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Last Desire: After Story II

A Goddamn Chaos
von

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Ein (un)ruhiger Abend

Als es langsam dunkel wurde, verließen sie die Vogelwarte und über Ajins Umweg gelangten sie kurz darauf auf die Shoppingmeile, wo sie schließlich eine Bar aufsuchten. Um den Tag ausklingen zu lassen, konnte es ja nicht schaden, auch mal was trinken zu gehen. Frederica sah sich etwas irritiert um, denn das hier sah ganz und gar nicht nach Boston aus. „Sag mal Ajin, wo genau sind wir denn eigentlich?“ „In New York.“

„Was? Wieso sind wir denn hier?“ „Weil man hier gut was trinken gehen kann. Ist eigentlich ne ganz nette Gegend, wenn man vom vielen Dreck absieht. Ich war zwar schon mal in Deutschland was trinken, aber leider sind die Deutschen dort genauso lustig wie eine Raufasertapete. Kein Sinn für Humor…“ Sie bestellten sich Cocktails und setzten sich in eine etwas ruhigere Ecke, wo Ajin ein paar Anekdoten vom Stapel ließ. Einige waren etwas makaber, aber inzwischen hatte sich Frederica ganz gut mit dieser Art von Humor angefreundet und konnte auch darüber lachen. Insbesondere wenn er prekäre Details von anderen ausplauderte. Schließlich, als die Stimmung etwas ruhiger wurde und der erste Cocktail ausgetrunken war, da wagte das Albinomädchen eine Frage. „Du hör mal Ajin. Wenn… wenn es etwas mehr zwischen uns werden soll… also nur rein hypothetisch… wie soll es dann weitergehen?“ Etwas verwirrt sah der Unvergängliche sie an und schien erst nicht ganz zu begreifen, was sie ihm damit sagen wollte, aber dann fiel der Groschen und er streckte sich kurz. „Nun, dann würdest du mit mir in meiner Welt leben.“ In seiner Welt… in der Welt, in welcher es rein gar nichts gab… Nicht gerade das, was sich Frederica vorstellen würde. Sie liebte diese Welt hier und sie wollte dieses Leben auch nicht aufgeben. „Gibt es… gibt es denn keine andere Möglichkeit?“ „Es gibt immer welche, es wäre nur die naheliegendste gewesen. Was schwebt dir da im Kopf herum?“

„Naja“, murmelte sie und strich eine Haarsträhne zurück, die sich gelöst hatte. Ihr Herz schlug nun schneller und die Aufregung war wieder da. Sie wusste nicht mehr, was sie sagen sollte und konnte kaum noch einen vernünftigen Gedanken fassen. Allein schon, wenn sie seine giftgelben Augen sah, war ihr, als würde ihre Brust explodieren und sie fand einfach keine Ruhe. War es wirklich so weit gekommen mit ihr? War sie wirklich verliebt? Die Symptome deuteten zumindest darauf hin. „Ich habe hier meine Freunde und meine Familie“, erklärte sie schließlich. „Ich bin glücklich hier in dieser Welt und ich habe hier ein Leben, das ich nicht aufgeben will. L und Beyond brauchen mich, für Nastasja bin ich ein festes Familienmitglied und für Andrew und Elion bin ich eine gute Freundin. Sie sind alle meine Familie und ich will sie nicht verlassen.“

„Dann sag doch einfach, was du willst.“

„Könntest… könntest du nicht hier bleiben? Hier bei mir?“ Frederica lief rot an, als sie realisierte, was sie da gerade gesagt hatte. Oh Gott, hab ich das jetzt wirklich zu ihm gesagt? Hilfe, was ist nur mit mir los? Ich hab ihn doch wirklich nicht allen Ernstes gefragt, ob er meinetwegen in dieser Welt bleiben könnte? „Ve-ve-vergiss es“, rief sie und machte abwehrende Gesten mit den Händen, während sie aufsprang. „Da-da-das ist eine total blöde Idee gewesen. Tut mir leid…“ Damit rannte sie fluchtartig aus der Bar und eilte blindlings die Straßen entlang. Dass Ajin sie in null Komma nichts wieder einholen konnte, kam ihr in diesem Moment gar nicht erst in den Sinn. Aber sie wollte einfach nur weg von hier und Ajin am liebsten nicht mehr über den Weg laufen. Nicht, nachdem sie so etwas gesagt hatte. Sie schämte sich zu sehr dafür… sie schämte sich für ihre eigenen Gefühle. Sie kam sich irgendwie selbst ziemlich erbärmlich vor, dass sie sich ausgerechnet in so einen Kerl verlieben konnte, der sie am Anfang so behandelt hatte. Das war doch… erbärmlich? War das der Gedanke, den sie wirklich hatte? Dass ihre Liebe zu Ajin erbärmlich war? Sie wusste, dass es nicht zwischen ihnen klappen konnte. Sie waren einfach zu verschieden und sie war nur ein Seraph. Erschaffen aus dem letzten Wunsch eines anderen Seraphs. Sie war ein Nichts und er? Er war der König der Shinigami, Herr über das Nichts und der Gott des Chaos und der Zerstörung. Ajin Gamur, genannt „der Endgültige“. Was war sie denn schon im Vergleich zu ihm? Es würde nie und nimmer zwischen ihnen klappen, das wusste sie jetzt schon. Es war das Beste, wenn er eine andere fand.

Was würde Ajin wohl dazu sagen, wenn sie ihm das ins Gesicht gesagt hätte? Nun… wahrscheinlich hätte er in diesem Moment wieder dieses listige Lächeln und diesen unheimlichen Glanz in den Augen gehabt. Und mit Sicherheit hätte er sie gefragt „Ist das wirklich der Grund, warum du wegläufst? Ist es nicht viel eher, weil du Angst hast?“ Hatte sie denn Angst? War das wirklich der Grund, warum sie die Flucht ergriffen hatte? Weil sie Angst vor einer festen Beziehung hatte? Frederica wusste es selbst nicht und hasste sich dafür, dass sie so feige war. Warum konnte sie nicht so stark sein wie Eva und einfach das Risiko eingehen und die Sache durchziehen? Stattdessen lief sie davon und bewies damit nur, wie feige sie eigentlich war. Sie blieb schließlich stehen und lehnte sich gegen eine Hauswand, während sie wieder zu Atem kam. „Die Einzige hier, die erbärmlich ist, bin ich…“ Warum kann ich nicht so stark sein wie die anderen? Das war die Frage, die sie in diesem Moment am meisten quälte. Nachdem sie wieder zu Atem gekommen war, beschloss sie, zurück zur Bar zu gehen und sich bei Ajin zu entschuldigen. Wenn er nicht schon vorher zu ihr kam, würde er mit Sicherheit gleich auftauchen und dann musste sie ihm irgendwie die ganze Sache erklären. So ging sie wieder zurück und war völlig in Gedanken versunken. Deshalb merkte sie auch erst viel zu spät, wie jemand von hinten auf sie zugerannt kam und sie packte. „Hey!“ rief sie und sofort war noch ein Zweiter da, der sie an den Armen festhielt. „Lasst mich sofort los!“ Doch die beiden Männer hielten sie unerbittlich fest und zerrten sie zu einem Van mit getönten Scheiben. Das war nicht gut. Als ob es nicht schon schlimm genug war, dass sie einfach abgehauen war, jetzt wollten diese Männer sie auch noch entführen? Darauf hatte sie jetzt wirklich keine Lust. Es war wohl besser, die beiden schlafen zu schicken und dann zu gehen. Ihr Gehirn so dermaßen zu überlasten, dass sie das Bewusstsein verloren, war für Frederica eine leichte Kunst und würde wenigstens nicht so viel Aufsehen erregen, als sie gleich mithilfe der Resonanzkatastrophe in Fetzen zu reißen. Ganz zu schweigen davon, dass das ihrem eigenen Körper erheblich schadete. „Na wartet, ich…“ Ein infernalischer Schmerz durchjagte ihren Körper, als sie grob an den Haaren gezogen wurde und damit ihr gesamter Verstand vollständig gelähmt wurde. Sie war nicht in der Lage, ihre Kraft einzusetzen, geschweige denn sich weiter zur Wehr zu setzen. Als sie vor Schmerz schrie, wurde ihr Mund mit Klebeband zugeklebt und dann wurde sie auch schon in den Van gebracht. „Los, fahr!“ rief einer der Männer dem Fahrer zu, der daraufhin Gas gab und losfuhr. Einer der Fremden, der Frederica an den Haaren gepackt hielt, grinste und betrachtete sie mit einem lüsternen Grinsen. „Die Kleine ist wirklich eine Schönheit. Mit der lässt sich sicher gut Kohle verdienen.“

„Man ist die blass. Selbst die Haare sind ganz weiß. Ob die irgendwie was hat?“

„Scheiß drauf. Hinterher kriegen die doch eh alle nen Tripper oder sonst was.“

„Ich glaub, das ist ein Albino oder so. Die sind alle so kreidebleich.“

„Geil, dann haben wir ja eine richtige Rarität aufgegriffen.“ Scheiße, das sind sicher irgendwelche Leute, die Mädchen entführen und an Bordelle verkaufen. Ach Mann, mein Tag muss aber auch immer beschissener verlaufen. Und solange sie nicht endlich meine Haare loslassen, kann ich mich nicht genug konzentrieren. Ein lautes „SCHEISSE!!!“ riss sie aus ihren Gedanken, als der Fahrer plötzlich auf die Bremse trat. Eine Sekunde später ging ein heftiger Ruck durch den Van, als dieser abrupt zum Stehen kam. Ein lauter Knall ging durch den Wagen und er bäumte sich hinten sogar auf, als kurz darauf auch schon die Tür herausgerissen wurde, als wäre sie aus Papier. Es war Ajin und er riss mit bloßen Händen fast den halben Van auseinander. Seine giftgelben Augen funkelten mörderisch und er war stinksauer. „Wer von euch gottverschissenen Motherfuckern hat euch eigentlich erlaubt, einfach so mit meinem Date abzuhauen? Das reicht, ich reiß euch eigenhändig die Wirbelsäulen heraus und mach mir daraus ein Springseil!“

„Fuck verdammt.“ Sofort zogen die Männer ihre Pistolen und wollten das Feuer eröffnen, doch kaum, dass sie den Abzug betätigten, zerfielen die Waffen in ihre Einzelteile und bevor sie überhaupt realisierten, was geschah, zerrte Ajin den ersten am Kragen heraus und grinste ihn böse an. „So du Sitzpisser. Das hast du nicht umsonst getan. Niemand vergreift sich ungeschoren an Frederica.“ Und damit schlug Ajin ihm in den Brustkorb. Der Mann brach stöhnend zusammen, als ein entsetzliches Knirschen ertönte, das von zerbrechenden Knochen stammte und einem Menschen einen Schauer über den Rücken kagen konnte. Der Verletzte würgte Blut hervor, dann blieb er liegen. „Tja Keule, Pech gehabt. Ich brauch nämlich nicht mehr als einen Schlag, um sämtliche Knochen in deinem Körper zu brechen. So und jetzt zu dir…“ Damit zerrte er den zweiten heraus, dann wandte er sich an Frederica, die inzwischen wieder das Klebeband von ihrem Mund gelöst hatte. „Das war doch der, der dich an den Haaren angefasst hat, oder?“ Das Albinomädchen brachte keinen Ton hervor und konnte dementsprechend auch keine Antwort geben. Aber ihr Blick sagte genug. Es war der Kerl, der ihr diese Schmerzen zugefügt hatte. Eiskalte Mordlust funkelte in Ajins Augen und seine Mundwinkel verzogen sich zu einem breiten Grinsen. Der Mann hatte Todesangst und ahnte, dass ihm noch Schlimmes bevorstand. „N-nein… bitte nicht… ich…“ „Du wagst es, mich anzubetteln, du dreckige kleine Made? Du hast wohl den Schuss nicht gehört. Erst entführst du meine Verabredung und tust ihr weh und jetzt bettelst du mich an? Na warte, das kommt dich teuer zu stehen.“ Damit zerrte Ajin ihn von den Füßen hoch und setzte dann eine gewaltige Druckwelle frei, die den Mann in die Luft schleuderte. Er schoss so hoch, dass er kaum noch zu sehen war und Ajin winkte ihm noch hämisch grinsend hinterher. „Guten Flug noch, Arschloch. Lass dir besser auf dem Weg Flügel wachsen, sonst wird’s beim Aufprall noch echt wehtun.“ Der Fahrer war nun ausgestiegen und hatte ein Messer in der Hand. Ohne zu zögern griff er Ajin damit an und wollte auf ihn einstechen, doch dieser wehrte den Angriff mühelos ab und packte dann den Angreifer am Handgelenk und drückte unerbittlich zu, sodass es ein hässliches Knirschen gab. Der Mann schrie und ließ die Waffe fallen. Ajin hingegen war fast wie im Blutrausch. Er lachte verächtlich, als er sein Opfer vor Schmerz wimmernd auf dem Boden knien sah. „Ja, ja… ein menschlicher Körper ist aber auch wirklich verdammt zerbrechlich. So du kleiner Spast. Du wolltest mich also abstechen? Ich sag dir mal was, du Arschgeige: du hast dich mit dem falschen Gott angelegt. Das wird dir noch leid tun. Typen wie du, die Mädchen zu dritt angreifen, haben keinerlei Rückrat. Und deshalb werde ich dir jetzt dein verficktes Rückrad zerbröseln, dass du nie wieder aufstehen kannst!!!“ Und damit packte Ajin ihn und drückte seinen Rücken in eine beinahe unmögliche Lage, bis es ein fürchterliches Knacken gab und laute Schreie die Straße erfüllten. Doch keiner schenkte dem Geschehen Beachtung. Es war auch eine leichte Sache für Ajin, dieses blutige Geschehen vor den Augen der Leute zu verbergen. Nachdem er dem Fahrer das Rückrad gebrochen hatte, warf er ihn zu Boden und trat ihm mit dem Absatz seines Stiefels zwischen die Beine, was dem Kerl endgültig den Rest gab. Nachdem er sichergestellt hatte, dass es keinen Ärger mehr geben würde, holte er Frederica aus dem Van und setzte sie vorsichtig auf dem Boden ab. „Sorry, dass ich erst jetzt komme. Ich dachte, du bräuchtest etwas Zeit, um dich zu beruhigen. Als das dann aus dem Ruder gelaufen ist, hab ich mich gle…“ Er kam nicht dazu, zu Ende zu sprechen, als sich Frederica an ihn klammerte und am ganzen Körper zitterte. Sie schluchzte leise und war völlig durch den Wind. „Lass uns besser verschwinden“, sagte er nur und alles, was das Albinomädchen spürte, war ein leichter Sog, der sich fast wie eine Art magnetische Anziehungskraft anfühlte. Als er sich wieder von ihr löste, fanden sie sich auf einem Steg wieder. Vor ihnen erstreckte sich ein riesiger See und gemeinsam setzten sie sich und langsam aber sicher beruhigte sich Frederica wieder. „Entschuldige, dass ich so viel Ärger gemacht habe“, schluchzte sie und wischte sich die Tränen weg. „Ich war einfach so durcheinander gewesen und hab nicht aufgepasst.“ „Schon in Ordnung. Es ist ja nichts passiert und diesen Wichsnasen hab ich auch erst mal ordentlich den Arsch aufgerissen. Ist nicht das erste Chaos, das ich angerichtet habe und mit Sicherheit auch nicht das letzte. Hauptsache mit dir ist alles in Ordnung. Diese versuchte Entführung muss ja einiges wieder bei dir wachgerufen haben, oder?“ Niedergeschlagen nickte sie und senkte den Blick. Im Wasser schwammen mehrere Papierlaternen und gaben ein wunderschönes Licht ab und verliehen dem Ganzen eine romantische Atmosphäre. „Manchmal habe ich immer noch Alpträume von den 20 Jahren, die ich im Institut verbringen musste. Insbesondere, wenn ich wieder Schmerzen in meinen Haaren spüre, da kommt diese Angst wieder, dass ich mich nicht bewegen kann und eingesperrt bin. Und… und dass ich an diesen schrecklichen Maschinen angeschlossen bin.“ „Hast du nie mit irgendjemandem geredet?“ „Nein“, antwortete sie. „Ich wollte nicht schwach erscheinen, nachdem es schon für alle so ein großer Schock war, dass ich gestorben bin. Da wollte ich ihnen nicht noch mehr Kummer bereiten.“

„Das ist doch totaler Nonsens, den du da redest“, erklärte Ajin und hatte wieder seinen fast schon provokanten und herablassenden Ton wiedergefunden. Aber wahrscheinlich war das auch der Ton, mit dem er andere belehrte. „Wozu hat man denn bitteschön eine Familie, wenn man über solche Dinge nicht redet? Du erzählst immer, dass du anderen helfen willst und du für deine Familie da sein willst. Aber in erster Linie solltest du dir lieber mal zuerst helfen, bevor du mit den anderen anfängst. Was glaubst du, was mit dem Letzten passiert ist, der nie über seine Probleme geredet hat und alles mit sich alleine ausgemacht hat? Er ist vom Dach gesprungen und du hast dieses Paradebeispiel von Selbstzerstörung doch in der Familie. Da verstehe ich wirklich nicht, warum du das trotzdem machst, wenn du doch weißt, wohin das führt.“

„Vielleicht… vielleicht hatte ich bisher einfach niemanden, bei dem ich das Gefühl hatte, ich könnte mit ihm darüber sprechen. Nicht, dass ich den anderen nicht vertrauen würde. Aber ich glaube, ich brauchte da einfach jemanden, der… naja…“

„Den du mit deinen Problemen belasten kannst, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben“, ergänzte Ajin und verstand schon, was das hieß. Sogleich legte er einen Arm um Fredericas Schultern und sah mit einem fast schon gedankenverlorenen Blick aufs Wasser hinaus. „Ich verstehe schon, was du meinst. Jedes Lebewesen braucht auch mal jemanden, der ihm Halt gibt. Naja, es gibt vielleicht ein paar wenige Ausnahmen, aber die sind ja auch eher die Seltenheit. Aber in der Hinsicht bist du auch wie dein Freund Andrew… Du brauchst jemanden, der dich aufbauen kann, auf den du dich verlassen kannst und der dich beschützt. Es mag sein, dass ich nicht der Traumtyp schlechthin bin. Ich gebe zu, dass ich ein cholerisches Temperament habe. Ich bin ein Sadist und ich liebe es, Dinge zu zerstören, weil das nun mal ein Teil meiner „Natur“ ist. Es ist ein wichtiger Bestandteil dieser Welt und einer muss den Job ja machen. Ich bin nicht gerade der Höflichste und mit Sicherheit der Alptraum aller Schwiegereltern… Aber es ändert nichts daran, dass ich dich liebe. Natürlich wäre es mir am liebsten, du würdest mit mir kommen und in meiner Welt leben. Aber ich kann auch verstehen, wenn du es nicht willst. Wie ich schon sagte: es gibt für alles eine Lösung. Die Menschen sagen da ja immer Wenn der Prophet nicht zum Berg gehen will, dann muss der Berg eben zum Propheten kommen. Für meine Verhältnisse wird diese Welt sowieso ein recht kurzes Leben haben und da habe ich nichts dagegen, bei dir zu bleiben und es in dieser Welt zu versuchen.“ Frederica war erst sprachlos und wusste nicht, was sie sagen sollte. Hatte Ajin da etwa wirklich angeboten, dass er stattdessen bei ihr bleiben könnte? „Ajin…“ „Ich kann gut verstehen, dass du bei deiner Familie bleiben willst. Ich habe ja selbst eine und auch wenn ich bisher das unabhängige und ungebundene Leben genossen habe, so habe ich auch nichts dagegen, wenn ich stattdessen eine Weile in dieser Welt abhänge, wenn das der einzige Weg für dich ist.“

„Aber wie willst du das mit deiner Aufgabe vereinbaren? Du bist immerhin der König der Shinigami und der Herr des Nichts.“

„In der Heimat hat meine Tochter das Regiment inne, da brauch ich mich nicht weiter darum zu kümmern. Was die Shinigamiwelt betrifft, so sind Armonia Justin und Mavet die beste Stellvertretung. Und ich denke, das wird schon klappen.“

„Du willst… tatsächlich hier bleiben?“

„Klar. Wenn es mit uns beiden ernst werden sollte…“ Nun, damit wollte sich Frederica noch ein wenig Zeit lassen. Zwar hatte sie inzwischen das Gefühl, als könnte sie Ajin vertrauen und als könnte es tatsächlich zwischen ihnen beiden ernster werden, aber sie wollte die Dinge nicht überstürzen. Sie wollte sich Zeit lassen, um sich ihrer Gefühle für ihn hundertprozentig sicher zu sein und auch hundertprozentig zu wissen, dass das mit ihnen beiden auch wirklich eine Zukunft hatte. „Lass uns noch ein bisschen Zeit, okay? Ich will nichts überstürzen und ich denke, wir können uns gerne öfter noch treffen. Ehrlich gesagt fand ich den Tag mit dir wirklich sehr schön, trotz des Zwischenfalls. Natürlich stimmt es was du sagst und du hast eine brutale, rücksichtslose und vulgäre Seite. Aber bist auch anders und kannst auch ernst, aufmerksam und verständnisvoll sein. Du hast dir wirklich Mühe gegeben und ich hab mich auch wirklich sehr gefreut über den Ausflug heute. Ich brauche keinen Luxus und keine Macht. Ich liebe die kleinen Dinge im Leben, wie zum Beispiel einfach mal bei schönem Wetter einen Ausflug zu machen, Vögel zu beobachten oder den Geruch frischer Kräuter. Ich liebe das Gefühl, wenn ich meine Hände in einen Körnersack eintauche oder das Geräusch von Regen an der Fensterscheibe. Das sind auch schon Dinge, die mir Freude machen und da brauche ich keine Luxusjacht oder ein superschickes Luxushotel.“ Ajin schmunzelte und nickte. „Du bist da echt genauso wie Elohim und Ain… Hey, was denkst du? Wollen wir eine Runde schwimmen gehen?“

„Was? Hier?“ Diese Frage kam für Frederica etwas überraschend und als Ajin auch noch damit begann, seinen Pullover auszuziehen, war sie ein wenig überfahren. „Klar. Das Wetter ist schön, das Wasser ist nicht so verdammt arschkalt, dass einem die Eier abfallen. Außerdem ist es schon knapp 8.000 Jahre her, dass ich das letzte Mal schwimmen war.“

„Wieso vor 8.000 Jahren?“

„Davor war Eiszeit. Da geht doch keine Sau freiwillig schwimmen.“ Nun, diesem Argument konnte Frederica nicht widersprechen. Allerdings gab es gegen bei der Sache einen Haken. „Ich kann nicht ins Wasser. Ich hab keinen Bikini dabei und nackt schwimmen gehe ich sicher nicht.“

„Da liegt einer direkt neben dir.“ Damit deutete er auf einen roten Bikini, der direkt neben ihr lag und zuerst wollte sie fragen, wo der denn auf einmal her kam, aber da sie sich ja wieder daran erinnerte, dass Ajin allmächtig war, erübrigte sich die Frage auch wieder. Als Ajin seinen Pullover ausgezogen hatte, sah Frederica zum ersten Mal, dass er mehrere Tätowierungen hatte. Auf seinem Rücken war ein Skelett in einem weißen Gewand abgebildet, welches die Arme vor der Brust verschränkt hatte. Es hatte Flügel wie ein Engel und einen Heiligenschein. An seiner linken Schulter prangte ein schwarzer Drache mit weit geöffnetem Maul, während seinen rechten Arm eine weiße Schlange zierte. Ihr Oberkörper machte eine Krümmung und rahmte damit ein Symbol ein, welches sich als zwei sich überlappende Unendlichkeitszeichen herausstellte. Frederica konnte nicht anders, als diese Tattoos zu bewundern, doch sogleich sah sie auch, dass Ajin nicht nur im Gesicht Piercings trug. Auch seine Brust und sein Bauchnabel und auch seine Zunge waren gepierct. „Deine Tattoos sehen schön aus. Haben sie eine bestimmte Bedeutung?“

„Klar. Der Engel auf meinem Rücken verkörpert sowohl Leben als auch Tod in einer einzigen Form. Der Drache verkörpert Schöpfung und Zerstörung, Monster und Gottheit. Für die westliche Welt ist er eher ein zerstörerisches Monster, im Osten gilt er jedoch als Symbol des Glücks, der Wunder und steht führ ein langes Leben. Der Drache des Westens repräsentiert das Chaos, der östliche Drache hingegen bringt Ordnung in das Chaos. Die Schlange ist ein Symbol für die Unendlichkeit und Dualität. Sie steht für Bosheit und Heimtücke, aber auch für Weisheit und den Kreislauf von Leben und Tod. Außerdem steht sie für die Wiedergeburt. Die doppelte Unendlichkeit symbolisiert in meinem Falle das Paradoxon, in welchem ich lebe.“ Fast schon ehrfurchtsvoll strich Frederica über das Schlangentattoo, doch ihr Blick blieb nicht allein bei den Tattoos. Ohne es selbst direkt zu merken, hatte sie Ajins Körper aufmerksam betrachtet und konnte sich den Gedanken nicht verkneifen, dass er ziemlich gut gebaut war. Und genau das ließ sie wieder rot werden vor Scham darüber, als sie merkte, was sie da dachte. Oje, jetzt wurde sie wieder so furchtbar nervös und ihr Herz begann zu rasen. „Äh… Ajin?“

„Ja?“

„Kannst du… kannst du dich bitte umdrehen, während ich mich umziehe?“

„Klar, kein Problem. Ich spring schon mal ins Wasser. Kannst ja nachkommen, wenn du fertig bist.“ Damit sprang er vom Steg ins Wasser hinein. Nach kurzem Zögern zog Frederica den Bikini an, der ihr wirklich perfekt passte und dann ging sie ebenfalls ins Wasser. Tatsächlich war es gar nicht so kalt, wie sie angenommen hatte und erst jetzt merkte sie, wie angenehm es sich anfühlte, einfach im Wasser zu treiben. Dieses Gefühl der Schwerelosigkeit war einfach zu herrlich. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, dass sie das letzte Mal schwimmen war. Tatsächlich war das letzte Mal vor über 100 Jahren gewesen. Sie hatte schon fast wieder vergessen, wie es sich anfühlte. Nun schwamm Ajin zu ihr herüber und ließ sich rücklings auf dem Wasser treiben. „Ich glaube, so langsam verstehe ich, was du damit meinst, als du sagtest, man solle die kleinen Dinge im Leben genießen. Das hier gehört definitiv dazu.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2015-04-05T17:14:30+00:00 05.04.2015 19:14
Wieder mal ein klasse Kapital^^
*-*


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