde es so lang dauern, wie bei den Naturals... also 6-8 Wochen. Schade eigentlich, dass Yzak mir das nie abkaufen würde.

Jedenfalls bedeutete das nun, dass er mindestens eine Woche meine Hilfe brauchen würde. Man merkte ihm deutlich an, wie sehr ihn die Sache nervte, mit jeder kleinen Bewegung sagte er es unmissverständlich aus. Er hasste es schon immer, abhängig von jemandem zu sein, hätte es schon im Normalfall gehasst, meiner Hilfe zu bedürfen, doch nach den neusten Enthüllungen was mich betraf nun wohl noch viel mehr.

Um ehrlich zu sein, es tat ziemlich weh, dass er dies Ganze tatsächlich so weit über unsere Freundschaft stellte, dass er das Bild von mir so extrem zu ändern schien... Vom Freund zur Schwuchtel? Dabei wusste er doch nicht einmal, dass wirklich er es war, den ich wollte... wieso wies er mich dann so deutlich von sich? Ekelte ihn der Gedanke an?

Ich dachte sogar einmal darüber nach, ihm nun auch noch die letzte Wahrheit zu sagen, doch ich ließ es sein... So konnte ich die Hoffnung haben, dass es irgendwann einmal besser werden würde, doch dann...?

Ohnehin war es ja nicht so, als hätte ich nun plötzlich verstanden, schwul zu sein, als hätte ich schon akzeptiert, dass ich solche Gefühle für Yzak hatte... Zwar wusste ich, dass es durchaus so war, doch es verstehen war ein ganz anderes Kapitel... Es würde doch eh nie zu einem glücklichen Ende führen, wieso konnte ich die Gedanken, die Gefühle dann nicht einfach aufgeben... oder so tun, als habe ich sie niemals bemerkt...

Die Woche zumindest stichelte Yzak ständig, sagte immer wieder wie toll es doch für mich sein musste, er so „schwach“ und hilflos...

Schließlich hielt ich es dann einfach nicht mehr aus. Der Kampf lag schon fünf Tage zurück, es war Abend und ich sollte ihm aus seinen Klamotten helfen.... Klar gefiel es mir, dann und wann seinen nackten Körper zu sehen – zum ersten Mal realisierte ich dies überhaupt – doch ich würde nicht sagen, dass ich es irgendwie ausnutzte, mich zu sehr daran ergötzte. Herrje, was dachte er auch? Dass ich mir jedes Mal danach einen runterholte?

Wie auch in den vergangenen Tagen konnte er auch diesmal sein Mundwerk nicht still halten. Sein Blick war herablassend. Es tat weh, ihm überhaupt ins Gesicht zu sehen.

„Sei still...“, bat ich wiedereinmal und spürte in mir die Wut köcheln.

Warum tat er so etwas? Warum machte er sich über mich lustig? Hatte er unsere gemeinsamen Jahre vergessen, unsere Freundschaft?

Er war nicht still, meinte grinsend, er habe doch recht...

Ich konnte nicht mehr.

Doch sofort, als ich es tat, wusste ich, dass es ein Fehler war... ein riesengroßer Fehler...

Und dennoch, die paar winzigen Sekunden, die unsere Lippen sich berührten... Es war trotz allem ein unglaublich schönes Gefühl.

Ein schockierter Blick traf mich, als ich mich wieder zurück zog. Doch nicht nur ihn hatte meine Tat erschreckt, sondern auch mich selbst. Mein Gott, wie konnte ich so etwas bloß tun?

Ich wandte den Blick ab und legte das Hemd beiseite, dass ich ihm soeben ausgezogen hatte. Meine Wangen mussten glühen. Ohnehin musste man mir eigentlich genau ansehen, wie unangenehm mir das eben Geschehene war.

„Du...“ Seine Stimme war dünn und zitterte.

Ich wagte kaum, ihn wieder anzusehen. Im Augenwinkel sah ich seinen Arm zucken und dann, ehe ich mich versah, hielt ich sein Handgelenk, verhinderte so den bevorstehenden Schlag. Mein Herz raste als ich in sein hasserfülltes Gesicht blickte.

Ich hätte mich schon längst entschuldigen sollen, doch noch immer verließ kein Wort meine Lippen. Ich konnte nichts sagen.

„Du Bastard!“, schrie er dann mit einem Mal. Er riss sich los und schlug mich dann doch.

Meine Wange brannte... aber viel schlimmer war wohl die folgende Geste. Er fuhr sich abwertend mit dem Handrücken über die Lippen und präsentierte mir einen angeekelten Blick.

Ich rannte aus dem Zimmer. Alle Stärke, allen Mut, den ich vielleicht noch irgendwie besaß, waren mit einem Mal verschwunden. Mein Herz tat weh und ich wollte einfach nur noch weg. Ich konnte nicht eine Sekunde länger in seiner Nähe sein.

Wieso hatte ich das getan? Wieso hatte ich ihn plötzlich geküsst? Genau wusste ich es schon da nicht mehr... Weil es so über mich kam... weil ich es schon so lange wollte... oder vielleicht weil er mich einfach zu sehr provoziert hatte... Es stimmte alles irgendwie und dennoch... ich hätte es nie tun dürfen...

Keuchend kam ich in dem kleinen Park des Geländes an. Es war dunkel und niemand war zu sehen... Zum Glück.

Gegen irgendeinen Baum ließ ich mich sinken und vergrub mein Gesicht in den Armen. Ich fühlte mich zum heulen, doch das tat ich trotzdem nicht. Ich unterdrückte das Gefühl, unterdrückte den Willen danach. Egal wie sehr es schmerzte, so schwach durfte ich nun nicht sein! Es würde nichts ändern...

Yzaks Gesicht tauchte vor meinem inneren Augen auf. Diese Wut in seinem Blick, Abwertung und Unverständnis. Nun hatte ich ihm endlich einen richtigen Grund für seine Ablehnung gegeben. Nun konnte er mich endlich hassen...

Ich fuhr mir mit dem Finger über die Lippen. Schon war das Gefühl verrauscht, seine spüren zu können... Eigentlich war es, als wär es nie geschehen. Doch egal wie klein der Kuss war... seine Folgen waren riesig... Und das nicht nur auf Yzak bezogen... Auch in mir hatte er etwas ausgelöst. Egal wie kurz dieser Moment war, und wie wenig ich ihn in den Sekunden eigentlich wahr nehmen konnte, wusste ich, dass ich es nun am liebsten immer wieder tun würde... Das schwindende Gefühl seiner warmen Lippen auf meinen... ich wollte es richtig kennen lernen...

Mit diesen Gedanken... so würde ich ihm doch nun nie wieder in die Augen sehen können...

„Dearka?“

Ich zuckte zusammen als die Stille unterbrochen wurde, hob meinen Kopf zu der ein paar Meter entfernten Person. Warum musste mich hier jemand sehen?

Ich stand vom Boden auf und klopfte mir die Hose ab.

„Hi...“, versuchte ich ein Lächeln, als ich auf ihn zu ging.

Sein Blick war forschend. „Was ist los?“

Es war wohl offensichtlich, dass es sich bei meinen Absichten nicht um einen abendlichen, entspannenden Parkbesuch handelte...

„Nicht viel...“ Ich ging ihm ein paar Schritte voran, damit er mir nicht ins Gesicht sehen konnte.

Seine Schritte folgten mir, auch das folgende Stück den Gang entlang. Normalerweise war er doch auch nicht so... konnte er nicht bitte jemand anderen nerven?

„Ihr streitet im Moment ziemlich viel, oder?“

Seine Frage erschreckte mich. Woher wusste er, dass es mit Yzak zu tun hatte?

Dennoch nickte ich.

„Ist irgendwas passiert? Er war schon vor dem Kampf mit Athrun so komisch...“

Ich zuckte mit den Schultern. Verdammt, ich werde dir keine Auskunft geben!

„Du willst nicht darüber reden?!“

„Nein...“

Wir gingen weiter. Er folgte mir noch immer. Vielleicht wollte er ja auch einfach in sein Zimmer, dass nur drei Türen von unserem entfernt lag.

Es war wirklich peinlich, das ausgerechnet er mich so fertig gesehen hatte, der kleine, viel zu gefühlvolle Schwächling... Vielleicht hätte er mir helfen können, wenn ich ihm wenigstens ein bisschen was gesagt hätte, vielleicht hätte er...

„Ich habe einen großen Fehler gemacht“, kam es plötzlich aus mir heraus, bevor ich noch länger darüber nachdenken konnte. „Und nun will er nichts mehr mit mir zu tun haben...“

Wahrscheinlich wurde ich ein wenig rot bei diesen Worten. Ich musste verrückt sein, so etwas ausgerechnet vor ihm zuzugeben.

„Das kann ich mir nicht vorstellen...“ Plötzlich war er mit mir auf gleicher Höhe und sah mich von der Seite an. „Ich glaub eure Freundschaft ist ihm sehr wichtig...“

„Das kann ich mir nich- Meinst du?“ Verwundert sah ich ihn an. Wie kam ausgerechnet er zu einer solchen Annahme?

Er nickte. „Ja... du bist sein bester Freund... ich weiß zwar nicht was passiert ist, aber ich glaube er will dich trotzdem nicht verlieren...“

Ich wurde wohl noch röter bei diesen Worten.

„Du klingst wie ein Mädchen!“, fuhr ich ihn an, einfach, weil mir seine Worte irgendwie peinlich waren... obwohl sie auch auf gewisse Weise gut taten.

Wenn er recht hatte, wenn ich Yzak auch nur ein klein wenig wichtig war...

Wir schwiegen, bis wir an meinem Zimmer ankamen. Ich blieb zögernd stehen, während er weiter ging.

„Lucca...“, hielt ich ihn schließlich auf.

„Hm?“

„Danke!“

Ich versuchte ein Lächeln und er erwiderte es bevor er weiter ging.

„Keine Ursache.“
 

Mit Angst vor dem, was mich erwarten würde, betrat ich unser Zimmer. Ein dunkler Raum empfing mich und irgendwie wunderte es mich nicht einmal. Doch hinten in der Ecke stand der Rollstuhl, was zeigte, dass er noch hier war... das hingegen wunderte mich ein bisschen.

Die Tür schloss sich und es war vollkommen duster. Einen Moment blieb ich zögernd stehen, unschlüssig, was ich nun am besten tun sollte, bis ich schließlich das Licht an meinem Nachttisch anmachte.

Yzak lag auf seinem Bett und schlief... Zumindest sah er so aus... Doch noch einmal darauf reinfallen würde ich nicht.

Ich begann damit, mich auszuziehen und während ich ihn beobachtete, ging ich durch, was ich nun am besten sagen könnte. Lucca hatte schon recht... wahrscheinlich war ich Yzak auch auf gewisse Weise wichtig... doch ich kannte Yzak... Selbst wenn das wirklich der Fall war, er würde es niemals zugeben oder mir einfach klein bei geben... Er würde mich immer weiter zappeln lassen... Dabei hatte er die ganzen letzten Tage wahrscheinlich einfach nur eines gewollt: Eine Entschuldigung... und vielleicht noch die Absicherung, dass er nur ein Freund für mich war...

Ich ließ mich auf meinem Bett nieder und sah Yzak noch immer an. Nun lauschte ich auch. Sein Atem war ruhig und nahezu gleichmäßig... und dennoch war ich mir irgendwie sicher, dass er nicht schlief.

Ich löschte das Licht und blieb weiterhin auf meiner Bettkante sitzen. Gerne würde ich dich noch weiterhin sehen können, doch wahrscheinlich war es für das folgende besser so...

„Es tut mir leid...“, sprach ich leise in die Dunkelheit und lauschte.

Dass sich der ruhige Rhythmus des Atem tatsächlich ein wenig veränderte, beruhigte mich ungemein. Auch wenn mir die folgenden Worte nur schwer über die Lippen gehen würden, so wusste ich nun wenigstens, dass sie auch wirklich bei ihm ankamen.

„Dass ich dich vorhin geküsst habe, tut mir am meisten Leid von allem... Es war nur... du wolltest einfach nicht still sein... ich wusste nicht, wie ich dich sonst bremsen sollte... es tut mir leid, mir hätte etwas besseres einfallen sollen...“

Nach diesen Worten schwieg ich eine ganze Weile. Ich hoffte, er würde mir glauben, nicht mehr sauer sein, die Sache vielleicht irgendwie verstehen und vergessen... Selbst wenn ich meine Gefühle dafür verleumden müsste, es wäre nur ein kleiner Preis...

„Die Sache mit Miguel... Oder überhaupt... Dass ich... schwul bin, ist auch neu für mich... ich weiß, dass es für dich ein ziemlicher Schock war, aber ich will nicht...“ Ich zögerte vor den nächsten Worten. „...Ich will nicht, dass du mich nun daran misst... Dass ich auf Jungen stehe, ändert nichts an unserer Freundschaft... Ich bin noch der selbe Mensch wie zuvor... Und ich will auch weiterhin mit dir befreundet sein... Ich will nicht, dass es alles zwischen uns verändert, dass es dich anekelt, sobald ich dich nur zufällig berühre... Du brauchst keine Angst vor mir zu haben... Ich will meinen besten Freund zurück, mehr nicht...“

Ich schwieg und lauschte in die Stille. Mittlerweile war sein Atem sehr unregelmäßig. War er wütend? Oder berührten ihn meine Worte vielleicht ein klein wenig?

Langsam begann ich zu frieren und kroch daher unter meine Decke. Yzak würde nun nichts zu meinen Worten sagen, das wusste ich, aber vielleicht würde er noch etwas darüber nachdenken... und hoffentlich halfen sie ein wenig...
 

Komischerweise schlief ich in der Nacht relativ ruhig. Als ich aufwachte, schlief Yzak noch. Ich machte mich im Bad fertig und nahm dann meinen Mut zusammen, um ihn zu wecken. Der schlaftrunkene Blick der mich traf, war eigentlich ganz normal, und dass er mir nicht gleich etwas entgegen schmetterte, erleichterte mich ziemlich.

Wortlos stieg er in den Rollstuhl und ich fuhr ihn ins Bad. Gerade als ich dieses wieder verlassen wollte, hielt er mich am Arm fest.

„Ja?“, fragte ich und mein Herz begann vor Nervosität wie wild zu schlagen. Was würde nun kommen?

„Meine Haare sind dreckig... wasch sie...“ Sein Stimme und die Worte waren harsch, und sein Blick blieb abgewandt, doch dass er dies überhaupt von mir wollte, war genug...

Als er ein paar Augenblicke später den Kopf nach hinten übers Waschbecken hielt und dabei die Augen schloss, wusste ich, dass meine Worte tatsächlich ihre Wirkung erzielt hatten.
 

Der Gips am Arm kam genau eine Woche nach dem Kampf wieder ab, doch eher als darüber erleichtert zu sein, fluchte Yzak viel mehr darüber, dass der am Bein noch für vier Tage bleiben würde. Ich versuchte ihn zu beruhigen. Nun bräuchte er wenigstens den Rollstuhl nicht mehr, nun könne er auf Krücken laufen und sich wieder freier bewegen...

Als er – noch lernend, wie man auf den Gehhilfen zu gehen hat – neben mir herstolperte, meinte er dann zu mir, dass es eigentlich ganz angenehm war, sich von mir bedienen zu lassen. Um ehrlich zu sein, diese Worte waren Balsam für meine Seele, auch wenn sie wohl doch etwas anders gemeint waren.
 

Über die Sachen, die ich zu ihm, oder die er zuvor zu mir gesagt hatte, sprachen wir nicht mehr. Alles wurde einfach unter den Teppich gekehrt und dort vergessen. Gut so, denke ich... Auch dass ich schwul bin, kam nicht mehr zur Sprache. Nur dann und wann konnte Yzak sich kleine Kommentare nicht ganz verkneifen oder Sticheleien. In den Fällen allerdings konnte ich darüber lachen oder etwas sarkastisches entgegnen. Ganz langsam begann es eine ganz normale Sache zwischen uns zu werden und ich schämte mich nicht mehr so sehr dafür... Auch Yzak schien auf Dauer viel weniger Probleme damit zu haben, als es erst den Anschein gehabt hatte... Ich kann gar nicht sagen, wie erleichtert ich darüber war... Unsere Freundschaft schien wieder die alte zu sein...

Naja, ganz die alte kann man vielleicht auch nicht sagen, denn vergessen konnte ich dennoch nie, dass es von meiner Seite aus schon etwas mehr war... Des öfteren musste ich an diesen winzigen Kuss denken und wünschte mir, ich hätte dies Gefühl niemals gekannt... Ich wollte es nochmals tun, doch anmerken ließ ich mir dies nie... Egal was passieren würde, Yzak durfte nie wissen, dass ich doch mehr für ihn empfand... auch wenn es mir noch so weh tat...
 

Ich begann eine Art Beziehung mit Miguel. Nun gut, Beziehung ist wohl wirklich übertrieben, denn nicht nur sagte ich ihm von Anfang an, dass es für mich nur Yzak gab, sondern auch von ihm aus war keine Liebe mit im Spiel. Es war eher so, dass wir ab und zu miteinander schliefen und uns auch so manchmal trafen und etwas miteinander unternahmen. Mit ihm zusammen sein gefiel mir und machte Spaß, und auch der Sex war toll...

Yzak wusste davon, denn ich zog es vor, meine Gefühle zu ihm als einzige Lüge zwischen uns stehen zu lassen. Auf kurz oder lang hätte ich es ohnehin nicht vor ihm verheimlichen können, also konnte ich auch gleich mit offenen Karten spielen.

Am Anfang war es sinnlos, Yzak zu fragen, ob er etwas mit uns unternehmen wollte, doch eines Tages stimmte er zu. Es wurde ein witziger Nachmittag und danach war so etwas nicht mehr ganz so selten. Da Yzak zwar ohnehin noch nie der Umgänglichste war, konnte man zwischen ihm und Miguel zwar keineswegs von Freundschaft sprechen, aber sie verstanden sich doch relativ gut... Und das beruhigte mich ziemlich... Auch weil es so meine Hoffnung verfestigte, dass Yzak tatsächlich kein Problem mehr mit meinem Schwulsein hatte.
 

Das Ganze lief knapp ein dreiviertel Jahr und dann wurde die ganze Ruhe unserer Academy zerrissen... Nein, eigentlich die Ruhe auf ganz PLANT.

Selbst wenn wir immer die jüngsten Ereignisse verfolgten, so hätte wohl keiner damit gerechnet, dass es so bald zum Krieg kommen würde. Doch im Februar, einen Monat vor meinem 16. Geburtstag, war es soweit. Die Erde erklärte uns den Krieg... und Junius 7 fiel...

Von nun an änderte sich mit einem Schlag alles, für PLANT und unsere Eltern, für die gesamte Academy und für mich persönlich.

Während das Training verschärft wurde, um aus uns schnellstmöglich vernünftige Soldaten zu machen, wurden die, die schon welche waren, von ZAFT eingezogen. Darunter auch Miguel.

Ehrlich gesagt war dies ein ziemlicher Schlag für mich, als er eines Abends zu mir kam, um sich zu verabschieden. Bereits am nächsten Morgen würde ein Schiff kommen, um ihn und die anderen abzuholen.

Ich war geschockt, wollte es nicht glauben und las das Schreiben wieder und wieder... Mittlerweile hing ich sehr an ihm, er war mir ein wichtiger Freund geworden und ich wollte mir einfach nicht vorstellen, ihn vielleicht nie wieder zu sehen... Vielleicht liebte ich ihn sogar ein wenig... zwar nicht auf die Weise, wie ich noch immer für Yzak empfand, doch stark genug, dass mir Tränen über die Wangen flossen...

Miguel nahm mich in den Arm und küsste mich. Bis dahin hatte ich es immer vermieden, so etwas vor Yzak zu tun, doch hier war es mir nun egal. Ich klammerte mich an Miguel und erwiderte seine sanften Küsse. Doch so verweilten wir nicht lange. Er schob mich bald von sich und lächelte. Auch seine Augen glänzten traurig, selbst wenn er nicht weinte. Er strich mir durch die Haare und flüsterte, ich solle nicht mehr weinen.

Dann meinte er, ich solle trainieren, solle noch stärker werden, damit ich auf mich aufpassen könne, sobald ich ebenfalls eingezogen werde.

Ich nickte und versuchte aufzuhören zu weinen. Nur weil es für ihn nun hieß ‚ab in den Krieg’, bedeutete das nicht, dass er darin auch sein Leben lassen würde... Trotzdem machte der Gedanke mir Angst.

Ich versprach ihm, auf mich aufzupassen, versprach ihm, vorsichtig zu sein... und ihn wiederzusehen, wenn alles vorbei sein würde. Dann küsste er mich erneut und stand auf. Ich hörte, wie er etwas zu Yzak sagte, verstand allerdings nicht was... Schließlich ein „Auf Wiedersehen“ und er verließ unser Zimmer.

Noch heute schmerzt es, wenn ich an den Abschied damals zurück denke, wenn ich überhaupt an Miguel denke...

An dem Abend unterhielten Yzak und ich uns noch lange. Meinerseits flossen noch ein paar Tränen, doch er ließ sie unkommentiert, lachte mich nicht aus, sondern griff sogar irgendwann einfach nach meiner Hand und hielt sie fest. Eine Geste so voller Wärme, dass ich nur noch mehr heulen musste.
 

Auch wenn es schwer zuzugeben ist, so gewöhnte ich mich schnell daran, dass Miguel nicht mehr da war. Zwar machte mich der Gedanke dann und wann noch traurig, doch mit der Zeit wurde es einfach normal. Außerdem blieb einem ohnehin kaum noch Zeit zum Nachdenken. Ständig war Training und wenn man Abends todmüde im Bett lag, verfolgte man die neusten Nachrichten... man hatte kaum Zeit, auszuspannen.

Yzak und ich sprachen fast gar nicht über den Krieg. Wenn wir uns unterhielten, dann meist über andere Dinge. Es war einfach zu deprimierend, sich über die ganzen Opfer, über die Kämpfe und unsere Zukunft nach der Academy zu unterhalten.

Ich wusste, dass Yzak ähnlich dachte, auch wenn man schon merkte, wie sehr es ihn reizte... der Kampf mit MS... raus aufs Schlachtfeld und sein Können erproben. Zugegeben, auch mich faszinierte das Ganze auf eine abstruse Art und Weise, aber wohl bei weitem nicht zu sehr... Meine Angst lag eher darin, dass wir bald eingezogen und dann getrennt werden würden... Ich könnte es nicht ertragen einer so wichtigen Person „Auf Wiedersehen“ sagen zu müssen.
 

ENDE Kapitel 3



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Ryucama
2008-05-25T09:00:28+00:00 25.05.2008 11:00
T.T wenn man bedenkt, was später passiert ist... ist das doch schon relativ hart... *sniff*
ich würd mich echt freuen, wenn du die FF fortsetzt, jetzt würd ich doch auch gern wissen, wie es weitergeht! ^^
Von:  Smilie
2008-02-04T18:28:30+00:00 04.02.2008 19:28
Hey.
Hab deine ff gerade erst entdeckt und sofort gelesen.
Großes Komplimet. :) Die ff ist einfach super.
Dein Schreibstil gefällt mir total gut und ich finde du hast die
Personen super beschrieben und dargestellt, soweit ich das beurteilen kann, bin noch neu bei dem Thema. :P
Bin echt gespannt, wie es weiter geht und ich hoffe es ist bald soweit. :)

LG, Smilie
Von:  _Soma_
2007-06-10T10:21:38+00:00 10.06.2007 12:21
die ff is super oQo
hoffe das es bald weiter gehts ^^
*daumen hoch*
weiter so ^^
*favo*
LG Shizu-chan
Von: abgemeldet
2007-03-17T00:32:25+00:00 17.03.2007 01:32
die FF is total hammer
ich finde sie super genial
habe sie schon ne ganze weile lang in meiner favo
aber wann geht wes denn weiter
auf der hp wo die ff auch zu finden ist geht es ja leider auch nicht weiter
ich würde mich freuen wenn du bald weiter schreibst
^^b
liebe grüße eatos


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