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Last Desire: After Story II

A Goddamn Chaos
von

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Eine zaghafte Annäherung

Frederica hatte fast die ganze Nacht nicht schlafen können und fand einfach keine Ruhe. Darum war sie auch sehr früh wieder auf den Beinen und das sogar noch vor Beyond und L. In der Nacht las sie Das Orchideenzimmer, den neuesten Celia Walters Roman und gegen sieben Uhr bereitete sie das Frühstück vor. Dabei summte sie leise ein Lied vor sich hin und merkte selbst, dass sie unruhig war. Nur konnte sie sich das irgendwie nicht so wirklich erklären. Bei ihren letzten zwei Dates war sie nicht so aufgeregt gewesen, warum also ausgerechnet jetzt? Irgendwie verstand sie sich selbst nicht mehr wirklich. Gegen acht Uhr standen Beyond und L auf, wobei es wieder eine kurze Auseinandersetzung zwischen den beiden gab, weil L kaum laufen konnte und er Beyond vorwarf, dass dieser mal wieder zu grob war und es wie schon so oft übertreiben musste. Frederica kannte diese Zankereien schon zur Genüge und lächelte nur amüsiert darüber. Die beiden zankten sich zwar oft genug, aber sie liebten sich dennoch mehr als alles andere auf der Welt. „Guten Morgen, ihr beiden“, grüßte sie und kochte schon mal Kaffee, während die zwei erst mal ins Bad verschwanden. Nachdem sie sich selbst mit einem einfachen Frühstück selbst gestärkt hatte, ging sie in ihr Zimmer, um sich für die Verabredung mit Ajin zurechtzumachen. Sie zog ein hübsches weißes Kleid an und dazu legte sie die silberne Halskette mit dem Schmetterlingsanhänger an, die Lacie ihr vor ihrem Tod geschenkt hatte. Es war ihr Abschiedsgeschenk gewesen… Manchmal gab es Tage, an denen Frederica ihre Freundin vermisste und sich wünschte, sie hätte sie retten können. Sie besaß die Macht, die Zeit zurückzudrehen und es vielleicht ungeschehen zu machen und Lacies Leben zu retten. Manchmal hatte sie sogar mit dem Gedanken gespielt, aber Liam hatte ihr davon abgeraten. Er hatte nur gesagt „Die Zeit ist oft genug zurückgedreht worden“ und damit hatte er auch Recht. Lacie hätte nicht gewollt, dass man sie retten würde. Sie hatte gewusst, dass sie sterben musste, weil ihr Tod nötig war, um Ain Soph wiederzubeleben. Sie war die ganze Zeit Ain Soph gewesen, doch solange sie in diesem sterblichen Körper gefangen war und auch ihr Bewusstsein eingeschränkt war, konnte sie nicht die sein, die sie eigentlich sein sollte. Das war ihr klar gewesen und deshalb hatte sie dem Tod ins Auge gesehen, damit sie endlich wieder die wahre Ain Soph sein konnte. Das wusste auch Frederica und mit ihrem Opfer hatte Lacie die Terrorherrschaft in der Heimat beendet und den Frieden gebracht. Sie hatte dafür gesorgt, dass es besser wurde und das Leid endlich beendet wurde. Und allein darauf kam es an. Trotzdem vermisste sie Lacie und wünschte sich, sie wenigstens noch ein Mal zu sehen und ihr zu sagen, dass es ihr leid tat, dass sie ihr nicht helfen konnte. Manchmal fragte sich Frederica, aus welchem Grund Lacie ihr die Kette geschenkt hatte. Womöglich als Zeichen der Verbundenheit, weil sie ein ähnliches Schicksal teilten? Oder vielleicht war diese Kette auch ein geheimer Wunsch von Lacie gewesen, dass etwas von ihr nach ihrem Tod weiterexistieren würde. Ein Beweis dafür, dass sie existiert hatte. Ja. Sie hatte Frederica diese Kette mit der unausgesprochenen Bitte geschenkt, dass sie sich daran erinnerte, dass Lacie Dravis wirklich existiert hatte und dass sie gestorben war. „Du siehst hübsch aus.“ Das Albinomädchen erschrak, als sie plötzlich eine Stimme hörte und zuerst dachte sie, es wäre Ajin, doch es war L, der an der Tür stand. „L, erschreck mich doch nicht so!“ Frederica bürstete ihre Haare und flocht sich einen Fischgrätzopf, wobei sie aber im Nachhinein feststellen musste, dass sie irgendwie wie Elsa aus dem Film „Die Eiskönigin“ aussah. Zuerst wollte sie den Zopf lösen und etwas anderes versuchen, aber L hielt sie davon ab. „Das sieht doch hübsch aus. Lass es ruhig so.“ „Ich komm mir aber irgendwie so vor wie eine Walt Disney Figur.“

„Es wäre meines Erachtens neu, dass es Albinos in Disneywerken gibt. Mach dich nicht selbst kleiner. Meine Mutter pflegt immer zu sagen: halte dir deine Stärken vor Augen und sag dir selbst, dass du dich so liebst wie du bist und dass du liebenswert bist, ganz egal welche Macken du hast.“ Etwas unsicher lächelte die 445-jährige Seraph und sah in den Spiegel. Es geschah recht selten, dass sie sich schick kleidete. „Irgendwie verstehe ich das nicht. Die letzten beiden Male wollte ich es einfach nur hinter mich bringen und jetzt? Ich bin nervös und… na ja… sieh mich an!“ „Womöglich ist da ein Funke übergesprungen. Vielleicht hat das Gespräch zwischen euch beiden geholfen, einander besser zu verstehen.“ „Scheint so“, murmelte Frederica und blieb noch ein wenig vor dem Spiegel stehen, dann wandte sie sich L zu und umarmte ihn. „L, ich bin wirklich froh, dass ich ein Teil deiner Familie bin. Ich möchte, dass du das weißt.“

„Natürlich weiß ich das. Du bist doch meine große Schwester und wirst es immer bleiben. Und wir alle wollen doch, dass du glücklich bist.“ Es tat gut, diese Worte von L zu hören. Und diese Umarmung gab ihr auch ein Stück weit Kraft. Tief atmete sie durch und man sah ihr die Nervosität deutlich an. „Wie spät?“ L schaute auf sein Handy und stellte fest, dass es 9:55 Uhr war. In fünf Minuten würde es also soweit sein. Ihr drittes Date mit Ajin, wenn man es so sah. Zwar hatte sie es nicht direkt als Date bezeichnet, doch das Endergebnis war trotzdem dasselbe. „L, wie schafft man es eigentlich, sich in jemanden zu verlieben, der ganz anders ist und mit dem man kaum etwas gemeinsam hat?“

„Tja“, murmelte der Detektiv und begann wie so oft an seiner Daumenkuppe zu knabbern. „Man sieht etwas in denjenigen, was man anziehend findet. Und mit der Zeit entdeckt man auch Gemeinsamkeiten und auf die Weise harmoniert man auch gut mit demjenigen, auch wenn es nicht immer einfach ist. Zwischen mir und Beyond ist es ja auch nicht immer leicht. Wir streiten uns für gewöhnlich sehr oft, aber wir wissen dennoch immer, was wir an dem anderen lieben und das ist stärker als alle Differenzen.“

„Stimmt. Aber… ich frage mich, ob ich wirklich dazu fähig bin, jemanden überhaupt zu lieben.“

„Ausgerechnet du? Jetzt mach dich nicht lächerlich. Die Bedenken hätte viel eher eigentlich ich haben sollen. Immerhin war ich derjenige, der seine Gefühle gänzlich verschlossen hat, um nie wieder so schwach zu sein wie damals, als ich meine Familie nicht retten konnte. Weder meine Eltern, noch dich.“ Frederica tätschelte ihm mit einem liebevollen Lächeln den Kopf, so wie sie es damals zu tun pflegte, als er noch klein war. „L, du warst damals doch erst fünf Jahre alt, als das passiert ist. Da hättest du nichts ausrichten können. Wir sind alle stolz auf das, was du bis jetzt erreicht hast und du hast überlebt. Das ist die Hauptsache. Und eines darfst du nie vergessen: dein Name ist mehr als nur ein Name. Er ist deine Bestimmung.“

„Ja, für uns haben Namen nämlich einen tieferen Sinn als für dieses kleine Menschenvölkchen.“ Frederica zuckte erschrocken zusammen, als sie plötzlich eine Stimme hinter sich hörte, die ihr mehr als vertraut vorkam. Sie drehte sich um und sah, dass es tatsächlich Ajin war, der mal wieder aus dem Nichts erschienen war. „Ajin“, rief sie und musste erst mal ihr wie verrückt schlagendes Herz beruhigen. „Warum kannst du nicht an die Tür klopfen, wenn du schon kommen willst?“ „Ich bin Gott, ich darf das“, erklärte er mit einem schelmischen Grinsen und damit war für ihn die Sache geklärt. Stattdessen musterte er aufmerksam Fredericas Kleid und konnte nicht anders als zu bemerken „In dem Kleid siehst du verdammt scharf aus.“ Naja, das beste Kompliment war es nicht gerade für jemanden wie Frederica, aber sie verstand schon, was er damit sagen wollte und sie stammelte ein etwas verlegenes „Danke.“ Doch dann zog er die Augenbrauen zusammen und schien nachzudenken und dann murmelte er „Aber es fehlt da noch etwas.“ „Und was?“ fragte die 445-jährige und blickte etwas unsicher auf ihr Kleid herab. „Etwas Farbe“, erklärte Ajin und tippte kurz ihr Kleid an. Und mit einem Male begannen sich rote Flecken zu bilden, die sich langsam auf dem Kleid ausbreiteten und sich zu Rosen formten. Mit einem Male war ihr Kleid mit roten Rosenmustern verziert und dann steckte Ajin ihr eine echte Rose ins Haar und erklärte „Rote Rosen stehen dir. Passt zu deinen Augen.“ Frederica verschlug es die Sprache und ihre Wangen glühten. Hilfe, was passierte da nur? Hatten Ajins Versuche bisher immer nur für Ablehnung und Unwohlsein gesorgt, wusste sie auf einmal nicht mehr, wohin mit sich, brachte kein einziges Wort zustande und errötete auch noch dabei. Wann hatte es denn bitte angefangen, nicht mehr unangenehm für sie zu sein, wenn er ihr etwas unbeholfene Komplimente machte? „Äh… i-ich… also…“ Sie wusste nicht mehr, was sie sagen sollte und war gänzlich überfordert. „Bist du bereit für unseren kleinen Ausflug?“ Sie nickte nur und so legte Ajin vorsichtig einen Arm um ihre Schultern, um sie nicht noch mal so sehr zu erschrecken. „Nun, dann lass uns gehen.“ Und ohne sich von L zu verabschieden, ging er mit ihr los und wie immer gingen sie direkt durch die Wand. Es war für Frederica jedes Mal ein mehr als merkwürdiges Erlebnis, durch Wände zu gehen, als wären sie gar nicht da und dann an einem völlig neuen Ort rauszukommen. Und als sie hindurchgegangen waren, fanden sie sie sich auf einem großen weitläufigen Gelände wieder. Es gab einen Weg, der zu beiden Seiten mit Glasfenstern gesichert war und man hatte einen guten Ausblick auf die Bäume. Doch so wirklich konnte Frederica nicht erkennen, wo sie denn waren. „Wo genau sind wir hier eigentlich?“ „Soweit ich weiß an einem Ort, wo die Menschen ihr Leben gerne Vögel beobachten.“

„Vögel?“ Fredericas Augen wurden groß und sie konnte es nicht glauben. Sie ging zu einem der Fenster hin und sah tatsächlich einen Weißkopfadler auf einem Ast sitzen, der sein Gefieder putzte. Nun war sie endgültig sprachlos. Woher wusste Ajin von ihrer Leidenschaft für Vögel? Als hätte er ihre Gedanken gelesen, erklärte er „Als Gott weiß man eben alles. Und nachdem ich schon dumm genug war, auf die schwachsinnigen und hirnverbrannten Ideen der anderen zu hören, dachte ich an Wilhelm Tell: eine Axt im Haus erspart den Zimmermann.“

„Ich wusste gar nicht, dass du dich mich mit Literatur auskennst.“

„Wenn ich Langeweile hab, wühle ich mich ein bisschen durch Ains Bibliothek. Außerdem sind mir diese Autorenfritzen sehr gut bekannt. Und was ich ein Mal weiß, vergesse ich nie wieder. Ganz egal, was es ist.“ Sie gingen den Weg entlang und Frederica kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Schon lange hatte sie sich insgeheim schon mal vorgenommen, mal eine Vogelwarte zu besuchen, um so ihrer Leidenschaft nachzugehen, aber sie hatte es immer verschoben und während ihrer Zeit im Institut hatte es sowieso nicht geklappt. Und danach war für sie immer etwas dazwischengekommen. Als sie dann zu den etwas südländischeren Vögeln kamen und darunter auch Papageien, Kakadus und Aras zu bestaunen waren, da wandte sich Ajin Frederica zu und fragte „Willst du sie mal ganz nah sehen?“ „Wie jetzt nah?“ Hierauf ergriff er ihre Hand und ging mit ihr einfach durch die Glasscheibe hindurch und waren damit auf der anderen Seite. Das Albinomädchen wandte sich erschrocken ihrer Begleitung zu. „Das… das ist doch verboten. Was ist, wenn uns jemand sieht?“ „Mir ist es scheißegal, ob es verboten ist. Und uns sieht schon keiner.“ „Ja aber…“ „Kein aber“, unterbrach Ajin sie. „Glaubst du etwa, die Shinigami sind die Einzigen, die für die Menschen unsichtbar sind? Fakt ist: seit wir anwesend sind, beachtet uns keine Sau. Wir sind also wie Kristen Stewart und Justin Bieber.“ Frederica musste bei diesem fiesen Witz lachen und fragte „Hast du schon mal in diesem Zustand absichtlich irgendjemanden erschreckt oder so?“

„Klar hab ich das. Den armen Edgar hat es im Sanatorium fast zu Tode erschreckt und was diese Pfeife Ed betrifft, der kam natürlich sofort mit seinem Geister- und Dämonenquatsch an und wollte das ganze Haus exorzieren lassen. Aber heutzutage ist es nicht mehr ganz so lustig wie vor 1000 Jahren. Da waren die Leutchen noch so abergläubisch, dass es schon fast zu einfach war, sie zu erschrecken.“ Sieh an, er hat auch Sinn für Humor, dachte sich Frederica und schmunzelte. Und wie sich herausstellte, hatte ihre Begleitung eine ganz besondere Vorliebe für schwarzen Humor. So meinte er irgendwann „Moses hat die Israeliten 40 Jahre lang durch die Wüste geführt, weil er sich geschämt hat, mit ihnen auf der Straße gesehen zu werden.“ Und dann kam er mit dem nächsten Witz, der es in sich hatte. „Jesus geht durch die Wüste. Da kommt ihm ein alter, blinder Mann mit wallendem, weißem Haar entgegen, die Arme suchend ausgestreckt: „Ich suche meinen Sohn, ich suche meinen verlorenen Sohn“. Meint Jesus zu ihm: Vielleicht kann ich dir helfen alter Mann. Beschreibe mir deinen Sohn, woran kann man ihn erkennen?“ Der alte Mann: „Er hat von Nägeln stammende Löcher an Händen und Füßen.“ Darauf Jesus: „VATER!!! und der alte Mann „PINOCCHIO!!!““ Frederica lachte fast schon Tränen und obwohl sie für gewöhnlich nicht die größte Freundin von schwarzem Humor war, so klangen sie aus Ajins Mund allesamt witzig. In dem Moment erschien es ihr auch wie ein Rätsel, dass sie vorher nichts mit ihm zu tun haben wollte. Sie sah ihn auf einmal mit ganz anderen Augen und sie konnte sich beim besten Willen nicht erklären, wie das kommen konnte. Was war der Auslöser gewesen, dass sich ihre Meinung über ihn geändert hatte? Vielleicht dieser Spaziergang, bei dem er ihr klar und deutlich gezeigt hatte, wie er wirklich fühlte und mehr in ihm steckte, als nur dieser arrogante Mistkerl, der sie begrabscht hatte? Es ist wirklich verrückt, dachte sie und verstand sich selbst nicht mehr. Ich treffe mich mit jemandem, der mir an den Hintern gefasst hat, der grottenschlecht im Flirten ist und der obendrein einen cholerischen und vulgären Charakter hat. Und das Verrückteste an der ganzen Geschichte ist: ich bin wirklich drauf und dran, mich in ihn zu verlieben. Als wäre das hier eine Art Märchenversion von „Die Schöne und das Biest“. Tja, nicht jedes Mädchen kann einen Märchenprinzen zum Freund haben, oder? Äh… Augenblick mal! Frederica konnte nicht glauben, was sie da gerade tatsächlich dachte. FREUND??? Ich bin noch nicht mal richtig in ihn verliebt, wieso denke ich jetzt schon von ihm als Freund? Nein, das geht mir alles viel zu schnell. Das kommt alles so plötzlich!

Die 445-jährige Seraph war völlig durcheinander und wusste nicht einmal, was sie denken sollte, als sie da auch schon etwas auf ihrer Schulter spürte. Zuerst dachte sie, es sei Ajins Hand, aber es war ein Kakadu. Näher gesagt ein Gelbhaubenkakadu. Vorsichtig nahm Frederica ihn auf ihre Hand und strich ihm vorsichtig über den Kopf und gab ihm schließlich etwas Obst zu fressen. „Vögel sind wirklich wunderbare Tiere“, murmelte sie schließlich und war froh, dass sie sich selbst von diesen Gedanken ablenken konnte. „Fast alle sind monogam und bleiben bis an ihr Lebensende bei ihrem Partner. Vor allem Kakadus und Papageien sind sehr soziale Vögel. Und vor allem sind es sehr schöne Tiere.“

„Und sie vermitteln einem das Gefühl völliger Freiheit.“

„Ja, das stimmt“, bestätigte sie und begann den Kakadu zu streicheln. Diesem schien das sichtlich zu gefallen. „Während meiner Zeit im Institut habe ich mir oft vorgestellt, ich wäre ein Vogel und könnte einfach davonfliegen und dort sein, wo ich will. Keine Pflichten, keine Schmerzen, kein Käfig…“

„Ach glaub mir, Freiheit kann auch ein Fluch sein“, erklärte Ajin und vergrub die Hände in den Hosentaschen. „Man beginnt sich zu langweilen, man geht irgendwann nur noch verantwortungslos mit ihr um und weiß sie nicht zu schätzen. Und Freiheit an sich gibt es für niemanden von allem, was nach mir existiert. Es gibt immer Einschränkungen, selbst für die Seraphim und Sefirot. Jeder lässt sich von seiner Natur steuern, das ist unvermeidlich. Man hat immer ein begrenztes Maß an Freiheit zur Verfügung und damit muss man umgehen können. Vollkommene Freiheit bedeutet, frei von Leben und Tod, Zeit und Raum zu sein und sich weder von Instinkten, noch von geistigen Einschränkungen fesseln zu lassen. Und das ist unmöglich. Ich bin die Ausnahme von der Regel, weil ich nun mal das Grundgerüst aller Dinge verkörpere. Ich existiere außerhalb jeglicher Gesetze, weil ich sie geschaffen habe und mich ihnen nicht unterordnen muss. Aber vollkommene Freiheit bedeutet auch, einen hohen Preis dafür zu zahlen. Ich werde niemals aufhören zu existieren. Denn das Nichts steht selbst außerhalb der Gesetze von Existenz und Nichtexistenz, weil es sich in einem so genannten Existenzparadoxon befindet. Folglich also werde ich da sein, wenn alle Welten untergegangen sind und selbst Ain und Elohim nicht mehr leben. In solchen Momenten beneide ich manchmal die Menschen. Sie leben in ihrer beschränkten kleinen Welt wie Goldfische im Glas, haben hochstrebende Träume und ihr Leben endet, wenn es am besten enden sollte. Zumindest meistens… Sie träumen davon, unsterblich zu werden und haben dabei keine Ahnung, was das für sie bedeutet.“

„Es ist wohl ein ziemlich einsames Leben, oder?“

„Man gewöhnt sich daran und man hat auch kein Gefühl für Zeit und dergleichen. Meist schlafe ich einfach, dann merkt man das eh nicht sonderlich. Aber dementsprechend ist man auch schlecht gelaunt, wenn man aufgeweckt wird und es nur irgendwelche Leute sind, die dich um den nächsten Schwachsinn bitten.“

„Hört sich nicht gerade nach einem schönen Leben an.“

„Aber irgendjemand muss es ja führen. Ganz streng genommen unterliege sogar ich dem Gesetz, dass ich als das Nichts da sein muss, wenn nichts mehr existiert. Ist ne echt komplizierte Kiste und ein Widerspruch in sich, aber es ist nicht zu ändern.“

„Und wieso bist du dann der König der Shinigami?“

„Eine Beschäftigung muss man ja haben. Und da das Jenseits nun mal das Nichts ist, weil alles, was stirbt, wieder zu meiner Kraft zurückkehrt, hab ich eben die Pflicht übernommen, auf den Laden aufzupassen.“

„Und wer kümmert sich dann während deiner Abwesenheit darum?“ Sie gingen ein Stück weiter und es war für Frederica schon ein seltsames Gefühl, dass sie hier frei herumgehen konnten, ohne dass jemand sie wirklich sah. Für Ajin hingegen schien es wohl das Normalste auf der Welt zu sein, aber bei ihm brauchte man sich ja auch nicht wundern. „Nachdem ich Ain erschuf, da habe ich auch zehn Emanationen geschaffen. Sie sind den Sefirot sehr ähnlich, haben aber eine weitaus wichtigere Aufgabe. Sie bilden nämlich das „Grundgerüst“ der Welt und wachen über die Gesetze von Zeit und Raum, Leben und Tod, die Äquivalenz der Dinge, Träume, Individualismus und über die Seelen und das Gesetz der Existenz und Nichtexistenz.“

„Davon hat mir Eva nie erzählt.“

„Kein Wunder. Selbst die Sefirot wissen nicht von ihrer Existenz oder haben nur Legenden gehört. Die Emanationen halten sich für gewöhnlich außerhalb der Welten auf oder sind ständig auf Reisen. Während meiner Abwesenheit kümmert sich Mavet um meine Stellvertretung in der Shinigamiwelt. Die Emanationen sind unsterblich und das aus gutem Grund: wenn alles zu Ende gehen sollte, muss ich nicht noch mal ganz von vorne anfangen.“

„Und du wärst dann nicht ganz so alleine, oder?“

„…“ Ajin sagte nichts, aber Frederica spürte trotzdem, dass sie Recht hatte. Und dann als der Kakadu wegflog und sie einen seltsamen Glanz in Ajins Augen sah, der etwas so Tiefes und Unendliches in sich trug, da ergriff sie seinen Arm und hakte sich bei ihm unter. Etwas überrascht blieb er stehen und sah zu ihr herunter, denn nach der Ansage, die sie nach der Grabschaktion gemacht hatte, war er wirklich davon ausgegangen, dass es noch lange brauchen würde, bis sie Körperkontakt zulassen würde. Aber offenbar war es doch tatsächlich sinnvoller, sie den ersten Schritt machen zu lassen und sich einfach ruhig zu verhalten. Tja, sie ist eben wie ein scheues Tier, dachte er sich. Man muss dann in dem Fall wohl warten, bis es von selbst kommt und dann vorsichtig sein, damit es nicht gleich wieder abhaut. Und so wie es scheint, zahlt es sich wohl tatsächlich aus.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2015-04-05T17:13:50+00:00 05.04.2015 19:13
Das Kapital war fantastisch^^ :3


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