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Quand je suis lá, je suis sans soucis

Wenn ich dort bin, bin ich ohne Sorge
von

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~Die Konfrontation~

~Die Konfrontation~
 

Seitdem Friedrich heimlich Flötenunterricht bekam, hatte sich seine Miene etwas gebessert. Meist übte er, wenn er endlich Freizeit und sein Vater auf der Jagd war. Die Töne würden das cholerische Temperament des Königs nur noch mehr steigern. Wenn ich Zeit hatte, hörte ich ihm zu. Friedrich hatte ein großes Talent und war sehr gelehrig. Am liebsten hatte er die Querflöte, der er die

schönsten Töne entlocken konnte. Es heißt, der Herrscher formt den Repräsentanten des Landes, doch ich hatte das Gefühl, dass ich nicht durch Friedrich Wilhelm geformt worden war. Viel mehr spürte ich, wie ich vom zukünftigen König geformt wurde. Gebildet, wie Friedrich war, aufgeklärt von vielen politischen Vorbildern. Der Thronfolger stellte sich schon sehr früh vor, wie er das Land seines Vaters regieren, wenn er denn einmal König sein würde. Jedoch...

Sein Vater wollte ihn nach seinem Ebenbild formen. Ein König sollte er werden

der auf Luxus und Bildung verzichtete und nur allein dem Staat diente. Bescheiden und auf Traditionen beruhend. Das lesen in Büchern hatte er ihm sogar verboten. Und doch tat der junge Friedrich ebendies. Sein Vater schlug, demütigte, quälte und erniedrigte ihn. Selbst vor dem Hof oder ausländischen Gesandten tat er dies. Einmal schrie er ihn sogar an, dass, wenn er sein Vater gewesen wäre, hätte er sich schon längst erschossen. In diesem Moment blieb der Junge still auf seinem Stuhl sitzen, starrte den Boden an und seine feinen Gesichtszüge zeigten, wie sehr er doch seinen Vater hasste. Er sagte kein Wort des Widerspruchs, dafür war der Stolz dieses jungen Mannes viel zu groß.

Lieber wollte Friedrich um das Brot betteln als einfach klein bei zu geben.
 

Er verriet mir, dass er von einer Karriere als Musiker, Dichter und Philosoph

träumte, kein Herrscher wollte er sein. Ein Freidenker. Er war ein Freund der Aufklärung und der französischen Kultur. Ich lächelte nur bei dieser Aussage. Wie gerne ich seinen Traum doch verwirklicht sehen wollte. Ein frei denkender König, der nicht den Idealen seines Vater nachstrebte und vieles ins Gegenteil ummünzte als sein Vorgänger es je getan hätte. Das passte nicht so recht in die damalige Gesellschaft. Das Protokoll verlangte nun einmal was anderes. Aber er wolle

alles anders machen, sobald er auf dem Thron säße. Das wollte ich ihm glauben.
 

Als ich eines Tages wieder seinen Klängen in seinem Zimmer zuhörte, vernahm ich schwere Schritte vom Flur her. Sofort hörte er auf zu spielen und

versteckte die Querflöte unter den Lagen seines Bettes. Ich sah zur Tür, wo

sich nur langsam ein Schatten an der Wand abzeichnete. Friedrich nahm eine

Unschuldsmiene auf und sah demütig zu Boden. Die Tür öffnete sich und die schweren Schuhe betraten die Kammer. Die Hände hatte Friedrich schützend hinterm Rücken versteckt. Als er jedoch den Blick hob und seine Schwester erkannte, wie sie stampfend mit ihren Schuhen den Raum betrat, da hob sich wieder seine Miene.

„Zeit zu exerzieren mein Prinz.“ Sagte sie in einer so ernsten Stimmlage,

doch wir drei fingen an, schallend zu lachen.

„Ach, Schwester. Wenn der König mit seinen dummen Soldaten nicht wäre.“ Ich bot ihr meinen Platz an und Wilhelmine setzte sich.

Aber sie tröstete ihn. Sie wollte ihn spielen hören und so holte Friedrich seine Flöte wieder hervor und begann die gleiche Melodie zu spielen, die ich schon vorher gehört hatte. Wilhelmine schloss indessen die Tür.

Nach einer Weile hörte er wieder auf und Wilhelmine meinte, das die Melodie

sehr schön wäre. „Preußen hat genug Krieger auf dem Thron gesehen. Es wird

Zeit für einen großen Künstler.“ Friedrich sah traurig aus. „Ich brauche

neue Noten. Nicht dieses altmodische aus der Provinz. In Paris spielt man

längst ganz anders.“ Meinte er nur. Sie umarmten sich liebevoll. Ich seufzte

leise.

„Vielleicht könnte ich nach Paris reisen und dort neue Melodien und Stücke

für euch organisieren.“ Sagte ich und sah den Kronprinzen an. Ein kleiner

Auftrag des Königs verschlug mich sowieso in diese Stadt. Und wenn ich schon

einmal dort war, könnte ich auch dem Kronprinzen diesen Gefallen tun. Friedrich

lächelte mich glücklich an und dankte mir – ich glaube es waren tausend Mal- für

diesen Gefallen.
 

Am nächsten Tag saßen die Königsfamilie, einige seiner Berater und ich zu

Mittag. Es gab des Königs liebste Speise- Rindsfüße mit Rindsmaul. Der König

genoss es sichtlich. Mir selbst schmeckte es auch, immerhin war die Köchin der

Familie eine hervorragende Frau. Doch angefangen bei seiner Frau, die pikiert

auf ihren Teller sah und alles fein säuberlich mit Messer und Gabel aß- nicht

so wie ihr Ehemann, der das Fleisch mit den Händen aß und seine Finger auch

dementsprechend von Fett triefend aussahen. Und sein Gesundheitszustand würde sich von so einem schweren Essen kaum bessern, geschweige sein Gewicht. Doch... Es würde sich

steigern.

Er litt schon an der Gicht. Und etwas dagegen unternehmen wollte er

nicht. Er schaufelte sich ein frühes Grab.

Auch der Kronprinz war nicht sehr angetan vom essen. Ich sah wie er seiner

Lieblingsschwester vielsagende Blicke zu. Einmal tat er so als steckte er sich

den Finger in den Hals und erbrach das essen. Das musste sein Vater gesehen

haben, denn sogleich mokierte er sich wieder seinem Sohn gegenüber.

„Was hat er auszusetzen an der Speise die uns der Herr Gott gibt?“

„Sie ist so köstlich, das ich kaum wage sie mit meinen Zähnen zu entehren.“ erwiderte er an seinen Vater gewandt. An seine Schwester fügte er noch murmelnd hinzu:

„Papas Gott ist zumindest kein Gourmet.“ Das musste man ihm lassen. Wortgewandt war er immer gewesen. Im Gegensatz zum Geschmack des Monarchen, hatte er allerdings ein gutes Gehör.

„Er wagt es dem Allmächtigen zu lästern?“ wieder stieg Wut in Friedrich Wilhelm hoch. Er erhob sich dank seines Gehstocks und schritt auf den Jungen

zu.

„Ich bitte meinen lieben Papa um Vergebung, wenn ich ihn verletzt haben

soll.“ Auch Friedrich stand auf und lief in die entgegen gesetzte Richtung um ihm zu entkommen. Rasend vor Wut setzte der Vater dem Sohn nach.

„Wie er aussieht! Er weiß wohl dass ich keine weibischen Kerle leiden kann der seine Haare wie ein Narr frisiert und sie nicht schneidet, was ich tausend Mal angeordnet habe. Ohne Besserung!“ schrie sein Vater in seiner Rage.

Seine Frau blieb still sitzen und forderte ihn auf sich zu mäßigen. Ich selbst

achtete auf die zwei. Doch sie schienen sich immer in die entgegen gesetzte

Richtung zu bewegen. Wie in deinem Tanz. Doch dann hielt ein Bediensteter

Friedrich auf und hielt ihn fest. Der König schritt auf seinen aufmüpfigen Sohn zu. Die beiden schrien sich an, einmal fiel sogar ein schlechtes Wort aus des Königs Mund über seine Frau. Das alles schaukelte sich so hoch bis der König die Hand gegen seinen Sohn erhob und Friedrich zu

Boden ging. Sogleich stand dieser wieder auf und sah hasserfüllt seinen Vater an.

„Ein Mensch ist kein Uhrwerk, selbst als Prinz.“ Rief Sophie Dorothea. Aber

ihr Sohn richtete sich die Kleidung und sah geringschätzig zu seinem Vater.

Damit war die Mittagstafel anscheinend aufgehoben und ich folgte dem Prinzen in

seine Gemächer.

Schweigend versorgte ich die Ohrfeige, die sich an der Wange schon rot färbte.

Armer Friedrich…

Seine Mutter förderte zwar sein Talent und wollte aus ihrem Sohn einen

besonderen König machen, aber liebe schenkte sie ihm genauso wenig wie sein

Vater. Es lag wohl auch daran, dass seine Mutter sich nie richtig wohl fühlte

in der Familie Hohenzollern in die sie eingeheiratet wurde. Sie hatte

Verbindungen zum englischen Adelshaus und fühlte ihre Ehe mit Friedrich Wilhelm

immer als Herabsetzung. Doch blieb ihr Mann ihr immer treu. Nie hatte der König

eine Mätresse, wie es bei anderen Adelshöfen Europas gewöhnlich war. Doch

statt sie mit „Madame“ bei höfischen Festen zu nennen, nannte er sie immer nur

sein „Fiekchen“. All diese Dinge führten dazu, dass sie sich nie wohlfühlte.
 

Tage später, ich war vom Frankreichauftrag zurück und mit einem Haufen von neuen Noten für des Prinzen liebsten Zeitvertreib, war der Kronprinz zu einer seines Vaters Tabakskollegium „eingeladen“ worden. Ich saß an des anderen Seite des langen Tisches und hatte auch einen Humpen Bier vor mir. Friedrich konnte diesen Augenblicken nichts abgewinnen. Um nicht zu sagen, dass ihm sein Vater ihn dazu zwang, gelegentlich Bier zu trinken und Tabak zu rauchen. Weder das Bier noch Tabak waren etwas, was der Prinz mochte.Viel lieber hatte er den

französischen Wein. Er hustete von dem Qualm und versuchte sich etwas saubere Luft zuzufächeln, was ihm überhaupt nicht gelang. Doch sonst musste Friedrich mit den Beratern des Königs mitrauchen, dieses Mal hatte er es ihm erlaubt, nicht zu tun.

„Ein rechter Kerl wird so freilich nicht aus ihm.“ Fügte Friedrich Wilhelm

noch hinzu. Selbst die anderen Berater baten immer wieder den nunmehr fast 18

jährigen dazu seinen Vater nicht noch mehr gegen ihn aufzubringen.

Hustend sah Friedrich zu seinem Vater. Durch den starken Tabakgeruch der in der

Luft lag verzog er das Gesicht, was seinen Vater wieder mokierte.

„Was zieht er für eine leichenbittere Miene?“ fragte er.

„Mir missfällt, dass dies hier der unfreiste, unerträglichste und traurigste

Ort auf der gesamten Welt ist.“ erwiderte er mit gezügelter, jedoch nicht

verborgener Wut im Bauch. Ich ahnte schon, dass gleich die Situation wieder

eskalieren würde, und stand auf, wollte den König abhalten wieder auf seinen

Sohn zuzugehen, doch…

„Er ist ein eigensinniger, böser Kopf! Der seinen Vater nicht liebt!“ die

Stimme des Vaters war schon um einiges lauter als vorher.

„Ich liebe nur den Tabak nicht und auch nicht das Bier!“ entgegnete er.

Natürlich wollte Friedrich auf der einen Seite seinem Vater gefallen, aber was

er auch tat, es war dem Vater nicht genug.

Doch darauf erwiderte er nichts mehr, nahm nur den Krug Bier. Und die anderen

der Gesellschaft, waren gezwungen es ihm gleichzutun. Auch der Kronprinz nahm

seinen Krug in die Hand, setzte aber nicht- wie wir anderen es taten an, sondern

hielt ihn nur in der Hand.

Das konnte ich durch meinen einen kleinen Augenspalt sehen, wie auch der König.

Dieses Mal stand Friedrich Wilhelm wirklich auf, schneller als ich, da ich noch

den Krug in der Hand hielt. Der zornige Vater nahm den Humpen seines Sohnes,öffnete den Deckel, sah hinein und kippte den Inhalt über Friedrichs Kopf aus.

„Wenn man seinen Vater liebt, so tut man, was er haben will! Was für eine

Memme. Die sich scheut, nicht reiten, noch schießen kann.“

Der Junge schäumte vor Wut, das konnte jeder sehen. Seine Nasenflügel bebten

und sein Atem ging schwer, da er sich zu beherrschen versuchte.

„Ich an seiner Stelle hätte mich längst erschossen! Aber er hat keine Ehre

im Leib!“ Da waren sie wieder. Diese kalten Worte.

Ohne ein weiteres Wort, noch seinen Vater anzusehen, verließ Friedrich den

Raum. Alle sahen ihm schweigend nach. Nur ich folge ihm. Nur selten hatte ich gesehen wie

die Fassade, die der Junge sich so sorgfältig aufgebaut hatte, um sich vor den

Triaden des Vaters zu schützen, einstürzen sehen. Er flüchtete auf sein Zimmer.

Wo aber schon jemand wartete.
 

Ein hochgewachsener junger Mann in feiner roter Uniform. Erst bemerkte der Kronprinz

dessen Gegenwart nicht und erschrak als er dessen Gesicht sah. Ich schloss die

Tür hinter mich und sah zu dem jungen Mann, der zwar etwas älter als der

Kronprinz, jedoch kein Fremder für ihn war,

Hans Hermann von Katte war es und sah uns beide an. Friedrich, dessen Haar vom

Bier noch tropfte und mich, der in dessen Begleitung ich gewesen war.

„Ich habe euch lange warten lassen, mein Freund.“ Sprach der Prinz mich

brüchiger Stimme, jedoch froh, ein freundliches Gesicht zu sehen.



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