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A Serious Temptation

Vampirblut und Rache
von

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Leben und Sterben

Temptation
 


 

Twain betrat das staubige, kleine Zimmer, welches die beiden einst gemeinsam unter dem Dache ihres Vaters bewohnt hatten.

Ein matter Lichtstrahl fiel nur kurz von außen ein und beleuchtete für einen Augenblick die schmale Gestalt auf ihrem Lager von Stroh und Leinen.

Doch schon kehrte wieder das nur durch eine halb abgebrannte Kerze erhellte Halbdunkel in den düsteren Raum ein. Mit einem leichten Knarren und einem unheilvollen Lächeln auf den Lippen schob Twain den Riegel vor.

Sein Bruder, der von den Vorgängen nicht das Geringste ahnte, lag weiterhin zusammengerollt und leise atmend in unschuldigem Schlaf und Twain, erkannte, oder eher gesagt spürte, trotz der Dunkelheit dessen Präsenz. Als stünde er in Flammen, so schien sein Körper zu strahlen. Eine Aura von Wärme und Versuchung, die zu erkennen es jemandem wie Twain keiner Augen bedurfte.

Mit geräuschlosen Schritten näherte er sich dem Schlafplatz, welchen die beiden Brüder vor längst verflossener Zeit einmal geteilt hatten. Doch das gehörte der Vergangenheit an und an diesen Tagen kam es fast nicht mehr vor, dass Twain sich dazu bewegte den Raum mit ihm zu teilen, geschweige denn sich in irgendeiner Weise mit ihm abzugeben.

Ein schwarzer Schatten fiel über den schlafenden Jungen.

"Zeit zum Aufwachen, Kleiner", schnitt Twains Stimme durch die Stille, jedoch mit einer Sanftheit die an jene Süße von Gift zu erinnern vermochte. Gift, so berauschend und verführerisch wie das, welches Twain Menschen als Flüssigkeit in seinem erwählten Beruf durch die Adern jagte.

Als schwarze Silhouette gegen das ersterbende Licht waren nur noch seine Augen sichtbar, deren merkwürdiger Glanz sich wie die Reflektion von Katzenaugen unwirklich vom Dunkel abhob und wie an einer Beute an seinem Bruder hingen.

Tendes schlug mit einem Mal seine eigenen Augen auf. Sie weiteten sich mit Schreck, als sie die Gestalt über sich erblickten und furchtsamem Erstaunen, sobald sie seinen um 4 Jahre älteren Bruder (18 Jahre) erkannten.

"Ja, ich will dich sehen", hauchte Twain listig -und dennoch einvernehmend-, den erschrockenen Ausdruck auf dem Gesicht des Jungen richtig deutend. Ein kaltes Lächeln umspielte seine Lippen, die im Schatten der tief herabhängenden Kapuze kaum zu erkennen waren. Doch mit einem eisigen Aufwehen eines Luftzugs, der die Vorhänge am winzigen Fenster hoch über ihnen zum Erzittern brachte, war es wieder weggehaucht. Auch der schwere, dunkle Stoff der Vorhänge beruhigte sich wieder und hing so leblos wie zuvor, der Windhauch schien nur eine ferne Einbildung gewesen zu sein. Die eisige Kälte, die mit Twain in den Raum geschlichen war blieb jedoch und legte sich wie das Dunkel über die spärlichen Möbel, die schlafende Figur und kroch die Wände empor.

Twain stand wie ein dunkler Schatten vor der Schlafstätte. Seine Gestalt glich einem in schwarzen Stein gemeißelten Friedhofsengel. Ein Unheilsüberbringer, Bote des Todes. Seine Augen glühten kaum merklich auf.
 

Selten hatte sich Twain nur noch dazu herabgelassen jegliches Interesse an seinem kleinen Bruder zu zeigen, der ihm was Begabung und Intelligenz anbelangte in so vielem nachstand. In diesem Haushalt hatte es bis vor kurzem nur zwei Personen gegeben: Twain und ihren Vater.

Tendes hingegen wurde unter diesem Dach vom Tag seiner Geburt an nur Verachtung und Ignoranz entgegengebracht.

Alle Hoffnungen des Vaters hatten auf seinem älteren Sohn gelegen, dessen Talent sein eigenes schon weit überragte.

Doch Tendes beklagte sich nicht, noch befand er sein Los ungerecht.

Ganz im Gegenteil: Beide, sein Bruder und ihr Vater mussten ihn dafür verabscheuen, dass er am Tod seiner Mutter schuld war. Denn sie war bei seiner Geburt gestorben, er hatte ihnen Frau und Mutter genommen und dies konnten sie ihm nicht verzeihen.

Auch wenn man nur wenig Einblick in Twains Gedanken und Beweggründe haben konnte, so spürte Tendes, auch ohne es zu wollen, wie sehr sein Bruder ihren Vater hassen musste. Jeden Blick, den Twain unbemerkt auf diesen gerichtet hatte, zeugte von langem, kalten Hass. Tendes hatte diese Blicke, im Gegensatz zu ihrem Vater, gesehen. Zwar ließen sie Tendes wenig von dem mitbekommen, was zwischen ihnen geschah, doch konnte dieser sich denken, dass Twain in irgendeiner Weise unter ihm zu leiden hatte. Stärker als er selbst.

Seiner Mutter beraubt musste er allein mit der groben Brutalität ihres Vaters, der Schmied war und täglich mit Waffen und Mordinstrumenten arbeitete, fertig werden. Tendes hingegen schien für beide nicht zu existieren; zu seinem Glück wahrscheinlich.

Und nun, seitdem Twain vor ein paar Wochen ganz von Zuhause losgesagt hatte und ohne ein Wort des Abschieds verschwunden war, wäre es Tendes besser ergangen weiterhin von jenem gewalttätigen Vater nicht beachtet zu werden.
 

Doch jetzt stand Twain vor ihm. Verändert; finsterer und stärker als jemals zuvor war er zu ihm zurückgekehrt. So kam es dem Jungen jedenfalls vor. Doch wozu?

Twain zog ein Messer aus einer Tasche seiner schwarzen Kleidung, welches er, wie Tendes dumpf wahrnahm, einst selbst in der Schmiede ihres Vaters gefertigt haben musste.

Tendes Augen weiteten sich mit Entsetzen, während er wie gelähmt die dünne Leinendecke aus der Hand gleiten ließ. Das glänzende Metall der Waffe reflektiert sich in den weit geöffneten Pupillen, die schlanke Form der Waffe zwei silberne Mondsicheln im goldenen Himmel seiner Augen.

"Oh, nicht doch. Es ist nicht für dich bestimmt", versicherte Twain, scheinbar geduldig lächelnd und mit einem Funkeln in den Augen. Er beugte sich über seinen Bruder, genoss für einen Augenblick die Macht, die er damit über ihn ausübte und dessen Gefühl der erwachten Furcht. Er konnte diese Ausströmung beinahe fühlen, riechen. Es flutete wie eine elektrisierende Woge über Twain hinweg. In diesem Augenblick liebte er diese dunkle Macht.

Doch anstatt es an Tendes zarten Hals zu pressen, hielt er die im Zwielicht matt schimmernde Klinge an seine eigene Handfläche. Das Metall war kühl, beinahe so kühl wie Twains Haut. Ohne einen Laut von sich zu geben zog er es fast gemächlich hindurch, sodass rotes Blut aus dem Schnitt heraus floss und in den Linien seiner Hand dem Boden entgegen rann. Schon bald begannen rote Tropfen das grau-weiße Laken zu besprenkeln.

Mit einer ruhigen, eleganten Bewegung hatte Twain sich auf den Rand des Schlafplatzes niedergelassen. Sein in dunklen Stoff gehüllter Köper schien kaum Gewicht zu haben und senkte sich auf dem Laken, unter dem das Stroh war, bloß wenig herab.

Beide Brüder betrachteten die Flüssigkeit, deren Rot sich seltsam vom sie umgebenden Grau des Halbdunkels absetzte.

Plötzlich schnellte Twains Kopf wieder nach oben, wobei seinen Bruder mit einem merkwürdigen, beinahe wahnsinnigen Ausdruck fixierte.

"Das", lachte Twain auf einmal auf, "ist doch genau das, was du die ganze Zeit über gewollt hast! Mein Blut auch nur einmal lecken zu dürfen!"

Immer noch wild lachend beobachtete er den Jungen, der sich unter dem Anblick des Blutes verstört wand. Tendes tiefgründige, bernsteinfarbene Augen starrten ihn nun nur noch in stummem Entsetzen an und begriffen nicht, wie sein Bruder zu solch einer abscheulichen Tat fähig war. Twain jedoch drückte ihn bestimmt und gnadenlos mit der Hand, welche immer noch den Dolch umfasste, auf die Matratze aus Stroh und hielt die Andere, Zerschnittene vor Tendes nun zitternde Lippen. Eine tote Kälte ging von ihr aus, die langen, weißen Finger nahmen Tendes Blickfeld ein.

"Dies ist das einzige Mal, das du die Gelegenheit bekommen wirst, also nutze sie!"

In seinem Blick schwang etwas Wildes, Animalisches mit; etwas, das Tendes in letzter Zeit immer häufiger hatte beobachten können.

Der Jüngere brachte keinen Laut heraus.

Was war nur mit Twain los? Was war mit seinem Bruder geschehen? Mit aufrichtiger Angst um Twain und fast kindlichem Unwissen und Besorgnis fragte er sich, welcher Umstand diesen plötzlichen Wandel und dieses Verhalten in seinem Bruder bewirkt hatte.

Warum wollte Twain, dass er dessen Blut tränke? Er konnte doch keiner von ihnen...

Tendes dachte diesen Furcht einflößenden, unmöglichen Gedanken nicht zu Ende. Twain war wie er ein Mensch gewesen. Die Todesstrafe erwartete in diesem Land diejenigen, die einen Menschen zu einem Vampir machten und jene, welche sich zu einem machen ließen. Es war auf Höchststrafe verboten. Kein Vampir würde es tun. Twain konnte unmöglich...
 

Der Blick aus diesen uneinsehbaren, raubtierhaften goldenen Augen war aus diesem Grund um ein vielfaches Angst einflößender für den Jungen als der gewohnte Ausdruck des kalten Verachtens, welcher ihm bis dahin stets beschieden gewesen war. Eine neue Note war in ihn eingekehrt, etwas was zu bedenken gab.

Er fürchtete sich um sich selbst und um seinen Bruder. Hatte Twain deswegen ihr Zuhause verlassen?

Tendes Blick wanderte ängstlich vom Blut überlaufenen Messer aufwärts in das Gesicht dessen Besitzer und er umfasste mit zitternden Fingern die Hand seines so grausamen Bruders, aus deren Wunde das Blut noch leicht floss...

"Los doch", wisperte Twain ungeduldig, wobei sein Körper angespannt war und unterdrückt bebte. Er wirkte erregt.

Twain presste seine kühle Handfläche gegen Tendes Mund und dieser begann erst langsam, dann immer schneller werdend daran zu saugen. Tendes schloss die Augen, während Blut aus seinem Mundwinkel sickerte, durch seine Kehle floss. Es war warm und süß, mit einem Geschmack, den der Junge noch nie im seinem Leben je gekostet hatte. Anders als alles andere. Seine bittere Süße stieg ihm in die Adern, berauschte ihn merklich auf eine Art und Weise, wie es keiner anderen Flüssigkeit jemals gelingen konnte. Es schien wie das Leben selbst -jedoch behaftet mit einem schrecklichen Fluch...

Die Augen fest zugekniffen fuhr Tendes mit der ihm befohlenen Tätigkeit fort. Befohlen in dem Maße, dass Tendes sich gezwungen sah auch nur die kleinste Bitte, die winzigste Andeutung seines Bruders auszuführen. Alles für ihn zu tun, um nur ein wenig Aufmerksamkeit von diesem zu erhalten.
 

Beide fingen an immer rasanter zu atmen -die Luft zischend einzusaugen- so durstig wie Tendes den Lebenssaft seines Bruders.

Beim Anblick seines wehrlosen Bruders und der rötlich glitzernden Blutbahnen um dessen Mundwinkel gelang es Twain nicht mehr sein Verlangen zurückhalten.

Dieses unaufhaltbare Begehren brach sich seinen Weg durch jeglichen Widerstand. Der süße Geruch seines eigenen Blutes verlockte ihm die Sinne, übernahm die Kontrolle über sein Denken und Handeln. Und das Ersehnte war so nah...

Er konnte beinahe sehen, wie das Blut lebhaft in Tendes Andern pulsierte. Wie es durch seinen Hals schnellte, von wo aus es nur durch eine dünne Haut von ihm getrennt war. Nur ein winziger Schnitt und schon gehörte es ganz ihm allein, diese kostbare Flüssigkeit...
 

Unter einem verlangenden Aufflammen seiner Augen ließ er seinen Körper auf den seines wehrlosen Bruder unter ihm gleiten und rammte spitze Zähne in dessen weißen Hals. Nun war es an ihm, das hervorquellende Rot seines Bruders gierig aufzunehmen. Wie ein Verdurstender, dessen einzige Hoffnung auf Leben dieses Leben spendende Wasser war. Und genau dies war es für Twain und jeden einzelnen seiner Rasse.

Tendes schnappte hörbar nach Luft, als sich die Zähne in sein Fleisch bohrten, bevor er seine Lider mit einem leisen Aufstöhnen wieder halb bewusstlos schloss.

Twain ließ nicht ab von seinem Bruder, bis er das Leben aus diesem weichen spürte. Tendes Herz verlangsamte stetig seinen Rhythmus und das Leben entrann seinem Körper wie der rote Saft seinem Hals. Sobald er wieder aufwachte, würde Twains Blut durch seine Adern fließen, Vampirblut. Und er selbst würde dieser verfluchten Art angehören, die weder lebte, noch tot war...

Ein Lächeln huschte über Twains Züge, die denen seines Bruders so ähnlich und doch so anders waren, während seine Zunge langsam noch mehr der kostbaren Flüssigkeit ableckte.

Sein kühler Atem streifte über Tendes Haut. Die Finger beider Hände hatten sich um die Schultern des Jungen gelegt und hielten diese fest, wobei das Messer noch immer in einer Hand ruhte.

Mit Genuss nahmen die Lippen des Älteren auch noch den aller letzten Tropfen der hervorperlenden Flüssigkeit auf.

Vereint bis in die Ewigkeit, schoss es ihm mit Sarkasmus durch den Kopf.
 

"Wie wäre es", keuchte Twain schließlich grinsend, nachdem er seine Malzeit beendet hatte, "wenn ich dir zeige, warum es sich noch lohnt ein Geschöpf der Nacht zu sein?"

Tendes, in Besinnungslosigkeit gefallen, war nicht mehr in der Lage zu antworten. Seine Lippen schienen leicht geöffnet, im Gegensatz zu den fest geschlossenen Lidern und das anmutige Gesicht des Jungen wirkte bleich und ausgelaugt, zerbrechlich wie eine Porzellanpuppe.

Mit einem eigensüchtigen Lächeln auf den Lippen sah Twain die Stummheit als Einverständniserklärung. Er war ein Mann, der sich die Welt aneignete und für sich passend gestaltete.

Mit beiden Händen ergriff er seines Bruders Hemd und riss den dünnen Stoff in einem Ruck auf. Darunter kam Tendes schlanker, nun für ewig knabenhafter Körper zum Vorschein, weiße Haut, die im matten Kerzenlicht schimmerte.

Er neigte seinen Kopf nach unten und begann mit den Lippen über dessen Leib zu fahren. Mit kalten Fingern strich er vorsichtig über die samtige Haut, die empfindlichen Brustwarzen und die sich leicht abzeichnenden Linien seiner Muskeln. Seine vor Begierde fiebrig glänzenden Augen ruhten abwechselnd auf dem Gesicht des Jüngeren und dem noch warmen Körper direkt unter ihm.

Tendes begann sich nun zu winden und den Kopf von Seite zu Seite zu drehen, als wollte er den Berührungen seines Bruders entgehen und sich zur selben Zeit nach ihnen verzehren. Sein Leib bog sich wider seine Vernunft Twains Fingern entgegen, die Gesichtszüge von seinem inneren Zwiespalt verzerrt.

Noch immer flossen dünne Rinnsaale von Blut aus den beiden Einschnitten in seinem Hals, was zu seiner Erschöpfung noch zusätzlich beitrug und ihn blass und ausgezehrt aussehen ließ.

Im Gegensatz dazu hatte sich Twains Körper durch das warme Blut seines Bruders unweigerlich erwärmt und die andauernde Kühle war einer heißen, beinahe fiebrigen Glut gewichen. Die von Tendes abgegebene Wärme strahlte nun von Twain, welcher sich dicht über ihn gebeugt hatte, wieder auf diesen zurück; ein Wechselspiel von Geben und Nehmen, so wie ihr gemeinsames Austauschen von Blut. Das Lebenselixier des Bruders floss nun durch ihre Venen und ließ den Einen zu einem Teil des Anderen werden.

"Der Wunsch, den du schon für so lange gehegt hast, geht nun in Erfüllung, Tendes... mein Schatz", wisperte Twain, während er sich dem Hals seines Bruders näherte, um ihn dort mit flüchtigen Küssen übersähen, wo die beiden winzigen Bisse noch immer sichtbar waren.

"Oder denkst du ich habe es nicht bemerkt?

Tendes fuhr wie schuldbewusst zusammen und sah stumm zur Seite. Twains Worte trafen ihn mit ungeahnter Intensität.

Sofort wallten wieder die alten Schuldgefühle in ihm auf. Sein ganzes Leben hatte mit Schuld begonnen und er hatte von da an mit dieser Schuld gelebt.

Hatte er sich das gewünscht? Es war wahr, jeder einzelne Blick, mit dem sein größerer Bruder sich je herabgelassen hatte ihn -sei es auch noch so desinteressiert- anzusehen, hatte sein Herz für einige Sekunden stillstehen lassen. Jedes Wort, welches an ihn gerichtet gewesen war, hatte seine Sinne vernebelt und verwirrt. Mit den simpelsten Gesten der Anerkennung könnte er ein Lächeln auf die Züge seines stillen, schüchternen Bruders zaubern.

Twain musste Recht haben. Er hatte es sich ganz bestimmt gewünscht und nun würde sein Bruder tatsächlich etwas für ihn tun. Ihm das erfüllen, wonach er sich so dreist gesehnt hatte. Twain würde ihm etwas geben, das doch so verwerflich und unangebracht war. Endlich nach der langen Zeit, in der Junge sich gewünscht hatte, alles könnte wieder so sein wie damals, als sein Bruder sich mit Hingabe um ihn gekümmert hatte. Doch er, Tendes, hatte nun kein Recht mehr sich so etwas auch nur zu erhoffen.

Seine Gesichtszüge erröteten leicht mit Scham.

Twain, sich gewandt auf Tendes Körper niederlassend und nun vor Verlangen bebend, glitt langsam immer weiter hinab an seinem jungen Bruder, welcher mit unterdrücktem Begehren und dem Zerreißen seiner in zwei gespalteten Seele kämpfte, strich über dessen Seiten und beobachtete, wie die weiche Haut dort in Gänsehaut aufging. Seine dunklen Haare streiften leicht über den Leib des Jungen, genau wie die Berührungen seiner langen, schlanken Finger. Die Kapuze, die Twains Gesicht bis vor kurzem bedeckt gehalten hatte, war ganz nach hinten gestrichen und enthüllte endlich die nicht minder ansprechenden Züge, welche leider viel zu oft ungesehen im Dunkeln verborgen blieben. Twains finstere Ausstrahlung wirkte auf eine gefährliche Art und Weise sehr anziehend. Tendes wand und verzehrte sich mehr und mehr, hielt es kaum noch aus. Die Sehnsucht nach seinem Bruder wurde immer heftiger. Vor Glück von diesem berührt zu werden bildeten sich kleine Tränen an seinen Augenwinkeln; nie hatte er dies auch nur zu träumen gewagt.

Der Junge jedoch verstand seinen Körper, der erst vor kurzer Zeit damit begonnen hat zu erwachen und auch dieses flammende Gefühl in seinem Herzen und Unterleib nicht, im Gegensatz zu seinem Bruder, der um etliches reifer und erfahrener war als er selbst. Doch es war Twain, sein geliebter und vergötterter Bruder, der diese neuartigen Empfindungen hervorrief und ihm ein größeres Glücksgefühl gab als jedes, welches er in seinem Leben bis jetzt herspürt hatte. Twain schenkte ihm dieses wunderbare Gefühl, wie auch sein Blut und Tendes konnte sich nicht erklären, womit er sich diese Zuwendung nur verdient hatte.
 

Twains Hände glitten immer tiefer, umfassten die weichen Pobacken und strichen sanft und dennoch fordernd darüber. Noch nie war Tendes dort so berührt worden.

Mit geschlossenen Augen genoss er das sanfte Streichen über seine Hüften.

Als der Ältere schließlich die weichen Innenseiten der Oberschenkel erreichte und streichelte, war es für Tendes nicht mehr auszuhalten. Leise flehte er ihn an, ihn nicht länger warten und endlich geschehen zu lassen, was geschehen sollte. Twain jedoch lächelte mit einem Anflug von Nachsicht und begann mit grausamer Langsamkeit Tendes dunkles, seidenes Haar in den langen Fingern zu zwirbeln und für lange Zeit nur den Jungen unter ihm mit einem seltsamen Ausdruck zu mustern.

Wenig wusste dieser was wirklich im Kopf seines älteren Bruders vor sich ging. Tendes, in Glückseligkeit schwebend, verstand nichts von der vampirischen Gier eines jener Geschöpfe, kannte deren Verlangen nach Blut und sexuellem Rausch nicht. Er selbst war von solch engelhafter Reinheit, die ihm keine Vorstellung von jener Verderbtheit hätte bescheren können. Genauso wenig wie er die Motive seines Bruders ahnte, die diesen keineswegs selbstlos, wie Tendes glaubte, dazu bewegt hatten den Jungen auszusaugen, zum Vampir zu machen und sich schließlich dessen Körper anzueignen.

Ihr Vater hasste Vampire. Wenn er Tendes seiner Reinheit und Menschlichkeit beraubt hatte, würde diesem keine andere Wahl bleiben als auch von Zuhause fort zu gehen. Und damit würde er beginnen seinem Vater all das zu nehmen, was er noch besaß. Dessen größte Hoffnung; sich selbst, seinen verbleibenden Sohn und schließlich sein Leben. Twain Lächeln verwandelte sich in einen unheilvollen Ausdruck.

Nun presste er den inzwischen nackten Körper Tendes mit sanfter Bestimmtheit an die raue Wand und entkleidete dann langsam seinen eigenen Leib, der ausgebildeter als der des Jungen - mit 18 fast schon ausgewachsen- war. Er warf die schwarze Kleidung beiseite und die bis zu jenem Zeitpunkt vollständig verhüllte Haut kam zum Vorschein. Das flackernde Licht warf Schatten über die hervortretenden Muskeln seines nahezu perfekten Körpers, welcher im Zwielicht leicht glänzte. Dieser Körper war ihm stets eine beinahe unschlagbare Waffe gewesen, von einer anziehenden Sinnlichkeit, der fast kein Geschöpf dieser Welt widerstehen konnte. Aber er war auch eine mörderische Waffe.

Eben diese sorgfältig geformte, hüllenlose Ausbildung der Perfektion drückte er schließlich gegen Tendes bloße Haut. Twain genoss jeden Augenblick dieses Geschehens, keinen Gedanken an die Konsequenzen verschwendend. Er lebte im Hier und Jetzt und dieses betörte ihn, berauschte seine Sinne und seinen Leib wie eine Droge. Fiebrige Erregung stand in seinen Augen, deren goldener Glanz selbst wie eine Lichtquelle glitzerte.

Der Raum schien sich mit einer feurigen Spannung zu laden und verscheuchte die Kälte, die ihn bis dahin besetzt gehalten hatte.

Das konnte nur richtig sein...

Tendes öffnete seine Lider schließlich wieder und schaute tief in diese unergründlichen Augen seines eigenen Bruders, welcher unmittelbar vor ihm saß. Eine Weile lang sahen sie sich mit einem tiefen Blick an und etwas Gemeinsames stand dort geschrieben, etwas was man nicht auszusprechen wusste.

Twain umfasste daraufhin sachte Tendes Kinn und hob dieses zu sich an. Mit seinen Lippen berührte er die seines Bruders, welche seinem Verlangen nachgaben und sich für seinen Kuss öffneten. Sie küssten sich sanft, ihre Lippen waren sich so ähnlich, dass sie beinahe identisch wirkten.

Twains Leidenschaft gewann jedoch die Oberhand und sie begannen sich immer berauschter und heftiger zu küssen; Tendes voll Sehnsucht, Twain lustvoll.

Twains Hände umfassten nun ganz das Gesicht des anderen und jetzt da beide entblößt und sich so nah waren, erkannte man unverwechselbar, dass die beiden Brüder waren. In beiden Sinnen waren sie nun blutsverwandt.

Außerdem konnte man in diesem kurzen Augenblick auch Twains unbestreitbare Jugend feststellen.

Twain schob sich noch näher an seinen Bruder heran und ihre Oberkörper berührten sich, wobei der zweite Junge sehr zaghaft die Arme um Twains schlanke Taille schlang. Dieser lächelte befriedigt und drückte sich an Tendes. Er genoss diesen Moment des Zugeständnisses, der Ergebenheit; die warme, weiche Haut auf der Seinen.

Eine Weile verharrten sie in ihrer Umarmung, bis Twain schließlich aus den Armen seines Bruders nach unten glitt. Mit neu erflammten Verlangen beugte er sich herab und spreizte die Beine seines Bruders, der halb lag und halb an der Wand gelehnt saß. Seinen Kopf neigend ließ er seine Lippen über die weiche Haut an der Innenseite der Oberschenkel entlang streifen und kam dann schließlich vor dem Glied seines jungen Bruders, der nun halb japsend, halb aufstöhnend die Hände zusammenballte, zum Stillstand. Mit dem kurzen Aufflackern eines Lächelns und einem letzten Blick in das nun vor Lust verzogene Gesicht seines Bruders begann er schließlich dessen Glied mit den Lippen zu berühren. Tendes Körper bäumte sich auf.

"Ich kann dir Lust verschaffen, die dir ein anderer nie geben könnte!", behauptete Twain, jetzt schwerer atmend und brachte seinen Bruder dazu, die schlanken Beine noch weiter auseinanderzuspreizen. Ein verlangendes Glitzern lag in den Augen des älteren Jungen, ein Hunger, der dem eines Raubtieres glich und nach zu langer Zeit erst gestillt werden würde. Jegliche Schuldgefühle seinerseits waren zurückgedrängt. Trotz dem er seinen eigenen Bruder begehrte und getötet hatte.

Tendes flehte ihn erstickt unter keuchendem Atmen an, nicht aufzuhören und es zu tun, ihn endlich zu sich zu nehmen. Kleine Schweißtropfen bildeten sich auf seiner heißen Stirn.

Twain hob letztendlich die leichten Hüften des Jungen an und ließ sein inzwischen hartes Glied mit außerordentlicher, ungewöhnlicher Vorsicht in ihn gleiten. Beide stöhnten auf; unter Lust und auch Schmerz. Die Körper der Brüder begannen sich in einem einklängigen Rhythmus auf und ab zu bewegen und ihre Haut im Kerzenlicht glänzte vor Schweiß.

Tendes begann leise und innig den Namen seines Liebhabers und Bruders zu flüstern. Seine Augen waren geschlossen und das Gesicht verriet nichts anderes als absolute Glückseligkeit.

Ihre Leiber waren in nahezu perfekter Harmonie miteinander verbunden und schienen tatsächlich eins geworden zu sein.

Twains Hüften und Körper bewegten sich langsam und geschmeidig, die trainierten Muskeln agierten, als wären sie für diese Art körperlicher Verbindung geschaffen worden, bis er schließlich den Höhepunkt erreichte. Mit einem heißeren Aufschrei bog sich sein Rücken durch und er legte den Kopf in den Nacken. Sein Mund war leicht geöffnet und da sich die Lippen zu einem Aufstöhnen verzogen hatten konnte man die weißen, spitzen Eckzähne erkennen. Keuchend und mit halb geschlossenen Augen verharrte er eine Weile, während die Wogen des Höhepunkts wie eine Flutwelle über ihn schwappten.

Nur etwas erschöpft ließ er seinen Körper dann nach einigen Augenblicken wieder zusammensinken und entfernte seinen Unterkörper von Tendes Hüften, jedoch war das fieberhafte Glitzern bei weitem nicht aus seinen Augen verschwunden. Nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte umschlang er die Brust des ebenso flach atmenden Jungen, welche sich schnell hob und senkte. Er rutschte neben Tendes und er schmiegte sich an ihn, wobei er dessen glänzendes Haar mit gemächlichen Bewegungen aus dem Gesicht strich und seinen Kopf auf dessen Schulter legte.

"Und war es den Preis wert, dafür zum Vampir gemacht zu werden?", fragte Twain mit einem zynischen Lächeln seinen ausgezehrten Bruder, welcher sich langsam zurück in die raue Matratze aus Stroh hatte sinken lassen und nun stumm die Decke über sich anstarrte. Twain strich Tendes ein letztes Mal zärtlich die verschwitzten Haare aus der Stirn und drängte ihm einen weiteren Kuss auf. Danach glitt er wieder mit schlangenhafter Eleganz vom Bett und zog sich an, während er aus den Augenwinkeln den schönen Jungen -seinen Bruder- welcher nun die Augen geschlossen hatte, betrachtete.

Durfte ich das tun? Ihn mit mir ins Elend reißen?

Nur sehr kurz fragt er sich, das Gesicht starr und die Lippen leicht aufeinander gepresst. Mit einem Ruck wandte er den Kopf ab.

"Ich werde fortgehen und nicht wiederkommen. Warte also nicht auf mich, Bruder."

Leise lachend machte er sich schließlich in die Dunkelheit auf, aus der er gekommen war und hinterließ seinen eigenen Bruder, welcher jetzt dasselbe Schicksal teilte wie er, verdammt zu ewigem Leben.

Behandlung

(Der Teil spielt Jahre später als der erste...)
 

Der hoch gewachsene Mann durchquerte das Wohnzimmer mit der Absicht, die Vorhänge für die bevorstehende Nacht zu schließen. Bei der sich rasch herabsetzenden Dunkelheit, welche ein nicht minder düsteres Zwielicht ablöste, wollte er den freien Blick in sein Heiligstes verbergen, denn was in diesen Wänden vor sich ging, sollte besser keiner jener gewöhnlichen, rechtschaffenen Bürger dort draußen mitbekommen.

Ein ironisches Lächeln stahl sich auf die Lippen des Deutschen, während er einen kurzen Blick hinaus auf sein Exil - Paris- warf. Doch musste er sich eingestehen, dass er seine Arbeit lieber im Verborgenen betrieb. Er schätze jene reichen Leute, welche Interesse an wissenschaftlichen Arbeiten heuchelten und nicht die geringste Idee von ihrem Wert hatten, genauso wenig wie jene, welche ihn und seinesgleichen verfolgten und hinrichteten.

Mit einem Ruck zog er die Vorhänge zu, als müsse er die in ihm aufsteigenden Bilder von Folter und Scheiterhaufen abschütteln.

Langsam ging er in dem staubigen Raum umher, zündete Kerzen an, welche ihr Licht sanft über die niedrigen Wände verbreiteten und viele kleine Schatte an der sich ablösenden Tapete bilden ließen. An der Stelle, wo sich noch der hellere Abdruck des bis vor kurzem dort befindlichen Klaviers absetzte, hielt er kurz inne und seine Stimmung hellte sich etwas auf, als er sich entsann, in welchem Schlafzimmer es nun stand.

Der Vampir wollte sich gerade wieder in sein Arbeitszimmer begeben, als ihn ein kühler Luftzug aufblicken ließ.

Der lange, dunkle Stoff der Vorhänge, welchen er eben so sorgsam zugezogen hatte, zitterte für einige Sekunden, als hätte ihn etwas bewegt, bevor er sich wieder beruhigte und träge zu Boden baumelte.

Doktor Hallstein blickte misstrauisch auf das Geschehen, er hatte nicht vor, sich von der Kirche aufspüren und gefangen nehmen zu lassen. Mit leicht verengten Augen musterte er das Fenster, bevor er sich entschied, dass es wohl der kühle Nachtwind gewesen sein musste.

Trotzdem löschte er die Kerzen, welche er soeben erst entzündet hatte - behielt nur eine in der Hand, um im Dunkel der Wohnung das Schlafzimmer anzusteuern.

Seine Nackenhaare richteten sich unwillkürlich auf.

Er konnte es nicht genau beschreiben, doch schien es ihm, oder seinen Instinkten, als wäre er nicht allein in der Wohnung. Etwas anderes musste hier auf ihn warten...

Nein, wie absurd, tadelte er seine gereizte Fantasie. Das hing nur mit seinen vorherigen Gedanken an die Kirche und ihre Schergen zusammen. Eigentlich war er stets rational, auf Fakten und Belege bedacht, wie es sein Beruf als Wissenschaftler von ihm verlangte. Auch wenn er die Nacht bevorzugte und ihre Schönheit kannte, so gewann er ihr keine schmalzige Mystik oder Aberglauben ab. Sein vernünftiges deutsches Denken untersagte ihm dies.

Jedoch, seit er in dieser Stadt der Städte lebte, waren viele seltsame Dinge geschehen und er hatte Leute kennen gelernt, die er sich nicht einmal in vagen Ahnungen erträumen konnte.

Die groß aufragende Silhouette des Doktors durchstreifte den Flur und gelangte an die Türe zu seinem Schlafzimmer, in welches er sich nun zur Ruhe legen wollte.

Seine Hand zögerte, als sie den Griff umfassten, denn er bemerkte, dass die Türe schon einen Spalt geöffnet war.

Hallstein besann sich. Ging seine Fantasie schon so weit, dass er Eindringlinge in seinem Schlafgemach vermutete?

Leicht den Kopf schüttelnd öffnete er die schwere Holztür, die ihm leise knarrend den Weg freigab... und erstarrte.

Eine schwarz vermummte Gestalt stand lässig an einen Bettpfosten gelehnt und blickte ihn aus unheimlich schimmernden goldenen Augen an.

Der Kerzenhalter drohte aus Hallsteins Hand zu rutschen, doch erlangte er seine Geistesgegenwart schnell zurück und auch sein Atem normalisierte sich rasch wieder.

Die schwarze, praktische Kleidung und die professionelle Ruhe der schlanken Gestalt deuteten auf einen Auftragskiller hin, denn normale Diebe warteten gewöhnlich nicht darauf, dass der Hausbesitzer sie aufspürte.

Der Killer ließ eine Hand am Pfosten entlang nach unten streichen und kam dann mit einem dämonischen Ausdruck in den Augen, welcher unheimlich von der einzelnen brennenden Kerze beleuchtet wurde, auf ihn zu. Sie glühten in der Dunkelheit wie das kalte Gold einer Klinge.

Von diesem gefährlichen Blick getroffen wich Hallstein leicht erschrocken einen kleinen Schritt zurück, nahm jedoch seine Augen ebenfalls nicht von der Gestalt vor ihm.

"Du hast ja lange gebraucht mich zu finden." Der Killer blieb einen Meter vor ihm stehen. Seine Stimme klang tadelnd... und lauernd.

"Twain...", setzte der Doktor an und machte einen Schritt auf den Vampir vor ihm zu, blieb jedoch stehen bei dem abwehrenden Blick, den er erhielt. "Ist etwas geschehen?"

Der Deutsche klang leicht besorgt.

"Nein, was soll denn geschehen sein?", fragte der Jüngere der beiden, wobei sein Ton gelassen wirken sollte, jedoch unterschwellig suggestiv und ironisch klang, so dass Hallstein sich relativ sicher sein konnte, dass hier etwas nicht stimmte.

"Du warst seit mehr als einer Woche nicht mehr bei mir. Ich habe mir schon Sorgen um dich gemacht... auch wenn Erik mir versicherte, dass du wohlauf seiest."

Twains Augen glühten unmerklich auf. "Erik war hier? Wann? Was hat er gemacht?"

Der Doktor seufzte und betrat den Raum nun ganz, schloss dabei die Türe hinter sich und stellte sich vor Twain, wo er - etwas größer als dieser- auf ihn herabsehen musste.

"Hat er dir nichts gesagt?" Hallstein machte eine kleine Pause und dachte nach. "Nun, kurz gesagt, er bot mir seine Freundschaft an und..."

"Was?!", entfuhr es dem jüngeren Vampir. Ungläubig und mit geöffnetem Mund starrte er den großen Deutschen vor sich an. "Das gibt es doch nicht!"

Der Doktor runzelte die Stirn. In der Tat hatte auch er Eriks Angebot als überraschend empfunden, denn die latente Feindseligkeit - oder war es Eifersucht? - der beiden Männer gegeneinander war oft unbewusst und dennoch allgegenwärtig zu spüren gewesen. Doch wie es schien hatten die zwei sich in einem Netz von Missverständnis und Unverständnis dem anderen gegenüber verstrickt.

"Was lässt dich dies denken?"

"Wie?!", fiel Twain ein. "Was mich das denken lässt? Er hat... er sagte du...wie kommt er dazu, wo er doch...?"

Doch anscheinend brachte der hitzige junge Auftragskiller die passenden Worte nicht zusammen und ging aus diesem Grund dazu über den Doktor anklagend anzusehen.

"Und was war es, was er sagte?" Hallsteins Ton klang schärfer als beabsichtigt, doch blickten seine blaugrünen Augen den Vampir vor ihm noch immer sanft an, so wie sie es stets taten, wenn sie sein schönes, nahezu unwirklich perfektes Gesicht sahen.

Ein ungutes Gefühl nahm von ihm Besitz. Was konnte Erik ihm erzählt haben, dass er so reagierte? Der Doktor hatte Twain noch nie so gefährlich und abwehrend gesehen wie heute. Nicht einmal bei ihrer ersten Begegnung hatte der junge Killer sich als solcher in all seiner Grausamkeit offenbart - jedoch, von dem, was er über Anguis (Anmerk. Twains Name als Assassin) erfahren hatte, seien es auch nur Gerüchte, so hatte der Deutsche eine vage Vorstellung von dem, wozu Twain wirklich fähig war.

Hallstein war schon in viele Tiefen Twains Geistes eingetaucht, trotzdem waren die meisten noch so unerforscht und dunkel wie das Meer jenseits der flachen Küste.

Jedoch schien die Verbindung, welche er zu dem jungen Vampir aufgebaut hatte, nicht gerissen zu sein. Er spürte Zweifel bei diesem.

"Du weißt zu viel." Twains Worte klangen kalt und auch auf dem bleichen Gesicht, welches ihm zugewandt war, standen keine seiner Gedanken geschrieben.

Hallstein sah ihn einige Sekunden lang an und versuchte diese Aussage einzuordnen. Der Doktor konnte sich eines leichten, überraschten Einsaugen von Luft nicht erwehren.

"Du denkst, ich sei eine Gefahr für dich?", fragte er ruhig.

Twains Augen sprühten wieder Funken. "Natürlich tue ich das! Du kennst mein Versteck, du kennst mein Gesicht, meinen Partner... was ist, wenn du mich verrätst? Das wäre fatal... tödlich! ... für mich! Und Erik!"

"Sag mir, habe ich dir je einen Grund gegeben an meiner Vertrauenswürdigkeit zu zweifeln? Welchen Sinn hätte es, dich an diejenigen zu verraten, die ich ebenso sehr verabscheue wie du; die mich jagen und umbringen würden? Warum sollte ich so etwas tun?"

Hallsteins Stimme hatte einen vernünftigen, beruhigenden Ton. Er nahm Twain seine Bedenken nicht übel und auch der liebevolle Ausdruck seiner Augen schwand nicht.

"Erik sagte, du würdest uns verraten, wenn es deiner Arbeit nützte; wenn du dadurch legal agieren und deine Werke verbreiten könntest!"

Eine kurze Pause entstand, in welcher sich eine drückende Stille zwischen den beiden sich anstarrenden Personen ausbreitete. Der Doktor musste diese neue und zugegebenermaßen recht überraschende Information erst verarbeiten und sich ihrer ganzen Bedeutung klar werden, bevor er wieder Worte fand.

"Dich verraten?" Hallsteins Augen bohrten sich beinahe in Twains, als sie diesen intensiv fixierten. Seine Stimme klang gefasst, mit einem Hauch Erstaunen. "Wie könnte ich...?"

Er seufzte leise und wandte den Blick ab. "Twain, denkst du wahrhaftig, dass ich dies hier", der Doktor machte eine knappe Geste zu den diversen Gerätschaften und Präparaten, welche an der Wand aufgereiht standen, "dir vorziehen würde? Irgendwelche Leichen und Organe und Zusammensetzungen einem Menschen wie dir? Ich habe meine Seele nicht der Arbeit verkauft..."

Ein leichtes Lächeln war auf seinen Gesichtszügen erschienen, wenn auch sein Ausdruck nach wie vor ernst blieb. "Ich liebe dich, Twain..."

Die Augen des Assassins weiteten sich bei diesen Worten. Es schien, als wolle er vor der großen Gestalt vor sich zurückweichen. "Du..."

"Ich dachte, das sei offensichtlich? Aber ich weiß ja, dass dieses Thema Unbehagen bei dir auslöst... Doch so ist es."

Twain atmete durch und sah erneut zu dem Deutschen auf, fand jedoch noch immer keine Worte.

"Du musst jetzt nichts dazu sagen", meinte der Doktor, Twains Schweigen deutend, "es ist nicht meine Absicht dich zu irgendetwas zu drängen. Doch hoffe ich, deine Zweifel an mir wenigstens ein bisschen verstreuen zu können..."

"Emmanuel..."

Wie schön es doch war seinen Namen aus Twains Mund zu hören, dachte der Doktor entzückt. Diese leise hauchende, verführerische Stimme, welche ihn von jeder Arbeit der Welt abbringen und keinen Gedanken mehr an irgendetwas anderes verschwenden ließ.

Er legte zärtlich einen Arm um die Hüfte des jungen Vampirs und zog diesen näher zu sich. Twain wehrte sich nicht, sondern hielt den Deutschen mit einem Blick aus seinen goldfarbenen Augen, welche in der Dunkelheit wie von einem inneren Feuer heraus zu leuchten schienen, gefangen.

Dieser dachte nicht einmal daran, sich der Faszination dieses Vampirs zu widersetzen, dieser einmaligen Ausstrahlung, die ihn vom Moment ihrer ersten Begegnung in seinen Bann gezogen hatte, selbst als er weder jene Augen, noch sonst einen Teil seines Körpers unverhüllt zu Gesicht bekommen hatte.

Die Kerze knisterte unruhig, als der Doktor sie unwirsch auf eine nahe gelegene Kommode abstellte, um beide Hände frei zu haben, mit welchen er Twain berühren konnte. Sie schien die sich rasch von unangenehmer Spannung in eine feurig erwartungsvolle Atmosphäre wandelnde Stimmung widerzuspiegeln und ihr Licht flackerte aufgeregt über Wände, Bett und die Gläser mit ihrem schaurigen Inhalt in den Regalen.

Mit größter Sanftheit, trotz seines aufkeimenden Begehrens, umfasste Hallstein das Kinn des jungen Assassins, um dessen Gesicht zu sich zu ziehen und legte die Lippen auf seine.

Twain hieß ihn willkommen und öffnete seinen Mund dem Kuss, vielleicht zögerlicher als sonst, doch mit derselben, wenn nicht noch größeren Intensität, welche er stets bei den Berührungen des Doktors zutage legte.

Bedrohung durch einen Unbekannten

Doktor Emmanuel Hallstein schreckte aus seinem tiefen Schlaf auf. Benommen blinzelte er in die Dunkelheit, um sich überhaupt zu orientieren.

Was hatte ihn geweckt?

Langsam nahmen die Schemen um ihn herum eine festere Form an. Die Augen des Vampirs erkannten im Dunkeln schnell die ihn umgebenden Möbel des Schlafzimmers, die zugezogenen Vorhänge… es war ja mitten in der Nacht!

Der Doktor atmete erleichtert auf, als seine Fingerspitzen den warmen und schlafenden Körper seines Geliebten neben sich ertasteten. Ein wohliges, glückliches Gefühl durchströmte den Deutschen beim Anblick seines Liebsten, wie dieser so ruhig und unschuldig schlummerte. Ja, solch ein Anblick war wahrhaftig nicht vielen vorbehalten. Er selbst hatte schon mit ansehen müssen, wie sich sein sanfter Schmusekater sich außerhalb der Arme seines Liebhabers in eine gefährliche und kalte Bestie verwandelte. Sogar er selbst konnte sich beim Anblick von Anguis, dem zu Recht gefürchtetsten Killer dieser Zeit eines Schauderns nicht erwehren.

Twain sein Liebster tötete ohne Gnade oder Reue… schließlich hatte er sich den Tod zum Beruf erwählt. Als Todesengel ohne Gesicht oder einen Rest an Menschlichkeit versetzte er seine Opfer wie seine Untergeben in Angst und Schrecken.

Wie unglaublich würde ihnen der Anblick vorkommen, der sich ihm nun bot. Das hier war nicht mehr Anguis, die mörderische Schlange, sondern sein geliebter Twain – ein junger Mann mit Ängsten, Schwächen, Wünschen, mit allem, was einen normalen Menschen auszeichnet. Und vor allem verletzlich.

Niemand sollte einem so wundervollen Geschöpf wie Twain wehtun können und er würde alles in seiner Macht stehende machen, um dies zu verhindern. Doch wusste Emmanuel selbst, dass er seinen Liebsten nie so beschützen könnte, wie er es wollte. Gegenüber Erik, oder Twains Leibwächter Luke war er als Beschützer vollkommen unfähig. Was sollte er schon tun? Twains Widersachern Gedichte verbal entgegenschleudern?

Der Vampir fuhr behutsam und andächtig über die weiche und schimmernde nackte Haut seines Geliebten, welcher sich im Schlaf aufgedeckt haben musste. Twain war ja immer so heiß!

Der Doktor errötete leicht bei der Doppeldeutigkeit seiner Gedanken, konnte aber den Blick oder die Hand nicht von seinem schlafenden Liebsten nehmen. Twain erinnerte ihn an eine dieser marmornen Statuen – so vollkommen. So perfekt, wie diese Statue, welche Erik aus schwarzem Marmor von Twain angefertigt hatte.

Der Doktor wurde jäh aus seinen romantischen Gedanken gerissen, als er den Türklopfer im Erdgeschoss vernahm. Dies musste das Geräusch gewesen sein, dass ihn geweckt hatte. Doch es klang nun lauter und fordernder.

Twain hob nun auch den Kopf und flüsterte verschlafen „Emah…?“

„Warte hier, ich gehe nachsehen, wer das ist.“

Emmanuel küsste Twain auf die Wange und erhob sich vom Bett. Über einen Stuhl geworfen hing noch sein Morgenmantel, den er sich schleunigst überzog und zuband.

Auf dem Weg zur Haustüre fragte er sich, wer die Nerven besaß um diese Stunde bei ihnen zu klopfen. Oder wer überhaupt diese Adresse kannte.

Ein ungutes Gefühl machte sich ihn ihm breit. Entweder war etwas geschehen und Luke, oder Tuya oder Madeleine brauchten Hilfe – Erik war ja gerade in Italien-, oder Fremde hatten sie hier aufgespürt. Jedenfalls verhieß es nichts Gutes, dessen war sich der Doktor sicher.

„Was wollen Sie?“ Emmanuel hatte die Türe einen Spaltbreit geöffnet und lugte nun hindurch. Eine Kette verhinderte das komplette Öffnen der Türe, als Vorsichtsmaßnahme.

Eine dunkel gekleidete und vermummte Gestalt, allem Anschein nach ein Kutscher, stand davor. Sein Gesicht war nicht zu sehen. Emmanuel schwante Übles bei diesem Anblick.

„Mein Herr wünscht Anguis zu sehen“, kam die knappe Antwort.

„Zu welchem Zweck?“

„Das ist eine Sache zwischen meinem Herrn und ihm.“

Der Doktor betrachtete den Mann kritisch. Es war zwar nicht ungewöhnlich von Auftragebern Anguis zu sich zu bestellen, doch… dieser hier hatte ihn offensichtlich in seinem privatem Domizil ausfindig gemacht. Es gefiel ihm gar nicht, dass ein Fremder wusste, wo er –und Twain manchmal- wohnte.

Emmanuel wollte sich gerade umdrehen und Twain holen gehen, der viel mehr von diesen dunklen Machenschaften verstand als er selbst, als sich eine Hand sanft auf seinen Oberarm legte.

„Was gibt das hier, Emah? Wer ist dieser Kerl?“, flüsterte sein Geliebter ihm leise ins Ohr.

Twain hatte sich einen Mantel mit Kapuze übergezogen, der außer seinen Händen und ein Stück des Kinns wie gewohnt alles verhüllte und öffnete die Türe ganz.

Er baute sich vor dem Kutscher auf und sah diesen mit vernichtendem Blick, wenngleich seinen Augen verdeckt waren, an.

„Wie kannst du es wagen, hier einfach aufzukreuzen?“, zischte er schlangengleich. „Wer bist du, und was willst du?“

„Mein Herr wünscht Euch zu sehen, Anguis“, wiederholte der Scherge ungerührt von Twains hitzigem Temperament. „Ihr habt etwas, was ihm gehört.“

„Was soll das denn bitte sein?!“, entfuhr es Twain. „Wer ist dein so genannter Herr überhaupt?“

„Das kann ich Euch nicht sagen.“

„Wie soll ich denn dann wissen, was ich von ihm habe?“

„Er meinte, es reiche vollkommen, wenn Ihr zu ihm geht.“

Twain schnaubte wild. „Du willst mich wohl verarschen! Ich bin doch nicht bescheuert, mich ohne Sinn und Verstand zu meinen Feinden kutschieren zu lassen, damit die mich abmurksen können. Wäre ich so dumm, wäre ich schon längst im Grab!“ Twain zückte ein Messer aus einer Tasche seines Mantels. „Aber dorthin wirst du jetzt leider gehen müssen. Zu viel gesehen, und zuviel gehört für meinen Geschmack.“ Er schnappte sich den widerstandslosen Mann und presste ihm die Klinge an den Hals. „Ein einfacher Mensch wie du verdient die Ehre nicht mit mir gesprochen, mein Zuhause ausfindig gemacht und meinen Liebhaber gesehen zu haben… Sag „Adieu“, Scheißer!“

Mit einem eher irren Auflachen zog Twain die Klinge durch die Kehle des Mannes, von wo aus sofort frisches, rotes Blut sprudelte.

Der Doktor sah mit leicht gehobenen Augenbrauen zu, wie der junge Vampir sich sogleich auf die Wunde stürzte und das Blut gierig aufnahm.

„Willst du auch noch, Emah?“, fragte Twain grinsend und blutverschmiert, doch der Doktor lehnte dankend ab.

Sobald er den Menschen restlos ausgetrunken hatte packte der junge Killer die Leiche unter den Armen und schleifte sie zu einem nahe gelegenen Kanal, wo er sich ihrer ohne Umschweife entledigte. Emah blieb besorgt in der Haustüre stehen und beobachtete ihn. Die Kutsche dieses Kerls stand noch immer vor dem Haus, und wer könnte garantieren, dass nicht noch mehr Gehilfen dieses mysteriösen Auftraggebers innen drin saßen und darauf warteten sich Twain zu schnappen. Der junge Vampir kam ihm sogar außergewöhnlich unvorsichtig vor in aller Öffentlichkeit diese Leiche herumzuschleppen.
 

Als Twain zurückehrte schlich er argwöhnisch um die Kutsche herum und versuchte hineinzuspähen. Doch waren die Fenster mit schwarzen Vorhängen zugezogen und auch keine Geräusche ließen sich vernehmen.

„Twain, ich bitte dich, komm schnell wieder zurück ins Haus. Du gibst hier ein leichtes Ziel für diese Schurken ab.“

„Ich möchte wissen, wer mich hier bei dir ausfindig gemacht hat! Außerdem hab ich keine Ahnung, was dieser Kerl von mir will. Vielleicht hab ich seine Frau gevögelt oder so…“

Emah seufzte und dachte an die zahlreichen Eskapaden seines Geliebten. So viele Frauen… er verstand wirklich nicht, was die meisten Männer an ihnen fanden. Ihre Brüste, vor allem die der deutschen Frauen seiner Heimat, waren einfach zu wuchtig und schwabbelten seiner Meinung nach nur ziellos umher… und ihre massigen Oberschenkel schreckten den armen Doktor ebenfalls ab. Dazu kam noch diese schrille, alberne Art. Nein, er würde Twain in der Hinsicht wohl nie verstehen…

Außer natürlich diese japanischen Frauen, denen er das letzte Jahr über ausgesetzt war. Ihre knabenhafteren Körper gefielen dem Doktor schon um einiges besser. Und die japanischen jungen Männer erst…

Ein wenig lüstern glitt sein Blick über Twains schlanke Silhouette und er wusste, dass der Vampir unter diesem Mantel, den er sich nur schnell übergeworfen hatte, gänzlich nackt und umwerfend sein musste.

„He, was…?“

Emah sah wie erstarrt auf die Kutsche deren Tür gerade neben Twain von selbst aufgesprungen war. „Twain!“

Ein Arm griff blitzschnell heraus und packte den jungen Vampir, welcher vor Überraschung aufgeschrieen hatte. In den wenigen Sekunden Twains Erstarrung zogen ihn mehrere Gestalten ins Innere der Kutsche und gleich drauf knallten die Türen wieder zu.

„Twain! Verdammt!“ Emah versuchte dem Gefährt hinterher zu rennen, doch hatte dieses sich schon wie von selbst in Bewegung gesetzt. Die pechschwarzen Rosse, die davor gespannt waren, trabten in schnellem Schritt und mit einem unheimlichen Hallen die dunkle Gasse hinunter –der Doktor keuchend hinterher.

„Wartet, ihr verdammten…!“ Doch die Pferde beschleunigten nun zum Galopp und es war dem Vampir unmöglich weiter zu folgen.

Schwitzend und fluchend stütze er sich an einer steinernen Mauer ab und blickte in die Dunkelheit in die sein Liebster verschwunden war. Sein geliebter Twain… man hatte ihn entführt! Was, wenn er ihn nie wieder lebend sehen würde?

Der Doktor eilte von schweren Vorwürfen geplagt zurück zu seinem Haus um sich anzuziehen. Er beachtete nicht einmal das Brennen seiner nackten Fußsohlen auf dem Pflaster während er zurückhechtete. Er hegte nur noch den Gedanke etwas zu unternehmen, die Leute zu informieren, welche die Macht hatten ihn zu befreien: Luke Twains ergebener und unglaublich fähiger Leibwächter und Tuya, die ganz nach ihrem lieben Vater selbst Auftragskillerin und Kopfgeldjägerin wurde. Warum ausgerechnet war Erik jetzt nicht da? Er war es, der Twain unter allen Umständen finden – und retten – konnte! Hatte dieser Entführer etwa genau den Zeitpunkt abgewartet, an dem Erik außer Landes war? Doch wie konnte ein Mann so viel über Anguis wissen? Ganz zu schweigen von ihrem privaten und gut versteckt gehaltenen Domizil.

Schweißüberströmt hechtete er durch die noch offen stehende Vordertür ins Haus, nach oben ins Ankleidezimmer, wo er hastig Hemd und Hose zusammensuchte, wieder nach Unten um Schuhe und Mantel anzuziehen. Es war ihm egal, das jeder gesittete Mann hierzulande niemals ohne Hut oder sonstigen dummen Kram aus dem Haus gehen würde, er musste jetzt Luke und Tuya finden.

Doch er hatte nicht die geringste Ahnung, wo sich ein Leibwächter in seiner Freizeit herumtrieb. Er vermutete stark in Kneipen und Bordellen, aber davon gab es Unzählige in der Stadt!

Also beschloss er zuerst Tuya ausfindig zu machen, die zwar unter normalen Umständen auch schwierig aufzufinden wäre, als Killerin und Diebin, aber mit einem kleinen Säugling an der Brust wohl doch des Öfteren zu Hause weilen musste.

Emah weckte den verstörten Stallburschen, der noch selig im Stroh geschlummert hatte und befahl ihm barsch so schnell wie möglich ein Pferd zu satteln.

Der Junge bemerkte die außerordentliche Eile seines Herrn und machte sich ohne Widerworte an die Arbeit.

Sobald er damit fertig war warf der Doktor ihm einige Münzen zu und sprang auch sogleich auf das Pferd auf, um dann wie vom Teufel verfolgt hinwegzupreschen.

Der Stallbursche schüttelte nur müde den Kopf, jedoch freute er sich nicht minder über das Geld, welches ihm der Deutsche hatte zukommen lassen. Er legte sich zurück in sein Stroh und war gleich darauf wieder eingeschlafen.
 

„Los, Mädchen, mach schneller!“, spornte der Doktor seine Stute auf Deutsch, wie immer wenn er sehr erregt war, an. Er durfte nicht zulassen, dass Twain etwas zustößt. Was, wenn sie ihn schon getötet hatten?

Ein unbeschreibliches Stechen durchfuhr seine Brust. Sein Geliebter… tot. Und er hätte ihn zurückhalten sollen zu dieser verdammten Kutsche zu gehen!

Er durfte gar nicht daran denken. Der Verlust dieser wunderbaren und einzigartigen Mannes, den er liebte, wie er noch keinen zuvor geliebt hatte und jemals wieder lieben könnte… sein Verlust wäre unerträglich. Es wäre, als würde man einen Teil seiner eigenen Seele mit herausreißen. Und was würde Erik tun, wenn er es erführe? Und Tuya, die sein Kind geboren hat… oder Luke… Tendes! Nein, das konnte er nicht zulassen.

Im Galopp ritt er durch die pechschwarze Nacht und nur vereinzelt waren Rufe und Gesang von betrunkenen und fröhlichen Leuten zu hören.

Er würde alles tun, um seinen Geliebten zu retten, so wie dieser ihm ohne Rücksicht auf sein Leben das Seine gerettet hatte.

In der Hand des Entführers

Völlige Dunkelheit. Und ein merkwürdiges Gefühl… Es war so gewohnt und doch ungewöhnlich zugleich. Sein Gehirn schien nur langsam aus seinem dämmrigen Zustand zu erwachen und sein Kopf fühlte sich zermartert, wie nach dem Konsum zu starker Drogen an.

Twain versuchte die Augen zu öffnen, oder sich in irgendeiner Weise zu bewegen, aber etwas hinderte ihn daran.

„Uuh.“ Ein dumpfes Stöhnen entrann seiner Kehle. Es hörte sich heiser und gequält an. War das wirklich seine Stimme?

Noch einmal versuchte Twain seine Glieder zu bewegen, doch nun spürte er deutlicher, dass etwas Materielles ihn daran hinderte.

Mit Mühe brachte er seinen dröhnenden Kopf dazu, aus dem süßen Nichts wieder in die Wirklichkeit einzutauchen. So schön es auch wäre wieder wegzudämmern… Twain wollte wissen, wo er war und was geschehen war.

Er verfluchte lautlos seinen trägen Körper, der nicht wie gewöhnlich jeden Befehl in eine Regung umsetzte, sondern ungelenk und schwer blieb.

Auch der Widerstand an seinen Hand- und Fußgelenken wurde deutlicher zu spüren. Nunmehr schienen es wahrhafte Fesseln zu sein, die seine Arme und Beine zusammenbanden. Noch immer benommen versuchte der Vampir vergebens sich von den Fesseln zu befreien.

Zum Teufel, dachte Twain, wo bin ich hier hineingeraten? Wer hat mich entführt?

Sorgenvolle Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Wenn er in die Hände einer seiner Feinde gefallen war, und derer hatte er viele, dann würde er wohl sehr schnell sein Leben lassen müssen. Nein, diese Situation war alles andere als gut…

„Macht mich los, verdammt noch mal! Ich will wissen…!“ Doch bevor er zu Ende sprechen konnte, legte sich eine Hand über seinen Mund. Sanft, aber bestimmend drehte sie Twains Kopf herum, sodass dieser nun endlich das Gesicht seines Entführers erblicken konnte. Hinter diesem entflammten just Kerzen, als hätte eine unsichtbare Hand sie entzündet.

„Du…“, flüsterte Twain erstaunt.

„Ich habe nur zu mir geholt, was mir gehört.“

Nun sah Twain alles klar vor Augen. Wer sonst hätte es sein können? Kein normaler Mensch oder Vampir wäre in der Lage gewesen, ihn, den großen Anguis, so leicht zu verschleppen. Seine noch benommenen Sinne spürten jetzt deutlich die gewohnte Aura dieses Mannes, dieses… Erzdämonen. Charon hatte ihn entführt. Nur aus welchem Grund?

Mit dieser Frage im Blick sah Twain sein im Schatten kaum erkennbares Gegenüber an.

„Wieso dieser Überfall, wieso so dramatisch…? Du könntest mir doch jederzeit schreiben, oder mich aufsuchen…“ Die Drehung seines Kopfes, das Kinn immer noch fest von Charons Hand umschlossen, während sein restlicher Körper mit dem Rücken an die Gestalt hinter ihm gepresst wurde, verursachten inzwischen einen latenten Schmerz in seinem Nacken. Seine Sinne funktionierten auch noch immer nicht wie üblich. Es war Charons üblicher Trick – ihn mit Drogen gefügig machen. Trotz der Benommenheit begann Twain sich zu winden, um dem festen Griff und den Fesseln zu entkommen. Auch die Körperhitze des so nahen Dämons war verwirrend, wenn nicht gar ein Indikator für Gefahr.

„Diesem Doktor sollte ein Exempel statuiert werden“, antwortete Charon mit leiser, aber ausdrücklicher Stimme. „Ich will nicht länger zusehen, wie er sich mit meinem Eigentum vergnügt.“

„Das… das ist doch… Emah ist schon seit Jahren mein Geliebter…!“

„Dann wurde es auch Zeit. Ich war zu nachsichtig mit dir, Twain… Und für diesen Wesenszug bin ich eigentlich nicht bekannt. Du weißt auch ganz genau, dass ich Recht habe…“

Bei diesen Worten spürte der Vampir wie Charon beinah ruckartig den Morgenmantel, den Twain trug, herunterzog, sodass nun Oberkörper und Rücken unbedeckt waren.

„Das hier“, flüsterte Charons dunkle Stimme und er legte einen Finger auf das Brandmal auf Twains linker Schulter, das Erik so kunstvoll versucht hatte in eine eintätowierte Schlange zu integrieren damit es weniger auffiele, und Twain durchfuhr ein Schaudern, „ist Beweis für den Vertrag zwischen uns. Ich habe jedes Recht mit dir zu tun, was ich möchte. Auch, dich bei mir zu behalten… denn ich kann es nicht leiden zu teilen.“

„Aber…“ Trotz Charons eindeutigem Recht – denn dieses besaß er tatsächlich, auch wenn Twain dies mehr als missfiel- regte sich Widerspenstigkeit in Twains Geist.

Das konnte dieser Erzdämon unmöglich tun! Er würde niemals in Gefangenschaft leben, und das wusste Charon. Sonst hätte er ihn doch schon längst zu sich geholt!

„Vielleicht sollte ich dir unsere Positionen noch mal verdeutlichen…“, wisperte Charons tiefe Stimme in sein Ohr und Twain war es, als durchzöge ihn erneut ein Schaudern. Von welcher Art dieses war, vermochte er allerdings nicht zu sagen. Es war wohl Angst vor der drohenden Gefahr… und das prickelnde Gefühl der Lust in Erwartung dieser.

Twain wusste nicht, ob das ein Resultat seiner Drogen, oder einfach nur eine perverse Neigung in ihm selbst war.

Wusste er, was ihn erwartete? Eine weitere Darlegung der Machtverhältnisse… mit Charon als seinem Herrn.

Noch sträubte Twains Willen sich gegen derlei Machtdemonstrationen. Dafür hatte er schon zu vieles erlebt… Auch sein Körper sträubte sich. Doch Charons physischer Macht konnte er nicht standhalten.

„Was… was hast du vor?“, fragte Twain mit gepresster Stimme. Er erwartete keine Antwort – Charon war eher für seine Taten, als für große Worte bekannt. Um zu zeigen, dass er sich keinesfalls widerstandslos alles gefallen lassen würde, drehte er seinen Kopf mit einem Ruck aus Charons Griff. In diesem begann es sich wieder zu drehen.

„Du wirst nicht mehr gehen wollen, wenn ich mit dir fertig bin, Twain…“ Charons Gesicht war wieder gefährlich nah dem Seinen, auch wenn er es nur als verschwommene Schemen vor sich erkennen konnte. „Alles an dir gehört mir… „

Der Dämon begann über Twains Hals zu fahren, an seinem schlanken, weißen Körper hinunter und Twain fühlte sich abermals erbeben. Als die Finger sachte, aber gebieterisch über seine Brustwarze strichen, begannen diese sich ungewollt aufzurichten. Ein leises Stöhnen, welches der Vampir nicht mehr rechtzeitig unterdrücken konnte, entfuhr seiner Kehle.

„Ah…“

Charon lächelte zufrieden. Twains Körper reagierte genauso wie er es wollte auf ihn. Die Droge trug ihren Teil dazu bei, versteht sich.

„Mach mich los…! Ich will nicht…“

Umständlich zog Twain an den Ketten, die ihn festhielten. Der Druck an Hand- und Fußgelenken machte ihm klar, dass er mit diesen an die vier Bettpfosten festgebunden sein musste. Ein Umstand, der ihm sehr, sehr missfiel.

„Dein Anblick ist zu himmlisch, als dass ich ihn schon so früh aufgeben würde.“ Mit gierigem Blick betrachtete Charon den halb ausgezogenen Körper unter sich. Schon der Duft, der von ihm verströmte, hatte ihn schon immer verrückt gemacht. Verrückt nach diesem Fleisch, diesen Hort der Wolllust…

„Je weniger du dich wehrst, desto angenehmer wird es für dich, Twain.“

„Niemals!“

Er würde doch nicht einfach… etwas mit sich tun lassen! Nicht er, der große, der unbesiegte…

„Nein! Hör auf!“ Seine eigene Stimme klang heiser, aber nichtsdestotrotz so kampflustig wie gewohnt. Charon hatte den Gurt des Morgenmantels gelöst und ihn aufgeschlagen. Nackt und verletzlich fühle sich Twain in dieser Lage, sein schwer atmender und bebender Körper dem Dämon so hilflos ausgeliefert.

„Was stellst du dich so an, Twain? Ich kenne deinen Körper doch schon, jede Faser davon habe ich mir zu Eigen gemacht. Hast du das etwa schon vergessen?“

„Vielleicht will ich es vergessen!“ Twain zerrte mit den Armen erneut an den Fesseln, und ein leises metallisches Klirren ertönte als Antwort. Doch gaben sie keinen Zentimeter nach.

Plötzlich spürte er die scheinbar glutheiße Hand des Dämons auf seiner Haut. Charons großer, dunkler Leib vor ihm strahlte eine abnorme Hitze aus, welche die vernebelten Sinne Twains zu verschlingen und seine kühle Haut zu verbrennen drohte.

„Du kannst nie vergessen, wie wir uns geliebt haben, Twain. Und ich habe vor, dich erneut in diese Ekstase zu bringen, die dich alles vergessen lässt, was du bist und woran du glaubst; selbst die, die du liebst.“ Charons überlegenes, verlangendes Lächeln schwebte einen Augenblick vor Twains matten Augen, bevor er seine Lippen auf die des Vampirs presste. Twain erschrak kurz und gab Charon so die Möglichkeit ungehindert in seinen Mund einzudringen. Die heiße Zunge bewegte sich gierigin Twains Mundhöhle, kostete jeden Winkel aus; die weiche, warme Innenhaut, die glatten, spitzen Zähne. Twain schmeckte Blut in seinem Mund und wusste, dass Charon sich absichtlich an einem der scharfen Vampirzähne aufgeschlitzt hatte. Der schwere, süßliche Geschmack breitete sich weiter in seinem Mund aus und wirkte wie eine zusätzliche Droge – wenn es denn nicht dieselbe war, betörend, einvernehmend und den Willen raubend…

„Ngh…“

Charon ließ nicht ab, sondern presste seinen Mund noch fester gegen Twains Lippen. Seine Hände hatten begonnen jeden Millimeter von Twains Haut zu berühren, an ihr entlangzufahren mit ihrer sonderbaren Hitze und dort, wo diese Finger sie berührt hatten zeigte sich eine leichte Gänsehaut.

Twain wusste nicht, wieso er sich so sträubte. Wahrscheinlich war es einfach, weil er es hasste gefesselt und nicht mehr Herr über sich zu sein! Charon hatte ja Recht, er hatte es genossen… auch wenn es widerwillig geschah, so hatte er es genossen. Aber das hier war ja wohl etwas Anderes! Er ging entschieden zu weit!

In der Hand des Entführers (2)

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Freiheit im Garten

Die blutrote Flüssigkeit im Weinglas schwappte kurz von einer Seite zur Anderen, bevor sie die ebenso roten Lippen benetzte.

Was für ein köstliches Elixier… eine von Charons Spezialmischungen. Menschenblut war auf jeden Fall enthalten, sowie teurer Rotwein. Aber was war dieser andere bittersüße Geschmack?

Der junge Vampir fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und leckte einige Tropfen des Blutgemisches, welche dummerweise ihrer Bestimmung entfliehen wollten, wieder auf. So eine Kostbarkeit durfte nicht verschwendet werden. Charon war ein hervorragender Gastgeber, wenn gleich Twain ein eher unfreiwilliger Gast in seinem Hause war.

Mit verschleiertem Blick stand der Vampir am Fenster und sah hinaus in die mondbeleuchtete Nacht. Der Garten draußen lag in friedlicher Stille und abwechselnd, so, wie die Wolken über ihn herzogen, in Schatten oder silbernem Mondlicht.

Eine Sehnsucht breitete sich in Twains Herz aus. Wie gerne würde er dort, in diesem wunderschönen, gar mystischen Garten sein, in Freiheit…

Aber Charon hatte es ihm untersagt. Als sein "Herr" hatte er wohl auch jedes Recht dazu, aber es fiel Twain sehr schwer überhaupt jemanden als ihm höherrangig zu akzeptieren, geschweige denn einen Herrn und Meister, wie Charon sich im Moment aufspielte. Twain war geboren um zu herrschen und nicht, um beherrscht zu werden.

Erneut nippte er an seinem Wein und hoffte, dass wenigstens Erik ihn suchen würde und vielleicht auch hier herausholen würde. Es war natürlich töricht, sich immer auf seinen Partner zu verlassen und zu wünschen, dass dieser schon irgendwie alle Fehler wieder ausbügeln würde, aber…

Und überhaupt…! Diesmal war es ja nicht Twains Fehler, dass er in dieser Situation gefangen war. Was konnte er dafür, dass dieser Dämon verrückt nach ihm war? Twain tat schon alles, um sein Gesicht vor den anderen Menschen zu verbergen. So schön es war, so oft hatte es auch grässliche Männer angezogen. Und trotzdem hatte Charon ihn aufgespürt, nämlich anhand seiner Seele. Diese dunkle, gequälte Seele hatte den ebenso düsteren Mann angezogen wie das Licht die Motte. Und Twain war nahe daran auch Charons Finsternis zu verfallen…

„Was wird jetzt aus mir?“, dachte Twains noch immer gedämpfter Verstand. Seit er hier war, war er zu keinem klaren Gedanken mehr fähig. Als würde er sich in einem konstanten Rausch befinden, so fühlten sich sein Körper und Geist an. Missmutig kippte er den letzten Rest des Blutweins herunter.

Es verlangte ihn nach mehr Blut. Als Vampir ein natürliches Bedürfnis… aber es schien ihm fast so, als würde Charon ihm absichtlich eine ausreichende Blutzufuhr verwehren. Vielleicht, weil sein Körper dann von den schädlichen Auswirkungen der Drogen zu rasch geheilt werden würde? Oder um ihn zu quälen und letztenendes nach dem Lebenselixier auf allen Vieren angekrochen kommen zu lassen?

„Ich will jetzt gehen!“ Das erste Mal in den Tagen der Gefangenschaft hatte sich dieser Wunsch so in ihm gefestigt. Achtlos warf er das leere Glas zur Seite, wo es an einer Wand in tausend Scherben zersprang. Mit zielstrebigem, aber dennoch leicht wankendem Gang eilte er durch den verlassenen Raum zur Tür.

Ein heftiges Rütteln an der Türklinge lehrte den Vampir jedoch, dass jene fest verschlossen war. Twain wollte sich schon wieder zurückziehen, als ihm bewusst wurde, dass dies doch kein Hindernis für den höchst intelligenten Killer und Dieb Anguis, also ihn, darstellen könnte diese Tür zu öffnen. So entfernte er aus der Tür einen Holzsplitter um diesen sodann als Dietrich für das Schloss zu benutzen, was ihm schon nach wenig Mühe gelang.

Triumphierend, aber mit einem leichten Dröhnen im Kopf, machte sich Twain auf den Weg nach draußen.

Auch der Flur schien leer… ausgestorben. Die Kerzen in den Halterungen waren nicht entzündet, aber das kümmerte den Vampir nicht. Seine Augen waren selbst für Vampirstandard exzellent.

Leise huschte er den Gang entlang, suchte nach einer Treppe, welche ihn ins Erdgeschoss führen würde.

Ha, da war sie!

Wie ein Schatten bewegte er sich die mit Samt belegten Stufen hinunter und setzte seine Flucht aus dem riesigen und labyrinthartig verschlungenen Haus fort. Zum Glück kannte er sich hier etwas aus, da er schon einige Male das Vergnügen gehabt hatte in diesem Anwesen einkehren zu dürfen. Damals war es allerdings rein freiwilliger Natur gewesen, im Gegensatz zu jetzt!

Nach mehreren Irrungen gelangte er schließlich ins Freie.

Es war himmlisch… Endlich Freiheit!

Im Schatten der mächtigen, alten Bäume schlich er über das Gras. Ihm fröstelte gewaltig, schließlich hatte er noch immer nur den hauchdünnen Morgenmantel an, welchen er schon bei seiner Entführung getragen hatte.

Langsam aber sicher wähnte er sich beobachtet. Charon würde ihn mit Bestimmtheit überwachen lassen… Er kannte ihn nur zu gut. Seine schwarzen Krähen spähten die ganze Stadt für ihn aus und sicherlich hatte ihn hier im Garten auch schon eine gesehen. Das bedeutete höchste Eile.

Versuchend so leise wie möglich zu atmen und sich zu bewegen eilte er durch den weitläufigen Garten, bis er an einer hohen Steinmauer angelangte. Sie war aus groben, verwitterten Steinen beschaffen und an sich nicht schwer zu erklimmen. Vorsichtig, da sein Kopf sich noch immer dumpf und schwindelig anfühlte, setzte Twain einen Fuß auf einen vorstehenden Stein. Er hielt, und so setzte er seinen Aufstieg fort.

Urplötzlich packte ihn etwas energisch an beiden Seiten und zerrte ihn herunter. Twains erschrockener Aufschrei hallte durch den einsamen Garten.

„Ah! Hey!“

Charon hatte ihn natürlich erwischt. Grob drehte er den Vampir zu sich und drückte ihn gehen die Steinmauer. Beim Herunterreißen wurden Twains Handflächen und Knie etwas aufgerieben.

„Habe ich dir nicht befohlen zu bleiben?“, zischte der Dämon in Twains Ohr. Die Steine im Rücken des Vampirs drückten sich schmerzhaft in sein Fleisch.

„Ich habe es nicht mehr ausgehalten…!“

Charon blickte ihn intensiv an, als wollte er hinter die goldenen Augen seines Gegenübers schauen und ihre unendlichen Tiefen erblicken.

„Du warst fort und ich wollte nicht alleine und eingesperrt sein…“

„Ich war bis auf eben Tag und Nacht bei dir, Twain. Dann gibst du deine Sehnsucht nach mir also zu?“ Die Schatten in Charons Gesicht deuteten ein überlegenes Lächeln an.

Mit einer Hand umfasste er abermals Twains Gesicht und strich mit dem Daumen sanft über dessen Wange. Schön wie eine Marmorstatue… aber die Haut glühend wie Feuer.

Twain lehnte sich leicht gegen die warme Hand. Ihm war schrecklich kalt in dieser Jahreszeit und in diesem Aufzug, kälter noch, als ihm eigentlich sein sollte. Und Charons großer Körper strahlte so viel Hitze aus…

Ohne recht darüber nachzudenken lehnte der Vampir sich nach vorne, an die Brust des Dämons. Ja, das war seine Lieblingsstellung, wenn man es so nennen durfte. An die Brust dieses Mannes geschmiegt, genau da schien sein Platz zu sein.

Charon legte die Arme um ihn und zog mit beschützender Absicht auch noch einen Teil seines eigenen schwarzen Umhangs über Twains leicht bekleidete Gestalt.

„Komm, hier draußen wirst du sonst nur noch krank.“

Twain nickte und folgte, immer noch unter dessen beschützendem Arm, dem Dämon gehorsam zurück ins Haus. Seine Wärme und Nähe wirkten beruhigend und angenehm auf ihn.

Aus welchem Grund Charon scheinbar so plötzlich sanfter mit ihm umging konnte er nicht sagen und es interessierte ihn im Moment auch nicht. So jedenfalls kannte er ihn und vertraute ihm.

Leidenschaft

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Rückkehr

„Herr?“

„Sag nichts.“

„Was ist denn geschehen?“

Twain schnaubte wütend. „Frag besser nicht danach. Emah hat dir doch bestimmt schon alles erzählt.“

„Aber geht es dir gut?“ Twains, oder vielmehr und offiziell Anguis’ Leibwächter blickte besorgt auf den Mann hinunter, den es galt mit seinem Leben zu beschützen.

„Sehe ich so aus, als wäre es anders?“, fragte Twain gereizt zurück.

Luke schwieg. Sein Herr hatte ganz offensichtlich schlechte Laune, und es war nicht ratsam ihn in diesem Zustand weiter zu reizen. Allerdings war er selbst ebenfalls wütend auf diesen Dämonen. Charon… Was bildete er sich überhaupt ein? Mit dem großartigen Anguis umzuspringen, wie es ihm beliebte, ihn über Tage in seinem Anwesen festzuhalten… und er konnte nichts dagegen tun.

„Es tut mir so leid, ich hätte besser auf dich aufpassen müssen, Twain!“

„Du sollst meinen Namen nicht so laut in aller Öffentlichkeit herausposaunen.“ Twain verdrehte die Augen. Luke war wirklich oft nicht der Hellste. „Außerdem hättest du nichts gegen ihn tun können. Du bist ein Vampir. Stark, zwar,“ er warf einen kurzen Seitenblick auf Lukes breite, muskulöse Gestalt, „aber gegen ihn nützt dir das gar nichts. Nicht einmal ich kann etwas tun.“

Der Leibwächter schnaubte kurz, sparte sich aber einen Kommentar. Was ihn selbst betraf, so hatte Twain aller Wahrscheinlichkeit nach recht… Charon war gerissen genug gewesen ihm seinen geliebten Herren unter der Nase weg zu stehlen, sozusagen. Aber dass Twain diesem überheblichen Dämon gegenüber machtlos sein sollte, das glaubte er nicht. Vielmehr schien es so, dass sein Herr kaum Widerstand leistete. Wieso, das wusste er jedoch nicht.

„Soll ich dich nach Hause bringen?“

„Keine Lust. Eher will ich mich betrinken.“

Luke horchte erschrocken auf. Sein Pferd reagierte mit einem nervösen Tänzeln und während er es wieder beruhigte, fragte er gedämpft: „Aber Herr… wenn es wirklich so schlimm dort war, solltest du vielleicht mit Erik darüber reden, anstatt dich betäuben… Und als dein Leibwächter liegt mir dein körperliches Wohl ebenso am Herzen.“

Luke schwanten schon Visionen von seinem völlig betrunkenen Schützling, welcher im Suff seine vertraulichsten Geheimnisse preisgab, sich sogar als Anguis zeigte und schutzlos einem möglichen Angreifer ausgeliefert wäre in diesem benebelten Zustand.

„Wer hat gesagt, dass es schlimm war?! Mir ist eben langweilig nach mehreren Tagen Zwangsgastieren in seinem verdammten Haus!“ Weitere Flüche folgten.

Oje, dachte Luke. Vielleicht war es doch besser, wenn er sich betrank. Dann würde er nach einiger Zeit einschlafen und er konnte ihn ohne großes Gezeter zurück nach Hause bringen.

Twain hatte sein schwarzes Ross angetrieben und trabte in Richtung Stadttore, wobei sein Leibwächter kopfschüttelnd versuchte aufzuschließen. Twain sollte ihn vorreiten lassen, falls ein Attentat auf ihn geplant war könnte er, Luke, den Pfeil, oder was auch immer abfangen und Twain sich in Sicherheit bringen. Nein, er würde eher kämpfen wollen… Ein Herr wie er war wahrlich schwierig.
 

„Name und Zweck ihres Aufenthalts in der Stadt?“, erkundigte sich der Torwächter, wie er es bei jedem Durchreisenden tun musste, als Twain herangeprescht war und vor den verschlossenen Toren Halt machte.

„Öffne das Tor, oder du bist tot“, zischte Anguis gereizt von unter seiner schwarzen Maskierung.

Der Wächter erbleichte leicht und riss sofort das Tor auf, um den beiden Männern Einlass zu gewähren. Es war schon bekannt, dass man Anguis besser keine Bitte abschlug, wenn einem sein Leben lieb war. Und es sprach alles dafür, dass er den gefürchteten Todesengel höchstpersönlich vor sich hatte.

Er verkroch sich in den Schatten der schweren Eisentore, als die beiden Männer, Anguis voran, ganz in schwarz, und hinterher ein Hüne, welcher nur sein Leibwächter sein konnte, in schnellem Trab den Eingang passierten.
 

Die Stadt lag in noch tieferer Nacht als üblich. Nur vereinzelte Lichter zeugten von Leben hinter der heruntergekommenen Fassade dieses Ortes. Dies war eines der vielen Armenviertel Paris, welches so fern vom schillernden, dekadenten Zentrum schien wie auch die Welten der Menschen und Vampire ferner nicht sein konnten.

Die Menschen, die hier lebten, oder eher hausten, gehörten zu den Ärmsten und führten ein klägliches Leben unter der Herrschaft der schönen und praktisch unsterblichen Vampire. Und aus solch einer Gegend sollte Twain stammen?

„Luke, wir stellen die Pferde unter und gehen dann ins «Coquelet Noir»“, befahl Twain.

Die Schenke gehörte zu den Lieblingsplätzen von Twain und seinem Leibwächter, ein Ort, an welchem sie schon viele feuchtfröhliche Nächte durchgemacht hatten.

„Jetzt gleich? Willst du dich denn wirklich nicht ausruhen?“

„Tu nicht so scheinheilig, Luke. Du liebst es doch, dort hin zu gehen! Wir können ja meine neu gewonnene Freiheit feiern, hm?“ Twains verhülltes Grinsen zeichnete sich für seinen Leibwächter sichtbar in den seltsam goldenen Augen ab, die als einziger Körperteil nicht von Stoff verdeckt waren.

Luke lächelte unfreiwillig. Er hatte seinem Twain noch nie etwas abschlagen können. „In Ordnung.“
 

Etwas später bahnten die beiden Männer sich, inzwischen ohne Pferde, durch die Schar der Nachtschwärmer. Menschen, Vampire, Huren und Bettler buhlten um Aufmerksamkeit oder suchten den nächsten Spaß, den nächsten Kick.

Twain hatte sich von seiner Maskierung verabschiedet und war nun nicht mehr als Anguis unterwegs, sondern als einer der normalen Spaßsüchtigen. Er hatte sich an Lukes äußerst muskulösen Arm gehängt und überlegte sich, wie er es am besten anstellen sollte sich maßlos zu betrinken. Als Vampir war dies ja kein allzu leichtes Unterfangen, vertrugen sie doch weitaus größere Mengen an Alkohol als Normalsterbliche.

Als sie endlich die kleine, verrauchte Schenke „Le Coquelet Noir“ betreten hatten atmete Luke erleichtert aus. Wenigstens hatte er Twain sicher und ohne ihn im Getümmel zu verlieren ins Gasthaus befördert. Sein geübter Blick streifte kurz das Etablissement und diejenigen, die ihm innewohnten, um mögliche Gefahren auszuschließen und es schienen keine unbekannten oder zwielichtigen Gesichter dabei zu sein, obwohl er sich da als Leibwächter nie sicher sein durfte.

Twain ließ sich bereitwillig von Luke zu einem Ecktisch bugsieren, immer noch an seinem Arm hängend, und überprüfte ebenfalls die Räumlichkeiten.

„Ich habe heute keine Lust auf die anderen. Ich will bei dir sein“, ließ er seinen Beschützer wissen.

Luke wurde auf diese Auskunft hin ein wenig rot und ein erfreutes Lächeln stahl sich auf seine Lippen.

Außerdem machte es die Sache leichter, wenn nicht ein Haufen von betrunkenen Trotteln dabei saß und alles in einer feuchtfröhlichen Orgie endete.
 

„Zehn Gläser von eurem Wacholderschnaps!“, bestellte Twain bei der gut aussehenden Kellnerin, während er sie unverhohlen musterte. Ja, da hatte er eine gute Wahl getroffen. Das Lokal gehörte ihm, Anguis, und er stellte sicher, dass alle seine Geschäfte von vollbusigen, langbeinigen Schönheiten bedient wurden.

Luke seufzte ergeben, wenngleich er ebenfalls, jedoch heimlich, der jungen Dame mit seinen Blicken folgte. „Valerie ist wirklich ein hübsches Ding“, murmelte er.

„Du bist heute mit mir da“, zischte Twain.

Luke musste schmunzeln. „Ja, natürlich, das war rein…äh…“

Twain konnte ja so eifersüchtig werden. Eigentlich nahm er sich bei den Weibern zurück, zumal er selbst genügend davon hatte, aber heute war er wohl doch noch etwas gereizt. Was dieser schreckliche Dämon wohl mit ihm angestellt hatte?

„Du weißt doch, dass das der männliche Instinkt ist“, beschwichtigte Luke und legte seinem Begleiter seine große, warme Hand auf den Unterarm. Er sah ihm eindringlich in die golden schimmernden Augen und strich über dessen Handgelenk hinunter zu den langen, weißen Fingern seines Herrn, welche er langsam zu seinen Lippen führte um ihm seine Ehrerbietung zu zeigen.

„Ich liebe nur dich.“

Twain sah für eine kurze Zeit zufrieden aus, bevor er raunte: „Und was ist mit Marie? Die liebst du doch auch!“

„Ach, Twain, das ist doch ganz anders. Sie ist einem Anderen versprochen… Was soll ich da noch machen?“

„Solche Umstände fachen die Liebe doch nur noch mehr an. Verbotene, ungehörige Liebe ist der Stoff, aus dem die besten Opern, Stücke und Romane geschmiedet werden.“

„Und gehört auch die Liebe eines Dieners zu seinem Herrn dazu?“

„Allerdings, denn das ist ja auch schrecklich unziemlich…“ Twain grinste sein typisches schurkisches Grinsen. Alles, was sich nicht gehörte, das tat er erst recht.

Luke umschlang Twains Finger, welche immer noch an seinen Lippen ruhten und legte sie auf dem Tisch ab, jedoch ohne sie loszulassen.

„Dann ist meine Liebe zu dir… also noch mehr entfacht als sonst“, schloss er.

„Du bist wohl eher ein verliebter Trottel!“

Luke lachte kurz und war nicht gekränkt. Er war ein treuer und loyaler Diener – vielleicht auch manchmal ein wenig ein Trottel, vor allem, wenn es um Frauen ging.

Aber Twain war keine Frau, was die Sache einerseits um ein Vielfaches einfacher machte, denn er verstand, zumindest meistens, seine Art zu denken und zu Handeln. Und die männliche Libido… nun, die war auch etwas Anders als die der Weiber.
 

„So, da haben wir’s.“ Valerie stellte die zehn Gläschen auf dem kleinen Tisch ab. „Und Luke, pass auf, dass dein Süßer nicht zuviel davon nascht.“ Kichernd machte sie sich wieder auf den Weg zurück zur verrauchten Theke. Twain ignorierte ihre Bemerkung

„Du hast sie gehört, Twain, ich muss auf dich aufpassen.“

Dieser winkte jedoch nur ab und schnappte sich das erste Glas des Gebräus, welches er in einem Zug leerte. Das Zweite folgte prompt und auf dieselbe Art.

„Weißt du, du solltest vielleicht wirklich langsam machen und vorher etwas essen, Twain…“

Drei und Vier nahmen jedoch dasselbe Ende wie ihre Vorgänger. „Schwachsinn, wenn mir davon schlecht wird kotz ich halt und bestell mir was Neues.“

Luke seufzte resigniert. Es war ja nicht so, dass sein Herr wenig vertrug, aber auch für einen gestandenen Vampir war nach 20 Gläsern dieses hochprozentigen Gemischs Feierabend.

„Es sind ja deine Vorräte, die du hier vertrinkst“, murmelte Luke ergeben. Ein Glück, dass er das nicht alles zahlen musste.

Twain grinste spitzbübisch und der Alkohol hatte eine gesunde Röte in seine Wangen getrieben. Die Hitze schien seinem Körper plötzlich zu entweichen wie die warme Luft dem Ofen. Luke wurde selbst ganz heiß, wo sein Begleiter doch so nah bei ihm saß, ihre Arme und Hände sich sogar berührten.

„Nimm doch auch was…“ forderte Twain und lehnte sich an die breite Schulter seines Leibwächters, um grinsend zu diesem hochzusehen.

„Das sollte ich nicht. Ich muss doch schließlich noch arbeiten, schon vergessen? Auf einen gewissen Jemand Acht geben.“

Twain zuckte mit den Schultern und gab sich seinem auserkorenen Ziel für diese Nacht hin.
 

Wie Luke vorausgesehen hatte war nach knapp zwanzig Gläsern Wacholderschnaps die erträgliche Grenze erreicht. Sanft, aber bestimmt hatte er Twain mit sich nach draußen geführt und stützte ihn nun etwas beim Gehen ab. Alleine Laufen konnte sein Herr zum Glück noch, auch wenn es nicht mehr ganz an die geschmeidigen und katzenhaften Bewegungen erinnerte, welche er sonst ausführte.

„Gehen wir zu dir, Luke? Bitte…“ Scheinbar grundlos lachte Twain in den Ärmel seines Beschützers hinein.

„Klar.“ Lukes Hals war trocken. Wenn sie zu ihm gingen, dann bedeutete dies… eine heiße, wundervolle Nacht.

Aber normalerweise war der Vampir doch nach einem Intermezzo mit diesem Dämon nie sonderlich scharf auf… weiteren Verkehr mit Männern. Vielmehr war er danach abgeneigt sich überhaupt von solchen berühren zu lassen. Ob er wohl einfach nur sehr betrunken war und es schlicht vergessen hatte?

„Bist du nicht müde, Twain?“

„Nein.“ Abrupt – und mitten in einer belebten Gasse- drehte Twain sich zu seinem großen Aufpasser und legte die Lippen auf dessen Mund.

Dieser keuchte kurz etwas erstaunt auf, wehrte es jedoch nicht ab. Im Gegenteil, kleine wohlige Schauer breiteten sich auf dem gestählten Körper des Leibwächters aus und sein Herz begann wie wild zu schlagen.

Er genoss es sichtlich seinen Herrn zu küssen. Zum Glück wusste keiner, dass Twain sein Herr, nämlich Anguis, war, sonst hätte er ganz schnell ein paar große Probleme.

Aber Twain erschien einfach wie Lukes süßer, ansehnlicher Geliebter.

Twains Lippen saugten sich gierig an seinem Mund fest und er schmeckte noch den süßlichen Geschmack des Alkohols auf ihnen. Drängend schlang er die muskelbepackten Arme um den schlanken Körper seines Herrn… seines Geliebten.

„Mh, du bist so gut, Twain“, raunte er mit kehliger Stimme und fuhr mit dem Mund an Twains Hals entlang nach unten. Neckisch streifte er die dünne, weiße Haut mit seinen scharfen Vampirzähnen, jedoch war er darauf bedacht ihn nicht zu verletzen.

Twain grinste und in seinen Augen blitzte eine mit Alkohol angereicherte Wolllust auf.

„Los, lass und endlich zu dir gehen“, drängte er gespielt verzweifelt. „Sonst kann ich es nicht mehr zurückhalten…“

„Und ich erst recht nicht.“

Abermals küssten sie sich heiß und innig, und in dieser Straße, wo Dekadenz und Unzucht des Nachts ihr Revier verteidigten, waren sie kein ungewohntes Bild.

Böse Überraschungen

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Dieb

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Dunkle Wolken

„Was ist das für ein Teil?“

Twain antwortete nicht direkt auf Lukes Frage, sondern kuschelte sich behaglicher in die starken Arme seines Beschützers. Zudem war er plötzlich sehr, sehr müde. Sie hatte ausgiebig ihrer Wollust gefrönt und das mit in Twains Falle reichlich Alkohol im Blut. Ein paar Stündchen Schlaf könnten sogar ihm gerade ganz gut tun.

Luke allerdings, welcher den schlanken Leib seines Liebhaber mit dem Rücken gegen seinen eigenen Oberkörper und Bauch gepresst hatte, gab nicht so schnell auf und nahm sich Twains linke Hand zur genaueren Untersuchung. „Ich hab da schon die ganze Zeit was glitzern sehen. Mann, der ist ja riesig!“

Die erstaunten Augen des Leibwächters gingen über den großen, tiefroten Edelstein, welcher in über hundert Facetten geschliffen das spärliche Licht einfing und reflektierte. Der Brillant erreichte mit einem Durchmesser von über drei Zentimetern eine Größe, die Luke noch nie an einem ähnlich kostbaren Stein gesehen hätte. Genau genommen bekam er Schmuckstücke dieser Preisklasse ohnehin nie zu Gesicht.

Doch bevor er sich die genauere Beschaffenheit des Ringes ansehen konnte zog Twain schon wieder energisch seine Finger aus Lukes Griff.

„Der’s von ihm…“, murmelte Twain-

„Du trägst doch sonst nicht so opulenten Schmuck. Soll das ein Verlobungsring sein?“

„Spinnst du?! Nie im Leben!“ Erbost drehte Twain sich zu seinem Liebhaber um und funkelte diesen an.

„Ist ja gut, war nur ein Scherz. Warum trägst du ihn dann nicht einfach am Daumen statt am Ringfinger, er ist dir doch arg weit.“

Luke ergriff mit seinen Händen abermals die filigranen Finger seines Herrn um sanft über diese zu streichen. Dabei blickte er ihn mit ebenso zärtlichem Blick an.

Der große Engländer hatte vor ihrer Begegnung nicht an solche Dinge geglaubt, aber heute wusste er, dass es Liebe auf den ersten Blick war. Damals auf der britischen Insel, als er bei diesem Turnier Twains Augen zum ersten Mal auf sich spürte. Dieser intensive Blick, der ihm bis unter die Haut ging. Er hatte den Kampf natürlich gewonnen, angespornt durch die goldenen Augen in dem blassen und überirdisch schönen Gesicht des unbekannten Zuschauers.

Auch jetzt noch vermochten diese Augen, in die er sich seit jenem Zeitpunkt unsterblich verliebt hatte, ihn in seinen Bann zu ziehen. Luke lächelte in sich hinein und versuchte diesen perfekten und anbetungswürdigen Körper wieder näher an sich zu ziehen und dessen Wärme weiter in seinen Armen zu spüren.

Twain jedoch murrte nur etwas Unverständliches und zog sich den massiven Ring ab, dann schälte er sich aus der Umarmung seines Liebhabers um das Kleinod in einem Beutel zu verstauen, welcher auf dem Nachttisch lag. Ein leises Klirren verriet, dass das Gold auf Münzen des gleichen Elements aufkam.

Der jüngere Vampir seufzte. „Ich sollte jetzt eigentlich nicht schlafen. Ich muss… noch was erledigen. War zu lange weg.“ Er lag halb aufgerichtet und Luke den Rücken zugewandt an der Bettkante. Sein Blick ging auf das kleine Dachfenster, dessen Vorhänge im Moment fest zugezogen waren.

„Das kann nicht dein ernst sein, Twain!“ Hellhörig geworden richtete auch sein Leibwächter sich auf und legte seine Pranke auf Twains unbedeckte Schulter. Der Kopf der tätowierten Schlange ragte nur noch halb unter seiner Hand hervor, jedoch war es ihm, als sei sie tatsächlich lebendig unter der samtenen Haut zu spüren. „Du musst dich ausruhen, du hast dich zu sehr verausgabt. Als dein Leibwächter muss ich dir wirklich sagen…“

„Blödsinn. Ich bin durch das Blut wohlauf“, flötete Twain munter und drehte seinen Kopf, sodass er Lukes Lippen sacht mit den Seinen berühren konnte. Luke erwiderte den Kuss zwar innig, doch allzu leicht würde er seinen Widerstand noch nicht aufgeben.

„Wenn du gehen musst dann lass mich mitkommen, Twain.“

Der Angesprochene seufzte theatralisch. „Wenn es sein muss...“ Er grinste. Sein Beschützer dagegen strahlte freudig und drückte ihn fest von hinten mit seinen muskulösen Armen, jedoch darauf bedacht ihm nicht weh zu tun. Das Kampftraining hatte dem Leibwächter eine enorme Stärke verliehen, auch weil er wusste, dass sein Herr auf seine Muskeln und seine breite Statur stand.

Ihre Zungen suchten einander und fanden sich. Sie erforschten einander gierig, vereint in einem wilden Spiel. Twain musste seinen Kopf weit drehen, denn er lehnte noch immer mit dem Rücken gegen seinen Liebhaber. Dabei umschloss Lukes schwitzige Hand fest Twains Gesicht, so als wollte er ihn nicht wieder gehen lassen. Die andere Hand legte er auf Twains unbekleidete Taille, zog ihn wieder näher zu sich und strich fiebrig über die seidenweiche Haut und den flachen Bauch.

Nach kurzer Zeit und leicht keuchend lösten die beiden sich wieder und sahen sich in die Augen.

„Wir sollten gehen“, befand Twain heiser.

Luke drückte ihm einen Kuss auf das Ohrläppchen und arbeitete sich mit seiner Zunge hinunter, bis er die weiche Haut des Halses liebkosen konnte. „Ja, gehen wir.“ Doch er machte keine Anstalten aufzubrechen, sondern bearbeitete die empfindliche Haut weiter mit Küssen und Saugen.

„Ich meinte jetzt gleich!“ Twain legte mit einem leisen Stöhnen den Kopf nach hinten um seinem Geliebten noch mehr des weißen Fleisches darzubieten. Ein warmes Kribbeln breitete sich an den Stellen aus, die von Lukes Lippen berührt worden waren, und nicht nur dort, sein gesamter Körper schien von Hitze durchströmt zu werden.

Luke tat, als habe er die Aufforderung nicht gehört. „Du bist heute wirklich wahnsinnig empfindlich, Twain. Lieg das am Hochprozentigen?“ Vielleicht konnte er seinen Herrn für einige Zeit ablenken und ihn doch noch zum Schlafen gewinnen, was gewiss das Beste in dieser Situation wäre. Twain war ein zu großer Hitzkopf, so impulsiv, dass er sich auch selbst schaden konnte. Einige Stunden Schlaf würden seinem Entscheidungsvermögen sicherlich gut tun.

„Das ist nicht wahr…!“, protestierte der jüngere Vampir. Ein Schaudern überkam seinen gesamten Körper und ließ seine feinen Nackenhaare zu Berge stehen.

Was ist nur mit mir los?, fragte Twain sich. Er hat mich doch nur geküsst… Ich muss mich zusammenreißen.

Der hünenhafte Leibwächter nutzte die Zweifel seines Geliebten um den Kuss noch einmal zu vertiefen. Seine Zunge drang tiefer in die warme und feuchte Höhle ein und erkundete mit wildem Enthusiasmus das weiche Fleisch.

Dem nicht genug begann Luke nun auch noch über Twains erregte, spitz aufgerichtete Brustwarzen zu streichen, leicht in sie hinein zu kneifen. Dies verfehlte seine Wirkung nicht, wie Luke zufrieden am heiseren Aufkeuchen seines Schützlings erkannte.

„Gefällt dir das?", raunte Luke leise in Twains Ohr. Dessen Erzittern war Antwort genug.

Der jüngere Vampir drückte sich entgegen seines Wunsches jetzt gleich aufzubrechen, um sich wieder um seine zwielichtigen Geschäfte zu kümmern, enger an den heißen Leib seines Liebhabers. Die rauen, aber zärtlichen Hände strahlten Sicherheit und Stärke aus. Wie er dies genoss... Langsam aber sicher kam Twain auf den Geschmack von mächtigen, männlichen Körpern und deren beschützender Stärke.

Twain atmete schwerer als gewöhnlich, jedoch zwang er sich dazu, sich wieder zu beruhigen. Er wandte sich um und legte seinem Beschützer eine leicht zittrige Hand auf die Brust. „Bitte, Luke, ich muss wirklich gehen…“

Luke seufzte tief und ließ von seinem Schützling ab. Er hatte noch nie eine Bitte von Twain abschlagen können… Auch wenn sein halb erwachtes Glied nun wieder enttäuscht den Kopf hängen ließ.

„In Ordnung. Ich hab noch frische Kleidung für dich hier.“ Das Bett knarrte laut, als sich der große Vampir, welcher wahrhaft ein Bild von einem Mann war, von diesem erhob und die Schränke nach Wäsche durchsuchte. Zum Glückt hatte er immer frische Kleidung für seinen Herrn und Geliebten im Haus, sodass der sich ohne die diversen Düfte der vergangenen Nacht wieder seiner Arbeit zuwenden konnte.

So kramte er alles heraus, was aus einem nackten (und wahnsinnig hinreißenden) Twain einen anständig furchteinflößenden Anguis machen würde und half seinem Liebsten auch gleich sorgsam die Kleidungsstücke anzuziehen.

„Bist du meine Zofe, oder was?“, feixte Twain, während er auf den vor ihm knienden Mann sah, welcher ihm gerade eine Hose zärtlich überstreifte.

„Ich bin alles was du willst für dich.“ Luke lächelte sein herzerweichendes Lächeln und Twain ließ ihn auch mit den übrigen Kleidungsstücken gewähren.
 

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„Wo soll ich dich hinbringen?" Luke sah zu seinem schwarz verhüllten Schützling.

„Ich muss erst mal nach Hause... Schade, dass Erik nicht da ist." Twain gab es zwar nicht direkt zu, aber er vermisste seinen Partner. Erik war mehr als nur ein Freund, er war wie ein großer Bruder, seine Familie...

Luke wusste dennoch, wie sein Liebster fühlte.

„Ich würde gern mit dir kommen, aber ich weiß ja, dass Erik niemanden außer dir in seinem Heim duldet. Aber ich kann draußen auf dich warten", fügte er hoffnungsvoll hinzu.

„Ja... das wäre gut", murmelte Twain leise. Er wollte auch nicht zugeben, dass er sich ohne einen Menschen an seiner Seite einsam fühlte, vor allem in den dunklen Stunden der Nacht, in denen er alleine mit sich und seinen Gedanken war und ihn immer noch Alpträume heimsuchten. Keiner wusste, dass er sich nachts bei Erik im Bett einquartierte um dessen beruhigende Nähe zu spüren, vor allem wenn er schweißgebadet aus einem Alptraum schreckte, und er würde sich auch lieber von einer Klippe stürzen als dies jemandem zu erzählen.

„Danach muss ich mit meinen Männern sprechen. So ein Mist, dass ich ausfallen musste während Erik nicht übernehmen konnte. Hoffentlich haben meine Leute nicht wieder so viel Scheiße gebaut. Wenn man es richtig haben will, muss man alles selbst machen." Twain schnaubte verächtlich.

Luke wusste nur zu gut, dass sein Chef ein zwanghaftes Kontrollverhalten an den Tag legte. Er verlangte fehlerfreie Arbeit von seinen Untergebenen und grenzenlose Loyalität. Doch im Gegenzug konnten sie auf eine faire Behandlung und Schutz von Anguis zählen.

„Sei nicht zu streng mit ihnen, darling." Sich schnell umschauend legte Luke eine Pranke auf Twains Hintern. Gut, in dieser Gasse waren sie alleine und keiner konnte sehen, wie ungebührlich er sich seinem Herrn näherte. Es war wirklich von Vorteil heute zu Fuß unterwegs zu sein. Obwohl eine Kutsche noch eine ganz andere Art von Privatsphäre bieten konnte...

Luke musste bei dem Gedanken an eine weich gepolsterte Kutsche, die leise im Rhythmus ihres Liebesspiels knarrte, scharf Luft einsaugen. Hoffentlich hatte sein Herr nichts bemerkt, sonst hielt er ihn noch für einen schwanzgetriebenen Lüstling... obwohl Twain das ohnehin schon längst bemerkt haben musste.
 

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Twain bewegte sich lautlos in der kompletten Dunkelheit der labyrinthartigen Geheimgänge, die immer tiefer unter die Erde führten. Auch wenn kein Fünkchen Licht mehr auf der katzenhaft reflektierenden Netzhaut des Vampirs zurückgeworfen werden konnte, so brauchte Twain kein Licht um sich in den Gängen, die er wie seine Westentasche kannte, zurechtzufinden. Die übermenschlich scharfen weiteren Sinne eines Vampirs taten ihr übriges.

Ich muss den Ring hier unten deponieren, wo Charon nicht hinkommen kann. Geschieht ihm ganz recht, nachdem er mich so behandelt hat. Ich gehöre niemandem, schon gar nicht ihm, egal, was auf irgendeinem blöden Zettel steht!

Endlich in ihrem geheimen Domizil angelangt fischte er den Ring zwischen den Münzen heraus und legte ihn auf seine Kommode, die schon andere angehäufte Kleinodien mit Bedeutung für den jungen Verbrecher beherbergte. Er musste grinsen, als er ihn neben Emahs Ring, ein Geschenk seiner Liebe, legte.

Ich habe wirklich zu viele Liebhaber...Ein Einzelner kann das alles doch gar nicht schaffen. Zum Glück ist Luke so unglaublich nachsichtig mit mir... Er sorgte sich aber, dass Emah nicht Lukes Toleranz haben könnte. Der Deutsche kam weniger gut mit dem Gedanken an Polygamie zurecht als sein Leibwächter, welcher einfach nur froh war überhaupt bei Twain sein zu dürfen. Man konnte es Emah auch nicht verübeln. Und wenn er jemals dieser Konstellation überdrüssig würde und sich von ihm trennte...

Twain wollte nicht weiter darüber nachdenken, was es bedeuten könnte Emah zu verlieren. Schmerz über seinen Verlust war nichts als Schwäche, er war schon so zu schwach und angreifbar, weil er diese Leute zu gern hatte. Und Charon hatte es sofort auszunutzen verstanden.

Kurz flammte Wut in ihm über den allmächtigen, sadistischen Dämon auf.

Wenn ich nur wüsste, was an dem Ding so besonders ist. Es wird ihn schon nicht umbringen, dass ich ihn jetzt habe. Aber er wird ihn sicherlich nicht kampflos aufgeben...
 

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Nach längerem Warten, welches Luke sich mit Leibesübungen zu verkürzen versuchte, tauchte sein Liebster aus den Schatten auf. Sein völlig unbemerktes und lautloses Anschleichen verursachte bei dem Leibwächter allerdings keine Überraschung mehr, er hatte es schon oft genug erleben können.

"Komm, ich nehme das." Galant nahm Luke seinem Schützling die große Tasche ab, welche er mitgebracht hatte. Es gefiel ihm, dass Twain Gepäck dabei hatte, denn das hieß, er würde sich irgendwo außerhalb einquartieren, am besten natürlich bei Luke selbst.

"Wo soll ich dich hinbringen? Ich kann uns eine Kutsche anhalten."

"Ich weiß noch nicht... Ich will niemanden in Gefahr bringen", überlegte Twain in Gedanken verloren.

"Gefahr?" Bei diesem Wort musste Luke aufhorchen. Er musste jeglicher Gefahr, die seinem Schützling drohte, Einhalt gebieten. "Dann werde ich nicht von deiner Seite weichen. Vor allem nicht, wenn es um diesen Kerl geht."

"Er könnte ein wenig... erzürnt sein. Er darf euch nichts tun, aber wer weiß, was er unter "schaden" versteht... Er kann dich trotzdem irgendwie ausschalten."

"Das ist mir egal, das weißt du doch! Ich lasse dich nicht allein. Und ich werde dich mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen!" Luke baute sich groß und mit herausgestreckter Brust vor dem kleineren Vampir auf um seinen Standpunkt zu verdeutlichen. Er konnte nicht zulassen, dass seinem Schutzbefohlenen wieder etwas zustieß. Mit entschlossenem Blick sah er auf seinen Geliebten hinab.

Twain musste ein Lächeln ob dessen Beherztheit unterdrücken und entgegnete seinen Blick ebenso fest. "Du bist wirklich süß, Luke..."

"Ich... bin doch nicht... wie auch immer... gleich sagst du sowieso wieder "aber" und..."

"Nein, ich will, dass du bei mir bleibst." Twain sah ihn noch immer fest an.

"Ähm, das... das ist gut." Verlegen kratze sich der Leibwächter am Hinterkopf. "Aber wieso ist er überhaupt sauer auf dich? Er hat dich doch entführt!"

"Na ja, ich wollte mich revanchieren und hab was von ihm mitgenommen... Diesen dämlichen Ring, wenn du's genau wissen willst. Er lag einfach da, als ich mir den verdammten Vertrag angesehen hab... da hat mich dieser Stein angeblinkt, als wolle er unbedingt angezogen werden."

Luke musste den Kopf schütteln. Immer dieses unüberlegte Verhalten, dass seinen Herrn in Schwierigkeiten brachte. Kein Schmuck der Welt war es Wert seinen Herrn in Gefahr zu bringen.

"Twain... gib ihn einfach zurück und damit ist die Sache erledigt."

"Nein, das kannst du vergessen!" Wie immer war der junge Vampir nicht von seiner Entscheidung abzubringen. Außerdem würde ihm selbst, wenn er ihn zurückgab, eine Strafe blühen, die sich gewaschen hatte.

"Und wenn ich dir dafür... nun ja... eben einen anderen Ring geben würde", stammelte Luke verschämt. Er hatte schon einmal mit dem Gedanken gespielt seinem Geliebten ein Zeichen seiner Liebe zu schenken, aber er hatte nie den Mut dafür aufgebracht. Erstens konnte er sich kein teures Schmuckstück leisten, und er konnte Twains elegante Hand nicht mit billigem Tand entwürdigen, zweitens wusste er nicht, ob sein Herr so etwas überhaupt annehmen würde. Er war auch in Sachen Romantik mehr als unvorhersehbar.

"Red' keinen Unsinn, es geht doch gar nicht um den Ring an sich. Ich wollte ihn nur ärgern. Tja, sieht so aus als sei der Schuss nach hinten losgegangen. Jetzt muss ich nämlich in Angst vor seiner Rache weiterleben."

"Wie kannst du das so unbeteiligt sagen, Twain?", fragte Luke erschüttert und fasste seinen Herrn an den Schultern.

"Reg dich doch nicht immer so auf. Es wird schon nicht so schlimm, wie du dir das denkst", versuchte Twain ihn zu beruhigen. "Mir wird er nichts tun."

So ganz stimmte das zwar nicht, aber das musste er seinem Diener ja nicht auf die Nase binden.

"Aber wenn Dr. Hallstein oder so etwas geschieht wird er dich auch damit treffen..."

Twain winkte nur ab. Er würde später überlegen, was die günstigsten Schritte wären.

"Gehen wir zum Hauptquartier. Ich muss noch einen Haufen Briefe schreiben. Echt ätzend, das ist normalerweise Eriks Arbeit. Jetzt muss ich wieder seine grauenvolle Sauklaue fälschen. Kein Wunder, wenn er immer mit links schreibt!"

Luke war nicht zufrieden, jedoch wusste er, dass eine Diskussion mit seinem Herrn - wie immer- sinnlos wäre.

So zog sich Twain, nunmehr Anguis, ein Tuch über Mund und Nase und die Kapuze tief ins Gesicht, bis nichts mehr von ihm zu erkennen war, nicht einmal die auffälligen katzengleichen Augen. Glücklicherweise waren beide Kleidungsstücke aus dunkler Seide gefertigt, unheimlich teuer, doch sehr praktisch für seine Zwecke. So konnte er durch den dünnen Stoff sehen, ohne selbst gesehen zu werden und außerdem schwitze man kaum in dem luftigen Gewebe. Kennen und schätzen gelernt hatte Twain den kostbaren Stoff natürlich bei den Japanern. Wenn es nach ihm ginge, könnte er im Sommer immer Kimono oder Yukata tragen, Geld war das geringste Problem, doch wollte er keine Blicke von anderen auf sich spüren, wenn er mit solch exotischer Kleidung in Paris herumlief. Noch nie hatte er es gemocht wegen seines besonderen Aussehens angegafft zu werden, am schlimmsten war jedoch die Gier, die er in den Blicken mancher Männer erkannte.
 

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Charon saß in seinem hohen Sessel und beobachtete wie gewöhnlich durch die Augen seiner Krähen, welche die Stadt bevölkerten, was sein Eigentum gerade trieb. Es gefiel ihm nicht, wie der Leibwächter seinen Vampir ungehörig betatschte, andererseits hielt er Luke für keine ernstzunehmende Gefahr für ihn. Dieser Kerl hatte mehr Muskeln als Hirn. Er konnte seinen Herrn wohl ganz gut mit seinem Körper befriedigen, aber geistig blieb er ihm ewig unterlegen. Ein netter Zeitvertreib, es war wirklich lustig den beiden zuzusehen. Er gab sich ja immer so viel Mühe seinem Herrn zu gefallen, wie ein großer, tapsiger Hund, der freudig mit dem Schwanz wedelte.

Aber deswegen beobachtete er heute nicht. Sein schwarzer Engel hatte sich als diebische Elster erwiesen und er würde ihn nicht ungestraft davonkommen lassen. Wenn Twain spielen wollte, dann würde er ein Spiel bekommen. Aber er sollte sich nicht wundern, wenn er einen zu hohen Einsatz gesetzt hatte.

Charon lächelte maliziös. Strafen gefiel ihm besonders. Er liebte es zu dominieren und seine Macht zu demonstrieren. Aber er musste auch vorsichtig sein, denn sein kleines Spielzeug war, wie er festgestellt hatte, sehr sensibel was Sex und Dominanz, oder Lust vermischt mit Schmerz, anging. Er wusste auch warum und er würde ihn nicht wieder an das erinnern, was ihm in seinem früheren Leben zugestoßen war. Er sollte beim Sex nur an ihn und ihn alleine denken; voller Wonne und in ungehemmter Ekstase.

Und jetzt hatte der wunderschöne Vampir ihm auch noch einen Grund auf dem Silbertablett serviert. Ein wenig fragte sich der Dämon, ob es nicht unbewusst Twains Absicht gewesen war sich in eine solche Situation zu bringen. Es war vielleicht seine Art nach sexueller Unterwerfung zu betteln. Dann hatte sein kurzer unfreiwilliger Aufenthalt in seinem Heim doch etwas Gutes für ihn, Charon, gehabt. Twain war also auf den Geschmack gekommen. Und er würde ihm diese Gnade nur zu gerne gewähren...



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Kommentare zu dieser Fanfic (58)
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Von:  ReinaDoreen
2022-02-03T13:54:32+00:00 03.02.2022 14:54
Vielleicht verirrst du dich ja wieder hier her und schreibst weiter.
Liebe Grüße reni
Von:  Mewney
2015-08-17T11:30:23+00:00 17.08.2015 13:30
Super geschrieben! Hammer! Ich wundere mich echt, wie du so schreiben kannst. Ich bin mit hochrotem Kopf davor gesessen, als ich es gelesen hatte und dachte mir, wie gut du das nur in Worte fassen kannst. Der absolute Wahnsinn. ^^
Von:  Hisaya
2009-03-10T14:20:32+00:00 10.03.2009 15:20
oww...wow, des war gut x'D
sorry, was besseres ist mia grad net eingefallen xDDD
Aber die hadlung wird immer interessanter öÖ... und mia scheint, Twain hat viele Verehrer, kann des sein xDDD also wenn der so aussieht, wie du in jedesmal indirekt bescreibst und merkmale in die story einbaust, dann ist der wirklich ne geile aus xD...sorry~
Oww und ich hab bemerkt, das das 5. kapitel adult is...ich würd ya gern weiterlesen, bin aber noch 17...würds dia was ausmachen, den mia zu sicken? ;-;...werd ya sowieso in paar monaten 18, aber so lang kann ich doch net warten, ums zu lesen >_<
Von:  Hisaya
2009-03-10T14:05:30+00:00 10.03.2009 15:05
ohaa öÖ...in kapitel 3 hat man ya richtig mitgefiebert!... Wie der Doktor in Eile war, du konntest es echt gut rüberbringen we sehr er twain liebt! öÖ....
Aber um ehrlich zu sein, mia kommts so vor als hätte ich total vieles verpasst in ihrere zeitgeschichte =(...was ich echt schade finde~... vielleicht ist das ya mit absicht oder die geschichte innerhalb dieser fehlenden jahre hast du irgendwo anders aufgeschrieben~...aber ich würd gern wissen, was alles dahinter steckt >___<...was ist denn mit diesen ganzen leuten?...Der leibwächter, Erik oder die tatsache, das er ein kind hat (wenn ich's richtig verstanden habe öÖ) oder als tendes name gefallen ist...echt confused @-@~.... oder ist das mit absicht?
Von:  Hisaya
2009-03-10T13:15:28+00:00 10.03.2009 14:15
Wow, am anfang war ich ya echt confused, aber dann konnt ich mia langsam was zusammenreimen und dann wars klar~ xDDDD
Ehrlich, ich finds voll toll wie du schreibst~... Du beschreibst Twain mitten in der Handlung aus der Sicht des Doktors...so verführerisch, ich kanns mia echt vorstellen, wie ich dahinschmelzen würd, wenn der vor mia stehen würde xDDDDDDD
Einiges liegt für mich noch offen und ich habe auch paar fragen...aber die werden sich hoffentlich beim weiterlese von selbst lösen =D...das macht doch so ne story doch aus ♥
Von:  Hisaya
2009-03-10T12:48:39+00:00 10.03.2009 13:48
Öh hi~ xD
ich lese eigndlich gar keine FF's~...Nyo..ich wollt aber mal ausprobieren und da bin ich auf deine story gekommen xDDD
Bin jetzt grad mit dem 1. kapitel fertig und werd auch so weiterlesen *3*... Ich finde die Story nämlich richtig gut, es weckt voll die neugier, was als nächstes passieren könnte! Überhaupt hast du eine echt tolle art zu schreiben, manchmal war ich zwar etwas verwirrt und hab es ncht verstanden aber danach wurds dann klar =)... Super schön erzählt, ich konnte mia alles bildlich vorstellen, wie sie im dunkeln da liegen und man nur so leichet umrisse von denen sieht oder einfach nur ein leichter schimmer, des von irgndwoher herabfehlt *____*
Ich bin ya sowieso Shonen-ai und yaoi fan aber noch inklusive ne vampir-story ... damit gehen alle wünsche für ne story in erfüllung ♥
ich freu mich mehr hiervon zu lesen x3

bye~
Von:  Mondschein
2008-08-02T14:02:08+00:00 02.08.2008 16:02
ähmmm.....hallöchen xD...sorry,dass ich erst jetzt ein kommi schreibe,aber ich hatte halt einfach keine zeit momentan...*gomen*
okayyyy....also ich find deine fanfic wirklich super klasse,vorallem twains charakter.....ich find den einfach toll....so mysteriös un....woaaa,ich hab keine ahnung wie ich das beschreiben soll ^^°
is echt spannend erzählt un ich werde auch auf jeden weiter lesen....d.h. sobalt ich mal eins der kapis lesen kann...die sin ja leider immer erst ab 18...-.-...sowas unfaires aber auch...*vor sich hingrummels*
*auf den schreibtisch hau*
autschhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh.....son mist*hand weh tut*
....also jedenfalls is deine story voll der hammer*daumen hoch*
*knuddels*...ich wes,ich schreib zum ersten mal,aber ich bin halt grade son bissel komisch drauf //wie immer eig. -.-°//
hähä,also schöne grüße
aidou-senpai
Von:  moonlill
2008-02-19T22:27:46+00:00 19.02.2008 23:27
Oh das FF is toll~
hoffentlich gehts bald weiter~

sayo mooni
Von:  toya-chan
2008-02-11T20:58:55+00:00 11.02.2008 21:58
*sabber*
*sprachlos is*

*Favo*
Von:  sinfath
2008-01-27T03:15:20+00:00 27.01.2008 04:15
„Ich mag sie so groß…“, flötete Twain
das ist aber auch ne kleine schlampe oO


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