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Abandoned

von

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Kapitel 9: Meetings

Etwas außer Atem eilte Varis die Straßen Teherons entlang, denn die Sonne war bereits vor einer knappen halben Stunde hinter dem Horizont verschwunden. Anspannung und Besorgnis ließen seinen Blick ständig unruhig über die Umgebung wandern. Geschickt schlängelte er sich durch die Massen auf dem hell erleuchteten Marktplatz, bis er endlich in die Seitengasse einbog, in der sich der Schwarze Falke befand.

Einladende Lichter erhellten die Gasse und Stimmengewirr drang durch die Tür, als ein hochgewachsener Mann in braunem Umhang aus dem Wirtshaus trat und an Varis vorbei zum Marktplatz eilte. Varis schlüpfte durch die Tür noch bevor sie zuschlug und blinzelte ein wenig in dem hellen Licht.

Seine Augen hatten sich schnell eingewöhnt und so sah er sich erst einmal suchend um. An den wuchtigen Holztischen saßen die üblichen Gäste und viele zechten bereits ordentlich. Varis' Blick glitt nervös weiter umher auf der Suche nach Arkas, konnte ihn aber nicht ausmachen. Auch Kheros war nicht aufzufinden, stattdessen stand seine stämmige Schwester hinter dem Tresen und stellte gerade mit mürrisch verkniffenem Mund einen Krug Bier vor einen Gast. Ihr Gesicht war fast weiß und ihr Blick leicht glasig – scheinbar hatte sie ihre Krankheit noch nicht ausgestanden. Doch warum bediente sie dann?

Die Stirn in tiefe Falten gelegt stand Varis einen Augenblick lang unschlüssig da, dann schritt er auf den Tresen zu.

"Hallo Nirene", grüßte er vorsichtig Kheros' Schwester und wurde auch sofort von einem düsteren Blick gemustert, als diese ihn erkannte.

"Du schon wieder." Sie stützte sich auf den Tresen und lehnte sich weiter zu ihm vor. "Was willst du?"

"Wo ist Kheros?"

"Oben."

"Ist er krank?"

"Nein."

"Warum schiebst dann du Dienst?"

"Er hat keine Zeit. Und nun sieh zu, dass du weg kommst. Dir schenke ich nichts aus!" Mit einem offen feindseligen Blick ließ sie ihn stehen und stapfte zu einem der Tische.

Varis sah ihr kurz nach und zuckte schließlich mit den Schultern. Was Nirene von ihm dachte, wusste er ja bereits. Sie hielt ihn für einen schlechten Umgang für ihren Bruder und zeigte das auch bei jeder Gelegenheit.

Leise seufzend schritt Varis durch den Schankraum und trat durch die Tür ins Treppenhaus. Nachdenklich schlich er mit gewohnter Sicherheit die Stufen im Dunkeln empor. Warum ließ Kheros seine Schwester arbeiten, wenn sie sichtlich immer noch nicht gesund war? Er war doch sonst immer so fürsorglich ihr gegenüber.

Oben angekommen drückte Varis die Klinke nach unten und stieß erst einmal unsanft gegen die Tür. Abgeschlossen. Stirnrunzelnd starrte er in die Finsternis. Kheros schloss nie ab. Also was in aller Welt ging hier vor sich? Gehörte das bereits zu Arkas' Auftrag?

Tief Luft holend klopfte er kräftig. Eine Weile geschah nichts und Varis hatte gerade einen Draht aus der Tasche holen wollen, um sich selbst Zutritt zu verschaffen, als er durch die Tür mehrere leise Stimmen hörte. Was sie sagten, konnte er nicht verstehen, aber sie klangen gehetzt und leicht panisch.

"Wer da?", erklang schließlich Kheros' Stimme, in der ein unverkennbar misstrauischer Unterton mitschwang.

"Ich bin's."

"Varis?" Die Tür öffnete sich ein Stück und helles Licht drang heraus, vor dem ein dunkler Schemen zu erkennen war. Schließlich streckte Kheros den Kopf durch den Türspalt. "Was machst du denn hier?"

"Ich bin geschäftlich hier.", wich Varis dem prüfenden Blick aus und versuchte vergeblich, etwas hinter Kheros zu erkennen.

Dieser blickte kurz in den Innenraum und wandte sich dann wieder Varis zu. "Hör mal, das geht heute nicht. Ich hab... Besuch. Du musst dir leider was anderes suchen für die Nacht." Er verzog bedauernd das Gesicht. "Morgen bin ich wieder für dich da."

Eine Weile starrte Varis ihn überrascht an. Kheros hatte ihn noch nie vor die Tür gesetzt. "Was für ein Besuch?", hakte er schließlich nach. Ihn beschlich langsam das dumpfe Gefühl, dass Arkas' Auftrag etwas ganz anderes beinhaltete, als er bisher vermutet hatte. Fand hier ein Treffen statt, an dem er teilnehmen sollte? Hatte Kheros deswegen seine kranke Schwester hinter den Tresen gestellt?

"Frage ich dich nach deinen Geschäften?", gab Kheros barsch zurück. Er schien sichtlich nervös und blickte immer wieder unbehaglich über die Schulter zurück.

"Kheros, was ist denn los?", erklang schließlich eine flüsternde Stimme hinter dem Wirt. "Wer ist da?"

"Ein alter Freund von mir, keine Sorge.", antwortete dieser über die Schulter hinweg. "Er ist gleich weg." Flehend blickte er Varis an. "Nun geh schon. Es tut mir wirklich leid, aber ich kann dich heute Abend nicht aufnehmen."

"Ich bin nicht hier, weil ich eine Unterkunft möchte. Meine Geschäfte führen mich hierher." Varis blickte ihn eindringlich an. Es gab im Moment nur einen Weg, herauszufinden, ob diese Versammlung dort drinnen etwas mit seinem Auftrag zu tun hatte. "Zu dir. Ich bin nur ein wenig spät dran, fürchte ich."

Schweigend musterte Kheros ihn. "Spät dran", echote er tonlos und zuckte zurück, als Varis bestätigend nickte. Dann hatte er sich wieder gefangen. "Du elender Taugenichts!", schimpfte er. "Hättest du das nicht mal eher sagen können, dass du hier auch mit von der Partie bist?" Er trat zurück und hielt einladend die Tür auf. "Komm rein, mein Lieber. Komm rein."

Neugierig trat Varis ein und blinzelte erst einmal geblendet in dem ihn empfangenden hellen Licht. Hinter ihm trat Kheros an ihn heran, legte ihm eine Hand auf die Schulter und lotste ihn nach links in sein geräumiges Wohnzimmer, in dem bereits einige Leute saßen.

"Hier haben wir noch ein verspätetes Mitglied unserer Runde", stellte Kheros ihn knapp vor.

"Und wer soll das sein?", erklang eine misstrauische Stimme aus einer Ecke und Kheros' Griff auf Varis' Schulter verkrampfte sich. "Ich habe ihn noch nie zuvor gesehen. Jemand von euch etwa?"

Während noch zustimmendes Gemurmel erklang, hatten Varis' Augen sich an die neuen Lichtverhältnisse gewöhnt und er ließ seinen Blick angespannt über die Versammelten schweifen. Knapp zwei Dutzend Männer und Frauen drängten sich hier zusammen.

Doch bevor Varis sich noch verteidigen konnte, hatte sich von einem Stuhl an der Wand eine bekannte Gestalt erhoben. Varis wäre fast der Kinnladen heruntergeklappt, als er den verdammten Feldwebel erkannte.

"Ich kenne ihn." Langsam schritt er auf Varis zu. "Du bist mir vor kurzem schon einmal begegnet, auf dem Weg nach Teheron, nicht wahr?"

Der Angesprochene nickte nur knapp und hoffte inständig, dass ihn niemand mit der toten Nonne in Verbindung bringen würde. Nun war er wohl in ein Treffen dieser unsinnigen Widerstandsbewegung geraten, von der er bei seinem Auftrag gehört hatte. Und Kheros war darin verwickelt? Er warf einen kurzen, besorgten Blick über die Schulter, als der Wirt seine Hand zurückzog.

"Und du bist auch mit dabei hier?" Der Feldwebel deutete auf die anderen Anwesenden.

Fieberhaft überlegte Varis, was er hier sollte. Davon, alle Anwesenden umzubringen, bis hin dazu, bei diesem Schwachsinn mitzumachen, wäre alles denkbar. Innerlich heftig auf Arkas und seine verdammten Geheimnisse fluchend nickte er wieder. Er musste das Spiel wohl oder übel erst einmal mitspielen.

"Geht es vielleicht etwas genauer? Wie du sicher schon gemerkt hast, sind wir alle etwas misstrauisch."

Noch während Varis den Mund auftat, öffnete sich die Tür hinter ihm und fiel mit einem lauten Krachen wieder ins Schloss.

"Na endlich, ich dachte schon, du kämst nicht mehr.", erklang Arkas' wohlbekannte Stimme munter und Varis atmete innerlich erleichtert auf. "Wie ich sehe, hast du dich unserer kleinen Runde schon vorgestellt." Nun war er an die drei Männer, die immer noch bei der Tür standen, herangetreten und zwinkerte Varis belustigt zu. "Können wir dann endlich anfangen? Jetzt sollten ja alle da sein, nicht wahr?"

"Warte mal, Arkas", hielt der Feldwebel ihn zurück. "Wer ist das?"

"Er ist neu bei uns, genießt aber mein vollstes Vertrauen und ich habe mir gestattet, ihn fortan als meine rechte Hand einzusetzen."

Wieder erhob sich Gemurmel, allerdings waren die misstrauischen Mienen verschwunden und neugierigen Blicken gewichen.

"Deine rechte Hand?", wiederholte Kheros.

"Von mir aus auch mein rechtes Auge, wenn du willst. Können wir dann endlich?" Er wandte sich um und trat an das Fenster heran. Schwungvoll setzte er sich auf das breite Fensterbrett und musterte die Anwesenden der Reihe nach aus dem freiliegenden Auge. Der Feldwebel folgte ihm mit einem letzten abschätzenden Seitenblick auf Varis und stellte sich neben Arkas an das Fenster, Kheros setzte sich zu ein paar Männern auf das Sofa.

Varis blickte sich suchend um. Sämtliche Sitzgelegenheiten waren aus den anderen Zimmern herangeschafft worden und nun ausnahmslos besetzt. Auch am Boden hatten sich einige niedergelassen, andere standen um das Sofa herum. Schließlich ging Varis langsam zu der dem Fenster gegenüberliegenden Wand und lehnte sich dagegen. Niemand achtete mehr auf ihn, alle Blicke hafteten an Arkas, der nun die Hände erhoben hatte.

"Willkommen, liebe Freunde", begann er. "Unsere Planung neigt sich ihrem Höhepunkt zu, wie ihr ja bereits wisst."

Während Arkas sprach, ließ Varis beiläufig seinen Blick über die Versammelten schweifen. Es waren hauptsächlich Männer, aber es saßen auch einige Frauen unter ihnen. Der Großteil trug einfache Kleidung, aber vereinzelt war auch ein kostbareres Stück darunter. Nahezu alle Altersgruppen waren vertreten und jeder lauschte konzentriert. Die Gesichter waren ernst, viele voller Eifer und Tatendrang.

Varis runzelte skeptisch die Stirn, während er sie musterte. Blauäugige Idealisten, die die große Revolution planten – und er selbst schon wieder mittendrin. Die Augen nun ebenfalls auf Arkas gerichtet, folgte er eher weiter seinen eigenen Gedanken als der kleinen Ansprache. Was dachte sich dieser Narr nur dabei, noch einmal so etwas aufzuziehen? Dass er bei diesen Leuten den Ton angab, war nicht zu übersehen – so, wie sie hingerissen an seinen Lippen hingen. Leise seufzend rollte Varis mit den Augen. Er hielt nicht viel von diesen revolutionären Wolkenschlössern.

In diesem Augenblick trat ein junger Mann neben ihn und unterbrach Varis' Grübeleien.

"'n Abend", sprach er ihn leise an und lächelte fröhlich. "Ich bin Jarev. Stört's dich, wenn ich mich zu dir geselle?"

Ohne eine Antwort abzuwarten lehnte er auch schon neben Varis an der Wand, der ihn von der Seite her schweigend musterte. Varis' Blick glitt über leicht zerstrubbeltes schwarzes Haar, begeistert glänzende blaue Augen und eine einfache, etwas abgenutzt wirkende braune Tunika. Die Hände ruhten in den Hosentaschen und das immer noch lächelnde Gesicht beugte sich näher zu Varis heran. "Und wie heißt du eigentlich? Arkas hat versäumt, dich richtig vorzustellen."

"Varis", gab der Angesprochene kurz angebunden zurück. Mit hochgezogenen Augenbrauen fixierte er Jarev und konnte eine gewisse Faszination nicht unterdrücken. Vor ihm stand wirklich ein überzeugter Vollblutrevolutionär, das konnte er in seinem Blick erkennen. Er hatte diesen Ausdruck bereits zuvor gesehen, vor langer Zeit. Sein Vater hatte denselben Blick gehabt und er selbst – ja, er selbst hatte ihn auch gehabt. Voller Hoffnung, voller Stolz, voller Tatendrang. Aber das war lange her. Sein Vater war einfach ein Träumer gewesen, der die Ungerechtigkeit der Welt nicht länger hinnehmen wollte. Er selbst konnte sich auf seine kindliche Naivität herausreden. Und was trieb Jarev an?

"Seit wann kennt ihr beide euch?"

"Schon länger."

"Und da stößt du erst jetzt zu uns?"

"Hat sich so ergeben."

"Na, aber jetzt bist du ja hier." Jarev ließ sich durch die ablehnende Haltung seines Gesprächspartners nicht beirren. "Ich nehme an, du weißt schon über alles Bescheid?"

Als Varis verneinend den Kopf schüttelte, grinste Jarev von einem Ohr zum anderen.

"Aber Arkas setzt dich als seine rechte Hand ein. Das ist mal wieder typisch." Er lachte leise und blickte kurz zu dem immer noch sprechenden Arkas. "Ich erklär' dir unseren Plan gerne später in aller Ruhe, wenn du möchtest. Aus Arkas kriegt man ja selten was raus, wenn man ihm näher steht. Daran wirst du dich noch gewöhnen, wenn du wirklich seine rechte Hand wirst."

"Ich weiß. Wir kennen uns bereits eine Weile."

"Dann ist ja gut. Weißt du, ich kenne Arkas schon seit meiner Geburt und deswegen stellt er mir ständig seine seltsamen Rätsel und lässt mich so lange im Dunkeln tappen, bis ich selbst Licht gemacht habe."

Bevor Jarev in seinem Redeschwall fortfahren konnte, hatte Arkas von begeistertem Applaus begleitet seine Ansprache beendet.

"Oh, jetzt habe ich doch glatt seine Rede verpasst." Mit leicht enttäuschtem Gesicht sah Jarev zu Arkas und stimmte halbherzig in das Klatschen mit ein.

"Ist doch ohnehin immer der selbe Unsinn." Mit den Schultern zuckend verschränkte Varis die Arme und musterte Jarev nun mit leichter Resignation. Die übliche wortkarge, ablehnende Haltung schien nicht einmal bis zu ihm durchzudringen, geschweige denn ihn auf Abstand zu bringen.

Jarev wandte sich zu Varis, blickte ihn erst verdutzt an, dann lachte er laut. "Ja, da hast du wohl Recht. Diese Ansprachen sind auch nur dazu da, um die Leute aufzuheizen und anzuspornen."

"Da braucht man bei dir ja wohl nicht nachhelfen." Noch während er sich fragte, ob er Jarev wenigstens hiermit loswerden konnte, lachte dieser wieder.

"Weißt du, Varis – ich mag dich!" Mit einem Grinsen boxte er Varis gegen die Schulter. "Ganz ehrlich, du bist ein feiner Kerl."

Nun selbst mehr als verdutzt starrte Varis den jungen Mann an und glaubte, sich verhört zu haben. Er – ein feiner Kerl? Dabei hatte er nur seine Ruhe haben wollen.

"Wenn die beiden Herren dort drüben ihr kleines Pläuschchen einstellen würden, könnten wir endlich zum eigentlichen Programm übergehen", lenkte Arkas' laute Stimme Varis' Aufmerksamkeit auf sich. "Danke sehr. Eran wird uns nun Bericht erstatten, wie es ihm auf seiner Mission ergangen ist – ich bin schon sehr gespannt."

Angespannt beobachtete Varis, wie nun der Feldwebel vortrat und sich demonstrativ räusperte.

"Danke, Arkas. Das war eine sehr inspirierende Ansprache." Varis stöhnte innerlich auf. Er hatte schon ganz vergessen, wie sehr er gegen die schleimige Art dieses Kerls allergisch war. "Nun, ich will es kurz halten. Meine Männer und ich sind also zu diesem Kloster aufgebrochen, von dem Arkas uns erzählt hat. Wir haben herausgefunden, welche der Nonnen die gesuchte Dame ist und haben uns nachts in ihr Zimmer geschlichen."

Varis merkte plötzlich, wie Jarev sich mit ähnlich angespannter Miene wie er selbst nach vorne gelehnt hatte und gebannt lauschte.

"Wir haben sie geweckt und ihr alles erklärt. Erst war sie dagegen, aber wir haben ein bisschen Druck gemacht und da hat sie eingewilligt." Er machte eine kurze Pause und fuhr sich unruhig mit der Zunge über die Lippen. Varis wusste, was nun kommen würde. "Dann ist sie plötzlich tot umgefallen."

Wieder folgte eine Pause, in der die Anwesenden Eran nur entgeistert anstarrten. Selbst ein wenig überrascht runzelte Varis die Stirn. Eran fasste sich ja wirklich sehr kurz.

"Sie ist tot umgefallen?", brach Arkas schließlich die Stille.

"Ja, einfach so. Vielleicht hat sie beim Essen Gift zu sich genommen."

Nachdenklich legte Arkas den Kopf schief, während Varis innerlich erleichtert aufseufzte. Also hatte Eran keine Ahnung, was wirklich geschehen war.

"Erzähl mal genauer. Wie hat sie sich benommen, bevor sie – wie sagtest du so schön? – umgefallen ist?" Varis richtete seinen Blick nun so eindringlich auf Arkas, als könnte er ihn damit von weiteren Fragen abhalten.

"Sie hat sich ein wenig aufgeregt, weil wir ihren Sohn erwähnt haben und wollte, dass wir ihn aus dem Spiel lassen. Dann ist sie gerade aufgestanden und auf uns zu gegangen, als sie auch schon tot am Boden lag."

"Keine Anzeichen, dass sie sich schon vorher unwohl gefühlt hat? Auch nicht, bevor sie zu Bett gegangen ist?" Die Anspannung, die eben erst von Varis gefallen war, kehrte mit einem Schlag zurück.

"Nein, nichts."

"Wie sah das Zimmer aus?"

"Wie ein Zimmer eben. Bett, Schrank, Fenster, sowas halt." Eran schien die Fragerei allmählich lästig zu werden.

"War das Fenster offen?" Varis traf diese Frage wie ein Schlag ins Gesicht. Ahnte Arkas etwas?

"Ich glaub schon. Warum?" Mit einem Grinsen verschränkte Eran die Arme. "Sie wurde wohl kaum von einem Lufthauch umgeworfen."

"Wohl kaum", bestätigte Arkas und ließ wie beiläufig seinen Blick über die Anwesenden streifen. Kaum merklich blieb er kurz an Varis hängen, der unbehaglich mit dem Fuß wippte. "Wie dem auch sei. Dieser Teil ist also schief gelaufen, aber keine Angst – so einfach sind wir nicht unterzukriegen."

Varis wusste nicht, ob er aufatmen konnte. Ging Arkas nun deswegen darüber hinweg, weil es nicht so wichtig war oder weil er ahnte, was wirklich passiert war?

"Wir ziehen alles wie geplant durch." Arkas durchquerte mit langen Schritten das Wohnzimmer und winkte Varis zu sich. "Kommst du kurz mit? Ich muss noch was mit dir besprechen."

Also wusste er es. Nur widerstrebend stieß Varis sich von der Wand ab und warf noch einen kurzen Blick auf Jarevs niedergeschlagene Miene. Als er Arkas folgte, ging er an einer ganzen Reihe enttäuschter Gesichter vorbei. Sie hatten wirklich große Hoffnungen in diese Nonne gesteckt – und er, Varis, hatte sie getötet. Er hoffte inständig, dass sie das nie erfuhren.

Nach Arkas trat er durch den Gang in das Gästezimmer, das durch die zugezogenen Vorhänge völlig im Dunkeln lag. Als die Tür hinter ihnen zuschlug, hatte Arkas Varis bereits an der Schulter gepackt und mit seinem Gewicht unsanft gegen die Wand gedrückt.

"Wer? Von wem kam der Auftrag?", zischte er leise.

Varis hatte sich schnell von seiner Überraschung erholt und setzte mit herausforderndem Tonfall zu einer Antwort an. "Vandros persönlich und nun lass los."

"Er wusste es?"

"Ich habe kein Ahnung, wie viel er von euch ahnt. Er wusste jedenfalls, dass das Mädchen lebte und hat mich beauftragt, sie zu finden und zu töten. Und ich habe meinen Auftrag ausgeführt. Reicht das jetzt endlich? Was willst du noch wissen? Seine Schuhgröße?"

Langsam zog Arkas sich zurück und ließ Varis los. "Entschuldige", gab er schließlich leise zurück. Eine kurze Stille schloss sich an, bis Arkas in nachdenklichem Ton fortfuhr. "Das ganze Zimmer war voll mit Erans Leuten. Warst du wirklich am Fenster?"

Mit schmerzverzerrtem Gesicht erinnerte Varis sich an den harten Aufprall an der Mauer bei seinem Sprung ins Freie. "Ja. Und ich habe das ganze Geschwafel mitanhören müssen. Welcher Schwachkopf hat sich denn diesen Unsinn ausgedacht?"

"Ich"

Wieder herrschte Stille.

"Hast du völlig den Verstand verloren?"

"Pass auf, was du sagst, mein Junge."

"Bist du denn noch zu retten?", brauste Varis weiter auf und hielt nur mühsam seine Lautstärke unter Kontrolle. "Was soll dieser Quatsch? Ihr wollt die Regierung stürzen, indem ihr eine Nonne auf irgendeinen Marktplatz stellt und behauptet, sie sei eine alte Geliebte des Hohepriesters, die überdies noch ein Kind von ihm hat? Wer soll das glauben? Damit könnt ihr nun wirklich keine Revolution anzetteln. Dass ausgerechnet du dir sowas Bescheuertes aus den Fingern saugst – hast du denn gar nichts dazugelernt?"

"Hör mir mal gut zu, Varis. Ich kann deinen Unmut gut verstehen. Aber dieser Quatsch, wie du es so verächtlich nennst, hätte uns etwas Zeit verschafft. Vandros wäre abgelenkt gewesen und in diesem Augenblick hätten wir zugeschlagen. Er ist nun einmal der am besten bewachte Beamte und deswegen müssen wir ihn irgendwie aus der Reserve locken. Glaub mir, ich hab mir das alles gut überlegt."

"Ist ja alles schön und gut, aber was soll ich nun bei der ganzen Veranstaltung?" Mit wachsender Verärgerung hatte Varis zugehört. Arkas hatte doch anscheinend genug Leute um sich herum – wozu zog er ihn also auch noch mit hinein?

"Du sollst uns helfen."

"Ich hab's befürchtet", schnaubte Varis genervt.

"Du wirst es noch verstehen", raunte Arkas ihm noch zu, bevor er den Gang durchquerte und zurück in die Helligkeit des Wohnzimmers trat.

Mit skeptisch gerunzelter Stirn folgte Varis ihm und nahm wieder seinen Platz neben Jarev ein. Er hatte keine Ahnung, was für eine Rolle er in dieser Aktion spielen sollte und war auch eigentlich nicht besonders scharf darauf, es herauszufinden. Sein Blick klebte düster an Arkas, der sich zu den Männern auf dem Sofa gesellt hatte und bereits eifrig in ein Gespräch vertieft war.

"Was wollte er denn?", riss Jarev ihn aus seinen Gedanken.

"Nichts", brummte Varis zurück und verschränkte abermals die Arme.

"Na dann." Unbeirrt plauderte Jarev munter weiter. "Ich nehme an, er hat dich immer noch nicht in unseren Plan eingeweiht?"

Ein genervtes Stöhnen unterdrückend schüttelte Varis den Kopf. Er wusste nicht, ob er diesen Plan überhaupt hören wollte.

"Das ist wirklich typisch", lachte Jarev und lehnte sich näher zu Varis herüber. "So ist er nun mal. Aber wir können ja eigentlich nur von Glück reden, dass wir ihn haben. Er ist ein toller Anführer."

Mit strahlendem Gesicht blickte er zu Arkas. Doch als Varis das begeisterte Glitzern in Jarevs Augen sah, zuckte er schmerzlich zusammen. Dieser Ausdruck entrückter Heldenverehrung kam ihm nur allzu bekannt vor.

"Und ich selbst habe ihm ja viel zu verdanken", fuhr Jarev etwas leiser fort, den Blick wieder auf Varis gerichtet, doch das Gesicht immer noch strahlend. "Ihm und Covan – also, das war Arkas' Freund. Die beiden haben damals schon einmal so etwas hier versucht." Er wies mit einer schwungvollen Geste auf den Rest der Versammlung, während Varis wie erstarrt neben ihm stand. Jedes Wort schien ihm die Innereien weiter zu verkrampfen, als Jarev unbekümmert fortfuhr. "Sind aber gescheitert. Das ist jetzt etwas mehr als zehn Jahre her, glaube ich. Ich wollte schon damals unbedingt mitmachen, aber sie ließen mich natürlich nicht." Wieder lachte er. "Jedenfalls, die beiden haben mir kurz nach meiner Geburt das Leben gerettet und sich seitdem um mich gekümmert. Covan allerdings dann nach seinem tragischen Tod natürlich nicht mehr. Ich weiß nicht, ob du schon von der ganzen Geschichte gehört hast – es muss wirklich schrecklich gewesen sein. Zumindest wenn man den Leuten, die es miterlebt haben, glauben kann. Hier sind nämlich noch ein paar der Mitstreiter von damals dabei und die erinnern sich natürlich noch. Immerhin ist das ganze Projekt schließlich daran gescheitert."

"Ich weiß", warf Varis ein um Jarev zu stoppen, bevor dieser in seinem Redeschwall fortfahren konnte. Er wollte diese Geschichte nicht aus dem Mund eines solchen kindlich-naiven Grünschnabels hören, der von der ganzen Sache doch keine Ahnung hatte. Seine Augen ruhten nun mit finsterem Blick wieder auf Arkas. "Ich kenne die Geschichte."

Nur allzu gut, wie er insgeheim hinzusetzte. Schließlich war er selbst dabei gewesen, als sein Vater starb.
 

~~~~~~~~~~~ Lys Laberecke ~~~~~~~~~~~
 

Bevor der Unistress aufs Neue losgeht, hier noch das nächste Kapitel :3 mit einem neuen Chara \^^/ und ein paar Brocken mehr von Varis' Vergangenheit :)

Und... ihr dürft ruhig Spekulationen anstellen ^^ ich les sowas wahnsinnig gern xD

Gruß an den Zirkel :) Fühlt euch mal alle gedrückt xD

Hm... will mir irgendwer eine meiner Malplatten (10x10cm) bepinseln? XD ich komm immer nie dazu *seufz* also falls irgendwer zu viel Zeit hat... *lach* bzw. falls irgendwer an meiner Wand hängen möchte o.o'



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Ned
2008-05-03T10:51:17+00:00 03.05.2008 12:51
Deine Geschichte hat soeben einen neuen Fan gewonnen. ^.~
Die Story ist verdammt interessant zu lesen und ich fühle mich gezwungen, immer mitzudenken aus Neugier, was Varis als nächstes erwarten wird; den Aufbau finde ich vom ersten Kapitel an sehr gut und gut ist auch, dass immer mehr aufgedeckt wird, wobei noch mehr Fragen auftauchen (finde ich) - und die Charaktere sind toll, wie sie zusammenhängen... Diese Story zu lesen macht richtig Spaß, auch wenn es meinen Augen nicht ganz bekommen hat, dass ich ihnen keine Pause gegönnt habe *trän*; ich glaube, ich werde nun öfter hier reinschauen, weil ich nun unbedingt wissen will, wie es weitergeht. (wie ist der Plan? >_> wie geht es weiter? >_>)
Von: abgemeldet
2008-05-03T08:56:13+00:00 03.05.2008 10:56
mist >.<
also doch nicht ganz so wie ich dachte *lol*
Das ist ja das tolle an der Sache! Du schreibst viel, und durchgehend, und es ist noch genauso spannend und aufregend wie auf der ersten Seite! *strahl*
Und mit den Kapis verhält sich die Sache eben genauso ^^

Nur ganz zum Schluss *heul*... hach, meine Nerven *schluchz* armer Varis... wenn ich er gewesen wär, hätt ich den Jungen neben mir schon lange angeschnauzt XD - und dann hätt ich ihm auch noch unter die Nase gerieben, dass das mein Vater war ^^
Von:  Jerra
2008-04-21T17:17:51+00:00 21.04.2008 19:17
wie bereits angekündigt von mir einen kürzeren kommentar als üblich, denn ich habe mich ja eigentlich schon recht ausführlich zu manchen stellen ausgelassen *hust*

also erstmal im rückblick auf das letzte kapitel: da hast du uns ja alle (oder zumindest mich Oo) gründlich in die irre geführt! von wegen kheros muss sterben und arkas is voll gnadenlos und so...*grummel* ich fühle mich verarscht XD also nicht, dass ich wollte dass es so kommt o.o ich bin dir nur voll auf den leim gegangen XD gut eingefädelt!

jetzt zu deinem neusten streich...
neue charaktere! *.* das ist sehr erfrischend und war sicher schon länger an der zeit, auch wenn mir das bisher nicht so aufgefallen ist. immerhin hat man mit varis und arkas schon genug zu tun XD
ich finde es gut, dass du (in version xtausend) die schwester noch einmal hast auftauchen lassen. ich finde geschichten, in denen irgendwo mal ein chara auftaucht aber ohne funktion bleibt und nie mehr wieder vorkommt, irgendwie komisch ôo. aber hier hat kheros' schwester ja noch ne aufgabe bekommen (oder wird auch in zukunft noch eine rolle spielen...?).
außerdem der feldwebel - wer hätte mit dem nochmal gerechnet! und dann auch noch auf der seite der... "guten", wenn man das so sagen kann. trotzdem kommt seine plumbe art gut rüber, kann aber in zukunft auch noch mehr unterstrichen werden ; )
dann natürlich wieder unser lieblings-dialogpaar varis und arkas *.* ich weiß ja nicht, wie es den anderen geht, aber ich kann mich in diesem kapitel eigentlich sehr gut mit varis identifizieren und sehe arkas mindestens genauso fragend an, wie er ôo *lach* ich mag sowieso die position, die varis in der ganzen revolutions-geschichte einnimmt: zunächst wirkt er resignierend, teilnahmslos und seine (gedanklichen) kommentare zu den bemühungen der anderen sind köstlich. aber im nachhinein erfährt man nun, dass er auch aus anderen gründen etwas gegen derartige aktionen haben könnte...
uuund... der neue chara überhaupt - jarev! *knuff* ein toller gegenpol zu varis. aber noch besser finde ich es eigentlich, wie du (zumindest bei mir) so ein leicht zwiespältiges gefühl ihm gegenüber aufgebaut hast. einerseits ist er natürlich einfach knuffig und so weiter, aber andererseits kann man varis' "kindlich-naiver Grünschnabel" (ich hätte es vielleicht sogar noch drastischer formuliert) voll und ganz nachvollziehen. immerhin rührt er da mehr oder minder an varis' stärksten gefühlen, aber so ebenmal im nebensatz. er kann ja nichts dafür, weiß es nicht besser, aber man ist ihm unwillkührlich böse dafür... o.o

ansonsten... nix zu meckern ^^ toller aufbau, die länge ist gerechtfertigt und logisch passt (jetzt) auch alles!
Von:  Temel
2008-04-16T10:00:52+00:00 16.04.2008 12:00
*zurücklehn* Hmm, mal wieder viel zu lesen xD Endlich kommt Spannung in den Streifen! Weiß gar nicht wie ich jetzt anfangen soll...
Erstmal: Es ist ein tolles Kapitel geworden, lang aber net langweilig. Schon der Anfang mit der etwas mürrischen, nicht gut auf Varis zu sprechenden Schwester...
Ja und dann die Versammlung selbst, alles fügt sich wie ein Puzzel zusammen, was Arkas sagte, der Mord an der Nonne, etc, so langsam bekommts einen Sinn... aber ich werd mich trotzdem hüten hier sinnlos zu spekulieren, auch was den "neuen" angeht, er könnte ja der Sohn sein oder vllt auch nicht aber der taucht best. irgendwann auf. Was weiß ich schon in meinem jugendlichen Leichtsinn!

Äh gut, man hört, mir fällt wie immer nix tolles ein. Ich finds, ebenfalls wie immer, schön spannend abr auch anspruchsvoll geschrieben. Hoffentlich wird dieses Semester nicht wieder so anstrengend für dich, sonst dauerts wieder so lange bis was neues kommt! ^^

(Was für Rahmen zum Bemalen???)


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