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Abandoned

von

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Prolog

Unerträglich laut schien jeder Schritt auf dem Kiesweg durch die nächtliche Stille zu hallen - doch er hatte sich diesen Ort genau deswegen als Treffpunkt ausgesucht, denn so konnte sich wenigstens niemand unbemerkt anschleichen. Der Weg endete wie einige weitere ebenfalls an einem gepflasterten Platz. Er stellte sich genau in die Mitte und ließ seinen Blick im Licht des Mondes umherschweifen. Um ihn herum erstreckte sich das weitläufige Gelände des Klosters mit seinen gepflegten Feldern und den sorgsam zugeschnittenen Büschen und Bäumen. Seine Augen blieben an dem großen Torbogen hängen, der den einzigen Eingang zu dem Klostergelände bildete. Durch dieses Tor musste bald jemand schreiten, den er extra zu dieser Nachtzeit hierher bestellt hatte, denn niemand durfte etwas davon erfahren. Auch die Mönche hatten alle geschlafen, als er seine Kammer verlassen hatte und durch die Gänge geschlichen war. Im Umkreis von einem Kilometer gab es in dieser Gegend keine anderen Gebäude - ein weiterer Grund, weshalb er ausgerechnet diesen Treffpunkt gewählt hatte.

Ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht, als er sich der Bedeutung dieses Ortes bewusst wurde. Hier hatte alles begonnen, vor gut zwanzig Jahren. Und hier würde es auch enden, mit dem Auftrag, den er heute Nacht erteilen würde. Dann konnte er in aller Ruhe abwarten und zusehen, wie sich die Dinge von selbst regelten. Nichts würde ihm dann mehr im Wege stehen. Niemand hatte dann mehr etwas gegen ihn in der Hand, wenn auch das letzte Beweismittel vernichtet wurde.

Wieder fixierte er das Tor mit seinem Blick. Gleich müsste er kommen. Er hatte extra einen Spezialisten angeheuert, da konnte man schon erwarten, dass dieser pünktlich war. Es war ihr erstes Treffen und wenn alles glatt lief, würde nur noch ein weiteres folgen. Doch er war zuversichtlich, denn dieser Spezialist wurde hinter vorgehaltener Hand weiterempfohlen, was aber gar nicht nötig war. Jeder kannte ihn. Besser gesagt: jeder kannte seinen Decknamen und die Gerüchte über ihn. Wie er aussah, wusste niemand.

Mit aufkeimender Nervosität starrte er weiterhin auf den Torbogen. Er hatte alles so arrangiert, dass er genau in dieser Nacht in dem Kloster Rast machen würde. Am nächsten Morgen würde er mit seinem kleinen Gefolge weiterziehen. Niemand würde erfahren, was er in dieser Nacht getan hatte. Auch sein berüchtigter Vertragspartner würde nicht mitbekommen, wer ihm den Auftrag gab und aus welchen Gründen. Doch wenn man den Gerüchten Glauben schenken konnte, war er professionell und kalt genug, nicht auf die Hintergründe seiner Aufträge zu achten.

Leicht fröstelnd verschränkte er die Arme und trat von einem Bein auf das andere, um sich zu wärmen. Er hatte eigentlich damit gerechnet, alles schnell über die Bühne bringen und dann wieder ins Bett gehen zu können. Doch nun ließ man ihn warten und dieser Umstand erfüllte ihn mit Zorn. Niemand wagte es, ihn warten zu lassen. Allerdings rief er sich sofort wieder ins Gedächtnis, mit wem er es hier zu tun hatte und so wich der Zorn einem vagen Unbehagen. Hätte er sich nicht doch an einen seiner eigenen Untergebenen wenden sollen? Allerdings bestand hierbei die Gefahr, dass der Diener den Mund aufmachte - und dann? Dann war alles vorbei. Zwanzig Jahre hätte er dann umsonst Angst gehabt. Zwanzig Jahre hätte er dann umsonst Ausschau gehalten. Zwanzig Jahre hätte er dann umsonst teures Geld bezahlt, nur um sie zu finden und um alle Beteiligten zum Schweigen zu bringen. Nein, dieses Risiko würde er nicht eingehen. Hier musste ein Profi ran, jemand, der sein Handwerk verstand und zu dessen Qualifikationen auch absolute Verschwiegenheit zählte.

Wieder richtete er seinen Blick auf das Tor und rechnete damit, jeden Augenblick jemanden das Gelände betreten zu sehen. Doch seinen Augen boten sich nur die Schatten des nächtlichen Klostergartens dar. Ein leichter Wind kam auf, zog sacht an seinem Umhang und ließ ihn abermals frösteln. Er zog den Stoff enger um seine Schultern und nagte unruhig an seiner Unterlippe.

Ein leises Rascheln direkt hinter ihm ließ ihn erschrocken herumwirbeln, doch seinen nervös suchenden Augen bot sich nur die bereits vertraute Kulisse des Gartens dar.

"Guten Abend", ertönte eine leise Stimme neben seinem Ohr.

Zusammenzuckend drehte er sich wieder um und wich sofort einige Schritte zurück. Diesmal erfasste sein Blick eine verhüllte Gestalt, die nun einen Meter vor ihm stand.

"Guten Abend", brachte er schließlich hervor und erholte sich langsam wieder von seinem Schreck. "Ihr seid spät."

"Verzeiht, dass ich Euch warten ließ." Die Stimme war leise, fast flüsternd und ließ keinerlei Schlüsse auf das Alter des Gegenübers zu. Sie konnte zu einem kleinen Jungen ebenso gehören wie zu einem alten Mann. "Weshalb habt Ihr mich hierher bestellt?"

"Es heißt, Ihr seid der beste."

"Kommt ganz darauf an, worin."

Kurz zögerte er und strengte seine Augen an, um in der dunklen Silhouette des Mannes Einzelheiten erkennen zu können, doch außer Schatten konnten sie nichts erfassen. "Nun, ich möchte, dass Ihr jemanden für mich findet."

"Normalerweise engagiert mich niemand nur um jemanden zu finden."

"Ihr sollt sie auch nicht nur finden, sondern auch töten."

"Nun kommen wir der Sache schon näher."

Kapitel 1: Friends

Sanfter Sonnenschein hüllte den jungen Mann ein, als er aus dem Schatten des Waldes auf den neben diesem verlaufenden Weg trat. Kurz schloss er zufrieden die Augen und genoss das wärmende Prickeln auf seinem Gesicht. Die ganze Nacht war er unterwegs gewesen und hatte erst in der Dämmerung den Wald erreicht. Inzwischen war es später Vormittag und er hatte ihn endlich durchquert und konnte seine Reise im warmen Sonnenlicht weiterführen.

Er trug einen grauen Umhang über einer einfachen Wanderkleidung, das rechte seiner grünen Augen war von braunen Haaren, die ihm bis ans Kinn reichten, verdeckt.

Langsam setzte er seinen Weg fort und folgte der Straße in Richtung Norden. Wenn er sich beeilte, konnte er noch vor Einbruch der Dunkelheit die nächste Stadt erreichen. Dort hatte er vor, die Nacht zu verbringen, um dann am nächsten Morgen so früh wie möglich wieder aufzubrechen. Doch zuerst galt es, ein schönes Stück Weg hinter sich zu bringen.

Entschlossen setzte er einen Fuß vor den anderen und ließ seinen Blick über die ländliche Idylle schweifen. Zu seiner Linken bot sich weiterhin Wald dar, während sich zu seiner Rechten ein Feld nach dem anderen erstreckte.

Als nach einiger Zeit hinter ihm näherkommende Hufschläge erklangen, widerstand er der Versuchung, sich umzudrehen. Die einzigen Leute, denen es erlaubt war, auf Pferden zu reiten, waren entweder hohe Regierungsbeamte oder deren Soldaten. Mit keinem von ihnen wollte er sich zu diesem Zeitpunkt anlegen und so ignorierte er nach Außen hin weiterhin beharrlich die sich nähernden Reiter. In Gedanken aber schätzte er die Lage ab. Den Geräuschen nach zu urteilen kamen mehr als ein Dutzend Pferde, was bedeutete, dass sich wohl Soldaten näherten. Diese ritten bis auf gleiche Höhe heran und einer versperrte ihm den Weg.

Innerlich resigniert seufzend stoppte der junge Mann und hielt seinen Blick gesenkt, beobachtete aber aus den Augenwinkeln die ihn umgebenden Reiter, von denen sich nun einer - augenscheinlich ein Feldwebel - zu ihm herabbeugte.

"Nun", begann er gedehnt und schien die Situation auszukosten. "Was haben wir denn hier?"

"Nur einen einfachen Wanderer" Nur mühsam konnte er die in sich aufkeimende Abneigung gegen den Feldwebel unterdrücken, der sich scheinbar alle Mühe gab, jedem Klischee zu entsprechen.

"Wohin wanderst du denn?"

"Teheron"

"Soso. Und was willst du dort?"

"Eine Unterkunft für die Nacht"

"Sonst nichts?"

"Nein, weshalb fragt Ihr?"

"Weißt du, es sind derzeit viele Räuber unterwegs. Ich wollte nur sicher gehen, dass du keiner von ihnen bist. Du hast also nicht vor, Teheron heute Nacht auszurauben? Sehr gut." Der Feldwebel stieß ein lautes Lachen aus und seine Männer stimmten folgsam mit ein. Dann beugte er sich weiter herab und musterte den Wanderer aufmerksam. "Ich werde mir trotzdem dein Gesicht merken - nur für den Fall. Wie heißt du?"

"Varis. Varis Namreth"

"Sollte in Teheron heute Nacht doch etwas geschehen, wissen wir ja, wer Schuld hat. Also halte dich zurück." Abermals in Gelächter ausbrechend trieb er sein Pferd an und die übrigen Soldaten folgten ihm.

Angewidert verzog Varis das Gesicht und blickte ihnen grimmig nach. Wie konnte jemand mit so wenig Verstand und dem Humor einer zertretenen Küchenschabe zum Feldwebel aufsteigen? Resignierend den kopf schüttelnd setzte auch er seinen Weg fort und hoffte inständig, dem Feldwebel nicht noch einmal begegnen zu müssen.

Schließlich zuckte er mit den Schultern, schloss die Augen und konzentrierte sich auf die warmen Sonnenstrahlen auf seiner Haut. Die Aversion gegen den Feldwebel verschwand immer mehr und wich der gewohnten Gelassenheit. Tief durchatmend öffnete er die Augen wieder und ließ seinen Blick abermals über die sich unverändert hinziehende Landschaft schweifen, während er automatisch einen Fuß vor den anderen setzte.

Es war schade, mitansehen zu müssen, wie dieses wunderschöne Reich von seinen Herrschern immer weiter hinabgezogen wurde- Angefangen bei jenen Soldaten, die für die öffentliche Sicherheit zuständig sein sollten, diesen Begriff aber sehr willkürlich auslegten, über die riesigen unnötigen Bauprojekte, denen eine Vielzahl an bislang unberührten Naturräumen zum Opfer fielen, bis hin zu den Herrschern selbst, die allesamt aus den obersten Priestern bestanden und an Korruption und Vetternwirtschaft kaum noch zu überbieten waren. Ihr Oberhaupt, der Hohepriester Vandros, war der wohl mächtigste Mann des Reiches und nutzte seine Position zur Genüge aus. Immer wieder fragte sich Varis, wie jemals Priester an die Macht hatten kommen können. Doch schon seit vielen Jahrhunderten standen sie an der Spitze, führten das Reich und bestimmten das Leben seiner Bürger. Welche verzweifelte Lage die Bewohner Narvons auch damals dazu getrieben hatte, sich so willenlos in die Willkür einiger religiöser Fanatiker zu begeben war längst vergessen und spielte wohl für die meisten keine Rolle mehr. Inzwischen waren die Priester auch längst keine Diener Gottes mehr, obwohl sie das weiterhin von sich behaupteten. Auch routiniert ausgeführte Rituale und ständige Berufung auf den Willen Gottes konnte sie in Varis Augen nicht als Gläubige auszeichnen. Sie waren doch nur Priester geworden um an die Macht zu kommen, weiter nichts. Glaube spielte bei ihrer Religion längst keine Rolle mehr und das Volk folgte ihrem Beispiel, glaubte nur noch aus reiner Gewohnheit an Gott.

Varis selbst zweifelte sehr an der Religion - sowohl an der heutigen, als auch an der ursprünglichen. Weder glaubte er an Gott noch an irgendeinen Sinn und Zweck der Religion - außer der Manipulation und Steuerung der Massen. Kritisch verfolgte er alle religiösen Handlungen, behielt dabei seine Beobachtungen und zynischen Kommentare für sich, denn Kritiker wurden vehement verfolgt und bestraft. Kein Wunder, waren doch sogenannte Gläubige an der Macht - und wollten sie auch behalten! So half nur, seine Meinung nicht laut zu äußern und die vielzitierte gute Miene zum bösen Spiel zu machen, auch wenn es regelmäßig die Geduld auf eine reichlich harte Probe stellte.

Doch Varis hatte es sich angewöhnt, allem "Religiösen" mit einer großen Portion Ironie zu begegnen und machte sich oft insgeheim über all die selbst deklarierten Gläubigen lustig. Trotzdem bewahrte ihn diese Haltung nicht vor der verbittert getroffenen Erkenntnis, dass Narvon wohl nie den nötigen Schritt weg von der alles beherrschenden Religion schaffen würde und so musste er weiterhin mitansehen, wie die Leute ihr Leben nach dem Willen der Priester ausrichteten.

Aufseufzend trat er einen Stein aus dem Weg und beobachtete, wie er neben der Straße zwischen den Grashalmen verschwand. Als sein Blick wieder nach vorne schwenkte, zeigte sich am Horizonth der vage Umriss Teherons. Den Schritt beschleunigend folgte er weiter der Straße, die genau auf den entfernten dunklen Fleck zuhielt. Zuversichtlich, die Stadt noch vor Einbruch der Nacht zu erreichen, summte er leise vor sich hin.
 

Pünktlich zur Dämmerung stand Varis dann auch tatsächlich vor den breiten Toren Teherons, die noch weit geöffnet waren. Den an der Mauer lehnenden Wächtern einen kurzen Gruß zunickend schritt er durch das Tor und folgte der Straße. Je weiter er in die Stadtmitte vordrang, umso mehr Menschen kreuzten seinen Weg. Schließlich im Zentrum auf dem noch unter regem Betrieb stehenden Marktplatz angekommen, wandte er sich zu einer schmalen Seitengasse, in der ein bereits hell erleuchtetes Wirtshaus gegen die langsam aufkeimende Nacht aufbegehrte.

Varis öffnete die Tür und trat in den gut besuchten Schankraum. Viele Blicke hefteten sich auf den Neuankömmling und verfolgten ihn auf seinem Gang zum Tresen. Dort setzte er sich auf einen der abgenutzt wirkenden Hocker und wartete. Schließlich drehte sich der hochgewachsene, breitschultrige Wirt zu ihm um und hätte um ein Haar das Glas fallen gelassen, das er gerade mit einem nicht mehr ganz sauberen Lappen putzte.

"Varis", begann er und sein Mund verzog sich zu einem breiten Lächeln, während er hastig das Glas samt Lappen beiseite stellte. "Was machst du denn hier?"

"Ich bin auf der Durchreise"

"Wieder ein neuer Auftrag?"

Varis nickte knapp und blickte sich aus den Augenwinkeln im Raum um. Anscheinend hatten alle ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihre eigenen Dinge gelenkt und niemand schien ihm mehr als nur einen beiläufigen Blick zu schenken.

"Ich brauche eine Unterkunft für die Nacht, Kheros."

"Und da kommst du alter Schmarotzer schnurstracks zu mir?" Lachend füllte er einen Krug und stellte ihn vor Varis ab.

"Natürlich" Er bedankte sich mit einem kurzen Nicken. "Wie die letzten Male eben auch."

"Das kommt davon, wenn man sich ohne es zu wissen so einen Parasiten wie dich aufhalst. Hätte ich das vorher gewusst, wären wir zwei nie Freunde geworden. Aber was heißt da überhaupt Freunde? Man schnorrt sich nicht bei seinen Freunden durch!"

Grinsend ließ Varis den kleinen Vortrag über sich ergehen und nahm einen tiefen Schluck. Er hatte diese Litanei schon so oft gehört und sie war inzwischen zu einer Art Begrüßungsritual zwischen ihnen geworden.

"Ich habe noch zu tun, aber du kannst gerne jederzeit nach oben gehen und das Gästezimmer belegen. Den Weg kennst du ja inzwischen. Nur erschreck bitte meine Schwester nicht, sie ist krank und liegt in meinem Zimmer. Am besten ist, wenn sie gar nicht erst mitbekommt, dass du schon wieder da bist. Sie konnte dich armen Bettler noch nie leiden."

Zur Bestätigung nickend nahm Varis noch einen Schluck und setzte dann seine aus den Augenwinkeln geführte Beobachtung der anderen Gäste fort.

"Weißt du", begann Kheros und fixierte seinen Freund. "Manchmal wünschte ich wirklich, du wärst nicht immer so einsilbig." Eine Augenbraue hochziehend schüttelte er schließlich den von kurzen, bereits langsam grau werden Haaren eingerahmten Kopf und zuckte ergeben mit den Schultern. "Aber das würde dann gar nicht mehr zu dir passen."

"Eben"

"Da, schon wieder. Also ein wenig Mühe könntest du dir schon geben."

"Hast du keine anderen Gäste, denen du auf die Nerven gehen kannst?"

"Für jemanden, der sich hier durchschnorren will, riskierst du eine ganz schön dicke Lippe, mein Freund. Pass bloß auf, sonst sitzt du schneller wieder auf der Straße, als du mich beleidigen kannst!", drohte Kheros und nahm Glas und Lappen wieder zur Hand. Dann lachte er plötzlich herzhaft und zwinkerte Varis zu, bevor er sich abwandte, um den Tresen herumging und auf einen Tisch in der Ecke zusteuerte.

Varis lächelte in sich hinein und leerte den Krug, schob seinen Stuhl zurück und erhob sich, noch einen Blick auf Kheros breiten Rücken werfend. Er hielt auf eine Tür neben dem Tresen zu, öffnete sie und stieg das dahintergelegene hölzerne Treppenhaus hinauf, das wegen fehlender Fenster vollkommen im Dunkeln lag. Doch Varis war diese Treppe schon oft genug emporgestiegen, so übersprang er auch einige Stufen, von denen er aus Erfahrung wusste, dass sie besonders besorgniserregend knarrten und kam schließlich am oberen Ende der Treppe an. Die Tür zu Kheros Wohnung war nur angelehnt und er drückte sie langsam auf, zog dabei seine Schuhe aus und betrat anschließend das Heim seines Freundes.

"Kheros? Bist du das?", rief eine heisere Stimme aus dem Raum rechts von Varis, der erschrocken inne hielt. Die Tür war angelehnt und durch den schmalen Spalt fiel ein Streifen Licht in den Flur.

"Kheros?", wiederholte die eindeutig weibliche Stimme unsicher.

Varis warf einen kurzen Blick durch den Spalt und sah eine blasse Frau um die vierzig, die auf einem Bett lag und die Decke verkrampft an sich gepresst hatte, einen dünnen Schweißfilm auf der Stirn. Ihre fiebrig glänzenden Augen waren starr auf die Wand gerichtet, während sie angestrengt lauschte.

Kheros Schwester - Varis hätte sie beinahe vergessen. So schlich er leise weiter und betrat den letzten Raum rechts, schloss dann so lautlos wie möglich die Tür und blickte sich im Zimmer um, das nur von dem durch ein Fenster einfallenden Mondlicht schwach erhellt wurde. Die spärliche Einrichtung war komplett aus Holz gehalten, vom kleinen Schrank über Tisch und Stuhl bis hin zum frisch bezogenen Bett. Auf letzteres steuerte Varis nun zu, streifte auf halbem Wege seinen Umhang ab und legte ihn über die Stuhllehne. Dann setzte er sich auf das Bett und ließ seinen Blick über die Schatten gleiten.

Hier war er nun also wieder, wie immer auf der Durchreise und nur für eine Nacht. Er wäre jedes Mal gerne wenigstens für ein paar Tage geblieben, doch bei keiner Gelegenheit hatte er genügend Zeit gehabt.

Seufzend stand Varis wieder auf und trat an das Fenster heran. Leider ließ ihm sein Beruf keine Zeit für Freunde und so war es ihm umso verwunderlicher, dass er doch einen hatte. Natürlich, er hatte einige Bekannte, die ihm hin und wieder behilflich waren, doch Kheros schien sich als einziger über jeden seiner Besuche zu freuen. Leicht lächelnd striffen Varis Augen über die nächtlichen Dächer Teherons. Wenn er irgendwo eine Heimat hatte, dann hier - in dieser Stadt, in diesem Zimmer. Hier konnte er sich entspannen und fühlte sich sicher, auch wenn er genau wusste, dass er hier so wenig sicher war wie an jedem anderen Ort.

Einen weiteren Seufzer ausstoßend wandte er sich vom Fenster ab und schritt langsam auf das Bett zu. Die Arme hinter seinem Kopf verschränkend legte er sich auf die Decke und betrachtete die durch die spärliche Beleuchtung entstehenden Schattenmuster an der Zimmerdecke.

Bisher hatte er noch keinen Gedanken daran verschwenden müssen, wie er weiter vorgehen wollte, sobald er erst einmal in der Nähe seines Ziels war. Doch nun war er nahe genug heran, dass es Zeit wurde, sich das ganze doch durch den Kopf gehen zu lassen. Noch etwa ein Tagesmarsch trennte ihn davon, obwohl er nur vage wusste, wo es sich überhaupt befand. Vielleicht konnte Kheros ihm weiterhelfen, immerhin kannte er sich in dieser Gegend aus.

Nun nahm er langsam die gedämpft heraufdringenden Geräusche des Gasthauses wahr. Vor dieser bereits von vergangenen Besuchen wohlbekannten Geräuschkulisse schloss Varis zurfrieden die Augen, seinen Auftrag und all jene Dinge vergessend, die sonst Nacht für Nacht auf ihn eindrangen und wenige Augenblicke später war er bereits in tiefen Schlaf gesunken.

Kapitel 2: Distance

Stille. Dunkelheit. Leere. Und dann -

"Wo warst du denn schon wieder?" Eine Stimme. Halb tadelnd, halb lachend.

Ein fröhliches Gesicht, hübsch, von nussbraunen Locken eingerahmt.

"Du bist ja voller Schmutz. Komm her, ich mach das sauber."

Eine einladend ausgestreckte Hand. Ein freundlicher Blick. Ein warmes Lächeln. Und dann -

Schreie. Blut. Angst.
 

"Varis? Varis! Wach auf!" Eine neue Stimme zerriss die Eindrücke und zerrte den Angesprochenen aus seiner Starre.

Leicht benommen blinzelte er und blickte den mit einem besorgten Gesichtsausdruck über ihn gebeugten Kheros fragend an.

"Was ist?"

"Das sollte ich dich fragen.", begann sein Freund, richtete sich auf und strich sich unruhig über die Haare.

"Wieso, stimmt etwas nicht?", erkundigte sich Varis betont beiläufig und setzte sich auf, während ein leises Echo des Traumes immer noch in seinem Kopf widerhallte.

"Ob etwas nicht stimmt? Ich komme herein um dich zu wecken und finde dich völlig verkrampft und schweißgebadet liegend vor. Sag du mir doch, was nicht stimmt!"

Varis starrte seinen Gegenüber zunächst perplex an, dann hob er langsam die Hand und strich sich zögernd einige nasse Haarsträhnen aus dem Gesicht. Er hatte nicht einmal bemerkt, dass er überhaupt geschwitzt hatte. Verdammt, es war doch nur ein Traum gewesen...

"Varis, was ist los?"

"Nichts", versetzte er den ratlosen Kheros und erhob sich ruckartig vom Bett.

"Varis, ich bitte dich, du -"

"Ich sagte doch, es ist nichts.", unterbrach er ihn unwirsch und legte seinen Umhang an. "Zumindest nichts, mit dem ich dich belasten möchte.", fuhr er ruhiger fort und lächelte Kheros leicht an.

"Das beruhigt mich nun nicht gerade, mein Freund."

"Etwas anderes.", lenkte Varis schnell ein. "Du kennst dich doch hier aus, oder?"
 

Als er aus dem Wirtshaus in die kühle Morgenluft trat, zog er leicht fröstelnd seinen Umhang enger um sich. Er warf einen kurzen Blick die Fassade des Gebäudes hoch und wandte sich dann langsam ab, verließ die Seitengasse und schlenderte in Richtung Stadttor.

Seine Gedanken aber kreisten weiterhin bei Kheros. Dessen Schwester hatte noch geschlafen, als die beiden Männer sich verabschiedet hatten und würde wohl auch nie merken, dass Varis überhaupt dort gewesen war. Zumindest etwas Positives. Dabei wollte er Kheros doch gar nicht so viele Sorgen machen. Varis wusste, dass die Geschäfte für seinen Freund nicht besonders gut liefen, aber trotzdem wurde er immer wieder mit offenen Armen - und einem üblichen spöttischen Kommentar - empfangen. Es tat Varis leid, ihn nicht ins Vertrauen ziehen zu können, aber er hätte gar nicht gewusst, wie er das anfangen sollte. Er hatte noch nie jemandem mehr als nötig von sich erzählt - und meistens ging das eben nicht über die Nennung seines Namens hinaus.

Und doch... Kheros kannte ihn - ohne ihn wirklich zu kennen. Er wusste nur, dass Varis Aufträge erledigte, die sich irgendwo jenseits der gesetzlich auferlegten Grenzen abspielten und hielt sich heraus, so gut er konnte. Gerade deswegen ging es Varis besonders gegen den Strich, ihm nun auch noch zusätzliche Sorgen zu bereiten, doch jetzt ließ sich das auch nicht mehr rückgängig machen.

Unmutig schritt er zum Stadttor hinaus und folgte dem Weg nach Westen. Die aufgehende Sonne warf seinen Schatten lang voraus und vertrieb allmählich die Kälte der Nacht, während der wolkenlose Himmel einen warmen, sonnigen Tag versprach.

Doch immer noch hatte Varis das besorgte Gesicht seines Freundes vor Augen und musste wieder an seinen Traum denken - dabei hatte er noch nie schlecht geträumt, wenn er bei Kheros schlief. Nachdenklich strich sein Blick über die Felder. Er hatte nicht zum ersten Mal einen Traum dieser Art, doch dass er nun auch bei Kheros nicht mehr davon verschont blieb, versetzte ihm schon einen Stich, hatte er sich doch im Heim seines Freundes sicher gefühlt. Doch früher oder später hatte das passieren müssen, dessen war sich Varis sicher. Immerhin waren all diese Szenen, die er in seinen Träumen des öfteren ein weiteres Mal durchlebte, ein unauslöschbarer Bestandteil seines Lebens und mit ein Grund, warum er sich überhaupt hier auf dieser Straße befand.

Inzwischen hatte die Sonne es geschafft, in ihrer vollen Größe über den Horizont zu ragen und setzte ihren Weg gemächlich fort. Varis hob den Beutel an, den Kheros ihm mitgegeben hatte. Normalerweise reiste er nur mit leichtem Gepäck, doch sein Freund ließ es sich nie nehmen, ihm ein ganzes Festmahl mit auf den Weg zu geben. Leicht lächelnd untersuchte Varis den Inhalt, der die Mahlzeiten für die nächsten Tage abgeben würde, denn trotz seines nicht gerade florierenden Geschäftes war Kheros ein sehr großzügiger Mann. Doch gerade diese Großzügigkeit wollte Varis nicht ausnutzen und hatte wie immer einige Goldmünzen hinterlassen, auf die Kheros früher oder später stoßen musste. Er wusste, dass sein Freund das Geld nicht annehmen würde, wenn er es ihm persönlich gäbe, aber so blieb ihm keine andere Wahl.

Immerhin konnte Varis sich nicht über einen Mangel an Geld beklagen. Er führte ein recht bescheidenes Leben und war ständig auf Reisen, doch mit jedem weiteren Auftrag wuchs sein Vermögen um eine nicht zu verachtende Summe. Ausgaben hatte er meist nur wenige, da sie sich hauptsächlich auf Unterkunft und Verpflegung beschränkten.

Schließlich kam Varis an die Kreuzung, die Kheros ihm beschrieben hatte und bog in nördlicher Richtung ab. Nun musste er nur noch dem Verlauf des Weges folgen und würde schließlich an seinem Zielort ankommen.

Immer noch wunderte er sich, weshalb er ausgerechnet in ein Kloster geschickt wurde, aber Auftrag war Auftrag und mit den Hintergründen hatte er sich nicht zu befassen. Dennoch interessierte es ihn, war doch sein Auftraggeber kein anderer als Vandros, der Hohepriester und damit das amtierende Oberhaupt des Reiches - auch wenn der sich alle Mühe gegeben hatte, seine Identität geheim zu halten. So hatte es Varis einiges an Zurückhaltung gekostet, seinem neuen Klienten nicht gleich selbst die Kehle durchzuschneiden. Die Gelegenheit war perfekt gewesen, doch dann wäre in ganz Narvon nach ihm gefahnded worden. Im Grunde war das ja jetzt schon der Fall, doch eigentlich wollte ihn niemand schnappen, dazu war er viel zu nützlich - mal abgesehen davon, dass niemand einen Hinweis hatte, wo und wie man ihn überhaupt hätte erwischen können, denn Varis wusste seine Spuren zu verwischen. Eigentlich wäre das gar nicht nötig, denn viele der Mächtigen hatten bereits auf seine Dienste zurückgegriffen - oder hatten das noch vor -, doch er wollte kein Risiko eingehen.

Trotzdem blieb noch die Frage, was Vandros gegen eine einfache Nonne haben konnte. Hatte sie sich etwa gegen die Regierung ausgesprochen? Dabei kannte Varis die meisten Nonnen nur als stille, zurückhaltende Frauen, die mit Politik und überhaupt allem, was sich außerhalb ihres jeweiligen Ordens abspielte nichts am Hut hatten. Weshalb sollte sich also eine dieser weltfremden Damen gegen die derzeitigen Herrscher wenden? Dadurch würden sie sich doch ins eigene Fleisch schneiden, da alle Orden durch die Regierung finanziert wurden. Was außerdem dagegen sprach, war schlicht und einfach die Tatsache, dass Vandros ausgerechnet ihn beauftragt hatte, diese Nonne verfrüht zu ihrem Gott zu schicken - ein Unterfangen, das dann ja auch durch jeden beliebigen Soldaten hätte ausgeführt werden können. Also hatte sie wohl etwas gröberes angestellt. Vielleicht hatte sie ein Verhältnis mit dem Hohepriester? Jede derartige Verbindung war den Geistlichen strengstens untersagt und wurde hart geahndet - eine Regelung, die seit Ewigkeiten bestand und deren Abschaffung wohl hohen Widerstand hervorgerufen hätte. Immerhin sorgte die Regierung mit Erfolg dafür, dass die Bürger Narvons sich gegen jede Neuerung sträubten und an ihren alten Gebräuchen festhielten. Damit versuchten sie wohl zu verhindern, dass ihnen ihre Macht aus den Fingern gerissen wurde.

Seufzend zuckte Varis mit den Schultern, denn die Hintergründe seiner Aufträge gingen ihn schließlich nichts an. Einzig die Tatsache, dass er sie erledigte zählte. Immerhin wurde er gut bezahlt und dafür erwarteten seine Kunden auch eine gewisse Professionalität, auch wenn Varis nicht unbedingt Stolz darauf war, als Profikiller zu gelten. Andererseits brachte es gutes Geld und er kam weit herum, was ihm nur nützlich sein konnte.

Mit einem kurzen Blick auf die bereits recht hoch am Himmel stehende Sonne hielt Varis auf den Schatten eines am Wegrand stehenden Baumes zu und setzte sich zwischen zwei dicke, aus der Erde ragende Wurzeln. Er hatte es nicht eilig, da er ohnehin erst nach Einbruch der Nacht loslegen konnte. So sah er keinen Sinn darin, schon Stunden vorher am Kloster anzukommen.

Während er sein Mittagessen aus Kheros Beutel fischte, ließ er seinen Blick über die Landschaft schweifen. Ringsum bot sich seinen Augen ein Feld nach dem anderen dar, hin und wieder unterbrochen durch vereinzelte oder auch in Gruppen stehende Bäume. Aber Varis Erinnerung zeigte ihm ein anderes Bild: ein üppiger Mischwald erstreckte sich meilenweit in alle Richtungen, der Weg auf dem Varis sich gerade befand nur als ein kleiner Pfad von vielen vorhanden. Doch wie an so vielen anderen Stellen auch musste der Wald dem Ackerbau und einer besseren Infrastruktur weichen. Dabei liebte Varis die Wälder und musste nun ständig mitansehen, wie immer mehr von ihnen verschwanden.

Resigniert biss er in einen Apfel und ließ seinen Blick weiter umherwandern. Allmählich besserte sich seine Laune wieder, immerhin war er gut im Zeitplan, bislang hatten sich keinerlei Schwierigkeiten ergeben und er hatte alle Informationen die er brauchte. So war er sehr zuversichtlich, seinen Auftrag noch diese Nacht erfolgreich abschließen zu können. Zufrieden lehnte er sich zurück und legte den Kopf in den Nacken, seine Augen auf die dicht belaubte Baumkrone über ihm gerichtet, deren Blätter sich bereits im langsam aufkommenden Wind beugten.
 

Bei Beginn der Dämmerung kam das Kloster schließlich in Sichweite. Innehaltend betrachtete Varis eine Weile das von hohen Mauern umgebene Gebäude und setzte sich dann wieder in Bewegung. Mehrere hundert Meter vor dem Kloster verließ er die Straße und setzte seinen Weg durch das anliegende Maisfeld fort, einen Bogen um sein Ziel schlagend. Die bereits schulterhoch aufragenden Stauden boten ihm, wenn er den Kopf einzog, einen guten Schutz vor den Blicken eventueller Beobachter und machten es ihm so möglich, ungesehen an das Gebäude heranzukommen.

Nachdem er sich eine Zeit lang durch das Feld gearbeitet hatte, drangen allmählich lauter werdende Hufschläge an seine Ohren. Er hielt inne und lauschte angestrengt den nun langsamer werdenden Reitern. Varis schätzte, dass sie sich nun etwa auf der Höhe des Klosters befanden und befürchtete, dass sie dort wohl für die Nacht einkehren würden. Um sicher zu gehen hob er vorsichtig seinen Kopf weit genug, um durch die Spitzen der Maisstauden sehen zu können und machte dort die Umrisse von etwa einem Dutzend Reiter aus, die auf das große Tor des Klosters zuhielten. Ihrer Anzahl und dem zielstrebigen Verhalten nach zu urteilen, vermutete Varis, dass es sich um Soldaten handelte.

Seufzend duckte er sich wieder und setzte seinen Weg vorsichtig fort. Diese Neuankömmlinge stellten zwar eine Schwierigkeit dar, aber kein allzu großes Hindernis. Es bedeutete lediglich, dass er besonders wachsam sein musste, denn Varis wollte nicht, dass sie ihm womöglich noch in die Quere kamen.

So arbeitete er sich behutsam durch das Feld in Richtung Kloster vor, während um ihn herum die Nacht hereinbrach. Schon bald verließ er die Deckung des Maisfeldes, die ohnehin aufgrund der inzwischen herrschenden Dunkelheit kaum mehr nötig war, und erblickte vor sich vage die Umrisse der hohen Mauer, die das Grundstück eingrenzte.

Langsam, fast bedächtig, öffnete er den Beutel, der links an seinem Gürtel hing und holte zwei lederne Handschuhe heraus, die durch ihre schwarze Farbe im Dunkel der Nacht kaum zu erkennen waren. Ein leichtes Lächeln umspielte Varis Lippen, während er die beiden Stücke anlegte und dabei den Blick an der grob aus Stein gehauenen Mauer nach oben wandern ließ. Perfekt zum Klettern...
 


 


 

~~~~~~~~~~~ Lys Laberecke ~~~~~~~~~~~
 

So, das war es nun, das zweite Kapitel von Abandoned ^^ ich wäre euch sehr dankbar, wenn ihr mir euer Feedback hinterlasst, wie es euch gefallen hat...

Das nächste Kapitel ist bereits in Planung ^^ ich freu mich schon richtig drauf *g* mein armer Varis ^^"

Dieses Kapitel hat mir persönlich nicht so sonderlich gefallen... zwischendurch hatte ich Schwierigkeiten, meinen Protagonisten voranzubringen. Aber nun ist er ja wieder in seinem Element, die Arbeit ruft und er flüstert lautlos und tödlich zurück... *höhö* denkste XDD~ waaah, ich will ja nicht zu viel verraten XDD~ *lieber Klappe halt und schnell das Thema wechsel* öhm...
 

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bisherigen Kommischreibern bedanken, die natürlich immer einen Ansporn geben, weiterzuschreiben ^^

Dann möcht ich das Kapitel noch schnell jemandem Widmen: Jerra ^^ *ganz fest durchknuff* für ihr geniales Varis-Fanart *__________*
 

last but noch least: Wie bin ich eigentlich zu Abandoned gekommen?

Ganz einfach: ich saß mit Kyran in einem Chat. Wir wollten unbedingt ein gemeinsames Projekt starten und gingen auf Ideensuche. Dabei stellte sich mittendrin heraus, dass gerade zufällig bei uns beiden das selbe Lied lief: Abandoned von Ensiferum. Passend zum Lied (wobei ich hier sowohl Melodie als auch Text meine ^^) formte sich dann das Grundgerüst für die jetzige Geschichte. Leider musste Kyran dann aussteigen, aber er drängte mich, die Geschichte dann alleine zu verwirklichen - was ich ja im Moment tue ^^ Allerdings hat die jetzige Geschichte nicht mehr sooo viel mit der ursprünglichen zu tun *lach* Nur noch der Hauptcharakter und sein Beruf sind geblieben, wobei aber der Hauptcharakter nun auch einen etwas anderen Charakter hat als in der ursprünglichen Form ^^"

Verzeih mir Kyran, ich wollte es dir zu Ehren originalgetreu umsetzen, aber die Geschichte hat inzwischen eine solche Eigenbewegung, dass sie mich einfach mitreißt XD Varis zum Beispiel, der mochte wohl die Eigenschaften, die wir ihm erst zugedacht haben, nicht so sehr ;]
 

Wenn jemand zumindest den Text des Liedes lesen will, den gibt's u.a. hier: http://www.ensiferum.de/ger/st_lyrics.html#abandoned

Wer das Lied hören will: kauft euch die CD ;]

Kapitel 3: Carnivore

Nur ein kaum hörbares Rascheln verursachend landete Varis auf dem Rasen des Klostergartens und hielt einen Moment lauschend inne. Als seine Ohren nur das Rauschen des leichten Windes vernahmen, schlich er bedächtig von der Mauer weg auf die Umrisse des Gebäudes zu, die sich finster aufragend an dem von einem fast vollen Mond erhellten Nachthimmel abzeichneten.

Ein leises Knirschen erklang, als Varis einen Fuß auf den im Schatten einiger Bäume liegenden, quer durch den Garten verlaufenden Kiesweg setzte, den er in der Dunkelheit übersehen hatte. Wieder hielt er inne und horchte, doch nichts rührte sich. Erleichtert überquerte er den schmalen Kiesstreifen und setzte seinen Weg auf dem Rasen fort, während seine rechte Hand in eine kaum sichtbare Tasche an der Seite seiner Hose fuhr und nach dem dort verborgenen schmalen Messer tastete.

Die Kleidung hatte er gewechselt und die meisten seiner Habseligkeiten auf der anderen Seite der Mauer versteckt, um ungestört vorankommen zu können. Nun in schlichtes Schwarz gekleidet war er nur noch als dunkler Schemen auszumachen. Den Blick fest auf die vor ihm aufragenden Mauern des Klosters gerichtet, steuerte er direkt darauf zu, die Gedanken nur noch um seinen Auftrag kreisend.

Entschlossen einen Fuß vor den anderen setzend änderte Varis die Richtung und ging um das Gebäude herum. Der heisere Schrei einer Krähe hallte durch die Nacht und ließ ihn kurz innehalten. Ein leichtes Lächeln stahl sich über seine Miene, während seine Finger über den Griff des Messers strichen. Er konnte beinahe schon spüren, wie die scharfe Klinge durch warmes Fleisch schnitt und das Blut seine Hand hinab rann.

Hier huschte er nun, wie schon so viele Male zuvor, lautlos durch die Nacht - als ein Schatten von vielen, alle Sinne fixiert auf ein einziges Ziel: töten.
 

Auf der Rückseite des Gebäudes fand er die verschlossene Hintertür vor. Er bückte sich kurz und zog einen geschwärzten Draht aus dem Saum seiner Hose hervor, dann trat er näher an die Pforte heran. Einen Augenblick später war ein leises Klicken zu hören und die Tür schwang wenige Zentimeter nach innen auf. Den Draht wieder an seinem Platz verstauend drückte Varis sie weiter auf und huschte hinein. Sorgsam und jedes überflüssige Geräusch vermeidend schloss er die Tür wieder hinter sich und hielt dann lauschend inne. Nichts regte sich, das ganze Kloster lag in nächtlicher Stille.

Langsam bahnte er sich seinen Weg durch die im Dunkeln liegenden Gänge und näherte sich zielstrebig der breiten Steintreppe, die durch einige Fenster in schwaches Mondlicht getaucht war. Als er einige Stufen weit gekommen war, ließ ihn das Schlagen einer Tür innehalten. Sofort wich Varis aus dem Mondlicht zurück, presste sich an die Mauer in den Schatten und lauschte. Schritte hallten durch die Gänge und näherten sich. Schließlich tauchte eine Gestalt am unteren Ende der Treppe auf und blieb dort stehen. Minuten verstrichen, in denen Varis aus seinem notdürftigen Versteck heraus den unten Stehenden fixierte. Schließlich erklangen abermals Schritte und eine weitere Person näherte sich, stellte sich stumm neben den Vorgänger und wartete ebenfalls. Varis Hand fuhr abermals in seine Tasche und die in eine dünne Schicht aus Leder eingehüllte Fingerkuppe strich angespannt über die Klinge des Messers, während sich am Fuß der Treppe weitere Gestalten sammelten.

Soweit Varis bei diesen kargen Lichtverhältnissen erkennen konnte, handelte es sich inzwischen um zehn Männer. Das bedeutete, es musste sich um die Reiter von vorhin handeln. Schweigend standen sie da, manche an das Geländer der Treppe gelehnt, und warteten.

Innerlich fluchend ging Varis seine Möglichkeiten durch. Er konnte weiterhin abwarten, bis die Männer sich entfernten und dann seinen Weg fortsetzen - allerdings erweckten die Gestalten unten nicht den Eindruck, als würden sie bald aufbrechen. Oder er versuchte, sich unbemerkt die Treppe emporzuarbeiten. Diese machte wenige Meter weiter einen Bogen und führte dann in die entgegengesetzte Richtung empor. Wenn er es also bis dort schaffte, war er von unten nicht mehr zu sehen, musste dafür jedoch ein ganzes Stück im von draußen einfallenden Licht zurücklegen.

Behutsam arbeitete er sich so weit es der Schatten erlaubte nach oben und hielt dann wieder inne. Ein Schritt weiter und er wäre für die Männer gut erkennbar.

Sein Blick wanderte nach unten und fixierte die Gruppe. Die meisten standen zwar mit dem Rücken zu ihm, doch drei hatten ihren Kopf direkt in seine Richtung gedreht und schienen ihren Blick auf die Fenster gerichtet zu haben.

Eine weitere Möglichkeit, die er bisher beiseite geschoben hatte, drängte sich ihm immer mehr auf. Ein schneller Sprint und schon war er wieder außer Sichtweite. Ehe diese Männer die Situation begriffen und - wenn überhaupt - die Verfolgung aufgenommen hatten, war er bereits an seinem Ziel. Varis wusste genau, welchen Weg er nehmen musste, immerhin hatte er sich im voraus den Lageplan des Klosters eingeprägt. Allerdings musste er dann wirklich schnell sein, wenn er das Kloster ohne Konfrontation wieder verlassen wollte. Zudem würden seine Verfolger nicht so sehr auf ihre Lautstärke achten und weckten dann womöglich weitere unliebsame Zeugen - oder am Ende noch das Opfer. Ein weiterer großer Minuspunkt war, dass sie ihn vielleicht lange genug sahen, um ihn später identifizieren zu können.

Wieder fuhr Varis Fingerkuppe über die Klinge seines Messers. Um wirklich kein Risiko einzugehen müsste er sie alle töten, doch das würde im Nachhinein zu viel Aufsehen erregen. Also musste er sich auf seine eigene Schnelligkeit und die Unachtsamkeit dieser Männer verlassen.

Aber er konnte und wollte nicht noch mehr Zeit hier verschwenden und so wollte er gerade zum Sprint ansetzen, als ihn eine bekannte Stimme erstarren ließ.

"Sind alle da?" Nur halblaut geflüstert, aber dennoch gut zu verstehen.

Varis Kopf flog herum und sein Blick fiel auf den neu hinzugekommenen Mann, den er selbst bei diesen Lichtverhältnissen erkannte. Missmutig blies er sich eine verirrte Haarsträhne aus dem linken Auge, während sein Blick auf die breitschultrige Gestalt geheftet blieb.

Ich werde mir dein Gesicht merken. Verdammt.

Es war der unfähige Feldwebel und sein Gefolge, mit denen Varis bereits zwei Tage zuvor das Vergnügen gehabt hatte. Sie kannten nicht nur sein Gesicht, sondern auch seinen Namen. Wenn er jetzt loslief und nur einer ihn lange und deutlich genug sah, hätte er bald einen ganzen Haufen Schwierigkeiten am Hals. Nun verfluchte er seine Sorglosigkeit über diesen Auftrag, durch die er keinerlei Anstalten unternommen hatte, auch nur sein Gesicht zu verdecken. Ein Kloster voller schlafender Nonnen - das wäre ja auch zu einfach gewesen.

Doch was suchten diese Leute überhaupt hier? Dass sie nicht einfach ein Quartier für die Nacht wollten, war inzwischen offensichtlich: warum sonst diese Versammlung mitten in der Nacht? Aber gut, es konnte Varis eigentlich egal sein, solange sie ihm nicht in die Quere kamen - so wie jetzt.

Nur schwer konnte Varis sich zurückhalten, nicht einfach vorübergehend den Feldwebel zu seinem Ziel zu machen, denn die Gelegenheit, diesen unangenehmen Zeitgenossen loszuwerden war einfach zu gut. Seine Hand war bereits in eine schmale, längliche Tasche knapp überhalb des Knies gefahren und schloss sich um das dort ruhende kleine Blasrohr. Warum eigentlich nicht? Er könnte die entstehende Verwirrung nutzen und die Treppe hinter sich bringen, noch bevor überhaupt jemand festgestellt hatte, was überhaupt geschehen war.

Wie von selbst zog seine Hand das schmale Röhrchen hervor, während er mit der anderen Hand aus einer weiteren Tasche vorsichtig eine kleine, sicher verpackte Nadel, deren Spitze sorgfältig mit Gift getränkt war, fischte und diese von ihrer Hülle befreite. Ein kurzer Handgriff ließ sie in der dafür vorgesehenen Öffnung verschwinden und im nächsten Moment setzte Varis das Blasrohr auch schon an die Lippen, den Blick starr auf den Feldwebel gerichtet.

In seinem Nacken begann das kaum wahrnehmbare Kribbeln, das in Sekundenbruchteilen durch seinen ganzen Körper schoss und seinen Geist auf einer euphoriegleichen Welle mit sich riss. Gleichzeitig schien sich sein Blickfeld zu schärfen, die durch die karge Beleuchtung erkennbaren Konturen wurden klarer, die Umrisse der Männer deutlicher, während das Rascheln ihrer teuren Kleidung und das Knirschen der wie neuen Ledersohlen auf dem harten Steinboden ohne den Umweg über die Ohren direkt in sein Gehirn zu kriechen schien. Völlig fixiert auf das Ziel setzte der eigene Atem für einen Augenblick aus - für jenen Augenblick, kurz bevor er die kleine Nadel auf ihre tödliche Reise schickte.

Einen Moment verharrte Varis so, dann ließ er das Rohr langsam sinken. Das Kribbeln in seinen Gliedern zog sich zurück und löste sich schließlich auf, nur ein schwaches Echo zurücklassend.

Varis blinzelte und sein Blick wanderte von dem Feldwebel zu dem kleinen Röhrchen in seiner Hand. Er durfte sich nicht zu so einer Dummheit hinreißen lassen, egal wie gut ihm die Idee jetzt noch erschien. Im Nachhinein zog eine einzelne tote Nonne lange nicht so viel Aufmerksamkeit auf sich, wie ein zusätzlicher toter Soldat. Ein letztes Blinzeln löste Varis aus seiner Starre und er steckte das Blasrohr wieder ein, die Augen dabei wieder auf den Feldwebel geheftet. Immer noch brannte in ihm der Wunsch, diesen Menschen ins Jenseits zu befördern, doch Varis schob ihn entschlossen beiseite und konzentrierte sich wieder auf seinen eigentlichen Auftrag. Gerade rechtzeitig, denn die Ankunft des Feldwebels, die ihn so von seinem Vorhaben abgelenkt hatte, hatte die Aufmerksamkeit der Versammelten auf sich gezogen. Leise sprach er zu ihnen, doch seine Worte erreichten Varis nur noch als unzusammenhängendes Gemurmel. Alle lauschten konzentriert den Ausführungen, niemand achtete mehr auf die Treppe - perfekt.

Ohne weiter darüber nachzudenken eilte Varis die Stufen empor, darauf bedacht, keine Geräusche zu verursachen und brachte den im Mondlicht liegenden Teil der Treppe hinter sich. Kaum war er um die Biegung und wieder im Schatten hielt er inne und warf vorsichtig einen Blick nach unten. Unverändert stand die Gruppe da, nur mit sich selbst beschäftigt und ohne eine Ahnung über den ungebetenen Gast. In diesem Moment setzten sich die Männer in Bewegung und stiegen, dem Feldwebel folgend, die ersten Stufen empor.

Ohne sich noch weiter aufzuhalten huschte Varis den Rest der Treppe hinauf und wandte sich zielstrebig nach links, betrat den langen Gang, von dem aus zu beiden Seiten lauter Türen zu den Schlafzimmern der Nonnen führten, wie er aus dem Lageplan wusste. Er folgte dem Gang bis zu dessen Ende und tastete sich dann vorsichtig an der rechten Wand entlang zur letzten Tür auf dieser Seite. Seine Hand schloss sich um die Klinke und drückte sie langsam nach unten. Behutsam öffnete er die Tür gerade so weit, dass er durch den Spalt ins Zimmer gelangen konnte. Dann schloss er sie sorgsam wieder hinter sich und ließ seinen Blick durch den kleinen Raum schweifen.

Das Fenster war geöffnet und die zugezogenen Vorhänge bewegten sich leicht in der von draußen hereinstreichenden Brise. Sie ließen nur sehr wenig von dem ohnehin spärlichen Mondlicht ein, doch es genügte, um die Umrisse eines Schrankes, eines kleinen Tisches und eines Bettes zumindest erahnen zu können. Genaueres war nicht zu erkennen, doch Varis spürte klar die Präsenz einer weiteren Person - seines Opfers.

Bedächtig näherte er sich dem Bett und konnte nun gleichmäßige Atemzüge vernehmen. Parallel dazu raschelte die Decke durch das Heben und Senken des Brustkorbs der Schlafenden. Mit jedem Schritt, den er der Zielperson näher kam, fühlte Varis sich sicherer, wohler. Seine Gedanken waren klar und scharf, konzentrierten sich nur noch auf eines: seinen Auftrag. Hier war er in seinem Element, konnte sich einfach von der immer lauter werden inneren Stimme antreiben lassen, während alle seine Sinne die Umgebung abzutasten schienen, auf der Suche nach störenden Elementen.

Schließlich strich seine rechte Hand über diverse Taschen und verharrte über dem immer noch geladenen Blasrohr. Ein kurzer Stich und einen Augenblick später war alles vorbei. Wenn er die Nadel wieder entfernte, war die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass überhaupt der Verdacht eines unnatürlichen Todes aufkommen würde. Das Gift, das Varis verwendete, war selbst in geringer Dosis sehr wirkungsvoll und nach wenigen Stunden im Körper nicht mehr nachweisbar. Bis die Tote gefunden wurde, würde also auch die letzte Spur beseitigt sein.

Mit einem letzten Schritt trat Varis neben die Schlafende und zog mit der Rechten das schmale Blasrohr hervor, während er sich vorbeugte und die Linke nach der Bettdecke ausstreckte, die die Nonne bis über die Augen gezogen hatte. Doch er hielt mitten in der Bewegung inne, zog seine Hand zurück und richtete sich abrupt auf.

Nun erst nahm er bewusst wahr, was ihm seine Ohren längst vermittelten: Schritte klangen gedämpft aus dem Gang in das Zimmer. Schritte, die näher kamen. Schritte, die von vielen Füßen verursacht wurden. Schritte, die sich Mühe gaben, nicht gehört zu werden. Schritte, die ihr Ziel kannten. Schritte, die schließlich verklangen. Dann eine Stimme, die direkt von der anderen Seite der Tür erklang, die Varis kannte und die ihm in diesem Moment verhasster denn je war

"Hier ist es."
 


 

~~~~~~~~~~~ Lys Laberecke ~~~~~~~~~~~
 

*_____* es ist vollbracht... es hat länger gedauert als beabsichtigt und es tut mir leid, um alle, die auf das nächste Kapitel gewartet haben (okay, eigentlich nur Jerra, oder? XDD~) *auf Knie fall und um Vergebung bitt*

An der Stelle möcht ich kurz Werbung in eigener Sache machen ^^ und zwar gibt's noch eine weitere Geschichte mit Varis *lach* die hab ich für Jerra und Temel zu Weihnachten geschrieben und mich nun endlich dazu durchgerungen, sie hochzuladen ^^" ist nämlich ein Crossover von Zwischen zwei Feuern (ein Comic von Temel), Sight of Sea (ein Manga von Jerra) und eben Abandoned ^^

hier zu finden: http://animexx.4players.de/fanfic/?doc_modus=startseite&ff=104790
 

besonderer Dank gilt Jerra, der ollen Sklaventreiberin XD ohne sie wär ich wohl immer noch nicht fertig *lach*

und danke für die bisherigen Kommis ^^ ich hoffe, ihr habt Abandoned noch nicht aufgegeben ^^""

Kapitel 4: Silence

Allmählich füllten sich Varis' Lungen nach dem harten Aufprall an der Mauer zaghaft wieder mit Luft. Er wagte es nicht, tiefere Atemzüge zu nehmen um keine zu lauten Geräusche von sich zu geben. Während seine linke Hand sich weiterhin am Fensterbrett festkrallte, hielt die rechte immer noch das unbenutzte Blasrohr. Sein Blick wandte sich nach unten zu dem nicht weit entfernten Boden. Selbst wenn dieser Feldwebel bemerken würde, dass die Vorhänge sich noch von Varis' Sprung heftiger bewegten als sie es eigentlich durch den Wind allein sollten, brauchte er sich nur fallen zu lassen und wäre nach einem kurzen Sprint schon außer Reichweite. Der einzige Nachteil war dann nur diese verdammte Nonne, die immer noch selig in ihrem Bett schlief und eigentlich längst tot wäre – wenn er nicht gestört worden wäre.

Von Innen hörte er nun, wie die Tür geöffnet wurde und ein paar Leute das Zimmer betraten. Schritte durchquerten den Raum, näherten sich offenbar dem Bett. Ein kurzes Rascheln war zu hören, dann der Ansatz eines erschrockenen Schreis, der sofort abriss.

Varis ließ das Blasrohr nachdenklich um die Finger kreisen. Seine Neugier war längst geweckt, doch er wusste, dass er sich auf seinen Auftrag besinnen musste. Allerdings beinhaltete der Kontrakt nur den Tod dieser Nonne und nicht, dass sie vorher keine Gelegenheit mehr haben sollte, mit jemandem zu sprechen. Kurzerhand nahm Varis das Blasrohr zwischen die Zähne, griff mit der Rechten nun ebenfalls nach dem Fensterbrett und zog sich vorsichtig hoch. Er kauerte sich an den Rahmen des Fensters um keinen verräterischen Schatten auf den Vorhang zu werfen, nahm das Blasohr wieder in die Hand und lauschte dem Geschehen.

Im Zimmer hatte die Nonne inzwischen den ersten Schrecken überwunden, doch noch immer schien ihr jemand den Mund zuzuhalten. Dann begann der Feldwebel leise und beruhigend auf sie einzureden.

"Keine Angst, wir wollen Euch nichts tun. Wir sind vielmehr zu Eurem Schutz hier. Es wurde nämlich längst jemand entsandt um Euch zu töten."

Eine kurze Pause entstand.

"Ich bitte Euch, hört mir zu. Es ist wichtig, dass Ihr mit uns kommt. Wenn Ihr bleibt, seid Ihr so gut wie tot. Vandros hat unseren Vermutungen nach sogar einen Profi auf Euch angesetzt."

Wieder eine Pause, in der ein leichtes Lächeln über Varis' angespannte Gesichtszüge huschte.

"Ich nehme die Hand jetzt weg, aber ich will nicht riskieren, dass Ihr schreit und unser ganzes Vorhaben gefährdet. Die meisten Nonnen in diesem Kloster sind der Regierung treu ergeben und würden uns sofort verraten. Also wenn Euch Euer Leben lieb ist, schweigt Ihr und kommt mit uns."

Kurz darauf hörte man, wie die Nonne geräuschvoll einatmete und dann mit unsicherer, leicht zittriger Stimme sprach.

"Vandros will mich töten lassen? Warum?"

"Die einzig richtige Frage wäre wohl 'warum jetzt?', nicht wahr? Denn den Grund kennt Ihr ja wohl selbst am besten."

Mit einem lautlosen Stöhnen verdrehte Varis genervt die Augen. Dieser Kerl schien sich wirklich Mühe zu geben, als arroganter Mistkerl aufzutreten. Dabei hatte er bereits etwas so Schleimiges an sich, dass man sich schon beim bloßen Zuhören nach Wasser und Seife sehnte.

"Und... warum jetzt?"

"Weil etwas in Bewegung geraten ist. Wir können Vandros endlich von seinem Thron stürzen und das Volk in eine bessere Zukunft führen!"

Dieses Mal hätte Varis beinahe laut aufgelacht. Wer hätte das gedacht? Dieser Schleimbeutel entpuppte sich doch tatsächlich als Revolutionär.

"Was hat das mit mir zu tun?"

"Versteht Ihr denn nicht? Ihr seid der Schlüssel! Mit Euch haben wir endlich etwas in der Hand, um die Bevölkerung zu mobilisieren! Durch Euch ist er angreifbar! Die Leute werden das nicht einfach so hinnehmen! Wir versuchen schon seit einiger Zeit, ihn zu stürzen, doch wir hatten nie etwas Greifbares um unsere Ziele umzusetzen. Aber jetzt – jetzt haben wir Euch!"

"Wer ist 'wir'?" Das Zittern war aus der Stimme verschwunden und nun schwang eine große Portion Misstrauen in ihr mit.

"Kommt mit uns und ich zeige es Euch."

"Warum sollte ich Euch trauen?"

"Ihr habt keine andere Wahl, wenn Ihr weiterhin überleben wollt."

"Ich habe auch bisher überlebt. Weil ich mich still verhalten habe. Vandros hat so keinen Grund mich zu töten. Warum also sollte ich ihm einen geben?"

"Allein die Tatsache, dass Ihr noch lebt, ist ein Grund um Euch zu töten! Könnt Ihr das denn nicht begreifen? An irgendeiner Stelle ist etwas über Euch nach Außen durchgesickert und zufällig an die richtigen Leute – an uns geraten. Nun bietet sich uns endlich die langersehnte Chance und wir werden sie nicht ungenutzt verstreichen lassen!"

Mit jedem Satz hatte er sich tiefer in seine Begeisterung hineingesteigert und in der aufkeimenden nachdenklichen Stille war nur sein schweres Atmen zu hören, während Varis draußen stumm den Kopf schüttelte. Dieser Möchtegernweltverbesserer glaubte offenbar wirklich an das, was er von sich gab. Dabei gab es für dieses Land schon längst keine Hoffnung mehr, auch wenn es scheinbar wirklich noch ein paar Leute gab, die sich verbissen an den letzten Überresten festklammerten. Doch der Rest des Volkes war zu festgefroren in seinen Gewohnheiten, seinen Denkweisen, seiner blinden Ergebenheit gegenüber der Regierung. Um diese Leute von ihrem vorgeebneten Weg abzubringen musste man ihr stures Vertrauen in die Führung des Landes schon tief erschüttern und Varis konnte sich einfach nicht vorstellen, dass Vandros sich solche Blöße gegeben haben sollte. Immerhin war der Hohepriester vorsichtig und alles andere als dumm, sonst hätte er es wohl kaum so weit gebracht. Andererseits – wenn Vandros wirklich so umsichtig wäre, warum musste er dann Varis' Dienste in Anspruch nehmen?

"Auch Vandros hat Wind davon bekommen, dass sein kleines Geheimnis keines mehr ist."

"Und was habt Ihr jetzt vor? Was nützt Euch Euer Wissen? Vandros wird nicht einfach untätig zusehen, wie Ihr an seiner Macht rüttelt."

"Ganz einfach, wir gehen mit Euch an die Öffentlichkeit."

"Nein. Ohne mich. Das wäre mein Todesurteil!"

"Hört Ihr denn nicht zu? Euer Todesurteil wurde längst gefällt! Ihr habt nur diese eine Möglichkeit zu überleben. Kommt mit uns, wir werden Euch beschützen. Dann braucht Ihr Vandros' Leute nicht zu fürchten."

"Selbst wenn Ihr Recht habt – niemand wird Euch glauben. Niemand wird auf die Aussage einer kleinen Nonne hören."

"Es gibt Beweise."

"Sie alle wurden längst vernichtet."

"Nein, ich bin mir sicher, einer existiert noch. Nicht wahr?"

"Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht." Die Angst war in ihre Stimme zurückgekehrt, ließ sie brechen.

"Oh doch" Der Feldwebel sprach langsam, genoss jedes Wort. "Ihr wisst es ganz genau."

"Lasst ihn aus dem Spiel!" Mit einem Mal schwang die Angst in lodernden Zorn um. "Von mir aus komme ich mit Euch, aber Ihr lasst meinen Sohn aus dem Spiel!"

"Es ist also ein Sohn?"

"Nein!"

Varis' Finger schlossen sich immer enger um das Blasrohr, während er überrascht die Augenbrauen hochzog. Konnte es sein, dass Vandros das Gelübde seines Standes gebrochen hatte? Den Priestern waren weltliche Verbindungen strengstens untersagt und gerade der Hohepriester zögerte nicht mit dem Fällen eines Todesurteils, wenn doch einer seiner Untergebenen ein Verhältnis einging. Dass nun ausgerechnet er selbst eine Geliebte hatte – oder gehabt hatte – würde starke Zweifel an ihm aufkommen lassen.

"Es ist zwecklos. Wir wissen, dass Ihr das Kind damals nicht getötet habt, wie Vandros es von Euch verlangt hat – Ihr habt es weggeben. Nur wohin?"

"Ich bitte Euch, haltet ihn da raus!"

"Er weiß nichts von seiner Abstammung?"

"Er weiß nicht einmal etwas von mir. Hört zu, Ihr sagtet, mit mir hättet Ihr genug in der Hand. Wozu also braucht Ihr noch mehr?"

"Nur durch Euch kommen wir an Euren Sohn heran. Ihr habt Eure Spuren gut verwischt."

"Ihr braucht ihn doch gar nicht. Ich komme mit Euch und erzähle von mir aus jedem Publikum der Welt, dass Vandros jahrelang sein Bett mit mir geteilt hat."

"Ihr habt es doch selbst gesagt: Niemand wird auf die Aussage einer kleinen Nonne hören. Aber wenn wir dann zusätzlich noch das aus eurer Verbindung entstandene Kind präsentieren können, sieht die Sache anders aus. Dann nützt ihm auch alles Leugnen nichts! Die Leute werden genauer nachforschen – gründlicher, als wir es bisher konnten – und auf weitere Beweise stoßen. Er kann nicht alles spurlos vernichtet haben. Und dann ist er dran. Unser Land wird endlich aus seinem Schlummer erwachen und sich gegen die jahrhundertelange Unterdrückung durch die Priester auflehnen!"

Nur ungern stimmte Varis ihm zu, aber der Feldwebel hatte tatsächlich Recht. Wenn diese Nonne mit ihrem – nein, mit Vandros' Sohn an die Öffentlichkeit ging, würde tatsächlich ein Ruck durch das Volk gehen. Jedoch nicht in die erhoffte Richtung. Es würde sich einiges verändern, allerdings lediglich in den Führungsetagen. Vandros wäre zwar abgesetzt, aber ein neuer Hohepriester würde an seine Stelle treten, für eine Weile einen harten moralischen Kurs fahren, bis Gras über die Sache gewachsen war und dann in den herkömmlichen Trott verfallen.

"Ihr seid ja vollkommen übergeschnappt! Das klappt niemals."

"Es ist die einzige Chance, die wir derzeit haben. Und nun kommt endlich, wir müssen Euch wegbringen und selbst wieder zurück sein, bevor die Nonnen wach sind. Schließlich darf niemand Verdacht schöpfen, dass wir etwas mit Eurem Verschwinden zu tun haben."

"Nur wenn Ihr mir Euer Wort gebt, dass Ihr meinen Sohn nicht mit hinein zieht."

"Ich werde sehen, was ich tun kann."

Langsam führte Varis das Blasrohr an die Lippen und beugte sich ein wenig vor. Er hatte erfahren, was er wissen wollte und konnte sich nun wieder seinem eigentlichen Auftrag widmen. Vorsichtig tastete seine linke Hand nach dem Vorhang, schob ihn behutsam ein kleines Stück zur Seite – gerade genug, um das schmale Röhrchen in Position bringen zu können. Nun musste er warten, bis die Zielperson sich vom Bett entfernte, denn sein Blickfeld war eingeschränkt, reichte nur über einen sehr schmalen Teil des Raumes und um das Bett ins Visier zu bekommen, hätte er sich zu weit nach vorne lehnen müssen. Dazu konnte er zu wenige der Männer sehen. Er wusste nicht genau, wo sie standen und ob einem von ihnen womöglich die Bewegung des Vorhangs auffallen könnte.

Das einzige, was er sah, waren die Umrisse des Feldwebels, der nun mit kurzen, steif wirkenden Schritten den Raum durchquerte. Bis auf das leise Knirschen seiner Sohlen, das ebenfalls verklang als er stehenblieb, war eine Weile nichts mehr zu hören. Dann kroch die Stille allmählich davon, machte Platz für all die Geräusche, die man mit ihr nie wahrnehmen konnte – Kleinigkeiten, die sonst von ihr verschluckt wurden. Vom Rascheln der Kleidung, wenn sich einer der Männer bewegte, über das kurze Schaben der Stiefel am Boden, wenn jemand das Gewicht verlagerte, bis hin zu einzelnen Atemzügen, die durch Varis' Gehörgang krochen und sich in einem schier endlosen Echo gegenseitig zu einem einzigen, ohrenbetäubenden Sturm zusammenschlossen. Erst ein dagegen leise und unscheinbar wirkendes Rascheln ließ das akustische Durcheinander abrupt verstummen. Varis wusste genau, welchen Ursprung dieses Geräusch hatte: Endlich hatte sich sein Opfer von seinem Bett erhoben. Kaum hörbar waren die tapsenden Schritte, die die nackten Füße der Nonne auf dem Steinboden zurücklegten, doch Varis hallte jeder einzelne in den Ohren. Er nahm keine anderen Laute mehr wahr, war völlig auf diese Schritte fixiert, die langsam die Umrisse einer weiblichen Gestalt in sein Blickfeld führten.

Varis' Finger schlossen sich fester um das kleine Blasrohr, richteten es ein letztes Mal aus. Seine Augen waren auf das Ziel gerichtet, das immer klarere Konturen gewann. Er schätzte die Entfernung ab und holte ein letztes Mal Luft, nahm damit gleichzeitig alle Eindrücke seiner Umgebung ein letztes Mal in dieser wundervollen Klarheit in sich auf, bevor seine Sinne sich wieder zurückzogen und er einen Augenblick lang nichts weiter wahrnahm als Stille.

Dann schien es nur ein sanfter Atemhauch zu sein, mit dem die kleine Nadel plötzlich beschleunigt und nach vorne gerissen wurde. Varis folgte ihr mit den Augen, beobachtete, wie sie sich zielsicher in den Hals der Nonne bohrte. Er sah noch, wie sie ihre Hand zur Einstichstelle führte, bevor er sich zurücklehnte und das Blasrohr mit einem kurzen Handgriff wieder an seinem Platz verstaute. Dann hörte er auch schon den dumpfen Aufprall ihres Körpers und mehrere überraschte Rufe.

Zufrieden stieß sich Varis nach hinten ab und landete weich auf dem Rasen des Klostergartens. Mit einem prüfenden Blick auf das Fenster, dessen Vorhänge immer noch zugezogen waren, wich er schließlich in den Schatten einiger Bäume zurück und verschwand wie er gekommen war – als lautloser Schemen in der Nacht.
 


 

~~~~~~~~~~~ Lys Laberecke ~~~~~~~~~~~
 

Und wieder ein Kapitel mehr @.@ Diesmal kam es schneller als das letzte *lach* Hatte aber inzwischen auch guten Ansporn *.* *mal allen Kommischreibern zuwink* (allen? XDD~ naja, so viele waren's auch wieder nicht XD *meine vier (sorry Temel *extradurchflausch*) Leser mal knuffel* XDDDDD~~~ solange ihr mir wenigstens erhalten bleibt *.* danke =])

achja... falls es interessiert: ich habe vor, im nächsten Kapitel ein wenig näher auf Varis Vergangenheit einzugehen ^^

nya... dann will ich mal nicht länger nerven XD *wink*

Kapitel 5: Invisible

Geduckt schlich Varis durch den in nächtlichem Dunkel liegenden Wald. Durch das dichte Blätterdach drang nur stellenweise ein ganz leichter Schimmer des inzwischen vollen Mondes und so hatte Varis Mühe, sich mit dem weiten Umhang den er trug, einen Weg durch das Dickicht zu bahnen, ohne dabei zu viel Lärm zu veranstalten. Vermutlich konnte ihn hier ohnehin niemand hören, doch er wollte kein Risiko eingehen. Wer wusste, ob Vandros dieses Mal nicht ein paar Wächter in seinem Gefolge hatte, die des Nachts auf Streife gingen. Dennoch konnte er den Umhang nicht einfach ablegen, trug er ihn doch bei jedem Treffen mit einem Klienten um die eigene Statur zu verhüllen.

Trotz seiner Vorsicht kam er zügig voran und schon bald lichtete sich der Wald. Da seine Augen nun an die horrenden Lichtverhältnisse des Waldes gewöhnt waren, erschien ihm das vor ihm liegende Gebiet als taghell. Im Schutze der Bäume näherte er sich langsam der großen Wiese, die sich zwischen dem Wald und dem abgeschiedenen Kloster erstreckte. Aufmerksam ließ er seinen Blick streifen und lauschte angestrengt, doch seine Sinne konnten nichts Ungewöhnliches erfassen.

Im Schatten einer breiten Eiche hielt er schließlich inne und zog den Stoff seines Kragens bis über die Nase nach oben. Unter dem dünnen, elastischen Gewebe verzog sich sein Mund zu einem leichten Lächeln, während er an das freundlich grinsende Gesicht des Schneiders dachte. Der alte Mann freute sich immer, Varis zu sehen – immerhin war dieser ein gut zahlender Kunde, der für seine Extrawünsche genügend Geld hinblätterte – und stellte vor allem keine unnötigen Fragen. So bedauerte Varis jetzt schon den Tag, an dem er sich einem neuen Schneider anvertrauen musste.

Leise seufzend fasste er seine Haare mit einem schwarzen Band zusammen, dann zog er seine Handschuhe hervor und legte sie an. Noch während er abschließend die Kapuze seines Umhangs überstreifte und tief ins Gesicht zog, trat er aus der Deckung der Eiche und überquerte mit langen Schritten die Wiese.

Kurz spielte er mit dem Gedanken, das Tag und Nacht offen stehende Tor zu benutzen, doch dann war er bereits fast an der knapp zwei Meter hohen Mauer angelangt, die das Klostergelände umrahmte. Die letzten Meter nahm er als Anlauf, sprang ab und stemmte sich, den Schwung nutzend, das letzte Stück hoch auf die Mauer. Nur mit einem kurzen Blick auf den vor ihm liegenden Garten stieß er sich sofort wieder ab und landete weich neben einem kleinen Busch. Nun erst hielt er inne und sah sich nochmals genauer um. Doch nichts rührte sich, das ganze Kloster lag in nächtlichem Schlaf, während er weiter in die Schatten zwischen einer Linde und der Mauer huschte.

Nun hieß es warten. Allerdings dauerte es nicht lange, bis sich zwei Schemen aus dem Schatten des Gebäudes lösten. Sie eilten sich ständig umblickend jeder in eine andere Richtung davon und gingen ähnlich wie Varis im Schutz einiger Bäume in Deckung. Dann kam eine dritte Gestalt aus dem Haus, die langsamen Schrittes durch den Garten wanderte.

Varis' Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Also hatte Vandros tatsächlich vor, ihn in eine Falle zu locken. Er warf einen Blick zu den beiden Männern in ihren Verstecken. Wenn man nicht genau wusste, dass sie dort kauerten, konnte man sie nicht entdecken.

Dann fixierte er nachdenklich die Person, die immer noch ziellos durch den Garten wanderte. War das wirklich Vandros oder gehörte das bereits zur Falle?

Grübelnd nagte er an seiner Unterlippe. Er war sich fast sicher, dass er tatsächlich den Hohepriester vor sich hatte – immerhin musste dieser sich doch wohl erst von der erfolgreichen Erfüllung seines Auftrags überzeugen. Doch wirkliche Gewissheit würde Varis erst haben, wenn er trotz der offensichtlichen Falle auf dieses Treffen einging.

Allerdings hatte er keine Lust, sich aus der Deckung und damit genau in die Schusslinie der beiden Männer zu begeben. Und Vandros entfernte sich auf seinen scheinbar ziellosen Runden über den Klosterrasen nie weit genug von seinen beiden Schergen, dass er außerhalb ihrer Reichweite käme.

Andererseits würde Vandros ein hohes Risiko eingehen, wenn er Varis schon jetzt töten lassen wollte. Auch wenn Varis sich direkt in Reichweite für Messer oder andere Wurfgeschosse begab – wenn die beiden nicht beim ersten Versuch trafen, war Vandros so gut wie tot. Das musste dem sonst so umsichtigen Hohepriester wohl klar sein. Vielleicht wollte er erst das Geschäft abwickeln und sie dann später auf Varis jagen...

Leise seufzend erhob Varis sich schließlich und trat aus dem Schatten in das klare Mondlicht. Ihm blieb ohnehin keine andere Wahl, wenn er an sein Geld kommen wollte.

Während er langsam auf Vandros – oder den Mann, den er für den Hohepriester hielt – zuging, wanderte sein Blick ständig wachsam zwischen den dreien hin und her. Seine Anwesenheit war inzwischen bemerkt worden, denn Vandros blieb abwartend stehen, sein ebenfalls von einer Kapuze verhülltes Gesicht dem sich Nähernden zugewandt.

Ein weiteres Lächeln stahl sich über Varis' Gesicht. So einfach wollte er es den dreien nun auch nicht machen. Sollten sie doch sehen, wie ihr kleiner Plan durcheinander gewürfelt wurde. Die Entfernung mit geübtem Blick abschätzend blieb er schließlich stehen, gerade weit genug von den beiden versteckten Männern entfernt, dass sie ihn nicht mit möglichen Geschossen treffen konnten.

Eine Weile verharrten sie so, während keiner der beiden Männer gewillt schien, sich dem anderen noch weiter zu nähern. Kaum wahrnehmbar war die leichte Bewegung von Vandros' Kapuze, als er einen Blick zur Seite zu einem der beiden Männer warf, doch Varis hatte regelrecht darauf gewartet.

Wusste Vandros, dass sein kleines Spielchen entdeckt wurde? Ahnte er, dass hier jemand dabei war, die Spielregeln zu ändern? Dabei musste ihm das eigentlich klar sein. Wenn er eine derartige Falle stellen wollte, musste er seine Männer wirklich weitaus früher positionieren. Einen weiteren Punkt Abzug gab Varis ihm für dieses sture Zögern. Wenn er noch länger so stehen blieb, musste Varis doch misstrauisch werden und so hätte er früher oder später die beiden in ihren Verstecken ausgemacht.

Wie auf ein Stichwort setzte Vandros sich schwerfällig in Bewegung und schritt langsam auf Varis zu. Sein Gang war betont lässig, doch gerade dadurch wirkte er erst recht angespannt.

Natürlich bestand immer noch die Möglichkeit, dass weitere Leute in Verstecken lauerten und diese beiden nur zur Ablenkung dienten. Doch Varis hatte bisher nichts Verdächtiges mehr erkennen können. Selbst wenn sie noch so gut getarnt waren – um ins Geschehen einzugreifen, mussten sie sehen können, was vor sich ging. Das machte sie ihrerseits sichtbar, wenn man wusste, worauf man achten musste. Und da sie sich zudem in einem schlicht angelegten Klostergarten aufhielten, war die Auswahl an geeigneten Verstecken sehr begrenzt. Trotzdem konnte und wollte Varis diese Möglichkeit nicht ausschließen und so wanderten seine Augen immer wieder wachsam über die Schatten rings um ihn.

Als Vandros bis auf einen Meter an seinen Gegenüber herangetreten war, hielt er inne. Einen Augenblick lang herrschte erwartungsvolles Schweigen, dann räusperte sich der Hohepriester.

„Ihr habt also -“, er bracht ab, als er seine Stimme in der nun durchbrochenen Stille ungewöhnlich laut widerhallen hörte und fuhr gedämpfter fort. „Ihr habt also Euren Auftrag erledigt?“

Varis hatte mit einem breiten Grinsen Vandros' Stocken zur Kenntnis genommen. Selbst dem Oberhaupt des Reiches war unbehaglich zumute, wenn er in einer solchen Stille seine eigentlich befehlsgewohnte Stimme erheben musste. Weiterhin grinsend nickte Varis nur gut sichtbar mit seiner Kapuze und wartete darauf, dass Vandros erneut das Wort ergriff.

Wieder ein Räuspern.

„Es ist alles glatt gelaufen?“

Während er wieder nur mit einem Nicken antwortete, fragte Varis sich, wie weit er Vandros' Nervosität noch steigern konnte.

„Sie... sie ist also tot?“

Mit den Augen rollend nickte Varis abermals. Wann würde Vandros wohl dazu übergehen, richtige Fragen zu stellen? Eigentlich hatte er den Priester für intelligenter gehalten. Merkte er nicht, dass er seinen Gegenüber so nicht zum Sprechen bringen konnte? Er machte sich damit unnötig selbst noch nervöser.

Schweigen folgte, das sich in die Länge zog. War Vandros etwa der Meinung, dass er Varis so zwingen konnte, etwas zu sagen? Fast schon nachsichtig lächelte dieser in die Dunkelheit seiner Kapuze. Der Hohepriester hatte ja keine Ahnung, wie aussichtslos das war. Varis wusste genau, wie er seine Klienten nervös machen konnte – wobei das die meisten von Anfang an ohnehin bereits waren. Es kursierten so viele Gerüchte über ihn, dass es wohl schwer war, bei einem derartigen nächtlichen Treffen mit ihm nicht nervös zu werden.

Mit einem weiteren Räuspern holte Vandros schließlich einen Beutel unter seinem Umhang hervor.

„Hier“, mit einer etwas hastigen Bewegung hielt er ihn Varis entgegen.

Dieser hätte beinahe laut aufgelacht. Wie konnte das Oberhaupt des Reiches sich derart aus der Ruhe bringen lassen? Dabei hatte er doch noch nicht einmal richtig angefangen. Abwartend rührte er sich weiterhin nicht und beobachtete Vandros eingehend. Wie konnte er so nervös sein? Hatte Varis es doch nur mit einem Lockvogel zu tun?

„Eure Bezahlung“, erklärte der Hohepriester – wenn er es denn war – schließlich in einem Ton, der zwischen Ungeduld und Unsicherheit hin und her schwankte. Als sich Varis immer noch nicht bewegte, öffnete er ruckartig den Beutel und hielt ihn abermals seinem Gegenüber hin.

„Es ist alles genau abgezählt.“

Varis bemerkte, wie die Ungeduld langsam überhand nahm, gemischt mit einem leichten Anflug von Zorn. Also doch Vandros. Zufrieden lächelnd griff er endlich nach dem Beutel und warf einen prüfenden Blick hinein. Es schien alles in Ordnung zu sein, aber dennoch begann er zu zählen.

Angespannte Stille herrschte, während Varis in dem Beutel kramte. Nur halbherzig schätzte er das Geld grob und kam auf die vereinbarte Summe, wirklich konzentriert waren seine Sinne eher auf die beiden Männer, die im Schatten ihrer Bäume versuchten, allmählich weiter an Varis und Vandros heranzukommen. Solange er nahe genug beim Hohepriester blieb, konnten sie nichts unternehmen ohne ihren Auftraggeber zu gefährden. Aber je länger er blieb, desto näher kamen sie...

Mit einer schnellen Bewegung verschloss er den Beutel und steckte ihn ein, trat im selben Atemzug ein paar Schritte zurück und verneigte sich knapp. Dann drehte er sich um und schritt in Richtung Tor davon. Leise knirschten seine eigenen Schritte auf dem Rasen, doch er vernahm noch – kaum wahrnehmbar – die der beiden Männer: Sie klangen eilig und näherten sich schnell. Noch wussten sie nicht, dass Varis sie längst bemerkt hatte und das konnte er zu seinem Vorteil nutzen. Allerdings bedeutete das, dass er sich noch nichts anmerken lassen durfte und so konnte er nicht einfach sein Tempo steigern. Trotzdem hatte er noch genügend Vorsprung, um das Tor vor den beiden zu passieren. Kaum war er hindurch geschritten, huschte er zur Seite und presste sich gegen die Wand. Glücklicherweise stand der Mond tief genug, dass die Mauer einen Schatten werfen konnte. So brauchte er bloß still zu halten und würde erst entdeckt werden, wenn es zu spät war.

Einen Augenblick später verließen die beiden Männer das Klostergelände. Als sie das Tor durchquerten, blieben sie vorsichtig an den Seiten stehen, um noch schnell in Deckung gehen zu können und blickten sich zunächst um.

„Ist er schon im Wald?“, erkundigte sich der eine leise.

„So schnell? Unmöglich.“

„Wo soll er sonst sein? Und bedenke, wer er ist. Es gehört zu seinem Beruf, schnell zu sein. Los, komm“ Entschlossen schritt er voran über die Wiese in Richtung Wald. „Sonst entwischt er uns.“

„Eben, ich denke ja daran, wen wir da verfolgen.“

Varis fluchte innerlich, auch wenn er den imaginären Hut vor der Vorsicht des Mannes zog. Er dachte wenigstens mit, nicht so wie sein Kollege – allerdings erschwerte das die Sache für Varis.

„Nun komm schon! Oder willst du zusehen, wie der Kerl uns durch die Lappen geht? Vandros wird stocksauer sein – mal ganz abgesehen von der Chance, die uns dieser Auftrag bietet. Stell dir nur mal vor, wir beide jagen den Jäger! Er wird seinem Namensgeber alle Ehre machen, wenn wir ihm ein entsprechendes Ende bereiten.“

Mit den Augen rollend hörte Varis zu, wie dieser Kerl sich selbst in seine Begeisterung hineinsteigerte und dabei immer lauter wurde. Erstens wäre Varis in der Zwischenzeit über alle Berge gewesen und zweitens wäre er, selbst wenn er noch nicht weit gekommen wäre, dank der Lautstärke längst gewarnt. Weshalb ließ sich dieser Mann von einer alten Geschichte derart mitreißen? Caer Govàh, von dem Varis seinen Decknamen entliehen hatte, war ein Mann gewesen, der laut Erzählung durchs Reich gezogen war und dabei Jagd auf Diebe und korrupte Kaufleute gemacht hatte. Er richtete sie des Nachts hin und ließ dann ihre leblosen Körper zur Warnung auf dem jeweiligen Marktplatz ihres Dorfes oder ihrer Stadt zurück. Niemand sah ihn kommen, niemand hörte, wie er sich anschlich, niemand war je Zeuge seiner Taten. Er war ein lautloser Jäger, der sich wie ein Schatten über seine Beute legte und ihnen das Leben nahm. Die Leute bewunderten und fürchteten ihn, waren froh um sein Wirken und hatten Angst, die nächsten zu sein. So kam es, dass viele mutige Männer im Laufe der Zeit versuchten, ihn zu stellen. Sie folgten der Spur aus Toten, die er hinter sich herzog und nachdem viele gescheitert waren, gelang es eines Tages einer Gruppe Söldner, ihn aufzuspüren. Sie verfolgten ihn bis in die Berge, legten ihm dort einen Hinterhalt und nahmen ihn gefangen. Nach einer kurzen obligatorischen Gerichtsverhandlung wurde er öffentlich ausgepeitscht und schließlich gehängt.

Es war nur eine Geschichte, doch die toten Menschen waren Fakten – die allerdings bereits über ein Jahrhundert zurücklagen. Wie sie alle ums Leben gekommen waren, wusste man nicht genau, deshalb spann man um sie die Geschichte Caers. Vielleicht hatte es auch wirklich einen Mann dieses Namens gegeben, der eben als Sündenbock herhalten musste.

Varis hätte nie gedacht, dass jemand seinem Namen so viel Bedeutung beimessen könnte. Dabei hatte er ihn nicht einmal selbst ausgesucht. Mit einem leisen Seufzen zog er drei Wurfmesser aus der Seitentasche seiner Hose und streifte währenddessen mit der anderen Hand langsam den Umhang ab, der ihn jetzt nur stören würde. Er wartete noch ab, bis der Vorsichtigere seinem Kollegen folgte und sich ebenfalls vom Tor entfernte und machte sich bereit. Als der Mann weit genug entfernt war, stieß Varis sich an der Wand ab.

Einige schnelle Schritte und er war bei ihm. Bevor sein Gegner noch ausweichen konnte, hatte Varis ihm eins seiner Wurfmesser bereits bis zum Anschlag in die Kehle gerammt. Im selben Atemzug ließ er sich zur Seite fallen und rollte über die Schulter ab – gerade rechtzeitig, denn der zweite hatte reagiert und seinerseits ein kleines schmales Messer nach Varis geworfen, während der erste noch nicht einmal am Boden aufgekommen war.

Ohne Unterbrechung blieb Varis in Bewegung und kam wieder in die Höhe, sprintete auf seinen Gegner zu und wich dabei einem weiteren Geschoss aus. Der andere hatte auch zu Laufen begonnen, eilte mit einem weiteren gezielten Wurf, dem Varis nur knapp ausweichen konnte, in den Wald und wurde von den Bäumen verschluckt, ehe das Messer seines Verfolgers ihn treffen konnte. Mit einem kurzen Surren bohrte es sich tief in die Rinde einer Eiche.

Fluchend schlug Varis einen kleinen Bogen und drang zehn Meter weiter östlich in das Dickicht ein, um nicht sofort in eine Falle zu tappen. Nun verharrte er erst einmal und lauschte. Doch außer dem eigenen Herzschlag konnte er zunächst nichts vernehmen.

Dann schloss er die Augen und konzentrierte sich noch weiter. Er wurde still, hielt inne in absoluter Bewegungslosigkeit. Einige Atemzüge lang änderte sich nichts, dann drangen allmählich weitere Geräusche an seine Ohren. Das sachte Rascheln, das die Waldbewohner in Varis' Nähe verursachten. Das sanfte Rauschen der Blätter in den Baumwipfeln. Und schließlich das leise Knacken von vorsichtigen Schritten.

Ein Lächeln huschte über Varis' Gesicht, als er allein mit seinem Gehör den Weg des Mannes verfolgte. Offenbar wollte dieser sich nicht allzu weit vom Waldrand entfernen und huschte deshalb parallel zur Wiese durch das Dickicht – genau auf Varis zu.

Dieser öffnete die Augen wieder, obwohl es kaum einen Unterschied machte – erkennen konnte man nichts. Aber er konnte seinen Gegner hören. Er konnte hören, wie er näher kam, bis er nur noch wenige Meter entfernt war und immer noch weiterging. Er konnte hören, wie der Mann alles versuchte, um keine Geräusche zu verursachen. Er konnte hören, wie er direkt an ihm vorbeiging, ohne ihn wahrzunehmen. Varis' Finger schlossen sich fester um das letzte Messer in seiner Hand, als sein Gegner – sein Opfer schon fast an ihm vorbei war.

Dann hörte man nur noch ein leises, gurgelndes Röcheln und das Knacken einiger Äste.
 


 


 

~~~~~~~~~~~ Lys Laberecke ~~~~~~~~~~~
 

So... endlich fertig mit dem Kapitel *____* Es ist in eine völlig andere Richtung gelaufen als bei Abschluss des letzten Kapitels geplant *lach* war wohl erst mal nix mit Varis' Vergangenheit, aber im nächsten dann *lach* (hoffentlich XD Varis geht eh immer andere Wege als die die ich ihm aussuche XDD~)

Kapitel 6: Hide-And-Seek

Langsamen Schrittes wanderte Varis über den schmalen Fußweg zwischen den Feldern. Mit der rechten Hand strich er kurz im Vorbeigehen sacht über die Weizenhalme und genoss das sanfte Kitzeln, das ihre Berührung hervorrief. In der Tasche, die über seine Schulter hing, befand sich das beruhigende Gewicht getaner Arbeit – beziehungsweise deren Lohn. Noch stand kein neuer Auftrag an, nichts trieb ihn zur Eile. So konnte Varis sich Zeit lassen, konnte sein Ziel frei bestimmen.

Noch in der Nacht hatte er überlegt, welchen Weg er nun einschlagen sollte. Zu Kheros wäre er zwar gerne zurückgekehrt, doch wollte er ihm nicht sofort wieder zur Last fallen. Nachdem er bis zum Morgengrauen wahllos einer zufälligen Richtung gefolgt war, hatte er schließlich beschlossen, Arkas den Besuch abzustatten, auf den dieser wahrscheinlich ohnehin schon längst wartete. Zwar winkte ihm dann vermutlich gleich der nächste Auftrag, doch im Moment stand Varis nicht der Sinn danach, sich einfach nur herumzutreiben. Dabei war es noch nicht lange her, da hatte er seine freien Tage noch genossen – hatte sie überhaupt genießen können. Immer wieder war er für ein paar Tage ohne Ziel und ohne Auftrag durchs Land gestreift, hatte aus einer Laune heraus die Richtung angegeben und konnte zumindest für eine Weile alles hinter sich lassen, ganz in der Welt um sich herum aufgehen und nach der Freiheit greifen, die sie anbot.

Varis führte das auf seine Kindheit zurück, in der er am liebsten Tag und Nacht seine Streifzüge durch die Umgebung unternommen hätte. Mit einem leichten Lächeln erinnerte er sich an das erste Mal, dass ihn sein Vater mit auf Entdeckungsreise durch den Wald genommen hatte. Es war nur ein einfacher Spaziergang gewesen, doch sein Vater hatte ein ganzes Abenteuer daraus gesponnen. Sie waren von Räubern angegriffen worden und mussten danach gegen ein ganzes Rudel wilder Wölfe ankämpfen. Noch heute sah er sich, wie er als kleiner Junge anschließend stolz zu seiner Mutter rannte – dreckverkrustet, aber überglücklich, die grünen Augen strahlend vor überschäumender Begeisterung – und ihr den wertvollen Schatz zeigte, den er mit seinem Vater aus einer alten, geheimnisvollen Höhle voller Gefahren geborgen hatte...

Energisch schüttelte Varis den Kopf, um die alten Erinnerungen auf ihren Platz weit hinten in den Tiefen seines Gedächtnisses zurückzudrängen. Genau das war mit ein Grund, weshalb er sich in letzter Zeit lieber von diesen einst so genossenen, ziellosen Wanderungen fern hielt – sie brachten seit einer Weile die Lawine der Erinnerung nur zu leicht ins Rollen und dort verbargen sich bei weitem nicht nur angenehme Momente.

Entschlossen setzte Varis seinen Weg fort, beschleunigte seine Geschwindigkeit aber nur kaum merklich. Wenn er nun schneller würde, käme er noch vor Sonnenuntergang bei Arkas an und das konnte Probleme bereiten. Also ging er langsam genug, um im Schutze der Dunkelheit an seinem Ziel eintreffen zu können.

Schon bald zeigten sich die ersten Schimmer der Abendröte und kurz darauf kam das kleine Dorf, in dem Arkas derzeit wohnte, in Sicht – war aber zunächst nur als dunkler Fleck am Horizont zu erkennen. Varis blieb bei diesem Anblick zögernd stehen und betrachtete eine Weile die vagen Umrisse. Wie lange lebte Arkas nun schon hier? Ein Jahr? Zwei Jahre? So lange war er noch nie an einem Ort verharrt. Also was hielt ihn in diesem Dorf? Er wusste ganz genau, dass das gefährlich werden konnte – sowohl für ihn, als auch für Varis.

Bedächtig einen Fuß vor den anderen setzend nahm Varis seinen Weg wieder auf, ging dabei bewusst langsam und wandte den Blick nicht von den immer klarer werdenden Konturen des Dorfes. Was dachte sich Arkas nur dabei? Erst große Vorträge über Verwischung von Spuren halten, aber dann selbst derart lange an einem Ort verweilen. Kopfschüttelnd wandte Varis seine Augen vom Horizont ab und ließ sie über die Felder schweifen.

Seit etwa drei Monaten war er von einem Auftrag nach dem anderen quer durchs Reich geführt worden – und nun war er wieder hier, folgte dem inzwischen bekannten Feldweg und fragte sich, was sich in seiner Abwesenheit getan hatte. Vielleicht hatte Arkas sogar endlich seine Sachen gepackt und war weitergezogen.

Mittlerweile war der kleine Fleck in der Ferne zu den vertrauten Umrissen des Dorfes herangewachsen, die allerdings in der dichter werdenden Dunkelheit allmählich mit dem Nachthimmel verschmolzen. Varis folgte dem Pfad bis zu seinem Ende kurz vor dem Dorf, wo er in den breiteren Weg, der sich zwischen den Häusern entlang schlängelte, mündete. Er blieb kurz stehen und blickte sich aufmerksam um, bevor er auf Arkas' kleines Häuschen zusteuerte und über den niedrigen Gartenzaun sprang. Im Schatten der Büsche schlich er langsam auf die vertrauten Mauern zu, suchte dabei nach einem Zeichen von Arkas' Anwesenheit, doch das ganze Gebäude lag dunkel und still.

Varis schob sich näher an ein Fenster heran und spähte vorsichtig hinein, konnte aber außer vagen Umrissen im Finsteren nichts erkennen. Langsam ging er weiter zur Hintertür, während seine Hand in die Hosentasche wanderte und einen Draht hervor zog. Nach ein paar geübten Handgriffen schwang die Tür nach innen auf. Varis hielt inne und lauschte angestrengt. Sein suchender Blick übermittelte ihm ein wüstes Durcheinander aus schemenhaften Umrissen, die seine Erinnerung schließlich als die altbekannte Einrichtung erkannte. Also wohnte Arkas tatsächlich noch hier?

Varis trat ein und schloss leise die Tür hinter sich. Wieder verharrte er und wartete, bis seine Augen sich besser an die Umgebung gewöhnt hatten. Als er die Möbel auch als solche erkennen konnte, setzte er sich zielstrebig wieder in Bewegung, während die Erinnerung ihm das Zimmer, wie er es das letzte Mal gesehen hatte, zeigte und seine Augen bestätigten, dass alles noch an seinem Platz war.

Mit ein paar Schritten hatte er den Raum durchquert und öffnete vorsichtig die nächste Tür, die in die Küche führte. Auch hier erwarteten ihn Dunkelheit und Stille, nur die Gerüche, die in seine Nase stiegen, zeigten an, dass hier überhaupt jemand wohnte. In dem ganzen geruchlichen Durcheinander konnte er einzelne Details ausmachen, roch das frische Brot, das Arkas wohl heute Morgen erst geholt hatte, roch die Bohnen, die es anscheinend zu Mittag gegeben hatte, roch den süßlichen Wein, den Arkas so gerne trank. Wo war dieser überhaupt so spät noch? Plötzlich drang ein weiterer Geruch an Varis' Nase, ließ alle seine Alarmglocken schrillen, ließ ihn instinktiv zurückweichen und neben dem Türrahmen an der Wand Deckung suchen. Dort verharrte er zunächst und lauschte. Immer noch hatte er den scharfen Geruch des Rauchs einer kürzlich ausgeblasenen Kerze in der Nase, doch nach einigen Augenblicken stellte er fest, dass dieser Geruch nicht aus der Küche selbst kam. Langsam schob er sich zurück in den Raum und schlich auf die nächste Tür zu, die einen Spalt offen stand, hielt dort wieder inne und horchte.

Noch bevor er die leisen, leicht aufgeregt gehenden Atemzüge hörte, spürte er die Anwesenheit mehrerer Leute. Freunde von Arkas? Warum hatten sie dann die Kerze gelöscht und saßen nun reglos im Finsteren?

Nachdenklich biss er sich auf die Unterlippe, während er vor sich hin starrend angestrengt versuchte, den vagen Geräuschen aus dem Nebenzimmer eine Antwort zu entlocken. Die Personen dort schienen erstarrt zu sein, schienen es nicht zu wagen, sich zu bewegen. Varis vermutete, dass sie ebenfalls lauschten, allerdings fragte er sich, was sie überhaupt erst aufgeschreckt hatte. Er war sich sicher, dass sie ihn nicht gehört haben konnten. Was also hatte sie dann gestört?

„Da ist nichts“, unterbrach schließlich eine raue Stimme die Stille. „Da schleicht niemand ums Haus, ihr bildet euch das ein.“

„Ich bin mir sicher.“ Leise, ruhig, bestimmt – Varis konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als die vertraute Stimme Arkas' erklang. In Gedanken sah er bereits das bei diesen Worten zu einem leichten Lächeln verzogene Gesicht vor sich – eingerahmt von wirren, hellbraunen Haaren und auf der einen Seite bedeckt von der Augenbinde, die Arkas ständig trug – und spürte regelrecht den durchdringenden Blick des freien blauen Auges. „Ich kenne dieses Grundstück und weiß, welche Geräusche erklingen, wenn man über das Gartentor klettert.“

„Aber es war nichts zu hören.“

„Ich habe nie behauptet, dass das großartigen Lärm veranstalten würde. Im Gegenteil, aber wenn man weiß, worauf man hören muss, hört man es auch.“

Varis hätte sich fast die Unterlippe durchgebissen, als er sich seinen Weg noch einmal ins Gedächtnis rief. Er war wohlweislich über den Zaun selbst an der Rückseite gestiegen, nicht über das Tor an der Vorderseite, das von den anderen Häusern aus normalerweise selbst bei diesen Lichtverhältnissen gut zu sehen war. Hatte sich noch jemand von der anderen Seite her Zutritt verschafft?

„Du meinst, da ist wirklich jemand?“ Die dritte Stimme klang dunkel und tief, überschattet von Nervosität und Besorgnis – Varis glaubte, sogar einen Anflug panischer Angst herauszuhören. „Aber wer sollte -“

„Ruhe“, unterbrach Arkas ihn flüsternd. „Wenn da wirklich jemand ist, sollten wir ihm nicht verraten, dass wir alle hier sind.“

Stirnrunzelnd betrachtete Varis die vage erkennbaren Umrisse eines Tellers, der noch Überreste der letzten Mahlzeit zur Schau stellte. War der andere ungebetene Besucher wirklich wegen Arkas und seiner kleinen geheimniskrämerischen Runde hier oder war er hinter Varis her? Vielleicht hatte Vandros ihm noch jemanden hinterher geschickt?

Ein Seufzen unterdrückend schlich er von der Tür weg und verließ die Küche. Er musste sicher gehen, dass der Andere wirklich nicht wegen ihm hier war – denn auch wenn er es für unwahrscheinlich hielt, dass ihm jemand gefolgt war, konnte er es nicht ausschließen.

„Ihr bleibt hier und rührt euch nicht vom Fleck.“ Varis hatte das Wohnzimmer bereits zur Hälfte durchquert, als ihn Arkas' Stimme einhalten ließ. „Ich werde nachsehen.“

Schon vernahm Varis das leise Schaben von Stuhlbeinen und Schritte, die sich der Tür näherten. Sofort wich er zurück und presste sich im Schatten eines Schrankes an die Wand. Dort verharrte er und lauschte angespannt den Geräuschen, die durch die Küche drangen. Zuerst wurde die Tür geöffnet, dann betrat jemand den Raum und hielt nach ein paar Schritten inne.

Varis hatte nun Mühe, Arkas' Weg zu verfolgen – der Mann bewegte sich nahezu lautlos weiter. Dann war ein leises, metallisches Kratzen zu hören, in dessen Anschluss Arkas die Küche verließ.

In dem spärlichen Licht musterte Varis die geduckte Gestalt, die als ein Teil der Schatten durch das nächtliche Wohnzimmer zu schweben schien, in der rechten Hand durch ein leichtes Funkeln sichtbar ein großes und nach Varis' Erfahrung sorgfältig geschärftes Küchenmesser.

Unwillkürlich hielt Varis den Atem an, als Arkas sich ihm näherte und konnte dabei das leichte, aufgeregte Prickeln, das ihm ein Nackenhaar nach dem anderen aufrichtete, nicht unterdrücken.

Wie damals, als er mit Arkas Nacht für Nacht im Wald jene besondere Art von Verstecken gespielt hatte. Wie damals kauerte er in seinem Versteck, während Arkas suchend umherstreifte. In der Ruhe des nächtlich rauschenden Waldes, die nur von Arkas' beständig näher kommenden Schritten unterbrochen wurde, schien Varis' Herz lauter als jemals zuvor zu schlagen. Sein Atem, den er zuvor mühsam unter Kontrolle gebracht und in einen lautlosen Hauch gewandelt hatte, ging nun unregelmäßig und hallte unerträglich laut in seinen Ohren wider. Verzweifelt versuchend diese Lärmquelle zu unterdrücken hielt er schließlich die Luft an, bis ihm flimmernde Punkte vor den Augen zu tanzen begannen. Varis' Hand schlossen sich fester um den Verband an seiner linken Schulter. Nein, er wollte nicht schon wieder entdeckt werden! Diese Nacht würde er sich nicht von seiner eigenen Aufregung überwältigen lassen. Er musste sich beruhigen, sich konzentrieren...

Langsam und leise ließ er den angehaltenen Atem wieder entweichen. In Gedanken zählte er stumm, wie er es unter dem Training schon so oft getan hatte, während er seinen Atem wieder normalisierte. Keine Aufregung, keine Panik – nur Gelassenheit.

Keinen Augenblick später war Arkas auch schon heran und zielstrebig an ihm vorbeigehuscht. Einen Moment lang starrte Varis die dunkle Gestalt unverwandt an und blinzelte dann die letzten Überreste des Erinnerungsfetzens fort.

Während er noch beobachtete, wie Arkas die Tür zum Garten öffnete und, das Messer einsatzbereit in der leicht erhobenen Rechten, ins Freie trat, legte Varis leise seine Tasche ab und löste sich dann langsam aus seiner Deckung. Behutsam schlich er an die offen gelassene Tür heran, hielt dort inne und lauschte angestrengt. Wo war Arkas hin verschwunden? Stand er draußen neben der Tür oder war er weiter durch den Garten? Doch Varis' Ohren meldeten kein verdächtiges Geräusch, keinen Laut – Nichts, was auf die Anwesenheit des Gesuchten hindeuten könnte.

Dann konnte er das leise Rascheln der Grashalme vernehmen, die sich Schritt für Schritt aneinander rieben, als sie von langsam voreinander gesetzten Füßen zu Boden gedrückt wurden. Die Augen halb geschlossen strengte Varis sein Gehör zu Höchstleistungen an, als er versuchte herauszufinden, in welche Richtung sich die Schritte wandten und wie weit sie entfernt waren.

Beim nächsten Schritt hallte ein halblautes Knacksen durch die nächtliche Stille. Dann war erst einmal nichts mehr zu hören.

Die Augen wieder ganz geöffnet runzelte Varis die Stirn. Wer auch immer dort draußen durch den Garten schlich – Arkas war es nicht.

Varis schob sich näher an den Türrahmen heran und spähte vorsichtig hinaus. In diesem Augenblick setzte sich der andere ungebetene Gast wieder in Bewegung – ein gut erkennbarer Schemen vor dem schwach vom Mond erhellten Himmel.

Missbilligend eine Augenbraue hochziehend beobachtete er die Gestalt bei ihrem Weg quer durch den Garten. Wie konnte man so auffällig sein? Langsam ließ Varis den Blick schweifen. Wo war Arkas?

Vorsichtig huschte er hinaus in die Nacht und kauerte sich dicht neben der Hauswand in die Deckung eines mannshohen Wacholderbusches. Wachsam glitten seine Augen über die Umgebung, konnten Arkas aber weiterhin nicht ausmachen. Mit einem Blick auf den sich nun der Tür Nähernden nagte Varis nachdenklich an seiner Unterlippe. Arkas war hier irgendwo, also konnte er sich diesen Unbekannten nicht einfach schnappen, ohne für Arkas damit zum nächsten Ziel zu werden, falls dieser ihn nicht erkannte. Aber er konnte nicht mehr lange zusehen, wie dieser Kerl hier herumschlich, wie er sich mit einer Mischung aus Neugier und Vorsicht Schritt für Schritt voranarbeitete. Sah er denn nicht, dass die Tür offen war? Konnte er nicht ahnen, dass seine Anwesenheit längst bemerkt worden war?

Fast schon verärgert über die Gedankenlosigkeit des Fremden tastete Varis an der Seite seiner Hose nach dem dort in einer Tasche verborgenen Messer. Einen Augenblick hielt er inne als seine Finger nur Stoff fühlten, dann erinnerte er sich an die im Wohnzimmer wartende Tasche, die seine Berufskleidung samt eingearbeiteter Ausrüstung enthielt. Einen Fluch unterdrückend wanderte seine Hand höher zu seinem Gürtel und legte sich dort auf das in der Scheide ruhende Messer. Es war besser als nichts, aber gerade in dieser Situation wünschte Varis sich eine geschwärzte Klinge. Sein normales Messer war zwar im alltäglichen Gebrauch unauffälliger, doch des Nachts konnte seine glänzende Oberfläche schnell ein verräterisches Funkeln aussenden. Also musste er schneller sein.

Vorbereitend schlossen sich seine Finger bereits um den Griff, während er wartete, bis der Mann nahe genug herangekommen war. Noch ein paar Schritte und er würde seine Unachtsamkeit bitter bereuen. Doch zunächst musste Varis aus ihm herausbekommen, hinter wem er her war.

Schon zum Sprung bereit hielt Varis inne, als er aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm. Keine Sekunde später hatte sich ein Schemen auf den Fremden gestürzt und diesen nach einem kurzen Moment des Widerstands am Boden mit seinem Gewicht festgenagelt, die gut erkennbar schimmernde Klinge an die Kehle des Liegenden gesetzt.

„Beantworte einfach meine Fragen, dann haben wir es schnell hinter uns.“, begann Arkas leise in einem munteren Plauderton. „Wer schickt dich?“

Ein leises Ächzen war die Antwort.

„Wie bitte? Du sprichst so undeutlich.“ Arkas' Stimme klang freundlich und heiter, doch in ihr schwang unterschwellig eine unmissverständliche Drohung mit.

Varis entspannte sich wieder und konnte das Grinsen, das ihm über die Miene huschte, nicht unterdrücken.

„I-“, begann der Liegende und ächzte abermals.

„Du wolltest was sagen?“ Arkas beugte sich vor, bis sein Gesicht nur noch wenige Zentimeter von dem des anderen trennten. Dann schwang seine Stimme von einer Sekunde zur anderen in ein drohendes Knurren über. „Du solltest dich lieber beeilen, bevor ich die Geduld verliere.“

Varis konnte sich gut das leicht zusammengekniffene Auge vorstellen, aus dem heraus Arkas seinen Gegenüber mit einem stechenden Blick zu durchbohren suchte.

„Tianor“ Hastig wurden die Silben von sich gestoßen, mit einer Stimme, die sich zur letzten hin nahezu überschlug.

Erleichtert nahm Varis den Namen zur Kenntnis. Also nicht noch ein Handlanger Vandros'.

„Warum nicht gleich so?“ Nun wieder in den heiteren Modus wechselnd lehnte Arkas sich ein Stück zurück. „Der alte Tianor schickt dich also. Was will er von mir?“

„Weiß nicht“ Der Mann schien Mühe mit dem Sprechen zu haben.

„Du weißt es nicht?“ Bedauern schwang nun in Arkas' Stimme mit, während er das Messer fester an die entblößte Kehle drückte. Das schwach von der Klinge reflektierte Mondlicht glitzerte in einem schmalen Blutrinnsal. „Wirklich nicht?“

„Nein“ In dem gehauchten Wort keimte so viel Panik und Entsetzen, dass Varis unwillkürlich Lächeln musste. Was hätte er gerade darum gegeben, Arkas' Gesichtsausdruck sehen zu können, mit dem dieser dem armen Mann so viel Angst einjagte.

„Macht nichts, ich kann's mir denken.“ Kurzes Schweigen folgte, in dem Varis seine Finger fester um den Griff seines Messers schloss. Er hatte es allmählich satt, hier weiterhin untätig im Dunkeln zu kauern. Ganz langsam beugte Varis sich ein Stück vor, während Arkas die Stille mit einem ernsten Tonfall unterbrach. „Aber ich kann dich trotzdem nicht einfach so gehen lassen.“

Noch bevor er diesen Satz zu Ende gesprochen hatte, war Varis mit wenigen Schritten lautlos neben ihn herangetreten und warf das dabei gezogene Messer. Die Klinge blitzte kurz auf, bevor sie sich knapp über der von Arkas' Messer in die Kehle des Liegenden bohrte.

Einen Moment lang schien die Szene so einzufrieren, dann hob Arkas langsam den Kopf, während der Mann unter ihm von gurgelndem Ächzen begleitet seine letzten Atemzüge tat.

„Dich schickt der Himmel, mein Junge.“
 


 


 

~~~~~~~~~~~ Lys Laberecke ~~~~~~~~~~~
 

Das war's also - Arkas' erster Auftritt *__* Darauf freue ich mich schon seit den letzten drei Kapiteln oder so *lach* auch wenn es mal wieder anders geworden ist, wie ich es "damals" noch geplant hatte ^^" Aber ich bin ganz zufrieden damit :3 im nächsten Kapitel lernt man ihn dann etwas besser kennen ^^ wer sich einen weiteren Eindruck von Arkas machen möchte, sollte mal in meiner Fanartgalerie vorbeischauen, dort gibt es seit heute das zweite Bild von ihm (zusammen mit Varis XD)

Dann ein Gruß an meinen - wie soll ich euch nennen? - Fanclub XD Schlaft nicht ein in eurem Zirkel :3

Kapitel 7: Departure

Weil ich so lange gebraucht habe, hier eine kleine (sehr grobe) Auffrischung eures Gedächtnisses ;]

Varis hat den Auftrag des Hohepriesters erledigt (er sollte eine Nonne töten, mit der der Priester vor einiger Zeit ein Verhältnis hatte) und ist zu Arkas zurückgekehrt (wer Arkas ist, wird im folgenden Kapitel ein wenig klarer :]). Dieser ist gerade mitten in einem geheimen Treffen, das ein abruptes Ende durch einen anderen nächtlichen Gast findet - ein Spitzel, den Tianor (wird ebenfalls geklärt) geschickt hat.
 

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Kapitel 7: Departure
 

Nachdenklich lehnte Varis sich in dem leicht lädierten Sessel auf dem er saß zurück, den Blick durch die offene Tür auf die schemenhaft erkennbare, reglose Gestalt im Garten fixiert. Was wollte Tianor von Arkas? Er bedauerte es sehr, dass der Fremde auf diese Frage keine Antwort zu geben gewusst hatte. Arin Tianor, der von den geistlichen Würdenträgern gehasste und doch mit äußerster Vorsicht behandelte Emporkömmling, war einer der wenigen hochrangigen Beamten, die ihren Posten nicht aufgrund ihrer Stellung in der kirchlichen Organisation bekommen hatten. Er war kein Priester und zeigte seine Abneigung ihnen gegenüber sehr deutlich. Deshalb erstaunte es Varis ein wenig, dass sich Arkas nun ausgerechnet mit Tianor angelegt hatte.

Womit war Arkas ihm nur auf die Zehen getreten? Worin hatte er sich da bloß verstrickt? Mit einem leisen Seufzen schlug Varis die Beine übereinander und trommelte mit den Fingern der rechten Hand auf die Armlehne.

Er wusste, dass ihn das alles nichts anging, dass er besser daran täte, sich herauszuhalten, dass er Arkas nicht einmal danach fragen sollte und er ahnte, dass dieser ihm auch keine zufriedenstellende Antwort geben würde.

Warum auch? Arkas war ihm keine Rechenschaft schuldig. Dennoch stieg ein Anflug von Zorn in Varis auf, während er daran dachte, dass er durch Arkas' Aktivitäten ebenfalls in die Schusslinie geriet. Was dachte sich dieser Narr eigentlich dabei, noch einmal an so einem Unsinn teilzunehmen? Geheime Treffen mitten in der Nacht, vielleicht sogar die Mitgliedschaft in einer Organisation – mit einem Ruck stand Varis auf und trat hinaus in die kühle Nachtluft. Tief durchatmend schloss er die Augen und stand eine Weile bewegungslos so da. Dann blinzelte er und seufzte. Wenn Arkas aus alten Fehlern nicht lernen wollte, so war das sein Problem. So bald wie möglich würde Varis sich wieder auf den Weg machen und dann brauchte es ihn auch nicht mehr zu interessieren, was Arkas hinter seinem Rücken trieb. Varis' Blick fiel wieder auf die Leiche vor ihm. Einen Augenblick erstarrte er, während in ihm die Erkenntnis reifte, dass er sich nicht mehr so einfach heraushalten konnte. Dann fluchte er leise.

„Na, na“, erklang es plötzlich hinter ihm. Erschrocken fuhr Varis herum, die Hand schon am Griff seines Messers, als er Arkas' Gestalt erkannte. „Wer hat dir denn solche deftigen Worte beigebracht?“

Ein wenig verärgert über seine eigene schreckhafte Reaktion schwieg Varis und verschränkte die Arme. Einen Augenblick lang starrten sie einander an, dann beendete Arkas die ungemütliche Stille mit einem leisen Lachen.

„Schön, dass du mal wieder bei mir vorbeischaust. Fast hatte ich Angst, du hättest aufgegeben.“ Wieder lachte er und wandte sich um. „Komm mit rein und nimm Platz, während ich packe. Ich brauche nicht lange.“

Schon war er wieder im Haus verschwunden. Als Varis ihm folgte, zündete er gerade eine Kerze an und stellte sie auf den Tisch.

Nun erst hatte Varis Gelegenheit, ihn in richtigem Licht zu betrachten. Das Gesicht war schmaler als Varis es in Erinnerung hatte, die Wangenknochen stachen deutlich hervor und die Falten auf der Stirn schienen sich vermehrt zu haben. Die weiße Binde, die über sein rechtes Auge ging, lugte unter den wirren braunen Haaren hervor. Varis' Blick glitt weiter, konnte aber den ausgemergelt wirkenden Eindruck, den das Gesicht bereits hinterlassen hatte, nicht verbessern. Wie er so dastand, das freie Auge auf die Flamme gerichtet, die Schultern hängend, wirkte er müde und abgeschlagen, als hätte er seit Tagen weder geschlafen noch gegessen.

Dann sah Arkas auf und begegnete Varis' Blick. Von einem Moment auf den anderen kippte das Bild, das Varis gerade erst gewonnen hatte. Auch wenn Arkas weiterhin mager wirkte, so strahlte er doch wieder den Elan aus, den Varis von ihm kannte. Das blaue Auge blitzte kurz im Schein der Kerzenflamme und aus ihm heraus musterte nun Arkas seinen Gegenüber.

„Du siehst müde aus“, stellte er fest. „Wann hast du zuletzt geschlafen?“

Varis wollte gerade zu einer unwirschen Antwort ansetzen, überlegte aber dann. „Vorletzte Nacht.“

„Und seitdem bist du unterwegs?“ Arkas seufzte, als er ein knappes Nicken als Antwort erhielt. „Du ruinierst noch deine Gesundheit, mein Junge. Schlaf ist wichtig.“

Varis zog skeptisch die Augenbrauen hoch. „Dafür bist du das beste Beispiel.“, kommentierte er trocken.

„Werd ja nicht frech, mein Lieber.“

Schweigend ließ sich Varis im Sessel wieder zurückfallen und beobachtete Arkas, der einen Stapel Blätter aus dem Regal genommen hatte und sie im Schein der Kerze durchblätterte. Schließlich zog er eines heraus, faltete es sorgfältig zusammen und steckte es ein, während er den Rest wieder ins Regal legte. Dann hob er die Kerze hoch und verschwand im nächsten Zimmer.

Varis blieb in der wiederkehrenden Dunkelheit sitzen und betrachtete nachdenklich den kaum wahrnehmbaren Schein, der von der Kerzenflamme durch die offene Tür in den Raum drang. Wenn er sich nicht verhört hatte, wollte Arkas packen. Hieß das also, dass er endlich hier wegzog?

In was Arkas da auch verstrickt war – Varis vermutete inzwischen, dass er deshalb so lange hier gewohnt hatte. Und nun war seine kleine Verschwörung – oder was immer es war – aufgeflogen. Stirnrunzelnd warf Varis einen kurzen Blick auf den Toten im Garten.

Tianor schien zwar von dieser Verschwörung zu wissen, aber keine Ahnung zu haben, mit wem genau er sich anlegte. Sonst hätte er jemanden ausgesandt, der sich weniger ungeschickt anstellte.

„Fertig!“ Mit einem leichten Grinsen im Gesicht kehrte Arkas zurück, die Kerzenflamme mit der linken Hand abschirmend, um Varis nicht zu blenden. Über seine Schulter hing eine prall gefüllte Reisetasche, aus der noch ein paar Fetzen von Kleidungsstücken ragten.

Varis zog die Augenbrauen hoch, als er die große Tasche sah. Arkas war nur kurz weg gewesen, er konnte in dieser Zeit unmöglich das alles gepackt haben. Hatte er bereits damit gerechnet, bald aufzubrechen und sein Gepäck längst bereitgelegt?

„Was ist, können wir endlich los?“ Mit langen Schritten durchquerte Arkas den Raum und trat durch die Hintertür in den Garten.

Varis erhob sich, holte seine eigene Tasche und folgte Arkas dann hinaus.

„Wo soll's hingehen?“

„Immer der Nase nach, mein Junge.“ Schon war Arkas über den Gartenzaun gestiegen und eilte die Straße entlang.

„Und die Leiche?“, erkundigte sich Varis, als er zu Arkas aufschloss.

„Oh, die liegt gut da.“

„Vor allem liegt sie da sehr auffällig. Spätestens am Morgen wird sie entdeckt werden.“

„Dann hat sie ja bald Gesellschaft.“

„Und du eine ganze Horde Gesetzeshüter am Hals. Du hast deinen richtigen Namen benutzt und jeder Dorfbewohner kennt dein Gesicht.“, gab Varis zu bedenken und blickte ihn von der Seite her an, während sie nebeneinander das Dorf verließen und den kleinen Pfad einschlugen, den er bereits bei seiner Ankunft benutzt hatte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Arkas das alles nicht berücksichtigt hatte.

„Genau. Endlich geht’s rund.“

„Es macht dir nichts aus, ab dem Morgen ein gesuchter Mörder zu sein?“ Skeptisch runzelte Varis die Stirn und fixierte Arkas mit seinen Augen. Was hatte er nun schon wieder geplant?

Arkas erwiderte den Blick und neigte mit einem spöttischen Grinsen seinen Kopf zur Seite.

„Das sagst ausgerechnet du. Wer hat den armen Kerl denn umgebracht?“

„Es ist dein Garten, also auch deine Leiche. Mich hat niemand gesehen.“

„Du willst mir einen Mord unterschieben, den du begangen hast?“

„Im Gegensatz zu dir hinterlasse ich nicht so auffällige Spuren.“

„Und was ist mit der Leiche?“

„Oh, die liegt gut da.“, antwortete Varis betont lässig.

Einen Augenblick gingen sie schweigend nebeneinander weiter.

„Du wirst jedes Mal frecher, weißt du das?“, meldete sich schließlich Arkas wieder zu Wort.

„Ja, ich weiß. Du erinnerst mich ja oft genug daran.“ Lächelnd ließ Varis seinen Blick über die nächtliche Landschaft schweifen. Wie lange war er nicht mehr mit Arkas gemeinsam unterwegs gewesen? Wie lange hatte er sich nicht mehr so unbeschwert gefühlt? Neben sich hörte er das beruhigende Knirschen von Arkas' Schritten, das sich in gleichmäßigem Rhythmus an seinen eigenen Gang angepasst hatte. Es schien Ewigkeiten her zu sein und doch waren die Erinnerungen so frisch und klar als würde es gerade erst geschehen. Fast schien es ihm, als könnte er sein jüngeres Ich sehen, wie es als Knabe von knapp 14 Jahren versuchte, mit dem schnellen Gang von Arkas Schritt zu halten. Heller Sonnenschein beleuchtete die Szene vor seinem inneren Auge und ein leichter Wind ließ die Bäume um sie herum ein sanftes Rauschen anstimmen.

„Trödle nicht so herum, ich möchte heute noch ankommen.“ Arkas, der bereits einige Meter voraus war, war stehen geblieben und drehte sich nun um. „Hättest du nicht so ein Chaos angerichtet in Gaon, müssten wir uns nun nicht so beeilen.“ Hochgezogene Augenbrauen und ein vorwurfsvoller Blick begleiteten seine Worte.

„Ich kann nichts dafür.“ Eine dünne Stimme, jungenhaft hoch und deutlich außer Puste. Nach Luft ringend nutzte er die Pause, um wieder zu Atem zu kommen. „Ich hab' nichts getan.“ Die Hände in die Hüfte gestemmt richtete er sich vor Arkas auf und starrte ihn empört an. „Du hast die Männer umgebracht! Nicht ich.“

„Und warum habe ich das wohl getan?“ Arkas ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und erwiderte den Blick gelassen.

Trotzig verschränkte der Junge die Arme und blickte schweigend zur Seite.

Arkas' Gesicht überzog sich plötzlich mit einem sanften Lächeln. „Schon gut, lass uns nur endlich weitergehen.“ Bevor er sich wieder in Bewegung setzte, strich er dem Jungen noch kurz über den Kopf und lachte leise, die Augen mit dem milden Ausdruck auf das immer noch unwillig verzogene Gesicht gerichtet.

Mit dem nächsten Blinzeln kehrte die Dunkelheit zurück, umhüllte Varis und vertrieb allmählich die noch nachwirkende Wärme der Sonnenstrahlen. Leicht fröstelnd warf er einen Blick zur Seite auf Arkas, der immer noch unverändert guter Laune neben ihm her lief.

Die Augen niederschlagend beobachtete er den vorbeiziehenden Boden und versuchte, seine Gedanken auf etwas anderes zu lenken, doch diese kurze Szene ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Viel zu gut erinnerte er sich daran, dass er zuvor in dem Dorf, in dem sie für ein paar Wochen Halt gemacht hatten, für viel Unruhe gesorgt hatte. Zuletzt hatte ihn jemand erwischt, wie er durch das Haus des Dorfvorstands geschlichen war. Es war nur eine selbst ausgedachte Übung gewesen im Zuge seines Trainings, doch gleichzeitig das erste Mal, dass er auf eigene Faust alleine auf einen Streifzug dieses Kalibers gegangen war. In seiner Nervosität hatte er einen kleinen, wackligen Tisch mit mehreren Ziergegenständen umgestoßen und war schnell entdeckt worden. Der Hausherr hatte ihn noch in derselben Nacht quer durchs Dorf zum Feldwebel geschleift und die Höchststrafe für den kleinen Dieb und dessen mutmaßlichen Anstifter – Arkas – verlangt.

Das alles war schon so lange her. Damals hatte Arkas ihm oft den Kopf aus der Schlinge ziehen müssen, weil Varis zu ungeduldig und übermütig bei seinem Training vorging. Schwer schluckend versuchte er, besonders diesen letzten Gedanken zu verdrängen. Er wusste, dass seine Erinnerungen ihn sonst weiter zurück treiben und einmal mehr gnadenlos über ihn hereinbrechen würden.

Auf der Suche nach einem Halt für seine Gedanken sah er sich um und begegnete Arkas' Blick.

„Alles in Ordnung?“

Varis nickte nur knapp und ließ seine Augen über den Horizont schweifen. Er konnte jetzt nicht mit Arkas sprechen, das würde nur noch weitere Erinnerungen an die Oberfläche zerren. Es war ein Fehler gewesen, sich so gehen zu lassen, so gedankenlos auf Arkas' unbekümmerte Art einzugehen und sich von ihr in Sicherheit wiegen zu lassen – wie früher eben.

„Varis?“

„Was“, knurrte er unwirsch und wünschte sich bloß, dass Arkas ihn für den Moment in Ruhe ließ.

„Der Himmel ist so klar – das gibt sicher einen wundervoll sonnigen Tag morgen.“

Irritiert blinzelnd brauchte Varis eine Weile, bis er Arkas' Worte aufgenommen hatte. Was sollte nun dieses Gerede über das Wetter?

„Hast du dir für diesen schönen Tag schon etwas vorgenommen?“ Nachdem Varis nur stumm den Kopf schüttelte und seinen Blick weiterhin nicht vom Horizont abwandte, fuhr Arkas unbekümmert fort. „Oder für die nächsten Tage?“

Wieder ein Kopfschütteln. Eine Weile herrschte Schweigen, bis Arkas sich räusperte und leise zu sprechen begann.

„Weißt du, ich hatte sehr gehofft, dass du noch auftauchen würdest, bevor ich gehe.“

Varis hatte Mühe, die fast geflüsterten Worte zu verstehen und glaubte schon, sich verhört zu haben. Doch dann erinnerte er sich an Arkas' Begrüßung: Dich schickt der Himmel, mein Junge.

„Warum das?“, hakte er schließlich nach, doch Arkas hüllte sich in Schweigen und stapfte stumm weiter.

Fast schon froh um diese Ablenkung beobachtete Varis ihn nachdenklich aus den Augenwinkeln und fragte sich, was wohl geschehen sein mochte. Warum hatte Arkas ihn noch vor seiner Abreise treffen wollen?

„Lass uns eine Pause machen, ich habe Hunger.“, ließ sich Arkas plötzlich vernehmen. Schon war er stehen geblieben und hatte sich mitten auf dem Weg niedergelassen.

Auch Varis hielt inne und blickte mit gerunzelter Stirn auf Arkas hinab. Was war nur in ihn gefahren?

„Willst du dich nicht setzen?“, lud Arkas ihn ein, während er bereits eine Scheibe Brot aus seiner Tasche zog. „Willst du was essen? Ich habe auch Birnen.“ Schon kramte er in seinem Gepäck und förderte schließlich eine Birne zutage. Dann blickte er Varis an, hielt ihm das Obst entgegen und grinste leicht. „Willst du noch lange da stehen?“

Langsam trat Varis an ihn heran, nahm die Birne und setzte sich ebenfalls.

„Was ist los, Arkas?“

Eine Weile aßen sie stumm jeder für sich und Varis war nicht sicher, ob Arkas ihn gehört und verstanden hatte, bis dieser sich erneut räusperte und zu einer Antwort ansetzte.

„Ich hatte gehofft, dass du kommst.“ Er machte eine kurze Pause und nahm einen Bissen von seinem Brot. „Weißt du, ich habe einen Auftrag für dich.“

„Von wem?“ Wenig begeistert über die Aussicht auf neue Arbeit kaute Varis lustlos auf einem Stück herum.

„Von mir.“

Varis, der gerade erneut in die Birne beißen wollte, ließ das Obst wieder sinken und runzelte die Stirn. Ihm lagen mehrere ungläubige bis spöttische Erwiderungen auf der Zunge, die er jedoch allesamt hinunterschluckte. Etwas in Arkas' Tonfall weckte in ihm den Eindruck, dass es ihm wirklich ernst war. Trotzdem – Arkas besaß nicht genug Geld, um ihn richtig bezahlen zu können. Und was noch wichtiger war: Er konnte seine Probleme genau so gut selbst aus der Welt schaffen.

„Ich habe einen Auftrag für dich.“, wiederholte Arkas nach einer Weile. „Einen letzten Auftrag.“

Ohne es zu bemerken, schloss Varis seine Finger fester um die Birne, sodass ein kleines, klebrig-süßes Rinnsal sein Handgelenk hinabfloss und in seinem Ärmel verschwand. Mit unverhohlener Überraschung starrte er Arkas direkt an und schwieg erwartungsvoll. Hatte er soeben richtig gehört? Ein letzter Auftrag? Konnte er dieses unleidige Kapitel etwa endlich abschließen?

„Einen allerletzten“, bekräftigte Arkas seine eigenen Worte. Er erwiderte Varis' Blick mit angespannter Miene und fuhr sich mit der Zunge über die spröden Lippen, bevor er fortfuhr. „Du hast alle Anforderungen erfüllt, hast alle Aufträge angenommen und professionell erledigt. Deine Zeit als Auftragskiller ist vorbei. Ich habe nur noch einen einzigen Auftrag für dich. Und als Bezahlung werde ich dir danach jede Frage beantworten, die du mir stellst.“
 


 

~~~~~~~~~~~ Lys Laberecke ~~~~~~~~~~~
 

Tja, wieder ein paar Fetzen aus der Vergangenheit, aber immer noch nichts konkretes :P dafür haben wir ein wenig die Beziehung der beiden durchleuchtet - das ist doch auch was ^^

Ich habe inzwischen angefangen an einer Wand meines Zimmers Bilder mit Ausschnitten aus Abandoned aufzuhängen xD auf 10x10cm Malkarton :3 leider sind es bisher erst zwei :/ Einmal eine Szene aus dem Prolog und einmal (von Jerra gemalt ^^) die Szene mit dem Weizenfeld aus Kapitel 6 x3

Es haben sich auch schon zwei weitere Malkartons von mir geben lassen und ich bin schon sehr gespannt auf die Ergebnisse \^___^/ *freut sich wie ein kleines Kind* x3

Ja... und auch hier wieder einen Gruß an den Zirkel xD sied ihr jetzt ganz eingeschlafen? (ich kann's verstehen, bei meinem Hochladtempo... aber ich hatte das ganze Semester mit der Uni so viel um die Ohren ;_; bitte verzeiht...)

Kapitel 8: Decision

Die Arme hinter dem Kopf verschränkt starrte Varis in den Himmel, der ein fast schon deprimierend strahlendes Blau zur Schau stellte. Um ihn herum regten sich die Grashalme nur zaghaft in dem kaum spürbaren Lüftchen und ein besonders hochgewachsener kitzelte ihn an der Wange.

Doch all das nahm Varis gar nicht wahr – völlig in seinen Gedanken versunken lag er reglos auf der Wiese. Er wusste nicht, was er von dieser neuen Entwicklung halten sollte. Arkas' Angebot klang verlockend und war doch eigentlich genau das, was er sich immer insgeheim erhofft hatte – sein ganzes Leben schien er nichts anderes getan zu haben, als auf diesen einen Moment hinzuarbeiten, in dem Arkas ihm eröffnete, dass er keinen Auftrag mehr auszuführen brauchte, dass er endlich Antworten auf seine Fragen bekommen würde. Und nun hatte er Arkas nicht einmal eine klare Zusage machen können.

Vielleicht war das Angebot einfach zu plötzlich gekommen und er hatte es bloß noch nicht richtig verarbeitet. Einen Augenblick blinzelte Varis, richtete sich dann abrupt auf und schüttelte heftig den Kopf. Er konnte sich das nicht einreden, immerhin wusste er genau, was dieses Angebot bedeutete: Nie wieder als Auftragsmörder durch das Reich ziehen, nie wieder Leuten, die über genügend Geld verfügten, unliebsame Zeitgenossen aus dem Weg räumen. Aber das war nicht wichtig. Wichtig war bloß das, was Arkas ihm als Bezahlung versprochen hatte.

Mit einem Seufzen ließ Varis sich wieder zurückfallen und biss sich nachdenklich auf die Lippe. Wenn er es tat... was sollte er Arkas zuerst fragen? Sollte er ihn einfach auffordern, alles zu erzählen oder besser gezielt Fragen stellen?

Zögernd richtete Varis sich wieder ein Stück auf und stützte sich auf seine Ellbogen. Er blickte auf den ungeöffneten Umschlag, der neben seinen Füßen lag. Arkas hatte ihn ihm am Morgen in die Hand gedrückt und gemeint, wenn er den Brief öffne, hätte er den Auftrag automatisch angenommen.

Langsam setzte er sich ganz auf und streckte seine Hand nach dem Umschlag aus. Noch bevor seine Fingerspitzen ihn berührten hielt er inne. Er hatte keine Ahnung, was für eine Art von Auftrag Arkas ihm da geben wollte. Bestimmt hatte er sich etwas besonders schwieriges ausgedacht. Doch was Varis vor allem zu schaffen machte, waren Arkas' letzte Worte, bevor sie sich am Morgen verabschiedet hatten.

"Ich überlasse die Entscheidung völlig dir.", hallte Arkas' Stimme jetzt noch in seinen Ohren wider. "Du musst nicht. Du musst den Umschlag nicht öffnen. Also überleg es dir gut, mein Junge. Du musst den Auftrag nicht annehmen."

Er musste den Auftrag nicht annehmen. Wieder und wieder betrachtete er diesen letzten Satz, drehte ihn gedanklich und versuchte, sein Geheimnis zu ergründen. Bisher hatte er ohne Ausnahme jeden Auftrag, der auch ordnungsgemäß bezahlt werden konnte, annehmen müssen. Das war die Bedingung gewesen, ihre Abmachung. Warum hatte Arkas nun dermaßen betont, dass sie gerade für diesen letzten Auftrag nicht galt?

Nachdenklich strich Varis mit den Fingern über den weißen, unbeschrifteten Umschlag. Er könnte ihn einfach zerreißen und so weitermachen wie bisher. Früher oder später würde Arkas dann trotzdem mit der Sprache rausrücken.

Ein kurzer, plötzlicher Windstoß blies ihm die Haare aus dem Gesicht und hob eine Ecke des Briefes ein wenig an.

Seine Finger, die immer noch sacht auf dem Umschlag ruhten, griffen mit plötzlicher Entschlossenheit danach. Er konnte diese Gelegenheit nicht ungenutzt lassen. Mit einer schnellen Bewegung zog er ein schmales Messer hervor. Er wollte sein Leben nicht länger als Auftragsmörder fristen. Ein leises Ratschen und schon hatte die Klinge sich durch das dünne Umschlagpapier gearbeitet. Er wollte endlich Antworten. Unbewusst hielt er den Atem an, während er einen Zettel herauszog. Und vor allem wollte er Namen. Den Briefumschlag ließ er achtlos fallen und begann, Arkas' krakelige Handschrift zu entziffern: Heute Abend nach Sonnenuntergang, Teheron, Schwarzer Falke.

Varis drehte sich fast der Magen um, als er die letzten Worte las. Der Schwarze Falke war Kheros' Wirtshaus. Was hatte Arkas vor? Wollte er Kheros in diesen letzten Auftrag mit hineinziehen?

Verärgert schnaubte Varis und blickte so missmutig auf die Buchstaben hinab, als könnte er sie dadurch beeinflussen. Was dachte sich Arkas dabei? Was sollte diese ganze Geheimniskrämerei? Sollten sie sich im Schwarzen Falken treffen oder hielt das wohlbekannte Wirtshaus etwas anderes für ihn bereit?

Langsam löste er seine Augen von Arkas' Schrift und steckte den Zettel in seine Tasche. Er würde erst wissen, was Arkas von ihm wollte, wenn er heute Abend bei Kheros erschien. Mit einer fließenden Bewegung erhob er sich, griff sich seine Tasche und schritt in Richtung Straße über die Wiese. Einen kurzen Blick über die Schulter auf den Stand der Sonne hinter ihm werfend beschleunigte er seinen Schritt. Er musste sich wirklich beeilen, um es bis Sonnenuntergang zu schaffen.

Arkas hatte wohl damit gerechnet, dass er den Brief sofort öffnen würde – oder vielleicht auch gar nicht. Wartete womöglich nichts auf ihn, wenn er ankam und Arkas wollte ihn nur an der Nase herumführen? Varis verzog das Gesicht zu einer genervten Grimasse. Zuzutrauen wäre es Arkas.

Doch andererseits war er dazu zu ernst gewesen, als er Varis den Umschlag gegeben hatte. Es war kein Scherz – es musste ein Auftrag sein. Sein letzter.

In Gedanken wiederholte er diese Worte und konnte ein leicht aufgeregtes Flattern in der Magengegend nicht verhindern. Er wusste nicht, was ihn erwartete – weder auf diesem Auftrag, noch bei dem, was danach kam. Doch in ihm mischte sich grimmige Entschlossenheit mit unterdrückter Vorfreude und zunehmender Nervosität zu einem glühenden Tatendrang, der alle verbliebenen Zweifel hinter sich ließ.

Dennoch fühlte Varis eine wohlbekannte Kälte seinen Nacken streifen. Bald musste er sich mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen – aber auch wenn er all die Jahre darauf hingearbeitet hatte, stiegen nun zusammen mit dem sorgsam aufgestauten Zorn und dem gut gehüteten Rachedurst auch noch andere Dinge mit auf, die sich wie eine Eisschicht über ihn legten.

Einen Moment kniff Varis die Augen zusammen und schüttelte sich, als wollte er die Kälte abwerfen, dann erhöhte er abermals sein Tempo. Je eher er all das hinter sich brachte desto besser.

Um sich abzulenken, konzentrierte sich Varis auf den vor ihm liegenden Auftrag. Allerdings hatte er diesbezüglich nicht gerade viele Informationen erhalten und so blieben ihm nur Spekulationen. Wollte Arkas ihn in Teheron treffen, um ihm den Auftrag zu erteilen? Aber warum dann diese Umstände mit dem Brief?

Nein, vielleicht würde er dort jemand anderen treffen, der ihm wiederum einen Auftrag geben würde. Das klang schon eher logisch, allerdings konnte sich Varis bei dem Gedanken an Kheros' abends einigermaßen gut besuchte Schänke nicht vorstellen, wie er dort seinen Auftraggeber ausmachen sollte. Außerdem hatte Arkas gesagt, dass der Auftrag von ihm selbst kam und er zahlte ja auch dafür.

Also was konnte es sein?

Plötzlich stockte Varis und wäre dabei fast über seine eigenen Beine gestolpert. Den Blick unverwandt auf einen Baum am Straßenrand gerichtet öffnete und schloss er den Mund mehrmals, während er einen ganz bestimmten Gedanken von allen Seiten untersuchte.

War das ganze eine Prüfung um zu sehen, wie weit Varis gehen würde? Hatte Arkas vor, von ihm zu verlangen – nein! Unmöglich. Arkas wusste zwar von Varis' Freundschaft zu Kheros und hatte sie oft belächelt mit der Warnung, dass ihm eine solche Bindung einmal gefährlich werden könnte, aber er würde doch nie Varis ohne weiteren Grund auf Kheros ansetzen. Oder?

Unsicher biss er sich auf die Unterlippe und fuhr sich durch die Haare. Wollte Arkas einen möglichen Zeugen loswerden? Wollte er Varis' Kaltblütigkeit testen? Wollte er herausfinden, wozu Varis bereit war, um sein Ziel zu erreichen? Aber nein. Kopfschüttelnd versuchte Varis, diese Gedanken zu vertreiben. Arkas würde keine solche Tests mit ihm durchführen.

Zögernd tat Varis ein paar Schritte, dann kroch die Gewissheit langsam durch all seine Gedanken: Doch. Arkas wäre imstande, ihm einen solchen Auftrag zu erteilen. Er hatte schon immer seltsame Methoden benutzt, um Varis zu dem zu formen, was er schließlich war. Doch das hatte Varis von Anfang an gewusst. Er hatte Arkas bis zu jenem Tag, an dem dieser ihn unter seine Fittiche nahm, bereits gekannt – gut gekannt, wie er dachte. Doch er hatte bis dahin noch nie jene andere Seite gesehen, diese ernste, entschlossene, unerbittliche.

Damals. Es schien so lange her zu sein, so unendlich weit entfernt, wie er als Junge vor Arkas stand, das Gesicht vom Heulen nass, die Augen verquollen, mit zitternden Lippen und verschleiertem Blick. Entsetzen ließ den schmächtigen Körper beben und raubte ihm fast den Atem. Der Mund öffnete sich zu einem erlösenden Schrei, doch es ertönte nur ein halb ersticktes Gurgeln.

Langsam wurde der Blick wieder klarer, als brodelnder Zorn allmählich aufkeimte und nach einem Ziel suchte, sich zu entladen. Die Fäuste geballt stürmte Varis von einem inneren Drang getrieben vorwärts, doch eine Hand schloss sich hart um seine Schulter und hielt ihn zurück.

Endlich konnte sich seine Stimme den ersehnten Weg durch seine Kehle bahnen und formte sich zu einem wütenden Schrei.

"Lass los!" Verzweifelt versuchte er wild um sich schlagend, sich aus dem festen Griff zu befreien.

"Varis, beruhige dich."

"Lass mich!" Er wollte sich nicht beruhigen, wollte, dass Arkas aufhörte, so ruhig zu sein. Wie konnte er so gelassen bleiben?

"Nein. Wo willst du überhaupt hin?"

"Ich -" Krächzend versuchte er, all das in Worte zu fassen, was er fühlte. Er musste los, er musste einfach. Alles in ihm schrie danach. In seinen Gedanken gab es nur noch Platz für die hämisch verzogenen Gesichter, als sie ihn verspotteten, ihm seine Ohnmacht vor Augen führten und schließlich – ein weiterer Schrei entfloh seiner Kehle, dieses Mal mischten sich Schmerz und Trauer darunter.

"Ich weiß, Varis. Ich weiß." Leise geflüstert drangen diese Worte an Varis' Ohren und im nächsten Augenblick legten sich zwei Arme um ihn, drückten ihn sacht und wiegten ihn besänftigend. Es lag ein unglaublicher Trost in dieser Umarmung und Varis entspannte sich unwillkürlich. "Ich weiß."

Von einem Moment auf den anderen riss Varis sich los. "Nichts weißt du! Du warst nicht dabei! Du warst zu spät! Du hättest sie retten können!" Seine Stimme überschlug sich regelrecht. "Wenn du eher gekommen wärst, wäre sie jetzt noch am Leben! Ich konnte nichts ausrichten..." Langsam verklang seine Stimme. Er hatte versagt, er war zu schwach gewesen. Dabei hatte er ihr doch versprochen, sie zu beschützen. Aber diese Männer hatten sich nur über seine Bemühungen lustig gemacht. Eine Welle unbändigen Zorns überrollte ihn beim Gedanken daran. Er wollte, dass das verdammte Grinsen aus ihren Gesichtern verschwand. Er wollte sie spüren lassen, was er spürte. Er wollte, dass sie dafür bezahlten. Mit blitzenden Augen schob er entschlossen das Kinn vor, das Gesicht verzerrt von Wut und Hass.

"Rache?", stellte Arkas nach einer Weile fest. "Das macht weder deine Mutter noch deinen Vater wieder lebendig."

Mit finsterem Gesicht starrte Varis den vor ihm aufragenden Mann stumm an, der den Blick traurig lächelnd erwiderte.

"Hör mir mal zu. Dein Vater würde mich umbringen, wenn ich zuließe, dass du ausziehst, die beiden zu rächen." Mit gerunzelter Stirn strich er über sein stoppeliges Kinn. "Ich wär schneller einen Kopf kürzer als du 'Rache' sagen kannst." Er machte eine kurze Pause und musterte Varis. "Du weißt doch nicht mal, wem du den Tod der beiden verdankst."

"Dann sag es mir!" Ungeduldig packte Varis ihn am Ärmel. Dieses Geschwafel nützte doch niemandem etwas, er wollte endlich los, wollte – ja, er wollte Rache.

"Nein"

"Aber -"

"Ich sagte nein und dabei bleibt es!", fiel Arkas ihm ins Wort, bevor er überhaupt richtig zu einem Widerspruch ansetzen konnte. "Du bist ein Kind, verdammt noch mal! Das wäre dein sicherer Tod. Du hast doch selbst erlebt, wie machtlos und schwach du bist."

Wieder flackerten die Gesichter der spottenden Männer vor Varis' innerem Auge auf und stachelten ihn noch weiter an. Noch einmal würde so etwas nicht passieren. Arkas hatte doch keine Ahnung.

"Ich bin nicht schwach!"

"Doch, Junge. Das bist du."

Arkas' ruhiger, bestimmter Tonfall ließ Varis abermals überschäumen.

"Bin ich nicht!", schrie er ihm entgegen. "Ich mache sie alle fertig, du wirst schon sehen!" Um ihn wirbelte alles in einem Strom von Wut, Hass und unglaublichem Tatendrang. "Sollen sie ruhig kommen, ich mach jeden nieder! Jeden einzelnen!"

"So?"

"Ja!" In seinem blinden Zorn nahm Varis den leicht drohenden Unterton in Arkas' Stimme nicht wahr.

"Und wenn ich komme?"

Bevor Varis noch begreifen konnte, hatte Arkas ihm einen kräftigen Schubs gegeben und ihn hart zu Fall gebracht. Die Arme verschränkt blickte er kalt auf Varis hinab.

"Fang mit mir an, Junge! Dann lass ich dich ziehen. Wenn du Namen willst, musst du erst mal kommen und sie dir holen!"

In Varis' Kopf drehte sich alles und er hatte Mühe, einen klaren Gedanken zu fassen. Doch Arkas' Stimme klang so befehlend und herausfordernd, dass Varis sich nicht widersetzen konnte. Mit einem verzweifelten Schrei schoss er in die Höhe und stürmte los.

Dann geschah alles viel zu schnell. Er spürte nur noch einen plötzlichen Schmerz, erst am Bauch, dann an der Brust. Bevor er sich überhaupt zusammenkrümmen konnte, hatten ihn weitere Schläge von den Beinen gerissen und schleuderten ihn zur Seite. Stöhnend, zitternd lag er da und fühlte sich zu schwach, um wieder aufzustehen. Hustend spuckte er ein wenig Dreck aus und versuchte trotzdem, sich in die Höhe zu stemmen. Doch sofort gaben seine Arme nach und er sank zurück auf den Boden. Schluchzend blieb er liegen, fühlte sich elend und schwach, so unendlich schwach.

Erschrocken zuckte er zusammen, als sich eine Hand auf seinen Rücken legte. Er hatte gar nicht bemerkt, wie Arkas an ihn herangetreten war.

"Willst du immer noch Rache?"

Eine Weile rührte Varis sich nicht. Ja, er fühlte sich schwach. Aber der Gedanke an seine Eltern entflammte ein Feuer in seinem Inneren, das mit jeder Sekunde stärker brannte und ihn zu verschlingen drohte. Mühsam hob er den Kopf und blickte Arkas entschlossen an. Er öffnete den Mund um zu antworten, brachte aber nichts weiter als ein heiseres Krächzen zustande.

Arkas erwiderte den Blick ernst und nickte dann schließlich.

"Dann habe ich einen Vorschlag für dich."

Schaudernd dachte Varis an das kleine Häufchen Elend zurück, als das er damals im Dreck gelegen hatte. Arkas hatte sich wirklich nicht zurückgenommen und gnadenlos zugeschlagen. Seine Lektionen waren manchmal sehr radikal und hart, aber sie hatten ihren Sinn. Indem er Varis damals unerbittlich dessen Schwäche vor Augen führte, hatte er dafür gesorgt, dass Varis' Rachedurst ein wenig nachließ und in geregelte Bahnen gelenkt wurde. Und heute?

Finster blickte Varis die Straße entlang und spielte einen Moment lang mit dem Gedanken, den Zettel einfach zu vergessen und so zu tun, als hätte er den Brief nie geöffnet. Doch seine innere Unruhe trieb ihn weiter, beschleunigte seine Schritte. Er musste es herausfinden, er musste sicher gehen. Und dann gab es kein Zurück mehr, wenn er sein eigenes Ziel noch erreichen wollte.
 

~~~~~~~~~~~ Lys Laberecke ~~~~~~~~~~~
 

Dieses Mal ging es ja relativ schnell mit dem neuen Kapitel (mal so im Vergleich zu den Monaten, die sonst immer zwischen zwei Kapiteln liegen ^^")... Bitte, steinigt mich nicht für das, was Varis hier durchleiden musste (und noch muss ;_; *ihn pat*) und bitte, bitte: lasst Arkas heil o.o auch wenn er seltsame Erziehungsmethoden drauf hat xD er wäre in dieser Erinnerungssequenz ja selbst am liebsten losgezogen, um gewisse Leute ein bis zwei Köpfe kürzer zu machen... aber wer hätte sich dann um Varis gekümmert? ._.

Nun gut, jedenfalls kann die Geschichte jetzt endlich richtig losgehen =]
 

Gruß an den Zirkel o.o ich bin schon sehr gespannt xD (ich war fleißig, seid ihr es auch? :])

Kapitel 9: Meetings

Etwas außer Atem eilte Varis die Straßen Teherons entlang, denn die Sonne war bereits vor einer knappen halben Stunde hinter dem Horizont verschwunden. Anspannung und Besorgnis ließen seinen Blick ständig unruhig über die Umgebung wandern. Geschickt schlängelte er sich durch die Massen auf dem hell erleuchteten Marktplatz, bis er endlich in die Seitengasse einbog, in der sich der Schwarze Falke befand.

Einladende Lichter erhellten die Gasse und Stimmengewirr drang durch die Tür, als ein hochgewachsener Mann in braunem Umhang aus dem Wirtshaus trat und an Varis vorbei zum Marktplatz eilte. Varis schlüpfte durch die Tür noch bevor sie zuschlug und blinzelte ein wenig in dem hellen Licht.

Seine Augen hatten sich schnell eingewöhnt und so sah er sich erst einmal suchend um. An den wuchtigen Holztischen saßen die üblichen Gäste und viele zechten bereits ordentlich. Varis' Blick glitt nervös weiter umher auf der Suche nach Arkas, konnte ihn aber nicht ausmachen. Auch Kheros war nicht aufzufinden, stattdessen stand seine stämmige Schwester hinter dem Tresen und stellte gerade mit mürrisch verkniffenem Mund einen Krug Bier vor einen Gast. Ihr Gesicht war fast weiß und ihr Blick leicht glasig – scheinbar hatte sie ihre Krankheit noch nicht ausgestanden. Doch warum bediente sie dann?

Die Stirn in tiefe Falten gelegt stand Varis einen Augenblick lang unschlüssig da, dann schritt er auf den Tresen zu.

"Hallo Nirene", grüßte er vorsichtig Kheros' Schwester und wurde auch sofort von einem düsteren Blick gemustert, als diese ihn erkannte.

"Du schon wieder." Sie stützte sich auf den Tresen und lehnte sich weiter zu ihm vor. "Was willst du?"

"Wo ist Kheros?"

"Oben."

"Ist er krank?"

"Nein."

"Warum schiebst dann du Dienst?"

"Er hat keine Zeit. Und nun sieh zu, dass du weg kommst. Dir schenke ich nichts aus!" Mit einem offen feindseligen Blick ließ sie ihn stehen und stapfte zu einem der Tische.

Varis sah ihr kurz nach und zuckte schließlich mit den Schultern. Was Nirene von ihm dachte, wusste er ja bereits. Sie hielt ihn für einen schlechten Umgang für ihren Bruder und zeigte das auch bei jeder Gelegenheit.

Leise seufzend schritt Varis durch den Schankraum und trat durch die Tür ins Treppenhaus. Nachdenklich schlich er mit gewohnter Sicherheit die Stufen im Dunkeln empor. Warum ließ Kheros seine Schwester arbeiten, wenn sie sichtlich immer noch nicht gesund war? Er war doch sonst immer so fürsorglich ihr gegenüber.

Oben angekommen drückte Varis die Klinke nach unten und stieß erst einmal unsanft gegen die Tür. Abgeschlossen. Stirnrunzelnd starrte er in die Finsternis. Kheros schloss nie ab. Also was in aller Welt ging hier vor sich? Gehörte das bereits zu Arkas' Auftrag?

Tief Luft holend klopfte er kräftig. Eine Weile geschah nichts und Varis hatte gerade einen Draht aus der Tasche holen wollen, um sich selbst Zutritt zu verschaffen, als er durch die Tür mehrere leise Stimmen hörte. Was sie sagten, konnte er nicht verstehen, aber sie klangen gehetzt und leicht panisch.

"Wer da?", erklang schließlich Kheros' Stimme, in der ein unverkennbar misstrauischer Unterton mitschwang.

"Ich bin's."

"Varis?" Die Tür öffnete sich ein Stück und helles Licht drang heraus, vor dem ein dunkler Schemen zu erkennen war. Schließlich streckte Kheros den Kopf durch den Türspalt. "Was machst du denn hier?"

"Ich bin geschäftlich hier.", wich Varis dem prüfenden Blick aus und versuchte vergeblich, etwas hinter Kheros zu erkennen.

Dieser blickte kurz in den Innenraum und wandte sich dann wieder Varis zu. "Hör mal, das geht heute nicht. Ich hab... Besuch. Du musst dir leider was anderes suchen für die Nacht." Er verzog bedauernd das Gesicht. "Morgen bin ich wieder für dich da."

Eine Weile starrte Varis ihn überrascht an. Kheros hatte ihn noch nie vor die Tür gesetzt. "Was für ein Besuch?", hakte er schließlich nach. Ihn beschlich langsam das dumpfe Gefühl, dass Arkas' Auftrag etwas ganz anderes beinhaltete, als er bisher vermutet hatte. Fand hier ein Treffen statt, an dem er teilnehmen sollte? Hatte Kheros deswegen seine kranke Schwester hinter den Tresen gestellt?

"Frage ich dich nach deinen Geschäften?", gab Kheros barsch zurück. Er schien sichtlich nervös und blickte immer wieder unbehaglich über die Schulter zurück.

"Kheros, was ist denn los?", erklang schließlich eine flüsternde Stimme hinter dem Wirt. "Wer ist da?"

"Ein alter Freund von mir, keine Sorge.", antwortete dieser über die Schulter hinweg. "Er ist gleich weg." Flehend blickte er Varis an. "Nun geh schon. Es tut mir wirklich leid, aber ich kann dich heute Abend nicht aufnehmen."

"Ich bin nicht hier, weil ich eine Unterkunft möchte. Meine Geschäfte führen mich hierher." Varis blickte ihn eindringlich an. Es gab im Moment nur einen Weg, herauszufinden, ob diese Versammlung dort drinnen etwas mit seinem Auftrag zu tun hatte. "Zu dir. Ich bin nur ein wenig spät dran, fürchte ich."

Schweigend musterte Kheros ihn. "Spät dran", echote er tonlos und zuckte zurück, als Varis bestätigend nickte. Dann hatte er sich wieder gefangen. "Du elender Taugenichts!", schimpfte er. "Hättest du das nicht mal eher sagen können, dass du hier auch mit von der Partie bist?" Er trat zurück und hielt einladend die Tür auf. "Komm rein, mein Lieber. Komm rein."

Neugierig trat Varis ein und blinzelte erst einmal geblendet in dem ihn empfangenden hellen Licht. Hinter ihm trat Kheros an ihn heran, legte ihm eine Hand auf die Schulter und lotste ihn nach links in sein geräumiges Wohnzimmer, in dem bereits einige Leute saßen.

"Hier haben wir noch ein verspätetes Mitglied unserer Runde", stellte Kheros ihn knapp vor.

"Und wer soll das sein?", erklang eine misstrauische Stimme aus einer Ecke und Kheros' Griff auf Varis' Schulter verkrampfte sich. "Ich habe ihn noch nie zuvor gesehen. Jemand von euch etwa?"

Während noch zustimmendes Gemurmel erklang, hatten Varis' Augen sich an die neuen Lichtverhältnisse gewöhnt und er ließ seinen Blick angespannt über die Versammelten schweifen. Knapp zwei Dutzend Männer und Frauen drängten sich hier zusammen.

Doch bevor Varis sich noch verteidigen konnte, hatte sich von einem Stuhl an der Wand eine bekannte Gestalt erhoben. Varis wäre fast der Kinnladen heruntergeklappt, als er den verdammten Feldwebel erkannte.

"Ich kenne ihn." Langsam schritt er auf Varis zu. "Du bist mir vor kurzem schon einmal begegnet, auf dem Weg nach Teheron, nicht wahr?"

Der Angesprochene nickte nur knapp und hoffte inständig, dass ihn niemand mit der toten Nonne in Verbindung bringen würde. Nun war er wohl in ein Treffen dieser unsinnigen Widerstandsbewegung geraten, von der er bei seinem Auftrag gehört hatte. Und Kheros war darin verwickelt? Er warf einen kurzen, besorgten Blick über die Schulter, als der Wirt seine Hand zurückzog.

"Und du bist auch mit dabei hier?" Der Feldwebel deutete auf die anderen Anwesenden.

Fieberhaft überlegte Varis, was er hier sollte. Davon, alle Anwesenden umzubringen, bis hin dazu, bei diesem Schwachsinn mitzumachen, wäre alles denkbar. Innerlich heftig auf Arkas und seine verdammten Geheimnisse fluchend nickte er wieder. Er musste das Spiel wohl oder übel erst einmal mitspielen.

"Geht es vielleicht etwas genauer? Wie du sicher schon gemerkt hast, sind wir alle etwas misstrauisch."

Noch während Varis den Mund auftat, öffnete sich die Tür hinter ihm und fiel mit einem lauten Krachen wieder ins Schloss.

"Na endlich, ich dachte schon, du kämst nicht mehr.", erklang Arkas' wohlbekannte Stimme munter und Varis atmete innerlich erleichtert auf. "Wie ich sehe, hast du dich unserer kleinen Runde schon vorgestellt." Nun war er an die drei Männer, die immer noch bei der Tür standen, herangetreten und zwinkerte Varis belustigt zu. "Können wir dann endlich anfangen? Jetzt sollten ja alle da sein, nicht wahr?"

"Warte mal, Arkas", hielt der Feldwebel ihn zurück. "Wer ist das?"

"Er ist neu bei uns, genießt aber mein vollstes Vertrauen und ich habe mir gestattet, ihn fortan als meine rechte Hand einzusetzen."

Wieder erhob sich Gemurmel, allerdings waren die misstrauischen Mienen verschwunden und neugierigen Blicken gewichen.

"Deine rechte Hand?", wiederholte Kheros.

"Von mir aus auch mein rechtes Auge, wenn du willst. Können wir dann endlich?" Er wandte sich um und trat an das Fenster heran. Schwungvoll setzte er sich auf das breite Fensterbrett und musterte die Anwesenden der Reihe nach aus dem freiliegenden Auge. Der Feldwebel folgte ihm mit einem letzten abschätzenden Seitenblick auf Varis und stellte sich neben Arkas an das Fenster, Kheros setzte sich zu ein paar Männern auf das Sofa.

Varis blickte sich suchend um. Sämtliche Sitzgelegenheiten waren aus den anderen Zimmern herangeschafft worden und nun ausnahmslos besetzt. Auch am Boden hatten sich einige niedergelassen, andere standen um das Sofa herum. Schließlich ging Varis langsam zu der dem Fenster gegenüberliegenden Wand und lehnte sich dagegen. Niemand achtete mehr auf ihn, alle Blicke hafteten an Arkas, der nun die Hände erhoben hatte.

"Willkommen, liebe Freunde", begann er. "Unsere Planung neigt sich ihrem Höhepunkt zu, wie ihr ja bereits wisst."

Während Arkas sprach, ließ Varis beiläufig seinen Blick über die Versammelten schweifen. Es waren hauptsächlich Männer, aber es saßen auch einige Frauen unter ihnen. Der Großteil trug einfache Kleidung, aber vereinzelt war auch ein kostbareres Stück darunter. Nahezu alle Altersgruppen waren vertreten und jeder lauschte konzentriert. Die Gesichter waren ernst, viele voller Eifer und Tatendrang.

Varis runzelte skeptisch die Stirn, während er sie musterte. Blauäugige Idealisten, die die große Revolution planten – und er selbst schon wieder mittendrin. Die Augen nun ebenfalls auf Arkas gerichtet, folgte er eher weiter seinen eigenen Gedanken als der kleinen Ansprache. Was dachte sich dieser Narr nur dabei, noch einmal so etwas aufzuziehen? Dass er bei diesen Leuten den Ton angab, war nicht zu übersehen – so, wie sie hingerissen an seinen Lippen hingen. Leise seufzend rollte Varis mit den Augen. Er hielt nicht viel von diesen revolutionären Wolkenschlössern.

In diesem Augenblick trat ein junger Mann neben ihn und unterbrach Varis' Grübeleien.

"'n Abend", sprach er ihn leise an und lächelte fröhlich. "Ich bin Jarev. Stört's dich, wenn ich mich zu dir geselle?"

Ohne eine Antwort abzuwarten lehnte er auch schon neben Varis an der Wand, der ihn von der Seite her schweigend musterte. Varis' Blick glitt über leicht zerstrubbeltes schwarzes Haar, begeistert glänzende blaue Augen und eine einfache, etwas abgenutzt wirkende braune Tunika. Die Hände ruhten in den Hosentaschen und das immer noch lächelnde Gesicht beugte sich näher zu Varis heran. "Und wie heißt du eigentlich? Arkas hat versäumt, dich richtig vorzustellen."

"Varis", gab der Angesprochene kurz angebunden zurück. Mit hochgezogenen Augenbrauen fixierte er Jarev und konnte eine gewisse Faszination nicht unterdrücken. Vor ihm stand wirklich ein überzeugter Vollblutrevolutionär, das konnte er in seinem Blick erkennen. Er hatte diesen Ausdruck bereits zuvor gesehen, vor langer Zeit. Sein Vater hatte denselben Blick gehabt und er selbst – ja, er selbst hatte ihn auch gehabt. Voller Hoffnung, voller Stolz, voller Tatendrang. Aber das war lange her. Sein Vater war einfach ein Träumer gewesen, der die Ungerechtigkeit der Welt nicht länger hinnehmen wollte. Er selbst konnte sich auf seine kindliche Naivität herausreden. Und was trieb Jarev an?

"Seit wann kennt ihr beide euch?"

"Schon länger."

"Und da stößt du erst jetzt zu uns?"

"Hat sich so ergeben."

"Na, aber jetzt bist du ja hier." Jarev ließ sich durch die ablehnende Haltung seines Gesprächspartners nicht beirren. "Ich nehme an, du weißt schon über alles Bescheid?"

Als Varis verneinend den Kopf schüttelte, grinste Jarev von einem Ohr zum anderen.

"Aber Arkas setzt dich als seine rechte Hand ein. Das ist mal wieder typisch." Er lachte leise und blickte kurz zu dem immer noch sprechenden Arkas. "Ich erklär' dir unseren Plan gerne später in aller Ruhe, wenn du möchtest. Aus Arkas kriegt man ja selten was raus, wenn man ihm näher steht. Daran wirst du dich noch gewöhnen, wenn du wirklich seine rechte Hand wirst."

"Ich weiß. Wir kennen uns bereits eine Weile."

"Dann ist ja gut. Weißt du, ich kenne Arkas schon seit meiner Geburt und deswegen stellt er mir ständig seine seltsamen Rätsel und lässt mich so lange im Dunkeln tappen, bis ich selbst Licht gemacht habe."

Bevor Jarev in seinem Redeschwall fortfahren konnte, hatte Arkas von begeistertem Applaus begleitet seine Ansprache beendet.

"Oh, jetzt habe ich doch glatt seine Rede verpasst." Mit leicht enttäuschtem Gesicht sah Jarev zu Arkas und stimmte halbherzig in das Klatschen mit ein.

"Ist doch ohnehin immer der selbe Unsinn." Mit den Schultern zuckend verschränkte Varis die Arme und musterte Jarev nun mit leichter Resignation. Die übliche wortkarge, ablehnende Haltung schien nicht einmal bis zu ihm durchzudringen, geschweige denn ihn auf Abstand zu bringen.

Jarev wandte sich zu Varis, blickte ihn erst verdutzt an, dann lachte er laut. "Ja, da hast du wohl Recht. Diese Ansprachen sind auch nur dazu da, um die Leute aufzuheizen und anzuspornen."

"Da braucht man bei dir ja wohl nicht nachhelfen." Noch während er sich fragte, ob er Jarev wenigstens hiermit loswerden konnte, lachte dieser wieder.

"Weißt du, Varis – ich mag dich!" Mit einem Grinsen boxte er Varis gegen die Schulter. "Ganz ehrlich, du bist ein feiner Kerl."

Nun selbst mehr als verdutzt starrte Varis den jungen Mann an und glaubte, sich verhört zu haben. Er – ein feiner Kerl? Dabei hatte er nur seine Ruhe haben wollen.

"Wenn die beiden Herren dort drüben ihr kleines Pläuschchen einstellen würden, könnten wir endlich zum eigentlichen Programm übergehen", lenkte Arkas' laute Stimme Varis' Aufmerksamkeit auf sich. "Danke sehr. Eran wird uns nun Bericht erstatten, wie es ihm auf seiner Mission ergangen ist – ich bin schon sehr gespannt."

Angespannt beobachtete Varis, wie nun der Feldwebel vortrat und sich demonstrativ räusperte.

"Danke, Arkas. Das war eine sehr inspirierende Ansprache." Varis stöhnte innerlich auf. Er hatte schon ganz vergessen, wie sehr er gegen die schleimige Art dieses Kerls allergisch war. "Nun, ich will es kurz halten. Meine Männer und ich sind also zu diesem Kloster aufgebrochen, von dem Arkas uns erzählt hat. Wir haben herausgefunden, welche der Nonnen die gesuchte Dame ist und haben uns nachts in ihr Zimmer geschlichen."

Varis merkte plötzlich, wie Jarev sich mit ähnlich angespannter Miene wie er selbst nach vorne gelehnt hatte und gebannt lauschte.

"Wir haben sie geweckt und ihr alles erklärt. Erst war sie dagegen, aber wir haben ein bisschen Druck gemacht und da hat sie eingewilligt." Er machte eine kurze Pause und fuhr sich unruhig mit der Zunge über die Lippen. Varis wusste, was nun kommen würde. "Dann ist sie plötzlich tot umgefallen."

Wieder folgte eine Pause, in der die Anwesenden Eran nur entgeistert anstarrten. Selbst ein wenig überrascht runzelte Varis die Stirn. Eran fasste sich ja wirklich sehr kurz.

"Sie ist tot umgefallen?", brach Arkas schließlich die Stille.

"Ja, einfach so. Vielleicht hat sie beim Essen Gift zu sich genommen."

Nachdenklich legte Arkas den Kopf schief, während Varis innerlich erleichtert aufseufzte. Also hatte Eran keine Ahnung, was wirklich geschehen war.

"Erzähl mal genauer. Wie hat sie sich benommen, bevor sie – wie sagtest du so schön? – umgefallen ist?" Varis richtete seinen Blick nun so eindringlich auf Arkas, als könnte er ihn damit von weiteren Fragen abhalten.

"Sie hat sich ein wenig aufgeregt, weil wir ihren Sohn erwähnt haben und wollte, dass wir ihn aus dem Spiel lassen. Dann ist sie gerade aufgestanden und auf uns zu gegangen, als sie auch schon tot am Boden lag."

"Keine Anzeichen, dass sie sich schon vorher unwohl gefühlt hat? Auch nicht, bevor sie zu Bett gegangen ist?" Die Anspannung, die eben erst von Varis gefallen war, kehrte mit einem Schlag zurück.

"Nein, nichts."

"Wie sah das Zimmer aus?"

"Wie ein Zimmer eben. Bett, Schrank, Fenster, sowas halt." Eran schien die Fragerei allmählich lästig zu werden.

"War das Fenster offen?" Varis traf diese Frage wie ein Schlag ins Gesicht. Ahnte Arkas etwas?

"Ich glaub schon. Warum?" Mit einem Grinsen verschränkte Eran die Arme. "Sie wurde wohl kaum von einem Lufthauch umgeworfen."

"Wohl kaum", bestätigte Arkas und ließ wie beiläufig seinen Blick über die Anwesenden streifen. Kaum merklich blieb er kurz an Varis hängen, der unbehaglich mit dem Fuß wippte. "Wie dem auch sei. Dieser Teil ist also schief gelaufen, aber keine Angst – so einfach sind wir nicht unterzukriegen."

Varis wusste nicht, ob er aufatmen konnte. Ging Arkas nun deswegen darüber hinweg, weil es nicht so wichtig war oder weil er ahnte, was wirklich passiert war?

"Wir ziehen alles wie geplant durch." Arkas durchquerte mit langen Schritten das Wohnzimmer und winkte Varis zu sich. "Kommst du kurz mit? Ich muss noch was mit dir besprechen."

Also wusste er es. Nur widerstrebend stieß Varis sich von der Wand ab und warf noch einen kurzen Blick auf Jarevs niedergeschlagene Miene. Als er Arkas folgte, ging er an einer ganzen Reihe enttäuschter Gesichter vorbei. Sie hatten wirklich große Hoffnungen in diese Nonne gesteckt – und er, Varis, hatte sie getötet. Er hoffte inständig, dass sie das nie erfuhren.

Nach Arkas trat er durch den Gang in das Gästezimmer, das durch die zugezogenen Vorhänge völlig im Dunkeln lag. Als die Tür hinter ihnen zuschlug, hatte Arkas Varis bereits an der Schulter gepackt und mit seinem Gewicht unsanft gegen die Wand gedrückt.

"Wer? Von wem kam der Auftrag?", zischte er leise.

Varis hatte sich schnell von seiner Überraschung erholt und setzte mit herausforderndem Tonfall zu einer Antwort an. "Vandros persönlich und nun lass los."

"Er wusste es?"

"Ich habe kein Ahnung, wie viel er von euch ahnt. Er wusste jedenfalls, dass das Mädchen lebte und hat mich beauftragt, sie zu finden und zu töten. Und ich habe meinen Auftrag ausgeführt. Reicht das jetzt endlich? Was willst du noch wissen? Seine Schuhgröße?"

Langsam zog Arkas sich zurück und ließ Varis los. "Entschuldige", gab er schließlich leise zurück. Eine kurze Stille schloss sich an, bis Arkas in nachdenklichem Ton fortfuhr. "Das ganze Zimmer war voll mit Erans Leuten. Warst du wirklich am Fenster?"

Mit schmerzverzerrtem Gesicht erinnerte Varis sich an den harten Aufprall an der Mauer bei seinem Sprung ins Freie. "Ja. Und ich habe das ganze Geschwafel mitanhören müssen. Welcher Schwachkopf hat sich denn diesen Unsinn ausgedacht?"

"Ich"

Wieder herrschte Stille.

"Hast du völlig den Verstand verloren?"

"Pass auf, was du sagst, mein Junge."

"Bist du denn noch zu retten?", brauste Varis weiter auf und hielt nur mühsam seine Lautstärke unter Kontrolle. "Was soll dieser Quatsch? Ihr wollt die Regierung stürzen, indem ihr eine Nonne auf irgendeinen Marktplatz stellt und behauptet, sie sei eine alte Geliebte des Hohepriesters, die überdies noch ein Kind von ihm hat? Wer soll das glauben? Damit könnt ihr nun wirklich keine Revolution anzetteln. Dass ausgerechnet du dir sowas Bescheuertes aus den Fingern saugst – hast du denn gar nichts dazugelernt?"

"Hör mir mal gut zu, Varis. Ich kann deinen Unmut gut verstehen. Aber dieser Quatsch, wie du es so verächtlich nennst, hätte uns etwas Zeit verschafft. Vandros wäre abgelenkt gewesen und in diesem Augenblick hätten wir zugeschlagen. Er ist nun einmal der am besten bewachte Beamte und deswegen müssen wir ihn irgendwie aus der Reserve locken. Glaub mir, ich hab mir das alles gut überlegt."

"Ist ja alles schön und gut, aber was soll ich nun bei der ganzen Veranstaltung?" Mit wachsender Verärgerung hatte Varis zugehört. Arkas hatte doch anscheinend genug Leute um sich herum – wozu zog er ihn also auch noch mit hinein?

"Du sollst uns helfen."

"Ich hab's befürchtet", schnaubte Varis genervt.

"Du wirst es noch verstehen", raunte Arkas ihm noch zu, bevor er den Gang durchquerte und zurück in die Helligkeit des Wohnzimmers trat.

Mit skeptisch gerunzelter Stirn folgte Varis ihm und nahm wieder seinen Platz neben Jarev ein. Er hatte keine Ahnung, was für eine Rolle er in dieser Aktion spielen sollte und war auch eigentlich nicht besonders scharf darauf, es herauszufinden. Sein Blick klebte düster an Arkas, der sich zu den Männern auf dem Sofa gesellt hatte und bereits eifrig in ein Gespräch vertieft war.

"Was wollte er denn?", riss Jarev ihn aus seinen Gedanken.

"Nichts", brummte Varis zurück und verschränkte abermals die Arme.

"Na dann." Unbeirrt plauderte Jarev munter weiter. "Ich nehme an, er hat dich immer noch nicht in unseren Plan eingeweiht?"

Ein genervtes Stöhnen unterdrückend schüttelte Varis den Kopf. Er wusste nicht, ob er diesen Plan überhaupt hören wollte.

"Das ist wirklich typisch", lachte Jarev und lehnte sich näher zu Varis herüber. "So ist er nun mal. Aber wir können ja eigentlich nur von Glück reden, dass wir ihn haben. Er ist ein toller Anführer."

Mit strahlendem Gesicht blickte er zu Arkas. Doch als Varis das begeisterte Glitzern in Jarevs Augen sah, zuckte er schmerzlich zusammen. Dieser Ausdruck entrückter Heldenverehrung kam ihm nur allzu bekannt vor.

"Und ich selbst habe ihm ja viel zu verdanken", fuhr Jarev etwas leiser fort, den Blick wieder auf Varis gerichtet, doch das Gesicht immer noch strahlend. "Ihm und Covan – also, das war Arkas' Freund. Die beiden haben damals schon einmal so etwas hier versucht." Er wies mit einer schwungvollen Geste auf den Rest der Versammlung, während Varis wie erstarrt neben ihm stand. Jedes Wort schien ihm die Innereien weiter zu verkrampfen, als Jarev unbekümmert fortfuhr. "Sind aber gescheitert. Das ist jetzt etwas mehr als zehn Jahre her, glaube ich. Ich wollte schon damals unbedingt mitmachen, aber sie ließen mich natürlich nicht." Wieder lachte er. "Jedenfalls, die beiden haben mir kurz nach meiner Geburt das Leben gerettet und sich seitdem um mich gekümmert. Covan allerdings dann nach seinem tragischen Tod natürlich nicht mehr. Ich weiß nicht, ob du schon von der ganzen Geschichte gehört hast – es muss wirklich schrecklich gewesen sein. Zumindest wenn man den Leuten, die es miterlebt haben, glauben kann. Hier sind nämlich noch ein paar der Mitstreiter von damals dabei und die erinnern sich natürlich noch. Immerhin ist das ganze Projekt schließlich daran gescheitert."

"Ich weiß", warf Varis ein um Jarev zu stoppen, bevor dieser in seinem Redeschwall fortfahren konnte. Er wollte diese Geschichte nicht aus dem Mund eines solchen kindlich-naiven Grünschnabels hören, der von der ganzen Sache doch keine Ahnung hatte. Seine Augen ruhten nun mit finsterem Blick wieder auf Arkas. "Ich kenne die Geschichte."

Nur allzu gut, wie er insgeheim hinzusetzte. Schließlich war er selbst dabei gewesen, als sein Vater starb.
 

~~~~~~~~~~~ Lys Laberecke ~~~~~~~~~~~
 

Bevor der Unistress aufs Neue losgeht, hier noch das nächste Kapitel :3 mit einem neuen Chara \^^/ und ein paar Brocken mehr von Varis' Vergangenheit :)

Und... ihr dürft ruhig Spekulationen anstellen ^^ ich les sowas wahnsinnig gern xD

Gruß an den Zirkel :) Fühlt euch mal alle gedrückt xD

Hm... will mir irgendwer eine meiner Malplatten (10x10cm) bepinseln? XD ich komm immer nie dazu *seufz* also falls irgendwer zu viel Zeit hat... *lach* bzw. falls irgendwer an meiner Wand hängen möchte o.o'



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Kommentare zu dieser Fanfic (61)
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Von:  Ned
2008-05-03T10:51:17+00:00 03.05.2008 12:51
Deine Geschichte hat soeben einen neuen Fan gewonnen. ^.~
Die Story ist verdammt interessant zu lesen und ich fühle mich gezwungen, immer mitzudenken aus Neugier, was Varis als nächstes erwarten wird; den Aufbau finde ich vom ersten Kapitel an sehr gut und gut ist auch, dass immer mehr aufgedeckt wird, wobei noch mehr Fragen auftauchen (finde ich) - und die Charaktere sind toll, wie sie zusammenhängen... Diese Story zu lesen macht richtig Spaß, auch wenn es meinen Augen nicht ganz bekommen hat, dass ich ihnen keine Pause gegönnt habe *trän*; ich glaube, ich werde nun öfter hier reinschauen, weil ich nun unbedingt wissen will, wie es weitergeht. (wie ist der Plan? >_> wie geht es weiter? >_>)
Von: abgemeldet
2008-05-03T08:56:13+00:00 03.05.2008 10:56
mist >.<
also doch nicht ganz so wie ich dachte *lol*
Das ist ja das tolle an der Sache! Du schreibst viel, und durchgehend, und es ist noch genauso spannend und aufregend wie auf der ersten Seite! *strahl*
Und mit den Kapis verhält sich die Sache eben genauso ^^

Nur ganz zum Schluss *heul*... hach, meine Nerven *schluchz* armer Varis... wenn ich er gewesen wär, hätt ich den Jungen neben mir schon lange angeschnauzt XD - und dann hätt ich ihm auch noch unter die Nase gerieben, dass das mein Vater war ^^
Von: abgemeldet
2008-05-03T08:31:01+00:00 03.05.2008 10:31
HA!
Hab ich doch gewusst, dass es da einen Haken gibt! *mir selbst auf die Schulter klopf* XD
Mann, du hast die gesamte Story echt gut durchdacht... *bewunder*
ich maaaaaaaaag deinen Stil ^^
Von: abgemeldet
2008-05-03T08:11:48+00:00 03.05.2008 10:11
*kicher*
ich fands echt lustig ^^
und spannend wirds jetzt auch richtig...
Nur bei Arkas bin ich mir nicht sicher, ob er nicht vielleicht doch Varis in eine Falle locken will / muss. Zumindest empfinde ist das alles so, wenn ichs lese - auch wenn ich mir bewusst bin, dass die zwei wohl gute Freunde sind...


Von:  Jerra
2008-04-21T17:17:51+00:00 21.04.2008 19:17
wie bereits angekündigt von mir einen kürzeren kommentar als üblich, denn ich habe mich ja eigentlich schon recht ausführlich zu manchen stellen ausgelassen *hust*

also erstmal im rückblick auf das letzte kapitel: da hast du uns ja alle (oder zumindest mich Oo) gründlich in die irre geführt! von wegen kheros muss sterben und arkas is voll gnadenlos und so...*grummel* ich fühle mich verarscht XD also nicht, dass ich wollte dass es so kommt o.o ich bin dir nur voll auf den leim gegangen XD gut eingefädelt!

jetzt zu deinem neusten streich...
neue charaktere! *.* das ist sehr erfrischend und war sicher schon länger an der zeit, auch wenn mir das bisher nicht so aufgefallen ist. immerhin hat man mit varis und arkas schon genug zu tun XD
ich finde es gut, dass du (in version xtausend) die schwester noch einmal hast auftauchen lassen. ich finde geschichten, in denen irgendwo mal ein chara auftaucht aber ohne funktion bleibt und nie mehr wieder vorkommt, irgendwie komisch ôo. aber hier hat kheros' schwester ja noch ne aufgabe bekommen (oder wird auch in zukunft noch eine rolle spielen...?).
außerdem der feldwebel - wer hätte mit dem nochmal gerechnet! und dann auch noch auf der seite der... "guten", wenn man das so sagen kann. trotzdem kommt seine plumbe art gut rüber, kann aber in zukunft auch noch mehr unterstrichen werden ; )
dann natürlich wieder unser lieblings-dialogpaar varis und arkas *.* ich weiß ja nicht, wie es den anderen geht, aber ich kann mich in diesem kapitel eigentlich sehr gut mit varis identifizieren und sehe arkas mindestens genauso fragend an, wie er ôo *lach* ich mag sowieso die position, die varis in der ganzen revolutions-geschichte einnimmt: zunächst wirkt er resignierend, teilnahmslos und seine (gedanklichen) kommentare zu den bemühungen der anderen sind köstlich. aber im nachhinein erfährt man nun, dass er auch aus anderen gründen etwas gegen derartige aktionen haben könnte...
uuund... der neue chara überhaupt - jarev! *knuff* ein toller gegenpol zu varis. aber noch besser finde ich es eigentlich, wie du (zumindest bei mir) so ein leicht zwiespältiges gefühl ihm gegenüber aufgebaut hast. einerseits ist er natürlich einfach knuffig und so weiter, aber andererseits kann man varis' "kindlich-naiver Grünschnabel" (ich hätte es vielleicht sogar noch drastischer formuliert) voll und ganz nachvollziehen. immerhin rührt er da mehr oder minder an varis' stärksten gefühlen, aber so ebenmal im nebensatz. er kann ja nichts dafür, weiß es nicht besser, aber man ist ihm unwillkührlich böse dafür... o.o

ansonsten... nix zu meckern ^^ toller aufbau, die länge ist gerechtfertigt und logisch passt (jetzt) auch alles!
Von:  Temel
2008-04-16T10:00:52+00:00 16.04.2008 12:00
*zurücklehn* Hmm, mal wieder viel zu lesen xD Endlich kommt Spannung in den Streifen! Weiß gar nicht wie ich jetzt anfangen soll...
Erstmal: Es ist ein tolles Kapitel geworden, lang aber net langweilig. Schon der Anfang mit der etwas mürrischen, nicht gut auf Varis zu sprechenden Schwester...
Ja und dann die Versammlung selbst, alles fügt sich wie ein Puzzel zusammen, was Arkas sagte, der Mord an der Nonne, etc, so langsam bekommts einen Sinn... aber ich werd mich trotzdem hüten hier sinnlos zu spekulieren, auch was den "neuen" angeht, er könnte ja der Sohn sein oder vllt auch nicht aber der taucht best. irgendwann auf. Was weiß ich schon in meinem jugendlichen Leichtsinn!

Äh gut, man hört, mir fällt wie immer nix tolles ein. Ich finds, ebenfalls wie immer, schön spannend abr auch anspruchsvoll geschrieben. Hoffentlich wird dieses Semester nicht wieder so anstrengend für dich, sonst dauerts wieder so lange bis was neues kommt! ^^

(Was für Rahmen zum Bemalen???)
Von:  Temel
2008-03-24T18:30:34+00:00 24.03.2008 19:30
Hui, da isses ja... das geht ja ganz schön brutal zu, fast noch schlimmer als in meinen Comics... und der hat echt nen tollen Erziehungsstil, erinnert mich glatt an meine Tante! xD
*räusper*
Gut ernsthaft. Bis auf die tatsache, dass ich jetzt auch nicht schlauer bin als zuvor, obwohl man n bissl was aus Varis Vergangenheit erfährt, find ichs wie immer sehr gut, schön formuliert, nicht zu viel verraten aber auch nicht zu viel verschwiegen. Ich würd gern echt mal klar wissen, was da abgeht, scheint ja erst richtig loszugehen! Mann...
Ich fand das Gespräch zwischen Arkas und Varis natürlich auch gut, wie meine Vorkommentatoren auch schon. Arkas wirkt als der Überlegene, irgendwie mag ich das... erscheint mir logisch...
Ach, ich bin noch zu keinem klaren Gedanken fähig, muss mich erst richtig auswärmen, also verzeih diesen sinnlosen Kommentar, aber das muss reichen! xD
Von: abgemeldet
2008-03-24T18:12:03+00:00 24.03.2008 19:12
hm '_'.. und die Spannung geht weiter. Aber schön mal bisschen mehr von der Beziehung der beiden zu erfahren, nachdem es im letzten Kapitel doch eher nur um die weniger harte Seite von dieser ging oO; Und so richtig böse kann ich auf Arkas (noch) nicht sein xD;.. bis jetzt ist das eine nur eine Vermutung und zumindest hat er den Kleinen damals unter seine Fittiche genommen (was man nun gut oder schlecht finden kann ^^; je nach dem), wenn auch etwas arg ( ;_;!!) brutal..
jaaa.. ich hoffe auf eine sehr baldige Fortsetzung *_*

Von:  Jerra
2008-03-24T18:07:24+00:00 24.03.2008 19:07
erste!

*hände reib* na dann, wollen wir dich... äh.. das kapitel doch mal auseinander nehmen...

wie schon gesagt sind einige ziemlich geniale passagen darin, die dem spannungsaufbau nur gut tun. am besten finde ich da den absatz Seine Finger, die immer noch sacht auf dem Umschlag ruhten, ... Teheron, Schwarzer Falke. immer mit diesen parallelen einschüben dazwischen – erste sahne ; )

was ich witzig finde ist, sich bei der ganzen szene „varis liegt auf der wiese, bricht auf und läuft nach teheron“ seine bewegungen und gesichtsausdrücke vorzustellen. ist bestimmt lustig, wenn er ab und zu mal stehen bleibt, mal schneller und mal langsamer läuft usw XD das soll jetzt keine kritik sein – ich finde seine gefühle hier sehr gut beschrieben und in die „tat“ umgesetzt; zudem ist er reichlich aufgewühlt und in aller öffentlichkeit würde er sich sicher auch nicht so merkwürdig verhalten.

oookay... jetzt mal ganz langsam zu dieser ganzen soll-kheros-sterben-sache... das ist nicht dein ernst, oder?! außerdem finde ich es reiflich voreilig von varis, sofort anzunehmen, dass kheros etwas mit der sache zu tun hat, wenn er nur den namen seines gasthauses liest. das könnte doch auch zufall sein, oder? und außerdem... bei allem respekt, aber dann wäre arkas echt unten durch bei mir >.< dann könnte ich mir eher noch vorstellen, dass varis sich gegen arkas richtet und meinetwegen die namen aus ihm herauspresst, mit einem messer an dessen kehle (denn ebenbürtig sollte er ihm mit der zeit doch geworden sein, außerdem hat er jüngere knochen), um seinen freund zu schützen. ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass varis so blind gehorcht. ich meine... es geht hier weniger um irgendwelche sympathien für kheros als mehr um die tatsache, was für ein... psycho arkas wäre, wenn er das tun würde. ich meine, einfach so unschludige menschen umbringen – das passt irgendwie alles nicht zusammen. wo es doch erwiesen ist, was für ein großes herz arkas hat – man siehe nur seine freundschaft zu varis’ vater und seine sorge um varis selbst. er kann das doch nicht wirklich wollen ;____; oder? ...oder? T______T (mistkerl!)

jetzt... die erinnerungsszene *seufz* ich weiß ja nicht, was deine alternative gewesen wäre, aber ich finde nicht, dass die szene hier zu früh kommt. man erfährt endlich mal was und alles scheint sich plötzlich wahnsinnig zu beschleunigen, kommt ins rollen. außerdem kann sich der leser an dem aha-effekt erfreuen, wenn er jetzt an dem ein oder anderen ende einen gedankenkreis schließen kann, zb was dein bild „und ab da war alles zu ende“ angeht.
ansonsten finde ich, dass du varis’ kindliches gemüt und seine emotionalität, die noch so ganz frisch und ungezügelt ist, wirklich gut rüber gebracht hast. auch im bezug auf arkas’ – und ja, ein dermaßen ruhiges gemüt neben sich zu haben in solchen situationen kann einen absolut aufregen *seufz* - er kommt teilweise echt cool rüber, das erste mal irgendwie, dass ich zu begreifen beginne, was diesen „arkas“ eigentlich ausmacht : )
"Ich bin nicht schwach!"
"Doch, Junge. Das bist du."

... ist dabei eine meiner lieblingsstellen.
seine darauffolgende „erziehungsmaßnahme“ finde ich nicht schlimm, eher den umständen entsprechend das einzig richtige. es ist wie mit einem kind, dass sich leidenschaftlich heulend und schreiend so weit hochgeschaukelt hat, bis es gar nichts mehr wahrnimmt und das man unter eine kalte dusche stellt, damit es wieder zu sich kommt. diese szene klärt also einiges im verständnis von arkas’ und varis’ beziehung. hier sammelt arkas bei mir wieder bonuspunkte, die ihm aber nicht viel nützen werden, sollte er auch nur an etwas so grausames denken, wie oben mit kheros... ò_ó

tja, also insgesamt ein sehr entscheidendes kapitel und das ende ist – wie bereits erwähnt – absolut nicht zufriedenstellend, aber irgendwo muss das kapitel ja mal zu ende sein XD und ich bin außerdem froh, dass ich mit meiner interpretation in „a seaside meeting“ nicht ganz danebenlag ^-^

nun denn, worauf wartest du? ; ) *wieder an die arbeit scheuch*

Von: abgemeldet
2008-03-24T16:07:19+00:00 24.03.2008 17:07
'_' ich hoffe nun STARK, dass sich Mexxle beeilt, denn das Kapitel schreit nach SPANNUNG! Grad das Ende!
Und das die beiden sich wahrlich blind verstehen hast du gut rübergebracht *_*! Und dazu diese netten Einlagen wie „Es ist dein Garten, also auch deine Leiche.“ xDDD Tolles Hin-und-Her xD
... und nun möge Mexx bitte schnell das neue Kapitel zeigen '_'!


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