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Time Changed Everything

HP/LV
von

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Prologue: Harry

Ich weiß... ich sollte eigentlich bei Sommerregen weiterschreiben... aber dann ist mir die Idee zu dieser FF hier gekommen und hat mich nicht mehr losgelassen. Ich hoffe, ihr lest euch das hier trotzdem durch und ich würde mich wie immer sehr über Kommentare freuen. *verbeug*

Bis bald,

eure Ayako

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Prologue: Harry
 

Er war gekommen, um zu töten.
 

Dies war sein einziges Ziel, seine einzige Aufgabe, sein einziges Anliegen und niemand in dieser Welt würde ihn davon abhalten können. Viele würden es für einen unnötigen Mord halten. Selbst jetzt, da er so weit weg von ihnen war, konnte er die Stimmen seiner Berater hören, die der Meinung waren, es wäre unklug, jetzt zu handeln, man solle lieber warten und beobachten, wie sich die ganze Angelegenheit entwickeln würde.

Diese Dummköpfe! Als ob er warten könnte, wenn ihm jede Nacht der Schlaf geraubt wurde und jeder seiner Gedanken von diesem einzigen Thema abhängig geworden zu sein schien. Er musste es beenden. Jetzt. Sonst würde er wirklich dem Wahnsinn verfallen.
 

Langsam lief Lord Voldemort durch die leeren Straßen von Godric's Hollow. Die ansässigen Muggel befanden sich zum größten Teil im nächsten Pub oder schauten in ihren Häusern fern, weshalb sie ihn nicht behelligen würden. Allerdings spürte er die Augen der Zauberer auf sich, die hier lebten. Ängstlich standen sie hinter ihren Vorhängen und beteten, dass es nicht ihr Haus sein würde, in welches er eindringen würde. Erbärmliche Kreaturen. Alle nur an ihrem eigenen Leben, dem eigenen Profit interessiert. Dumbledore war ein Narr, wenn er sagte, dass alle, außer die Slytherins voll Liebe und Zusammenhalt waren. Manchmal kam es ihm so vor, als wäre es gerade andersherum.
 

Schließlich kam er zu einem Stillstand und sah an der Fassade der Potter-Villa hinauf. Wie James sie sich hatte leisten können, war ihm ein Rätsel. Wahrscheinlich wollten Lord und Lady Potter nur nicht, dass ihr Enkel in einem Apartment inmitten von Muggel-London aufwuchs, anders konnte er es sich beim besten Willen nicht erklären. Von außen sah das Haus verlassen aus, doch das hatte nichts zu bedeuten. Irgendwo dort drin würde sein, was er suchte und sobald er es gefunden hatte, würde es sterben.
 

Durch das Gebäude zu dringen war einfacher, als er gedacht hatte. Nur mehrere Alohomoras und ein Schockzauber auf eine Hauselfe, schon konnte er in aller Ruhe zum Kinderzimmer vordringen. Was Lily und James wohl sagen würden, wenn sie von der Geburtstagsfeier des jungen Blacks zurückkamen und ihren Sohn tot auffanden? Sie waren Narren, sein Leben, seine Sicherheit jemand anderes anzuvertrauen. Nichts konnte ihn aufhalten – nichts! – und die einzige Gefahr würde er heute auslöschen.
 

Das Kinderzimmer war erfüllt von Dunkelheit. Nur ein einzelner Strahl des Mondes drang durch das halboffene Fenster herein und fiel direkt auf den Jungen. Er saß in der Mitte des Raumes, den Rücken zur Tür gewandt und unterhielt sich mit einem Teddybären. Schwarzes Haar, das bereits dem seines Vaters glich, quoll aus seinem Kopf hervor und er machte eine schmächtigen Eindruck. Aus diesem Grund hielt Voldemort kurz inne. Konnte so etwas Junges/Unschuldiges/Gutes wirklich eine Gefahr sein? Ja, konnte es. Im Moment mochte er noch klein sein, aber bald wäre das vorbei. Lieber jetzt allem ein Ende bereiten, als es darauf ankommen zu lassen.
 

Entschlossen hob er seinen Zauberstab und richtete ihn auf das Kleinkind. Doch bevor er die beiden Worte aussprechen konnte, drehte dieses sich plötzlich um, so als hätte es bemerkt, dass es jemand beobachtete.

Die schönsten Augen, die er je gesehen hatte, blickten ihm neugierig entgegen. Sie waren grün/Hoffnung/Glück/Unschuld/Heimat!

Jung, ohne Hass, ohne Abneigung, ohne Angst.

Nur neugierig und verwirrt, als sie erkannten, dass er nicht seine Eltern war. Auf einmal schlossen sie sich jedoch und an ihre Stelle kam ihm das strahlensten Lächeln entgegen, das ihm jemand seit zehn Jahren geschenkt hatte. Verblüfft ließ er seinen Zauberstab wieder sinken und starrte den Jungen an.
 

Dieser öffnete seine Seelenspiegel wieder und brachte sich mühsam in eine stehenden Position. Ungeschickt, doch immer noch strahlend lief er auf Voldemort zu, bis er direkt vor ihm stand und nicht weiter konnte. Brabbelnd streckte er ihm seine Arme entgegen und ohne weiter nachzudenken, hob der dunkle Lord ihn hoch und drückte ihn fest an sich. Beinahe sofort schlang der Junge seine kleinen Arme um den Älteren und lehnte sich zufrieden an seinen Körper.

Vergessen war der Grund seines Hierseins. Vergessen, dass er ihn töten musste. Vergessen, dass er eine Gefahr war. Dieses Kind hatte innerhalb eines einzigen Augenblicks einen Platz in seinem Herzen gewonnen, welchen es nie wieder verlieren sollte.
 

Vorsichtig trug Voldemort den inzwischen schläfrig gewordenen Jungen zu seinem Bettchen, um ihn dort hineinzustellen. Enttäuschte Augen blickten ihm entgegen, als der Kleine abgesetzt wurde, was ihn unwillkürlich zu einem amüsierten Glucksen verleitete. „Für heute heißt es Abschied nehmen“, flüsterte der dunkle Lord und küsste ihn sanft auf die Stirn. „Doch ich verspreche dir, dass wir uns wiedersehen. Schlaf gut. Harry.“ Den Namen sprach er mit einer so sanften Betonung aus, dass der Junge ihm ein erneutes Lächeln schenkte, bevor er seine Augen schloss und kurze Zeit später eingeschlafen war.
 

Als er wieder erwachte, sollte er von seiner strahlenden Mutter begrüßt werden, die etwas von einem dunklen Lord erzählte, der angeblich von einem Neville Longbottom besiegt worden war. Den ganzen nächsten Tag würden sie feiern und fröhlich sein.

Doch sobald es Abend wurde und er wieder schlief, sah er die roten Augen des Fremden, die ihn sein ganzes Leben lang nicht loslassen würden.

Adoption

Heyho!

Ich muss sagen, ich bin geschockt. O.o

Ich meine, mir ist schon viel passiert, aber nach etwas mehr als eine Woche neun Kommentare und 39 Favoriten für gerade mal schlappe 900 Worte zu haben ist...... eine Neuheit für mich. Leute, ihr seid die Besten!!! ^o^

Vielen, vielen Dank.

Dieses Kapitel hier ist noch eine letzte Vorgeschichte, bevor es im nächsten Kapitel mit der richtigen Handlung losgeht. Allerdings ist das notwendig, um den Rest nachvollziehen zu können. XD

An dieser Stelle möchte ich auch noch eine kleine Umfrage starten: Was für Pairings sind gewünscht?

Bestimmte Dinge sind zwar schon fest eingeplant (so wird das hier auf jeden Fall eine HP/LV FF und ich werde auf keinen Fall einen Dreier daraus machen, noch diese beiden Charaktere dauerhaft an jemand anderes binden), aber genaue Pairings (außer das eine) steht nicht fest. Das heißt, wenn irgendein bestimmtes gewünscht ist, sagt einfach Bescheid und ich schaue, ob es passt. ^^

Über Rückmeldungen würde ich mich sehr freuen. *verbeug*

So, das war es auch schon von mir!

Viel Spaß beim Lesen und noch eine schöne Woche!

Bis bald,

eure Ayako

_________________________________________
 

Adoption
 

„Grauenvoll.“

„Furchtbar.“

„Schrecklich.“

„Lily und James... ich kann es nicht glauben.“

„...waren doch noch so jung...“

„...so gute Menschen...“

„...nicht verdient...“

„Grauenvoll.“
 

Der fünfjährige Harry saß reglos auf einen Stuhl in seinem Wohnzimmer, während die Leute um ihn herum redeten. Er verstand nicht richtig, um was es ging, nur, dass es etwas schlimmes sein musste. Was war geschehen? Wo waren Mom und Dad? Er konnte es nicht begreifen.

Vor ein paar Tagen waren sie weggegangen, da sie ihren besonderen Tag hatten. Der war immer einmal im Monat und da passten entweder Sirius, Remus oder Mrs. Bagshot auf ihn auf, da Mom und Dad essen gingen oder andere Erwachsenendingen taten. Jedoch waren sie von diesem Abend nie nach Hause gekommen und wenn er es richtig verstanden hatte, würden sie auch nie wieder kommen.
 

„Nicht einmal die Leichen haben sie übrig gelassen.“

„Furchtbar.“

„Da dachte man, nach dem Sturz von Du-weißt-schon-wer wäre alles in Ordnung.“

„Irrtum.“

„Fanatiker gibt es immer.“

„Oder Leute wie Malfoy, die sich überall heraus kaufen können.“

„...gehören alle eingesperrt.“

„Lily...“

„James...“

„Was passiert mit dem Jungen?“

„Black war sein Pate, oder?“

„Hat sich ja nun erledigt.“

„Dass er zu so etwas fähig ist... unvorstellbar.“

„Die Dementoren werden ihn schon hinrichten.“

„Wenn sie ihn fangen.“
 

Mrs. Bagshot, die neben ihm saß, legte eine Hand auf seine Schulter. Ihr Gesicht war tränen überströmt. Dadurch sah sie noch schlimmer als sonst aus. „Keine Sorge, Harry“, flüsterte sie. „Wir finden schon einen Platz für dich. Hör einfach nicht hin.“

„Was ist mit Sirius?“, fragte er besorgt. „Warum sollten die Dementoren ihn fangen?“

Dementoren waren böse. Sie nahmen dir jedes Glück weg. Wenn du einen Dementor sehen solltest, renne so schnell wie möglich weg! Da waren sich Mom und Dad immer einig gewesen.

Schluchzend schüttelte Mrs. Bagshot mit dem Kopf und nahm ihn in den Arm. „Mein armer Junge. Mein armer, armer...“
 

In diesem Augenblick betrat glücklicherweise Albus Dumbledore den Raum und alle Gespräche verstummten, da sich die allgemeine Aufmerksamkeit ihm zuwandte. Harry mochte den alten Mann nicht. Er hatte etwas seltsames, unheimliches an sich. Doch Mom und Dad hatten immer gut von ihm gesprochen. Deshalb musste er ein guter Mensch sein, oder?

„Albus!“, rief eine Frau, deren Name Molly war, wenn er sich recht erinnerte. „Hast du etwas erfahren können?“

Bedauernd schüttelte er mit dem Kopf. „Es gibt nichts neues. Sirius bleibt weiterhin verschwunden. Allerdings können wir uns nun sicher sein, dass es sich bei den Fundstücken tatsächlich um die Überreste von Lily und James handelt.“

Mehrere Entsetzensschreie erklangen und jene, die es bisher noch nicht getan hatten, begannen zu weinen.

„Was soll mit Harry geschehen, Albus?“, fragte Mrs. Bagshot. „Ich kann ihn aufnehmen, er ist so ein guter Junge und...“

„Mach dir keine Sorgen, Bathilda“, entgegnete dieser sanft. „Es haben bereits mehrere Leute ihr Interesse an dem Jungen bekundigt. Wir haben entschieden, dass er entscheiden soll, zu wem er möchte.“

„Bitte? Er ist noch ein Kind!“, rief Molly empört. „Nicht viel älter als mein Ron! Er kann das nun wirklich noch nicht entscheiden.“

„Harry ist ein sehr intelligenter Junge“, erklärte Dumbledore geduldig. „Und er ist nicht dein Sohn.“
 

Bevor es zu einer weiteren Diskussion kommen konnte, wurde die Tür aufgerissen und Remus Lupin kam herein. Wie nach jedem Vollmond sah er schrecklich aus, doch heute war es schlimmer, als je zuvor. Sobald er Harry erblickt hatte, stürzte er auf ihn zu und drückte ihn fest an sich.

„Oh Harry“, flüsterte er. „Es tut mir so Leid.“

„Was ist los, Onkel Remus?“, fragte er leise. „Sind Mom und Dad tot?“

Der Werwolf erstarrte, bevor er sich mit wutverzerrter Miene den anderen Leuten zu wandte. „Ihr habt es ihm nicht gesagt?“, zischte er. „Ihr habt ihn im Unklaren gelassen?“

„Er ist immerhin noch ein Kind“, rechtfertigte sich Molly sofort. „So etwas können wir ihm beim besten Willen nicht zumuten.“

„Raus“, flüsterte er. „Raus mit euch allen, bevor ich die Fassung verliere.“

„Remus, das ist lächerlich“, entgegnete sie. „Wir alle wollen nur das Beste für...“

„Molly, er hat Recht“, meinte Dumbledore bestimmt. „Wir sollten nicht alle hier versammelt sein, wenn Harry es erfährt. Lassen wir ihn mit Menschen, die er kennt. Wir können ein andermal alles weitere klären.“
 

Molly öffnete kurz ihren Mund, um zu widersprechen, doch ein rothaariger Mann, der neben ihr saß, legte ihr eine Hand auf die Schulter und brachte sie damit zum Schweigen.

„Natürlich, Albus“, sagte er ruhig. „Wir müssen ohnehin zurück nach Hause. Alles Gute, Harry“, fügte er an den Jungen gewandt hinzu, der seinen Blick unbeeindruckt erwiderte.

„Vielen Dank, Arthur“, entgegnete Hogwarts Schulleiter ernst und kurze Zeit später hatten alle, außer Remus, Mrs. Bagshot und er selbst, den Raum verlassen.

Augenblicklich ließ sich der Werwolf auf einen Stuhl sinken und vergrub seinen Kopf in seinen Händen, während die einzige Frau im Raum ein Taschentuch aus ihrer riesigen Handtasche hervorholte und sich heftig schneutzte.
 

Harry saß währenddessen einfach nur da und wartete darauf, dass ihm jemand erklärte, was geschehen war. Falls sie es überhaupt taten. Erwachsene glaubten oft, er wäre noch zu klein, um manche Dinge zu erfahren. Auch Mom und Dad hatten das oft gesagt. Aber warum? Warum dufte er nicht alles wissen?

Das war etwas, was er erst viel später verstehen würde.
 

Plötzlich hob Remus seinen Kopf wieder und fixierte Dumbledore mit seinen trockenen Augen. „Was ist geschehen, Albus?“

Seufzend setzte sich nun auch der alte Mann. Genau auf den Stuhl gegenüber Harrys. Der Junge runzelte die Stirn und rückte soweit es ihm auf seiner Sitzgelegenheit möglich war zurück. „Lily und James wurden vor zwei Nächten auf die grausamste Art und Weise ermordet, wie man es sich vorstellen kann.“ Seine Stimme war beherrscht, doch Harry konnte die Wut heraushören, welche unterschwellig mitschwang. „Wir vermuten, dass Sirius daran beteiligt war.“

„Wie bitte?“, rief Remus aufgebracht. „Sirius? Er und James waren beste Freunde! Warum sollte er...?“

„Sirius ist der Sohn einer schwarzmagischen Familie, Remus“, erinnerte ihn Dumbledore. „Im Grunde war es nur eine Frage der Zeit, bis er sich den übrig gebliebenen Todessern anschloss und...“
 

„Das ist doch nicht dein Ernst?!“ Der Werwolf war aufgesprungen und wirkte, als wäre er bereit, jeden Moment auf den Mann loszugehen. Mrs. Bagshot griff eilig nach Harrys Arm und zog ihn von seinem Stuhl, um mit ihm gemeinsam in eine Ecke zu flüchten, wo sie mit etwas Glück sicher sein würden. „Sirius ist ein guter Mensch! Ein Weißmagier durch und durch! Er würde niemals so etwas tun!“

„Tatsächlich?“, fragte Dumbledore und erhob sich nun ebenfalls. In seinen Augen funkelte etwas, was Harry dazu brachte, sich ängstlich an Mrs. Bagshot zu klammern. Er mochte diesen Mann nicht! Nicht im Geringsten! „Und was ist dann mit dem kleinen Vorfall in eurem... fünften Schuljahr, wenn ich mich richtig erinnere?“
 

Offensichtlich hatte er voll ins Schwarze getroffen, zumindest erstarrte Remus und zögerte kurz, bevor er antwortete: „Das... war doch nur ein alberner Kinderstreich.“

„Bei dem Severus hätte sterben können, wenn James ihn nicht gerettet hätte.“

„Sirius hat es nicht böse gemeint und überhaupt ist das etwas völlig anderes!“

„Inwiefern?“, wollte der alte Mann wissen. „Beide Male hat er Menschenleben bedroht, beide Male wären und sind Menschen gestorben. Erkläre mir den Unterschied.“

„Severus und Sirius hassen sich“, flüsterte Remus. „Das haben sie immer getan. Doch James war sein bester Freund! Er würde niemals an ihrem Tod beteiligt sein.“

„Und wie erklärst du dir dann, dass wir seine magische Signatur bei ihren Leichen gefunden haben?“
 

Stille kehrte ein, die nur von Mrs. Bagshots leisen Wimmern unterbrochen wurde. Die beiden Männer starrten sich einfach an und Harry wusste, dass Remus die Diskussion verloren hatte. Allerdings verstand er nicht genau, um was es hier ging. Was war eine magische Signatur? Warum sollte Sirius etwas böses getan haben?

Warum waren seine Eltern tot?

Er empfand keine Trauer über diese Tatsache. Irgendwie fiel es ihm äußerst schwer zu glauben, was alle behaupteten. Warum sollten sie tot sein? Weshalb nicht am Leben? Es kam ihm vielmehr so vor, als wären sie nur für eine Weile weggegangen, um ihren besonderen Tag etwas zu verlängern.

Doch er wusste, dass ihm keiner glauben würde, wenn er das sagte und deshalb hielt er den Mund.
 

„Sirius ist kein Mörder“, sagte der Werwolf schließlich. „So etwas würde er nie tun.“

Harry fand, dass es eher so klang, als müsste er sich selbst davon überzeugen.
 

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Ein einzelner Windstoß brachte die Bäume zum rauschen. Es war ein wundervolles Geräusch. So ruhig. So friedlich. So natürlich.

Schweigend beobachtete Harry, wie Blumen aus den Gräber seiner Eltern sprossen. Dies war das Praktische an Magie, man musste nicht Wochen warten, bis Unschönes beseitigt wurde.

Während der gesamten Beerdigung war er von einer seltsamen Leere durchzogen gewesen und es kam ihm vor, als hätte man ihm irgendetwas unrechterweise entrissen, was er nie wieder bekommen würde. Die Erwachsenen würden wahrscheinlich sagen, dass das an dem Tod seiner Eltern lag. Er jedoch hatte das Gefühl, dass es sich um etwas anderes handeln musste.
 

Plötzlich hörte er, wie jemand näher kam und er drehte sich langsam um. Im ersten Moment glaubte er, es handle sich um einen Engel. Die Frau hatte blondes Haar, das im Licht der Sonne leuchtete. Ihre blasse Haut war ein starker Kontrast zu der schwarzen Kleidung, die offensichtlich aus einem teuren Stoff angefertigt worden war. Daraus schloss er, dass sie aus einer reichen Reinblüterfamilie stammen musste.

In seinem ganzen Leben sollte es nur eine einzige Frau geben, die er als schöner als Narcissa Malfoy bezeichnen würde. Dennoch sollte dieser Augenblick, in dem er sie das erste Mal sah, für immer in seinem Gedächtnis haften bleiben.
 

„Hallo, Harry“, sagte sie freundlich und beugte sich zu ihm herunter, damit sie auf einer Augenhöhe waren. „Ich bin Narcissa Malfoy, eine alte Freundin deiner Mutter.“

Neugierig musterte er sie. Er hatte sie noch nie zuvor gesehen. Ob sie log?

„Ich bin sicher, Lily hat nie von mir gesprochen“, schloss sie aus seinem Schweigen und lächelte gequält. „Wir hatten vor einigen Jahren leider eine Meinungsverschiedenheit und haben seitdem nicht mehr miteinander gesprochen.“

„Warum nicht?“ Es interessierte ihn wirklich. Weshalb sollte seine Mutter eine ihrer Freundinnen so verletzen?

„Wegen deinem Vater“, erklärte sie sanft. „Ich fürchtete, dass er ihr nicht gut tun könnte. Aber ich habe mich geirrt.“ Zögernd streckte sie ihre Hand aus und legte sie, sobald sie bemerkte, dass er nicht zurückweichen würde, an seine Wange. „Ansonsten hätte sie niemals einen so guten Jungen bekommen können.“
 

„Narcissa!“, rief auf einmal eine männliche Stimme. „Wir müssen los.“

Seufzend löste sie sich von dem Jungen und stand auf. „Es tut mir wirklich sehr Leid“, flüsterte sie und sah dabei auf die Gräber. „So Leid.“

Ohne ein weiteres Abschiedswort drehte sie sich um und eilte auf einen blondhaarigen Mann zu, der sie in eine Umarmung zog, um kurz darauf mit ihr zusammen zu verschwinden.
 

„Harry?“

Remus war hinter ihm getreten und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Es wird kalt. Lass uns nach Hause gehen.“

Doch der Junge schüttelte mit dem Kopf. „Ich kann nicht nach Hause zurück. Ich habe keines.“

Irgendwo in der Ferne konnten sie Rubeus Hagrid heulen hören.
 

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„Remus wurde festgenommen.“

„Wie hat er das denn geschafft?“

„Ist offensichtlich auf Dumbledore losgegangen, als er seinen Antrag ablehnte.“

„Der, in den er Harry adoptieren wollte?“

„..wahnsinnig...“

„Dumbledore tut wohl daran, es ihm zu verbieten.“

„...wolf ist kein Umgang für ein Kind.“

„...hat schon genug durchgemacht...“

„...sollte lieber in eine geordnete Familie kommen.“
 

Wieder saß er auf einen Stuhl, doch diesmal war er trostloser. Die Erwachsenen warfen ihm immer wieder flüchtige Blicke zu, so als fürchteten sie, dass er jeden Moment aufspringen und davonlaufen könnte. Außerdem flüsterten sie, was unnötig war. Er verstand trotzdem jedes einzelne Wort und zwar besser, als sie es sich jemals vorstellen könnten.

Nun hatte ihn also auch Remus verlassen.
 

Seufzend ließ er seinen Blick auf die andere Seite des Raumes gleiten. Soweit er es richtig verstanden hatte, waren sie im Ministerium für Zauberei und jeden Moment würden Leute kommen, die darüber entscheiden sollten, wer seine zukünftige Familie sein würde.

Einige mögliche Kandidaten hatten sich bereits auf der gegenüberliegenden Seite versammelt. Zum einen war es Molly Weasley, wobei er hoffte, dass man ihren Antrag ablehnen würde. Soweit er es wusste, hatte sie bereits mehr als genug Kinder und überhaupt war sie ihm äußerst unsympathisch. Vielleicht, weil sie zu den eindeutigen Dumbledoreanhängern gehörte?
 

Neben ihr saß ein junger, unheimlich wirkender Mann, den Harry als Severus Snape identifizierte. Warum ausgerechnet der Zaubertrankmeister auf ihn aufpassen wollte, war ihm ein Rätsel, doch er würde seine Gründe haben. Vielleicht, weil er ein alter Freund seiner Mutter war. Trotzdem stellte er sich ein Leben mit diesem Mann nicht als einfach vor.

Ansonsten hatten sich nur Fremde in diesem Raum versammelt. Menschen, die er nicht kannte und auch nicht kennen lernen wollte.
 

Schließlich kam Dumbledore herein, gemeinsam mit einigen Ministeriumsarbeitern, die offensichtlich für ihn zuständig sein würden. Eine kurze Vorstellung folgte, bevor der Schulleiter von Hogwarts sich vor Harry hockte und ihn mit einem aufgesetzt liebevollen Gesichtsausdruck ansah. „Was hältst du davon, wenn du bei der Schwester deiner Mutter aufwächst?“, fragte er sanft. „Sie hat einen kleinen Sohn in deinem Alter und...“

„Das ist doch nicht dein Ernst, Albus!“, rief Severus sofort. „Du kannst ihn doch nicht zu Muggeln schicken!“

„Und genau das ist der Grund, warum wir deinen Antrag abgelehnt haben, Severus“, entgegnete der Mann bestimmt. „Harry sollte nicht in einem Umfeld aufwachsen, das ihm den Hass anderen Menschen gegenüber lehrt.“

„Nicht zu vergessen seine Chemikalien und Zaubertrankszutaten, die im ganzen Haus herumliegen“, fügte ein Ministeriumsarbeiter hinzu. „Der arme Junge könnte sie verschlucken.“
 

Sowohl Harry als auch Severus hoben bei diesen Worten eine Augenbraue. Er war zwar noch nicht erwachsen, aber auch kein Kleinkind mehr! Er war schon fünf! Selbstverständlich steckte er nicht mehr alles in den Mund!

„Und was deinen Antrag angeht, Molly“, fuhr Dumbledore fort, als die Frau Anstalten machte, etwas zu sagen, „du und Arthur habt mehr als genug Kinder und könnt selbst diese kaum über das Jahr bringen. Ein weiteres können wir euch nun wirklich nicht zumuten.“

„Aber Albus!“, rief die Frau, wurde jedoch mit einem einzigen Blick zum Schweigen gebracht.

„Und was euch andere angeht, wir haben letztendlich doch beschlossen, dass es das Beste wäre, wenn Harry bei seiner Familie aufwächst und die Dursleys sind nun einmal seine letzten lebenden Verwandten. Tatsächlich gibt es nur eine Familie, bei der wir einer Adoption zustimmen würden, aber diese ist heute nicht hier.“
 

„Irrtum“, sagte plötzlich eine Stimme und alle drehten sich um.

Narcissa Malfoy hatte soeben den Raum betreten, in Begleitung ihres Mannes. Ihre Erscheinung war so anmutig wie eh und je, ihr Gang aufrecht und graziös, während sie langsam auf Harry zuging und sich vor ihm hinkniete. „Keine Sorge, Schatz“, flüsterte sie. „Ich hole dich hier weg. Aber du musst mir dabei helfen, okay?“

Blinzelnd sah er sie an, bevor er seinen Blick über die anderen Anwesenden schweifen ließ, die sie allesamt ansahen. Besonders auffallend war Dumbledores verstimmter Blick, weshalb er sich wieder Narcissa zuwandte und nickte. Lieber wollte er zu ihr, als zu den Leuten, die der Schulleiter für ihn vorgesehen hatte.

Zufrieden stand sie auf und wandte sich den Erwachsenen zu. „Bitte entschuldigen Sie meine Verspätung, meine Herrschaften. Die Eule, dass die Verhandlung verschoben wurde, erreichte mich vor zehn Minuten. Ich hoffe, Sie verzeihen mir.“
 

„Aber natürlich, Mrs. Malfoy“, erwiderte ein Ministeriumsarbeiter lächelnd. „Machen Sie sich keine Gedanken.“

„Ich nehme an, dass Narcissa und Lucius diejenigen sind, die Harry adoptieren dürfen?“, fragte Severus.

„Dürfen?“, wiederholte Narcissa ruhig. „Ich würde vielmehr sagen, es ist unsere Pflicht!“

„Ist es nicht“, entgegnete Dumbledore sofort. „Der Junge sollte lieber bei seiner Familie aufwachsen und nicht...“

„Seiner Familie?“, rief sie und legte beschützerisch einen Arm um Harrys Schulter. „Lily hat ihre Schwester gehasst! Es wäre niemals in ihrem Interesse gewesen, dass ihr Sohn bei dieser Person aufwächst.“

„Und schon sind wir wieder bei den rassistischen Vorurteilen“, warf der Schulleiter ein und wandte sich den anderen Erwachsenen zu. „Wir können doch nicht wirklich zulassen, dass er so aufwächst, oder?“

„Ich weiß nicht, Albus“, sagte wieder der Ministeriumsarbeiter. „Lucius und Narcissa sind dafür bekannt, liebevolle Eltern zu sein, sieh dir nur Draco an! Außerdem sind sie sehr angesehene Mitglieder unserer Gesellschaft und werden Harry sicher auch bei seiner Ausbildung mit Leichtigkeit unterstützten können. Ich sehe kein Problem darin, dass sie ihn aufnehmen.“

„Aber...“

„Ich finde“, mischte sich Severus ein und warf dem Jungen einen Blick zu, „dass Harry selbst entscheiden sollte, zu wem er möchte.“
 

Sofort kehrte Stille ein und alle drehten sich erwartungsvoll zu dem jungen Potter um. Der sah noch ein letztes Mal zwischen allen Erwachsen hin und her, bevor sich ein flüchtiges Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete.

„Ich möchte gerne zu Narcissa“, sagte er leise.
 

Als er sah, wie sich Dumbledores Gesicht verfinsterte und die beiden Malfoys ihn anstrahlten, wusste er, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte.

Some True Friends

Liebste Felice,
 

ein neues Schuljahr ist vorbei und ich weiß nicht, ob ich nun lachen oder weinen soll. Einerseits ist es gut, endlich aus diesem Chaos zu entkommen, das seit der letzten Aufgabe entstanden ist, doch andererseits fürchte ich mich vor dem, was vor mir liegt. Sicher hat dir deine „Schwester“ von dem berichtet, was beim Trimagischen Turnier geschehen ist, immerhin war sie euer Champion. Es ist grauenhaft. Ich habe Neville nie zuvor so niedergeschlagen erlebt. Armer Cedric... Es war ein unnötiger Tod, doch da zeigt sich wieder einmal die Dummheit der Gryffindors und die Naivität der Hufflepuffs.
 

Draco und die anderen Slytherins sind alle schrecklich aus dem Häuschen. Der dunkle Lord ist zurückgekehrt. Zwar war mir klar, dass es früher oder später passieren würde, aber ich hatte auf später gehofft, wenn ich diesem Haus entkommen wäre, in das ich mich naiverweise begeben habe.

Angeblich wird er uns in den Ferien besuchen kommen. Abraxas scheint ein guter Freund von ihm zu sein und Lucius wirkt auf mich wie sein treuestes Schoßhündchen. Also werde auch ich ihm über den Weg laufen müssen.

Das Beste, was passieren könnte, ist, dass er über meine Herkunft spottet und mich danach in Ruhe lässt. Das Schlimmste, dass er an mir Interesse entwickeln sollte und mich für sich gewinnen will.

Dann bin ich verloren.
 

Ich muss nun leider diesen Brief beenden, Hermione schleicht irgendwo hinter mir herum und ich möchte nicht, dass sie mir wieder einen Vortrag hält. Überhaupt ist sie furchtbar aufgeregt und meint, ich solle zu Dumbledore gehen, damit ich nicht nach Hause muss. Von den Anderen will ich im Moment gar nicht reden. Ich frage mich wirklich, wann sie endlich verstehen werden, dass ich sehr wohl in der Lage bin, auf mich selbst aufzupassen.
 

Wie auch immer, ich wünsche dir schöne Ferien und sag Fleur, dass ich das Buch habe, das sie in Hogwarts hat liegen lassen.

Wir sehen uns in ein paar Wochen.
 

Alles Liebe,

Harry
 

Eilig rollte er das Pergament zusammen und packte seine Tinte weg, als sich auch schon Schritte hinter ihm näherten.

„Hier bist du also“, rief jemand und einen Moment später hatte sich Hermione Granger neben ihn gesetzt. „Weißt du, manchmal frage ich mich wirklich, warum ich überhaupt nach dir suche? Eigentlich müsste ich wissen, dass du hier sein würdest.“

Mit „hier“ meinte sie die Bibliothek, wobei er sich im Moment in der verbotenen Abteilung befand, da dort das Risiko, von jemanden gestört zu werden, geringer war. Doch sie hatte ihn wieder einmal gefunden.
 

„Was machst du hier?“, fuhr sie fort, als er ihr keine Antwort gab. „In einer Stunde geht es ab nach London! Wir haben gleich Ferien! Musst du deine Sachen nicht packen?“

„Das habe ich schon“, meinte Harry genervt und drehte sich zu ihr um. „Ich bin kein Kind mehr, Hermione.“

Augenblicklich errötete sie, hielt jedoch seinem Blick stand. „Wir machen uns Sorgen um dich. Neville hat dich auch schon überall gesucht. Du bist in letzter Zeit so seltsam. Ist etwas passiert?“ Sie ließ ihm keine Zeit zum antworten. „Du machst dir Sorgen, weil du zu den Malfoys zurück musst, nicht wahr? Harvey, wir können dir helfen! Geh zu Dumbledore! Er...“
 

„Seit wann nennst du mich wieder Harvey?“, fragte er misstrauisch, was sie sofort zum verstummen brachte. „Ich dachte, du willst, dass ich meine Familie verlasse. Warum nennst du mich also bei dem Namen, den sie mir gegeben haben?“ Entschlossen stand er auf und griff nach seiner Tasche, in der der Brief und einige andere Sachen verstaut waren. „Wir sehen uns in einer Stunde im Hogwarts Express.“

„Wo willst du hin?“, rief sie ihm hinterher, doch er achtete nicht weiter auf sie.
 

Es war sein letzter Tag als Fünftklässler. Als er damals mit elf Jahren die Schule das erste Mal betreten hatte, war er augenblicklich nach Ravenclaw gekommen und diese Entscheidung hatte sich wiederholt bestätigt.

Er war seit seinem ersten Schultag Klassenbester und seitdem redeten die Lehrer auch darüber, ihn eventuell ein Jahr überspringen zu lassen. Jedoch hatte er kein Interesse daran. So sehr ihn die Schule auch langweilte, so etwas würde unnötige Aufmerksamkeit erregen und das letzte, was er gebrauchen konnte, war, dass die falschen Leute von seiner Existenz erfuhren.

In all seinen Jahren in der Familie Malfoy hatte er gelernt, dass es manchmal besser war, im Hintergrund zu bleiben. Ansonsten würde er vielleicht irgendwann wie Lucius enden.

//Das wirst du niemals//, hörte er seinen Verstand sofort sagen. //Du bist nicht wie er.//

Was nicht war, konnte noch werden.

//Nur wenn du es zulässt.//

Vielleicht würde ihm keine andere Wahl bleiben. Zumindest nicht, wenn der dunkle Lord...
 

„Harry!“

Lächelnd schloss er die Augen und wartete darauf, dass sie ihn eingeholt hatte. Einen Moment später kam sie auch schon neben ihm zum Stillstand und er drehte sich zu ihr um. „Hi, Luna!“

Blinzelnd musterte sie ihn, bevor sie sein Lächeln erwiderte. „Lass uns in den Gemeinschaftsraum gehen und unsere Sachen holen. Neville bekommt sicher einen Tobsuchtsanfall, wenn wir nicht rechtzeitig in der Großen Halle ankommen. Dein Bruder hat ihn offenbar wieder einmal provoziert.“

„Was hat er denn diesmal gesagt?“, fragte er, während sie gemeinsam weiter liefen.

„Och, offenbar meinte er, dass er dich diese Ferien endlich zur Vernunft bringen wird. Was immer er damit auch meint.“

Der Junge biss sich auf die Unterlippe, beschloss jedoch, nichts zu sagen. Er wusste ganz genau, was sein Bruder damit meinte und er befürchtete, dass er Recht haben könnte.
 

Als würde sie seine Stimmung bemerken, blieb Luna stehen und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Mach dir keine Sorgen, Harry. Egal, was in diesen Ferien passieren wird, egal, ob du dich Du-weißt-schon-wem anschließt oder nicht, ich bin mir sicher, dass es die richtige Entscheidung sein wird.“

„Ich wünschte, Neville würde genauso denken“, murmelte er. „Zumindest, würde mich dann Hermione in Ruhe lassen.“

Luna schenkte ihm ein mitfühlendes Lächeln. „Neville kann zur Zeit nicht klar denken. Er hat Cedric sterben sehen. Vergiss nicht, wie nahe sie sich zum Schluss standen. Sie waren beste Freunde! Es ist verständlich, dass er nun Angst davor hat, dich ebenfalls zu verlieren. Er braucht dich, Harry.“ Langsam zog sie ihre Hand wieder zurück. „Er braucht dich wirklich, auch wenn er es niemals zugeben wird. Deshalb lass ihn bitte nicht im Stich, egal, wie du dich entscheiden wirst.“

Mit diesen Worten drehte sie sich um und hüpfte summend davon.
 

Seufzend sah er ihr hinterher.

Luna Lovegood war der einzige Mensch in dieser Schule, der ihn wirklich verstand. Natürlich war es kein Vergleich zu Felice, aber immerhin wusste sie, was sie ihm sagen musste, damit er sich hinterher besser fühlte. Oder schlechter.

Obwohl sie ein Jahr unter ihm war, war sie seine einzige Freundin in Ravenclaw. Mit den Anderen kam er zwar größten Teils aus, aber er war niemals mit ihnen warm geworden. Außerdem behandelten ihn viele mit einem gewissen Argwohn, da jeder wusste, dass er ein Malfoy war und denen traute niemand außerhalb von Slytherin.
 

Selbst der Schulleiter schien ihm gegenüber misstrauisch zu sein. Seit dem Augenblick, da er als Elfjähriger die Große Halle betreten hatte, hatte Albus Dumbledore ihn beobachtet. Bei den Mahlzeiten, auf den Gängen, auf den Ländereien, egal wo er ihn traf, immer hatte der alte Mann seine Augen auf ihn gerichtet, so als würde er auf irgendetwas warten. Besonders schlimm war es geworden, seitdem der dunkle Lord wieder da war. Was hatte das nur zu bedeuten?

Diese Observation beunruhigte ihn außerordentlich. Es war nicht normal. Draco wurde auch nicht so überwacht. Warum also er?

Er hatte Dumbledore noch nie getraut. Der Mann hatte schon immer etwas unheimliches an sich, weshalb er ihm am Liebsten aus dem Weg ging. Leider war ihm das allerdings nicht immer möglich.
 

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Eine dreiviertel Stunde später lief Harry hinter seinen Freunden durch den Hogwarts Express und wartete darauf, dass sie endlich ein freies Abteil gefunden hatten. Nach seinem Gespräch mit Luna hatte er noch schnell seinen Brief abgeschickt, damit er so schnell wie möglich bei seiner Empfängerin ankam.

Er freute sich schon darauf, Felice in ein paar Wochen wiederzusehen. Es war wirklich nicht einfach, wenn die beste Freundin in einem anderen Land lebte, denn dann bekam man sie nur selten zu Gesicht. Besonders, wenn die beiden Länder durch das Meer getrennt wurden.

Doch bevor er weiter über die junge Französin nachdenken konnte, hatten seine hiesigen Freunde ein Abteil nach ihrem Geschmack gefunden und beschlagnahmten es, bevor jemand anderes hierher kommen konnte.

Er und Neville bekamen einen Fensterplatz, während Hermione und Luna sich jeweils neben einen von ihnen setzten.
 

In Hogwarts nannte man sie oft „Das Quartett“, da man sie in ihrer Freizeit meist zu viert antraf. Die Lehrer freuten sich über ihre Freundschaft, da sie es als ein Vorbild für ganz Hogwarts sahen, dass sich die Leute außerhalb ihrer eigenen Häuser Freunde suchten. Wenn es nach ihnen ginge, würden sich wahrscheinlich noch ein Slytherin und ein Hufflepuff ihrer kleinen Gruppe anschließen. Doch so waren sie zwei Gryffindors und zwei Ravenclaws und das war fürs Erste genug.
 

Im Grunde waren es eigentlich Neville und Harry, die sie zusammen hielten. Hermione stand voll und ganz hinter dem Auserwählten, wie er von allen genannt wurde, und Luna hinter Harry.
 

Draco hatte es ihm nie verziehen, dass er sich mit dem Gryffindor angefreundet hatte. Für ihn war er ein Feind und auch ihre Eltern waren alles andere als begeistert gewesen. Allerdings hatten sie sich nach fünf Jahren damit abgefunden, wobei er bereits damit rechnete, auch diesen Sommer wieder mehrere Predigten zu hören. Natürlich wusste er, dass diese Freundschaft gefährlich für ihn werden würde, spätestens dann, wenn der dunkle Lord davon erfuhr und er würde davon erfahren, da machte er sich keine Illusionen. Er hoffte nur, dass es nicht sofort sein würde.
 

„Ist alles in Ordnung?“, fragte Neville plötzlich.

Lächelnd sah er seinen Freund an. Im Grunde hatten sie nichts gemeinsam, außer vielleicht ihre schwarze Haarfarbe und die Tatsache, dass sie keine leiblichen Eltern mehr hatten, wobei sein Freund das nicht wusste.
 

Neville war ein Held. Mutig, stark, von den meisten geliebt und von den Lehrern geschätzt. Er galt als hilfsbereit und gutmütig, half jedem, der Hilfe brauchte und setzte sich für die ein, die er liebte. Seine Schulnoten waren im mittleren Bereich, doch das war nicht schlimm, immerhin bekam er privaten Unterricht bei Albus Dumbledore, dem mächtigsten Mann im Lande, der sie alle vor den drohenden Schatten beschützen würde, der sich über Großbritannien ausbreitete. Mit seiner Hilfe würde er schon in der Lage sein, sein Schicksal zu erfüllen und den dunklen Lord ein für alle Mal zu besiegen.

Harry konnte darüber nur schnaufen. So sehr er seinen Freund auch mochte und schätzte, es war für ihn ein Rätsel, wie er überhaupt seine bisherigen Zusammentreffen mit Voldemort überleben konnte.
 

Er selbst war ein Wunderkind, zumindest, wenn man den Lehrern Glauben schenken durfte. Er konnte Dinge verstehen, mit denen selbst sie oft Schwierigkeiten hatten und seine Duellfähigkeiten konnten sich Gerüchten zu Folge mit denen Dumbledores messen. Wobei er das für Unsinn hielt, aber sollten sie ruhig tratschen.

Er gehörte nicht zu den Außenseitern der Schule, war aber auch kein Anführer. Er hielt sich meist irgendwo im Mittelfeld auf und wäre er nicht mit Neville Longbottom befreundet, würden ihn wahrscheinlich nur seine Klassenkameraden und die Lehrer kennen. Viele waren der Meinung, dass er sich gut an der Seite des Helden machte, allerdings konnten sie ihm seine gelegentlichen Gespräche mit dem ein oder anderen Slytherin nicht verzeihen, weshalb auch Hermione oft tagelang nicht ihm redete.
 

„Mir geht es gut“, meinte Harry munter. „Bin nur müde.“

„Das ist kein Wunder“, entgegnete Hermione spitz. „Sicher hast du wieder seit Sonnenaufgang in der Bibliothek gesessen.“

Es fiel ihm schwer, sein Grinsen zu unterdrücken, als er ihren vorwurfsvollen Unterton bemerkte.
 

Hermione Granger war die Einzige in ihrem Jahrgang, die sich im Unterricht ansatzweise mit ihm messen konnte und sie versuchte jedes Mal verzweifelt, ihn irgendwie zu übertrumpfen. Doch obwohl sie etwa dreimal so viel Zeit mit Lernen und Hausaufgaben verbrachte wie er, war sie dazu niemals in der Lage, was sie jedes Mal bis aufs Äußerste reizte. Einerseits konnte er sie verstehen. Es musste wirklich furchtbar frustrierend sein! Dennoch änderte es nichts daran, dass es ihn außerordentlich amüsierte.
 

„Du schreibst, nicht wahr?“, fragte Neville, ohne weiter auf Hermione einzugehen. „Wenn du irgendein Problem hast oder Hilfe brauchst... wir holen dich da raus, wenn es sein muss. Dumbledore...“

„Ich will Dumbledores Hilfe nicht“, erinnerte er ihn. „Und das weißt du.“

Sein Freund sah für einen Moment so aus, als wolle er widersprechen, entschloss sich jedoch schließlich dazu, zu schweigen.
 

Kennen gelernt hatten sie sich bei einem gemeinsamen Nachsitzen bei Severus Snape und seitdem war Harry den Anderen nicht mehr losgeworden. Im Grunde war er auch froh, ihn zu haben, aber seitdem er Unterricht bei Dumbledore nahm, konnte er nicht bestreiten, ihm ein gewisses Maß an Misstrauen entgegen zu bringen.

Vielleicht war es paranoid, aber er konnte sich gut vorstellen, dass der Schulleiter Neville dazu nutzen würde, ihn auszuspionieren – was auch immer ihm das bringen sollte.

Wunderkind hin oder her, er wurde aus dem alten Mann nicht schlau.
 

„Macht euch keine Sorgen, es wird schon nichts geschehen und zur Not gehe ich einfach früher zu Felice als geplant. Ihre Familie wird nichts dagegen haben, wahrscheinlich würden sie mich die ganzen Ferien aufnehmen, wenn ich sie darum bitten würde.“

„Wollte Felice nicht eigentlich dieses Jahr zu dir kommen?“, fragte Luna, während Hermione nur die Nase rümpfte und auch Nevilles Augen einen verletzten Ausdruck an nahmen. Harry wusste, dass es ihm weh tat, dass er Felice ihm vorzog. Doch das war immer so gewesen und würde sich nie ändern.

„In Anbetracht der Umstände könnten wir sicher auch zu ihr. Das ist kein Problem.“
 

Felice Poulain war das französische Wunderkind und Mündel des dortigen Zaubereiministers Henri Delacour. Sie hatten sich in seinem zweiten Schuljahr bei einem internationalen Zaubertrankwettbewerb kennen gelernt und augenblicklich gut verstanden. Seitdem waren sie im regelmäßigen Briefkontakt und trafen sich so oft es ging.

Felice war die Einzige, die ihn verstand, ohne Fragen stellen zu müssen. Sie wusste Dinge über ihn, die niemand sonst wusste und im Gegenzug kannte er sie besser, als jeder andere. Das alles reichte soweit, dass ihre „Eltern“ bereits darüber beratschlagten, sie zu verloben und eigentlich hätte er nicht einmal etwas dagegen. Wenn er unbedingt jemanden heiraten musste, dann sie.
 

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Die restliche Fahrt verlief friedlich und ohne weitere Zwischenfälle. Erst als sie kurz vor London waren, wurden sie in ihrer Einsamkeit gestört.

Luna war die Erste, die es bemerkte. „Dein Bruder“, sagte sie nur und alle blickten auf. Tatsächlich stand Draco Malfoy mit verschränkten Armen vor ihrem Abteil und durchbohrte ihn geradezu mit seinem Blick. Seufzend erhob er sich und trat zu ihm auf den Gang.

„Was ist?“, fragte Harry, sobald er die Tür hinter sich geschlossen hatte, wobei er wusste, dass seine Freunde sie beobachteten.

„Nimm deine Sachen und komm in unser Abteil“, sagte Draco. „Wir haben in London keine Zeit für theatralische Abschiedsworte, Harvey.“ Bei diesen Worten warf er einen vernichtenden Blick in Nevilles Richtung.
 

„Warum nicht?“, fragte er misstrauisch.

„Großvater und... sein Freund kommen heute Abend vorbei“, erklärte der Malfoyerbe ruhig. „Genau genommen müssten sie bereits da sein. Deshalb müssen wir so schnell wie möglich nach Hause. Also beeil dich!“ Genervt drehte er sich um und stolzierte davon.

Harry sah ihm für einen Moment erstarrt hinterher, während die Informationen in seinem Gehirn einrasteten.

Der dunkle Lord würde kommen.

Heute.

Viel zu früh.

Neville, Luna und Hermione durften es nicht erfahren. Sie würden ihn nicht gehen lassen. Nie im Leben.

Aber warum jetzt schon? Warum nicht später?

Nun, er konnte es nicht ändern. Also tief durch atmen und tun, was getan werden musste.
 

Kopfschüttelnd ging er ins Abteil zurück und verdrehte demonstrativ die Augen. „Draco will, dass ich jetzt schon zu ihm komme. Er hat Angst, dass ich ihm auf dem Bahnsteig verloren gehe.“ Er ließ seine Stimme so genervt wie möglich klingen, damit sie nicht merkten, was wirklich in ihm vorging.

Offensichtlich ging sein Plan auf, denn sie begannen alle, seinen Bruder zu verfluchen und wünschten ihm noch einmal viel Glück, bevor er sich mit seinen Sachen auf den Weg zu Dracos Abteil machte.

Dies war ein weiterer Grund dafür, warum Felice die war, der er absolut vertraute. Sie hätte ihm dieses Schauspiel niemals abgekauft.

Er wollte nicht zurück. Er wollte nicht zu dem dunklen Lord.

Aber er musste es tun und das alles nur, weil er sich als Fünfjähriger dazu entschieden hatte, Mitglied einer Todesserfamilie zu werden.
 

Er hatte es nie bereut, als Narcissas und Lucius' Sohn aufzuwachsen. Die Beiden waren großartige Eltern, die ihm immer dieselbe Liebe entgegengebracht hatten, wie ihrem leiblichen Sohn.

Er hatte auch nichts gegen ihre Gesinnung. Schwarze Magie hatte ihn seit jeher fasziniert und man musste keine Muggel töten, um Todesser zu werden. Manchmal leuchtete ihm ihre Auffassung sogar mehr ein, als die der Weißmagier.

Eigentlich wusste er selbst nicht, wo sein plötzlicher Widerwille herkam, nach Hause zurückzukehren.

//Vielleicht bist du einfach zu lange unter Dumbledores Einfluss gewesen//, meinte sein Verstand und er musste ihm Recht geben.

Das wäre eine logische Erklärung. Wenn es so war... wenn er mit dieser Theorie Recht hatte, war es das Beste, wenn er wieder zurückging. Vielleicht würde er dann wieder klar denken können.

Aber heute Abend würde er dem dunklen Lord begegnen. Ein Meister der Manipulation, wenn er Narcissa Glauben schenken durfte. Da konnte er die Hoffnung auf ein wenig Klarheit sofort wieder verwerfen.
 

Immer noch in Gedanken versunken kam er vor Dracos Abteil an, der es sich mit Blaise Zabini, Pansy Parkinson und seinen beiden Schatten Crabbe und Goyle teilte. Der einzig Vernünftige unter ihnen war Blaise und Pansy konnte auch erträglich sein, wenn sie wollte, doch die anderen Beiden waren nichts weiter als hirnverbrannte Idioten, die aus dem fahrenden Zug springen würden, wenn Draco es auch nur andeutete.

//Kein Wunder, dass er sich gut mit ihnen versteht. Wenn es nach ihm ginge, würde ihm die Welt zu Füßen liegen.//
 

„Harvey!“, rief Pansy erfreut, als er hereinkam. „Du musst mir dabei helfen, Draco davon zu überzeugen, mit nach Avalon zu kommen!“

„Der Club oder die Insel?“

„Die Insel natürlich!“, empörte sie sich und verschränkte beleidigt die Arme. „Der Club ist nur für... na ja, ihr wisst schon...“ Ungläubig beobachteten die Jungen, wie sie errötete und peinlich berührt den Blick senkte. Schließlich sah sie jedoch wieder auf und fuhr fort: „Dort findet nächste Woche die Party des Jahres statt! Wir müssen dahin!“

„Dann viel Spaß“, meinte Harry schulterzuckend und setzte sich neben Blaise, da dort der letzte, freie Platz war. „Und trinkt nicht zu viel.“ Er wandte sich seinen Bruder zu. „Also, wie ist der Plan?“
 

„Dobby holt uns mit einem Portschlüssel ab“, erklärte er sofort. „Der bringt uns direkt zu unseren Zimmern, wo wir uns schnell zurechtmachen sollen, um danach gemeinsam in die Lobby zu gehen, wo sie auf uns warten werden. Ich werde zuerst hineingehen und du folgst. Und vergiss nicht, höflich zu bleiben und nur zu reden, wenn du dazu aufgefordert wirst.“

//Das solltest lieber du tun//, dachte er, nickte jedoch nur.

„Ihr habt es so gut“, hauchte Pansy. „Weil euer Großvater und euer Vater ihm immer gut gedient haben, wird er euch sicher sofort in seinen inneren Kreis aufnehmen. Ihr könnt ihn sogar vor uns allen kennen lernen!“

Die beiden Malfoys schwiegen.
 

Niemand in Hogwarts, außer den Lehrern und ihnen selbst, wusste, dass Harry keineswegs ein gebürtiger Malfoy war. Sie alle, sogar Neville, Luna und Hermione, kannten ihn nur als Harvey Malfoy oder Harry, was sie für einen Versuch hielten, aus seiner Familie auszubrechen. Es war zu seinem eigenen Schutz geschehen, sagten sie. Aber der dunkle Lord würde sich nicht täuschen lassen. Nie im Leben.

Er würde die Wahrheit erkennen und wenn Lucius dies nicht merkte und ihn an log, würden sie alle bestraft werden.
 

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Schweigend sah Harry sich in seinem Spiegel an. Kam es nur ihm so vor oder war er seltsam blass? Oder lag es an dem Licht der Kerzen? Müsste er darin nicht eigentlich röter aussehen?

Er hatte schwarzes Haar, das beinahe immer so wirkte, als wäre er gerade von einem Besen gestiegen, und seine Augen leuchteten von einem wunderschönen Grün, zumindest laut Narcissa. Heute trug er einen seiner teuersten Umhänge, schwarz und maßgeschneidert. Selbst Draco beneidete ihn immer um seinen Anblick, wenn er diesen trug, wobei er das nicht verstehen konnte. Warum waren eigentlich immer alle an dem Aussehen interessiert?

//Weil es den Menschen leichter fällt, den Schein zu lieben, als die Wahrheit.//

Ja, die Antwort machte Sinn.
 

Seufzend stützte er sich auf dem Waschbecken ab, über dem der Spiegel hing, bevor er sich entschlossen aufrichtete und sein Badezimmer verließ. Kurz darauf fand er sich vor seiner Zimmertür wieder, wo er stehen blieb, um auf seinen Bruder zu warten. Dieser kam auch kurz darauf aus seinem Zimmer hervor und sie machten sich gemeinsam auf dem Weg in die Lounge.
 

Malfoy Manor lag in einer malerischen Gegend, abseits von jeglichen anderen Städten oder Dörfern. Um das Grundstück herum befanden sich nur Wiesen und Wälder und ab und an ein Fluss, weshalb viele ihrer Familienfreunde öfter für ein paar Tage vorbei kamen, um den Frieden zu genießen, den man hier finden konnte, wenn man wollte. Die Familie selbst lebte hier auch nur in den Sommermonaten oder an Feiertagen, das restliche Jahr über residierten sie in ihrem Stadthaus in London, von wo aus man einen besseren Zugang zum Ministerium und dem gesellschaftlichen Leben Englands hatte.

Kein Wunder also, dass der dunkle Lord hierher kam. Niemand würde es bemerken.
 

Die Lounge lag im Erdgeschoss und besaß große Fenster, die den Blick auf den Garten frei gaben. Im Hochsommer waren sie immer geöffnet und ließen das eine oder andere Lüftchen herein. Sie war in den typischen Slytherinfarben gehalten und besaß ein paar der gemütlichsten Sofas, die man sich vorstellen konnte.
 

Die Erwachsenen hatten es sich auf ihnen gemütlich gemacht und plauderten in einer entspannten Atmosphäre miteinander. Die beiden Jungen blieben kurz im Türrahmen stehen und ließen neugierig ihre Blicke über den Fremden gleiten, der mit dem Profil zu ihnen saß und lächelnd an einem Glas Wein nippte, während Abraxas eine seiner alten Geschichten erzählte. Harry runzelte unwillkürlich die Stirn. Das sollte der dunkle Lord sein? Irgendwie sah er dafür zu harmlos aus und zu jung.
 

Plötzlich stieß jemand einen Freudenschrei aus und im nächsten Moment wurde Draco, der einen Schritt vor ihm stand, in eine feste Umarmung gezogen. „Mein Sohn, du bist wieder da!“, hörte er Narcissa flüstern, während sein Bruder peinlich berührt versuchte, ihren Armen zu entkommen.

„Ich freu mich ja auch dich zu sehen, Mutter, aber....“

//Da ist ein dunkler Lord vor dem du mich gerade lächerlich machst//, beendete Harry gedanklich seinen Satz und unterdrückte ein Grinsen. Er wollte gerade einen Blick auf die Männer werfen, die sicher immer noch da saßen und sie beobachteten, als Narcissa sich vor ihn stellte und ihn prüfend musterte. Offenbar schien ihr zu gefallen, was sie sah, denn sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln und legte eine Hand auf seine Wange.
 

„Harvey. Es ist wundervoll, dich wiederzusehen.“

Sofort erwiderte er ihr Lächeln und zog sie in die Umarmung, die sie nicht wagte, ihm zu geben. „Ich freue mich auch, Mutter“, flüsterte er ihr ins Ohr, bevor er sich von ihr löste und Abstand zwischen sie brachte.

Er hatte es lieber, wenn um ihn herum ein gewisser Radius frei war. Deshalb wusste er, wie viel Narcissa seine Handlung bedeuten musste und das Strahlen in ihren Augen bestätigte diese Vermutung nur noch.
 

Doch nun stellte sich Lucius neben sie, der offenbar bereits Draco begrüßt hatte, da dieser nun mit seinen Großvater sprach und ihr kurzer, gemeinsamer Augenblick wurde unterbrochen.

„Harvey“, sagte der Mann und lächelte leicht. „Willkommen daheim.“

„Vielen Dank, Lucius.“

Er liebte diesen Mann wirklich über alles und sah ihn sogar als den perfekten Vaterersatz an, trotzdem war da immer eine gewisse Distanz zwischen ihnen, die es ihm unmöglich machte, ihn als solchen zu bezeichnen. Mit Narcissa war das einfacher. Aber das war nun einmal nicht zu ändern.
 

Nickend legte der Mann ihm eine Hand auf die Schulter und führte ihn neben Draco.

„Darf ich vorstellen, Mylord? Mein Sohn Draco und mein Adoptivsohn Harvey.“

Sein Bruder senkte augenblicklich demütig den Kopf, doch Harry konnte nicht anders, als zu beobachten, wie der dunkle Lord neugierig seinen Blick über den Malfoy schweifen ließ, bevor er sich ihm zuwandte. Interessiert wanderte er über seinen Körper, bevor er in seinem Gesicht hängen blieb und in seine grünen Augen blickte.

Unwillkürlich erstarrte Harry, als er die roten Augen des dunklen Lords sah.

Er kannte sie. Er hatte sie schon einmal gesehen.

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Hallo, ihr Lieben!

Heute melde ich mich mal vom Ende. ^o^

Ich möchte mich wieder gaaaanz herzlich bei allen Lesern bedanken, sowohl von diesem, als auch vom letzten Kapitel. Und ganz besonders bei den Kommischreibern, ihr seid klasse!!!! Da ist Frau doch gleich motiviert, weiter zu schreiben. XD

Meine Anmerkungen zu diesem Kapitel:

Felice Polain... ich weiß, sie ist ein eigener Charakter, aber keine Sorge, sie wird nicht oft selbst auftreten, aber Harry wird ihr ein paar Briefe schreiben, in denen wir seine Gedanken über die aktuellen Geschehnisse noch einmal zusammengefasst bekommen. ^^

Außerdem kann ich nur wiederholen, dass ich immer noch nach Pairings suche... also, wenn euch eines einfällt... noch bin ich für Vorschläge offen.

Ich wünsche euch eine schöne Woche!

Bis bald,

eure Ayako

Red Eyes

Hallo, alle zusammen!

Für alle, die nicht im WM-Fieber sind (oder zwischen zwei Spielen mal eine Pause brauchen) gibt es heute wieder ein Kapitel dieser Fanfiction hier! Kommt es eigentlich nur mir so vor oder ist sie dieses Jahr ziemlich seltsam? Na ja, wie dem auch sei, wir sind hier nicht, um über Fußball zu reden, sondern über Harry Potter.

Vielen Dank an die lieben Kommischreiber und Leser des letzten Kapitels!!! Ihr seid toll. <3

Ich möchte euch auch nicht lange vom Lesen abhalten, deshalb merke ich noch an, dass ich immer noch nach Pairings suche..... wobei langsam das eine oder andere vor meinem inneren Auge zu erscheinen beginnt. Also noch könnt ihr mich umstimmen. ^.~

Wann das nächste Kapitel kommt, weiß ich noch nicht, allerdings werde ich mich bemühen, wieder so schnell zu sein. Allerdings solltet ihr euch nicht daran gewöhnen (meine Leser von Sommerregen können davon sicher ein Lied singen.... ^^“).

Ich wünsche euch allen eine schöne Woche!

Bis bald,

eure Ayako

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Red Eyes
 

Liebe Felice,
 

da wir beschlossen haben, in jeden Brief etwas persönliches hinein zu schreiben, um uns besser kennen zu lernen, möchte ich dir heute von den roten Augen erzählen.

Ich weiß nicht, woher ich sie kenne oder wem sie gehören. Ich weiß nur, dass sie immer da waren und wahrscheinlich auch immer da sein werden.

Jede Nacht, wenn ich schlafe, sind sie da und beobachten mich. Wenn ich sie sehe, ist es, als wenn die Welt doch nicht so finster wäre, wie es immer aussieht. So, als gäbe es doch irgendwo einen Sinn.

Wenn ich an sie denke, habe ich das Gefühl, alles schaffen zu können und dass mir nichts passieren kann.

Hört sich das verrückt an? Ich denke schon.

Vielleicht bin ich ja verrückt. Vielleicht ist irgendetwas in mir kaputt gegangen, nachdem meine Eltern gestorben sind. Andererseits waren die Augen schon da, als sie noch lebten. Ich kann mich an keine Zeit erinnern, in der sie nicht da waren.... Wem sie wohl gehören?

Ich kenne niemanden mit roten Augen.

Einmal habe ich mit meiner Mutter darüber gesprochen, meiner richtigen Mutter. Lily. Nicht Narcissa. Sie kannte jemanden mit roten Augen. Ich habe es an ihrer Reaktion gesehen. Sie war vollkommen außer sich und hat mich angeschrien, mit niemanden darüber zu sprechen. Das heißt, diese Person kann niemand allzu Gutes sein, oder?
 

Ich freue mich schon auf deinen nächsten Brief.

Bis bald,

Harry
 

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//Ich kannte niemanden mit roten Augen.//

Aber nun hatte er die Person gefunden. Es waren genau dieselben Augen, er hätte sie unter tausenden erkannt. Sie strahlten in einem dunklen Rot, das beinahe Blut glich. Hinter ihnen konnte man einen starken Willen und eine außergewöhnliche Persönlichkeit erkennen, die sich nicht so schnell von irgendetwas unterkriegen lassen würde. Im Moment musterten sie ihn wachsam und mit einer gewissen Überraschung, er war es sicher nicht gewohnt, dass jemand seinen Blick erwiderte. Plötzlich glaubte Harry jedoch, so etwas wie Erkennen in ihnen aufblitzen zu sehen und im nächsten Moment verzogen sich die Lippen des dunklen Lords zu einem kaum wahrnehmbaren Lächeln.
 

Aus den Augenwinkeln konnte er erkennen, wie auch die restlichen Malfoys ihre Köpfe senkten – sogar Abraxas, den er noch nie demütig erlebt hatte – als er sich erhob und sich ihm langsam näherte.

Vielleicht wäre es besser, es ihnen nach zu tun. Es war sicher keine gute Idee, einem dunklen Lord nicht den nötigen Respekt entgegenzubringen. Andererseits hatte er nicht vor, sich diesem Mann einfach unterzuordnen, wobei er zugeben musste, dass er anders war, als er es sich vorgestellt hatte.
 

Voldemort war jung oder sah zumindest so aus. Er konnte nicht älter als Lucius sein, aber Harry wusste, dass das unmöglich war. Sein Gesicht hatte markante, aristokratische Züge, die ihm eine gewisse Eleganz verliehen. Dennoch wurde die Aufmerksamkeit immer sofort auf seine Augen gezogen, wobei er sich sicher war, dass es nur die wenigstens überlebt hatten, dort hineinzuschauen. Seine Haut war blass und wirkte beinahe kränklich, doch dies erschuf nur einen natürlichen Kontrast zu seinen schwarzen Haaren, die zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden waren.

Er war etwa einen Kopf größer als Harry und kleiner als Lucius, was eine gewisse Ironie hatte, doch er war klug genug, diesen Gedanken für sich zu behalten.

Sein Körper wirkte schwach, so als hätte er eine lange Krankheit hinter sich, dennoch lief er hoch erhobenen Hauptes und so elegant, dass er damit beinahe sogar Narcissa Konkurrenz machte.

Doch am beeindruckensten war seine Ausstrahlung. Dieser Mann sprach von Macht und Stärke. Der perfekte Politiker und Anführer. Harry war überzeugt, dass er, sobald er wieder in Höchstform war – und das war er im Moment sicher nicht, sonst würde er nicht so kränklich aussehen – jeden Menschen von seiner Sache überzeugen konnte und klinge sie noch so verrückt.
 

Einen Schritt vor ihm kam der dunkle Lord zum Stillstand. Bestimmt griff er mit seiner Hand nach Harrys Kinn und drehte damit seinen Kopf, um ihn ausgiebig mustern zu können. Obwohl sie kalt war, begann augenblicklich die Stelle zu brennen, an der er ihn berührte und es kostete Harry alle Willenskraft, sich nicht von ihm loszureißen.

„Ein Adoptivsohn“, flüsterte Voldemort. Er hatte eine tiefe, angenehme Stimme, die unwillkürlich kalte Schauer über seinen Rücken jagte. „Ich hatte gar nicht gewusst, dass du über eine solche soziale Kompetenz verfügst, Lucius. Wer sind deine richtigen Eltern, Harvey?“, fragte er Harry sanft.
 

Sofort spürte Harry, wie sich seine ganze Familie anspannte. Offensichtlich hatten sie gehofft, dass diese Frage niemals aufkommen würde oder zumindest nicht so schnell. Am Liebsten hätte er nun die Nase gerümpft. Ihnen hätte klar sein müssen, dass so etwas passieren würde. Immerhin redeten sie hier mit einen intelligenten, überaus mächtigen, schwarzen Magier und nicht mit irgendeinen normalen Bürger.

Dennoch konnte er es nicht verhindern, dass sich sein Kopf Hilfe suchend zu Lucius umdrehen wollte, aber der Griff des dunklen Lords verfestigte sich sofort und warnte ihn davor, auch nur daran zu denken, nun den Blick abzuwenden.

Es dauerte nur einen kurzen Moment, bevor er wusste, was das sollte.
 

//Er ist ein Legilimentiker!//, dachte er entsetzt und bewundernd zugleich. //Er liest meine Gedanken!//

Somit war eine Lüge keine Option mehr, obwohl es Lucius wahrscheinlich lieber gewesen wäre.

„Lily und James Potter, Mylord“, antwortete er deshalb ruhig. „Sie starben, als ich fünf war.“

„Tatsächlich? Wie?“

Harry schluckte und wünschte verzweifelt, sich von diesen roten Augen lösen zu können. Er wollte nicht daran denken. Es war einfach zu unrealistisch, zu schmerzvoll. Obwohl es lächerlich klang, hatte er immer noch das Gefühl, dass sie ihn im Stich gelassen hatten.

//Und das haben sie auch. Aber immerhin habe ich den besten Ersatz bekommen, den man sich wünschen kann.//
 

Der dunkle Lord hob eine Augenbraue und Harry verfluchte sich sofort selbst. Er sollte aufpassen, woran er dachte, sonst würde dieser Mann noch alles über ihn erfahren. Warum noch mal hatte er sich geweigert mit N... Okklumentikstunden zu nehmen? Ach ja, Dumbledore. Der Mann wurde ihm von Tag zu Tag unsympathischer.

„Sirius Black hat sie getötet“, flüsterte er schließlich und senkte den Blick, so dass er nicht mehr in diese Augen blicken musste. Diesmal wurde er nicht abgehalten.

„Wer hätte das gedacht“, meinte der Mann munter und zog seine Hand zurück. Harry atmete erleichtert aus, konnte jedoch nicht leugnen, dass sein Kinn sich plötzlich seltsam kalt anfühlte. „Ein Potter im Hause Malfoy. Wessen Idee war das? Narcissas?“

„So ist es, Mylord“, entgegnete diese lächelnd und legte Harry von hinten die Hände auf die Schultern, wie um ihm mental Kraft zu geben. „Wie Ihr wisst, waren ich und Lily in Hogwarts Freundinnen. Ich konnte nicht zulassen, dass ihr einziger Sohn bei der ihr verhassten Schwester aufwächst.“

„Und Dumbledore hat das einfach so zugelassen?“, wollte Voldemort interessiert wissen.

„Er musste es“, erwiderte Narcissa nur. Der Griff auf seiner Schulter verstärkte sich. „Stellt sein Hiersein irgendein Problem dar?“
 

Kam es ihm nur so vor oder wurde der Raum gerade um einiges kälter? Natürlich hatte sie soeben die Frage gestellt, die sie alle beschäftigte und es würde Harry nicht wundern, wenn er sie mit „ja“ beantworten würde.

Warum sollte der dunkle Lord einen Potter im Hause seiner Anhänger dulden? Seine Familie war weißmagisch, durch und durch. Die Wahrscheinlichkeit, dass er hinter Dumbledore stand, war einfach zu groß.

//Aber er hat deine Gedanken gelesen//, sagte sein Verstand. //Er weiß, dass du ihn nicht magst, vielleicht sogar, dass du ihn fürchtest.//

„Ein Problem?“, wiederholte Voldemort amüsiert und fing wieder Harrys Augen mit den seinen ein. „Im Gegenteil, liebste Narcissa. Warum sollte ich dir einen Sohn entreißen, den du ohnehin nicht mehr hergeben wirst?“
 

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//Warum sollte er es nicht tun?//, dachte Harry am nächsten Morgen, während er sich auf den Weg in die Bibliothek machte. Es war etwa neun Uhr morgens und die anderen Bewohner des Manors hatten sich bereits zum größten Teil verabschiedet. Lucius und Abraxas waren ins Ministerium gegangen, um zu arbeiten und Draco war Blaise besuchen.

So durfte nur noch Narcissa irgendwo im Haus oder im Garten sein, sowie der dunkle Lord. Wobei er diesen nicht treffen wollte.

Er war verwirrt. Mehr als das.

Was ging nur im Kopf dieses Mannes vor?

Warum ließ er ihm am Leben?

Und weshalb fühlte er sich von ihm so angezogen?
 

Harry war nicht umsonst ein Genie, er wusste natürlich, dass die Reaktionen seines Körpers keinen Falls normal waren und sicher nicht von der Ausstrahlung des Anderen herrührten, denn dann hätte er Angst oder Furcht empfunden. Es musste also etwas anderes sein. Vielleicht... sexuelle Anziehung?

Nicht unmöglich, aber dennoch unvorstellbar.

//Und selbst wenn, es wird sich ohnehin nie etwas daraus entwickeln.//
 

Am Abend zuvor hatten sie noch gemeinsam zu Abend gegessen, bevor Harry und Draco in ihre Zimmer zurückgekehrt waren, während sich die Erwachsenen noch etwas unterhielten. Ihm war es ganz recht gewesen.

Mit einem Legilimentiker in einem Raum zu sein war.... anstrengend. Man musste andauernd aufpassen, was man dachte. Ob Lucius wusste, dass der dunkle Lord diese Fähigkeit hatte? Sicher, oder?

Andererseits redete er hier von Lucius.... da konnte er sich nicht sicher sein.
 

Seufzend öffnete er die Tür zur Bibliothek.

Es war ein großer, lichtdurchfluteter Raum, an dessen Wände sich die Bücherregale reihten und bis an die Decke reichten. In der Mitte standen mehrere gemütliche Lesesessel, in denen er oft stundenlang saß und erst wieder aufstand, wenn Narcissa ihn fand und zum Abendessen holte. Zufrieden schloss er die Augen und atmete den angenehmen Geruch der Bücher ein. Dies war mit Abstand sein Lieblingszimmer und nichts würde jemals etwas daran ändern.

Auf einmal hörte er rechts neben sich ein leises Lachen. Eilig schnellten seinen Augen wieder auf und er wirbelte herum. Keine fünf Schritte von ihm entfernt stand der dunkle Lord und musterte ihn offenkundig amüsiert.

Am Liebsten hätte Harry ihm jetzt ein unhöfliches „Was?“ entgegen geschleudert, allerdings war er sich nicht sicher, ob er das überleben würde. Deshalb beschränkte er sich darauf, seine Augenbrauen zu heben und ihn fragend anzusehen.
 

„Wie es aussieht, hat Narcissa vergessen, dir Manieren beizubringen“, meinte Voldemort immer noch amüsiert. „Oder ignorierst du einfach ihre Anweisung, niemanden in die Augen zu schauen, der stärker ist, als man selbst?“

Sofort senkte er der den Blick. Zwar ging es ihm nicht um Respekt, aber dieser Mann war immer noch ein Legilimentiker.

„Verzeiht bitte, Mylord“, sagte er unterwürfig. „Ich hatte nicht damit gerechnet, Euch hier anzutreffen und war für einen Moment zu überrascht, um an die Lektionen meiner Mutter zu denken.“ Er zögerte kurz, bevor er hinzufügte: „Ich will Euch nicht stören, deshalb gehe ich nun lieber.“

In Wahrheit wollte er nur weg. Er mochte es nicht, mit jemanden allein zu sein, den er nicht durchschauen konnte. Dann hatte er stets das Gefühl, dem anderen ausgeliefert zu sein, denn normalerweise konnte er nur aus jenen nicht schlau werden, die ausgezeichnete Legilimentiker waren und derer kannte er nun drei: Lord Voldemort, Albus Dumbledore und Severus Snape.
 

Aus diesem Grund wollte er sich bereits umdrehen, als der dunkle Lord wieder sprach: „Du störst nicht, Harvey. Im Gegenteil, deine Ankunft kommt mir sehr gelegen.“

Unwillkürlich erstarrte er. Was meinte der Mann damit? Wollte er ihn am Ende etwa doch umbringen? Hier und jetzt? Wo keine Narcissa kommen und Einspruch erheben würde?

„Tatsächlich?“

„Oh ja, ich muss zugeben, dass ich mich gerne mit dir unterhalten würde.“

Verblüfft ließ er seinen Blick wieder in das Gesicht des dunklen Lords schnellen, der ihn mit einem Ausdruck musterte, als wäre er ein interessantes Objekt, das es zu untersuchen galt. Was zum...?

„Mach dir keine Sorgen, ich habe nicht vor, dir in irgendeiner Weise zu schaden. Wie ich bereits sagte, es gibt für mich keinen Grund, Narcissa einen Sohn zu nehmen.“ Kam es ihm nur so vor oder war er amüsiert?
 

„Warum setzten wir uns nicht?“, fragte er freundlich, als Harry ihn nach gefühlten fünf Minuten immer noch sprachlos anstarrte.

Was war hier eigentlich los? Warum war der dunkle Lord freundlich zu ihm? Warum wollte er sich mit ihm unterhalten? Warum war er noch nicht tot? Es konnte doch wohl kaum an Narcissa liegen, oder?

Was versprach er sich davon, sich mit ihm zu befassen? Glaubte er, dass Harry sich ihm anschließen würde? War das sein Ziel?

//Hoffentlich nicht.//
 

Jedenfalls fand er sich kurz auf seinem Lieblingssessel wieder und hielt eine Tasse Tee in den Händen, während sich der dunkle Lord ihm gegenüber niedergelassen hatte und ihn eingehend musterte, während er an seiner eigenen Tasse nippte.

Felice würde durchdrehen, wenn er ihr davon berichtete und seine anderen Freunde würden ihm nie im Leben glauben. Er konnte es selbst nicht.
 

„Du gehst nach Hogwarts?“, fragte Voldemort schließlich. „In welches Haus?“

„Ravenclaw.“

„Wirklich? Dann musst du ein sehr intelligenter Schüler sein.“

„Er ist ein Genie“, sagte eine Stimme und im nächsten Moment stand Narcissa hinter Harry und legte ihm beschützerisch die Hände auf die Schultern. „Seine Lehrer denken bereits seit seinem ersten Schultag darüber nach, ihn ein Jahr überspringen zu lassen, doch er hat sich stets geweigert. Er wird eines Tages großartig sein, Mylord“, fügte sie hinzu und funkelte ihn geradezu an.

Voldemort erwiderte ihren Blick unbeeindruckt, doch Harry konnte sehen, dass sie sein Interesse an ihm gerade nur noch erhöht hatte. Natürlich wusste er, dass dies ihr Ziel gewesen war. Sie wollte ihn beschützten und dafür musste sie den dunklen Lord davon überzeugen, dass er ihm von Nutzen sein könnte.
 

„Narcissa“, flüsterte Harry. „Übertreibe nicht.“

„Das tue ich nicht!“, rief sie und sah ihn voller mütterlicher Liebe an. „Ich habe dein Zeugnis gesehen. Ich habe gesehen, wie du sogar Lucius Dinge erklärst. Du bist mit einer wunderbaren Intelligenz gesegnet worden, Harry, und du weißt, wie du sie nutzt. Höre auf, immer so bescheiden zu sein. Zwar gilt das allgemein als eine Tugend, aber zu manchen Zeitpunkten ist es unangebracht.“

Elegant setzte sie sich auf einen Sessel direkt neben ihm und sah den dunklen Lord voller Misstrauen an. „Ihr wisst, dass ich eure untergebenste Dienerin bin. Einzig meine Schwester würde ich als treuer bezeichnen. Doch meine Loyalität gilt in erster Linie meiner Familie.“

„Darüber bin ich mir durchaus bewusst, liebste Narcissa. Solange Harvey zu deiner Familie gehört, wird er von niemanden etwas zu befürchten haben.“
 

Nun war Harry vollkommen verwirrt und seiner Mutter schien es nicht anders zu gehen. „Wie meint Ihr das, Mylord?“

„Genauso, wie ich es sage“, entgegnete er ruhig und fing wieder einmal Harrys Augen mit den seinen ein. „Ich schätze Intelligenz über alles. Außerdem hat mir Abraxas nur Gutes über dich erzählt. Ich werde dich unter meinen Schutz stellen.“

Narcissa atmete geräuschvoll ein, bevor sie sich begeistert zu ihrem Adoptivsohn umdrehte. „Das ist eine großartige Entwicklung, Harvey!“

Er war jedoch alles andere als überzeugt. Im Gegenteil, diese unerwartete Handlung machte ihn nur noch misstrauischer. „Was wollt Ihr dafür?“
 

Fragend hob Voldemort eine Augenbraue.

„Ihr seid ein dunkler Lord. Intelligent, mächtig und manipulativ. Ihr würde niemals jemanden etwas geben, ohne etwas dafür zu erhalten.“

„Oh, mach dir darüber keine Gedanken, Harry“, wenn er nicht ein dunkler Lord wäre, würde Harry sagen, dass er seinen Namen beinahe liebevoll aussprach. Aber das war kaum möglich, oder? „Ich bin mir sicher, dass du mir alles, was ich dir geben kann, irgendwann doppelt zurückgeben wirst.“

„Ist das eine Drohung?“ Es klang zumindest so.

„Keineswegs. Es ist ein Versprechen.“
 

Harry erwiderte seinen Blick ruhig, während seine Gedanken rasten. Was wollte dieser Mann von ihm? Glaubte er etwa, in ihm einen potentiellen Todesser gefunden zu haben? Dachte er, ihn beziehungsweise seinen Verstand benutzen zu können?

//Hoffentlich nicht.//

Er wollte kein Todesser werden. Er wollte später viel lieber in Bibliotheken sitzen und sich weiterbilden. Oder in Laboren experimentieren. Er war kein Politiker oder Kämpfer. Aber der dunkle Lord würde das sicherlich noch früh genug erkennen.

Langsam begann er sich zu wünschen, er wäre doch zu N....

Eilig wandte er den Blick von den roten Augen ab. Dieser Kerl war immer noch ein Legilimentiker. Das durfte er niemals vergessen. Wenn er heraus fand, mit wem er befreundet war, würde Voldemort sein „Versprechen“ sicher sofort wieder zurückziehen. Oder er würde ihn gegen seinen besten Freund einsetzten.
 

//Aber er wird es erfahren. Wenn Lucius es nicht tut, wird Draco es ihm erzählen. Außerdem ist das kein Geheimnis. Jeder weiß es!//

Deshalb musste er es aber nicht an die große Glocke hängen.

Vielleicht sollte er Felice wirklich bitten, so schnell wie möglich zu ihr zu kommen...
 

So als hätte sie seine Gedanken gehört, fragte Narcissa: „Was hast du eigentlich für deine Ferien geplant? Möchtest du irgendwo hinfahren? Oder jemanden besuchen?“

Offenbar hatte sie beschlossen, die Anwesenheit des dunklen Lords einfach zu ignorieren, doch Harry bemerkte, wie dieser aufmerksam zuhörte, so als wolle er so viele Informationen wie nur möglich über ihn bekommen. Warum hatte er eigentlich so ein großes Interesse an ihm? Er konnte es sich nicht erklären.
 

„Eigentlich wollte Felice für ein paar Wochen vorbeikommen“, begann er langsam. „Aber ich würde sie ehrlich gesagt lieber besuchen. Ich war lange nicht mehr in der Provence.“

„Sie kann doch eine oder zwei Wochen hierher kommen und du gehst dann zu ihr“, schlug Narcissa lächelnd vor. „Es wäre wirklich schön, sie wiederzusehen. Sie hat etwas... erfrischendes an sich. Außerdem wird ihr die englische Luft sicher gut tun.“

„Das ist eine gute Idee“, stimmte Harry nickend zu. „Ich werde sie in meinem nächsten Brief danach fragen.“

„Sehr schön“, meinte Narcissa lächelnd. „Es wird guttun, wieder jemand weibliches im Haus zu haben. Und sonst?“

„Meine Freunde haben mich eingeladen zu ihnen zu kommen oder etwas mit ihnen zu unternehmen. Das heißt, wenn du mich loswerden willst, brauchst du es nur zu sagen“, fügte er grinsend hinzu, was sie damit konterte, ihm in gespielter Verärgerung auf die Schulter zu schlagen. Jedoch nicht besonders fest.

„Sei nicht albern, Harry. Ich bin immer froh, wenn du da bist. Wenn es nach mir ginge, würdest du die ganzen Ferien hierbleiben. Aber ich will dir nicht deine Freiheit nehmen und deshalb lasse ich dich gehen, wohin du willst.“
 

//Auch ins Moulin Rouge, um meine Unschuld zu verlieren?//, fragte Harry in Gedanken, wagte jedoch nicht, das auszusprechen. Es war immer noch ein dunkler Lord anwesend.

Vorsichtig spähte er zu ihm hinüber und bemerkte, dass dieser immer noch seine Augen auf ihn gerichtet hatte und ihn intensiv beobachtete. Unwillkürlich stieg ihm die Röte ins Gesicht. Er hasste es, wenn man ihn beobachtete. Bei Dumbledore war es schon schlimm genug! Musste dieser Mann auch noch damit anfangen?

Allerdings war Voldemorts Blick anders. Dumbledore war ihm gegenüber argwöhnisch und misstrauisch.

Er jedoch schien neugierig und... fasziniert?
 

„Nun, wie auch immer, ich muss jetzt in die Winkelgasse, ein Friseurtermin. Okay?“

Er wusste, dass Narcissa ihn meinte, dass sie sich Sorgen machte, dass er alleine nicht klar kam. Wenn er ehrlich sein sollte, machte er sich selber Sorgen. Dennoch nickte er und kurze Zeit später war er mit dem dunklen Lord allein.

Dieser hatte sich währenddessen mit einem Buch versorgt und blätterte desinteressiert darin, wobei er seinen Blick immer wieder auf Harry gleiten ließ, der zusehends nervöser wurde. Am Liebsten würde er sofort flüchten, aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass Voldemort ihn aufhalten würde.

Aus diesem Grund stand er auf und ging auf ein Bücherregal zu, in dem er in den letzten Jahren nur selten gewühlt hatte. Kaum hatte er ein Buch gefunden, dass einigermaßen vielversprechend wirkte, ging er zurück in seinen Sessel und begann zu lesen.

Nach zwei Seiten blickte er jedoch wieder auf und war nicht überrascht, auf zwei rote Augen zu treffen.
 

„Gibt es irgendetwas, was ich für Euch tun kann, Mylord?“, fragte er genervt. Dunkler Lord hin oder her, er hasste es, wenn man ihm beim Lesen störte.

Anstatt auf seine Frage einzugehen, stellte er eine: „Wer ist Felice?“

//Das geht dich absolut nichts an.//

„Eine gute Freundin, mit der ich in einem regelmäßigen Briefkontakt stehe.“

„Und sie lebt in der Provence?“

„Ihre Familie hat dort eine Villa, ja.“

Nachdenklich runzelte er die Stirn und es war Harry klar, dass er überlegte, aus welcher Familie sie stammen könnte. „Wie ist ihr Nachname?“, fragte Voldemort weiter.
 

„Poulain“, entgegnete Harry schulterzuckend. „Felice Poulain.“

„Poulain“, wiederholte er leise und der Junge konnte nicht anders, als seine perfekte Aussprache zu bewundern. „Wer sind ihre Eltern?“

„Ich weiß es nicht, Mylord. Sie starben, als sie noch ein Kind war, weshalb sie nicht oft von ihnen redet.“

//Ich rede auch nicht oft über meine, deshalb frage ich nicht weiter nach.//

„Verstehe“, sagte Voldemort langsam. „Lebt sie nun alleine in einem ihrer Familienhäuser?“

„Nein, Mylord. Sie ist das Mündel des französischen Zaubereiministers Delacour und lebt bei seiner Familie.“

„Es ist nicht einfach, das Mündel eines Zaubereiministers zu werden“, bemerkte er misstrauisch.

„Ihr Vater war offenbar ein guter Freund von ihm“, meinte Harry ruhig. „Warum interessiert Euch das so sehr, Mylord?“

„Ich habe meine Gründe“, entgegnete er mit einem leichten Lächeln. „Sag mir, Harry, wer sind deine anderen Freunde, von denen ich nichts erfahren darf?“
 

Es war, als hätte man einen Sack voller Eiswürfel über seinen Körper ausgeschüttet.

Warum?

Warum jetzt schon?

Warum hatten seine Gedanken immer wieder zu ihm gleiten müssen?

Aber vielleicht hatte der dunkle Lord es ja beabsichtigt. Am Ende wusste er es bereits. Lucius hatte es ihm sicher erzählt. Oder Abraxas.

Was sollte er jetzt tun? Er konnte nicht lügen. Aber durfte er die Wahrheit sagen?
 

Er entschied sich für die Halbwahreit.

„In meinem Haus ist Luna Lovegood eine gute Freundin, Mylord. Allerdings gibt es keinen Grund, weshalb Ihr das nicht erfahren solltet. Ansonsten gibt es keine.“ //In meinem Haus//, fügte er in Gedanken hinzu.

Doch leider bewies der dunkle Lord ihm in diesem Moment, dass er tatsächlich ein Legilimentiker war. „Und außerhalb deines Hauses? Du denkst oft an einen gewissen N....“, er sagte es beiläufig, doch sein Blick war lauernd.

Harry beschloss, zu schweigen.

„Handelt es sich dabei um Neville Longbottom?“, hakte Voldemort mit einer sanften Stimme nach, aber Harry ließ sich davon nicht täuschen.
 

Neville war der Auserwählte. Derjenige, der diesen Mann vor ihm besiegen sollte - auf welche Art und Weise auch immer. Voldemort musste ihn töten wollen, immerhin hatte er ihn bereits die ganzen letzten Jahre ausgeschaltet.

//Ich frage mich, wie er das geschafft hat. Wo war der dunkle Lord eigentlich während dieser Zeit? Und wie ist er zurückgekommen?//

Er hatte wirklich keine Erklärung dafür und ihn zu fragen, war unvorstellbar.
 

Deshalb sah er dem dunklen Lord fest in die Augen, als er antwortete: „Ja, Mylord, es handelt sich um Neville.“

„Ich verstehe“, flüsterte er nickend, während sein Blick wieder über Harrys Körper glitt. „Das ist wirklich sehr... aufschlussreich.“

Harry schlug das Buch zu, in dem er eigentlich hatte lesen wollen und funkelte ihn an. „Neville ist mein Freund, Mylord“, sagte er leise, konnte aber einen wütenden Unterton nicht vermeiden. „Egal was passiert, ich werde mich niemals gegen ihn wenden. Also versucht es gar nicht erst.“

Voldemort hob seine Augenbrauen und lächelte.

Harry wusste ganz genau, was diese Geste bedeuten sollte.

Es hieß: „Wir werden sehen.“

Silent Obsession

Hallo, ihr Lieben!

Und schon wieder gibt es ein neues Kapitel inmitten dieses WM-Chaos... Ich meine, was ist das hier? Frankreich ist eine nationale Schande, Italien ist rausgeflogen und die Japaner sind das erste Mal im Achtelfinale... Hätte da nicht zumindest Südafrika auch weiterkommen können?

Wie auch immer, zurück zu Harry Potter.

Dieses Kapitel dient hauptsächlichst dazu, die Beziehung zwischen Harry und Felice zu verdeutlichen. Diese wird in den nächsten... drei oder vier Kapiteln eine etwas dominierende Rolle spielen, aber danach wird sie wieder mehr in den Hintergrund rücken.

Im nächsten Kapitel werden wir dann Neville wiedersehen und erfahren, was für einen Status unser lieber dunkler Lord eigentlich in Großbritannien hat. Denn ich möchte an dieser Stelle noch einmal warnen, dass diese Fanfiction hier nur wenig mit den Büchern gemein hat und sicher keine Komödie wird! Nur damit ihr zum Schluss nicht sagen könnt, ich hätte euch nicht gewarnt. *nick*

Ansonsten wie immer ein riesiges Dankeschön an die lieben Kommischreiber!!!! und alle anderen Leser.... 81 Favoriten nach gerade einmal 4 Kapiteln.... Leute, ihr seid genial! <3

Bis zum nächsten Mal!

Eure Ayako
 

P.s.: Felice verfällt ab und an ins Französische, die Übersetzung der jeweiligen Wendungen findet ihr am Endes des jeweiligen Kapitels. ^^

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Silent Obsession
 

Liebe Felice,
 

ich bin froh, dass du bald wieder hier sein wirst. Es ist zu lange her, seitdem wir uns das letzte Mal sahen und ich könnte etwas Ablenkung wirklich gut gebrauchen.

Wie ich dir bereits in meinem letzten Brief erzählt habe, ist der dunkle Lord zu Besuch. Eigentlich wollte er nur eine Woche bleiben, doch irgendetwas hat ihn dazu bewogen, seinen Aufenthalt zu verlängern.

Narcissa meint, es würde an mir liegen.

Warum? Felice, ich bin niemand, der für ihn von Bedeutung sein sollte. Ich bin der Sohn von Lily und James Potter, Dumbledoreanhänger, weiße Magier! Wieso also ausgerechnet ich? Er sollte vielmehr an Draco interessiert sein, der wird ihm mit Freuden folgen.

Es ist unheimlich. Egal wohin ich gehe, es scheint, als wäre es auch sein Ziel. Überall begegne ich ihm früher oder später, in der Bibliothek, im Speisezimmer, im Garten, auf dem Dachboden, überall! Nur in meinem Zimmer kann ich ihm entkommen, weshalb ich die letzten Tage damit verbracht habe, mich darin einzuschließen und Bücher zu lesen, die ich aus der Bibliothek geholt habe. Ich fürchte mich vor ihm. Es kling zwar jämmerlich und normalerweise würde ich es nie zugeben, aber es ist so. Zwar sagte er, dass er mir nichts antun will, aber... ich weiß auch nicht.

Warum ist er so auf mich fixiert? Weil ich ein „Genie“ bin?

Wenn du nicht kommen würdest, würde ich glatt zu Neville abhauen. Apropos Neville, das ist das merkwürdigste! Er weiß, dass ich mit ihm befreundet bin, aber bisher hat er keinen Schritt unternommen, etwas dagegen zu tun. Aber ich glaube nicht daran, dass er es einfach so hinnimmt. Er wartet, Felice. Worauf, das weiß ich nicht, aber er wird handeln, wenn die Zeit gekommen ist.

Ich traue diesem Menschen alles zu.
 

Je t'embrasse,

Harry
 

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Wenn er traurig, wütend oder verwirrt war, wenn er einfach einen Ort zum Nachdenken brauchte, war Harry in der Küche und buk. Manchmal kochte er auch, aber in der Regel beschäftigte er sich lieber mit einem Teig und zauberte etwas Süßes hervor, das er hinterher aufessen konnte. Kuchen tat gut, wenn man sich Sorgen machte, auch wenn er letztendlich nicht dazu beitrug, das Problem zu lösen.

Draco hatte anfangs immer gelacht, wenn er wieder in der Küche verschwand. Seiner Meinung nach war das Muggel- oder Hauselfarbeit, nichts für einen reinblütigen Zauberer. Doch sobald er bemerkte, dass die Qualität des Essens sich immer um einiges verbesserte, wenn er wieder ein paar Stunden bei den Hauselfen verbracht hatte, war sein Gelächter verstummt. Die Malfoysche Küche wurde nicht umsonst von vielen gefeiert.
 

Felice sagte immer, dass es seinem Status als Genie zu Verdanken sei.

„Unsereins ist einfach dafür geschaffen, alles zu können, Harvey“, sagte sie damals zu ihm, als sie sich nach ihrer ersten Begegnung wiedergetroffen hatten. „Selbst, wenn wir gar kein Interesse daran haben oder uns dabei zu Tode langweilen, wir würden immer bessere Ergebnisse erzielen, als alle anderen. Sieh dir nur meine Zaubertrankfähigkeiten an. Ich hasse das Fach, da ich nicht die Geduld habe, Monate darauf zu warten, endlich die nächste Zutat in den Kessel zu werfen. Trotzdem bin ich Klassenbeste. Aus diesem Grund werden wir auch niemals jemanden finden, der uns wirklich versteht, da sie uns alle um diese Fähigkeit beneiden werden. Sie werden nie begreifen, dass es in Wahrheit die Hölle ist.“
 

„Wie Recht du doch hast, Fel“, murmelte Harry, während er das Blech voller Cookies in den Backofen schob, die er gerade zubereitet hatte. Er hatte sich nie gewünscht, ein „Genie“ zu sein. Viel lieber wäre er vollkommen gewöhnlich.

//Zumindest würde mich dann ein gewisser dunkler Lord in Ruhe lassen.//

Er hatte in den letzten Tagen viel über diesen Mann nachgedacht und war letztendlich zu dem Schluss gekommen, dass sein Interesse nur daher rühren konnte, dass er, Harry, über eine Intelligenz verfügte, die er für sich nutzen könnte. Voldemort würde ihn solange umgarnen, bis er sich ihm anschloss, doch in diesem Augenblick würde er zu seinem willenlosen Sklaven werden, der alles tun musste, was sein Meister verlangte.

//Und darauf habe ich absolut keine Lust.//
 

Irgendwie schien es bei allen großen Leuten so zu sein.

Soweit er wusste, band auch Dumbledore alle, die in seinen Orden des Phönix eintraten, direkt an sich und das auf Lebenszeit.

//Wenn du einmal von jemanden wie Dumbledore oder Voldemort eingefangen wurdest, kommst du nie wieder von ihnen los.//

Dies war der Grund, weshalb er keine unnötige Aufmerksamkeit erwecken wollte. Letztendlich würde es nur darin enden, dass er einem dieser Psychopathen in die Finger fiel. Leider war es im Bezug auf den dunklen Lord inzwischen zu spät.
 

Seufzend drehte er sich um und warf Voldemort einen genervten Blick zu. Wie so oft in den letzten Tagen, hatte er ihn auch heute wieder gefunden. Locker lehnte er mit verschränkten Armen an dem Türrahmen und lies seinen Blick neugierig über die schmutzigen Schüsseln auf der Anrichte, den backenden Cookies im Ofen und schließlich über Harry selbst gleiten, der von oben bis unten mit Mehl bedeckt war. Er hatte schon früh herausgefunden, dass es keinen Sinn machte, nach jeder einzelnen Verschmutzung einen Reinigungszauber zu sprechen, am besten war es, wenn man es bis zum Schluss aufhob, sonst würde man nur zu viel Zeit damit verschwenden, nichts zu tun.
 

„Du bäckst?“

Es war das erste Mal seit ihrer Begegnung in der Bibliothek, dass er das Wort an ihn gerichtet hatte. Seitdem hatte er sich eher aufs Schweigen und Observieren beschränkt.

//Wahrscheinlich überrascht es ihn einfach//, dachte Harry. //Reinblüter tun so etwas ja nicht.//

Wobei er kein Reinblut war, immerhin war Lily die Tochter von Muggeln gewesen.

„Ja, Mylord“, antworte er ruhig. „Ich backe.“

„Eine... ungewöhnliche Beschäftigung für einen jungen Zauberer“, bemerkte Voldemort.

„Es ist sinnvoller, als den ganzen Tag auf einem Quidditchfeld zu verbringen.“ Etwas, was sowohl Draco als auch Neville als die perfekte Freizeitbeschäftigung ansahen. Er selbst würde nicht einmal zu den Spielen gehen, wenn die beiden nicht darauf bestehen würden.

„Außerdem wird es Felice freuen. Sie liebt Cookies.“ Genaugenommen liebte sie alle Süßigkeiten, aber sie würde trotzdem begeistert sein.
 

„Ah... ja, deine kleine Französin“, erinnerte sich Voldemort oder tat zumindest so, sich zu erinnern. „Sie soll später ankommen, nicht wahr?“

„In zwei Stunden“, bestätigte Harry knapp. Er konnte es nicht erwarten, sie wiederzusehen. Vielleicht würde sie ihm etwas Klarheit bringen.

„Ich muss sagen, dass ich gespannt bin, sie zu treffen“, erklärte ihm der dunkle Lord und betrat langsam die Küche. „Sie muss eine... interessante Persönlichkeit haben, wenn sich sogar Lucius darauf freut, sie im Haus zu haben.“

Bei diesen Worten musste er blinzeln. Lucius? Freude? Im Zusammenhang mit Felice? Hatte er irgendetwas verpasst?

Lucius hasste sie! Die Beiden stritten sich, wenn sie sich nur sahen! Nie und nimmer würde er sich freuen, wenn sie da wäre.
 

„Er meint, sie würde dich glücklich machen“, fuhr Voldemort fort und kam einige Schritte vor ihm zum Stillstand. „In ihrer Gegenwart könntest du das Kind sein, das du eigentlich bist.“

//Kind?// Er würde ein ernstes Wort mit Lucius sprechen müssen.

„Sie ist meine beste Freundin, Mylord“, sagte er ruhig und beobachtete unbehaglich, wie der andere plötzlich seine Hand ausstreckte und damit sanft eine Strähne aus Harrys Gesicht strich. Obwohl er ihn beinahe gar nicht berührte, schien seine Haut wieder zu brennen und er spürte, wie die Röte in sein Gesicht schoss. Wie machte der Kerl das nur?

„Deine beste Freundin, hm? Dann sollte ich mich wohl gut mit ihr stellen.“

„G... gut stellen, Mylord?“ Wie meinte er das? Und warum wanderte seine Hand auf einmal auf seine Wange?
 

Voldemort lächelte, als er seine Nervosität bemerkte und strich sanft mit seinem Daumen über Harrys Haut. „Du wirst schon sehen, was ich meine.“

Er glaubte ihm aufs Wort.

Bevor jedoch irgendetwas weiteres geschehen konnte, hörten sie aus der Eingangshalle ein heftiges Gepolter dringen und Harry wusste sofort was es bedeutete.

Felice war wieder einmal zu früh angekommen.
 

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„Putain de merde!“, fluchte das Mädchen, als Harry die große Halle betrat und richtete sich langsam auf. „Mauvaise cheminée!“

„Ach, so schlecht ist der Kamin auch wieder nicht“, meinte er grinsend und sie wirbelte herum.
 

Felice Poulain war ebenso alt wie er und auch etwa genauso groß. Ihr hübsches, schmales Gesicht wurde normalerweise von einer goldenen Lockenpracht umgeben, die sie aber im Moment mit Hilfe eines Pferdeschwanzes gezähmt hatte, weshalb nur zwei Strähnen zu beiden Seiten vor ihren Ohren herabhingen. Ihre Haut war von der französischen Mittelmeersonne gebräunt und ihre blauen Augen begannen augenblicklich zu leuchten, als sie ihn erblickte. Gekleidet war sie in einen hellen Reiseumhang, der jedoch seltsam verschmutzt aussah, was wohl daher rührte, dass sie versucht hatte, mit Flohpulver zu reisen. Wenn ihr auch sonst immer alles zufiel, mit dieser Reiseart hatte sie ihre Probleme.
 

„Harry!“, rief sie begeistert und begrüßte ihn sofort auf die einzige Art und Weise wie es ihr möglich war: sie gab ihm ein Küsschen auf jede Wange, bevor sie ihn in eine feste Umarmung schloss, die er ohne zu zögern erwiderte. „Es ist großartig, dich wiederzusehen.“

„Du sprichst mir aus der Seele, Fel“, flüsterte er und es stimmte. Er hatte nicht gemerkt, wie sehr er sie vermisst hatte, bis zu diesem Augenblick.

„Was machst du eigentlich jetzt schon hier?“, fragte er, als sie sich wieder voneinander gelöst hatten und Harry Dobby dazu gebracht hatte, Felices Gepäck auf ihr Zimmer zu bringen. „Seid ihr Franzosen nicht immer zu spät?“

„Falls du es vergessen haben solltest, bin ich nur zur Hälfte française. Die andere Seite ist vollkommen Englisch.“

„Weshalb du akzentfrei sprichst, wie konnte ich das vergessen“, entgegnete er Augen verdrehend. „Aber jetzt mal im Ernst, was ist los? Hat Henri jetzt doch genug von dir und dich enterbt, weshalb du hierherkommen musstest?“

„Sei nicht albern. Er kann mich überhaupt nicht enterben, weil er mir bei seinem Tod nichts vermachen wird, dieser Geizhals. Ich bekomme nur das ganze Vermögen meiner Eltern.“

„Nur ist gut“, murmelte Harry.

„Hey! Du wurdest immerhin auch von Lucius als Erben eingesetzt, so wie das liebe Dracomausilein. Apropos, wo steckt es denn?“

„Fel.... du weichst meiner Frage aus!“

„Ach Mist, du hast es gemerkt. Na gut, ich gestehe: Fleur ist schon gestern aufgebrochen, nach Australien. Und Gabrielle wurde heute morgen abgeholt. Deshalb wollten unseren sogenannten Eltern mich loswerden, damit sie ihren zweiten Frühling feiern können.“

„Da sind sie ein bisschen früh dran, wenn du mich fragst.“

„Ja, das meine ich auch! Aber das ist halt das französische Temperament, da kann...“, sie verstummte, was Harry seine Stirn runzeln ließ.
 

Felice war nicht umsonst in Frankreich aufgewachsen, sie hatte hundertprozentig das französische Temperament, was bedeutete, dass sie niemals mitten im Satz inne hielt. Das geschah nur, wenn sie entweder eine Erleuchtung hatte oder sie ein zukünftiges Forschungsobjekt fand. Als er sich umdrehte, um ihrem Blick zu folgen, sah er, dass es sich um letzteres handelte.

Der dunkle Lord war ihm offenbar aus der Küche gefolgt und hatte die Szene beobachtet. Sobald er ihren Blick bemerkte – und das war nicht schwer, Diskretion gehörte nicht zu ihrem Wortschatz – hob er interessiert die Augenbrauen. Von Harrys Seite aus war es schwer einzuschätzen, was er von der ganzen Sache hielt, dennoch wurde er das Gefühl nicht los, dass Felice es bei ihm äußerst schwer haben würde.

Zumindest, wenn sie das vorhatte, was er glaubte, was sie vorhatte.
 

„Ah, Felice, darf ich dir vorstellen? Der dunkle Lord. Mylord, dies ist meine Freundin Felice Poulain.“

„Eine Freude“, meinte Voldemort lasch, während seine Augen ihre Erscheinung abtasteten.

„Mir ist es eine Ehre, Mylord“, sagte Felice ehrfürchtig und verbeugte sich tief. „In Frankreich spricht man nur in den höchsten Tönen von Euch.“

Harry glaubte ihr aufs Wort. Die französischen Hexen und Zauberer waren dafür bekannt, eine weniger konservative Einstellung zur schwarzen Magie zu haben, als die Britische, weshalb sie seine Rückkehr wahrscheinlich sogar gefeiert hatten.

//Vielleicht ist es ganz gut, dass der dunkle Lord wieder da ist, um unsere Gesellschaftsstruktur zu ordnen. Ansonsten würde es sicher bald zu einem Krieg zwischen unseren beiden Ländern kommen.//
 

Die Politik Großbritanniens war seit dem Sieg Merlins über der Hexe Morgana antischwarzmagisch geprägt gewesen, weshalb es zu vielen Bürgerkriegen oder Verfolgungen kam, in denen die schwarzmagische Bevölkerung auf einen geringen Prozentanteil reduziert wurde. Die meisten Familien, Kreaturen oder Wesenheiten waren während der letzten Jahrhunderte aus diesem Grund ausgewandert und hatten sich in anderen Ländern niedergelassen, doch ganz konnte der sogenannte schwarze Fleck inmitten der weißen Gesellschaft nicht verschwinden. Allerdings mussten sie ihre wahre Gesinnung geheim halten und sich einer weißmagischen Gesellschaft anpassen, was für viele alles andere als einfach war.
 

Mit der Zeit hatte sich diese Form der Politik über halb Europa ausgebreitet und lange befürchtete man, dass es wirklich keine Hoffnung mehr gab. Doch dann erschien Gellert Grindelwald wie aus dem Nichts in der Mitte Europas und gab allen Schwarzmagiern den Willen, für das zu kämpfen, in was sie hineingeboren waren.

Er war der erste dunkle Lord seit vielen Jahren gewesen und der Einzige, der tatsächlich in der Lage gewesen war, etwas zu bewirken. So hatte er für einige Länder tatsächlich Gleichberechtigung zwischen weißen und schwarzen Magiern gebracht, unter anderem Deutschland, Tschechien, Polen, Italien und Frankreich.

Andere wie Belgien, Dänemark, Österreich und Großbritannien selbst weigerten sich jedoch, sich diesem „Irrsin“ anzuschließen, weshalb sie alle aufgeatmet hatten, als Albus Dumbledore 1945 Grindelwald besiegte und somit den Widerstand der schwarzmagischen Bevölkerung niederschlug.
 

Aus diesem Grund war Voldemort für viele die Hoffnung, endlich Gleichheit in eine Welt voller Ungerechtigkeit zu bringen, wobei Harry keine Ahnung hatte, wie er das anstellen wollte. Durch Krieg? Durch Diplomatie? Durch eine Revolution? Vielleicht sollte er sich doch einmal mit diesem Mann unterhalten, andererseits könnte er es falsch verstehen und auf die aberwitzige Idee kommen, er wäre daran interessiert, sich seiner Sache anzuschließen.

Nun, mit etwas Glück würde Felice die ganze Sache für ihn übernehmen.
 

„Harvey? Hey, bist du noch da?“

Überrascht blickte er auf und bemerkte, dass sowohl Felice als auch der dunkle Lord ihn mit einer leichten Besorgnis musterten. Moment, der dunkle Lord? Besorgt? Was...?

„Ah, da bist du ja wieder“, sagte seine Freundin fröhlich. „Weißt du, du solltest versuchen, mehr in der Gegenwart zu bleiben, wenn du nachdenkst. Leute, die dich nicht so gut kennen, erschrecken sonst. Wie auch immer, ich fragte dich, wo der Rest deiner Familie ist.“

„Lucius und Abraxas sind im Ministerium, Draco wollte Pansy besuchen und Narcissa wollte mit einer Freundin shoppen.“

War es eigentlich Absicht, dass sie ihn immer mit dem dunklen Lord allein ließen? Am Ende war dies wirklich beabsichtigt, aber was sollte sich seine Familie davon...

„Versinke jetzt bitte nicht schon wieder in deinen inneren Monologen, Harry“, stöhnte Felice. „Da kann ich ja gleich wieder verschwinden, wenn das so weitergeht.“
 

Voldemort warf ihr bei diesen Worten einen nachdenklichen Blick zu, bis sich seine Augen mit Erkennen füllten. „Eine Empathin“, hauchte er.

Sie schenkte ihm ein Lächeln und verbeugte sich spöttisch. „Ganz recht, Mylord. Eine Fähigkeit, die in der Familie meiner Mutter weit verbreitet war, doch allgemein eher selten vorkommt. Allerdings ist es erschreckend, dass Ihr dies bereits so früh bemerkt habt, denn das zeigt, wie schnell Ihr versucht in die Köpfe anderer Leute einzudringen.“

Unwillkürlich grinste Harry. Zu versuchen in den Kopf einer Empathin einzudringen, war als wolle man versuchen, Luft mit seiner eigenen Hand einzufangen.
 

Empathen waren Menschen oder Wesenheiten, die in der Lage waren, die Gefühle und Gedanken aller um sich herum wahrzunehmen und, je nachdem wie talentiert sie waren, zu lenken. Aus diesem Grund war es für sie lebensnotwendig so früh wie möglich Okklumentik zu perfektionieren, da sie ansonsten mit der Zeit wahnsinnig werden würden.

Dementsprechend war der Geist des dunklen Lords ihr rein theoretisch hilflos ausgeliefert, während er zu ihrem keinen Zugang hatte. Die ganze Angelegenheit versprach äußerst amüsant zu werden.

„Eine... beeindruckende Fähigkeit, Miss Poulain“, flüsterte der dunkle Lord und fixierte sie mit seinen roten Augen. „Sehr beeindruckend, in der Tat.“
 

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Einige Stunden später saß die Familie Malfoy in ihrer Lounge und beobachteten Felice dabei, wie sie frohen Mutes ihre Gastgeschenke auspackte. Dies war eine ihrer Angewohnheiten: Sie brachte immer etwas für jeden von ihnen mit, wenn sie über einen längeren Zeitraum vorbeikam. Ihrer Meinung nach, war das sehr höflich.

„Außerdem nehmt ihr mich auf – kostenlos. Da ist ein kleines Geschenk für jeden wirklich nicht zu viel verlangt.“
 

Vorsichtig holte sie eine Weinflasche aus ihrem Gepäck hervor und überreichte sie Lucius. „Das ist der beste Wein, den wir letztes Jahr geerntet haben. Schmeckt jetzt schon hervorragend, aber wenn Sie ihn hundert Jahre stehen lassen, wird er auch noch alt und sicher überaus kostbar sein.“

„Wie überaus freundlich von dir, Felice“, entgegnete er mit geheuchelter Freundlichkeit, wobei Harry wusste, dass dies das ideale Geschenk für ihn war. Würde ihn nicht wundern, wenn die Flasche morgen bereits leer wäre.
 

Als nächstes ging sie auf Narcissa zu und gab ihr eine rechteckige Schachtel. Neugierig öffnete die Frau sie und stieß einen Begeisterungsruf aus. „Felice! Das ist... Das wäre doch nicht nötig gewesen! Ist das deine Kreation?“

„Natürlich“, meinte sie stolz und als Harry sich vorbeugte, konnte er erkennen, dass sie ihr eine kunstvolle Kette geschenkt hatte. „Wir sollten in Kunst ein Schmuckstück entwerfen und da habe ich sofort an dich gedacht.“

„Oh, vielen Dank!“, rief Narcissa und zog sie in eine feste Umarmung. Es war offensichtlich, dass Felice voll und ganz ihren Geschmack getroffen hatte und man in Zukunft oft diese Kette um ihrem Hals sehen würde. Manchmal war es eben doch von Vorteil, mit einer Empathin gut auszukommen: Man konnte sich sicher sein, von ihr das perfekte Geschenk zu bekommen.
 

„Und was bekomme ich?“, fragte Draco neugierig.

Felice schnalzte unzufrieden mit der Zuge. „Draco, Draco, Draco. Sag mir, wann lernst du endlich, dass man als Kind nicht das Recht darauf hat, irgendetwas zu fordern?“

„Ich bin kein Kind mehr“, entgegnete er verärgert.

„Jaja, du bist erwachsen. Quoi qu'il en soit, ich habe auch dir etwas mitgebracht.“ Grinsend griff sie nach einer kunstvoll geformten Schüssel, die von einem weißen Tuch verdeckt wurde und reichte sie ihm. „Hier, ein Behälter für Salat und ähnliches.“

„Ähm.... toll“, meinte sein Bruder und versuchte Enthusiasmus vorzutäuschen. Lustlos zog er das Tuch herunter, um sich das Innere anzusehen, doch sobald er das sah, begannen seine Augen zu leuchten. „Ist das, was ich denke, was es ist?“

„Wenn du an französischen Montélimar-Nougat denkst, ja.“ Das war eine Süßwarenspezialität aus der Provence, die Draco geradezu verschlang, wenn sie ihm zwischen die Finger kam.

„Danke sehr, liebster Gast“, meinte der Junge grinsend und sie verdrehte die Augen.

„Werd im Gegenzug etwas erwachsener, ja?“
 

Nun drehte sie sich zu Harry um, der sie mit gehobenen Brauen ansah. „Ich bekomme auch was?“, fragte er kritisch. „Ich dachte, deine Anwesenheit sei genug.“

„Oh, normalerweise ist sie das auch“, meinte sie munter. „Allerdings bin ich letztens mit einem Experiment fertig geworden, das sich als erfolgreich herausgestellt hat und welches dir sicher gefallen wird.“

Im nächsten Moment hatte sie einen Blumentopf in der Hand und daraus wuchs eine kleine, zerbrechlich wirkende Lavendelpflanze.

„Ist das... echter, französischer Lavendel?“, fragte er atemlos und beugte sich neugierig vor, um sie genauer unter die Lupe zu nehmen.

„Na ja, es ist echter, magischer, französischer Lavendel“, meinte sie schulterzuckend und drückte ihm sein Geschenk in die Hand. „Ich habe ihn so bearbeitet, dass er sich an die britischen Bedingungen anpasst und auch hier überleben kann. Ich dachte, es würde dich freuen, wo du doch so gerne mit Zaubertränken und dergleichen experimentierst.“

Doch er hörte ihr schon gar nicht mehr zu. Lavendel war in der Tat eine der wichtigsten Zutaten für viele Zaubertränke. Nicht zu vergessen, dass er auch als ein Gewürzmittel für Speisen verwendet werden konnte. Das Problem war nur, dass er einzig im französischen Mittelmeerraum wuchs, weshalb es für alle außerhalb Frankreichs schwer war, an größere Mengen heranzukommen und wenn, dann nur zu unerhörten Preisen.

Wenn Felice es wirklich geschafft hatte, ihn an andere Klimazonen anzupassen, würde das der Verkaufsschlager schlechthin werden.
 

„Vielen Dank, Fel“, flüsterte er.

„Nichts zu danken“, meinte sie mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Die Hauptsache ist, ich konnte dir eine Freude machen.“
 

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„Und? Wie findest du unseren dunklen Lord?“, fragte Harry, als er und Felice später alleine in seinem Zimmer waren. Sie lag mit dem Bauch auf dem Fußboden und kritzelte lustlos auf einem Stück Pergament herum, während er ein Stück von ihr entfernt ebenfalls auf dem Boden saß und sich müde an sein Bett lehnte.

So verbrachten sie oft ihre Abende: gemeinsam in einem Raum, ohne etwas miteinander zu tun.

Dies konnte er wirklich nur mit ihr. Neville oder Luna würden beide früher oder später unruhig werden und ihn zu einer Partie Zauberschach auffordern. Nicht Felice.
 

„Ich... bin mir nicht sicher“, sagte sie langsam und drehte sich auf die Seite, um ihn ansehen zu können. „Ich weiß nur, dass du dringend Schutz brauchst beziehungsweise deine Gedanken.“

Harry runzelte die Stirn. „Wie meinst du das?“

„Er.... wie soll ich sagen...“, sie biss sich auf die Unterlippe, was kein gutes Zeichen war. Woran dachte dieser dunkle Lord nur, wenn er damit sogar sie beunruhigte? „Er ist von dir besessen“, flüsterte sie.

Augenblicklich breitete sich eine eisige Kälte in seinem Körper aus und er starrte sie mit großen Augen an. Besessen?

„Er... ich verstehe es selbst nicht so genau, Harv... seine Gedanken sind wirr... unzusammenhängend... beinahe wie bei einem Wahnsinnigen. Ich glaube, er weiß selbst nicht, was in seinem Kopf vor sich geht. Das einzige, was er und ich wissen, ist, dass es deine Gegenwart ist, die seine Gedanken ordnen kann.“

Er blinzelte. Was meinte sie damit?

„Umso näher er dir kommt, umso mehr klärt sich sein Geist. Seine Gedanken werden klar und verständlich, ja rational. Aber wenn er sich von dir entfernt...“, sie schauderte. „Aus diesem Grund ist er dir gefolgt. Er hofft, eine Antwort auf dieses Phänomen zu finden, wenn er in deiner Nähe darüber nachdenken kann. Das Problem ist nur, dass sie dann immer in eine andere Richtung gelenkt werden.“
 

„Und was für eine ist das?“, fragte Harry, wobei er glaubte, dass er es wahrscheinlich gar nicht wissen wollte.

„Du“, wisperte sie. „Er tut es nicht freiwillig, Harv. Wenn es nach ihm ginge, würde er dich ignorieren. Aber er kann es nicht. Es ist so, als müsste er dich ansehen, als müsste er dich kennen. Er will alles von dir wissen, Harvey, er...“, doch sie konnte nicht weitersprechen. Stattdessen setzte sie sich auf und kroch zu ihm hinüber, um seine Hände zwischen die ihren zu nehmen. „Versprich mir, dass du vorsichtig bist“, flüsterte sie. „Ich mache mir... Sorgen um dich. Ich muss zwar zugeben, dass er ein ziemlich genialer Kopf ist, aber er ist gefährlich. Verstehst du?“

„Ich... aber... warum?“

„Er weiß es nicht, Harry“, sagte sie sanft. „Und solange er es nicht weiß, kann ich es dir auch nicht sagen.“
 

Schweigend sah er sie an. Das waren ja wunderbare Aussichten... aber zumindest wusste er jetzt, warum dieser Mann ihn überallhin verfolgte. Wobei es das ganze leider nicht wirklich besser machte.
 

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Je t'embrasse: Ich umarme dich (klassischer Abschluss von einem Brief an gute Freunde/Bekannte)

Putain de merde!: Verdammte Scheiße!

Mauvaise cheminée!: Schlechter Kamin!

française: französisch

Quoi qu'il en soit...: Wie dem auch sei...

A Dark Lord's Dream

Liebe Felice,
 

du wolltest wissen, wer mein bester Freund ist?

Auf jeden Fall Neville Longbottom, aber bitte sag das nicht weiter, er könnte sich sonst noch etwas darauf einbilden. Ich denke, du wirst sicher von ihm gehört haben, immerhin ist er der Auserwählte, der vor so vielen Jahren den dunklen Lord besiegte, wobei ich wahrscheinlich niemals begreifen werde, wie er das geschafft hat. Er ist wahrlich kein Genie und versucht immer entweder von mir oder von Hermione die Hausaufgaben abzuschreiben. Manchmal frage ich mich sogar, ob er überhaupt in der Lage ist, sein Gehirn zu benutzen. Besonders im Bezug auf Dumbledore. Ich denke, wenn der alte Mann sagen würde, er solle vom Astronomieturm springen, würde er es glatt tun.

Jetzt fragst du dich sicher, weshalb ich ihn trotzdem als meinen besten Freund bezeichne... um ehrlich zu sein, frage ich mich das selbst oft. Eigentlich hatte ich nie vor, ihn an mich heranzulassen. Als ich ihn kennen lernte, war ich froh, dass er nicht in meinem Haus war, denn ich wusste, dass Draco und Lucius mir nicht vergeben würden, wenn ich etwas mit ihm zu tun hätte. Er ist ihr Feind. Aber nicht meiner.

Im Grunde ist er ein guter Kerl. Vielleicht etwas nervig und anhänglich, aber okay. Auch, wenn ihn sein Heldenkomplex wahrscheinlich irgendwann umbringen wird.

Er ist wirklich ziemlich beliebt und der Starspieler der Gryffindorquidditchmannschaft... leider. Denn so bin ich gezwungen, zu jedem seiner Spiele zu erscheinen, da er immer äußerst nervenaufreibend wird, wenn ich nicht komme. Weißt du, ihr beide habt sogar etwas gemeinsam: Man muss euch einfach mögen, ob man nun will oder nicht. Wie macht ihr das nur?
 

Alles Liebe,

Harry
 

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„Darf ich Ihnen eine Frage stellen?“

Harry blickte von dem Buch auf, in dem er gelesen hatte und folgte Felices Blick, der forschend auf den dunklen Lord geheftet war. Sie saßen unter einer alten Eiche in der Nähe des Hauses, aber weit genug entfernt, dass man sie nicht mehr beobachten konnte. Harry wusste, dass sie es alle taten. Narcissa und Lucius aus Sorge, Draco aus Eifersucht. Sie fragten sich, warum der dunkle Lord ihm immer folgte und er konnte ihnen keine Antwort darauf geben. Irgendwie hielt er es für keine gute Idee, ihnen die Wahrheit zu sagen, da er keine Ahnung hatte, wie sie darauf reagieren würden.
 

„Was für eine Frage?“, wollte Voldemort wissen und musterte sie aufmerksam. In den letzten Tagen hatte er ihre Gespräche – zu Recht – zu fürchten gelernt, denn Felice hatte die unangenehme Angewohnheit, solange nachzuhaken, bis sie die Antwort kannte und sei es aus seinen Gedanken. Harry fragte sich in solchen Situationen immer, weshalb er sie nicht tötete oder zumindest folterte. Lucius hatte ihm erzählt, dass er normalerweise nicht vor solchen Dingen zurückschreckte.

„Eigentlich ist es nicht meine Frage“, gab Felice zu und richtete sich auf, um ihn besser in Augenschein zu nehmen. „Es ist Harrys.“

Der Junge zuckte bei der Erwähnung seines Namens zusammen und war nicht überrascht, dass sich die beiden roten Augen sofort auf ihn richteten. „Tatsächlich?“

„Ja! Sie fliegt jetzt schon seit ich hier bin in seinem Geist herum, aber er weiß nicht, wie er sie stellen soll und da es mich langsam auch interessiert, werde ich sie nun selbst stellen.“

„Nun, dann tu dir keinen Zwang an“, meinte Voldemort großzügig. Allerdings wussten sie alle, dass er nun selbst wissen wollte, was das für eine Frage war. Warum musste dieser Kerl ausgerechnet von ihm besessen sein?
 

„Nun, eigentlich sind es mehrere Fragen“, meinte sie, doch er bedeutete ihr nur genervt, weiterzusprechen. „Was sind Ihre politischen Ziele? Warum haben Sie sie? Und wie wollen Sie sie erreichen?“

Voldemort hob eine Augenbraue, während er immer noch Harry musterte. „Eigentlich hätte ich erwartet, dass du dir diese Fragen selbst beantworten kannst.“

„Es ist ein Unterschied, wenn es der tut, der einem die richtigen Antworten geben kann“, meinte er ruhig. „Am Ende könnte ich zu falschen Schlussfolgerungen kommen.“

Natürlich hatte er bereits welche, aber er wollte, nein musste geradezu hören, was er zu sagen hatte. Es kam ihn so vor, dass nichts einen Stellenwert hatte, sofern der dunkle Lord es nicht bestätigte. Allerdings konnte er dadurch Gefahr laufen, von ihm manipuliert zu werden. Wer wusste, wie lange dieser Kerl schon in seinen Gedanken gewesen war? Am Ende würde er ihm nur das erzählen, was er hören wollte.
 

„Wird er nicht“, versicherte ihm Felice sofort. „Er weiß, dass es keinen Sinn hat, solange ich neben dir sitze.“

„Könntest du bitte aufhören, in meinen Gedanken zu wühlen, Fel?“

„Ich kann nichts dafür!“, verteidigte sie sich aufgebracht. „Dein Kopf ist wie ein offenes Buch! Selbst wenn ich meine Okklumentikschilde oben habe, kann ich dich hören!“

Harry verengte verärgert die Augen. „Du weißt ganz genau, dass ich Okklumentik lernen würde, wenn ich einen Lehrer hätte.“

„Frag doch einfach... ach egal.“ Sie drehte sich wieder zu Voldemort um, der die Beiden amüsiert beobachtete. „Das war jetzt genug Bedenkzeit. Und?“
 

Der dunkle Lord ließ seinen Blick wieder zu Harry schweifen, wo er bis zum Ende der Gespräches bleiben sollte. „Ich bin ein Schwarzmagier“, erklärte er sanft. „Es liegt mir im Blut. Selbst wenn ich wollte, könnte ich das niemals ändern.“ Harry nickte, so etwas in der Art hatte er sich bereits gedacht. „Als ich mit elf Jahren nach Hogwarts kam, hatte ich das allerdings noch nicht gewusst. So kam es, dass ich wie alle anderen eine weißmagische Ausbildung bekam.“

„Das ist schlecht“, kommentierte Felice und fügte erklärend für Harry hinzu: „Wenn du eine magische Ausbildung bekommst, ist es immer wichtig, dass du sie in dem Gebiet bekommst, in das du hineingeboren wurdest. Das heißt, als Weißmagier musst du weiße Magie unterrichtet bekommen und als Schwarzmagier schwarze Magie. Ansonsten gibt es irgendwann eine Gegenreaktion deiner Magie, die manchmal sogar im Tod endet. Wenn du älter und erfahrender bist, kannst du natürlich auch die andere Seite erlernen, aber es wird dir um einiges schwerer fallen, als dein eigenes Gebiet.“

„Aus diesem Grund kommen in Hogwarts alle Schwarzmagier nach Slytherin“, ergänzte Voldemort. „Dort wird ihnen im ersten Jahr vom jeweiligen Hauslehrer beigebracht, wie sie weißmagische Zauber in schwarzmagische umwandeln. Allerdings gab es in meinem Jahrgang ein Problem, da unser Hauslehrer einen Unfall gehabt hatte und deshalb für ein Jahr aussetzten musste. Dadurch bekam keiner von uns diesen Unterricht, was sehr schnell zu Komplikationen führte.“
 

„Warum hat Euer Schulleiter keinen Ersatz beschafft?“, fragte Harry verdutzt.

„Ganz einfach, weil Albus Dumbledore zu diesem Zeitpunkt bereits in Hogwarts war“, meinte er und sein Gesicht verdunkelte sich. „Er war schon immer sehr begabt darin, seine Vorhaben durchzusetzten, doch damals hatten sie schwerwiegende Folgen.“

Harry nickte verstehend. Dieser Mann wurde ihm immer unsympathischer! Warum erkannte Neville nicht, was für ein Monster ihr Schulleiter eigentlich war?

„Sie sind gestorben“, hauchte Felice plötzlich. „Mehrere Slytherins. Und der Rest... mon dieu... Wie konnten die Elternbeiräte das zulassen? Was für eine Macht hat dieser Mann, dass er damit ungeschoren davon kam?“

„Es hatte nichts mit seiner Macht zu tun“, zischte Voldemort wütend, doch Harry wusste, dass nicht sie es war, die ihn verärgert hatte. „Es war eine Ungerechtigkeit, die tief in unseren Gesetzen verankert ist. Schwarze Magie ist ein tabu. Wer sie ausübt, ist des Todes oder wird zumindest nach Askaban geschickt. Und wer aus schwarzmagischen Familien kommt, wird sein ganzes Leben lang zu kämpfen haben, um in dieser Gesellschaft zu bestehen. Man muss seine Herkunft verleugnen und auf eine Art und Weise leben, die gegen alles spricht, was einen auszeichnet und das nur, weil irgendjemand vor vielen Jahren festlegte, dass schwarze Magie böse sei.“

Sein Blick fokussierte sich wieder auf Harry und wurde sofort sanft. „Gellert hat vor einigen Jahren dafür gekämpft, die Gerechtigkeit auf unsere Welt zurückzubringen und er hat es zum Teil geschafft. Die Hälfte Europas hat eingesehen, dass es keinen Unterschied darin gibt, ob man nun weiße oder schwarze Magie ausübt. Es sind die Hexen und Zauberer, die gut oder böse sind.“
 

Denn Magie war weder gut noch böse. Es gab sie einfach nur.

Das alles waren Phrasen, die Harry nur zur Genüge kannte. Lucius hatte sie ihm und Draco oft genug vorgebetet. Und er hatte Recht.

Warum erkannten das nur jene nicht, die die Gesetze machten?
 

„Ich werde zu Ende bringen, was er begonnen hat“, fuhr Voldemort fort. „Zumindest hier in Großbritannien. Die anderen Länder werden automatisch nachziehen, wenn wir es tun würden, das war schon immer so gewesen. Ich werde Gellerts Traum von einem gerechten Europa erfüllen.“

Wirst du mir dabei helfen?

Obwohl er die Frage nicht aussprach, wusste Harry, dass sie im Raum stand. Doch er war froh, dass er sie nicht stellte. Er hätte nicht gewusst, wie er darauf antworten sollte.

„Und wie wollt Ihr das anstellen?“

Voldemort lächelte. „Das wirst du schon sehen.“
 

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Am nächsten Tag saßen sie gerade alle beim Frühstück, als Lucius zur Tür hereinkam. Er war die ganze Nacht im Ministerium gewesen und wirkte dementsprechend erschöpft, doch es lag ein seltsames Glitzern in seinen Augen, was Harry böses ahnen ließ.

„So, liebe Felice, heute wirst du Zeuge der britischen Gastfreundschaft“, verkündete er und stellte sich direkt neben sie.

Misstrauisch beäugte sie ihn. „Ach ja?“ Es war offensichtlich, dass sie sich fragte, wie die aussehen sollte.

„Oh ja! Weißt du, was für ein hochtrabendes Ereignis dieses Jahr hier in England stattfindet?“

„Da Sie ein Mann sind, können Sie nur eines meinen: die Quidditchweltmeisterschaft.“

Harry stöhnte. Er ahnte bereits, was kam. „Bitte sag mir nicht, dass du Karten fürs Finale gekauft hast.“ Das fand nämlich genau an seinem Geburtstag statt.

„Genau so ist es!“, rief er begeistert und strahlte ihn geradezu an. „Und zwar nicht irgendwelche Karten, sondern die Besten! Wir werden in der Ehrenloge sitzen. Und dich, Felice, werden wir mitnehmen.“

„Cool“, entgegnete sie lächelnd. „Das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen, Mr. Malfoy.“

„Freundlich? Das ist genial!“, meinte Draco begeistert. „Das muss ich unbedingt Blaise erzählen!“

„Aber zuerst isst du dein Frühstück auf“, entgegnete Narcissa ungnädig. „Danach kannst du es ihm immer noch erzählen.“
 

Seufzend wandte sich Harry wieder seinem Frühstück zu. Na toll, er würde seinen Geburtstag also auf den Rängen eines Quidditchfeldes verbringen. Nun, immerhin würde Felice dabei sein und mit etwas Glück würde sich auch Neville irgendwo inmitten der Massen finden lassen.

„Wo treibt sich eigentlich dieser dunkle Lord heute herum?“, fragte seine beste Freundin plötzlich und erntete sofort mehrere böse Blicke. „Was denn? Ist doch nur eine Frage.“

//Stimmt//, dachte Harry und sah zu dem leeren Stuhl hinüber, auf dem er sonst gesessen hatte. //Ich habe ihn heute noch gar nicht gesehen.//

„Der dunkle Lord ist in sein Manor zurückgekehrt, um sich weiter seinen politischen Zielen zu widmen“, erklärte Lucius. „Aber keine Sorge, du wirst ihn sicher noch einmal zu Gesicht bekommen, bevor du gehst.“

„Toll“, meinte Felice tonlos. „Ich kann es kaum erwarten.“
 

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Die folgenden Tage verliefen recht ereignislos und schließlich war er gekommen, der 31. Juli. Nach einem üppigen Geburtstagsfrühstück und Geschenkeauspacken machten sie sich auf den Weg zur Weltmeisterschaft. Wie erwartet herrschte hier das pure Chaos. Überall standen Zelte und die verschiedensten Leute liefen umher, feierten, grölten, betranken sich und taten somit das, was aus irgendeinen Grund immer bei solchen Veranstaltungen geschah.

Auch sie würden in einem Zelt schlafen, das in der Nähe des Waldes stand, in dem sich das Stadion befand.
 

Lucius hatte sich für diesen Anlass extra frei genommen, weshalb er und Narcissa es sich bis zum Spiel im Zelt gemütlich machen würden. Draco suchte derweile nach seinen Slytherinfreunden, die auch irgendwo inmitten des Chaos stecken sollten. Somit blieben nur noch Harry und Felice übrig. Nach einer kurzen Diskussion entschieden sie sich dafür, zu den unzähligen Verkaufsständen zu gehen, die es in der Nähe geben musste.

Auf den Weg dorthin stellte Harry die alles entscheidende Frage: „Wer spielt heute eigentlich?“

Er hatte wirklich nicht das geringste Interesse an Quidditch. Er war schon froh, wenn er mitbekam, wer in Hogwarts gerade die Führung inne hatte.

„Irland gegen Bulgarien“, erklärte Felice fröhlich und sah sich interessiert um. Für sie war das hier das wahre Paradies. Im Gegensatz zu ihm liebte sie Menschenansammlungen und große Veranstaltungen. Seiner Meinung nach war das ein wahrer Paradox zu ihrer Eigenschaft als Empathin. Normalerweise lebten sie eher als Einsiedler in einer einsamen Hütte inmitten des Waldes.
 

„Das ist der größte Unsinn, den du in letzter Zeit zusammen gesponnen hast“, kommentierte sie seinen Gedanken sofort. „Wir Empathen genießen unsere Fähigkeiten zu sehr, als dass wir sie verkümmern lassen. Du glaubst nicht, was für einen Heidenspaß es macht, die Menschen dazu zu bringen, deinen Willen auszuführen.“

„Wobei du darin noch nicht besonders gut bist“, erinnerte er sie.

Das stimmte. Es erforderte jahrelanges Training und große Disziplin, bis Empathen in der Lage waren, ihre Fähigkeiten voll zu nutzen. Felice befand sich noch in einer Anfangsstufe, sie beherrschte zwar bereits das Lesen und Verschließen von Gedanken und Gefühlen, doch noch konnte sie nichts damit anstellen. Insgeheim hoffte Harry, dass das auch noch eine Weile so blieb.
 

Plötzlich blieb sie seufzend stehen. Auf seinen fragenden Blick schüttelte sie nur mit dem Kopf und einen Moment später wusste er ohnehin, was ihr Verhalten zu bedeuten hatte.

„Harry!“

Es war Nevilles Stimme und einen Augenblick später stand der Auserwählte neben ihnen und strahlte ihn an – während er Felice wohlweislich ignorierte.

Die Beiden hassten sich, seit sie sich das erste Mal gesehen hatten. Für Harry war das ziemlich überraschend gewesen, hatte er doch angenommen, sie würden sich bestens verstehen. Der Grund für ihre gegenseitige Abneigung hatten sie ihm nie verraten, genauso wenig, wie sie jemals versucht hatten, ihn gegen den Anderen aufzuhetzten. Es war eher so, dass sie akzeptierten, dass er beide mochte, aber selbst wollten sie nichts mit dem jeweils anderen zu tun haben.

„Ich hatte gehofft, dich hier zu sehen“, meinte Neville strahlend. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, mein Freund! Bist du mit deiner Familie hier? Wie geht es dir? Ist alles gut gegangen?“

„Ähm...“ Er warf Felice einen vorsichtigen Blick zu. Diese verdrehte nur theatralisch die Augen, bevor sie mit einem „Ich geh ein paar Freunde suchen“ davon schlenderte.

Harry war sich sicher, dass sie die finden würde.
 

Augenblicklich entspannte sich Neville zusehends und er schlang ihm einen Arm um die Schultern, um ihn mit sich zu ziehen. „Ich bin mit Großmutter und Hermione hier. Wir haben unser Zelt dahinten, genauso wie noch einige Mitglieder aus dem Orden.“

„Auch die Weasleys?“, fragte Harry, was seinen besten Freund dazu brachte, sein Gesicht zu verziehen.

„Ja, leider. Aber versteh das nicht falsch, Molly und Arthur sind wirklich sehr liebe Menschen.“

//Das ist Ansichtssache//, dachte Harry. Als er sie das letzte Mal gesehen hatte, war Mrs. Weasley in Tränen ausgebrochen und hatte darüber geklagt, wie ein so guter Junge ein „so grauenvolles Schicksal“ haben konnte, wie er. Seiner Meinung nach hätte es schlimmer kommen können, zum Beispiel, wenn er bei den Verwandten seiner Mutter gelandet wäre.

„Fred und George sind auch okay“, fuhr Neville derweile fort. „Aber Ronald...“

Harry nickte. „Ja, ich weiß.“
 

Wenn es einen Menschen in Hogwarts gab, der Neville hasste – die ganzen Slytherins einmal ausgenommen – war es Ronald Weasley. Der Grund dafür war ein äußerst trauriger, der vor knapp vier Jahren beinahe dazu geführt hätte, dass die Schule geschlossen wurde. Es war ihr zweites Jahr gewesen, als Ginny Weasley die Kammer des Schreckens öffnete und alle in Angst versetzte. Harry hatte nie begreifen können, wie sie es geschafft hatte. Fakt war, dass sie dabei umgekommen und aus irgendeinen Grund gab ihr Bruder Ron Neville die Schuld an diesem Vorfall.

Was war damals eigentlich geschehen? Wie hatte sie die Kammer öffnen können? Und warum? Ginny kam aus einer weißmagischen, Muggel liebenden Familie. Hätte Draco die Kammer geöffnet, hätte das jeder nachvollziehen können. Aber sie?

Es gab wirklich viel, was er nicht wusste.
 

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Kurze Zeit später saß er zusammen mit Neville und Hermione in dem Zelt von Mrs. Lovegood. Insgeheim hatte er ein schlechtes Gewissen, Felice einfach sich selbst zu überlassen, aber er war wirklich froh, seinen besten Freund wiederzusehen. So gern er die blonde Französin auch hatte, es war doch ein Unterschied, einen Jungen vor sich zu haben.

Mrs. Lovegood war begeistert gewesen, ihn wiederzusehen. Sie mochte ihn seit dem Zeitpunkt, als er das erste Mal ihr Haus betreten hatte. Sie bot ihm sofort an, wieder zu Besuch zu kommen und es tat ihm beinahe Leid, ablehnen zu müssen. In etwa einer Woche würde er in die Provence fahren und sich etwas am Mittelmeer entspannen. Es würde ihm gut tun, wieder einmal etwas anderes zu sehen und außerdem würde er so eine Weile vor dem dunklen Lord sicher sein – hoffte er zumindest.
 

„Und?“, fragte Hermione nach einer kurzen Schweigeminute. „Wie ist es dir ergangen?“

Harry heftete seinen Blick auf das Mädchen. Manchmal mochte er sie, doch das waren immer kurze, flüchtige Momente, die bald von einer Erinnerung unterbrochen wurden, wer sie eigentlich war. Er wusste, dass sie ihn beneidete, dass er alles war, was sie sein wollte: Der Jahrgangsbeste, ein Spross aus einer angesehenen Familie und – was für sie das Unverzeihlichste war – Nevilles bester Freund. Hermione gehörte zu jenen Menschen, die ihr ganzes Leben darauf verwandten, die Spitze ihrer Gesellschaft zu erreichen. Vielleicht würde sie es tatsächlich einmal schaffen, allerdings hoffte er, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits einer anderen Gesellschaft angehören würde.
 

„So wie immer“, antwortete Harry schulterzuckend auf ihre Frage. „Vater war arbeiten, Draco trieb sich bei seinen Freunden herum und Mutter versicherte mir dreimal täglich, wie wunderbar es sei, dass ich wieder da bin.“

„Ah“, erwiderte sie und er wusste, dass das nicht war, was sie erwartet hatte. „Und... was ist mit Du-weißt-schon-wer?“

„Was soll mit ihm sein?“

„Nun... er war euch doch besuchen, oder?“

//Wer will das wissen? Du oder Dumbledore?//

Doch er erwiderte nur schweigend ihren Blick. Es brachte nichts, jetzt eine Diskussion über Dumbledore zu beginnen. Es hatte noch nie etwas gebracht.

„Hat er dir verboten, über ihn zu sprechen?“, flüsterte Neville. „Musstest du einen unbrechbaren Schwur leisten? Oder... hat er dich bereits zu einem Tod...“

„Keine Sorge, Neville“, warf er eilig ein und schenkte ihm ein Lächeln. „Er hat mich kaum beachtet. Immerhin bin ich nur der Sohn seines Untergebenen und nicht einmal sein Erbe. Er interessiert sich mehr für Draco.“

Es war eine Lüge. Er wusste selbst nicht, warum er sie erzählte. Er könnte ihnen genauso gut die Wahrheit sagen, ihnen seine Sorgen und Bedenken mitteilen und Neville damit vielleicht schützen. Wenn der dunkle Lord vorhatten, ihn zu benutzen, um seinen besten Freund zu vernichten, musste er so früh wie möglich gewarnt werden. Aber vielleicht würde er ihn dann verlieren...

//Du verlierst ihn so oder so. Die Frage ist nur, ob du der Verräter oder der Held sein willst.//

Doch wen würde er verraten? Für wen wäre er ein Held? Wo stand er überhaupt? Wollte er überhaupt irgendwo stehen?

In jenem Moment war ihm noch nicht klar, dass ihm bald keine andere Wahl bleiben würde, als sich zu entscheiden.
 

„Das ist gut“, hauchte Neville sichtlich erleichtert. „Ich dachte schon... aber das ist egal. Also hast du nichts mit ihm zu tun, ja? Du bist in Sicherheit?“

„Natürlich, mach dir nicht immer so viele Sorgen.“

„Und... er will auch nicht, dass du dich ihm anschließt?“

//Oh, das will er bestimmt...//

„Nein. Und selbst wenn, ich würde es nicht tun.“ Er klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. „Ich werde dich schon nicht verlassen, Neville. Wir sind Freunde, nicht wahr?“

„Natürlich“, entgegnete er sofort und lächelte. „Die Besten.“

Harry erwiderte sein Lächeln. „Egal was passiert, ich werde dich nicht verraten. Ich bleib auf deiner Seite, okay?“

Sein Lächeln wurde strahlender. „Okay.“

Er wusste, dass er dieses Versprechen niemals einhalten würde können. Aber es machte Neville glücklich und das war für den Moment das Wichtigste.
 

Plötzlich hörten sie ein Räuspern und beide Jungen wandten sich Hermione zu, die ihre Interaktion missmutig beobachtet hatte. „Harry, da ist übrigens jemand, der mit dir sprechen wollte.“

Blinzelnd fragte er: „Wer denn?“

„Keine Ahnung, ich hab ihn noch nie gesehen, aber Dumbledore meinte, es wäre in Ordnung.“

„Da bin ich mir nicht so sicher“, warf Neville finster ein. „Ich trau diesem Kerl nicht, er hat etwas seltsames an sich.“

„Ja, das auf jeden Fall“, bestätigte sie. „Fast... als wäre er nicht.... wie auch immer, er ist in einem der Nebenzelte. Willst du zu ihm?“
 

Harry zögerte.

Einerseits war er ziemlich neugierig, wer mit ihm sprechen wollte. Besonders, wenn sowohl Hermione als auch Neville diesen Fremden als merkwürdig einstuften. Natürlich könnte das etwas Schlechtes bedeuten, aber sein Gefühl sagte ihm, dass es richtig wäre, sich mit dieser Person zu befassen.

Andererseits hatte Dumbledore nichts dagegen, dass er mit dem Unbekannten sprach und das konnte einfach nichts Gutes bedeuten.

//Ich hätte Felice mitnehmen sollen//, dachte er. //Dann wüsste ich jetzt zumindest, über wen die Beiden reden.//

Felice war aber nicht hier, also musste er selbst entscheiden.
 

„In welchem Zelt ist diese Person?“, fragte er schließlich.

„Gleich gegenüber.“

„Das Rote?“

„Genau.“

Harry nickte und stand auf. „Okay. Ich werde hingehen.“

Die Beiden erhoben sich ebenfalls, doch er hielt sie auf. „Ich werde alleine gehen.“

„Aber...“, wollte Neville einwerfen, wurde allerdings unterbrochen.

„Heute ist das Finale der Weltmeisterschaft und ihr seid noch nicht mit Fanartikeln versorgt! Geht einkaufen! Wir sehen uns sicher später noch!“

„Bist du dir sicher?“, hakte Neville nach, obwohl Harry wusste, dass er nichts lieber tun würde, als sich in die Massen zu stürzen.

„Klar! Du weißt, das Ganze ist nichts für mich. Also amüsiert euch ruhig.“

Bevor sein Freund etwas erwidern konnte, griff Hermione entschlossen nach seinem Arm. „Harry hat Recht! Wer immer der Kerl ist, er wird ohnehin nicht reden, solange wir dabei sind. Bis später!“ Mit diesen Worten zog sie den Auserwählten davon und ließ Harry allein zurück.
 

Einen Moment hielt er inne und sah ihnen hinterher.

//Hältst du das wirklich für eine gute Idee?//, schrie sein Verstand. //Du kannst doch nicht einfach mit irgendwelchen verdächtigen Männern reden, die Dumbledore als „in Ordnung“ einstuft!//

Doch, er konnte.

Obwohl es unvernünftig war, ging er wieder hinaus ins Freie und steuerte direkt auf das Zelt zu, in dem der Fremde auf ihn wartete. Er wusste nicht, weshalb, aber etwas sagte ihm, dass es wichtig war, mit dieser Person zu sprechen.

Er sollte Recht haben. Das Gespräch, das er gleich führen sollte, würde der Anfang sein.

Der Anfang der Veränderung.

Der Anfang des Leides.

Der Angst.

Der Ungewissheit.

Und für manche auch der Anfang vom Ende.
 

Das Innere des Zeltes war abgedunkelt, man konnte nicht viel erkennen, dennoch wirkte es so, als wäre niemand darin. Vorsichtig betrat er es, die Hand in der Nähe seines Zauberstabs, um ihn im Notfall ziehen zu können. „Hallo?“

Irgendwo vor ihm ertönte ein Rascheln. Eine einzelne Gestalt trat aus den Schatten hervor und er konnte unverkennbare Augen in der Finsternis sehen, die ihn aufmerksam musterten.

„H... Harry?“, krächzte die Stimme eines Mannes und die Augen des Jungen weiteten sich.

//Das ist unmöglich...//

„R... Remus?“

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mon dieu – Mein Gott
 

Ich persönlich mag dieses Kapitel irgendwie. Besonders die Gespräche zwischen Harry und dem dunklen Lord und Harry und Neville. <3

Aber entscheidet selbst.

Es ist heiß heute, wenn ihr mich fragt... und morgen soll es noch heißer werden... na großartig. XD

Ich persönlich mag die Wärme ja nicht so, aber allen anderen wünsche ich viel Spaß draußen und vergesst nicht, euch ordentlich einzucremen! ^.~

Ansonsten wie immer vielen Dank an die lieben Kommischreiber zum letzten Kapitel und all die anderen Leser. *jedem einen Eisbecher hinstell*

Wir lesen uns dann wieder im nächsten Kapitel!

Bis dann,

eure Ayako

Truths And Lies

Heyho!

Willkommen zu einem neuen Kapitel von Time Changed Everything. Und es ist - meiner Meinung nach - sogar ohne Cliffhanger! Ich hoffe nur, dass ihr es genauso seht...

Deshalb vielen Dank an die lieben Kommischreiber zum letzten Kapitel! Dank euch bekomme ich immer einen guten Eindruck, wie meine Texte ankommen. Wenn ich etwas gelernt habe, seit ich angefangen habe, Fanfictions zu schreiben, dann dass der Autor es immer anders sieht, als die Leser! *eifrig nick*

Deshalb möchte ich hier auch auf eine Ungereihmtheit aufmerksam machen, die jemanden aufgefallen ist: Harrys Briefe an Felice.

Ihr müsst wissen, dass Harry schon seit Jahren an sie schreibt und die Briefe am Anfang jedes Kapitels sind nach der Thematik ausgewählt und nicht nach der Handlung. Nehmen wir zum Beispiel den Brief in diesem Kapitel. Er wurde von Harry vor Jahren geschrieben und handelt von Remus, weil Remus in diesem Kapitel vorkommt. Versteht ihr, worauf ich hinauswill? Ansonsten könnt ihr gerne nachfragen, ich bin jederzeit bereit, es noch einmal genauer zu erklären. ^^

So, das war es auch schon wieder von mir!

Ich wünsche euch eine schöne Woche!

Bis bald,

eure Ayako
 

P.s.: Gott, ist das heiß!!!! Mein Zimmer scheint sich irgendwie immer mehr aufzuwärmen, geht es euch auch so? Hoffentlich gibt es bald ein Gewitter...

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Truths and Lies
 

Liebe Felice,
 

viele Menschen sagen, sie fürchten sich vor Werwölfen und vielleicht haben sie auch Recht damit. Sie können gefährlich sein, besonders an Vollmond, da sie dann zu unkontrollierbaren Bestien werden und alles und jeden um sich herum zerfleischen. Einige von ihnen tun es mutwillig, das möchte ich nicht bestreiten.

Aber trotzdem gibt es auch welche, die sich ihr Schicksal nicht ausgesucht haben und ihre ganze Existenz als einen Fluch ansehen.

Einer dieser Werwölfe ist Remus Lupin. Er war ein guter Freund meines richtigen Vaters und mein Patenonkel. Früher kam er oft vorbei. Ich mochte ihn, sehr sogar. Er hatte ein sehr ruhiges Gemüt und war immer bereit, meinen kindlichen Gedanken zu lauschen. Er war es auch, der sich nach dem Tod meiner Eltern um mich kümmerte.

Du fragst dich jetzt sicher, warum du ihn dann nicht schon längst kennengelernt hast, nicht wahr? Er ist in Askaban. Dumbledore hat ihn hingeschickt.

Es ist schon seltsam... bis zum heutigen Tag habe ich mich nie gefragt, warum... ich hatte es einfach hingenommen, als etwas, das in der Welt der Erwachsenen geschah. Wenn man sie so betrachtet, möchte man doch beinahe für immer Kind bleiben, oder?

Manchmal wünschte ich, Remus wäre wieder hier... aber das wird nicht geschehen. Wenn Dumbledore dir einmal etwas nimmt, dann nimmt er es dir für immer. Bete, dass du niemals in seine Zielscheibe gerätst, denn für mich ist es ohnehin zu spät.
 

Alles Liebe,

Harry
 

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Harry konnte das schwingende Geräusch eines Zauberstabes hören und im nächsten Moment wurde das Zelt von mehreren brennenden Kerzen erhellt. Blinzelnd blickte er zu dem Mann hinüber, der reglos in der Mitte des Raumes stand und ihn immer noch anstarrte, als wäre er ein Geist. Obwohl es elf Jahre her war, seitdem er ihn zuletzt gesehen hatte, erkannte er ihn sofort.

Drei, feine Narben, die sein Gesicht verunstalteten.

Dünnes, braunes Haar, das mit der Zeit erste, graue Strähnen gewonnen hatte – alterten Werwölfe schneller als Menschen?

Und seine Augen, dieselben braunorangenen Augen, bei denen man sofort wusste, dass man kein menschliches Wesen vor sich hatte.

„Remus.“
 

Er trug einen modischen Umhang und machte im Großen und Ganzen einen gesunden Ausdruck, doch die Jahre der Gefangenschaft standen in sein Gesicht geschrieben. Er sah älter und müder aus, als jemals zuvor. Doch als er ihn erkannte, huschte ein Lächeln über seine Lippen und es schien, als würde mit einem Schlag das Leben in seinen Körper zurückkehren.

„Harry“, sagte er, diesmal etwas lauter, sicherer, fester. „Harry, du bist es wirklich.“

Mit langen, schnellen Schritten durchquerte er den Raum und nahm sein Gesicht zwischen seine Hände, um ihn genauer in Augenschein zu nehmen. „Du siehst gut aus“, murmelte er, mehr zu sich selbst als zu ihm. „Und gesund. Also haben dich diese Aasgeier doch gut behandelt.“

„Narcissa und Lucius sind keine Aasgeier“, widersprach er ihm sofort. Vielleicht war das nicht die typische Art seinen Patenonkel zu begrüßen, wenn man ihn nach elf Jahren wiedersah, aber er fühlte sich verpflichtet, seine „Familie“ zu verteidigen. Selbst, wenn er sie manchmal gerne eintauschen würde, hatten sie sich gut um ihn gekümmert und ihm all die Liebe geschenkt, die er von ihnen verlangt hatte. „Sie sind sehr gute Menschen und wunderbare Eltern.“

//Sie haben mich nicht im Stich gelassen, im Gegensatz zu anderen Leuten.//
 

Er wusste nicht, was er von der ganzen Sache halten sollte. Warum war Remus hier? Warum jetzt? War das Zufall oder geplant?

Wie fühlte er sich nun, wo er diesen Mann wiedersah? War er froh? War er verwirrt? War er wütend?

Natürlich war er sich darüber bewusst, dass es Unsinn wäre, ihm vorzuwerfen, er hätte ihn verlassen. Remus hätte ihn niemals allein gelassen, nicht freiwillig zumindest. Harry war schon vor einigen Jahren zu dem Schluss gekommen, dass Dumbledore ihn hatte beseitigen wollen, damit er ihn zu der Schwester seiner Mutter schicken konnte. Glücklicherweise hatte Narcissa ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht und dafür würde er ihr ewig dankbar sein.
 

Der Werwolf ließ bei seinen Worten die Hände wieder sinken und sah schuldbewusst zu Boden. „Natürlich... verzeih mir. Ich... hatte für einen Moment vergessen, dass du nicht mehr der kleine Junge bist, an den ich mich erinnere.“ Nervös fuhr er sich durchs Haar, bevor er auf ein paar Sessel deutete, die im Zelt standen. „Wollen wir uns setzten?“

Harry zögerte. Natürlich sprach nichts dagegen, es sich mit seinem Patenonkel bequem zu machen und etwas zu plaudern – sein Gefühl war ohnehin der Meinung, dass er es tun musste – aber sein Verstand blieb misstrauisch. Remus müsste eigentlich im Gefängnis sein. Woher sollte er wissen, ob der Mann vor ihm nicht jemand anderes war, der Vielsafttrank genommen hatte und ihn nun verhören sollte?
 

Trotzdem saß er einen Moment später auf einem der Sessel und beobachtete den Werwolf, der unruhig auf seinem eigenen herumrutschte und nicht zu wissen schien, was er sagen sollte.

Aus diesem Grund stellte Harry die elementarste Frage: „Warum bist du hier?“

Der Ältere zuckte bei seinen misstrauischen Tonfall zusammen und sah ihn an. „Wie...?“

„Warum bist du nicht in Askaban? Seit wann bist du draußen? Und wieso hat mir niemand etwas davon erzählt? Warst du überhaupt in Askaban oder woanders? Wenn ja, wo? Und warum tauchst du ausgerechnet hier und jetzt auf?“
 

Remus musterte ihn lächelnd. „Es stimmt also, dass man die Eigenschaften seiner Eltern genetisch vererbt bekommt.“

Fragend hob der Junge seine Augenbraue. Wovon redete er?

„James hätte genauso reagiert wie du“, erklärte er heiter. „Er hätte mir tausend Fragen gestellt bis er alles wusste, um sich ein Bild von der gegenwärtigen Situation zu machen. Allerdings tat er dies nur bei den Menschen, die ihm etwas bedeutete. Bei allen anderen pflegte er des Öfteren vorschnell zu handeln.“

Oh ja, das wusste Harry nur zu gut. Severus Snape liebte es, ihm dies mitzuteilen, wenn er wieder einmal bei ihm allein nachsitzen musste. Snape war der einzige Lehrer, der ihn auf diese Art bestrafte und dies oft für die merkwürdigsten Gründe.

Neville glaubte, dass der Mann ihn einfach hasste und ihm deshalb das Leben zur Hölle machen wollte, aber Harry war sich da nicht so sicher. Dafür passte Snape einfach etwas zu genau auf ihn auf.

//Irgendwann werde ich herausfinden, was er von mir will.// Doch davor musste er sich um Remus kümmern.
 

„Du musst mir glauben, dass es niemals meine Absicht war, dich den Malfoys zu überlassen“, begann dieser entschlossen. „Ich hätte dich selbst aufgenommen, wenn Albus es nicht verboten hätte. Das Problem war nur, dass ich damals von meinem eigenen Stolz und der Trauer um deine Eltern geblendet war, weshalb ich die Kontrolle verlor und Albus beinahe zu demselben Schicksal verdammt hätte, was mir auferlegt worden ist.“ Seine Hände begannen zu zittern, als er sich an diesen Tag erinnerte. Es war offensichtlich, dass er sich selbst für seine Dummheit verfluchte. „Daraufhin wurde ich zu Recht nach Askaban geworfen, wo ich lange Zeit blieb. Doch vor etwa einem Jahr kam ich wieder.“

„Warum hast du dich nicht gemeldet?“, fragte Harry sofort.

„Weil ich nicht wusste, wo du bist“, erklärte er verzweifelt. „Ich wusste nicht, wo Albus dich hingeschickt hat, welche Familie gewann. Und er sagte es mir nicht, er sagte es mir sehr lange nicht.“

„Und warum weißt du es jetzt?“

Sofort verfinsterte sich sein Gesicht und er starrte düster auf einen Punkt am Boden. „Er... hat mir ein Angebot gemacht...“
 

„Du bist im Orden.“ Es war eine Aussage, keine Frage. „Dumbledore hat dich erpresst. Solange du nicht einer seiner Gefolgsleute bist, sagt er dir nicht, wo ich bin.“

„Du bist wirklich so intelligent, wie er sagte“, stellte Remus lächelnd fest, allerdings wurde er gleich darauf wieder ernst. „Albus hält es für das Beste, wenn niemand erfährt, wer du wirklich bist. Für die Welt musst du seiner Meinung nach Harvey Malfoy bleiben. Aber ich muss ihm widersprechen.“

Interessiert sah Harry ihn an. „Und was wäre deine Idee?“

„Komm zu mir! Du bist alt genug, dass ich dich während der Vollmondnächte alleine lassen kann und den Rest des Jahres bist du ohnehin in Hogwarts. Ich sehe ein, dass es zu deinem eigenen Schutz war, dass du bei den Malfoy aufgewachsen bist. Dort hätte Voldemort niemals nach dir gesucht! Aber jetzt, wo er wieder da ist, sieht die ganze Sache anders aus.“
 

Harry sah ihn mit gerunzelter Stirn an. Er war so daran gewöhnt, dass alle Voldemort als „Du-weißt-schon-wer“ oder „der dunkle Lord“ bezeichneten, dass es ihn überraschte, jemanden anders sprechen zu hören.

//Wenn du bei Lily und James groß geworden wärst, würdest du wahrscheinlich auch so reden//, kommentierte sein Verstand diese Aussage. //Hier kommt wohl deine Erziehung durch.//

„Remus“, sagte er sanft. „Narcissa, Lucius und Draco sind jetzt meine Familie. Ich kann nicht einfach mit dir irgendwo hingehen.“

„Aber...“

„Außerdem ist es ohnehin zu spät. Der dunkle Lord ist mir bereits begegnet und er weiß, wer ich bin. Das heißt, wenn er wirklich vorhat, mir irgendetwas anzutun, wird er es können, egal ob ich Zuhause bin oder bei dir.“

„Aber...“

„Du hast es selbst gesagt, Remus“, sagte Harry entschlossen und erhob sich. „Ich bin nicht mehr der kleine Junge, an den du dich erinnerst. Elf Jahre sind eine lange Zeit. Einmal warst du für mich der großartigste Onkel auf der Welt, aber inzwischen bist du nichts, als ein Fremder. Ich habe meinen Platz in diesem Leben gefunden und er ist nicht bei Dumbledore.“

„Heißt das, du bist auf Voldemorts Seite?“, fragte der Werwolf fassungslos, doch der Junge schnaubte nur.

„Natürlich nicht. Ich bin auf Nevilles Seite.“ Er drehte sich um und ging auf den Ausgang zu. „Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, ich will mir dann das Finale der Weltmeisterschaft ansehen.“
 

„Harry!“, rief der Werwolf und er drehte sich noch einmal zu ihm um.

Ein tiefer Schmerz stand im Gesicht des Mannes geschrieben, der wahrscheinlich von seinen Worten herrührte. Kurz bekam er ein schlechtes Gewissen. Vielleicht war er etwas zu hart. Vielleicht sollte er ihm doch eine Chance geben und zumindest eine Weile bei ihm wohnen.

//Nein//, sagte sein Verstand. //Remus ist nun eine von Dumbledores Schachfiguren. Wenn du bei ihm bist, wird der alte Mann dich nur manipulieren.//

„I... Darf ich dir wenigstens schreiben?“
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

„Du hast ja gesagt.“

Harry nickte nur. Es wäre sinnlos, Felice zu widersprechen. Sie wusste ohnehin alles, was er wusste und vielleicht noch mehr. Sie liefen durch den Wald auf das Stadion zu. Narcissa und Lucius schlenderten ein paar Schritte vor ihnen, während Draco gemeinsam mit Blaise hinter ihnen hertrottete. Zwar hatten die Zabinis keinen so guten Sitzplatz ergattern können wie sie, aber sie waren dennoch voller Begeisterung und freuten sich auf das kommende Spiel. Harry musste zugeben, dass selbst er inzwischen eine gewisse Aufregung verspürte. Ein WM-Endspiel ließ nicht einmal ihn kalt.

„Da sehen wir wieder einmal deine sentimentale Ader“, meinte seine beste Freundin seufzend. „Wäre er nicht der Freund deines Vaters gewesen und noch dazu dein Pate, könntest du vernünftig handeln und ihn links liegen lassen. Aber so....“

„Meine sentimentale Ader?“, wiederholte er belustigt.

„Ja, deine sentimentale Ader. Wenn du einen Fehler hast, dann ist sie es.“
 

„Vielen Dank auch“, entgegnete er sarkastisch und seufzte. „Warum muss es nur jetzt passieren? Wo ich doch schon mit diesem Mistkerl von dunklen Lord geplagt bin.“

„Lass ihn das mal lieber nicht hören“, entgegnete sie grinsend. „Es würde ihm das Herz brechen. Allerdings hast du Recht, ich würde auch gerne wissen, warum alle so auf dich fixiert sind. Ich meine, so besonders bist du nun auch wieder nicht. Gut, du hast eine außergewöhnliche Intelligenz, aber das kommt in jeder zweiten Schule vor. Außerdem fordert man diese Leute und wirbt sie an, bei sich zu arbeiten. Aber man ist weder von ihnen besessen, noch beobachtet man jeden ihrer Schritte.“

Harry nickte. Soweit war er auch schon mit seinen Gedanken gekommen.

„Ich wünschte, ich würde Dumbledore treffen“, murmelte sie düster. „Dann wüsste ich vielleicht, was er von dir will.“ Sie warf ihm einen Seitenblick zu. „Du bist dir nicht sicher, was du von der ganzen Sache halten sollst. Du machst dir Sorgen. Um Remus, weil er sich auf Dumbledore eingelassen hat und um dich selbst. Mit letzterem hast du übrigens Recht. Ich würde mir an deiner Stelle auch Sorgen machen.“

„Und warum?“, fragte er beunruhigt.

„Ganz einfach“, begann sie und sah ihn mit ernsten Gesichtsausdruck an, „weil Draco uns gleich ansprechen wird.“
 

Tatsächlich wurde ihm im nächsten Augenblick ein Arm um die Schulter geschlungen und sein Bruder drängte sich zwischen die Beiden. „Gleich beginnt das Finale, ist das nicht furchtbar aufregend?“

„Furchtbar ist das passende Wort“, murmelte Harry, aber der Blondhaarige achtete gar nicht auf ihn.

„Ich freue mich schon darauf, Krum spielen zu sehen. Es ist ein Unterschied, wenn man die Leute kennt, nicht wahr?“

„Da fällt mir ein, ist deine Familie heute gar nicht hier?“, wandte sich Harry an Felice.

„Doch! Wir werden sie dann später sehen. Sie haben auch Karten auf der Haupttribüne“, erklärte sie munter. „Wo sitzt eigentlich unser lieber Auserwählte?“
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

„Der liebe Auserwählte“ sollte direkt hinter ihnen sitzen – zum großen Leidwesen von Draco und Felice. Glücklicherweise war Felices Familie tatsächlich da, weshalb sich Neville bald mit Fleur unterhielt und es somit zu keinem Streit kommen konnte.

Madame und Monsieur Delacour waren entzückt, sie alle zu sehen und begannen augenblicklich mit Lucius und Narcissa zu plaudern, während sie auf den Beginn des Spieles warteten. Sie saßen direkt vor ihnen und bald darauf war die Tribüne voll. Nur neben Felice fehlte seltsamerweise ein Platz. Doch bald darauf setzte sich ein gutaussehender Mann darauf, den Harry auf Ende zwanzig schätzte. Er hatte dichtes, schwarzes Haar und wirkte zusammengefasst wie ein Model. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn der Kerl viele Verehrerinnen hatte.

Kaum hatte er sich niedergelassen, drehte sich Felice lächelnd zu ihm um und die Beiden begannen ein Gespräch auf Französisch. Interessant, sie kannte ihn also.

Plötzlich hörte er, wie Narcissas Stimme neben ihn verstummte und auch sie sich zu dieser Person umdrehte. „Regulus?“
 

Der Mann wandte sich neugierig zu ihr um und als er sie erkannte, erschien ein freudiger Ausdruck auf seinem Gesicht. „Narcissa! Liebste Cousine! Was für ein Zufall, dass wir uns ausgerechnet hier treffen!“

„Regulus ist Narcissas Cousin“, erklärte Felice leise. „Er ist vor ein paar Jahren nach Frankreich gekommen und hat bei uns einen nicht ganz unwesentlichen Posten im Ministerium erlangt. Würde mich nicht wundern, wenn er irgendwann Henris Nachfolger wird.“

Er nickte verstehend und hörte dabei zu, wie die Erwachsenen über vergangene Zeiten plauderten. Dabei ließ er Regulus keinen Moment aus den Augen. Natürlich hatte er bereits von ihm gehört. Ganz früher, als er noch Harry Potter gewesen war, hatten sein Vater und Sirius oft über ihn gesprochen, besonders, wenn sie nach einem ihrer „Männerabende“ sturzbetrunken nach Hause kamen, was seine Mutter jedes Mal aufs Neue furchtbar aufregte. Aber auch Narcissa redete gerne über ihn – offenbar war er ein sehr umgänglicher Mensch.
 

Soweit er es wusste, hatte er seinen großen Bruder verehrt und selbst als dieser aus seiner eigenen Familie verbannt worden war, hatte er den Kontakt zu ihm niemals abgebrochen.

//Ob er weiß, wo Sirius steckt?//, sinnierte er und musste sofort über sich selbst den Kopf schütteln. Remus Rückkehr hatte ihm offenbar mehr zugesetzt, als er gedacht hatte, wenn er nun bereits damit begann, über seinen anderen Paten nachzudenken.

//Er ist nicht mehr dein Pate, genauso wenig wie Remus. Harry Potter existiert nicht mehr, bereits seit Jahren. Du bist ein Malfoy!//

Allerdings schien es so, dass einige Leute Harry Potter zurückhaben wollten. Warum nur?
 

Plötzlich bemerkte er, wie Regulus seinen Blick auf ihn geheftet hatte. Fragend hob er eine Augenbraue, was den Älteren zu einem charmanten Lächeln verleitete, für das wahrscheinlich viele Frauen sterben würden, um nur einen Blick darauf werfen zu können. Er war wirklich äußerst... attraktiv.

Felices Lippen verzogen sich zu einem breiten Grinsen, doch sie behielt jeglichen sarkastischen Kommentar für sich. Gut für sie.

„Du bist also der berühmte Harvey“, sagte Regulus in einem neutralen Tonfall. „Felice hat mir bereits viel über dich erzählt.“

//Ach ja?// Er warf ihr einen Blick zu. Das Grinsen war immer noch da, aber ansonsten wirkte sie unschuldig oder versuchte zumindest, so zu wirken.

„Ich muss sagen, ich war überrascht, als ich hörte, dass ihr noch einen Sohn habt, liebste Cousine“, fuhr er an Narcissa gewandt fort. „Soweit ich mich erinnere, war Draco noch ein Einzelkind, als ich nach Frankreich ging.“

Alle Gespräche in der Umgebung verstummten und Harry konnte aus den Augenwinkel sehen, wie Neville und Hermione ihre Blicke auf Regulus hefteten – wie wahrscheinlich alle anderen Anwesenden auch. Selbst Felice wirkte überrascht und musterte den Mann Stirn runzelnd. Na wunderbar.

„Nun, da muss dich deine Erinnerung aber trüben“, sagte Draco lachend und klopfte seinem Bruder liebevoll auf die Schulter. „Ich werde nun schon mein ganzes Leben lang von Harvey verfolgt.“

//Das glaubt Regulus ihm nie und nimmer, oder?//

Felice schüttelte unauffällig mit dem Kopf, bevor sie Narcissa einen vielsagenden Blick zu warf. Diese erkannte den Wink mit dem Zaunpfahl sofort und ließ ein trauriges Lächeln auf ihrem Gesicht erscheinen.

Harry war gespannt, was jetzt für eine Seifenoper kommen würde.
 

„Du hast Recht, liebster Cousin. Die ersten fünf Jahre seines Lebens war Draco ein Einzelkind, da Harvey diese Jahre leider in einem Krankenhaus verbringen musste.“

Verdutzt drehten sich alle zu ihr um. „Krankenhaus?“, hakte Regulus überrascht nach.

„Ja. Du weißt, in unserer Familie kommt es immer wieder vor, dass wir Kinder hervorbringen, deren Magie sowohl weiß, als auch schwarz ist. Das Problem ist nur, dass die beide Seiten solange miteinander kämpfen, bis sie sich entweder gegenseitig auslöschen und damit das Kind in den Tod reißen oder bis eine von ihnen dominiert.“ Ihre Augen begannen in einem vergangenen Kummer zu schimmern und sie holte ein Taschentuch hervor, um sich zu schneutzen. Es gab wirklich keine bessere Schauspielerin als Narcissa Malfoy.

„Fünf lange Jahre fürchteten wir, dass wir unseren Sohn nie wieder sehen würden“, schluchtzte sie, während Lucius sie in eine tröstende Umarmung zog. Auch er hatte ein betrübtes Gesicht aufgesetzt, das jeden hier überzeugen würde, dass seine Frau, die Wahrheit sprach. „Aus diesem Grund beschlossen wir, unsere Familien von diesem Kummer zu verschonen und seine Existenz geheim zu halten.“
 

„D... das ist ja schrecklich“, flüsterte Regulus erschüttert. „Das... tut mir wirklich Leid, ich... wollte euch nicht...“

„Ist schon in Ordnung, Regulus“, warf Lucius ruhig ein. „Du wusstest es nicht.“

„Und... wie kommt es dann, dass Harvey nun wieder bei euch ist?“, fragte Madame Delacour, die ebenfalls zugehört hatte und in deren Augen Tränen glänzten. Die Vorstellung, dass ihr lieber Harvey beinahe gestorben wäre, war offenbar zu viel für ihr französisches Temperament.

„Nun, nach fünf Jahren hatte sich seine Magie endlich stabilisiert und wir konnten ihn wieder zu uns holen“, erklärte Lucius und ein Leuchten erschien auf seinem Gesicht, so als würde er sich tatsächlich daran erinnern, wie er seinen geliebten Sohn nach fünf Jahren endlich wieder haben konnte. „Du kannst dir sicher unsere Freude vorstellen, als uns die Heiler mitteilten, dass er endlich über den Berg war. Und seitdem hat er uns glücklicherweise nur noch selten Kummer gemacht.“

Bei diesen Worten warf er Neville einen vernichtenden Blick zu, der ihn unbeeindruckt erwiderte.
 

„Leute, ist das wirklich ein Gespräch für eine Weltmeisterschaft?“, fragte Fleur und strahlte in die Runde. „Ich freue mich auf Viktor! Du nicht auch, Neville?“

„Oh... ähm... ja“, erwiderte er eilig und wandte sich wieder ihr zu. „Was meinst du, wer gewinnen wird?“
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Im Nachhinein war das Spiel doch interessanter, als er es erwartet hätte. Viktor flog einfach großartig und fing letztendlich für Bulgarien den Schnatz, womit er ihnen den Sieg brachte. Als die Mannschaft danach in die Ehrenloge kam, strahlte er sie alle an, sobald er sie erkannte. Dann war die Weltmeisterschaft zu Ende und eine große Party begann, an die der ganze Zeltplatz teilnahm.
 

Aus diesem Grund fand sich Harry kurze Zeit später alleine in seinem Zelt wieder, während draußen das Chaos ausbrach. Felice war frühzeitig zu ihrer Familie zurückgekehrt.

„Du kommst ohnehin bald zu uns“, hatte Madame Delacour gesagt. „Davor wollen wir noch eine Woche nur in der Familie in den Urlaub fahren.“

Natürlich hatte er nicht widersprechen können. Doch bevor sie ging, hatte Felice ihm noch ein Geschenk gemacht, das unbezahlbar war.
 

„Mir gefällt es nicht, dass der dunkle Lord so einfach in deine Gedanken eindringen kann“, hatte sie gesagt und ihre Hände an seine Schläfen gelegt. „Schließ doch bitte kurz die Augen.“

Einen Moment später hatte er ihren Geist in seinem eigenen gespürt. Für diesen Augenblick hatte er all ihre Gedanken und Gefühle geteilt, hatte Erinnerungen gesehen und sich mit ihr auf eine Art verbunden gefühlt, die er nie zuvor empfunden hatte. Bald darauf hatte sie sich wieder zurückgezogen, doch etwas blieb zurück. „Das ist ein Schutzschild für deinen Kopf“, hatte sie erklärt. „Ich habe dir Okklumentikschilde eingepflanzt, die so stark sind, dass nur ein anderer Empath oder ich selbst sie durchbrechen können. Sie werden solange halten, wie ich lebe. Dennoch würde ich dir raten, jemanden zu bitten, dir Okklumentik beizubringen. Nur für den Fall.“
 

Dem dunklen Lord würde es wahrscheinlich überhaupt nicht gefallen, aber das war ihm egal. Dieser Schild war das perfekte Geschenk, er würde den dunklen Lord, Snape und vor allem Dumbledore aus seinen Gedanken heraushalten. Endlich würde er wieder etwas Privatsphäre haben, zumindest, solange kein Empath in der Nähe war.

Seufzend ließ er sich auf einen Sessel sinken, der in der Nähe stand und lehnte sich zurück. Es war ein anstrengender Geburtstag gewesen. Ihm war bereits vorher klar gewesen, dass es nicht sein bester werden würde, aber dennoch.

Zuerst Remus und dann auch noch Regulus... konnte er seine Vergangenheit nicht einfach hinter sich lassen? Er war kein Potter mehr. Er war ein Malfoy.

//Nein, bist du nicht. Egal was auch passiert, du wirst niemals von deinem Blut loskommen – oder deiner Magie.//

Ein Weißmagier in einer schwarzmagischen Familie. Narcissa hatte zwar eine plausible Erklärung gefunden, aber trotzdem. Er sah nicht aus wie ein Malfoy oder gar ein Black. War es nicht Snape, der sagte, dass er wie sein Vater aussah? Und wie lange würde Remus schweigen? Was, wenn er allen erzählte, dass er in Wahrheit... aber in dem Fall hätte Dumbledore das von Anfang an gesagt, oder?
 

„Du scheinst beunruhigt.“

Harry zuckte zusammen. Wo kam der denn auf einmal her?

„Ist etwas passiert?“

„Ich wüsste nicht, warum das Euch interessieren sollte“, flüstere er und blickte auf. Der dunkle Lord saß auf einem Sessel ihm gegenüber und musterte ihn aufmerksam. Harry fiel auf, dass er bereits viel gesünder aussah, als bei ihrer ersten Begegnung und irgendwie... lebhafter. Obwohl er nicht wusste wieso, beruhigte ihn dieser Gedanke. Warum hatte er überhaupt so krank ausgesehen?

„Warum sollte es mich nicht interessieren, wie es meinem genialen Waisenkind geht?“, fragte er sanft.

Harry blinzelte. Sein geniales Waisenkind? Seit wann gehörte er ihm?

Andererseits dachte er hier über einen dunklen Lord nach. Seiner Meinung nach gehörte ihm sicher die Welt und er gehörte wohl oder übel dazu. Nicht zu vergessen, dass er von ihm besessen war, ein weiteres Problem in seinem Leben.
 

„Wo ist deine kleine Empathenfreundin? Wie ich sehe, hat sie dir ein nettes Geschenk dagelassen.“

„Ich denke, dass das Geschenk äußerst passend ist, besonders da Ihr bereits wieder versucht, in meine Gedanken einzudringen“, entgegnete er eine Spur zu unhöflich.

Der dunkle Lord hob eine Augenbraue. „An deiner Zunge solltest du noch arbeiten, Junge. Sie könnte dich sonst irgendwann in Schwierigkeiten bringen.“

„Was tut Ihr überhaupt hier?“, fragte Harry, ohne auf seine Bemerkung einzugehen. „Zuerst lasst Ihr euch wochenlang nicht blicken und dann taucht Ihr einfach wieder auf. Mitten auf der Quidditchweltmeisterschaft, wo Euch jederzeit jemand finden kann.“

„Na sowas? Macht sich mein geniales Waisenkind etwa Sorgen um mich? Ich bin gerrührt.“

„Sorgen? Um Euch? Träumt weiter, Mylord.“ Verärgert stand er auf und lief durch das Zelt. Die Arme verschränkend blieb er mit dem Rücken zu ihm stehen und starrte auf die Wand vor sich. „Ich verstehe Euch nicht“, fuhr er fort. „Warum ich? Warum müsst Ihr ausgerechnet mich verfolgen? Ich bin nicht der Malfoyerbe. Gut, man sagt, dass ich über einen hohen IQ verfüge, aber ich habe kein Interesse an Politik oder einem Krieg. Wenn Ihr unbedingt ein Schoßhündchen braucht, nehmt Draco. Er würde es mit Freuden...“
 

Bevor er zu Ende sprechen konnte, tauchten zwei Arme in seinem Blickfeld auf und plötzlich wurde er an eine überraschend feste Brust gepresst. Im nächsten Moment konnte er den warmen Atem des dunklen Lords an seinem Ohr spüren und sein Herzschlag beschleunigte sich um einiges. Überall dort, wo der Andere ihn berührte, schien sein Körper zu brennen, selbst dort, wo sie von ihrer Kleidung getrennt wurden. Warum hatte dieser Kerl nur immer eine solche Wirkung auf ihn?

„Wenn du mein Schoßhündchen werden solltest, würde ich dir ein Halsband umlegen und dich an meine Seite ketten. Glaub niemals, dass ich du einer meiner gewöhnlichen Gefolgsleute werden sollst, Harry.“

Als er seinen Namen hörte, konnte er nur schwer ein Stöhnen unterdrücken und schloss unwillkürlich die Augen. Dabei lehnte er sich unbewusst tiefer in die Umarmung – konnte man es so nennen? – was der dunkle Lord sofort damit belohnte, seinen Griff zu festigen.

„Ist es das, was dir Sorgen bereitet hat?“, fragte er sanft. „Warum ich dir folge und nicht jemand anderes?“
 

„Unter anderem.“

Verdammt, warum konnte er nicht lügen? Es ging diesen Mistkerl überhaupt nichts an, was in seinem Kopf vor sich ging. Deshalb hatte Felice doch einen Schutzschild um seine Gedanken errichtet. Er wollte nicht, dass dieser Mann alles über ihn wusste und doch...

Seine Nähe, seine Aura, sein Duft, sein ganzes Wesen, sie beruhigten und beunruhigten ihn gleichermaßen. Er musste zugeben, dass er sich bei ihm auf eine verquere Art und Weise sicher fühlte. Genauso wie in seinen Träumen, die er hatte, seitdem er denken konnte. Es waren immer rote Augen, die ihm Trost geschenkt hatten und jene Augen gehörten diesem Mann.
 

„Unter anderem?“, wiederholte dieser, während er seinen Kopf zufrieden an Harrys lehnte. „Was beschäftigt dich sonst?“

Aber er achtete überhaupt nicht auf ihn. Warum hatte er seit er denken konnte von diesem Mann geträumt? Sie waren sich doch erst vor ein paar Wochen begegnet? Und weshalb hatte Lily vor so vielen Jahren hysterisch reagiert, als er sie darauf ansprach? Da stimmte doch irgendetwas nicht!

Doch bevor er dieser Sache näher nachgehen konnte, zog der dunkle Lord seine Aufmerksamkeit wieder auf sich und das mit einem einzigen Satz: „Hat es etwas mit diesem Werwolf zu tun, dem du heute begegnet bist?“

Sofort ließ er seine Augen – die bisher verschlossen gewesen waren – aufschnellen. Wie bitte?!

„Ihr habt mich ausspionieren lassen?“ Eigentlich hatte er vorwurfsvoll klingen wollen, doch in seinen Ohren wirkte es vielmehr amüsiert. Vielleicht war es das tatsächlich. Warum sollte ein dunkler Lord ihn ausspionieren? //Weil er von dir besessen ist. Darum.//

„Nicht direkt. Ich habe nur sehr zuverlässige Spione.“

//Ist das nicht dasselbe?// Aber er hielt seinen sarkastischen Kommentar zurück.

„Was hat er dir erzählt? Dass du zu Dumbledore gehen und dich hinter seinem Rockzipfel verstecken sollst?“

„So etwas in der Art. Aber macht Euch keine Sorgen, Mylord. Ich bin mir durchaus darüber bewusst, dass nicht einmal er mich vor Euch retten kann.“
 

Die Arme lösten sich von seinem Körper und stattdessen wurde er von seinen beiden Händen umgedreht. Der dunkle Lord musterte ihn argwöhnisch, allerdings konnte er seine Verärgerung nicht so gut verstecken, wie er beabsichtigte. „Wenn ich dir in irgendeiner Weise schaden wollte, hätte ich es bereits getan. Du stehst unter meinem Schutz und nicht auf meiner Todesliste. Wie oft muss ich dir das noch erklären, bis du es endlich begreifst?“

„Dann sagt mir, warum Ihr so versessen auf mich seid!“, forderte er aufgebracht.

Voldemort setzte gerade zu einer Antwort an, als sie lachende Stimmen näher kommen hörten. Ein leichtes Lächeln erschien auf dem Gesicht des Älteren und er fuhr ihm zum Abschied über die Wange. „Ich weiß es nicht.“

Im nächsten Moment war er verschwunden.
 

Kurz darauf betrat Draco mit ein paar seiner Freunde das Zelt und sie begannen zu feiern. Harry flüchtete währenddessen nach draußen und rannte, rannte, rannte, bis er mitten in einem Wald zum Stillstand kam und nach Luft schnappend in den Himmel blickte.

Selbst hier draußen war es, als würden die Finger des dunklen Lord immer noch über seine Wange gleiten, um ihn nie mehr loszulassen.

Und vielleicht würden sie das tatsächlich niemals tun.

Wine Is An Accessory

Massenausbruch aus Askaban – geplant oder Zufall?
 

Ein Artikel von Rita Krimmkorn
 

Die Nordsee, eine beinahe unüberwindbare Masse von eiskalten Wasser. In diesem Teil des Meeres herrschen selbst im Sommer arktische Temperaturen, was vielleicht auch von den Dementoren herrühren könnte, den unerschöpflichen Bewachern des größten Zauberergefängnis in ganz Europa. Bisher galt Askaban, ihre Festung, als unüberwindbar und vollkommen ausbruchssicher. Wie also konnte geschehen, was geschehen ist?

Wie unser Zaubereiminister Cornelius Fudge soeben bestätigte, kam es letzte Nacht zwischen 0.00 Uhr und 3.00 Uhr zu einem Massenausbruch aus Askaban. Offenbar wurden die Mauern mit Hilfe von schwarzmagischen Flüchen gesprengt und mehrere der gefährlichsten Insassen konnten entkommen. Die genaueren Umstände sind noch unklar, doch eine Spezialeinheit der Auroren widmet sich im Moment einer genaueren Untersuchung des Falles.

Dennoch stellt sich die Frage, wie es soweit kommen konnte. Warum haben die Dementoren nicht dagegen angekämpft? Wer steckt dahinter? Könnte an den Gerüchten, dass der dunkle Lord zurückgekehrt ist tatsächlich etwas dran sein? Oder steckt der gesuchte Verbrecher Sirius Black dahinter, der bereits seit elf Jahren den greifenden Armen der Justiz trotzt?

Die magische Bevölkerung wird dazu aufgefordert, augenblicklich das Zaubereiministerium zu verständigen, wenn sie einen der Ausgebrochenen sehen sollte. Jedoch warnt der Minister davor, ihnen selbst entgegenzutreten.

„Das Beste ist es“, so sagt er während der Pressekonferenz, „wenn Sie sich von ihnen fern halten. Wir reden hier von Mördern, Folterern und gemeingefährlichen, schwarzen Hexen und Zauberern. Den Kampf mit ihnen sollte man den dafür ausgebildeten Auroren überlassen.“
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

//Soviel zu seinen Methoden. Diplomatie ist wohl ein Fremdwort für ihn.//

Innerlich stöhnend, blickte Harry von dem Tagespropheten auf und erwiderte ruhig Nevilles forschenden Blick. „Nun... das hört sich... schlecht an.“

Hermione, die – wie immer – neben ihm saß, schnaubte. „Schlecht? Harry, das ist nicht schlecht, das ist schrecklich! Die Hälfte davon sind Todesser! Gemeingefährliche Leute, die allesamt hinter Du-weißt-schon-wem stehen!“

Er beschloss, nicht weiter auf sie einzugehen. Das würde ihm zumindest viele Nerven sparen.
 

Sie waren bei Neville Zuhause. Harry wusste, dass Voldemort nicht sonderlich begeistert sein würde, wenn er es erfuhr – und er würde es erfahren, da machte er sich keine Illusionen – allerdings war das nur ein weiterer Grund dafür, es zu tun. Der Kerl sollte ihn in Ruhe lassen! Oder ihm zumindest erklären, warum er gerade ihn verfolgte.

Es war Neville gewesen, der ihn eingeladen hatte. Offenbar wollte er etwas Wichtiges mit ihm besprechen, wobei Harry nicht wusste, was er damit meinte. Nun, mit etwas Glück würde er bald klüger sein.

„Sind bei euch auch Todesser?“, fragte sein Freund besorgt. „Hat Voldemort euch welche aufgedrückt?“
 

Die Wahrheit war – ja. Jedoch hatte er noch nicht so viel von ihnen mitbekommen, da sie allesamt erschöpft waren und sich erst einmal erholen mussten. Es handelte sich dabei um Narcissas ältere Schwester Bellatrix Lestrange, sowie ihr Ehemann und dessen Bruder. Darüber hinaus hatten sie von einer Ratte gesprochen namens Wurmschwanz, doch den konnte er beim besten Willen nicht einordnen, hatte er noch nie etwas vom ihm gehört.

//Vielleicht ist das auch besser so.//
 

„Ich kann es euch nicht sagen“, antwortete er ausweichend. „Tut mir Leid.“

Wieder log er, wieder für ihn. Warum? Neville war sein bester Freund. Hatte er nicht selbst zu Remus gesagt, dass er auf seiner Seite war?

//Das kannst du nicht und das weißt du. Er wird es niemals zulassen.//

Er war der dunkle Lord. Doch konnte es ihm nicht egal sein, was dieser... Idiot wollte oder nicht? Er war kein Todesser! Er war keines seiner Spielzeuge! Und er würde auch niemals zu so etwas mutieren! Zumindest nicht, solange er sich noch dagegen wehren konnte.

//Er will dich nicht als Spielzeug. Das hat er selbst gesagt.//

Aber als was wollte er ihn dann?
 

„Harry? Bist du noch da?“

Verdutzt blickte er auf und bemerkte, dass Neville ihn besorgt ansah, während Hermione wie immer die Augen verdrehte. „Ähm ja... Entschuldige, ich war...“

„...in Gedanken versunken. Wie so oft“, meinte er grinsend. Doch im nächsten Moment war er wieder Ernst. „Stimmt es, was Narcissa erzählt hat? Dass du die ersten fünf Jahre deines Lebens in einem Krankenhaus warst?“
 

Bevor er irgendwie darauf reagieren konnte, hörten sie eine Stimme „Was?!“ rufen. Überrascht drehten sie sich um und Harrys Augen weiteten sich. Oh nein.

//Oh doch. Offenbar hast du heute keinen Glückstag.//

Remus stand in der Tür, gemeinsam mit Mrs. Longbottom, auch bekannt als Nevilles Großmutter. Beide sahen entgeistert zwischen ihm und seinen Freund hin und her. Stimmt ja, er hatte ganz vergessen, dass Mrs. Longbottom seine richtigen Eltern und somit auch ihn gekannt hatte.

„Wer erzählt einen solchen Unsinn?“, fragte sie sogleich. „Sind diese Malfoys jetzt vollkommen verrückt geworden?“

„Es ist die Wahrheit!“, entgegnete Harry gelassen, aber nachdrücklich. „Das ist etwas, was oft in unserer Familie vorkommt. Du hast die Erklärung ja selbst gehört, als du neben Neville auf der Haupttribüne gesessen hast!“

„In dem Moment hatte ich es für eine Seifenoper gehalten, um Regulus zu beruhigen. Aber das hier sind deine besten Freunde, Harry!“

„Darüber bin ich mir durchaus bewusst, Augusta. Vielen Dank.“
 

Mrs. Longbottom betrachtete ihn kurz mit zusammengekniffenden Augen, bevor sie mit den Schultern zuckte. „Es ist deine Entscheidung. Auch wenn ich es traurig finde, dass sie so ausfällt, Harvey Malfoy.“

„Was willst du eigentlich hier?“, fragte Neville, der offenbar einen nahenden Sturm witterte. „Das ist mein Zimmer, falls du es vergessen haben solltest.“

Nun, es wäre unmöglich, das nicht zu bemerken. Nevilles Zimmer war so offensichtlich das eines Gryffindors, dass Harry manchmal glaubte, hinterher nur noch die Farben rot und gelb erkennen zu können. Außerdem hingen überall Poster von berühmten Quidditchspielern und sein neuer Feuerblitz – ein Geburtstagsgeschenk – stand elegant auf einem Podest, das Neville sicher allein für diesen Zweck errichtet hatte. Wie konnte man nur so sehr von einem Sport besessen sein? Kein Wunder, dass seine Noten nicht besser wurden.
 

„Ich wollte zu Harvey“, beantwortete Augusta die Frage ihres Enkels. „Remus hier möchte nämlich gerne mit ihm sprechen.“

Hermione rutschte bei diesen Worten unruhig auf ihrem Stuhl hin und her und warf Harry einen Blick zu, den er nicht deuten konnte. Was wusste sie über Remus? Was hatte Dumbledore ihr und Neville erzählt?

Es konnte nicht die Wahrheit sein, höchstens die halbe Wahrheit.

Wenn die Beiden hundertprozentig wüssten, dass er nicht der richtige Sohn der Malfoys war, würden sie anders handeln.

//Außer, wenn Dumbledore ihnen gesagt hat, wie sie sich verhalten müssen.//

Aber selbst dann würde er es irgendwie merken, oder?
 

„Aber wir unterhalten uns gerade“, warf Neville ein. „Hat das nicht bis später...“

„Schon gut, Neville“, unterbrach ihn Harry und er erhob sich. „Wölfe soll man nicht warten lassen. Sie können beißen.“

Remus zuckte zusammen, als hätte er ihn geschlagen. Gut so. Zwar war es unfair, seine ganze Wut an ihm auszulassen, aber leider war momentan niemand anderes da.

Eigentlich wusste er nicht einmal, warum genau er wütend war.

Lag es an Remus selbst, der glaubte, nach elf Jahren wieder auftauchen zu können und alles sei wie früher?

Oder war es Regulus, durch den seine Freunde an Informationen gelangt waren, die sie niemals hätten erhalten sollen? Draco war ein Einzelkind, das wusste er auch selber! Musste dieser Typ es unbedingt öffentlich machen?

Allerdings machte ihm das alles nicht so sehr zu schaffen, wie der dunkle Lord. Warum hatte dieser Mann eine solche Macht über ihn? Es war schon schlimm genug, dass er von ihm besessen war, aber musste das auch ihn betreffen? Andererseits war er – Harry – auch nur ein Mensch und es würde niemanden kalt lassen, wenn jemand mit so viel Macht wie der dunkle Lord an ihm ein Interesse entwickelt hätte.

Das erklärte jedoch nicht, warum er bereits seit seiner frühesten Kindheit von dessen Augen träumte.
 

Um ungestört mit Remus sprechen zu können – er glaubte, dass es keine gute Idee wäre, wenn Neville und Hermione noch mehr hörten, was sie zum Nachdenken bringen könnte – liefen sie schweigend in den Garten. Es war ein schöner Fleck Erden, nicht so groß und protzig wie die Ländereien der Malfoys, aber dafür gemütlich und voller wunderschöner Blüten. Es war ein Garten von Weißmagiern, voller Wärme und Farbe. Schwarzmagier könnten so etwas niemals erschaffen.

Deshalb war Felice oft glücklich, mit weißer Magie gesegnet zu sein. Zwar könnte sie auch mit schwarzer Magie wundervolle Dinge erschaffen, aber niemals so einzigartige Pflanzen wie ihren Lavendel.

„Blüten sind nichts für sie“, hatte sie ihm damals erklärt. „Zierfplanzen oder Kletterpflanzen auf jeden Fall, aber sobald auch nur eine Blüte dabei ist, wird es kritisch. Natürlich können auch Blumen bei ihnen überleben, euer Garten ist der beste Beweis. Aber sie werden niemals so schön sein, wie bei einem weißmagischen Haushalt.“

Wenn man daran dachte, wirkte es gar nicht mehr so weit hergeholt, dass Dumbledore behauptete, dass weiße Magie die einzig gute Magie auf dieser Welt war. Das änderte jedoch nichts daran, dass seine Reden genauso unsinnig waren, wie die Liebesromane, die überall in Augustas Bücherregalen standen.
 

Als sie sich weit genug vom Haus entfernt hatten, blieb Harry stehen und sah den Werwolf abwartend an. Er hätte ihm nicht erlauben sollen, ihm zu schreiben. So hatte er wahrscheinlich Hoffnung geschöpft, ihn doch noch „zur Vernunft“ zu bringen und war deshalb hierher gekommen.

//Oder Dumbledore hat ihn geschickt.//

Würde es einen Unterschied machen?

//Ja. Denn wenn er von selbst hier ist, heißt es, dass du ihm wirklich wichtig bist.//

Wollte er ihm wichtig sein? Harry konnte es nicht sagen. Momentan war alles zu verwirrend. Er brauchte dringend Urlaub! Glücklicherweise würde er bald in Frankreich sein. Dort würde er sicher etwas Klarheit finden. Die meisten Dinge wurde offensichtlich, wenn man sie mit etwas Abstand betrachten konnte.
 

„Ich...“, begann Remus und gewann damit sofort seine ganze Aufmerksamkeit. Heute wirkte er beinahe noch unsicherer als das letzte Mal. Ob es an seinem Kommentar mit den Wölfen lag? „Ich wollte dir noch etwas geben.“

Misstrauisch beobachtete Harry, wie er etwas zögernd hinter seinem Rücken hervorholte und im nächsten Augenblick hielt er ein Päckchen in seinen Händen. „Ich weiß, dass dein Geburtstag bereits bei unserem letzten Treffen war, aber trotzdem: Alles Gute.“
 

Das kam... unerwartet. Wenn er ehrlich sein sollte, hätte er nicht damit gerechnet, ein Geschenk zu erhalten. Mit einen Blick auf Remus, der ihn erwartungsvoll beobachtete, öffnete er es. Heraus kam ein silberner Stoff, der sich angenehm auf seiner Haut anfühlte und seltsam durchschimmernd wirkte.

Er wusste sofort, um was es sich handelte: Ein Tarnumhang und ein ziemlich guter noch dazu. Wo hatte Remus den her? Er musste ein Vermögen wert sein! Nicht einmal die Malfoys konnten sich einen leisten!
 

„Er hat deinem Vater gehört“, erklärte Remus. „Es ist ein Familienerbstück, das seit Jahrzehnten von Vater zu Sohn weitergereicht wird. Bevor er starb, hat er mich gebeten, ihn aufzubewahren, sollte ihm jemals etwas zustoßen und ihn dir zu geben, sobald du alt genug wärst. Ich hoffe... er wird dir nützlich sein.“

Er wusste nicht, was er darauf sagen sollte, also starrte er ihn einfach nur sprachlos an.

Warum besaß die Familie Potter eine solche Kostbarkeit?
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Er wusste, dass der dunkle Lord da war. Das ganze Haus schien von seiner Anwesenheit zu sprechen und er wunderte sich zum tausendsten Mal, wie der Mann ihn bei der Quidditchweltmeisterschaft hatte überraschen können. Offenbar war er zu sehr in seine Gedanken versunken gewesen.

Seufzend blieb er auf dem Boden sitzen, auf den er gefallen war, nachdem er Flohpulver benutzt hatte. Er hasste dieses Transportmittel! Jedes Mal fiel er auf seinen Hintern!

Im Moment war er in Lucius' Arbeitszimmer. Dabei hatte er doch in die Eingangshalle kommen wollen! Gut, dass Draco ihn nicht gesehen hatte, er liebte es, ihn wegen so etwas aufzuziehen.
 

„Ist alles in Ordnung?“, hörte er plötzlich eine amüsierte Stimme sagen und er blickte auf.

Narcissa stand in der Tür – wahrscheinlich hatte sein sein Ankommen gehört – und musterte ihn belustigt. Harry konnte es ihr nachfühlen. Er musste vollkommen mit Asche beschmutzt sein und seine Haltung... erinnerte sicher an ein Baby. Gut, dass sie ihn so sah und nicht Lucius – oder gar der dunkle Lord.

Eilig sprang er auf – bevor er wirklich noch hierher kommen könnte – und lächelte.

„Natürlich, Narcissa. Nur meine üblichen Transportprobleme.“
 

Kopfschüttelnd holte sie ihren Zauberstab hervor. „Komm, so bist du kaum salonfähig.“

„Salonfähig?“, wiederholte er, während sie ihn säuberte.

„Ja. Bellatrix ist endlich aufgewacht und brennt darauf, dich kennen zu lernen. Außerdem besteht der dunkle Lord auf deine Anwesenheit.“ Sie warf ihm einen intensiven Blick zu. „Sollte ich mir Sorgen machen?“

Harry wusste, was sie meinte.

Dass der dunkle Lord ihn verfolgte.

Dass er von ihm besessen war.

Dass Harry sich ihm widersetzte, da er trotz allem weiterhin zu Neville hielt.

Es war ein gefährliches Spiel, das er da spielte. Trotzdem schüttelte er mit dem Kopf. „Nein, Narcissa. Das musst du nicht.“

Natürlich würde sie es trotzdem tun.
 

Kurz darauf fand er sich an der Tür zur Lounge wieder, wo sich die restliche Familie bereits versammelt hatte. Lucius und Draco saßen nebeneinander auf einem Sofa und versuchten, so elegant wie möglich zu wirken. Ihnen gegenüber, mit dem Profil zur Tür, saß der dunkle Lord, welcher sich sofort zu ihm umwandte und aufmerksam musterte.

Harry achtete jedoch nicht auf ihn, sondern betrachtete stattdessen die Frau, die zu seinen Knien saß und offensichtlich tatsächlich sein Schoßhündchen war. //Das erklärt, warum er nicht Draco nimmt.//

Kaum bemerkte sie, dass etwas die Aufmerksamkeit ihres Meisters erregt hatte, drehte auch sie sich zu ihm um.
 

Bellatrix Lestranges Gesicht war gezeichnet von ihrer langen Gefangenschaft in Askaban. Ihre Augen waren von tiefen Augenringen untermalt und ihre Wangen kaum noch sichtbar. Ihr ganzer Körper wirkte, als hätte sie seit Jahren an Hunger gelitten und wenn nicht ihr intensiver Blick gewesen wäre, hätte er sie für eine Leiche halten können. Trotz all dieser Makel wusste Harry, dass sie normalerweise mit derselben einzigartigen Schönheit wie ihre Schwester gesegnet war, wenn auch auf eine andere Art und Weise. Er war gespannt darauf, sie zu sehen, sobald sie sich erholt hatte.
 

Neugierig tasteten ihre Augen seinen Körper ab, bevor etwas gieriges darin erschien. Harry schluckte. Wunderbar, noch eine Verrückte! War der dunkle Lord denn nicht genug?

Narcissa, die einen Schritt hinter ihm stand, legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter.

„Harvey ist zurück, Mylord.“

//Als ob er das nicht gesehen hätte//, dachte er sarkastisch, hielt den Kommentar aber für sich. Gut, dass zumindest seine Gedanken zur Zeit geschützt waren. Ein Problem weniger auf seiner Liste.
 

„Ah!“, rief Bellatrix, während sie aufsprang und sich ihm langsam zu nähern begann. „Das ist er also. Euer lieber Adoptivsohn.“

Wie ein Tiger seine Beute, begann sie ihn zu umkreisen. Kein Wunder, dass sie dem dunklen Lord zu Füßen lag. Die Beiden mussten sich gut verstehen, zumindest schienen sie auf dieselbe Art und Weise wahnsinnig zu sein.

//Wobei der dunkle Lord dabei genial ist. Bei ihr muss es sich erst herausstellen.//

„Und du musst die liebe Bellatrix sein“, entgegnete er und ahmte dabei perfekt ihren Tonfall nach.

Daraufhin begann sie schallend zu lachen und sie legte zärtlich ihre Hand in seinen Nacken. „Sehr richtig, lieber Harvey. Sehr, sehr richtig.“ Sie streichelte kurz über seine Haut, bevor sie ein paar Schritte zurück sprang und ihn noch einmal von oben bis unten musterte. „Einen gut aussehenden Jungen habt ihr euch ausgesucht, Cissy. Und intelligent ist er auch, sagt ihr? Eine wirklich ausgezeichnete Wahl.“

Harry hob daraufhin nur seine Augenbraue. So wie sie klang, wirkte es fast, als wäre er ein Gegenstand, den Narcissa und Lucius nach langem Nachdenken erworben hatten.
 

So schienen es auch die Anderen zu interpretieren, zumindest erhob sich nun auch Lucius, um sich beschützend vor ihm aufzubauen. „Harvey ist unser Sohn, Bellatrix“, erklärte er ihr kalt. „Und das wäre er auch, wenn er so hässlich wie eine Kröte und so dumm wie Goyle wäre.“

Alle – Draco, Narcissa und Harry eingeschlossen – starrten ihn verdutzt an. Es sah ihm überhaupt nicht ähnlich, Harry zu verteidigen oder so... leidenschaftlich über ihn zu sprechen. Zwar hatte er ihm gegenüber niemals eine Abneigung gehegt, aber er hatte bisher auch noch nie in irgendeiner Art und Weise gezeigt, dass er in ihm einen Sohn sah.

Bellatrix erwiderte seinen Blick unbeeindruckt. „Ist das so? Nun, dann sehen wir es einfach als Glück, dass er ist, wie er ist. Denn so kommst sogar du dazu, ihn als dein Eigen anzusehen, lieber Lucius.“
 

Harry spürte, wie sich sein „Vater“ anspannte und bereit war, ihr eine heftige Antwort entgegen zu schleudern. Da dies aber keinesfalls die passende Unterhaltung für einen dunklen Lord war, legte er ihm beschwichtigend eine Hand auf seinen Ellenbogen. „Ist schon in Ordnung, Lucius“, flüsterte er. „Du weißt, dass sie Recht hat.“

Der Mann zuckte bei dieser Aussage zusammen und drehte sich zu ihm um. „Harvey...“

Doch anstatt auf ihn zu achten, wandte er sich an Bellatrix, die sie mit einem Ausdruck äußerster Zufriedenheit beobachtete. „Es freut mich jedenfalls sehr, dich endlich kennen zu lernen, liebste Tante.“

„Die Freude ist ganz meinerseits, liebster Neffe“, entgegnete sie mit einem kecken Knicks, bevor sie lachend herumwirbelte und zurück zu ihrem Meister tanzte.

Dieser hatte die ganze Zeit an einem Getränk genippt und Draco zugehört, der ihm offenbar etwas über ihre Familie berichtete. Sein Bruder schien durch diese Aufmerksamkeit vollkommen aufzublühen und Harry war bereits überzeugt, dass der dunkle Lord in ihm einen neuen, loyalen Anhänger gefunden hatte.

Aber es war nicht Draco, den er unbedingt haben wollte.

Es war Harvey.

//Das könnte noch zu einem Problem werden.//
 

Dieses Mal setzte sich Bellatrix neben den dunklen Lord und klopfte auf den leeren Platz neben sich. „Komm her, Harvey! Unterhalten wir uns ein wenig.“

Er warf Narcissa einen kurzen Blick zu, die ihm ermutigend zunickte, bevor er ihrer Schwester auf das Sofa folgte. Kaum saß er, verdüsterte sich Dracos Gesicht, da Voldemort nun endlich die Person vor sich hatte, wegen der er hierher gekommen war.

//Meinst du jetzt Bellatrix oder dich selbst?//
 

„Harvey“, flüsterte er zur Begrüßung.

„Mylord“, entgegnete er ruhig und neigte den Kopf. „Es ist eine Ehre, Euch wiederzusehen.“

„Und mir ist es eine Freude.“

Das glaubte er ihm aufs Wort.

„Sag, in welchem Haus bist du? Slytherin? Du gehst doch nach Hogwarts, oder?“, fragte Bellatrix, sobald auch Narcissa und Lucius sich neben Draco gesetzt hatten.

Harry war überrascht, dass sie es noch nicht wusste. Aber vielleicht hatte es sie einfach nicht interessiert. „Ravenclaw.“

„Ravenclaw?“, wiederholte sie verdutzt. „Nun... du bist intelligent, daran muss es wohl liegen. Auch wenn es selten ist, dass ein Black – adoptiert oder nicht – in ein anderes Haus außer Slytherin kommt. Immerhin ist es besser, als Gryffindor, wo mein elender Cousin unsere Familie in den Schmutz zog.“

„Tut mir Leid, Tante, aber ich bin kein Black“, entgegnete er kühl. „Wenn ich irgendetwas bin, dann ein Malfoy.“
 

Das war die Wahrheit. Walpurga, das ehemalige Oberhaupt der Familie Black, hatte ihn nie gemocht und sich deshalb geweigert, ihn in den Familienstammbaum aufzunehmen. Und das neue Oberhaupt – Sirius – war seit elf Jahren verschwunden. Von daher gehörte er zwar zu den Malfoys, aber nicht zur Familie Black. Bellatrix schien das jedoch nicht zu stören.

„Was ist dein Lieblingsfach, Harvey? Behandeln dich die Lehrer gut? Kommst du mit dem Unterricht klar? Hast du eine Freundin?“

Geduldig beantwortete er all ihre Fragen, sich darüber bewusst, dass die Anderen jedem seiner Worte lauschten, selbst, als sie sich eigenen Gesprächen zuwandten.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Ein paar Stunden später ergab sich endlich eine Gelegenheit, zu fliehen.

„Nein, nein, nein!“, kreischte Bellatrix und warf mit der Weinflasche nach dem armen Dobby. „Das ist der falsche Wein! Bist du so dumm, dass du nicht einmal so etwas Einfaches auseinander halten kannst?“

„A...a...aber Ma'am...“, erwiderte der Hauself zitternd. „Das ist wirklich der einzige...“

„Mach dich nicht lächerlich! Meine Schwester hat gesagt, dass ihr im Besitz dieses Weins seid! Also hol gefälligst dich richtige Flasche!“

„A...aber...“
 

Seufzend stand Harry auf. „Ist schon in Ordnung, Dobby. Ich geh selbst nachsehen.“

Alle starrten ihn an.

„A...aber Master Harvey, Sir...“

„Das ist kein Problem!“, versicherte er ihm lächelnd. „Ich müsste ohnehin mal ins Badezimmer.“

Aus den Augenwinkel sah er, wie der dunkle Lord ein Lächeln hinter seinem eigenen Weinglas versteckte. Interessanterweise war es immer noch so voll, wie vor einigen Stunden und seitdem schien er auch nicht einmal nachgefüllt zu haben. Offensichtlich benutze er Wein als Accessoire und nicht zum Trinken.

„Harvey! Das ist Dienerarbeit!“, rief seine Tante empört.

Mit den Schultern zuckend verließ er langsam den Raum und schloss hinter sich die Tür. Kaum hatte er sich auf diese Weise von den Anderen getrennt, schloss er erschöpft die Augen und ließ sich gegen eine Wand sinken.
 

„Wann ist es nur so kompliziert geworden, in dieser Familie zu leben?“

Andererseits war es niemals einfach gewesen. Jetzt waren nur noch mehr Leute da, auf die man acht geben musste. Manchmal beneidete er Neville. Er musste nicht immer aufpassen, was er sagte oder fürchten, dass alles gegen ihn verwendet wurde. Er hatte eine Familie, die ihn liebte, weil er existierte.

Harrys Familie war tot und Harveys interessierte sich nur für seine ausgezeichneten Leistungen.

Entsetzt riss er seine Augen auf. Wo kam dieser Gedanke auf einmal her? Es war vollkommener Blödsinn! Zwar stimmte es, dass seine Leistungen und seine Intelligenz zum größten Teil dazu beitrugen, dass er von seiner Familie akzeptiert wurde, aber...
 

Gab es wirklich ein aber?
 

Kopfschüttelnd stand er auf und machte sich auf den Weg zum Weinkeller. Er sollte aufhören, sich so viele Gedanken zu machen. Melancholie passte nicht zu ihm.

Schweigend schritt er durch die vielen Gänge und Räume des Manors, während es draußen immer dunkler wurde. Bald würde er in Frankreich sein, in der hellen, warmen Provence. Lavendelfelder, soweit das Auge reichte und irgendwo in der Ferne das Rauschen des Meeres.

Seufzend stieg er die Treppe zum untersten Stockwerk des Hauses hinunter. Früher wurde dieser Ort für Gefangene und verbotene Magie benutzt, doch heute war hier nur noch ein Weinkeller und eine Abstellkammer. Missmutig lief er zwischen den unendlich wirkenden Weinregalen entlang, auf der Suche nach Bellatrix' gewünschten Getränk. Es war kein Wunder, dass Dobby die Flasche nicht gefunden hatte. Lucius' Sammlung war einfach zu groß und ungeordnet.
 

Schließlich war er in der hintersten und dunkelsten Ecke angekommen, wo ironischerweise genau das war, was er suchte. //Das ist wieder mal typisch//, dachte er und holte die Flasche vorsichtig aus dem Regal. Er wollte gerade umdrehen und zurückgehen, als er bemerkte, dass dort noch etwas lag, was die Flasche offensichtlich verstecken hatte sollen.

Verwirrt streckte er seine Hand danach aus und nahm den Gegenstand an sich. Es war ein Buch, nein, ein Kalender, wie ihn Schüler oft benutzten. Er hatte einen dunklen Einband und in einer Ecke konnte er die Initialen T.M. Riddle erkennen. Stirn runzelnd stellte er die Flasche wieder zurück und blätterte durch das Buch. Die Seiten waren vollkommen leer.

//Warum versteckt Lucius hier unten ein leeres Notizbuch? Und wer ist T.M. Riddle?//

Nachdenklich starrte er das Buch an. Das Beste wäre, wenn er es einfach zurücklegte und so tat, es niemals gesehen zu haben. Das war Lucius' Sache, nicht seine. Wenn er etwas damit zu tun haben sollte, würde er davon wissen.

//Aber es ist nur ein harmloses Notizbuch.//

Ein weiterer Grund, es einfach liegen zu lassen.
 

Trotzdem brachte er es kurz darauf in sein Zimmer, wo er es sicher zwischen seinen eigenen Büchern versteckte.

Danach ging er mit Bellatrix' Weinflasche zurück zu den Anderen.
 

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Puh... ich habe in den letzten Tagen wirklich zu viel Death Note gelesen, zumindest habe ich jedes Mal, wenn ich „Notizbuch“ schrieb, unwillkürlich daran denken müssen, dass Ryuk jeden Moment um die Ecke kommen und Harvey „hi“ sagen könnte. XD

Für alle, die DN nicht kennen: Keine Sorge, das hier wird kein Crossover, obwohl es sicher interessant wäre.

Auf jeden Fall danke ich wie immer allen Lesern und ganz besonders den Kommischreibern!!! Ihr bringt mich jedes Mal dazu, mich sofort an ein neues Kapitel zu setzen! ^o^

Im nächsten sehen wir dann Felice wieder und vielleicht auch ein paar andere, interessante Persönlichkeiten.

Bis dahin wünsche ich euch eine schöne Zeit!

Eure Ayako

Tom's Diary

Ein neues Kapitel, ein neues Glück! Oder auch nicht. ^^“

Auf jeden Fall: Herzlich willkommen, liebe Leser. Es ist schön, dass ihr wieder hierher gefunden habt! Besonders begrüße ich all jene, die mir zum letzten Kapitel ein Kommi hinterlassen haben. Ich habe mich wie immer sehr gefreut und sofort fleißig weitergeschrieben! Deshalb hoffe ich, dass euch dieses Kapitel gefällt und werde euch auch nicht länger mit meinen langweiligen Vorreden stören!

Bis bald,

eure Ayako

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Tom's Diary
 

Liebe Felice,
 

kennst du das Gefühl, dir zu wünschen, du hättest jemanden, mit dem du reden könntest, ohne zu fürchten, dass alles, was du sagst, irgendwann gegen dich verwendet wird?

In letzter Zeit habe ich es oft. Natürlich weiß ich, dass ich dir alles erzählen kann und du es wahrscheinlich nicht gegen mich verwenden wirst, aber es ist einfach nicht dasselbe.

Das Problem ist nur, dass ich nicht weiß, was genau ich mir eigentlich wünsche.

Vielleicht... eine Familie?

Ich sollte aufhören, mir solch lächerliche Gedanken zu machen.
 

Liebe Grüße,

Harry.
 

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Vorsichtig tasteten ihren Hände über den schwarzen Ledereinband des Notizbuches. Dabei murmelte sie unverständlich vor sich her, während ab und an ein schwacher Lichtstrahl um den Gegenstand sauste.

Es gab nichts, was Harry mehr an Fleur Delacour faszinierte, als ihre Fähigkeit, zauberstablose Magie zu verwenden. Besonders, da es ihr niemand zugetraut hätte. Wahrscheinlich lag es an dem Veelablut, das tief in ihrer Familie verankert war, dass sie diese Kunst schon mit so jungen Jahren beherrschte. Anders konnte er es sich zumindest nicht erklären.
 

„Je suis désolée, 'Arry“, sagte sie und sah ihn bedauernd an. „Aber ich kann nichts finden.“

„Pas de souci!“, entgegnete er lächelnd. „Aber danke für die Hilfe.“

„Immer wieder gerne“, meinte sie und gab ihm das Buch zurück.

Er schenkte ihr noch ein letztes Lächeln, bevor er ihr Zimmer wieder verließ und sich auf die Suche nach Felice machte.

Wie er es sich gedacht hatte, hatte Fleurs Untersuchung nichts ergeben. Bedeutete das, dieses Notizbuch war tatsächlich vollkommen gewöhnlich? Aber warum hatte Lucius es dann im Weinkeller versteckt?

Er verstand es nicht.
 

Langsam schlenderte er durch die Villa der Familie Delacour. Sie war – im Vergleich zu dem Anwesen der Malfoys – klein, aber dennoch groß genug, dass es eine Weile dauern konnte, bis man die Person fand, die man gerade suchte. Wenn man aus dem Fenster sah, konnte man meilenweit nur Lavendelfelder sehen, die ab und an durch kleinere Dörfer oder Bäume abgelöst wurden. Eine einzige Straße führte durch sie hindurch und wenn man ihr folgte, würde man früher oder später an einem Strand landen. Es war Hochsommer, die Sonne schien und man war froh, ein schattiges Plätzchen zu finden. Trotz allem liebte Harry diesen Ort mehr als jeden anderen auf der Welt. Irgendwann, das hatte er sich fest vorgenommen, würde auch er ein Haus in der Provence besitzen.
 

Er fand Felice auf der Veranda, wo sie mit Gabrielle, der jüngste Tochter der Familie, Schach spielte. Sobald er zu ihnen stieß, drehten sich beide strahlend zu ihm um, bevor sie sich wieder dem Spiel widmeten. Da er nichts anderes zu tun hatte, beschloss Harry, den Beiden zuzusehen.

Es war eine äußerst langweilige Partie, da Felice von Anfang an dominierte und zum Schluss gewann. Doch immerhin hatte sie es so schnell beendet, weshalb sie kurz darauf zu zweit die verschlungenen Pfade zwischen dem Lavendel entlangwanderten, in denen man sich schnell verlaufen konnte.
 

„Und? Hat Fleur etwas finden können?“

„Nein. Es muss ein vollkommen gewöhnliches Notizbuch sein.“

Felice runzelte die Stirn. „Aber warum war es dann versteckt? Das macht keinen Sinn.“

„Vieles in meinem Leben macht keinen Sinn. Hast du das noch nicht mitbekommen?“ Betrübt ließ er seinen Blick über den Lavendel gleiten, der sie umgab. Selbst seine Schönheit konnte ihn im Moment nicht aufheitern. „Manchmal wünschte ich, meine Eltern wären nie gestorben. Dann wäre ich niemals zu Narcissa und Lucius gekommen und müsste nicht darüber nachdenken, wer der größere Psychopath ist: Dumbledore oder der dunkle Lord.“

„Du hättest so oder so darüber nachgedacht“, entgegnete sie lächelnd. „Dein Kopf hätte es nicht zugelassen, dass du einfach jemanden blind folgst. Remus' Auftauchen macht dir wirklich zu schaffen, oder?“

Nickend senkte Harry seinen Blick. „Er... er war mir wichtig. Sehr wichtig. Und eigentlich ist er es immer noch. Aber er ist auf Dumbledores Seite. Ich kann ihm nicht vertrauen.“
 

„Warum bist du dir da so sicher?“, hakte sie nach und er drehte sich überrascht zu ihr um. Eigentlich stimmte ihm Felice sonst immer in diesem Punkt zu.

„Wie meinen?“

„Warum bist du dir so sicher, dass Dumbledore unrecht hat?“, fuhr sie hartnäckig fort. „Das tust du sicher nur, weil du bei den Malfoys aufgewachsen bist, weil du das elf Jahre lang erzählt bekommen hast und niemals daran dachtest, daran zu zweifeln, oder? Außerdem war es einfacher, zu wiederholen, was sie hören wollten.“

„Willst du damit etwa sagen, dass sie falsch liegen und Dumbledore Recht hat?“, fragte er skeptisch.

„Nein. Ich möchte wissen, ob du glaubst, dass er falsch liegt oder ob das die Meinung ist, die du seit Jahren gehört hast.“ Sie hielt in ihrer Rede inne und wartete darauf, dass er antwortete. Als er nach zwei Minuten immer noch schwieg, fuhr sie fort: „Dumbledore hat viele Anhänger. Eine ganze menge Leute stimmen mit ihm überein. Dafür muss es doch irgendeinen Grund geben oder irren sie sich etwa alle? Gib mir einen guten Grund, warum er falsch liegt. Einen logischen Grund, dem niemand widersprechen kann.“
 

Harry starrte sie wie vom Donner gerührt an. Ein guter Grund warum Dumbledore unrecht hatte? Da gab es tausende! Oder etwa nicht?

Bevor er weiter darüber nachdenken konnte, war aus der Ferne ein Bellen zu hören und im nächsten Augenblick sah er einen riesigen, schwarzen Hund auf sich zu rennen, der ihn unwillkürlich an einen Grimm erinnerten. Kurz darauf hatte er sie erreichte und begann fröhlich vor ihnen hin und her zu hüpfen, während sein Schwanz wie wild wedelte und er offensichtlich auf eine intensive Streicheleinheit hoffte.

Lachend gewährte Felice ihm diesen Wunsch und der Hund legte sich zufrieden mitten auf den kleinen Pfad zwischen dem Lavendel, damit sie besseren Zugang zu seinem Fell hatte.

Währenddessen stand Harry einfach nur da und beobachtete die Szene verblüfft. Wo kam dieser Hund her?
 

„Das ist Schnuffel!“, klärte sie ihn auf. „Er ist Regulus' Hund und muss ihm mal wieder entkommen sein. Die Beiden laufen oft hier entlang, um rein zufällig zu Besuch zu kommen.“

Nun musste auch er lachen. „Das ist verständlich, bei den drei reizenden, unverheirateten Mädchen, die in eurem Haus leben. Da kann ein Mann sicher nur schwer widerstehen.“

„Stimmt“, meinte sie kichernd, bevor sie den Blick hob und sich ein seltsamer Ausdruck auf ihrem Gesicht ausbreitete. Neugierig sah auch Harry auf und entdeckte einen keuchenden Regulus auf sie zu rennen. In seiner Hand flatterte nutzlos eine Leine hin und her, aus die sich Schnuffel offensichtlich befreit haben musste.
 

„Entschuldigt bitte!“, rief er auf Englisch, als er Harry erkannte. „Dieser Hund treibt mich in den Wahnsinn.“ „Schick ihn doch zu einer Hundeschule“, schlug Felice lachend vor, was Schnuffel mit einem wütenden Bellen kommentierte.

„Ach, das wird bei ihm nichts nützten“, meinte Regulus und verzog sein Gesicht. „Dieser Hund ist einfach unerziehbar. Aber was für eine freudige Überraschung, dich hier zu sehen, Harry. Ich wusste gar nicht, dass du kommst.“

Schnuffel hielt plötzlich mitten in seiner Bewegung inne, als er seinen Namen hörte und schaute zu ihm hinauf. Wenn Harry es nicht besser wissen würde, hätte er geglaubt, dass er ihn forschend ansah. Aber... er war doch nur ein Hund, also wieso... Es könnte natürlich sein... sie sahen sich zumindest ähnlich und Regulus war sein Bruder. Andererseits nein. Das konnte kaum möglich sein. Oder?

„Ich freue mich auch, dich wiederzusehen, Regulus. Ich bin eine Woche hier, um Felice zu besuchen.“

„Ach, tatsächlich?“, erwiderte er und sein Lächeln wirkte plötzlich seltsam gekünstelt, während sein Blick zwischen ihnen herflackerte.
 

Harry brauchte nur einen Moment, um die Situation zu analysieren und drehte sich fragend zu Felice um.

//Regulus denkt, wir sind ein Paar?//

Ihre Mundwinkel zuckten verdächtig, was er als ein Ja deutete.

//Und er steht auf dich.// Das brauchte sie ihm nicht zu beantworten, jeder, der nach den Anzeichen suchte, konnte sie finden. Die Frage war nur, ob Felice...

„Ich stehe nicht auf sie!“, rief er plötzlich, was Harry und Schnuffel dazu brachte, ihn verdutzt anzusehen.

Hatte er das etwa laut gesagt?

„Regulus ist ein Empath“, erklärte Felice ihm. „Er unterrichtet mich.“
 

Für einen Moment wurde sie von allen angestarrt, doch dann begriff Harry, was genau sie da eigentlich gesagt hatte.

Regulus war ein Empath. Er konnte also jeden seiner Gedanken hören. Er konnte also auch alle Gedanken hören, als sie bei der Quidditchweltmeisterschaft waren. Aber wenn das so war...

„Warum hast du ihm das verraten?“, beschwerte sich Regulus aufgebracht.

„Ganz einfach weil Harry clever genug ist, um es früher oder später selbst zu bemerken“, meinte sie schmollend. „Und er wäre wieder wütend auf mich gewesen, wenn ich es ihm nicht von selbst erzählt hätte.“

„Aber deshalb kannst du nicht einfach irgendjemanden meine Geheimnisse erzählen!“

„Ich erzähle sie nicht irgendjemanden, sondern meinem besten Freund! Außerdem ist es jetzt nicht so, als ob es wirklich ein Geheimnis wäre.“

Schweigend funkelten die Beiden sich an, bevor Regulus sich kopfschüttelnd Harry zu wandte. „Na gut, dann weißt du es nun einmal. Aber sag es bitte nicht weiter, okay?“
 

„Ähm... klar“, entgegnete er. Er musste zugeben, dass er etwas verwirrt war. In einem Moment war Regulus ein einfacher Kollege von Felices Ziehvater und im nächsten war er ein Empath und ihr Lehrer. Zumindest erklärte das, warum er sich ausgerechnet neben sie gesetzt hatte, als sie bei dem Endspiel gewesen waren.

Er wusste, was Felice zur Zeit für eine Entwicklung durchmachte, da er sie selbst erlebt hatte. Er konnte sie also auf eine Art und Weise verstehen, wie Harry es niemals können würde. Vielleicht war es albern, aber dieser Gedanke machte ihn beinahe traurig. Plötzlich fiel ihm etwas auf.
 

„Moment. Wenn du ein Empath bist, warum hast du Narcissa dann bei der Weltmeisterschaft auf meine Herkunft angesprochen?“

„Ganz einfach weil ich wirklich überrascht war, zu erfahren, dass sie einen zweiten Sohn hat“, erklärte er schulterzuckend. „Hätte ich gewusst, dass mehr dahintersteckt, hätte ich nie gefragt. Ich glaubte, es handle sich um eine vollkommen normale Adoption und nicht um eine, die man verheimlichen muss. Warum muss man sie eigentlich verheimlichen? Dumbledore und der dunkle Lord wissen ohnehin wer du bist.“
 

„Und das sind zwei Leute zu viel“, erklärte er und sah ihm fest in die Augen.

Er wollte nicht dauernd daran erinnert werden, dass er niemanden mehr auf dieser Welt hatte, dass er im Grunde vollkommen auf sich allein gestellt war. Er hatte keine Familie. Er war allein.

Die Malfoys gaben ihm zumindest die Illusion, dass dem nicht so war. Dass es doch jemanden gab, der sich um ihn kümmerte.

Er wollte nicht mehr Harry Potter sein, denn dieser Junge war schwach und nicht in der Lage, die Menschen zu beschützen, die er liebte.

„Und Harvey ist dazu in der Lage?“, fragte Felice sanft.

„Ich sollte wirklich Okklumentik lernen, was?“, fragte er lächelnd.

Keiner der Beiden antwortete ihm, doch er wusste auch so, dass er Recht hatte.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

An diesem Abend lag er alleine in seinem Zimmer und blätterte durch das geheimnisvolle Notizbuch des T.R. Riddle. Riddle... Rätsel...

„Du bist ein Rätsel, weißt du das?“, fragte er, als er sanft mit seinen Händen über die Seiten fuhr. Er wusste selbst nicht so genau, warum er dieses Buch nicht einfach wegwarf. Aber immer, wenn er es in den vergangenen Tagen versucht hatte, war er nicht dazu in der Lage gewesen.

//Beinahe als stünde ich unter einem Zauber, den ich nicht brechen kann.//

Doch Fleur hatte nichts gefunden.
 

Seufzend setzte er sich auf und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. Das war doch alles wahnsinnig! Warum machte er sich überhaupt so viele Gedanken darüber!

Er hatte im Moment genug andere Probleme.

Plötzlich fiel ihm ein, was seine Mutter, seine richtige Mutter, einmal gesagt hatte: „Wenn ich zu viele Probleme habe, schreibe ich sie auf.“

Und tat er das nicht immer, indem er Felice schrieb? Doch manchmal war es vielleicht einfach besser, wenn niemand anderes von den Problemen erfuhr. War das der Grund, weshalb er das Buch gefunden hatte?

Nun, ausprobieren konnte nicht schaden – hoffte er zumindest.
 

Eilig besorgte er sich eine Feder und ein Tintenfass und ließ sich vor dem Notizbuch nieder. Kurz überlegte er, bevor er die Feder über eine Seite führte und zögernd zu schreiben begann:

Warum wollen alle, dass ich wieder zu Harry Potter werde?
 

Gut... nicht alle wollten das. Die Malfoys sicher nicht und Felice war es wahrscheinlich egal. Dennoch fühlte er sich, als würde jeder wo...

Erschrocken bemerkte er, dass unter seinen Worten Buchstaben erschienen waren, die er selbst nicht geschrieben hatte. //Was zum...?//
 

Vielleicht, weil du selbst wieder Harry Potter werden willst?
 

Die Schrift war elegant und gut leserlich. Es war eine Schrift, die er jemanden wie dem dunklen Lord zuordnen wü... //Moment!//

Könnte es sein, dass dieser Mann dafür gesorgt hatte, dass er dieses Notizbuch erhielt, um ihn damit zu ärgern? Oder gar auszuspionieren? Es wäre ihm zuzutrauen. Andererseits, weshalb sollte er auf solche Methoden zurückgreifen? Das war einfach nicht seine Art.

Wahrscheinlich bildete er zur Zeit einfach einen Voldemort-Komplex aus. Zumindest würde das erklären, warum er in letzter Zeit alles, was in seinem Leben passierte, mit diesem Mann assoziierte.

Am besten versuchte er zuerst herauszufinden, wer da mit ihm kommunizierte.
 

Wer bist du?
 

Die Schrift zögerte nicht einen Moment mit ihrer Antwort: Tom Marvolo Riddle. Aber du kannst mich Tom nennen.
 

Harry blinzelte. //Ah, daher die Initialen.//

Warum kannst du mir antworten?
 

Ich bin in diesem Tagebuch eingesperrt. //Tagebuch?// Er hatte es für ein vollkommen normales Notizbuch gehalten. Ich habe es freiwillig getan, um meine Erinnerungen als Sechzehnjähriger aufzubewahren. Aber damals wusste ich nicht, wie langweilig es werden würde.
 

Wie lange bist du denn schon darin?
 

Zulange. Doch sag, wer bist du, wenn du nicht mehr Harry Potter bist?
 

Harry zögerte. Er wusste nichts von Tom, außer, dass er sich aus irgendeinen Grund in dieses Notizbuch eingesperrt hatte. Was, wenn das eine Lüge war? Wenn er doch ausspioniert werden sollte?

//Aber von wem? Wahrscheinlich wirst du einfach paranoid.//
 

Sie haben mich Harvey genannt. Harvey Malfoy. Aber meine Freunde nennen mich Harry.
 

War es verrückt, sich einem Tagebuch anzuvertrauen, das zudem auch noch antwortete? Auf jeden Fall.

Würde es irgendwann zu Schwierigkeiten führen? Mit absoluter Sicherheit.

Würde er es trotzdem tun? Definitiv.

Das waren seine Pottergene, ab und an musste er sich in Schwierigkeiten bringen. Außerdem war er überzeugt, dass er sich dort selbst wieder herausholen können würde, sobald die Zeit käme und solange konnte er einfach schauen, was ihm das alles bringen würde.
 

Ein Malfoy? Was hat ein Potter in der Familie Malfoy zu suchen? Welches Jahr ist es überhaupt derzeit?
 

Ohne wirklich darüber nachzudenken, was er tat, begann er Tom alles zu erzählen. Normalerweise hätte er es nie getan. Normalerweise hätte er sich niemals irgendjemanden so schnell anvertraut. Doch als er plötzlich bemerkte, wie der Morgen graute und er begriff, dass er nicht eine Sekunde geschlafen hatte, wusste er, dass er es nicht bereute.
 

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Wenn man die Villa der Familie Delacour verließ und der einzigen richtigen Straße folgte, die es in dieser Gegend gab, fand man sich irgendwann an einem Strand wieder. Oder, um genauer zu sein, an einer Bucht, die einem das Gefühl verlieh, in der Karibik zu sein und nicht im Süden Frankreichs. In der Regel war hier das Wasser ruhig, doch an manchen Tagen rollten große Wellen auf das Ufer zu, die es unmöglich machten, einen Fuß in das Wasser zu setzen.
 

Es war ein solcher Tag, als Harry barfuß durch den Sand lief und nach einem geeigneten Platz zum Lesen suchte. Dabei ließ er sich nicht von den großen Gewitterwolken stören, die am Horizont zu sehen waren. Zur Not würde er einfach in das Restaurant flüchten, welches nur einige hundert Meter entfernt war und warten, bis sich das Wetter beruhigt hatte.

Es tat gut, nach langer Zeit endlich wieder alleine durch die Welt zu wandern. Sonst waren immer irgendwelche Freunde – angefangen bei Neville und aufgehört bei Felice – oder ein dunkler Lord dabei gewesen, die jede seiner Bewegungen observierten, als gäbe es sonst nichts interessantes in dieser Welt. Dies hatte ihm offenbar mehr zu schaffen gemacht, als er ursprünglich geglaubt hatte, denn jetzt, wo er endlich wieder die Vorzüge der Einsamkeit genießen konnte, fühlte er die Anspannung, die sich in den letzten Monaten in ihm aufgebaut hatte, langsam von ihm abfallen.

Wirklich, er sollte in Zukunft öfter auf ein paar einsame Stunden bestehen. Es würde ihm gut tun.
 

Zu seinem großen Pech sollte ihm sein Schicksal diese einsame Zeit jedoch nicht gönnen, da er auf einmal hinter sich ein vertrautes Bellen hörte und im nächsten Moment von Schnuffel besprungen wurde, der offensichtlich erpicht darauf war, ihm das Gesicht abzuschlecken.

„Hey! Hör auf!“, rief er lachend und versuchte verzweifelt, den Hund abzuwehren. Tatsächlich ließ er sofort von ihm ab und begann stattdessen fröhlich vor ihm hin und her zu springen, während er gierig mit seinen Schwanz wedelte. Da dies nur eines bedeute konnte, kniete Harry sich schmunzelnd nieder und begann, seine Ohren zu kraulen.

„Du bist wirklich ein frecher Hund“, meinte er. „Musst du immer ausreißen?“

Schnuffel bellte darauf nur und stupste ihn mit seiner Nase an, damit er ihn auch an anderen Stellen streichelte. Er war nicht nur frech, sondern auch verwöhnt.

„Weißt du, du erinnerst mich an einen anderen Hund, der dir sehr ähnlich war.“

Schnuffel schien bei diesen Worten zu erstarren, bevor er ihn wieder mit diesen seltsam forschenden Blick ansah. „Und damit machst du es auch nicht besser, weißt du?“
 

„Schnuffel!“

Hund und Junge hoben ihre Köpfe. Es war diesmal nicht Regulus, der über den Strand rannte, um den Hund wieder einzufangen, sondern eine Frau, die Harry Mitte dreißig schätzte. Sie hatte langes, kastanienbraunes Haar, das ihr zugegebenermaßen hübsches Gesicht umrahmte, doch das war es nicht, was Harrys Aufmerksamkeit auf sie zog. Es waren ihre Augen. Sie waren grün, seinen sehr ähnlich, aber etwas dunkler und durchzogen mit einer Lebensfreude und Güte, die man zu dieser Zeit nur selten finden konnte.

Sie stutzte kurz, als sie ihn bemerkte, bevor ein freundliches Lächeln auf ihrem Gesicht erschien.
 

„Bonjour!“, begrüßte sie ihn und fuhr auf Französisch fort: „Tut mir Leid, falls er dich belästigt hat. Dieser Hund ist unmöglich.“

Interessiert bemerkte er ihren englischen Akzent. Dank Felice wusste er ganz genau, wie sich dieser anhörte, da sie es geliebt hatte, ihn nachzuahmen, als er begonnen hatte, Französischunterricht zu nehmen. Deshalb beschloss er, in seiner Muttersprache zu antworten: „Ja, dasselbe hat Regulus auch gesagt.“

Ihre Augen weiteten sich kaum merklich, als sie seine Stimme hörte, doch sie hatte sich schnell wieder gefangen. „Du bist ein Freund von Regulus?“, fragte sie, ebenfalls in Englisch.

„Meine Mutter ist seine Cousine“, erklärte er lächelnd. „Mein Name ist Harvey Malfoy.“

„L... Laura Evans“, entgegnete sie, wobei ihm ihr Zögern nicht entging. „Ich bin eine Freundin von Regulus“, fügte sie hinzu, wahrscheinlich um zu erklären, warum sie mit Schnuffel unterwegs war.

„Ich... wusste nicht, dass er Besuch hat.“
 

„Oh, ich bin nicht hier, um Regulus zu besuchen“, erklärte Harry höflich. „Wir kennen uns nicht besonders gut. Ich wohne zur Zeit bei einer Freundin.“

Laura runzelte die Stirn, als sie versuchte, herauszufinden, bei wem er untergekommen sein könnte. „Delacour?“

Harry nickte.

„Fleur?“

„Felice.“

Das schien sie zu überraschen. „Felice? Ich wusste überhaupt nicht, dass sie einen so... einen Freund hat.“

Oh. OH!

„Nein, nein. Wir sind Freunde, wirklich nur Freunde.“ Warum rechtfertigte er sich eigentlich vor ihr? Er kannte sie überhaupt nicht.

„I... ich verstehe“, antworte sie, während sich ein leichter Rotschimmer auf ihren Wangen bildete. „Entschuldige bitte. Das ist mir jetzt wirklich etwas unangenehm. Also... du kommst aus England?“

//Ein wirklich unauffälliger Themenwechsel.// „Ja.“

„Gehst du in Hogwarts zur Schule?“

„Ja, ich bin in Ravenclaw.“

Dies schien sie zu beeindrucken. „Ravenclaw? Dann musst du ja äußerst intelligent sein.“

„Ach, es geht“, meinte er, das Gesicht verziehend. „Ich glaube, ich bin ganz passabel.“
 

„Jahrgangsbester und zweiter Platz in Europa“, hörten sie plötzlich wie aus dem Nichts Regulus' Stimme kommen. „Ja, ich würde sagen, das ist wirklich ganz passabel.“

Schnuffel begann fröhlich zu bellen, als er sein Herrchen bemerkte und sprang fröhlich um seine Beine herum. Ein wirklich anhänglicher Hund. Oder waren alle so?

Wo kam Regulus eigentlich plötzlich her?

„Woher weißt du das schon wieder?“, fragte Harry.

„Felice hat sich furchtbar darüber aufgeregt, nur dritter Platz zu sein. Sie meinte, sie könne es ertragen, hinter dir zu liegen, aber nicht auch noch hinter Viktor Krumm, der seine ganze Freizeit mit – ich zitiere – einer solch sinnfreien Beschäftigung wie Quidditch verbringt.“
 

Harry verzog ein weiteres Mal das Gesicht. Einmal im Jahr fanden bestimmte Wettbewerbe statt, in denen die besten Schüler des jeweiligen Landes gegeneinander antraten. Manchmal ging es um Zaubertränke, manchmal um Duellieren, manchmal um andere Dinge. Letztes Jahr war, neben dem Trimagischen Tunier, duellieren dran gewesen und Felice hatte dummerweise im Halbfinale gegen Viktor Krumm verloren, der daraufhin im Finale gegen Harry angetreten war. Ihn hatte es ziemlich geärgert – es wäre witzig gewesen, gegen Felice zu kämpfen.

Aber so hatte er gegen Viktor antreten müssen und es wunderte ihn zum tausendsten Mal, wie dieser es geschafft hatte, gegen Neville zu verlieren.

Die Nummer eins in Europa, die ihn und Felice hatte schlagen können, verlor gegen Neville Longbottom? Da musste einfach mehr dahinterstecken. Ob es etwas mit dem dunklen Lord zu tun hatte?
 

Plötzlich bemerkte er, dass es seltsam still um ihn war und als er aufblickte, sah er, dass die beiden Erwachsenen ihn anstarrten – Laura leicht besorgt und Regulus amüsiert.

„Du versinkst tatsächlich äußerst schnell in deinen Gedanken, Harvey“, bemerkte letzterer.

In diesem Moment erschien am Himmel ein Blitz und ein lauter Donner folgte. Das Gewitter war angekommen.
 

„Ach du je“, flüstere Laura. „Das ging heute aber schnell. Wir sollten lieber in ein Haus, bevor es anfängt zu regnen.“

Harry folgte ihrem Blick gen Himmel. Sie hatte Recht, also würde er wohl die nächsten Stunden in einem Restaurant verbringen. Doch bevor er überhaupt daran denken konnte, dorthin zu gehen, wurde er an seinem Arm gepackt. „Harvey, warum kommst du nicht mit zu meinem Haus? Gewitter dauern hier immer recht lange und du kannst von dort aus mit Flohpulver zurück zur Villa Delacour. Was sagst du?“
 

Er hielt kurz inne, um darüber nachzudenken. Was konnte es groß schaden? Im Grunde war Regulus Familie, oder? Er würde ihn schon nicht vergewaltigen oder foltern. Deshalb sagte er zu und folgte den Anderen zu Regulus' Haus.

Erst als er sich kurze Zeit später von ihnen verabschiedete, um zu Felices Haus zurückzukehren, fiel ihm ein, sich zu fragen, warum Laura eigentlich mitgekommen war.

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Je suis désolée, 'Arry. - Es tut mir Leid, Harry.

Pas de souci! - Kein Problem!

Bonjour! - Guten Tag!

A Mother's Guilt

Hallihallo ihr Lieben!

Heute gibt es ausnahmsweise ein Kapitel, das ich nur schnell überflogen habe, das heißt, wenn mehr Rechtschreib-, Grammatik- oder andere Fehler als sonst drin sind, wisst ihr warum. Aber ich hab heut den ganzen Tag durchgeschrieben und will es nur noch on stellen. XD

Ich hoffe, ihr verzeiht mir diese Schlamperei. ^^"

Darüber hinaus gibt es eine schlechte Nachricht: Ab Montag geht die Schule bei mir weiter und da es mein letztes Schuljahr ist, kann es gut sein, dass die Updates äußerst unregelmäßig werden können! Das heißt, wenn ihr mal Monatelang nichts von mir hört, heißt das nicht, dass die FF nicht weitergeht, sondern dass ich mitten im Klausur- oder Prüfungsstress bin. XD

Aber keine Sorge, so wie ich mich kenne, werde ich da erst Recht weiterschreiben, allein um eine Zerstreuung zu haben, die so aussieht, als hätte ich was überaus wichtiges zu tun. ^.~

Zum Schluss gibt es wie immer ein großes Dankeschön an alle Leser und Kommischreiber!!! ^o^ You always make my day!!!!

Bis zum nächsten Kapitel,

eure Ayako

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A Mother's Guilt
 


 

Lieber Harry,
 

geht es dir gut? Neville hat erzählt, du hättest dich seltsam verhalten, als er dich das letzte Mal sah.

Ist irgendetwas passiert? Sollte ich mir Sorgen machen?

Mir geht es soweit gut. Dad hat eine Reise in die Schweiz gewonnen, weshalb wir für den Rest der Ferien wandern gehen werden. Wir sehen uns dann wieder im Hogwartsexpress.

Grüß Felice von mir!
 

Liebe Grüße,

Luna
 

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„Sag, wer ist eigentlich diese Freundin von Regulus?“

Überrascht stoppte Felice in ihrem Klavierspiel und blickte zu ihm auf. „Freundin? Welche Freundin?“

„Laura Evans“, antwortete Harry und beobachtete, wie sie mehrmals blinzelte.

„Laura Evans?“, wiederholte sie verdutzt. „Ich kenne keine... ah! Laura! Natürlich!“ Sie lächelte entschuldigend. „Tut mir Leid, aber die Beiden sind noch nicht solange hier.“

Harry hob eine Augenbraue. „Die Beiden?“

„Ja, Laura und Jeffrey Evans. Laut Regulus kommen sie aus England und sind alte Bekannte von ihm. Sie leben in einem kleinen Haus am anderen Ende der Lavendelfelder. Offenbar sind sie aus Arbeitsgründen hierher gezogen. Jeffrey arbeitet im Ministerium, als Auror. Sie sind nette, großzügige Leute, die von den meisten gemocht werden. Aber sag, woher kennst du sie?“
 

Langsam schob er einen nahestehenden Stuhl neben sie und setzte sich. Dabei blickte er auf das Notenpapier, das zur Hälfte beschrieben war. Es sah ganz so aus, als wäre Felice mal wieder dabei gewesen, ein Lied zu schreiben. Das war eines ihrer Lieblingshobbys und meist endete es mit irgendeiner Genialität, die ihr Millionen einbringen würde, sollte sie jemals beschließen, ins Musikgeschäft einzusteigen. Harry fragte sich wirklich, was sie nach ihrem Schulabschluss tun würde.

„Ich bin ihr gestern zufällig auf dem Strand über den Weg gelaufen“, erklärte er nur. „Sie war mit Schnuffel unterwegs. Wir haben uns etwas unterhalten.“

„Wirklich?“, fragte Felice mit einem auffällig beiläufigen Tonfall. „Worüber?“

„Smalltalk“, entgegnete er nur. „Wo ich zur Schule gehe, wo ich untergekommen bin, also das, worüber man redet, wenn man sich zum ersten Mal begegnet.“ Er beugte sich vor, bis ihre Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. „Wirst du mir sagen, wer sie wirklich ist?“
 

„Du bist zu schlau für deine Gesundheit, Harvey. Und zu neugierig“, meinte sie ernst, doch ihre Augen leuchteten amüsiert. „Du hast natürlich Recht, hinter ihnen steckt mehr, als die meisten ahnen, aber Regulus hat mich den unbrechbaren Schwur schwören lassen, dass ich niemanden, nicht einmal dir, davon berichte.“ „Ein unbrechbarer Schwur? Die ganze Sache ist ja noch spannender, als ich geglaubt habe.“ Grinsend lehnte er sich wieder etwas zurück, während sie lachte.

„Viel Spaß bei deiner Detektivarbeit. Aber sei vorsichtig, die Antworten, die du findest, könnten dir nicht gefallen.“

Gleichgültig zuckte er mit den Schultern. Es war ihm relativ egal, was er von dem Endergebnis halten würde, im Moment stand er vor einem Rätsel, das lösbar war und solche liebte er über alles! Es war in der Regel nicht allzu schwer, hinter die Geheimnisse normaler Bürger zu kommen, immerhin handelte es sich bei ihnen nicht um dunkle Lords. Darüber hinaus würde das eine wunderbare Zerstreuung für seinen restlichen Aufenthalt in Frankreich darstellen, genau das also, was er momentan brauchte.

Felice schüttelte einfach nur mit den Kopf und wandte sich wieder ihrem Stück zu. Jedoch war er noch nicht fertig mit seinem kleinen Verhör.
 

„Gehört Schnuffel auch zum unbrechbaren Schwur?“

Für den Bruchteil einer Sekunde erstarrte sie. Jemand, der sie nur flüchtig kannte, hätte dies niemals bemerkt, aber er tat es und das machte ihn misstrauisch.

„Schnuffel?“, wiederholte sie ruhig, jedoch ohne ihn anzusehen. „Nun...“

„Er ist ein vollkommen normaler Hund und ganz sicher kein Animagus, wie du glaubst“, unterbrach sie eine Stimme und beide drehten sich um.

„Regulus!“, riefen sie synchron, Felice erleichtert, Harry enttäuscht.

„Ich wollte überprüfen, dass du deine Übungen nicht vergisst“, erklärte der Mann freundlich. „Vergiss nicht, wie wichtig sie sind.“

„Keine Sorge, Herr Lehrer“, entgegnete sie spöttisch. „Ich vernachlässige meine Studien für nichts auf der Welt.“

Regulus hob zweifelnd eine Augenbraue. „Sehr schön, dann können wir ja jetzt ganz spontan prüfen, ob das stimmt.“

„Alles klar!“, meinte sie, erfreut vor einer Herausforderung zu stehen.

Daraufhin verdrehte Harry die Augen und erhob sich. „Ich wünsche euch viel Erfolg. Wir sehen uns später.“
 

Eilig entfernte er sich von dem Zimmer und trat hinaus ins Freie. Augenblicklich schlug ihm die unerträgliche Mittagshitze des Mittelmeeres entgegen und er überlegte sich für einen kurzen Augenblick, ob er nicht doch lieber im Haus bleiben sollte. Allerdings befanden sich dort gerade zwei Empathen und dafür hatte er einfach keine Nerven.

Wie standen die Beiden eigentlich zueinander?
 

Dass Regulus in Felice mehr sah, als eine bloße Schülerin war offensichtlich. Er verschlang sie förmlich mit seinen Augen und kam auffällig oft vorbei, als dass es Zufall sein könnte. Die Frage war nur, ob er sie liebte oder ob es einfach eine körperliche Anziehung war. Wenn es sich um letzteres handelte, konnte er verstehen, warum sie nicht darauf einzugehen schien. Felice gehörte zwar keineswegs zu den keuchen Jungfrauen dieser Erde, die auf ihren Traumprinzen warteten, aber sie war klug genug, mit niemanden eine Affäre zu beginnen, den sie brauchte. Das könnte zu unangenehmen Komplikationen führen, besonders für den Fall, dass sich ihr Liebhaber später als ein „eifersüchtiger, besitzergreifender Idiot“ entpuppte, wie sie diese Kategorie Mann zu bezeichnen pflegte.
 

Wenn es jedoch Liebe war, die er für sie empfand, wurde die ganze Sache noch problematischer. Felice spielte nicht mit den Gefühlen anderer Leute – zumindest wenn sie dabei Gefahr lief, sich emotional an sie zu binden – da sie als Empathin genau spürte, was sie ihnen damit antat. Das hieß, solange sie ihn nicht selbst liebte, würde sie ihr möglichstes tun, ihm keine Hoffnungen zu machen.

Andererseits war Regulus ebenfalls ein Empath, was bedeutete, dass er ihre Gefühle genauso gut kannte, wie sie die seinen. Also wusste er nur allzu gut, was sie von ihm hielt und falls er sie tatsächlich liebte, musste allein diese Tatsache schmerzhaft sein.
 

„Ach, es ist viel zu kompliziert“, murmelte er, als er unter einem Baum im Garten der Delacours ankam und sich in seinen Schatten setzte. Hier war die Hitze etwas erträglicher und er konnte sich gut vorstellen, eine Weile hier zu bleiben, und den Tag zu genießen. Das gestrige Gewitter hatte leider nur in der Nacht für Abkühlung gesorgt, doch sobald die Sonne aufgegangen war, schien die ganze Welt zu schwitzen. Harry bewunderte unwillkürlich die vielen Blumen, die um ihn herum blühten. Wie sie es wohl schafften, hier am Leben zu bleiben? Pflanzen waren widerstandsfähiger, als viele glaubten.

//Oder sie werden einfach durch Magie am Leben erhalten.//
 

Seufzend lehnte er sich an die Rinde des Baumes, eine Eiche, wie ihm beim zweiten Hinsehen auffiel und schloss die Augen. Um ihn herum summten die Insekten, während sie durch die Luft flogen, um ihren eigenen Angelegenheiten nachzugehen. Über ihm sang ein Vogel sein einsames Lied und in der Ferne meinte er das Rauschen des Meeres zu hören. Es wäre leicht, hier einzuschlafen, aber er zwang sich dazu, seine Augen wieder zu öffnen. Er sollte besser wach bleiben, aber wie? Er brauchte eine Beschäftigung.

Da fiel ihm Toms Tagebuch ein, dass er aus einem ihm unbekannten Grund überallhin mitnahm. Er fragte sich selbst, warum er das tat, aber es schien ihm falsch, es leichtfertig in seinem Zimmer zu lassen. Jemand könnte es finden und...

Ja, was eigentlich? Was wäre so schlimm, wenn es jemand fände?
 

Stirn runzelnd holte er das Notizbuch hervor und starrte es an. Könnte es möglich sein, dass ein Zauber darauf lag, der es einem unmöglich machte, es jemals von sich zu geben? Vielleicht machte es süchtig. Oder aber es ernährte sich irgendwie von ihm. Dieser Tom konnte gefährlicher sein, als er dachte. Ohnehin war es gedankenlos gewesen, ihm seine ganzen Geheimnisse anzuvertrauen. Was genau hatte er ihm noch gleich erzählt?

Von Lily und James und wie Sirius sie umbrachte. Von seiner Adoption. Von seiner Zeit bei den Malfoys, wie ihm die Etikette der Reinblüter eingetrichtert worden war und er lernte, in dieser Welt zu überleben. Von Hogwarts, von Neville, Hermione, Luna und auch von Felice. Also zusammengefasst seine Lebensgeschichte. Allerdings, so fiel es ihm im Nachhinein auf, hatte er nichts von Voldemort erzählt.

//Er hatte ja auch nur wissen wollen, warum ich nicht mehr Harry Potter sein will//, dachte er. //Und das habe ich getan.//
 

Vorsichtig schlug er das Tagebuch auf und war überrascht, als augenblicklich Worte auf dem Papier erschienen: Hallo, Harry.
 

Blinzelnd starrte er Toms Begrüßung, ehe er nach einem Stift griff und zu schreiben begann.
 

Hallo Tom. Woher wusstest du, dass ich es bin?
 

Das liegt an deiner magischen Signatur. Sie ist einzigartig auf dieser Welt und ich würde sie überall wiedererkennen. Sie ist wirklich... bemerkenswert.
 

Magische Signatur?
 

Jede Hexe und jeder Zauberer besitzt sie, erklärte Tom. Sie ist tief in unsere Aura verankert und genauso unverwechselbar wie unsere Fingerabdrücke. Allerdings sind nur wenige in der Lage, sie wahrzunehmen.
 

Harry nickte verstehend. Das war interessant, äußerst interessant. Er beschloss, sich in Zukunft genauer damit auseinander zu setzen.
 

Harry... darf ich dir eine Frage stellen?
 

Verdutzt starrte er diese Worte an. Bisher hatte Tom nie davor zurückgeschreckt, ihm so viele Fragen zu stellen, dass es beinahe einem Verhör glich. Warum war er plötzlich so förmlich? Natürlich.
 

Gibt es derzeit einen dunklen Lord?
 

Er hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Warum wollte Tom das wissen? //Vielleicht ist er einfach an der aktuellen Politik interessiert. Wer weiß, was er für ein Mensch ist.//
 

Ja, den gibt es tatsächlich. Er nennt sich Lord Voldemort.
 

Diesmal zögerte Tom, doch dann schrieb er: Erzähl mir von ihm!
 

Also begann er, ihm alles aufzuschreiben, was er über den Mann wusste, jedoch ließ er seine eigene Beziehung – falls man es so nennen konnte – zu ihm aus. Bedauerlicherweise gehörte Tom zu den Leuten, denen man nichts vorenthalten konnte.

Bist du ihm auch begegnet?
 

Ja, er hat ein paar Tage bei uns verbracht.
 

Und wie hat er sich dir gegenüber verhalten?
 

Erschrocken starrte er die Frage an. Es war ja beinahe so, als wüsste er...
 

Er ist ziemlich interessiert an dir, oder? Hat er dich unter seinen Schutz gestellt? Oder bist du bereits ein Todesser?
 

Woher weißt du das?
 

Du bist ein Todesser? Ich hätte dich eigentlich für widerstandsfähiger gehalten.
 

Nein, ich bin kein Todesser. Aber der Rest... woher weißt du das?
 

Ich kenne Voldemort und ich kenne deine Signatur. Der Mann wäre verrückt, wenn er jemanden wie dich nicht beachten würde. Ich glaube sogar, dass du das bist, was er schon lange gesucht hat.
 

Verwirrt wäre kein Ausdruck für das, was Harry in diesem Moment spürte. Etwas, das der dunkle Lord schon lange gesucht hatte? Was bitte schön sollte er gesucht haben? Ein Genie? Unwahrscheinlich, davon gab es mehr als eines auf dieser Welt. Doch was war es dann?
 

Harry, wenn du ihn das nächste Mal triffst, erzähl ihm von mir, bat Tom. Das ist sehr wichtig.
 

Aber warum?
 

Tu es einfach. Vertrau mir.
 

Vertrauen? Wieso sollte er jemanden vertrauen, von dem er nur die Schrift kannte? Das wäre unvernünftig und vollkommen verrückt. Andererseits würde er seine Gründe haben, immerhin kannte er den dunklen Lord. //Aber woher?//
 

„Harry!“, hörte er plötzlich Madame Delacours Stimme aus dem Fenster rufen, das zum Esszimmer gehörte. „Komm rein! Es gibt Mittagessen!“

„Alles klar!“, rief er und verstaute das Tagebuch wieder in seiner Tasche. Danach stand er auf und streckte sich. Es war nie eine gute Idee, zulange in derselben Position zu verharren, danach tat ihm immer irgendein Körperteil weh. Gähnend machte er Anstalten, zum Haus zurückzukehren, als er plötzlich eine Bewegung zu sehen glaubte. Alarmiert wirbelte er herum und war überrascht, als er einige Meter von sich entfernt einen Hirsch stehen sah, der ihn durch seine dunklen Augen aufmerksam musterte.

Gab es in der Provence Hirsche? Wenn ja, kamen sie sonst nie in die Nähe von Menschen, zumindest war heute das erste Mal, dass er einen sah.
 

„'Arry! Die Kartoffeln werden kalt!“ Fleur.

Doch der Junge war wie festgefroren und konnte nur das Tier anstarren, das nun einen zögernden Schritt auf ihn zumachte.

„Harvey James Malfoy, kommst du wohl endlich! Wir anderen haben Hunger!“, rief nun Felice und das brachte ihn endlich dazu, herumzuwirbeln und hinein zu eilen. Dabei glaubte er die ganze Zeit den Blick des Hirsches auf sich zu spüren.
 

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Summend stand Laura Evans in der Küche und rührte in einem Kessel. Darin köchelte in aller Ruhe ein Zaubertrank, der gegen Kopfschmerzen half. Ihr Mann würde ihn sicherlich benötigen, in letzter Zeit machte er ständig Überstunden und schien bereits an chronischer Müdigkeit zu leiden. Es war nie einfach, in ein neues Land zu ziehen, da man immer von vorn anfangen und sich einen Namen machen musste. Aber es war die einzige Möglichkeit, die sie hatten. Sie mussten regelmäßig verschwinden, damit niemand auf die Idee kam, in ihrer Vergangenheit zu wühlen, um festzustellen, dass Laura und Jeffrey Evans eigentlich nicht existierten.
 

//Wenigstens ist Regulus diesmal in der Nähe//, dachte sie, als sie die letzte Zutat in den Trank warf. //So haben wir zumindest eine Person, vor der wir uns nicht verstecken brauchen.//

Das Einzige, was sie an ihm beunruhigte, war seine kleine Schülerin. Felice hatte sofort gewusst, wer sie wirklich waren und hatte dementsprechend aufgebracht reagiert. Zuerst hatte Laura diese Reaktion nicht verstanden, doch jetzt war ihr alles klar.

//Sie ist eine Freundin von Harry.//

Sobald sie an diesen Jungen dachte, zog sich alles in ihrem Inneren zusammen und sie konnte nur schwer die Tränen unterdrücken.

Sie war sich bewusst gewesen, dass es schrecklich sein würde, sollte sie ihm jemals begegnen, aber dieses Wissen hatte nicht im Geringsten geholfen, als er auf einmal vor ihr stand.
 

Er war wunderschön, tausendmal schöner, als sie es sich jemals ausgemalt hatte. Diese grünen Augen, sein wachsamer Blick, das elegante Gesicht, das ihr und ihrem Gemahl so ähnlich war...

„Harry“, hauchte sie und spürte die erste Träne über ihre Wange laufen.

Er war höflich und laut Regulus ein Genie. So ein wunderbarer, einzigartiger, vollkommener Junge. Natürlich war das von Anfang an offensichtlich gewesen, bereits als Baby hatte er sich von allen anderen Kindern unterschieden. Er war dazu geboren, etwas herausragendes zu werden, vielleicht würde er sogar die Welt verändern! Doch sie würde keinen Anteil daran haben und das zu Recht.
 

Noch mehr Tränen folgten ihrer ersten und sie bedeckte ihren Mund mit einer Hand, um das Schluchzen zu ersticken, das aus ihrer Kehle dringen wollte.

Harry, ihr Harry, ihr wunderbarer Harry.

Es war ihre Schuld, alles ihre Schuld. Sie hatte ihn verlassen, einfach verlassen, sich nie für ihn interessiert. Sie war so schlecht gewesen. Eine schlechte Mutter. Eine Rabenmutter.

Wenigstens hatte er Narcissa. Sie war eine bessere Mutter, eine weitaus bessere. Sie würde ihre Kinder niemals im Stich lassen.

Ihre Beine gaben nach und sie landete mit ihren Knien auf dem Boden, während immer mehr Tränen folgten. Wie hatte sie ihm das nur antun können? Wie hatte sie nur so eine Sünde begehen können? Warum hatte sie ihn im Stich gelassen?

Ihr Kind. Ihr Sohn. Ihr Harry.

Er würde ihr niemals vergeben. Wie sollte er auch, wo sie sich selbst nicht vergeben konnte? Sie hätte bei ihm sein sollen, all diese Jahre. Hätte ihn aufziehen sollen, mit ihm zum Hogwartsexpress gehen sollen, all seine Sorgen kennen, ihn bei seinen ersten Liebeskummer trösten, ihm einen Kuchen backen, wenn er wieder einen Preis gewonnen hatte, einfach seine Mutter sein!

Sie war ein schlechter Mensch, ein grauenhafter, schlechter, sündigender Mensch, der es nicht verdient hatte, auch nur einen Tag länger auf dieser Erde zu verweilen.

Es war alles ihre Schuld.
 

Plötzlich hörte sie schnelle Schritte und im nächsten Moment fand sie sich in einer vertrauten Umarmung wieder. „Still, Lily, still. Es wird alles wieder gut.“

„Er ist hier“, schluchzte sie und vergrub ihren Kopf in seiner Brust. „Er ist hier!“

„Ich weiß.“

„Er ist ein Genie. Ein Genie! Ein so guter Junge! Wir hätten ihn niemals...“

„Ich weiß.“

„Warum jetzt, James? Warum ausgerechnet jetzt? Wo wir uns doch bereits damit abgefunden hatten, ihn nie wieder zu sehen.“

Ihr Mann fuhr ihr schweigend durchs Haar, während er ihrem Schluchzen lauschte. Schließlich, nach etwa einer halben Stunde, beruhigte sie sich wieder, was er zum Anlass nahm, zu sprechen: „Wir müssen nach England zurück.“
 

Erschrocken hob sie ihren Kopf und starrte ihn an. „Nach England?“

„Albus sagte, dass er Harry in Sicherheit aufwachsen lassen würde, abseits der Öffentlichkeit, an einem Ort, wo der dunkle Lord ihn nicht finden würde. Aber nun ist er bei Narcissa, direkt vor seiner Nase. Ich will wissen, warum er das getan hat.“

„A... aber dann wird Harry sicher von uns erfahren, oder?“, fragte sie, während sich eine alles umfassende Kälte in ihr ausbreitete. „Er wird von uns erfahren und uns... hassen.“

„Uns war von Anfang an klar, dass er das tun würde, sollte er jemals davon erfahren“, erinnerte er sie. „Aber wir haben es trotzdem getan, um Harry zu beschützen! Seine Sicherheit war für uns das Wichtigste und wird es immer sein, nicht wahr?“

„N... natürlich“, hauchte sie.

„Siehst du! Darum müssen wir zurück und sehen, was passiert ist! Harry ist nun offensichtlich in Gefahr!“

„Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Albus sein Versprechen einfach so gebrochen hat“, warf sie ein. „Das ist überhaupt nicht seine Art.“

„Vielleicht ist etwas schief gelaufen. Warum konnte Narcissa ihn adoptieren? Man adoptiert doch nur Kinder, deren Eltern tot sind, oder? Und wir sind nicht gestorben! Wir sind nur Rabeneltern, die ihren Jungen allein gelassen haben! Irgendetwas geht da vor sich. Wir müssen nach England, Lily, damit wir sehen, was genau schief gelaufen ist! Kommst du mit mir?“

Vorsichtig streckte sie ihre Hand aus und legte ihre Finger an seine Lippen. „Was für eine dumme Frage.“
 

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Ein paar Tage später lief der Junge, der lebt durch das Hauptquartier des Phönixorden. Dies war an sich nichts ungewöhnliches, immerhin war er die große Hoffnung aller weißen Magier und somit ein fester Bestandteil der Organisation. Deshalb war es nur selbstverständlich, dass er durch das Hauptquartier spazieren konnte. Dieses befand sich in einem alten Manor unweit von London. Offenbar gehörte es Dumbledore selbst und wenn man die etwas durchgeknallte Einrichtung beachtete, konnte Neville sich gut vorstellen, dass es stimmte. Sein Schulleiter war tatsächlich verrückt, aber dabei ein Genie und der großartigste Mann auf Erden. Er würde nie verstehen, warum Harry so wenig von ihm hielt.
 

Nein, das ungewöhnliche war, dass er alleine unterwegs war. Normalerweise wurde er stets von Hermione begleitet, was ihn in letzter Zeit beinahe nervte. Er liebte seine beste Freundin wirklich über alles – auf einer rein platonischen Ebene – doch ihre Anhänglichkeit war grauenvoll. Da war ihm Harry tausendmal lieber, auch wenn er sich meistens an ihn hängen musste, um auch nur ein paar Minuten mit ihm reden zu können. Sein Freund besaß das Talent, schnell und unbemerkt zu verschwinden und erst Stunden später wieder aufzutauchen. Lächelnd schüttelte er den Kopf, als ihm wieder einmal schmerzlich bewusst wurde, wie sehr er ihn vermisste. Dabei war es lächerlich, sie hatten sich erst letzte Woche gesehen. Allerdings hatte er etwas an sich, wovon Neville nie genug bekommen konnte.
 

Harry war die einzige Person auf der ganzen Welt, der er absolut vertraute. Es war ihm egal, was Dumbledore sagte oder dass er der Sohn der Malfoys war, er war sein bester Freund, beinahe so etwas wie ein Bruder für ihn und wenn es sein musste, würde er sich sogar einer ganzen Armee entgegenstellen, um ihn zu verteidigen. Außerdem wusste er, dass er sich immer auf Harry verlassen konnte, egal in welcher Situation er sich befand. Deshalb akzeptierte er auch, dass er im Moment so abweisend zu sein schien. Er war sicher Voldemort begegnet und wer wusste schon, was dieses Monster ihm angetan hatte.

//Ich werde ihn besiegen//, schwor er sich. //Wenn ich Harry damit helfen kann, werde ich ihn besiegen.//

Sein Freund hatte bereits soviel für ihn getan und bisher hatte er keine Gelegenheit gehabt, es ihm auch nur ansatzweise zurückzuzahlen.
 

Aus diesem Grund musste er dringend seine Duellfähigkeiten verbessern! Mit seinem jetzigen Stand wäre er niemals in der Lage, gegen Voldemort zu bestehen, das war ihm auf jenem Friedhof nur allzu klar geworden. Das Problem war nur, dass er keine Ahnung hatte, wie er das anstellen sollte.

//Am Besten frage ich Professor Dumbledore//, beschloss er. //Er wird mir sicher sagen können, wer der beste Lehrer für so etwas ist.//

Dass er es alleine niemals auf die Reihe kriegen würde, war ihm vollkommen klar. Harry war das Genie, nicht er.
 

Mit schnellen Schritten lief er zu Dumbledores Arbeitszimmer. Doch als er in den Gang einbog, sah er, dass er nicht als einziger auf die Idee gekommen war, den Mann zu diesem Zeitpunkt aufzusuchen.

Vor der Tür standen ein Mann und eine Frau. Sie hatte langes, rotes Haar, was ihn an die Weasleys erinnerte und trug einen beigefarbigen Umhang. Obwohl er ihr Gesicht nicht sah, war er sich sicher, dass sie schön sein musste.

Der Mann an ihrer Seite dagegen war... Moment.

„Harry? Was machst du denn hier?“

Beide wandten sich um und Neville erkannte, dass es nicht Harry war, der dort stand. Dieser Mann sah ihm zwar aus der Ferne unheimlich ähnlich, aber er hatte andere Gesichtszüge und seine braunen Augen wurden von einer Brille bedeckt. Also doch nicht Harry. Aber fast.

Interessiert sah er nun in das Gesicht der Frau und glaubte für einen Moment ihn träfe gleich der Schlag. Das waren Harrys Gesichtszüge, zwar nicht alles, aber das meiste. Außerdem hatte sie genau dieselben Augen, zumindest war es dieselbe Farbe und auch die Form hatte Ähnlichkeiten. Wer zum Teufel waren die Beiden?
 

„Entschuldigen Sie bitte!“, rief er aus Reflex. „Ich habe Sie mit einem Freund von mir verwechselt.“

Die Beiden starrten ihn für einen Moment unverwandt an, bevor der Mann freundlich lächelte. Es war ein offenes, fröhliches Lächeln, dass ihn sofort sympathisch machte.

„Kein Problem, kann ja passieren.“ Er zögerte kurz, ehe er fragte: „Bist du... Neville Longbottom?“

Sofort war alle Sympathie verschwunden. Er hasste es, wenn die Leute ihn sofort erkannten, in der Regel begannen sie dann immer sofort, ihn wie eine Gottheit zu behandeln und darauf hatte er wirklich keine Lust.

Ein weiterer Grund, warum er Harry so sehr mochte, er hatte ihn von Anfang an als einen normalen Menschen gesehen und nicht als der ach-so-tolle Auserwählte. „Ja“, sagte er. „Der bin ich.“

Der Mann nickte. „Das habe ich mir gedacht. Du siehst Alice wirklich ähnlich.“
 

Das ließ ihn aufmerken. „Sie... kannten meine Eltern?“

„Wir waren gemeinsam im Quidditchteam“, erklärte er lächelnd. „Sie waren fabelhafte Jäger, alle Beide. Zu dritt haben wir Gryffindor oft den Sieg gesichert.“

„In welcher Position haben Sie denn gespielt?“, fragte Neville neugierig, während er innerlich vor Stolz fast platze. Ja, seine Eltern mussten großartige Menschen gewesen sein. Er selbst konnte es leider nicht beurteilen, da Voldemort sie ihm zu früh genommen hatte, aber alle redeten immer gut von ihnen.

„Ich war Sucher“, erklärte der Mann stolz. „Der Beste, den es je gab, nicht wahr, Schatz?“

„Natürlich“, meinte die Frau und verdrehte die Augen.

Neville grinste, als er das sah, bevor er erstarrte. „Aber... das ist unmöglich. Sie können nicht der Sucher sein, der gemeinsam mit meinen Eltern spielte!“

„Und warum nicht?“, fragte er belustigt.

„Ganz einfach, weil Sie dann James Potter sein müssten und der ist bereits seit Jahren tot!“
 

Beide wurden plötzlich sehr blass. „Tot?“, hauchte die Frau.

„Ja, tot. Lily und James Potter wurden vor Jahren von ihrem besten Freund Sirius Black ermordet und als man sie fand, war auch ihr Sohn bereits tot, verhungert, wenn ich mich nicht irre. Deshalb ist er immerhin schon solange auf der Flucht, oder?“

Mann und Frau wechselten einen Blick, bevor er herumwirbelte und die Tür aufriss.

„Du bist uns eine Erklärung schuldig, Albus!“

Kinds Of Affection

Hallo ihr Lieben!

Hier wieder ein neues Kapitel dieser netten Fanfiction hier.

Ihr solltet es genießen, weil es die vorerst letzte, aber gleichzeitig auch erste längere Szene zwischen Harry und dem dunklen Lord enthält.

Aus diesem Grund widme ich es allen, die mir zum letzten Kapitel ein Kommi hinterlassen haben!

Ich hoffe, ihr werdet eure Freude hieran haben.
 

Darüber hinaus möchte ich eine Frage klären, die bei mehreren Leuten aufgekommen ist: Wer weiß, dass Harvey Malfoy Harry Potter ist?

Nun, genaugenommen wissen es nur jene, die enger mit Lily und James befreundet waren (z.B. Remus, Mrs. Bagshot, Nevilles Großmutter, etc.), sowie alle, die an seiner Adoption beteiligt waren (also Mr. und Mrs. Weasley, mehrere Ministeriumsbeamte, Snape, …) und natürlich Voldemort und sein innerer Zirkel, wobei die wissen, dass er adoptiert wurde, aber nur Voldemort von wem. Alle anderen glauben, Harry Potter wäre gestorben und Harvey wäre wirklich Dracos Bruder. Warum das so ist, wird in den kommenden Kapiteln noch einmal genauer erklärt.
 

Wer jetzt immer noch dementsprechend eine Frage hat: bei dieser Fanfiction beantworte ich in der Regel Kommentare. ^.~

Ich wünsche euch eine schöne Woche!

Bis bald,

Ayako

__________________________________
 

Kinds Of Affection
 

Liebe Felice,
 

das Leben geht manchmal seltsame Wege. In einem Augenblick ist man vollkommen glücklich und zufrieden, während im nächsten nichts als Trauer und Schmerz übrig bleibt.

Ich habe das schon oft erlebt, angefangen beim Tod meiner Eltern und aufgehört bei der Rückkehr des dunklen Lords. Ob es einen Grund dafür gibt?

Wer hat wohl bestimmt, dass wir leben? Gibt es ein Schicksal? Oder gar eine Gottheit, die unser aller Leben bestimmt? Wenn ja, hat sie sicher einen schwarzen Humor, anders könnte ich mir nicht erklären, warum sie uns so viele Lasten, soviel Trauer, soviel Schmerz mit auf dem Weg gibt.
 

Je t'embrasse,

Harry
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Dass Harry enttäuscht war, als er in der Eingangshalle von Malfoy Manor landete, wäre eine Untertreibung gewesen. Vielleicht wäre es nicht einmal das richtige Wort. Viel eher würde frustriert oder gar resigniert passen. Er war so sehr davon überzeugt gewesen, dass Geheimnis hinter Laura und Jeffrey Evans herauszubekommen, bevor er nach England zurückkehrte, doch dummerweise waren sie von einem Tag auf den Anderen spurlos verschwunden. Insgeheim hatte er Regulus in Verdacht, der Mann hatte sie sicher vor ihm gewarnt, woraufhin sie die Flucht ergriffen hatten. Feiglinge.

Allerdings machte sie das noch geheimnisvoller und ihn noch neugieriger. Es war zum Verrücktwerden!
 

Seufzend klopfte er die Asche von seinem Umhang und wollte gerade nach Dobby rufen, als eine Tür aufgerissen wurde.

„Harvey!“, rief eine schrille Stimme und im nächsten Moment wurde er an einen großen Busen gedrückt. „Du bist wieder da.“

„Sieht ganz so aus“, keuchte er, während er versuchte, sich aus Bellatrix' Klammergriff zu befreien. Warum musste ausgerechnet sie es sein, die ihn als allererstes begrüßte? „Keine... Luft!“

„Oh!“, rief sie und ließ ihn augenblicklich los. „Entschuldige bitte. Ich war nur so entzückt, dich zu sehen.“

Neugierig ließ sie ihre Augen über seinen Körper gleiten, wahrscheinlich um nach einer Veränderung zu suchen, und nickte zufrieden. „Lucius ist im Ministerium und Cissy bei ihrer Maniküre und Draco ergreift immer die Flucht, wenn er mich sieht.“ Sie setzte einen Schmollmund auf. „Dieser Junge hat kein Benehmen! Aber jetzt bist du wieder da! So gibt es wenigstens einen, der mit mir spricht!“
 

„Sind Rabastan und Rodolphus etwa immer noch nicht aufgewacht?“, erkundigte er sich neugierig.

„Nein, leider nicht“, meinte sie und führte ihn aus der Eingangshalle in Richtung Familienflügel, wo sie ihre Zimmer hatten. Um seinen Koffer kümmerte sich derweile Dobby, der kurz nach Bellatrix erschienen war und zu eingeschüchtert schien, um auf sich aufmerksam zu machen. Er konnte es ihm nicht verdenken, die Frau hielt nicht sonderlich viel von Hauselfen.

„Sie wurden inzwischen in ein Krankenhaus in Deutschland gebracht, wo sie unter höchster Geheimhaltung behandelt werden.“

„Sie sind also auf unserer Seite?“

„Natürlich! Der dunkle Lord hatte bereits vor seinem zwischenzeitlichen Sturz durch diesen Longbottom genügend Verbündete und sie sind alle bereit, zu ihm zurückzukehren. Zumindest ist dann nur noch Wurmschwanz hier, aber vor dem sollten wir lieber flüchten, lieber Neffe!“

„Warum?“, wollte Harry wissen. Bisher war er diesem geheimnisvollen Mann noch nicht begegnet, weshalb er langsam begann, an dessen Existenz zu zweifeln.
 

„Weil er ein heuchlerischer Feigling ist! Er erzählt den Leuten immer, was sie hören wollen und sucht sich immer den stärksten Freund aus. Ein untreuer Taugenichts, das ist er“, rief sie wütend. „Der dunkle Lord hätte ihn töten sollen, hätten ihn leiden lassen sollen, doch er hat sich dazu entschieden, ihn ungeschoren davonkommen zu lassen. Aber er wird seine Gründe haben, auch wenn er sie mir nicht mitteilt..“

Dies schien sie überaus zu deprimieren, zumindest ließ sie traurig den Kopf hängen.

Bellatrix verehrte ihren Meister und schien den Wunsch zu hegen, seine engste Vertraute zu werden. Harry war sich sicher, dass sie alles für ihn tun würde.

//Hoffentlich werde ich nicht auch irgendwann so enden//, dachte er. Der Gedanke, jemanden blind zu folgen, war äußerst beängstigend.

„Zumindest“, fuhr sie fort, „solltest du immer aufpassen, ob irgendwo in deiner Nähe eine Ratte ist.“

Harry blinzelte verwirrt. „Warum das denn?“

„Wurmschwanz ist ein Animagus und das nutzt er schamlos aus“, meinte sie düster. „Glaub mir, er ist ein elender Spanner!“
 

Harry lauschte ihrer Schimpftriade, bis sie vor seinem Zimmer angekommen waren. Dort verabschiedete er sich vorläufig von ihr – er wollte sich dringend umziehen – und schloss die Tür hinter sich. Vorsichtshalber überprüfte er danach mit einem kleinen, nützlichen Zauber, ob er alleine war, dann lief er zu seinem Badezimmer, um sich eine warme Dusche zu gönnen.

Sobald er erfrischt und sauber – und vor allem angezogen – wieder herauskam, fiel ihm auf, dass Dobby bereits seinen Koffer ausgepackt und ihm eine Schüssel voller Obst hingestellt hatte. Harry wusste, dass der Hauself ihn von allen Mitgliedern der Familie Malfoy am liebsten mochte, weshalb er immer automatisch versuchte, ihm eine Freude zu bereiten. Wahrscheinlich lag es daran, dass er als einziger nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit versuchte, ihn zu demütigen. Manchmal fragte er sich, was sich der Rest seiner Familie eigentlich dabei dachte, ihre Untergebenen derartig zu behandeln. Doch das war nicht sein Problem.
 

Lächelnd ließ er sich auf sein Bett sinken und versuchte, seine Knochen zu entspannen. Er war... erschöpft und irgendetwas sagte ihm, dass ihm eine anstrengende Zeit bevorstand. Es wäre das Beste, sich auszuruhen, solange er es noch konnte.

Also legte er sich in seine übliche Schlafposition und ließ sich von seinen Träumen davontragen. Doch bevor er die Augen schloss, konnte er Toms Tagebuch auf seinem Nachttisch liegen sehen. Dies kam ihm irgendwie wichtig vor, auch wenn er keine Ahnung hatte, weshalb.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Als er wieder erwachte, wusste er sofort, dass er nicht allein war. Die Aura des dunklen Lords schien das ganze Zimmer auszufüllen und er konnte nur schwer seinen Ärger unterdrücken. Hatte der Mann noch nie etwas von Privatsphäre gehört? Dennoch konnte er nicht bestreiten, dass seine Anwesenheit etwas beruhigendes an sich hatte, was ihn beinahe dazu brachte, wieder einzuschlafen. Aber eben nur beinahe.

Seufzend schlug er die Augen auf und entdeckte sofort Voldemort, der in aller Ruhe auf einen Sessel saß und in ein schwarzes Notizbuch schrieb.
 

Blinzelnd betrachtete er dieses Bild. Irgendetwas daran war falsch und damit meinte er nicht die Tatsache, dass der dunkle Lord in seinem Zimmer war. An ihm selbst lag es auch nicht, er sah so aus, wie immer, wenn auch etwas entspannter als sonst. Also was war es dann?

Erst, als Harrys Blick auf den leeren Nachttisch fiel, erkannte er, was ihn störte. Sofort setzte er sich auf, womit er die Aufmerksamkeit des Mannes auf sich zog. Ein amüsierter Ausdruck legte sich auf sein Gesicht, als er Harrys Miene sah und er legte das Tagebuch zur Seite.

„Wie ich sehe, hast du Tom kennengelernt.“
 

Es war schwer seine Stimmung einzuschätzen, geschweige denn zu erkennen, was er von der ganzen Sache dachte. Vielleicht war es gut so, immerhin hatte Tom ihn darum gebeten, dass der dunkle Lord von ihm erfuhr, aber andererseits wusste er nicht, ob er, Harry, von ihm hatte wissen sollen. Was, wenn er etwas Verbotenes getan hatte? Normalerweise interessierte es ihn nicht, ob er Regeln brach oder nicht, aber wenn sie von jemanden wie Voldemort aufgestellt wurden, war es etwas anderes.

Andererseits würde der Mann nie und nimmer so ruhig bleiben, wenn es wirklich katastrophal war, dass er das Tagebuch gefunden und sogar benutzt hatte. Also konnte die ganze Sache nicht allzu schlimm sein, oder?

„Was tut Ihr hier?“, fragte er, anstatt auf seine indirekte Frage zu antworten.

„Ich hörte, dass du wieder in England wärst und wollte dich begrüßen“, erklärte er und ließ ihn dabei nicht eine Sekunde aus den Augen, um seine Reaktion sehen zu können. „Ich gebe zu, dass ich deine Anwesenheit vermisst habe.“

„Und da kommt Ihr in mein Zimmer, während ich schlafe?“, fragte er, bemüht sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn seine Worte beeinflussten.

„Ich wollte dich nicht wecken“, erklärte er und ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Du siehst friedlich aus, wenn du schläfst. Wenn man dich so sieht, kommt es einem so vor, als gäbe es nichts schlechtes auf dieser Welt.“

Harrys Augen weiteten sich bei diesen Worten und er spürte, wie ihm die Röte in den Kopf stieg. Hätte er doch nur nicht gefragt. Dieser Mann schaffte es wirklich immer, ihn aus der Fassung zu bringen. Warum hatte er nur solche Macht über ihn? Es war grauenvoll! //Gut, dass ich bald in Hogwarts bin, da werde ich meine Ruhe von ihm haben.//

Zumindest hoffte er das.
 

„Da ich dir nun deine Frage beantwortet habe, wirst du dasselbe mit der meinen tun?“, fragte der dunkle Lord mit einem höflichen Tonfall. Jedoch wusste Harry ganz genau, dass er kein „Nein“ dulden würde.

Aber eigentlich war es keine Frage gewesen, oder? Vielmehr eine Feststellung.

Trotzdem beschloss er, den Mann nicht unnötig zu verärgern: „Ja, ich habe Tom kennengelernt.“

Der dunkle Lord nickte zufrieden, da er die Wahrheit sagte. „Wie oft hast du hineingeschrieben?“

„Zwei Mal.“

Dies schien den Mann aus irgendeinen Grund zu erleichtern, zumindest nahm sein Gesicht diesen sanften Ausdruck an, den er oft in seiner Gegenwart hatte. „Ich werde das Tagebuch an mich nehmen. Es ist besser, wenn du es nie wieder benutzt.“

Harry sah zu dem Notizbuch hinüber, das unschuldig neben dem dunklen Lord lag. „Warum?“

„Es ist ein gefährliches, schwarzmagisches Artefakt, dass seinem Besitzer Lebenskraft entzieht“, erklärte der Ältere gelassen. „Früher oder später wird man davon abhängig und man ist gezwungen, es zu benutzen, bis man eines Tages stirbt.“

Erschrocken starrte Harry ihn an. Das erklärte einiges. Deshalb hatte er das Buch überallhin mitnehmen müssen und deshalb hatte Tom ihn gebeten, dem dunklen Lord davon zu berichten. Er hatte ihm das Leben gerettet. Aber warum?
 

„Wer ist Tom? Er meinte, er würde Euch kennen.“

„Tatsächlich, hat er das?“, sagte der dunkle Lord und gluckste amüsiert. „Ich bin mir nicht sicher, ob du das erfahren solltest. Andererseits könnte es gut sein, dass Dumbledore bald beginnt, Longbottom davon zu berichten und letztendlich ist es mir dann doch lieber, wenn du es von mir erfährst und nicht von ihm.“

Verwirrt beobachtete Harry, wie er aufstand und zu seinem Bett kam, um sich direkt vor ihm niederzulassen. Mit einem festen Griff packte er seine Schulter und fixierte mit seinen roten Augen Harrys Grüne, um sicherzugehen, dass er dessen ganze Aufmerksamkeit hatte. Als ob das nötig gewesen wäre. Er hatte immer seine volle Aufmerksamkeit. Allerdings würde Harry sich hüten, es ihm unter die Nase zu binden.

„Du bist klug genug, um zu wissen, worüber du reden solltest und wann du besser schweigst. Dennoch muss ich darauf bestehen, dass du das, was ich dir nun erzähle, niemanden erzählst. Weder deiner Familie noch deinen Freunden.“
 

„Was ist mit Felice?“, flüsterte Harry. Er wagte es nicht, die Stimme zu heben, da er überzeugt war, dass sie zittern würde. „Vor ihr kann ich nichts geheim halten.“

„Wenn du es mir erlaubst, kann ich einen Bann um dieses Wissen legen, damit niemand außer dir und mir es erreichen kann. Nicht einmal ein Empath“, erklärte er selbstgefällig. Als er jedoch Harrys weniger begeisterte Miene bemerkte, fügte er hinzu: „Selbstverständlich nur, bis du Okklumentik gelernt hast. Ich bin davon überzeugt, dass du das mit Leichtigkeit bewältigen wirst, sobald du dich für einen Lehrer entschieden hast.“

Harry zögerte. Ein Bann – zumindest dieser Art – konnte nur mit der Zustimmung dessen vollbracht werden, auf den er gelegt werden sollte. Im Prinzip gab es nichts dagegen einzuwenden, nicht zuletzt, da er darauf brannte zu erfahren, was dieser Mann ihm erzählen wollte, aber... er vertraute diesem Mann vor sich einfach nicht genug, um ja zu sagen.

Die Frage war, was größer sein würde: Seine Neugier oder sein Misstrauen.
 

Der dunkle Lord schien zu spüren, was in seinem Kopf vor sich ging, denn sein Griff an seiner Schulter lockerte sich und er schüttelte bedauernd den Kopf. „Ich wünschte ich wüsste, wer dich so sehr verletzt hat, dass du niemanden Vertrauen schenken kannst. Ich würde diese Person augenblicklich dafür büßen lassen.“

„Wer sagt, dass ich niemanden vertrauen kann?“, fragte er mit einem falschen Lächeln. „Ihr seid ein dunkler Lord, ein Meister der Manipulation. Niemand kann sich sicher sein, ob Eure Worte wahr sind oder nur einem persönlichen Zweck dienen.“

„Du willst mir also erklären, dass es Menschen gibt, denen du vertraust? Etwa deine Hogwartsfreunde? Oder gar deine Familie? Sag, was wissen sie über dich? Kennen sie deine Ängste? Deine Träume? Deine Ziele? Hast du ihnen je mitgeteilt, was in deinem Inneren vor sich geht?“

Schweigend erwiderte Harry den brennenden Blick blutroter Augen, was an sich Antwort genug war.

„Dachte ich mir“, sagte Voldemort und schien seltsamerweise unzufrieden zu wirken. Langsam ließ er seine Hand an Harrys Arm herunter gleiten, bevor er dessen Finger mit den seinen umschloss. „Selbst deine beste Freundin würde nichts über dich wissen, wenn sie keine Empathin wäre, habe ich recht?“
 

Diese Worte trafen ihn und er versuchte, ihm seine Hand zu entreißen, aber der dunkle Lord ließ das nicht zu, sondern verfestigte seinen Griff nur noch. „Ich weiß was Ihr vorhabt“, zischte Harry. „Ihr wollt mich manipulieren, damit ich gefügig werde und mich Eurer Sache anschließe. Aber ich bin nicht wie Eure anderen Todesser.“

„Darüber bin ich mir durchaus bewusst“, sagte Voldemort. „Momentan ist es nicht mein Ziel, dich zu meinem Anhänger zu machen, wobei ich dich selbstverständlich sofort aufnehmen würde, solltest du jemals den Wunsch danach verspüren“, fügte er grinsend hinzu, was Harry mit einem finsteren Blick quittierte. „Sag Harry, was muss ich tun, damit du mir vertraust?“
 

Die Worte hingen für mehrere Augenblick unbeantwortet im Raum, während Harrys Gedanken rasten. Was versprach sich der dunkle Lord aus diesem Gespräch?

Warum wollte er Harrys Vertrauen?

Und weshalb hatte er immer noch seine Hand umklammert?

//Ob seine Besessenheit zunimmt?//, fragte er sich. //Was, wenn meine bloße Anwesenheit irgendwann nicht mehr genug ist? Was, wenn er sich irgendwann auf mich stürzt und... mehr will?//

Würde er sich dagegen wehren können? Würde er es überhaupt wollen?

Es war das eine, wenn ein dunkler Lord von einem besessen war, aber wenn der selbe Mann ihn auch noch begehrte, wirklich begehrte... er musste zugeben, dass ihm dieser Gedanke besser gefiel, als gut für ihn war.
 

„Wer ist Tom, Mylord?“, fragte Harry, anstatt ihm zu antworten. Letztendlich siegte immer seine Neugier. Felice hatte Recht, das würde ihm irgendwann zum Verhängnis werden.

Voldemort musterte ihn kritisch. „Bist du dir wirklich sicher? Ich werde deine Gedanken sperren müssen und wenn ich dich hinterher dazu zwingen muss.“

Harry nickte, gespannt, was für ein Geheimnis sich hinter Tom verbarg.

„Er hatte vollkommen Recht, als er sagte, dass er mich kennt“, erklärte der dunkle Lord und zum ersten Mal wandte er seinen Blick ab. Dabei behielt er Harrys Hand jedoch fest in seiner. „Genaugenommen kennt er mich besser als alle anderen, da er und ich dieselbe Person sind.“
 

Wow, er hatte Recht gehabt, als er glaubte, diese Schrift könne nur ihm gehören. Das hätte er nicht gedacht.

Schweigend starrte er Voldemort – nein, Tom – an, der den Blick immer noch von ihm abgewandt hatte und offenbar auf seine Reaktion wartete.

„Warum macht Ihr daraus so ein großes Geheimnis?“, fragte Harry sanft und war endlich in der Lage seine Hand aus der Umklammerung zu lösen. „Wenn Dumbledore es ohnehin weiß?“
 

Wer weiß, vielleicht hätte der Mann ihm tatsächlich eine Antwort gegeben. Vielleicht hätte er sich das erste Mal seit vielen Jahren einem Menschen ganz geöffnet und hätte dadurch etwas begonnen, das die ganze Welt verändert hätte. Der erste Schritt in jede erfolgreiche Beziehung war Vertrauen und hätte er seines Harry geschenkt, hätte ihm früher oder später das des Jungens gehört. Gemeinsam wären sie großartig geworden und hätten alles erreicht, was sie sich in den Kopf setzten. Doch leider war die Schicksalsgöttin süchtig nach Unterhaltung und es gab nichts langweiligeres, als ein Happily-Ever-After.

Aus diesem Grund war es ein dezentes Klopfen an eine Fensterscheibe, das ihrer trauten Zweisamkeit ein jähes Ende setzte.
 

Neugierig blickte Harry auf. Dort, auf dem Fensterbrett saß ein großer Waldkauz, an dessen Kralle ein Stück Pergament hing. Natürlich erkannte er den Vogel sofort, er gehörte Neville.

//Was will er denn von mir?//, fragte er sich verdutzt und stand auf, um das Fenster zu öffnen.

Sofort kam der Waldkauz herein geflogen und warf dem dunklen Lord einen misstrauischen Blick zu, während Harry ihm die Post abnahm. Neugierig entrollte er das Pergament und starrte auf die Worte, die in großer Eile geschrieben worden waren, zumindest schloss er das daraus, dass Nevilles Schrift noch unordentlicher als sonst war.

Er hatte ihm folgendes geschrieben:
 

Komm so schnell wie möglich zu mir. Es ist dringend.
 

Das war es. Keine Formalitäten, keine Namen, kein Absender. Alles höchst verdächtig und überaus beunruhigend. Neville war nicht der Typ, der kryptische Nachrichten verschickte. Genauso wenig dachte er an die Konsequenzen, die es haben könnte, wenn ein Brief abgefangen wurde. Dass er ihm so etwas schickte, konnte nur bedeuten, dass etwas passiert sein musste.

Sofort spürte er die Sorge durch seine Körper strömen und etwas in ihm zog sich zusammen. Was könnte es sein? War irgendetwas mit Augusta nicht in Ordnung? Oder steckte Neville in Schwierigkeiten? Wenn ja, waren es schlimme Schwierigkeiten oder nur solche, mit denen jeder ab und an zu kämpfen hatte?

Was immer es auch war, sein Freund rief ihn zu sich und er musste sofort zu ihm.
 

Plötzlich spürte er, wie der dunkle Lord sich hinter ihn stellte und neugierig auf das Pergament starrte. „Von wem ist das?“

„Von... einem Freund“, antworte Harry zögernd.

Augenblicklich schien sich Voldemorts Gesicht zu verdunkeln und er legte ihm besitzergreifend seine Hände auf die Schulter. „Longbottom.“ Es war keine Frage.

„Er ist mein Freund“, flüsterte Harry, ohne ihn anzusehen. „Daran werdet auch Ihr nichts ändern können, Mylord.“

Dies hätte er besser nicht sagen sollen, denn Voldemorts längliche Finger vergruben sich mit einem Mal schmerzhaft in seine Schulter, sodass es ihm schwerfiel, nicht aufzuschreien. „Bedeutet das, du vertraust ihm?“, zischte er wütend. „Diesem schwachen, untalentierten, bedeutungslosen Jungen, der nur durch etwas Glück noch am Leben ist?“

Als Harry ihm nicht antwortete, riss er ihn mit einem Ruck herum und drückte ihn im nächsten Moment an das Fenster. Ihre Gesichter waren nur wenige Millimeter voneinander entfernt, während sich ihre Augen ein stummes Duell lieferten. Der dunkle Lord war wütend, mehr als wütend, aber trotzdem verspürte Harry keine Furcht. Er war vielmehr aufgeregt, nicht zuletzt, weil ihm durchaus bewusst war, wie nah sie einander waren.

„Er wird dich niemals verstehen können, Harry“, hauchte der Ältere und wie immer, wenn sie sich so nahe waren, spürte der Junge, wie sein Geist langsam aussetzte. „Ihr Beide seid zu unterschiedlich. Er kann mit deiner Intelligenz nicht ansatzweise mithalten und darüber hinaus folgt er Dumbledore blind.“ Der dunkle Lord kam ihm noch näher, sodass sich ihre Nasenspitzen fast berührten. „Er wird dich irgendwann verraten.“
 

Merlin... dieser Mann war einfach unbeschreiblich.

Alles, was er sehen konnte, waren jene roten Augen, die sich bis in seine Seele hinein zu bohren schienen, wenn sie nicht ohnehin seit jeher ein fester Bestandteil davon gewesen waren. Und sein Duft... bildete er es sich nur ein oder roch er wirklich nach seinen Lieblingsblumen? Nach Lilien?

Es war ihm unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen, während sie sich in dieser Position befanden. Er musste weg von ihm, so weit weg wie nur möglich, aber wollte er das überhaupt?
 

Langsam hob er seine rechte Hand und legte sie vorsichtig auf T... Voldemorts Wange. Es war das erste Mal, dass er ihn von sich aus berührte – zumindest glaubte er das – und die Augen des dunklen Lords weiteten sich kurz vor Überraschung, bevor ein verlangendes Leuchten in sie trat. Offensichtlich hatte seine Besessenheit tatsächlich ein neues Stadium erreicht. Großartig.

„Wollt Ihr mir damit sagen, dass Ihr besser dafür geeignet sein?“, fragte Harry. „Dass ich mein ganzes Vertrauen in Euch legen und Euch als einen Freund ansehen soll?“

Dies brachte ihn tatsächlich zum Lachen. „Oh, Harry“, hauchte er und nahm sein Gesicht zwischen seine Hände, um mit seinen geschickten Fingern seine Haut zu liebkosten. „Mein lieber, unschuldiger, wunderschöner Harry. Wir können niemals Freunde sein und das weißt du ebenso gut, wie ich. Nicht wahr, mein geniales, kleines Waisenkind?“
 

Natürlich wusste er es. Da war etwas zwischen ihnen, etwas, das er nicht ganz greifen konnte und immer verhindern würde, dass sie jemals eine rein platonische Beziehung hatten. Jetzt, da sie sich fast überall berührten, wusste er, dass es genau das war, was er brauchte. Er brauchte seine Nähe. Er brauchte seinen Atem auf seiner Haut. Er brauchte seine tiefe Stimme, die ihm falsche, aber so wunderbare Versprechen ins Ohr flüsterte. Er brauchte den dunklen Lord und wusste, dass es diesem genauso ging.

Aber er durfte es nicht zulassen. Wenn er jetzt einfach nachgab und dem Mann gewährte, wonach es ihm verlangte, würde er alle Freiheit, die er noch besaß, wegwerfen. Er würde sich damit an ihn binden und ihn vielleicht nie mehr verlassen können. Diese Tatsache machte ihn beinahe traurig, doch er wusste, dass er Recht hatte. Das vor ihm war ein dunkler Lord. Man durfte ihm nicht vertrauen, denn damit hängte man sich selbst an den nächsten Galgen.
 

Mit einem traurigen Lächeln strich er über Voldemorts Wange, bevor er seine Hand wieder senkte und ihn ernst ansah. „Lasst mich los.“

Seufzend schloss der dunkle Lord seine Augen und trat tatsächlich einige Schritte zurück. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, wirbelte Harry herum, griff nach seinem Reiseumhang, der über einem Stuhl lag und verließ das Zimmer. Bildete er es sich nur ein oder wurde es in ihm immer kälter, umso mehr er sich von dem Mann entfernte?

Kopfschüttelnd lief er zu Lucius' Arbeitszimmer, wo sich der nächste Kamin befand, der ans Flohnetzwerk angeschlossen war. Zuerst würde er sehen, was Neville wollte. Danach konnte er immer noch darüber nachdenken.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Sobald er bei Neville angekommen war, kam Augusta aus einem nahen Zimmer heraus und sah ihn mit einer erleichterten Miene an. „Endlich bist du da! Sie warten schon alle auf dich.“

„Sie?“, fragte Harry verdutzt. „Wer...“

„In Nevilles Zimmer“, unterbrach sie ihn eilig. „Dort warten sie. Geh zu ihnen. Bitte.“

Mit diesen Worten verschwand sie wieder in den Raum, aus dem sie gekommen war.
 

Okay...?

Irgendetwas ging hier vor sich und er war sich ziemlich sicher, dass es nichts Gutes bedeuten konnte. Beunruhigt machte er sich auf dem Weg zu Nevilles Zimmer. Dieses befand sich in einem der oberen Stockwerke und war in der Regel leicht zu finden, nicht zuletzt, da immer ein gewisser Lärmpegel – den sein Freund unablässig als Musik bezeichnete – daraus dröhnte. Heute war alles ruhig.

//Nicht nur heute. Die ganzen Ferien war es ruhig. Zumindest immer, wenn du kommst.//

Ob es daran lag, dass er sich einmal darüber beschwert hatte? Nahm Neville etwa Rücksicht auf ihn? Oder lag es an der Rückkehr des dunklen Lords? Vielleicht hatte ihm das einfach die Lust auf Musik verschlagen?
 

Als er jedoch sein Zimmer betrat, wusste er sofort, dass es nichts von alldem war.

Seine drei Freunde waren anwesend. Neville saß auf seinem Bett und Hermione kniete davor, während beide ihre ganze Aufmerksamkeit Luna zugewandt hatten, die verloren neben dem Jungen, der lebt saß und so aussah, als wäre die Welt untergegangen. Und wer weiß, vielleicht war sie es wirklich.

Vorsichtig betrat er den Raum und näherte sich den dreien.

Hermione war die Erste, die seine Anwesenheit bemerkte. Schnell drehte sie den Kopf in seine Richtung, um ihn sofort wieder zurück schnellen zu lassen. Die Tränenspur auf ihren Wangen hatte er trotzdem gesehen.

Was war geschehen?
 

Als zweites drehte sich Neville zu ihm um und starrte ihn mit einen undefinierbaren Gesichtsausdruck an. Auch er schien tief traurig zu sein, aber da war auch noch etwas anderes, was er nicht ganz deuten konnte. War es Wut? Furcht? Mitleid? Aber mit wem? Mit Luna oder mit... ihm?

//Warum sollte Neville denn mit dir Mitleid haben?//

Keine Ahnung. Vielleicht hatte Dumbledore... aber nein, das würde er nicht tun, oder?
 

Schließlich, als er direkt vor ihnen stand, blickte auch Luna auf.

Normalweise waren ihre Augen stets abwesend, so als wäre sie in ihrer eigenen Welt, während um sie herum das Leben weiterging. Allerdings waren sie das immer auf eine positive Art und Weise, die man als ihr Freund leicht hinnehmen und als eine liebenswerte Eigenschaft einstufen konnte. Heute war dieser Blick erschreckend. Sie war weg, weit, weit weg, irgendwo in einem Strudel des Schmerzes und der Trauer.

Dieses Mädchen vor seinen Augen war zerbrochen worden und Harry wusste nicht, ob sie sich je wieder zusammensetzen lassen würde.

Dennoch musste irgendwo in ihrem Inneren etwa registriert haben, dass er angekommen war, zumindest streckte sie sofort ihre Arme nach ihm aus, wie ein kleines Kind, das nach Trost suchte.

//Sie ist ein Kind. Wir alle sind Kinder.//
 

Langsam setzte er sich ebenfalls aufs Bett, ehe er tröstend seine Arme um ihren zierlichen Körper schlang. Sie drückte sich an ihn, vergrub ihr Gesicht in seiner Halsbeuge und endlich begann sie zu weinen.

Er wusste nicht, wie lange sie dasaßen und schweigend ihrem Schluchzen lauschten. Vielleicht waren es fünf Minuten, vielleicht auch fünf Stunden, es zählte nicht. Es ging nur darum, ihr eine Stütze zu sein, wenn sie selbst nicht in der Lage war, aufrecht zu gehen.

Irgendwann schlief sie ein. Mit Nevilles Hilfe legten sie sie auf sein Bett und deckten sie zu. Dann war es endlich an der Zeit, Fragen zu stellen.
 

„Was ist passiert?“

Hermione schluchzte auf, als sie das hörte und Neville senkte den Blick. Kein gutes Zeichen.

„Neville?“

„Ihr Vater ist tot“, flüsterte er.

Irgendwo unten im Haus hörten sie, wie Augusta begann, Schuberts Ave Maria zu singen.

Somebody Who Cares

Lieber Harry,
 

als ich heute durch die Lavendelfelder lief, kam es mir so vor, als wäre etwas schreckliches passiert. Geht es dir gut? Bitte schreib mir so schnell wie möglich zurück, ich werde keine Ruhe finden, bis ich weiß, dass mit dir alles in Ordnung ist.

Hier ist alles so wie immer. Gabrielle versucht die ganze Zeit mich dazu zu überreden, ihr das neue Lied ihrer Lieblingsband auf Klavier vorzuspielen und Fleur, diese Verräterin, unterstützt sie. Außerdem war Regulus wieder zu Besuch und hat mich weiter unterrichtet. Sei vorsichtig, mein Freund, bald werde ich in der Lage sein, ebenso manipulativ zu handeln, wie dein geliebter, dunkler Lord.

Übrigens, gibt es hinsichtlich ihm eine Entwicklung von der ich wissen müsste?

Bitte schreib mir. Ich mache mir Sorgen.
 

Deine dich vermissende Felice.
 

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Gelangweilt saß Draco auf seinem Stammplatz im Esszimmer und wartete darauf, dass sein sogenannter „Bruder“ zurückkam. Seiner Meinung nach war das nichts anderes als albern. Harvey war bei Longbottom. Dort wurde ihm das Essen quasi nach geworfen und es wäre nicht verwunderlich, wenn jeden Moment eine Eule durchs offene Fenster geflogen käme, die ihnen mitteilte, dass er dort übernachtete. Aber seine Mutter musste ja unbedingt darauf bestehen, dass sie alle warteten, bis er wieder da war und sein Vater hatte wie immer zugestimmt. Das Einzige, was er nicht verstand war, weshalb auch Bellatrix und der dunkle Lord nicht widersprachen.
 

//Ganz einfach, weil sie wie alle anderen Harvey vergöttern. Wie könnte es auch anders sein?//, dachte er sarkastisch.

Als sie sich mit fünf Jahren das erste Mal begegneten, war es ihm nicht anders ergangen. Harry war der Bruder gewesen, den er sich immer erträumt hatte. Gemeinsam hatten sie die umliegenden Wälder erkundet, waren vor ihren zahllosen Privatlehrern geflüchtet, hatten heimlich gemeinsam in einem Bett geschlafen und waren – um es kurz zu fassen – unzertrennlich gewesen.

Nie hätte er geglaubt, dass sich das jemals ändern würde. Harry war sein gewesen. Sein Bruder, sein Ratgeber, auf den er sich immer verlassen konnte. Doch dann waren sie nach Hogwarts gekommen und dieser verdammte Hut hatte sie getrennt.
 

Es war ein Schock gewesen, als Harry plötzlich nach Ravenclaw kam. Für Draco war es selbstverständlich gewesen, dass sie gemeinsam nach Slytherin kommen würden. Als Harry dann plötzlich in einem anderen Haus war, konnte er nicht anders, als ihm dafür die Schuld zu geben. Im Nachhinein wusste er, dass es idiotisch gewesen war, ihn daraufhin nur noch kühl zu behandeln und ihn mit Beschimpfungen zu bewerfen. Und als er begann, sich mit Neville Longbottom zu befreunden, war seine Wut nur noch gestiegen. Deshalb war es im Endeffekt er selbst gewesen, der Harry in die Arme dieses... Auserwählten getrieben hatte und das würde er sich niemals verzeihen können.

Harry sollte wieder so werden wie früher! Aber aus irgendeinen Grund glaubte er nicht, dass dies jemals passieren würde. //Es ist zu spät.//
 

Innerlich seufzend spähte er zum dunklen Lord hinüber, der schweigend dem Gespräch zwischen Bellatrix und Narcissa lauschte. Warum war dieser Mann so versessen auf seinen Bruder? Weil er intelligent war? Nein, Genies waren zwar selten, aber es gab mehr als eines in dieser Welt. Außerdem wäre das keine Erklärung, warum dieser Mann ihn geradezu mit seinen Augen zu verschlingen schien, wenn er anwesend war.

Lag es dann an Harrys guten Aussehen? Draco war nicht blind, er wusste ganz genau, dass sein Bruder überaus attraktiv war. Das lag zum einen an seinen Genen und zum anderen an seiner Reinblütererziehung. Ihre Eltern hatten dafür gesorgt, dass Harry in der Lage war, sich wie ein Malfoy zu benehmen. Er konnte charmant sein – zumindest wenn er wollte – und Draco wusste, dass die Hälfte der Mädchen in Hogwarts davon träumten, mit ihm zusammenzukommen, von allen homosexuellen Jungen ganz zu schweigen.

Bedeutete das, der dunkle Lord wollte Harry als sein Sexspielzeug? Nein, das würden ihre Eltern niemals zulassen. Wenn sie auch in jeder anderen Hinsicht tun würden, was dieser Mann von ihnen verlangte, sie würden niemals die Körper ihrer Söhne an ihn verkaufen.

Aber was war es dann?
 

Plötzlich war ein lautes Gepolter aus der Eingangshalle zu hören und kurz darauf folgten ein paar äußerst unschöne Flüche. Wow, Harvey war wirklich bereits zurückgekehrt.

Sofort stand Narcissa lächelnd auf und machte sich auf den Weg, um ihn zum Essen zu holen. Genervt lauschte er ihren Schritten.

„Harvey, da bist du ja endlich, wie war...“, sie verstummte mitten in ihrem Satz und auch ihre Schritte hielten inne. „Harry?“

Beunruhigt wechselte Draco einen Blick mit seinen Vater. Diese Betonung ließ nichts Gutes ahnen. In der Regel hatte sie sie nur, wenn etwas geschehen war. Etwas schlimmes.

„Tut mir Leid, Narcissa“, antwortete Harrys Stimme. Sie klang seltsam rau, fast als hätte er... aber nein. Harry weinte niemals. „Ich weiß, ich bin verschwunden, ohne euch zu begrüßen. Entschuldige.“

„W... was ist passiert?“, fragte Narcissa und die Sorge war nicht zu überhören. Nun hoben auch Bellatrix und der dunkle Lord ihre Köpfe.

„Ich...“, begann Harry, doch seine Stimme brach weg. Ohne weiter darüber nachzudenken, sprangen sowohl Draco als auch Lucius auf und eilten in die Eingangshalle.
 

Narcissa stand direkt vor dem Kamin und hatte Harry offensichtlich in eine mütterliche Umarmung gezogen. Er selbst hatte seinen Kopf in ihrer Schulter vergraben und schien unkontrolliert zu zittern. Augenblicklich stellte Lucius sich neben die beiden und legte vorsichtig eine Hand auf die Stirn seines Adoptivsohns, wahrscheinlich um herauszufinden, ob er krank sei.

Danach wechselte er einen verwirrten Blick mit seiner Frau, bevor er seine Hand auf Harrys Rücken gleiten ließ. „Was ist geschehen?“, fragte er leise.
 

Draco war sich sicher, dass er nicht antworten würde, darum war er umso überraschter, als sein Bruder plötzlich flüsterte: „Lunas Dad ist tot.“

Das musste ein Witz sein. Anders konnte er es sich nicht erklären. Mr. Lovegood gehörte zu den Menschen, die niemals starben. Es war einfach unmöglich, ihn sich tot vorzustellen. Draco hatte den Mann selbstverständlich nicht so gut gekannt, wie Harry, aber bei ihren wenigen Begegnungen war er ihm immer wie jemand rübergekommen, der selbst dann noch existieren würde, wenn die Welt auseinanderfiel. Menschen wie er starben nicht plötzlich und ohne Ankündigung und vor allem nicht so jung. Wie war es also möglich?
 

„Oh Harry“, hauchte Narcissa und verfestigte ihre Umarmung. „Wie geht es Luna?“

Mit einer entschlossenen Bewegung entzog sich der Junge ihrer Umklammerung und sah sie mit einem undefinierbaren Ausdruck an. Draco bemerkte zu seiner größten Erleichterung, dass seine Augen zwar gerötet waren, er jedoch nicht geweint hatte. Gut so. Ein Malfoy weinte nicht und Harry erst recht nicht.

„Das letzte, was sie an Familie hatte, ist gestorben, Narcissa. Deshalb tanzt sie jetzt natürlich fröhlich durchs Haus und singt Halleluja!“

„Verzeih, das war eine dumme Frage. Bist du in der Lage, mit uns zu essen?“
 

Schweigend ließ er seinen Blick über Lucius, der immer noch mit leicht besorgter Miene neben ihm stand, zu Draco gleiten. „Ist er immer noch hier?“

Sie wussten alle, wen er meinte. Den dunklen Lord.

„Ja“, sagte Lucius sanft. „Das ist er.“

„Kommst du?“, fragte Narcissa abermals.

Natürlich würde er das. Der dunkle Lord war extra hier geblieben, um auf seine Rückkehr zu warten. Wenn er jetzt ginge, würde er diesen Mann quasi beleidigen und dafür war Harry viel zu intelligent. Sogar er selbst wusste, dass...

„Ich glaube, ich möchte lieber allein sein“, sagte sein Bruder. „Ich bin müde.“

„Natürlich“, entgegnete Narcissa verständnisvoll. „Ruh dich aus und wenn du etwas brauchst, musst du es nur sagen.“
 

Mit offenen Mund beobachtete Draco, wie sie Harry einfach gehen ließen. Der dunkle Lord hatte auf ihn gewartet! Auf ihn! Und er verschwand einfach und zog sich irgendwohin zurück! Mr. Lovegood war nicht sein Vater gewesen! Es gab überhaupt keinen Grund, deswegen so aufgewühlt zu sein. Oder etwa doch? Wer wusste, wie der Mann gestorben war. Und was war mit Luna? Vielleicht war ihr auch etwas passiert.
 

Für einen Moment herrschte nichts, als Stille, dann begann Narcissa langsam, auf das Esszimmer zuzugehen. „Arme Luna“, meinte sie. „Das Kind hat es nicht verdient, schon wieder einen solchen Schicksalsschlag zu erleiden.“

„Harvey scheint tatsächlich äußerst aufgeregt zu sein“, kommentierte Lucius, während er ihr folgte. Draco tat es ihm nach kurzem Zögern nach. „Es ist lange her, seitdem ich ihn so gesehen habe.“

„Das kommt daher, weil es in den letzten Jahren für ihn keinen Grund gab, aufgeregt zu sein“, erklärte ihm seine Frau, während sie sich wieder an den Tisch setzte. „Unser Sohn ist ein mitfühlendes Wesen. Er leidet immer mit jenen, die ihm ans Herz gewachsen sind.“ Bei diesen Worten ließ sie ihren Blick auf den dunklen Lord gleiten, der ihn mit einer gehobenen Augenbraue erwiderte. „Er wirkt zwar unheimlich stark, aber in Wahrheit ist er genauso zerbrechlich wie wir alle. Vergiss das niemals.“

Draco war sich in diesem Moment wirklich nicht sicher, ob sie Lucius oder den dunklen Lord meinte.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Kalt. Eiskalt.
 

Wie der Tod.
 

Dunkel, finster, die pure Abwesenheit von Licht.

Konnte man so den Schmerz ersticken, den es in der Welt gab? Konnte man beenden, was täglich erduldet werden musste? War das die Lösung?

Aus der Ferne würde er sicher bereits wie eine Leiche aussehen, doch es kümmerte ihn nicht. Schweigend trieb er weiterhin auf dem dunklen Wasser, in dem Narcissa ihnen das Schwimmen verboten hatte, als sie noch kleine Kinder gewesen waren. Der See war tief und relativ groß. Wenn er nicht aufpasste und bis in die Mitte getrieben wurde, könnte es gut sein, dass er nie wieder das Ufer erreichen würde.

Aber er war vorsichtig, war es immer gewesen. Ihm würde nichts geschehen. Er war es nicht, dessen Vater gestorben war.
 

„Lunas Vater ist tot? Aber wie?“

„Seine Eltern waren scheinbar Schwarzmagier, die im Geheimen gelebt haben.“

„Und er hatte eine weißmagische Erziehung?“, hakte Harry nach, wobei er es sich schon denken konnte.

„Genau“, flüsterte Neville, während Hermione weiterhin schluchzte.
 

Sie waren inmitten der Alpen gewesen, als es geschah. Fernab von jeglicher Zivilisation. Deshalb war niemand in der Nähe gewesen, der ihnen hätte helfen können. Einen Tag später fanden Wanderer Luna mitten auf dem Weg sitzen, direkt neben der Leiche ihres Vaters. Wahrscheinlich hatte sie vorgehabt, dort zu bleiben, bis sie selbst vom Tod zu sich geholt wurde.

Nun würde sie bis zum Ende der Ferien bei Neville bleiben. Dumbledore war der Meinung gewesen, dass es ihr gut täte, bei einem Freund zu sein und ausnahmsweise konnte Harry ihm nicht widersprechen.
 

Besorgt blickte er zu dem schlafenden Mädchen auf Nevilles Bett hinüber.

„Haben sie bei ihr einen Test gemacht?“, fragte er.

„Was für einen Test?“, hauchte Hermione und starrte ihn mit großen Augen an. „Wovon redest du?“

„Über ihre Magie“, entgegnete er ruhig, ohne seinen Blick von Luna zu nehmen. „Es könnte gut sein, dass auch sie schwarze Magie in sich trägt und wenn da nicht bald etwas dagegen unternommen wird, könnte sie genauso enden, wie ihr Vater.“
 

//Nicht nur wie er//, dachte Harry, während er weiter auf dem Wasser trieb. //Auch Toms... das heißt Voldemorts Jahrgang war durch viele Todesopfer geprägt gewesen und das nur, weil die Regierung zu engstirnig ist um einzusehen, dass es letztendlich keinen Unterschied macht, welche Magie man verwendet. Es kommt nur darauf an, wie man sie verwendet.//

Er begann mehr als jemals zuvor zu begreifen, warum der dunkle Lord so verzweifelt um die Gleichberechtigung beider Magiearten kämpfte. Wie kam es nur, dass Leute wie Dumbledore nicht begreifen konnten, was sie mit ihrer konservativen Einstellung anrichteten? Sie zerstörten Leben! Sie verurteilten Menschen zum Tode, kaum dass sie geboren wurden!
 

Doch das Schlimmste, das Allerschlimmste war, sie hatten Luna zu einer Waisen gemacht. Niemals würde er ihren Blick vergessen, als sie sich in seine Arme warf, um wenigstens etwas Trost in dieser Hoffnungslosigkeit zu bekommen. Niemals dieses Gefühl, das er hatte, als er begriff, warum es geschehen war.

Sie behaupteten immer, der dunkle Lord wäre das Monster, aber das stimmte nicht. Sie selbst waren die Monster.
 

Wann würden die Menschen endlich begreifen, dass Magie genauso wie Blut war? Man durfte nur seine eigene Blutgruppe erhalten oder in manchen Fällen auch eine bestimmte andere, damit man überlebte. Wenn man jedoch die falsche bekam, konnte es schneller vorbei sein, als man es sich vorstellen konnte.

Mit Magie war es ebenso. Man durfte nur schwarz mit schwarz mischen und weiß mit weiß. Erst, wenn man sein eigenes Gebiet beherrschte, war es sicher, sich dem anderen zuzuwenden. Es hatte nichts mit gut und böse zu tun. Magie war weder gut noch böse. Das waren nur die Menschen.
 

Seufzend glitt er von seinem Rücken auf seinen Bauch und schwamm zurück ans Ufer. Langsam wurde es ihm doch etwas zu kalt und er hatte keine Lust auf eine von Narcissas ewigen Strafpredigten.

Als er jedoch sah, wer dort auf ihn wartete, dachte er kurz darüber nach, sofort wieder umzudrehen, aber das wäre unsinnig gewesen. Es gab keinen Grund, ihm aus dem Weg zu gehen. Außerdem war Narcissa dabei, da würde schon nichts passieren, oder?

Jedenfalls war er heilfroh, dass er zwar seine Kleidung abgelegt, aber die Unterhose anbehalten hatte. Sonst wäre das äußerst unangenehm geworden.

//Es wird auch so unangenehm genug.//
 

Etwa fünf Meter vor dem Ufer war das Wasser wieder flach genug, dass er darin laufen konnte. Langsam schritt er auf die beiden Gestalten zu und wurde kurz darauf von Narcissa empfangen, die ein Handtuch um seinen Körper schlang. „Irgendwann wirst du dich noch erkälten“, schalt sie ihn sanft. „Aber es beruhigt mich, denn es bedeutet, dass selbst du unvernünftig sein kannst.“

Als Antwort schenkte er ihr ein schiefes Lächeln. „Tut mir Leid, dass ich dir immer soviel Kummer bereite.“

„Sei nicht albern, Harry“, entgegnete sie kopfschüttelnd, während sie damit begann, seinen Körper abzutrocknen. Draco hätte sich nun eisern gewehrt, besonders da der dunkle Lord zusah, aber er wusste, wie viel es Narcissa bedeutete, ihm auf diese Weise zu helfen, weshalb er es widerstandslos zuließ. „Du bist mein Sohn und als solcher ist es deine Aufgabe, mir Kummer zu bereiten.“
 

Vorsichtig trat sie ein paar Schritte zurück und musterte ihn kritisch. „Zieh dich bitte an, ich kann das nicht mitansehen. Wir haben zwar Sommer, aber leider ist es heute kälter, als sonst zu dieser Jahreszeit. Vergiss nicht, dass wir morgen in die Winkelgasse wollen und es in ein paar Tagen nach Hogwarts zurückgeht. Ich werde dich sicher nicht dorthin lassen, wenn du vierzig Grad Fieber hast!“
 

Lächelnd lauschte er weiter ihrer Schimpftirade, während er wirklich damit begann, sich anzukleiden. Im Grunde war es nichts besonders hochtrabendes. Sie war einfach eine Mutter, die sich um ihr Kind sorgte. Die Meisten hätten es wahrscheinlich sogar als störend und peinlich empfunden.

Für ihn jedoch war es das beste, was sie in diesem Moment tun konnte. Durch diese aufrichtige Sorge zeigte sie ihm, dass sie ihn liebte und zwar nicht, weil er intelligent oder „der Inbegriff des perfekten Sohnes“ - wie Draco es so gerne ausdrückte – war, sondern Kind und daran würde sich niemals etwas ändern. Harvey und Narcissa waren Mutter und Sohn, sie brauchten keine Blutsverwandtschaft, um das zu wissen.
 

Schließlich, als er wieder ganz bekleidet war, drehte er sich zum dunklen Lord um, der ihre Konversation schweigend beobachtet hatte. Sobald er jedoch Harrys Blick bemerkte, erschien sein übliches Lächeln auf seinem Gesicht, das seit ihrer letzten Begegnung eine neue Bedeutung erlangt hatte. Waren seitdem wirklich nur einige Stunden vergangen? Es kam ihm viel länger vor.

Aus den Augenwinkeln sah er, wie Narcissa forschend zwischen den beiden hin und hersah, bevor sich ihre Augen kaum merklich weiteten. Natürlich musste sie es sein, die zuerst bemerkte, dass da tatsächlich mehr zwischen ihnen war – von Felice einmal abgesehen.

Kurz schien Narcissa tatsächlich etwas sagen zu wollen, doch dann schüttelte sie seufzend mit dem Kopf und drehte sich um. „Bleib nicht mehr allzu lange draußen. Wir wollen morgen früh raus.“

„Selbstverständlich“, sagte er und sie begann, zum Haus zurückzukehren.
 

Erst, als sie verschwunden war, bemerkte er, dass diese Tatsache alles andere als gut war. Er war wieder mit ihm allein und das war etwas, was er lieber hätte vermeiden wollen. Wenigstens war heute zwischen ihnen ein gewisser Sicherheitsabstand und Harry würde alles tun, um diesen einzuhalten.

Momentan befand er sich in einer instabilen Phase, das bedeutete, er war überaus leicht zu beeinflussen. Wenn er nicht aufpasste, konnte der dunkle Lord ihn jetzt mit Leichtigkeit dazu bringen, einer seiner Anhänger zu werden.

Nun, sollte er es ruhig versuchen. Das würde zeigen, was für ein Mistkerl er eigentlich war.
 

Als er jedoch seine nächsten Worte hörte, wurden all seine Vorsätze zu Nichte gemacht.

„Es ist nicht deine Schuld, Harry.“

Er stand dort, einige Schritte von ihm entfernt und beobachtete ihn aufmerksam. Harry fiel auf, wie dunkel es inzwischen war, jeden Moment würde die Nacht einsetzten. Doch diese Abwesenheit des Lichts passte zu Voldemort. Es machte ihn noch eindrucksvoller und auf eine seltsame Art und Weise gefährlicher.

//Die Nacht ist sein Tag. Nun musst du wirklich vorsichtig sein.//
 

„Was meint Ihr damit, es ist nicht meine Schuld?“, fragte er, obwohl er die Antwort bereits kannte. Woher hatte der dunkle Lord gewusst, was ihm selbst nicht klar gewesen war? Dass...

„Du bist intelligent, Harry, intelligenter als jeder andere, aber du hast nicht die Fähigkeit zu erkennen, ob vor dir jemand mit schwarzer Magie oder weißer Magie steht. Dies können nur Empathen und jene, die jahrelang trainieren. Du hättest ihn nicht retten können.“

„Aber es war offensichtlich!“, rief Harry automatisch und konnte nicht verhindern, eine gewisse Verzweiflung hindurch schimmern zu lassen. „Er...“

Plötzlich bemerkte er, was genau der dunkle Lord gesagt hatte. „Woher wisst Ihr, woran Mr. Lovegood gestorben ist?“, fragte er misstrauisch.

„Ich habe meine Quellen“, erklärte er gleichmütig und begann, sich Harry zu nähern. Dieser wich jedoch augenblicklich einen Schritt zurück, weshalb der Mann wieder stehen blieb und ihn Stirn runzelnd betrachtete. „Ich habe nichts mit seinem Tod zu tun, er würde mir nichts nützen. Dein Misstrauen ist in dieser Situation also völlig unangebracht.“

Der Junge dachte kurz darüber nach, bevor er nickte. „Ihr habt Recht. Entschuldigt.“
 

„Es gibt nichts zu entschuldigen“, meinte der Mann kopfschüttelnd und versuchte wieder, sich ihm zu nähern. Diesmal wich er nicht zurück, weshalb Voldemort kurz darauf vor ihm zum Stillstand kam und zögernd nach seinen Händen griff. Harry überraschte dieses Zögern. Es wollte nicht ganz zu dem Bild passen, dass er sich über ihn zurechtgelegt hatte.

//Bitte mach, dass er nicht mit mir über Luna oder Neville reden will//, dachte er. //Das schaffe ich nicht. Nicht heute.//
 

Zu seiner größten Erleichterung schien Voldemort seiner stummen Bitte nachzukommen. „Ich habe dir von Tom... von mir erzählt. Bevor du nach Hogwarts zurückkehrst, muss ich den Bann über deine Gedanken legen, über den wir gesprochen habe. Erlaubst du es mir?“

Schweigend sah er in diese ihm vertrauten, roten Augen. Könnte er nein sagen? Natürlich nicht. Er hatte gewusst auf was er sich einließ. Jedoch wusste er, dass es hier nicht einfach darum ging, ein Geheimnis zu bewahren. Mit diesem Bann musste Harry ihm sein Vertrauen schenken, etwas, das dieser Mann zu begehren schien. Jedoch konnte er sich das beim besten Willen nicht erklären.

Gut, er war von ihm besessen, soviel hatte er auch verstanden. Allerdings schätzte er den dunklen Lord als jemanden ein, der sich nahm, was er wollte und zwar ohne Rücksicht auf Verluste. Warum also verhielt er sich bei ihm anders?

Andererseits waren die Hintergründe hinter seinem Handeln vollkommen gleichgültig. Seine Antwort würde immer dieselbe sein.
 

Vorsichtig drückte er Voldemorts Hände und lächelte leicht.

„Ja“, flüsterte er. „Ja, ich erlaube es Euch.“

Der Ältere nickte ernst. „Schließe deine Augen.“

Kaum hatte er dieser Anweisung Folge geleistet, spürte er seinen Geist in seinem Inneren. Mühelos durchbrach er Felices Okklumentikschild – etwas das unmöglich gewesen wäre, hätte Harry es ihm nicht erlaubt – und stieß bis zu seinen Erinnerungen an ihr Gespräch vor.

Unwillkürlich begann er, Felices und Voldemorts Eindringen in seine Gedanken miteinander zu vergleichen und machte dabei eine Entdeckung, die ihm nicht im Geringsten gefiel.
 

Felices Geist hatte er zwar nicht als sonderlich störend empfunden, doch er war ein deutlicher Fremdkörper gewesen und er war froh, als er wieder verschwunden war. Der dunkle Lord jedoch... er schien geradezu dorthin zu gehören, wo er war. Es war, als wäre etwas zu ihm zurückgekehrt, was er vor Jahren verloren hatte und für einen Moment verspürte er den schrecklichen Drang, ihn dabei aufzuhalten, sich nach getaner Arbeit zurückzuziehen. Er musste hierbleiben! Er durfte ihn nicht wieder verlassen! Nicht jetzt, wo er ihn gefunden hatte! Wie sollte er das alles schaffen, wenn er wieder allein wäre?

//Was schaffen, Harry? Was musst du schaffen?//

Alles. Solange er bei ihm blieb, konnte er alles schaffen. Er durfte nicht gehen!

Letztendlich ließ er es trotzdem zu und damit verschwand auch dieser seltsame Wunsch.
 

Verwirrt und etwas desorientiert öffnete Harry seine Augen und sah Voldemort blinzelnd an. „W...was war das?“

„I... ich weiß es nicht“, erwiderte er verwundert, während er langsam Harrys Hände losließ. „Ich glaubte immer, viel zu wissen, aber sobald es dich betrifft, scheint es mir, als würde ich gar nichts wissen.“

Harry verstand genau, wovon der Mann sprach, ging es ihm doch genauso.

Alles, was mit jedem anderen einfach war, wurde bei ihm kompliziert.

Alles, was offensichtlich gewesen wäre, wurde zu einem Geheimnis.

Es war beruhigend, dass es Voldemort genauso ging. //Und wenn er das nur sagt, um dein Vertrauen zu gewinnen? Wenn er dich manipulieren will?//

Diese Möglichkeit war nicht auszuschließen.
 

Plötzlich kehrte Voldemort ihm den Rücken zu, was in dieser Situation äußerst irritierend war. Zumindest glaubte er nicht, in der Lage zu sein, jetzt den Blick auch nur eine Sekunde von ihm abzuwenden. Warum? Warum bei Merlins Namen war das so! Es war Tom, der besessen war, nicht er!

//Aber du hast bereits zugegeben, dass du ihn brauchst. Diese Besessenheit wirkt wohl auf beiden Seiten.//
 

„Ich werde für die nächste Woche beschäftigt sein und nicht mehr hierher zurückkehren“, erklärte der dunkle Lord mit ruhiger Stimme. Harry spürte bei diesen Worten etwas wie Enttäuschung in sich aufsteigen. Das bedeutete, er würde ihn bis zu seinen nächsten Ferien nicht wiedersehen. Aber war es nicht genau das, was er gewollt hatte?

//Da war er noch nicht in meinen Gedanken gewesen. Da hatte ich noch nicht gewusst, dass...//

Ja, was eigentlich? Was hatte er nicht gewusst?
 

Langsam drehte sich der dunkle Lord wieder um und musterte ihn mit einem forschenden Blick. „Pass auf dich auf, Harry. Ich möchte dich gesund und munter wiedersehen.“

Er nickte.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

So wie immer war die Winkelgasse auch heute den ganzen Tag überfüllt gewesen. Die Rückkehr Voldemorts schien niemanden davon abzuhalten, ihren Kaufrausch auszuleben. Im Gegenteil, es schien ihn vielmehr zu steigern.

Nun, er würde sich nicht beschweren, so machten sie wenigstens Umsatz. Pfeifend drehte Fred Weasley sich um und schwang mit seinem Zauberstab, woraufhin die Ware begann, sich selbst einzuräumen. Es war wunderbar, sein eigenes Geschäft zu besitzen. Es gab einem ein Gefühl der Freiheit und Unabhängigkeit, das er zuvor nie verspürt hatte. Was sie beide nie verspürt hatten.
 

Grinsend lief er zum Verkaufstresen, wo sein Zwillingsbruder in ein Gespräch mit ihrem ehemaligen Zaubertranklehrer Severus Snape vertieft war. Während ihrer Zeit in Hogwarts war der Mann die Person gewesen, mit der sie am Wenigsten zu tun haben wollten, doch seitdem sie diesen Ort verlassen und Weasleys zauberhafte Zauberscherze, kurz WZZ, eröffnet hatten, war dieser Mann zu einen überraschend guten Ratgeber geworden.

Lehrer, besonders wenn sie streng und parteiisch waren, empfand man immer als Feinde. Es gab keinen Grund, ihnen zuzuhören oder besondere Beachtung zu schenken, denn egal was sie sagten, es war prinzipiell falsch. Doch nun, da sie ihm nicht mehr unterlegen sondern quasi auf einer Ebene mit ihm waren, hatten sie erkannt, was sowohl Dumbledore als auch Voldemort schon immer gewusst hatten: Severus Snape war ein Genie.

Egal, wie kompliziert ein Trank auch war, der Mann meisterte ihn dennoch und verbesserte ihn dabei sogar! Und er konnte unterrichten, Merlin, das konnte er wirklich! Ohne ihn wären sie niemals so erfolgreich geworden.
 

Apropos Erfolg, wenn es darum ging, wer ihnen dabei geholfen hatte, durften sie auch Neville Longbottom nicht vergessen – immerhin hatte er ihnen seinen gesamten Gewinn vom Trimagischen Tunier überlassen – oder gar Harvey Malfoy.

Er war anfangs der Einzige gewesen, der ihnen geglaubt hatte, als sie verkündeten, dass sie ein Geschäft mit Scherzartikeln eröffnen würden. Alle andere – ihre gesamte Familie, ihre Freunde und sogar die meisten Lehrer – hatten sie verlacht und ihnen eine erfolglose Zukunft versprochen.

Doch Harry – seiner Meinung nach das größte Genie aller Zeiten, sogar größer als Dumbledore – hatte an sie geglaubt, ja sie sogar ermutigt, ihren Traum zu verwirklichen.
 

Wenn dir jeder sagte, dass du es nicht schaffen würdest, deinen Traum zu erfüllen, dass du zu schwach, zu untalentiert und überhaupt ein Nichtsnutz warst, dass es keine Zukunft in diesem Geschäft gebe, für den war diese einzige Person, die an einem glaubte und ihr ganzes Vertrauen in einen legte, das Licht am Ende der Nacht.

Ohne Harry hätten sie vielleicht tatsächlich aufgegeben. Doch er hatte sie nicht nur dazu aufgefordert, weiterzumachen und aufzuhören auf das zu hören, was die Anderen sagten, sondern er hatte ihnen zusätzlich bei ihren Erfindungen geholfen und sie teilweise perfektioniert.

Somit war es Severus Snape, Neville Longbottom und Harvey Malfoy zu verdanken, dass ihr Laden so gut lief und sie würden alles tun, damit die drei das erfuhren.
 

„Du glaubst also wirklich, dass das funktionieren wird, Severus?“, fragte George, als Fred sich zu ihnen gesellte. Es war bereits abends geworden und die meisten Besucher der Winkelgasse hatten sich entweder an ihre Schlafplätze oder in eine der unzähligen Bars oder Restaurants zurückgezogen. Dennoch hatten sie noch geöffnet, für den Fall, dass noch jemand im letzten Augenblick einfiel, bei ihnen einzukaufen. Momentan waren nur ein ihm unbekanntes Ehepaar – die letztens in den Orden eingeführt worden waren, soweit er sich erinnerte – und natürlich sie selbst anwesend.
 

„Selbstverständlich“, entgegnete der Zaubertrankmeister mit einem Ton, der beinahe beleidigt klang. „Wenn ihr alles so macht, wie ich es euch sage, wird es tadellos laufen.“

„Nun gut“, meinte George zögernd. „Wenn du es sagst, will ich es dir glauben.“

„Gibt es Neuigkeiten von Luna?“, fragte Fred. „Aus Neville war nichts herauszukriegen, als er heute Nachmittag vorbeischaute.“

Bedauernd schüttelte Severus mit dem Kopf. Zwar würde es niemand innerhalb von Hogwarts glauben, aber er sorgte sich wirklich sehr um seine Schüler und so eine Tragödie wie der Tod von Mr. Lovegood war selbst für ihn nicht leicht zu verdauen. „Sie bleibt bis zum Ende der Ferien bei Longbottom. Ob sie danach nach Hogwarts zurückkehrt, ist fraglich. Es wäre möglich, dass sie die Schule wechselt. Tatsächlich hält Albus das für sehr wahrscheinlich.“
 

„Armer Harry“, seufzte George. (Das Ehepaar blickte merkwürdigerweise bei diesem Namen auf. Sehr seltsam.) „Er wird nicht begeistert sein, nur noch mit Neville und Hermione durch die Schule zu ziehen.“

„Außerdem wird es Ron ärgern“, stimmte Fred zu. „Hab ein Auge auf den Jungen für uns, Severus. Harry hat im Moment genug andere Probleme.“

„Natürlich“, antwortete Severus mit ernster Miene. „Das werde ich sowieso tun.“

„Aber lass ihn nicht...“

„...wieder das ganze Jahr nachsitzen. Das ist...“

„...den anderen Schülern gegenüber unfair, immerhin...“

„...wollen auch sie...“

„...die Einzigartigkeit...“

„...deines Büros...“

„...kennenlernen.“

Severus lachte. „Ihr wisst, warum ich ihn nachsitzen lasse. Wer weiß, vielleicht wird er es dieses Jahr selbst begreifen.“
 

Ehe einer von ihnen darauf antworten konnte, wurde die Tür geöffnet. Sobald die Zwillinge erkannten, wer soeben ihren Laden betreten hatte, erschien auf ihren Gesichtern ein identisches, breites Grinsen.

„Na, wen haben wir denn da?“, fragte Fred und ging langsam auf den ebenfalls grinsenden Jungen zu.

„Unser verlorenes Lämmchen“, schlug George munter vor, während sich auch Severus umdrehte, um den Neuankömmling zu mustern.

„Warum kommst du so spät?“

„Da könnte man...“

„...auf falsche Gedanken kommen.“

„Immerhin ist es draußen dunkel und...“

„...bald werden alle Kunden weg sein.“

„Es erscheint beinah...“

„...als wolltest du...“

„...mit uns allein sein, um...“

„...dich verführen zu lassen“, hauchte Fred ihm ins Ohr und zog den Jungen in eine verführerische Umarmung.
 

Harry, der dieser Junge war, lachte. „Wenn das meine Absicht wäre, hätte ich tatsächlich gewartet, bis niemand mehr hier wäre“, erklärte er und erwiderte die Umarmung herzlich. „Es ist schön, euch wiederzusehen.“

„Hey, ich will auch geknuddelt werden!“, empörte sich George und kam hinter dem Verkaufstresen hervor gerannt, um seinerseits Harry fest an sich zu drücken. „Merlin, du wirst von Mal zu Mal kleiner.“

„Und schöner“, fügte Fred zwinkernd hinzu. Dabei sah er, wie Severus genervt die Augen verdrehte und das Ehepaar sie neugierig beobachteten. Wahrscheinlich hielten sie das alles nur für harmloses Flirten unter guten Freunden, doch in Wahrheit war es vielmehr als das.
 

Fred und George waren beinahe völlig identisch. Sie sahen gleich aus, dachten dasselbe, mochten dasselbe, hassten dasselbe und – was Anfangs zu einigen Problemen geführt hatte – sie begehrten dasselbe. Oder aber denselben.

Wenn einer von ihnen verliebt war, war es der Andere auch und zwar immer in dieselbe Person und zur Zeit war diese Person Harvey Malfoy.

In ihren Augen war Harry das schönste Geschöpf, das auf dieser Welt existierte. Er war äußerst attraktiv, sein Lächeln machte ihnen weiche Knie und seine Stimme verglichen sie insgeheim mit dem Gesang von Engeln. Er war gütig, freundlich, geduldig, liebevoll und ein Genie. Es gab niemand, der sich ihrer Ansicht nach auch nur ansatzweise mit ihm messen konnte und sie würden alles tun, damit er glücklich wurde.

Optimal wäre es natürlich, wenn sie dafür verantwortlich wären, doch sie waren bereit, ihn jemand anderes zu überlassen, jedoch nur, falls diese Person wirklich in der Lage war, Harry zu beschützen und sein unbeschwertes Lachen zu bewahren. Ansonsten würden sie gegen jeden ankämpfen, um diese Aufgabe selbst in die Hand zu nehmen.
 

„Ach, hört auf, alle beide“, beschwerte sich Harry halbherzig. „Ich bin nicht klein und ganz sicher nicht wunderschön.“ Sein Blick fiel auf Severus und verdüsterte sich kaum merklich. „Guten Abend, Professor.“

„Guten Abend, Mr. Malfoy“, entgegnete dieser. „Ganz allein unterwegs? Wo ist denn der Rest Ihrer Familie?“
 

Während George Harry frohen Mutes einen Arm um die Schulter warf und ihm dabei half, mit seinem Lehrer zu reden, spähte Fred misstrauisch zu diesem Ehepaar hinüber, das das Gespräch etwas zu aufmerksam verfolgte. Warum schienen sie an Harry interessiert zu sein? Und weshalb hatte sich die Frau plötzlich an ihren Mann geklammert, als Severus nach den restlichen Malfoys gefragt hatte?

Wirklich zu dumm, dass er damals nicht zugehört hatte, als Dumbledore sie eingeführt hatte, dann würde er sich wenigstens an ihre Namen erinnern. Nun, er würde einfach ein Auge auf sie haben. Wahrscheinlich war alles gar nicht so wild, wie er glaubte.

Aber man konnte nie wissen.
 

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So, eigentlich wollte ich noch ein Gespräch zwischen Harry und den Zwillingen einbauen, aber das habe ich jetzt auf das nächste Kapitel verschoben. Und da geht es dann auch wieder zurück nach Hogwarts.

Überhaupt ist in diesem Kapitel nichts so verlaufen, wie ich es mir vorgestellt hatte, so hatte ich nie vor, die Szene zwischen Harry und Voldemort so sehr auszubauen, aber in Endeffekt ist es besser so. ^^

Jedenfalls: Vielen Dank an all die Kommischreiber zum letzten Kapitel! Ihr habt es geschafft und die 100 Kommi Marke geknackt!!! *mich riesig freu*

Dafür gibt es Kuchen oder Obst oder beides, je nachdem, was euch lieber ist! *jedem das gewünschte hinstell *

So, das war es auch schon wieder von meiner Seite.

Wir lesen uns im nächsten Kapitel!

Bis bald,

eure Ayako

Conversations

Hallo, ihr Lieben!

Heute gibt es endlich wieder ein Kapitel von Time Changed Everything, doch das habt ihr sicher auch mitbekommen, ohne dass ich es euch jetzt sage, oder?

Zuerst möchte ich euch vorwarnen: Meine Klausur- und Testzeit hat begonnen, was bedeutet, dass ihr ab sofort damit rechnen könnt, dass die Updates seeeeehr unregelmäßig werden und auch die Abstände zwischen ihnen immer größer werden. Allerdings werde ich versuchen, sie nicht allzu groß werden zu lassen, doch ich kann nichts versprechen.
 

An alle Kommischreiber zum letzten Kapitel gibt es ein großes Dankeschön! Da den meisten gefallen hat, dass ich auch aus anderen Perspektiven als nur Harrys geschrieben habe, wird das ab sofort öfter passieren (in diesem Kapitel fangen wir direkt damit an), aber er wird dennoch mein Haupterzähler bleiben.
 

Außerdem möchte ich noch schnell etwas zu dem Tod von Lunas Vater loswerden, da es mir so vorkam, als wäre da noch einiges etwas falsch rübergekommen. ^^“

Er ist nicht getötet worden, sondern ist an einer natürlichen Ursache gestorben, was etwas mit seiner Magie zu tun hat. Wie sowohl Felice, als auch Harry schon mehrmals erklärt haben, ist Magie mit Blut zu vergleichen (zumindest in dieser Fanfiction). So wie man nur seine eigene Blutgruppe bekommen sollte, da es sonst tödliche Folgen haben könnte, sollte man in den Jahren, in denen man lernt mit Magie umzugehen, nur mit seiner eigenen Magieart arbeiten. Ansonsten wirkt es sich negativ auf den Körper aus, da dieser sogenannte Gegenreaktionen ausbildet, die oftmals tödlich verlaufen. Diese Gegenreaktionen können vieles sein, zum Beispiel ein plötzlicher Magieausbruch (was Lunas Vater passiert ist) oder aber eine längere, schleichende Krankheit. Das ist bei jedem Verschieden.

Ich hoffe, dass nun dementsprechend alles klar ist, ansonsten fragt einfach. ^^
 

So, das war es auch schon wieder von mir!

Ich wünsche euch viel Spaß mit dem Kapitel!

Bis bald,

eure Ayako

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Conversations
 

Im Gegensatz zu seinem Bruder passte George auf, wenn ein neues Mitglied in den Orden eingeführt wurde. Ihm war bereits relativ früh klar geworden, wie wichtig es war, sie alle zu kennen. Unter Umständen würde das irgendwann ihrer aller Leben retten.

Aus diesem Grund wusste er selbstverständlich, dass es sich bei jenem Ehepaar, das nun schon seit einiger Zeit die Regale ihres Ladens durchsuchte, um James und Lily Potter handelte. Ehrlich gesagt hatte er immer noch nicht verstanden, wie es möglich war, dass sie plötzlich wieder unter den Lebenden weilten. Soweit er wusste, waren sie damals von Sirius Black getötet worden und sie hatten einen Sohn gehabt, der ebenfalls gestorben war. Doch wenn das wahr war, warum standen sie dann in ihrem Laden? Äußerst mysteriös.

Dennoch war das, was ihn am meisten beunruhigte, die Tatsache, dass sie so auf Harry fixiert zu sein schienen.
 

Unwillkürlich verstärkte er seinen Griff um Harrys Schulter, während dieser sich mit Severus unterhielt.

Könnte es möglich sein, dass Dumbledore sie angesetzt hatte, den Jungen auszuspionieren? Aber warum sollte er da Erwachsene nehmen? Wären nicht Leute wie Neville und Hermione besser dafür geeignet? Andererseits wusste der Schulleiter, dass sie ihn niemals verraten würden. Trotzdem, Erwachsene machten noch weniger Sinn.

Aber warum sollten sie sonst an Harry interessiert sein?
 

Nun, letztendlich spielte es keine Rolle. Solange er und Fred da waren, würden sie aufpassen, dass ihrem Freund nichts passierte. Zur Not würden sie ihn persönlich zu den Malfoys bringen, obwohl sie in der Regel vermieden, ihnen über den Weg zu laufen. Ihre Familien lebten in einer ewigen Feindschaft, daran war nun einmal nichts zu ändern. Nur Harry war anders. Vielleicht bildeten sie es sich nur ein, aber die Zwillinge waren schon seit langem zur Überzeugung gelangt, dass ihr Freund, ihre Rettung, ihre Obsession, eigentlich zu einer anderen Familie gehören müsste.
 

Hätten sie damals bereits gewusst, wie richtig sie mit ihrer Vermutung lagen, vielleicht hätten sie das Schlimmste verhindern können. Andererseits wäre es wahrscheinlich doch genauso passiert, es hätte nur länger gedauert. Aber im Nachhinein stellte man immer solche Fragen, selbst wenn man wusste, wie sinnlos sie eigentlich waren. Letztendlich änderten sie nichts, denn manche Dinge ließen sich nicht einmal mit Hilfe eines Zeitumkehrers ändern.
 

„Nun, Mr. Malfoy, wie ich hörte, hat Albus Sie zu den diesjährigen europäischen Zaubertrankmeisterschaften angemeldet“, sagte Severus mit einem Tonfall, der sich nur schwer deuten ließ. „Meinen Glückwunsch.“

„Vielen Dank, Professor“, entgegnete Harry vorsichtig.

Stimmt ja! Die Beiden konnten sich nicht ausstehen!

Natürlich konnte George Harry das nicht verdenken. Severus hatte ihm seit seinem ersten Tag in Hogwarts nichts als Verachtung und Boshaftigkeit entgegengebracht, allerdings wusste niemand den Grund dafür.

An seiner Herkunft konnte es nicht liegen. Der Zaubertrankmeister war ein guter Freund der Malfoys und verhielt sich Draco gegenüber wie ein liebender Onkel.

Warum also...?
 

„Bedauerlicherweise muss ich Ihnen mitteilen, dass der Schulleiter darauf besteht, dass wir aus diesem Grund im kommende Jahr viel Zeit miteinander verbringen“, fuhr Severus fort und die Augen seines Schülers verengten sich. „Es ist lange her, seitdem Hogwarts das letzte Mal in diesem Wettbewerb den Sieg geholt hat, da Sie sich bisher auf andere Fachgebiete spezialisiert haben, zumindest was die Teilnahme an Wettstreiten anbelangt. Deshalb wollen wir Sie so gut wie möglich vorbereiten, damit wir dieses Jahr etwas mehr Erfolg haben, als bisher.“

//Vorbereitung?//, dachte George aufgebracht. //Harry brauch keine Vorbereitung! Er ist so schon genialer als all die anderen zusammen!//

Auch Fred starrte Severus mit einem Ausdruck an, der aussagte, dass er den Mann für vollkommen übergeschnappt hielt. Doch ehe einer von ihnen protestieren konnte, sagte Harry: „Das ist wirklich überaus freundlich von Ihnen, dass sie sich extra für mich Zeit nehmen wollen. Dieses Angebot nehme ich mit Freuden an.“
 

//Okay, nun ist Harry übergeschnappt//, dachte George und offensichtlich teilten alle anderen seine Meinung. (Sogar Lily und James starrten ihn absolut verdutzt an. Wirklich seltsam, dass Harry sie bisher nicht eines Blickes gewürdigt hatte, es müsste eigentlich unmöglich sein, einen solch starrenden Blick zu ignorieren. Andererseits dachte er hier über Harry nach. Bei ihm war es schon möglich.)

„Nun... es ist gut, dass Sie die Notwendigkeit begreifen“, sagte Severus, sobald er sich wieder gefasst hat. „Ich werde Ihnen in Ihrer ersten Zaubertrankstunde mitteilen, wie wir vorgehen. Bis dahin wünsche ich Ihnen noch ein paar angenehme Ferientage. Fred, George, wir sehen uns.“

Mit diesen Worten rauschte der Zaubertrankmeister aus dem Laden.
 

Sobald er verschwunden war, wechselten die Zwillinge einen Blick und während Fred begann, auf Harry einzureden und ihn in den hinteren Teil des Ladens zu führen, ging er selbst auf das Ehepaar zu.

„Na, etwas gefunden?“, fragte er mit seinem schönsten Verkäuferlächeln, bei dem sogar der dümmste Laie wüsste, dass es gekünstelt war.

„Oh ja, es gibt hier wirkliche viele interessante Dinge“, sagte der Mann, James, sofort, während seine Frau, Lily, immer noch wie gebannt auf die Stelle starrte, an der Harry noch vor einer Sekunde gestanden hatte. „Wirklich toll, dieser Laden.“

„Vielen Dank, es freut uns immer, wenn wir unsere Kunden glücklich machen können“, erwiderte George munter. „Doch leider fürchte ich, dass wir für heute schließen müssen.“
 

Das wirkte.

Lily wandte sich erschrocken zu ihm um und schien ihm tatsächlich widersprechen zu wollen, doch James legte ihr eine Hand auf den Arm und brachte sie damit zum Schweigen. Konnte das etwa eine der wenigen Ehen sein, in der der Mann das Sagen hatte? Irgendwie wagte George das zu bezweifeln, Lily war ihm bisher nicht wie jemand vorgekommen, die sich hinter ihren Mann stellte und zu allem Ja und Amen sagte. Heute war wahrscheinlich eine Ausnahme. Nur... weshalb?

Was hatten die Beiden mit Harry zu schaffen?
 

„Alles klar“, meinte James munter. „Wir werden demnächst wiederkommen, um unsere Inspektion fortzuführen“, führte er spaßhaft hinzu. „Dann werden wir auch was kaufen, also macht euch keine Sorgen.“

„Oh, wir machen uns keine Sorgen“, entgegnete George genauso munter und begann damit, das Ehepaar zur Tür zu schieben. „Das Geschäft wird nicht untergehen, nur weil ein Kunde einmal mit leeren Händen nach Hause geht. Einen wunderschönen Abend euch Beiden noch! Geht doch rüber ins Destiny's Fair. Das ist ein wirklich großartiges Lokal und das Essen ist einfach köstlich! Ich empfehle euch unbedingt die Nummer 63! Bis bald!“

Mit diesen Worten ließ er die Ladentür hinter ihnen zufallen und schloss sofort ab. Die Malfoys wussten, wo die Hintertür war, falls sie Harry abholen wollten. (Er hoffte für ihre Gesundheit, dass sie das tun würden. Wenn sie schon für ihren Liebsten verantwortlich waren, sollten sie gefälligst für seine Sicherheit sorgen.)
 

Nachdem er sich davon vergewissert hatte, dass Lily und James verschwunden waren, machte er sich pfeifend auf den Weg zu seinem Zwilling und Harry, die inzwischen zu ihrer Küche vorgestoßen waren und beide vor einer dampfenden Teetasse saßen. Grinsend nahm auch er sich eine Tasse Tee und setzte sich zu ihnen, um an ihrem Gespräch teilzunehmen.

„Wie geht es dir, Harry?“, fragte Fred gerade und sofort verschwand das Lächeln aus seinem Gesicht, um von einer besorgten Miene ersetzt zu werden.

Der Junge erstarrte für den Bruchteil einer Sekunde, was niemanden aufgefallen wäre, wenn sie ihn nicht so gut gekannt hätten wie die Zwillinge. Beunruhigt wechselten sie einen Blick. Das war kein gutes Zeichen.
 

„Mir geht es gut“, sagte Harry langsam, vorsichtig, bedacht, so als müsste er über jedes einzelne Wort nachdenken, bevor er es aussprach. „Zwar hat mich die Sache mit Lunas Dad etwas mitgenommen, aber inzwischen ist alles wieder in Ordnung.“

„Nun... das freut uns zu hören“, entgegnete Fred und ahmte dabei perfekt seinen Tonfall nach. „Auch wenn es schmerzt, dass du uns mit der Version für die Öffentlichkeit abspeisen willst.“

„Wobei wir es dir nicht übelnehmen“, fügte George hinzu, als der Junge den Mund öffnete, um zu widersprechen. „Wir verstehen es.“

„Es ist nur leicht zu vergessen...“

„...dass wir dir nicht dasselbe bedeuten...“

„..wie du uns.“
 

Harry biss sich bei diesen Worten auf die Unterlippe und begann unruhig mit seinen Händen zu kneten. „Um ehrlich zu sein, wollte ich darüber mit euch reden.“

George blinzelte. Fred blinzelte. Sie blinzelten Beide und starrten den Jungen verblüfft an.

Dieses Gespräch konnte jetzt genau zwei Wendungen haben. Entweder Harry hatte erkannt, dass er sie ebenso sehr liebte, wie sie ihn und sie würden nun alle zusammen glücklich werden oder aber er würde ihnen klar machen, dass sie bei ihm bei der falschen Adresse waren und sie es woanders versuchen sollten. In dem Fall musste er allerdings mit überzeugenden Argumenten kommen, doch so, wie sie Harvey Malfoy kannten, hatte er die schon parat gehabt, bevor er ihren Laden betreten hatte und sie würden so gut sein, dass sie keine Chance hätten, zu protestieren. Verdammt.
 

„Gut, dann immer raus damit“, sagte Fred schließlich.

„Und denk nicht einmal daran, unsere Gefühle nicht verletzen zu wollen“, beschwor ihn George.

„Wir wären nicht wir...“

„...wenn wir die ein oder andere Zurückweisung...“

„...nicht einstecken könnten. Allerdings...“

„...solltest du dir darüber bewusst sein...“

„...dass viele Leute traurig sein werden, wenn...“

„...unser Laden...“

„...so kurz vor den Ferien...“

„...aus persönlichen Gründen...“

„...schließen muss.“

Mit diesen Worten brachten sie ihn tatsächlich zum Lächeln, was sie natürlich beabsichtigt hatten. Er hatte ein schönes Lächeln. Es hatte schon viele Personen dazu gebracht, sich in den dazugehörigen Jungen zu verlieben – Narcissa, Lucius, Felice, Neville, Luna, Hermione und natürlich die Zwillinge selbst. Es würde George nicht wundern, wenn sogar jemand wie der dunkle Lord diesem Anblick verfallen würde. Ob das von seiner Blackseite kam? Soweit er wusste, waren die Blacks seit jeher um einiges eleganter und vornehmer gewesen, als die Malfoys. Ja, so musste es sein, er...
 

„Ich habe in den Ferien jemanden kennengelernt.“

Mit einem Schlag war jeder Gedanke aus seinem Kopf verschwunden. Was sagte er da?

„Er... scheint von mir geradezu besessen zu sein“, fuhr Harry lachend fort und George spürte, wie etwas in ihm zusammenbrach. Also wirklich eine Zurückweisung und zwar eine, der sie wirklich nicht widersprechen konnten. Nicht, wenn Harry so lachen konnte. „Ich muss zugeben, dass es anfangs etwas unheimlich war, aber sobald ich mich daran gewöhnt hatte, war es recht schmeichelhaft.“

„Und... ist er dir wichtig?“, fragte Fred zögernd.

Für einen kurzen, schrecklichen Augenblick verklärte sich Harrys Blick, bevor er mit seinem strahlendsten Gesichtsausdruck sagte: „Ja... ja, ich denke schon.“
 

Verdammt.
 

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Kaum hatten sie die Wohnung betreten, die Albus ihnen besorgt hatte, riss Lily sich von James los und eilte in ihr Schlafzimmer, um die Tür hinter sich fest zu verschließen und ihn somit auszusperren. Wäre er es nicht gewohnt gewesen, hätte er sich vielleicht beleidigt gefühlt. So seufzte er jedoch nur, ehe er an die Tür trat, um anzuklopfen.

„Lily, das ist einfach nur lächerlich.“

„Lächerlich?“, fauchte es ihm entgegen und er war froh, dass sie von einem Stück Holz getrennt wurden. „Du sagst also es ist lächerlich? Dann erkläre mir, was genau lächerlich ist! Das ich meinen Sohn sehen will? Dass ich mit ihm reden will? Dass ich ihm alles erklären will? Er ist mein Sohn, unser Sohn, James! Aber anstatt ihn bei uns zu haben, hat Narcissa ihn sich unter den Nagel gerissen und ihn zu ihrem Eigentum gemacht. Doch damit hätte ich rechnen müssen, diese Verräterin hat sich schon immer genommen, was mir gehörte! Würde mich nicht wundern, wenn sogar du bereits eine Affäre mit ihr hattest.“
 

James seufzte abermals. Lily und ihr Narcissakomplex. Er würde die Beziehung der beiden Frauen nie verstehen. „Darling, beruhige dich. Du weißt, was Albus gesagt hat. Es ist zu gefährlich, uns jetzt mit Harry...“

„Gefährlich? Er lebt mit Todessern unter einer Decke, das ist doch wohl gefährlich genug! Wer weiß, am Ende geht Voldemort bei ihnen ein und aus und gibt unserem Sohn aus seiner Teufelsküche zu trinken! Ich werde nie verstehen, wie Albus es zulassen konnte, dass er bei ihnen aufwächst.“

„Albus hat ihm damit das Leben gerettet“, versucht James sie zur Vernunft zu bringen. „Niemand, nicht einmal Voldemort würde unseren Sohn bei der Familie Malfoy vermuten. Lily, so schwer es mir auch fällt, es zuzugeben, Narcissa und Lucius haben ihn dadurch, dass sie ihn zu ihren Sohn machten, am Leben gehalten. Wir stehen tief in ihrer Schuld.“

Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und er stand seiner wütenden Frau gegenüber, die geradezu zu brodeln schien. „James Potter, wage es ja nicht auch nur daran zu denken, diese Personen als selbstlos oder wohltätig darzustellen. Wer weiß, was sie für Harry geplant haben. Am Ende wollen sie ihn Voldemort auf einem Silbertablett servieren!“
 

Dies wagte James zwar zu bezweifeln, doch er entschied sich dafür, zu schweigen. Wenn seine Frau einmal in Fahrt war, konnte sie nicht einmal Albus mehr bremsen. Er wünschte sich unwillkürlich, Sirius wäre hier. Sein bester Freund hatte sich immer darauf verstanden, ihn von den Stimmungen seiner Frau abzulenken und die Seele einfach mal baumeln zu lassen. Allerdings hatten sie sich seit Jahren nicht mehr gesehen, zumindest nicht als Menschen.

In der Provence hatten sie Regulus getroffen, der Sirius Unterschlupf bot, jedoch konnte dieser sich aus einem ihm unbekannten Grund nicht mehr aus seiner Animagusgestalt befreien, weshalb sie keine Möglichkeit gehabt hatten, miteinander zu reden. Ansonsten hätten sie sicher bereits viel früher herausgefunden, was nach ihrem Verschwinden eigentlich geschehen war. James konnte immer noch nicht begreifen, wie Albus Harry so sehr hatte anlügen können. Er glaubte, er sei ein Waisenkind! Kein Wunder, dass er sich damals für Narcissa entschieden hatte. Egal, was Lily auch behaupten mochte, sie war eine gute Mutter. Sie hatte sicher dafür zu sorgen gewusst, Harry eine friedliche, fröhliche Kindheit zu bieten. Zumindest solange ein Genie wie er es war eine friedliche, fröhliche Kindheit haben konnte.
 

Plötzlich klingelte es an der Tür, was Lily dazu brachte in ihrer Schimpfrede inne zu halten und mit großen Augen in ihre Richtung zu starren. „Wer kann das denn sein?“, hauchte sie.

„Keine Ahnung, wahrscheinlich jemand vom Orden“, meinte James und machte sich daran, ihren Besucher hereinzulassen. Als er jedoch erkannt, wer vor ihm stand, wünschte er sich, er hätte es nicht getan.
 

„Es ist also wahr“, flüsterte Peter Pettigrew, auch bekannt als Wurmschwanz mit weit aufgerissenen Augen. „Ihr seid wirklich am Leben!“

Entsetzt schrie Lily auf, als sie seine Stimme hörte und James konnte es ihr nicht verdenken. Wenn er es jetzt nicht geschickt anstellte, würde morgen die ganze Welt und somit auch automatisch Harry wissen, dass sie noch lebten und wieder in England waren.

Aus diesem Grund breitete er seine Arme aus und grinste seinen ehemaligen Schulfreund auf eine Art und Weise an, wie er es schon tausend Mal gemacht hatte. „Ja, wir leben noch! Es ist wirklich wunderbar, dich wiederzusehen, alter Freund! Warum kommst du nicht rein und wir trinken eine Tasse Tee?“

Ja, er würde wirklich sehr geschickt sein müssen.
 

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Ihr dehnbarer Körper glitt langsam über den glatten Boden, der oft rutschig war, wenn diese Kreaturen – Hauselfen nannte ihr Meister sie – sich mit ihren unerhörten Putzmitteln daran zu schaffen machten.

Doch heute war alles gut, sie konnte ungehindert ihren Weg fortsetzen, ohne fürchten zu müssen, versehentlich die Treppe hinunter zu gleiten. Unterwegs begegnete sie niemanden, was ungewöhnlich war, normalerweise trieben sich um diesen Sonnenstand stets Menschen in den Räumlichkeiten ihres Meisters herum, um ihm bei der Verwirklichung seiner Träume zu helfen. Deshalb erlaubte sie ihnen, hier zu sein und hielt sich zurück, wenn sie wieder das Bedürfnis überkam, ihre gewaltigen Zähne in ihre zerbrechlichen Leiber zu graben und sich von ihrem Blut zu ernähren. Manchmal, wenn sie einen Auftrag ihres Meisters zu seiner Zufriedenheit erledigt hatte, gab er ihr einen seiner Feinde zum Mittagessen und zu äußerst seltenen Anlässen durfte sie sogar von seinem Blut trinken.
 

Selbst jetzt konnte sie es riechen, das ganze Haus war von seinem Geruch erfüllt – glücklicherweise – und sie hoffte, dass es bald wieder soweit war, dass sie davon kosten durfte. Ihr Meister hatte dunkles, böses Blut, mit einem bitteren Nachgeschmack, doch während des Trinkens war es süßer, als alles andere, was sie je geschmeckt hatte. Wahrscheinlich war dies der Grund, weshalb ihm so viele Menschen folgten. Auch sie wollten sein Blut schmecken, doch es blieb ihnen versagt. Ihr Meister würde mit niemanden außer ihr sein Blut teilen, außer mit seinem Brutpartner oder Partnerin, doch diese Person gab es noch nicht und wenn es nach ihr ginge, würde es sie auch niemals geben.
 

Langsam glitt sie in das Zimmer, wo der Geruch ihres Meisters am Stärksten war. Es war der Bücherraum. Überall waren diese Bücher zu finden, an den Wänden, auf dem Boden, auf den Tischen, manchmal sogar auf den weichen Stühlen. Wo überall sonst im Haus stets größte Ordnung herrschte, kam hier das Chaos zum Vorschein. Ob er sich deswegen so oft hier aufhielt?

Ihr Meister saß hinter seinem Arbeitstisch, den er aus dem Raum der Arbeit hierher hatte bringen lassen und blätterte in einem schwarzen Buch, das sie nur allzu gut kannte.

Ihr habt Euer Tagebuch wieder?“, fragte sie erstaunt.

Er blickte zu ihr hinunter und lächelte leicht. „Ja, Nagini. Ich habe es wieder.

Aber wie?“, hakte sie neugierig nach und schlängelte sich langsam an seinem Stuhl hinauf, bis ihr Kopf über seiner rechten Schultern hing. „War nicht dieser blonde Mann in seinem Besitz?

Du meinst Lucius? Gewiss war er das, ich hatte ihm ursprünglich aufgetragen, gut darauf aufzupassen, doch sein Adoptivsohn hat uns beiden einen Strich durch die Rechnung gemacht.“ Bei diesen Worten wandte er sich einem Bild zu, das er vor kurzem aufgestellt hatte. Es zeigte einen jungen Menschen, der wahrscheinlich noch nicht das Erwachsenenalter erreicht hatte. Nagini musste zugeben, dass er eines der schöneren Exemplare war. Aber...
 

Ist er das, Meister? Ist dies der Sohn von dem Ihr spracht?

Ja, das ist er tatsächlich“, erwiderte er schmunzelnd und nahm das Bild vorsichtig zwischen seine Hände, um liebevoll mit einer Hand über die Wange des Jungens zu streichen, der seinen Blick mit einem leichten Lächeln erwiderte. Nagini beobachtete dies misstrauisch. Könnte es etwa sein, dass irgendetwas geschehen war, was ihr Meister vergessen hatte, ihr mitzuteilen? „Ihr scheint sehr an ihm interessiert zu sein“, teilte sie ihm ihre Beobachtungen mit.

Dies könnte tatsächlich der Fall sein, liebste Freundin. Stellt es für dich etwa ein Problem dar?

Ist er Euer Mate?“, fragte sie, ohne zu antworten.

Doch ihr Meister schüttelte mit dem Kopf. „Einen Mate haben nur magische Wesenheiten wie Vampire, Werwölfe oder Nymphen. Wie du weißt, bin ich nichts davon. Aber ich denke, wir sind trotzdem auf dem richtigen Weg. Die Frage ist nur, wohin er uns führen wird.

Was meint Ihr damit?“, fragte Nagini.
 

Zu ihrem größten Ärger huschte in diesem Augenblick eine Ratte durch die Tür, um mitten im Raum zu einem Stillstand zu kommen und sich nervös nach weiteren Personen umzusehen.

Nagini fauchte sie verstimmt an, doch ihr Meister schüttelte nur den Kopf. „Was gibt es, Wurmschwanz? Was führt dich her?“

Kurz zögerte der Animagus, ehe er in seine menschliche Gestalt zurückverwandelte und sich tief vor ihm verbeugte. „Verzeiht die Störung, Mylord, doch ich habe soeben eine wichtige Entdeckung im Bezug auf Harry gemacht, die Euch interessieren dürfte.“

Harry? War das etwa der Name dieses Jungens?

„Du darfst dich aufrichten“, sagte ihr Meister großzügig und stellte das Bild wieder an seine ursprüngliche Stelle zurück. „Ich hoffe für dich, dass es tatsächlich interessant ist, da ich soeben äußerst beschäftigt gewesen bin.“

Sie erwartete, dass diese Ratte nun zu zittern anfangen und den Blick gesenkt halten würde, aber zu ihrer größten Überraschung, richtete er sich auf und sah seinen Meister selbstbewusst in die Augen. „Seine Eltern leben. Ich bin ihnen soeben begegnet.“

Ihr Meister blinzelte, bevor er sich gespannt vorbeugte. „Dies sind tatsächlich interessante Neuigkeiten, Wurmschwanz. Erzähl mir alles, was du weißt.“ Und das tat er.
 

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Draco hatte ihn sitzen gelassen und deshalb war Harry nun gezwungen sich selbst einen Platz im Hogwarts-Express zu suchen. Insgeheim hoffte er, irgendwo Neville und Hermione zu finden, doch bisher hatte er kein Glück gehabt.

Es war der erste September – höchste Zeit, nach Hogwarts zurückzukehren. Bald würden sie wieder im Internat sein und ein neues Schuljahr beginnen. Tatsächlich hatte sich der Zug bereits in Bewegung gesetzt und alle Schüler hatten sich bereits ein Abteil gesucht, doch wo waren seine Freunde? Und war Luna irgendwo in diesem Zug? Er hoffte es. Es würde seiner Freundin nicht gut tun, nach allem, was sie diesen Sommer durchgemacht hatte, auch noch die Schule zu wechseln oder ihr gar gänzlich fern zu bleiben. Andererseits wäre es verständlich, wenn genau das ihr Wunsch war. Sich aus der Welt zurückzuziehen und in Trauer versinken... eine verlockende Möglichkeit.

//Aber Luna ist zu vernünftig. Sie wird es nicht tun. Sie wird zurückkehren. Dafür ist sie stark genug, oder?//

Um ehrlich zu sein, er konnte es nicht sagen.
 

Seufzend ging er weiter und sah sich weiter nach einem freien Abteil um oder zumindest nach einem, wo er sich dazusetzen konnte. Dabei erinnerte er sich an sein Gespräch mit den Zwillingen. Eigentlich gab es keinen Grund, sich deswegen schlecht zu fühlen, oder? Er hatte ihnen die Wahrheit gesagt, zumindest zum größten Teil. Er war jemanden begegnet, nämlich Voldemort und zu sagen, dass dieser Mann ihm egal war, wäre eine Lüge. Aber so, wie er es bei den Zwillingen dargestellt hatte, musste es so wirken, als wären sie bereits in einer... Beziehung.

Gut, vielleicht waren sie das tatsächlich auf eine verquere Art und Weise, aber nicht auf diese Art und Weise, oder?

//Aber sie müssen es glauben. Wenn er herausfindet, dass die Beiden mich... umwerben, würde er sie irgendwann töten, zumindest wenn ich mit meiner Vermutung Recht habe, dass mehr hinter seiner Besessenheit steckt, als ich bisher angenommen habe. Sie müssen mich aus ihren Köpfen verbannen, bevor es zu spät ist. Das ist die einzige Chance, sie zu retten.//

Er hoffte nur, dass sie trotzdem Freunde bleiben würden. Mit diesen trüben Gedanken lief er weiter.
 

Schließlich, im vorletzten Wagen, fand er seine Freunde. Neville saß offensichtlich genervt mit dem Rücken zur Fahrtrichtung am Fenster, während Hermione ihm gegenüber saß und auf ihn einredete. Luna war nicht bei ihnen.

//Das heißt wohl, sie kommt tatsächlich nicht zurück.//
 

Langsam öffnete er die Tür und schenkte den beiden Anwesenden ein breites Grinsen, das sein Freund augenblicklich erwiderte, während Hermione ihn mit einem besorgten Blick bedachte. „Du bist spät dran.“

„Draco hatte Probleme mit seiner Frisur“, meinte er munter und setzte sich neben Neville. „Wir mussten alle darauf warten, dass er fertig wird. Lucius war nicht besonders glücklich darüber. Ich denke, wenn er auch nur eine Sekunde länger gebraucht hätte, würde mein armer Bruder nun nicht mehr laufen können.“

Damit brachte er beide zum Lachen, aber mit seiner nächsten Frage verstummte es: „Luna kommt nicht zurück?“
 

„Nein“, flüsterte Hermione und blickte traurig zu Boden. „Sie muss nach Durmstrang.“

„Also ist auch ihre Magie schwarz?“

Hermione und Neville sahen ihn verdutzt an. „Wie kannst du nur immer so schnell denken?“, fragte der Junge, der lebt. „Das ist doch nicht mehr natürlich!“
 

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Liebe Felice,
 

Lunas Vater ist tot und sie wird nicht nach Hogwarts zurückkehren und das nur, weil ihre Magie schwarz ist. Ich beginne immer mehr zu begreifen, weshalb der dunkle Lord so sehr dafür kämpft, die Gleichberechtigung beider Magiearten zu erreichen, aber dennoch habe ich immer noch keine Antwort auf deine Frage gefunden. Auch wenn alles so erscheint, als wenn Dumbledore falsch liegt und er richtig, sagt mein Bauchgefühl mir, dass ich irgendetwas übersehe.

Was, wenn am Ende doch der dunkle Lord hinter allem steckt und er mich nur manipulieren will, damit ich in seine Hände falle? Aber was sollte es ihm nützen, solche Methoden anzuwenden? Ist er dafür nicht etwas zu intelligent? Oder will er, dass ich so denke?

Und warum sind so viele Leute auf Dumbledores Seite? Du hast Recht, sie können sich nicht alle irren, oder?

Es ist schwierig, zu begreifen, was falsch und richtig, gut und böse, schwarz und weiß ist.

Am besten kehre ich nun einfach nach Hogwarts zurück und werde versuchen, dieses Schuljahr hinter mich zu bringen.

Ich hoffe, es geht dir gut.

Alles Liebe,

Harry.

The Art of Occlumency

Lieber Harry,
 

danke für dein Mitgefühl und deine Hilfe. Durmstrang scheint okay zu sein, die Natur hier ist sehr schön. Auch die anderen Schüler scheinen nett zu sein, aber ich fürchte mich etwas vor dem Unterricht. Aber du hast Recht, es gibt keinen Grund, Angst zu haben. Ich bin hier nicht in Hogwarts.

Bitte, egal was auch passiert, vergiss mich nicht.

Ich hoffe, dass du ein schönes Schuljahr haben wirst.
 

In Liebe,

Luna
 

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Remus Lupin war ein Kind gewesen, als er eines Abends in den Garten ging, um mit dem neuen Ball zu spielen, den seine Eltern ihm geschenkt hatten. Er war ein fröhlicher, gutmütiger Junge, der das Leben liebte und stets auf der Suche nach neuen Abenteuern war. Er war vielversprechend, die Hoffnung seiner ganzen Familie, doch in jener Nacht sollte all dies enden.

Sie waren eine alte, weißmagische Familie, die sich jedoch seit jeher aus allen Streitigkeiten innerhalb der magischen Gesellschaft herausgehalten hatte. Deswegen hätte es für niemanden einen Grund gegeben, ihnen etwas anzutun und darum war es umso schrecklicher gewesen, als der kleine Remus einige Stunden später bewusstlos im Wald aufgefunden worden, während sein Gesicht von den Krallen eines Werwolfes entstellt worden war.

Remus hatte niemals jemanden erzählt, was genau in jener Nacht geschehen war. Man wusste nur, dass Fenrir Greyback dahintersteckte, ein Werwolf, der bekanntermaßen Aufträge für den dunklen Lord ausführte und man vermutete, dass es ein Angriff auf die weißmagische Bevölkerung gewesen war. Den kleinen Jungen interessierten die Hintergründe wenig. Er wusste nur, dass sein Leben vorbei war, bevor es hatte beginnen können. Der Großteil seiner Familie wandte sich von ihm ab, Freunde schien es nicht mehr zu geben und selbst seine Eltern...
 

Schließlich kam er nach Hogwarts und seine neuen Freunde retteten ihn, ja sie wurden sogar Animagi, nur damit er glücklich sein konnte. Doch dann wurden sie erwachsen, Sirius tötete James, Peter verschwand und er war wieder allein.

Er musste wieder jeden Vollmond fürchten. Es gab für ihn nichts schlimmeres, als eine Verwandlung in diesen Werwolf, zu dem Fenrir Greyback ihn verflucht hatte. Er war ein Mensch, ein Mensch, ein Mensch, ein Mensch! Er war kein Monster, kein Monster, kein Monster! Ein Mensch!

Aber wenn man zu dem Monster wurde, war es schwer, sich daran zu erinnern. Es sollte Leute geben – wie Greyback selbst – die froh waren, Werwölfe zu sein, aber er würde das nie verstehen können.

Vielleicht würde es ihm selbst besser gehen, wenn er wenigstens nicht alleine wäre. Andere Wölfe hatten ihre Mates, mit denen sie ihre Existenz fristen konnte. Er hatte niemanden.
 

Traurig schloss er den Koffer, der bis zum Rand vollgestopft war. Es war Zeit, sein kleines Haus zu verlassen und nach Hogwarts zurückzukehren. Albus war so freundlich, ihn dort unterrichten zu lassen und er würde ihn nicht enttäuschen. Der Mann hatte ihm immer eine Chance gegeben. Dank ihm war er nach Hogwarts gekommen und dank ihm hatte er seine Freunde kennengelernt. Zwar konnte er immer noch nicht verstehen, wie der Mann jemals auch nur daran hatte denken können, Harry zu Lilys Familie zu schicken, aber wahrscheinlich war auch er zu sehr von dem Tod der Potters erschüttert gewesen. Ja, genauso musste es sein. Es gab keine andere Erklärung.
 

„Du kehrst also wirklich zu dem alten Dummkopf zurück“, sagte plötzlich eine Stimme, die er nur allzu gut kannte und er wirbelte herum, um sich im Notfall verteidigen zu können. Dort, direkt am Türrahmen, stand Fenrir. Der ältere Werwolf hatte seinen Blick fest auf Remus gerichtet und musterte ihn kritisch.

„Du siehst nicht gut aus, Remus“, bemerkte er. „Das kommt daher, weil du dich stets gegen die Verwandlung wehrst. Du solltest dich lieber darauf einlassen und eins mit deinem Wolf werden. Glaube mir, danach wird es dir um einiges besser gehen.“

„Von dir will ich keine Vorschläge“, zischte er. „Von jedem, aber nicht von dir!“
 

Fenrir seufzte und trat einen Schritt auf ihn zu, doch als er sah, wie sein „Opfer“ zurückwich, blieb er stehen. „Um ehrlich zu sein bin ich nicht hier, um dir Ratschläge zu machen. Ich wollte nur sehen, wie es dir geht.“

Misstrauisch hob Remus eine Augenbraue. „Wie meinst du das?“

„Nun, mit allem, was in letzter Zeit geschieht, kann es nicht einfach für dich sein. Das mit Lily und James war selbst für uns Todesser ein Schock und das obwohl...“

„Das mit Lily und James?“, hakte er nach. „Was soll mit ihnen sein?“

„Du weißt es nicht?“, fragte Fenrir überrascht. „Hat Dumbledore es euch nicht erzählt? Ich glaubte eigentlich, er hätte es dem ganzen Orden mitgeteilt.“

„Was hat er ihnen mitgeteilt?“ Er hatte nicht die geringsten Ahnung, wovon er sprach.

„Wurmschwanz hat es vor Kurzem unserem Meister mitgeteilt. Ich weiß es ehrlich gesagt auch nur durch Zufall, da ich bei ihm war, um meinen Bericht abzugeben. Offenbar hat Sirius Black die Beiden doch nicht umgebracht, zumindest hat Wurmschwanz sie vor kurzem getroffen und sie erschienen ihm ziemlich echt und äußerst lebendig. Und gestern Abend nach einer Vollversammlung hat Severus genau dasselbe berichtet, weshalb wir davon ausgehen, dass es stimmt.“
 

Remus starrte ihn reglos an. Lily und James am Leben? Aber das war unmöglich. Er hätte doch gewiss davon erfahren und Harry auch, oder? Außer wenn es einen bestimmten Grund dafür gab, dass es niemand erfahren sollte. Doch weshalb wussten dann Peter und Severus davon? War er etwa so wenig vertrauenswürdig?

//Vielleicht lügt Fenrir. Doch warum sollte er das tun?//

Wenn sie wirklich lebten, warum hatten sie sich nicht bei ihm gemeldet? War er so wertlos? Selbst Harry wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben und Albus' einziges Anliegen war es, dass er den Jungen für ihre Seite gewann. Ansonsten würde selbst er nichts von ihm wollen. Er war eben allein. Hatte er das nicht immer gewusst?
 

Plötzlich wurde er an eine muskulöse Brust gepresst, während eine Hand liebevoll durch sein Haar fuhr und die andere ihn daran hinderte, aus der Umarmung zu entkommen. „Lass mich los“, rief er augenblicklich, doch Fenrir hörte nicht auf ihn. Stattdessen schien er ihn sogar noch mehr an sich zu pressen.

„Du bist schon immer ein so sorgenvolles Kind gewesen“, flüsterte er sanft. „Niemals konntest du deinen eigenen Wert erkennen. Was muss man tun, damit du endlich erkennst, dass du nicht das bist, was du dir all die Jahre versucht hast einzureden?“

„Hör auf damit“, entgegnete Remus, während er sich müde an den Älteren lehnte. „Ich will es nicht hören.“

Die Hand auf seinem Kopf wanderte unter sein Kinn und hob es hoch, sodass er ihm in die Augen sehen musste.

„Warum willst du nur immerzu vergessen, weshalb ich dich damals zu einem Werwolf machte? Ist es denn wirklich so schlimm?“

Remus spürte, wie sich seine Augen mit Tränen füllten. „Warum musstest du es tun? Warum hast du...“

Doch bevor er zu Ende sprechen konnte, wurden seine Lippen von Fenrirs versiegelt. Für einen Moment ließ er sich von dem Kuss davontragen, vergaß seine Sorgen und fühlte sich so glücklich wie seit langem nicht mehr. Doch dann kam der Augenblick in dem seine Vernunft siegte und er zog seinen Kopf zurück, um sie voneinander zu trennen.

„Lass mich los“, flüsterte er, den Blick fest auf die Brust vor sich gerichtet. „Ich muss nach Hogwarts.“
 

Fenrir seufzte und fuhr ihm noch einmal sanft durchs Haar. „Tu, was du tun musst, doch eines solltest du wissen. Dein Patenkind gehört dem dunklen Lord. Er wird es nicht zulassen, dass irgendjemand anderes ihn bekommt. Also denke nicht einmal daran, ihn für Dumbledore zu rekrutieren.“

Remus blickte verwirrt auf. „Aber warum? Was will Voldemort von Harry?“

Fenrir erwiderte seinen Blick liebevoll. „Ich weiß es nicht, doch du musst dir keine Sorgen machen. Der Junge hat etwas an sich, was unseren Lord zu beruhigen und entspannen scheint. Immer, wenn er bei ihm gewesen ist, ist er bester Laune und es werden weit weniger Cruciatusflüche verteilt als sonst. Viele glauben sogar, dass er endlich einen Partner gefunden hat. Er wird dem Jungen nicht weh tun, sondern ihn im Gegenteil beschützen.“ Vorsichtig beugte er sich vor und drückte Remus einen sanften Kuss auf die Stirn. „Genauso wie ich dich beschützen werde.“
 

„Hör auf, so etwas zu sagen“, entgegnete Remus, konnte jedoch nicht verhindern, dass sich ein leichter Rotschimmer auf seinen Wangen bildete. „Ich habe niemals darum gebeten, dass...“

„Niemand von uns bittet darum. Es passiert einfach“, erklärte ihm Fenrir geduldig. „Auch du wirst es irgendwann akzeptieren können und solange werde ich einfach warten müssen.“

Mit diesen Worten ließ er ihn los und verschwand wieder. Remus starrte noch eine Weile auf die Stelle, an der er noch wenige Sekunden zuvor gestanden hatte, ehe er sich wieder seinem Koffer zuwandte. Ob Lily und James wirklich noch am Leben waren? Fenrir hatte keinen Grund, ihn zu belügen, also war es eigentlich relativ wahrscheinlich.

Abwesend berührte er seine Lippen mit seiner rechten Hand. Am Besten würde er mit Albus darüber sprechen, dann könnte er alles erfahren, was es zu wissen gab. Vielleicht handelte es sich ja um eine Schutzmaßnahmen.
 

Was ihn momentan mehr beunruhigte, war die Tatsache, dass der dunkle Lord so sehr an Harry interessiert war. So sehr Fenrir auch beteuerte, dass es keinen Grund gab, sich deswegen Sorgen zu machen, er würde dennoch mit seinem Patenkind reden müssen.
 

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Er musste zugeben, dass Dumbledore es wirklich gut eingefädelt hatte. Remus als Lehrer einzusetzen – eine Position, der er als Schüler nicht entkommen konnte – war wirklich nicht von schlechten Eltern. Hatte er etwa tatsächlich vor, ihn zu seinem Anhänger zu machen? Wenn ja, was sollte es ihm nützen? Bisher hatte er sich doch auch darauf beschränkt, ihn zu beobachten. Warum also plötzlich die Taktik ändern? Nur weil der dunkle Lord zurückgekehrt war? Und warum schickte er dann Remus vor? Der dunkle Lord hatte wenigstens den Anstand, sich selbst um seine Aufmerksamkeit zu bemühen, aber Dumbledore zog offenbar die unhöflichere Methode vor, wobei er zugeben musste, dass diese oft wirkungsvoller war.
 

Schweigend saß Harry am Ravenclawtisch und studierte wie alle anderen seinen Stundenplan, während er genau wusste, dass ihn beinahe alle Lehrer beobachteten. Warum taten sie das? Er hatte sich weder auffällig benommen, noch gab es einen ersichtlichen Grund dafür. War irgendetwas geschehen, wovon er noch nichts erfahren hatte?

Offenbar war er nicht der Einzige, dem diese ungewöhnliche Observation auffiel, denn Cho Chang, ein Mädchen aus seinem Haus, das dieses Jahr seinen Abschluss machen würde und seit jeher versuchte, mit ihm auszugehen, beugte sich vorsichtig vor und flüsterte ihm ins Ohr: „Was hast du angestellt? Die Lehrer starren dich alle an.“

„Das würde ich ehrlich gesagt selbst gerne wissen“, wisperte er zurück, ohne den Blick von seinem Stundenplan zu heben.

„Solange du keine Schulregel gebrochen hast, kümmert es uns wenig“, meinte Anthony Goldstein, der Vertrauensschüler ihres Hauses. „Was?“, fragte er, als ihm alle in der Nähe sitzenden böse Blicke zuwarfen.

„Harry hat bisher nie eine Schulregel gebrochen, wenn es dafür nicht einen guten Grund gab“, erinnerte ihn Padma Patil aufgebracht.

„Du bist ja nur eifersüchtig, weil er seit der ersten Klasse besser ist als du und Hermione Granger zusammen“, bekräftigte Cho ihre Worte, was den Jungen dazu brachte, vor Wut rot anzulaufen.
 

Ehe die Situation jedoch ausarten konnte, gesellte sich ihr Hauslehrer Professor Flitwick zu ihnen. „Na na, meine jungen Herrschaften, gibt es hier ein Problem?“, fragte er munter.

Während seine Klassenkameraden eilig verneinten und sich ihrem Frühstück zuwandten, drehte sich Harry zu ihm um. „Das gibt es tatsächlich, Professor.“

Die Anderen erstarrten geradezu und sein Lehrer hob verblüfft seine buschigen Augenbrauen. „T... tatsächlich, Mr. Malfoy?“, quiekte er. „W... was ist denn?“

„Meine Mitschüler stört es, dass die Aufmerksamkeit unseres gesamten Lehrkörpers auf unserem Tisch zu liegen scheint. Es wäre wirklich zu freundlich, wenn sie das im speziellen Professor Snape, Professor Lupin und Professor Dumbledore mitteilen würden. Es ist früh am Morgen und wir würden gerne in aller Ruhe frühstücken, wenn dies möglich wäre.“

„N...natürlich!“, rief der kleine Professor und lief rot an. Offenbar schien ihm die ganze Sache äußerst peinlich zu sein. „I...ich werde es ihnen mitteilen. Beenden Sie nun alle Ihr Frühstück! Vergessen Sie niemals, es ist die wichtigste Mahlzeit des Tages!“
 

Eilig wuselte er in Richtung Lehrertisch davon und Harry drehte sich wieder zu seinen Mitschülern um, die ihn allesamt mit offenen Mund anstarrten.

„Was ist?“, fragte er. „Ich habe nur dafür gesorgt, dass ihr euch nicht mehr so aufregen müsst. Außerdem hat es mich selbst gestört.“

„Harry...“, hauchte Cho verdutzt. „Seit wann...“

„Hast du in den Ferien eine Persönlichkeitswandlung durchgemacht, Malfoy?“, fragte Anthony. „Du warst doch sonst nicht so...“

„...direkt?“, bot Harry höflich an. „Stimmt, in den Ferien ist tatsächlich einiges passiert. Ihr werdet euch dran gewöhnen müssen. Und jetzt entschuldigt mich, ich möchte nicht gleich an meinem ersten Tag zu spät kommen.“

Mit einer Eleganz, die einem nur eine jahrelange Erziehung im Hause Malfoy einbrachte, erhob er sich und schlenderte gemächlich aus der Großen Halle, sich durchaus darüber bewusst, dass sämtliche Blicke auf ihn gerichtet waren.
 

Irgendwie konnte er den dunklen Lord, Draco und sogar Dumbledore verstehen. Es hatte tatsächlich etwas für sich, der Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit zu sein. Nichtsdestotrotz zog er es immer noch vor, im Hintergrund zu verweilen.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Ein paar Stunden später stand er als letzter Schüler in den Kerkern und beobachtete Severus dabei, wie er einen Kessel zu säubern versuchte, den heute Morgen ein Zweitklässler ruiniert hatte. „Ich hätte ihm eine Woche Nachsitzen aufdrücken sollen“, erklärte er Harry mürrisch. „Doch leider hat Albus es uns untersagt, bereits in der ersten Woche solche Strafen zu verteilen.“

„Warum das denn?“, fragte Harry und lehnte sich an den nächsten Tisch.

Der Zaubertrankmeister schnaubte. „Er ist wieder in seinem Friede-Freude-Eierkuchen-Modus. Äußerst anstrengend. Da ist es sogar leichter, mit den Stimmungsschwankungen des dunklen Lords umzugehen. Ich weiß, warum ich mich dazu entschieden habe, ein Todesser zu werden.“

„Ist es nicht etwas gewagt, diese Aussage in Gegenwart von Neville Longbottoms besten Freund verlauten zu lassen?“
 

Severus schüttelte mit dem Kopf. „Der dunkle Lord hat Sie unter seinen persönlichen Schutz gestellt, Mr. Malfoy. Dies hätte er nicht, wenn Sie nicht vertrauenswürdig wären. Was auch immer Sie für eine Beziehung zu Mr. Longbottom haben, Sie konnten ihn davon überzeugen, Ihnen zu vertrauen. Und da Ihre Okklumentikfähigkeiten schon immer Ihre größte Schwäche gewesen sind, kann ich davon ausgehen, dass es ungefährlich ist, in Ihrer Gegenwart über solche Dinge zu sprechen. Doch genug dazu.“ Er warf dem Kessel einen letzten vernichtenden Blick zu, bevor er ihn schulterzuckend verschwinden ließ uns seine ganze Aufmerksamkeit auf Harry richtete. „Wir müssen Sie auf einen Wettbewerb...“

„Genau darüber wollte ich mit Ihnen sprechen, Professor“, unterbrach ihn Harry entschlossen. „Ich denke, Sie wissen genauso gut wie ich, dass diese Stunden reine Zeitverschwendung wären.“

„Äußerst arrogante Worte, doch deshalb nicht weniger wahr“, stimmte ihm sein Lehrer zu. „Worauf wollen Sie hinaus?“
 

Harry atmete tief ein, ehe er dem Mann fest in die Augen sah. „Nutzen wir diese Zeit sinnvoll, Sir. Bringen Sie mir Okklumentik bei.“

Einige Augenblicke lang herrschte Stille. Dann...

„Sie wollen Okklumentik lernen“, wiederholte Severus skeptisch. „Von mir.“

„So ist es, Sir. Ich weiß, dass dieser Wunsch in Ihren Ohren lächerlich klingen muss. Wir sind uns in den letzten Jahren meistens aus dem Weg gegangen, doch wenn Professor Dumbledore darauf besteht (und wir kennen ihn beide gut genug, um zu wissen, dass er genau das tun wird), ist es das Beste, wenn wir die Zeit mit etwas nutzen, das nicht so überflüssig ist, wie diese sogenannten Übungsstunden. Darüber hinaus sind Sie bedauerlicherweise der Beste in diesem Fachgebiet, vom dunklen Lord und Professor Dumbledore einmal abgesehen. Deshalb...“

„...sollte ich Sie unterrichten. Ich verstehe.“ Der Zaubertrankmeister schüttelte mit dem Kopf. „Mr. Potter“, sagte er und verwendete damit wahrscheinlich bewusst Harrys richtigen Namen. „Sie kommen auf die seltsamsten Ideen. Doch um Ihrer Mutter willen, werde ich es tun. Sie könnte es niemals gut heißen, wenn ihr eigener Sohn der Willkür des dunklen Lords wehrlos ausgeliefert ist und das sind alle, die nicht in der Lage sind, ihre Gedanken vor ihm zu verbergen.“
 

„Von welcher Mutter sprichst du, Onkel Sev?“, fragte er sanft. „Von Narcissa? Oder Lily?“

Ein leichtes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Es war ein seltener Anblick, der nur jenen vorbehalten waren, die sein wahres Wesen kannten und es machte ihn um Jahre jünger. „Remus hat Recht... du bist ihr so ähnlich, Harry. Es ist gut zu wissen, dass selbst Lucius und Narcissa das nicht ändern konnten.“

„Manchen Dingen kann man nicht entkommen und das gehört dazu“, entgegnete er. „Ich wünschte nur, du hättest damals nicht beschlossen, mich zu hassen. Es wäre schön gewesen, wenigstens einen Menschen aus meinem alten Leben zu behalten.“

Severus' Augen weiteten sich kaum merklich bei diesen Worten, eine Reaktion, die nicht einmal seine Okklumentikfähigkeiten verbergen konnten. Es sah so aus, als würde nicht einmal ihn alles kalt lassen. Harry gestatte sich ein überlegenes Grinsen, ehe er seinen Stundenplan hervorholte. „Wie oft meinen Sie sollten wir uns treffen, damit wir möglichst schnell vorankommen?“
 

Mehrmals blinzelte der Zaubertrankmeister und dachte wahrscheinlich darüber nach, ob er auf den Themenwechsel eingehen sollte oder nicht. Schließlich entschied er sich dafür. „Bei Ihren Fähigkeiten und Ihrem scharfen Verstand wird es sicher nicht lange dauern, bis Sie die Grundzüge dieser Kunst verstanden haben.“

„Kunst?“, wiederholte Harry amüsiert.

„Ja, Mr. Malfoy. Kunst. Viele haben vergessen oder nie gewusst, wie viel Zeit und Mühe es kostet, Okklumentik und Legilimentik zu perfektionieren. Von daher kann man sehr wohl von einer Kunst sprechen. Jedenfalls wäre es das Beste, wenn wir mit zwei Sitzungen pro Woche beginnen. Danach können wir immer noch sehen, ob Sie mehr oder weniger benötigen.“

„In Ordnung, welche Tage schlagen Sie vor?“

„Hm... ich denke Dienstag und Donnerstag um zwanzig Uhr? Und seien Sie pünktlich!“

„Natürlich Professor.“ Eilig packte er seinen Stundenplan wieder ein und wollte zur Tür gehen, als er von seinem Lehrer zurückgehalten wurde. „Warte bitte noch einen Moment.“

Verwirrt blieb er stehen und drehte sich zu dem Mann um. „Sir?“
 

Severus betrachtete ihn mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck, doch Harry spürte, dass, was immer der Mann ihm sagen wollte, es sich um eine ernste Angelegenheit handelte. Unwillkürlich spannte er seinen ganzen Körper an, bisher hatte es nie etwas Gutes bedeutet, wenn der Mann ernst wurde, ohne jeglichen Spott, ohne jegliche Verachtung und – was nur in den seltenen Momenten vorkommen konnte, wenn sie wirklich allein waren – ohne jegliche Zuneigung.

Zuneigung, die aus einer Zeit kam, in der er noch Lilys Sohn gewesen war und nicht nur James'.
 

„Es gibt da etwas, das du wissen solltest, Harry. Zwar hat sich der Schulleiter dazu entschieden, zu schweigen, aber ich finde, er hat Unrecht.“ Der Junge blinzelte, schwieg jedoch. Deshalb fuhr er, nachdem er einmal tief eingeatmet hatte, fort: „Harry, es geht um deine Eltern, Lily und James. Sie...“

Eilig hob der Junge seine Hand und brachte ihn damit zum Verstummen. „Harry?“

„Ich danke dir dafür, dass du mir etwas erzählen willst, was man dir verboten hat zu erzählen, aber ich bitte dich, zu schweigen. Ich möchte es nicht wissen.“

Severus musterte ihn Stirn runzelnd, ehe er langsam nickte. „Ich verstehe. Gut, dann gehen Sie nun am Besten zum Abendessen. Wir sehen uns morgen Abend.“

„Danke“, sagte Harry, bevor er sich umdrehte und aus den Kerkern verschwand. Allerdings war sein Ziel nicht die Große Halle.
 

Mit einem Blick auf die Uhr, eilte er zum Astronomieturm, der um diese Uhrzeit ausgestorben sein müsste. Also genau der richtige Ort für ihn. Zwar war es nicht gerade die feine englische Art, bereits am ersten Tag die Schulordnung zu brechen, aber es musste sein. Er brauchte ein wenig Zeit allein. In den nächsten Tagen würde es schwieriger werden, diese zu bekommen.

Dort angekommen, setzte Harry sich an den Rand des Turmes und starrte auf Hagrids Hütte hinab.
 

Er war froh, wieder in Hogwarts zu sein. Dieser Ort hatte stets etwas Beruhigendes an sich. Es gab einem ein Gefühl der Sicherheit zu wissen, dass man von Magie umgeben war und das nichts Böses in die Schlossmauern eindringen konnte. //Aber es muss auch nichts mehr eindringen. Das Böse ist schon da.//

An dieser Schule waren Menschen gestorben, selbst während er selbst hier gewesen war. Außerdem durfte man das dunkle Netzwerk der Manipulation nicht vergessen, das sich über die ganze Schule erstreckte, ob es nun von Dumbledore oder dem dunklen Lord ausging. Auch Harry war darin gefangen und wenn er nicht aufpasste, würde er sich irgendwann nicht mehr daraus befreien können.
 

„Wir alle sind darin gefangen“, murmelte er düster.

„Worin sind wir gefangen?“

Seine Augen weiteten sich vor Überraschung, doch er schaffte es, nicht zusammenzuzucken. „Neville“, begrüßte er seinen Freund, ohne sich zu ihm umzudrehen. Wieso hatte er ihn nicht kommen hören?

„Du bist nicht zum Abendessen erschienen“, meinte der Junge, der lebt munter und setzte sich neben ihn. „Da dachte ich, es gibt nur zwei Orte, an denen man dich finden könnte: die Bibliothek und hier.“ Langsam kramte er in seiner Schultasche herum und zog schließlich zwei belegte Brote hervor. „Hier, du bist sicher hungrig.“

Ein leichtes Lächeln stahl sich auf Harrys Gesicht, als er die Brote entgegen nahm. „Danke.“

Er hatte vergessen, warum sie Freunde geworden waren, aber in diesem Augenblick fiel es ihm wieder ein. Manchmal fragte er sich, wie er seine Zeit in Hogwarts ohne ihn überlebt hätte. Glücklicherweise würde er sich nie damit auseinandersetzen müssen.

//Bis zu meinem Abschluss bleiben wir zusammen//, nahm er sich vor. //Danach mag kommen, was will, aber bis dahin will ich ihn behalten.//

Vielleicht war das egoistisch, vielleicht ungerecht, aber es war ihm egal. Manchmal musste man einfach an sich selbst denken und momentan war ein solcher Augenblick.
 

„Kein Problem“, meinte Neville fröhlich und folgte seinem Blick über die Ländereien. „Es ist schön, wieder hier zu sein.“

Harry nickte.

„Ich bin froh, dass wir uns jetzt wieder jeden Tag sehen können“, fuhr sein Freund fort. „Hermione ist eine gute Freundin, aber mit der Zeit wird sie doch etwas nervig. Besonders, wenn man ihr allein ausgesetzt ist.“

Harry murmelte etwas unverständliches und biss von einem Brot ab. Es schmeckte richtig gut, aber das mochte daran liegen, dass er hungrig war. Er hatte es nur ignorieren wollen.

„Du wirkst abwesend“, bemerkte Neville schließlich. „Ist alles in Ordnung?“

„Es ist nichts... ich vermisse nur Luna“, entgegnete Harry langsam. Das war nur die halbe Wahrheit, doch seinem Freund würde es reichen.

„Ja, ich weiß was du meinst... es ist seltsam, ohne sie. Aber sie ist jetzt an einem Ort, wo es ihr besser gehen wird. Wir sollten uns also nicht so viele Sorgen machen.“

„Ich mache mir keine Sorgen, Neville. Ich vermisse nur die Anwesenheit einer Freundin. Das ist alles.“
 

Darauf folgte ein langes Schweigen, dass er dazu nutzte, das Brot ganz aufzuessen. Es kam selten vor, dass sie in einvernehmlicher Stille nebeneinandersaßen. Harry mochte diese seltenen Augenblicke. Viele behaupteten zwar, dass es auf Probleme hindeutete, wenn man sich nichts mehr zu sagen hatte, doch er war der Meinung, dass es im Gegenteil aussagte, dass man keine Worte mehr brauchte, um miteinander auszukommen. Unwillkürlich wanderten seine Gedanken zum dunklen Lord. Ob sie beide auch eines Tages...?

Nein, hier hatte der dunkle Lord nichts zu suchen. Es reichte, dass dieser Mann ihn in seinem Schlaf verfolgte. Nicht auch noch hier.

Missmutig schluckte er den Rest des ersten Brotes hinunter und biss von dem anderen ab.
 

Da fragte Neville: „Du kennst Professor Lupin, du hast in den Ferien mit ihm gesprochen. Mehrmals.“

„Das ist richtig“, entgegnete Harry ruhig und wartete darauf, was jetzt kommen würde. Er konnte es sich im Grunde denken, doch es wäre ihm lieber gewesen, wenn er es noch eine Weile hätte aufschieben können.

„Harry... die Malfoys... sie sind nicht deine richtigen Eltern, oder?“

„Wie kommst du darauf?“, fragte er, ohne ihn anzusehen. Es wurde langsam dunkel und sie sollten bald in ihre Gemeinschaftsräume zurückgehen. Andererseits war die Schulordnung das, was sie momentan am wenigsten interessierte.
 

„Professor Dumbledore hat mir von Lily und James Potter erzählt und von ihrem Sohn. Harry.“ Neville machte eine Pause, um ihm eine Möglichkeit zu geben, zu antworten, doch er wurde enttäuscht. Deshalb fuhr er fort: „Ich habe Fotos von ihnen gesehen. Ich habe Fotos von dir gesehen! Warum hast du es mir nie erzählt? Warum hast du das wichtigste Detail in deinem Leben vor mir geheim gehalten?“

„Weil es genau das war: ein Detail.“ Er biss ein weiteres Stück des Brotes ab und kaute es runter, bevor er fortfuhr. „Ich war fünf Jahre alt, als die beiden aus meinem Leben verschwanden. Danach wollte mich Dumbledore zu meiner Tante schicken, doch Narcissa hat ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Sie hat mir ein Leben geschenkt, Neville. Ein Leben, dass ich ohne sie nie erhalten hätte. Es heißt, Harry Potter wäre kurz nach seinen Eltern gestorben und es ist wahr. Remus und Professor Snape werden es dir beide bestätigen, von dem kleinen Harry ist nur noch wenig übrig. Die beiden mögen mich geboren haben, aber sie haben nichts mit der Person zu tun, die vor dir sitzt.“
 

Neville sah ihn lange Zeit einfach nur an.

„Glaubst du das wirklich?“, wollte er schließlich wissen. „Oder ist das nur deine Art mir zu sagen, dass es mich nichts angeht?“

Seufzend beendete Harry seine Mahlzeit, indem er den letzten Rest des Brotes hinunterschluckte. Danach stand er auf und streckte sich.

„Ich habe niemanden davon erzählt“, sagte er, den Blick in die Ferne gerichtet. „Weder dir, noch Luna, noch Hermione, noch Narcissa, noch Draco, noch Lucius. Nicht einmal Felice.“ Er drehte sich zu Neville um, der ihn schweigend betrachtete. „Ich habe auch nicht vor, mit jemanden von euch darüber zu sprechen. Kannst du das akzeptieren?“

„Ich verstehe es zwar nicht“, entgegnete Neville und er stand ebenfalls auf. „Aber ich werde es akzeptieren.“

„Gut“, meinte Harry und begann damit, auf die Treppe zuzugehen, die nach unten führte. „Es wird dir nämlich nichts anderes übrig bleiben.“
 

An diesem Abend wechselten sie kein Wort mehr. Sie trennten sich am Fuße der Treppe und liefen beide in ihre Schlafsäle.

Harry war froh, ein Ravenclaw zu sein. Während die Gryffindors und Hufflepuffs dazu gezwungen waren, in fünf-Bett bis sechs-Bett Zimmern zu schlafen, gab es in Ravenclaw und Slytherin nur zwei-, drei- oder in seltenen Fällen auch ein-Bett Zimmer. Er selbst teilte sich sein Zimmer mit Stephen Cornfoot, ein Reinblüter, dessen Familie seit jeher hinter dem dunklen Lord stand. Harry vermutete sogar, dass er schwarzmagisch war, doch bisher hatte er keine Beweise dafür bekommen.
 

Der Junge lag mit dem Bauch auf seinem Bett und las in einem Buch, als er das Zimmer betrat und blickte nur kurz auf, um „Hi“ zu sagen. Deshalb mochte Harry ihn, er war immer wunderbar unkompliziert. Nachdem er seinen Gruß erwidert hatte, ließ auch er sich auf sein Bett fallen und starrte schweigend an die Decke.

Er hoffte, dass Neville sich an das halten würde, was er gesagt hatte. Er hatte keine Lust, mit ihm – oder gar Hermione – über seine richtigen Eltern zu reden. //Ich kann es ja nicht einmal mit Felice...//

Außerdem fürchtete er, in Zukunft noch oft mit ihnen konfrontiert zu werden. Remus würde ihn nie und nimmer wie einen einfachen Schüler behandeln. Der Werwolf würde ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit beiseite nehmen und versuchen, mit ihm zu reden.

Die Frage war, warum er es tun würde. Weil er ihre Beziehung auffrischen wollte? Oder weil Dumbledore es von ihm verlangte?

Morgen würde er es erfahren. Morgen würden sie sich das erste Mal als Lehrer und Schüler gegenüberstehen. Doch davor hieß es schlafen und für ein paar Stunden die falsche Sicherheit genießen, die ihm nur zwei rote Augen bieten konnten, die immer da gewesen waren und immer da sein würden, um ihn aus der grausamen Wirklichkeit zu befreien.
 

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Zuallererst: Ich bin kein Freund von diesen Fanfictions, wo ein Shonen-Ai Pärchen das nächste jagt. Obwohl ich selbstverständlich ein großer Fan von Shonen-Ai (und Yaoi *-*) bin, finde ich es dennoch stets übertrieben, wenn es überhaupt kein heterosexuelles Pärchen mehr gibt. Deshalb sage ich gleich, dass Remus und Fenrir eines der letzten Shonen-Ai Pärchen sein werden, ob es euch passt oder nicht. XD

Allerdings könnten noch ein oder zwei andere kommen. (Und eventuell viell. auch ein Shojo-Ai Pärchen, falls es gewünscht ist.) Nur, damit ihr informiert seid. Wenn jemand was dagegen hat, es gibt viele verschiedene Arten, mir das mitzuteilen. ^.~

Womit wir auch sofort bei den Kommischreibern des letzten Kapitels wären!! Vielen, lieben Dank!

Ich hoffe, dass euch auch dieses Kapitel gefallen hat!

Bis zum nächsten Mal,

eure Ayako

Godfathers - The Werewolf

Dieses Kapitel, meine lieben Leser, verdankt ihr der einzigartigen Band Linkin Park! Und das vollkommen im Ernst. Ich habe mir nämlich vor ein paar Tagen ihr neues Album gekauft (das ich jedem empfehlen kann!) und war so begeistert, dass ich fast nichts anderes mehr höre (was sich aber sicher bald legen wird). Jedenfalls hat die Musik etwas äußerst inspirierendes an sich, weshalb sie mich dazu gebracht hat, weiterzuschreiben und meiner Meinung nach ist das Endergebnis gar nicht mal so schlecht. Das heißt, wenn ihr wissen wollt, was ich brauche, um zu schreiben, wisst ihr es nun: Musik. XD

Aber so wie ich das mitbekommen habe, geht es vielen so.

Und ein großer Dank an alle Kommischreiber!! Ich weiß, ihr alle brennt darauf zu erfahren, was es mit Lily, James und Dumbledore auf sich hat, aber ihr müsst noch ein wenig warten. Da ich aber beschlossen habe, die ganze Hogwartssache etwas zu kürzen, könnte es gut sein, dass ihr bereits im nächsten Kapitel erste Antworten erhaltet!

Bis dann,

eure Ayako

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Godfathers – The Werewolf
 

Liebe Felice,
 

ich weiß, dass du meinen letzten Brief wahrscheinlich noch nicht einmal erhalten hast, zumindest hast du mir noch nicht geantwortet, aber ich muss dir dennoch schreiben.

Zuallererst wirst du stolz auf mich sein: Ich habe endlich einen Lehrer für Okklumentik gefunden. Wie du dir sicher denken kannst, ist es Severus. Ich kann nichts dafür, er ist nun einmal der Beste für den Job. Hoffentlich kommen wir schnell voran, wer weiß, vielleicht bringt er mit danach auch Legilimentik bei!

Doch leider ist das nicht das einzige, worüber ich dich aufklären möchte. Remus ist in Hogwarts. Er unterrichtet hier. Und ich fürchte, dass das nicht der einzige Grund für sein Hiersein ist.

Irgendetwas geht hier vor, Fel. Irgendetwas, das die ganze Welt auf den Kopf stellen wird.

Warum muss sich nur immer alles häufen? Können die Dinge nicht in aller Ruhe nacheinander geschehen?
 

Liebe Grüße,

Harry
 

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„Oh nein, seht nur, wir sind mit beiden Malfoys in einem Kurs!“

„Und dann auch noch Longbottom... das wird Krieg geben.“

„Stimmt. Armer Harry, er wird zwischen die Fronten geraten.“

„Hoffentlich wird Professor Lupin sie im Zaum halten können...“

„Wer ist der Mann eigentlich, habt ihr schon einmal von ihm gehört?“

„Nein, noch nie.“

„Soweit ich weiß, saß er ein paar Jahre in Askaban...“

„Was?! Willst du etwa sagen, Dumbledore lässt so jemanden hier unterrichten?“

„Es sieht ganz so aus.“

„Warum war er denn in Askaban?“

Eine kurze Pause kehrte ein, bevor auf die Frage geantwortet wurde: „Offenbar war er mit Sirius Black befreundet.“

Ein Raunen ging durch den Klassenraum und alle wechselten beunruhigte Blicke. Alle, außer Harry und Draco.
 

Wenn er ehrlich sein sollte, hatte er keine Ahnung, was sein Bruder sich dabei dachte, sich direkt neben ihn in die erste Reihe zu setzen und Neville damit in die hintere Reihe neben Dean Thomas zu vertreiben. Da sie nun in ihrem vorletzten Jahr angekommen waren, wurden die Kurse anders strukturiert als bisher, wodurch nun nicht etwa Schüler aus zwei Häusern gleichzeitig unterrichtet wurden, sondern alle Häuser bunt gemischt waren. Darum würde er heute die erste Unterrichtsstunde erleben dürfen, in der Draco und Neville in einem Raum waren. In den letzten Jahren war das in der Regel nie gut gegangen.

//Wenigstens ist Hermione in einem anderen Kurs. Sonst wäre die Zusammensetzung nämlich tatsächlich perfekt gewesen.//

Es würde spannend werden, zu sehen, wie Remus mit dieser Klasse umgehen würde. Aber davor hatte er etwas wichtiges zu klären.
 

„Was soll das?“, fragte er so leise, dass nur Draco ihn hören konnte.

Der Junge warf ihm einen kurzen Seitenblick zu, ehe er wieder auf die leere Tafel starrte und sie studierte, als wäre sie das interessanteste Objekt der Welt. „Was soll was, Harvey?“

„Tu nicht so, als wüsstest du nicht, wovon ich rede“, entgegnete er ruhig. „Warum hast du darauf bestanden, neben mir zu sitzen?“

„Warum sollte ich nicht in einem Fach neben meinem geliebten Bruder sitzen wollen?“

„Weil du nie neben mir sitzen wolltest, wenn wir zusammen in einem Raum waren. Also, wessen Idee war es? Mutters, Vaters oder gar die des dunklen Lords?“

Draco lachte laut auf, was ihre Mitschüler dazu brachte, sich verblüfft zu ihn umzudrehen. „Ach, Bruderherz, das ist einfach zu komisch! Alles klar, ich wette dagegen! Die gewinnen niemals!“, rief er, um den Anderen eine Erklärung für seinen Gefühlsausdruck zu geben.

Harry lächelte ironisch. „Gut, mein Lieber. Aber vergiss nicht, dass dich das fünf Galleonen kosten wird, wenn ich gewinne.“

„Und du nicht, dass du mir das gleiche zahlen musst“, meinte er mit einem bösen Grinsen.
 

Ihren Mitschülern schien dies genug zu sein, zumindest drehten sie sich alle wieder weg, doch Harry meinte, Nevilles Blick auf seinem Rücken spüren zu können. Am besten ignorieren. „Und?“

„Nichts und“, meinte Draco immer noch amüsiert. „Harvey, traust du mir wirklich so wenig Verstand zu, dass du nicht auf die Idee kommst, dass ich selbst entschieden haben, neben dir zu sitzen?“ Sein Gesicht nahm einen ernsten Ausdruck an, während seine Augen Harrys fixierten. „Im Gegensatz zu jeder anderen Person in diesem Raum, kenne ich dich schon seit langer, langer Zeit und in mancherlei Hinsicht besser, als sogar Longbottom dort hinten. Deshalb weiß ich auch, dass dich Remus Lupins Anwesenheit in diesem Schloss mehr mitnimmt, als du es jemals zugeben wirst. Und genau deshalb bin ich genau hier.“

„Um dich darüber lustig zu machen?“, fragte er mit hochgezogenen Brauen.

„Nein. Um meine brüderliche Pflicht zu erfüllen und dafür zu sorgen, dass dich dieser Kerl in Ruhe lässt.“
 

Harry blinzelte.

Das... war eine interessante Entwicklung. Seit wann war Draco denn so sentimental?

Plötzlich wurde die Tür geöffnet und alle drehten sich in der Erwartung, es müsse Remus sein, um. Doch es war nicht Remus. Es war Ronald Weasley.

Augenblicklich wandten sich alle Anwesenden wieder ihren eigenen Angelegenheiten zu. Kurz schien der Gryffindor zu zögern, doch dann richtete er sich zu voller Größe auf und ging so elegant, wie es in seinen Second-Hand-Roben – die hinter ihm noch meterweit auf dem Boden schleiften – möglich war, auf den letzten freien Tisch genau neben Harry zu. Na wunderbar! Warum hatte sich Neville eigentlich nicht dort hingesetzt?
 

Es war nicht so, dass er auf die Armut des Jungens herabblickte. In der Regel war so etwas das letzte, was ihn störte und außerdem hatte er sich auch stets mit Fred und George blendend verstanden, obwohl sie aus derselben Familie kamen. Nein, das Problem war Ronald Weasley selbst. Früher, vor Hogwarts und bis zum Ende ihres zweiten Jahres, war er für Neville das gewesen, was Harry jetzt für ihn war: Sein bester Freund.

Mrs. Weasley hatte früh dafür gesorgt, dass ihr Sohn mit dem Auserwählten in Berührung kam und vielleicht wäre auch alles gut gegangen.
 

Doch dann kam ihr zweites Jahr.

Dann wurde die Kammer des Schreckens geöffnet.

Und Ginny... Ronalds kleine Schwester... in der Mitte der Kammer... so blass, so schrecklich blass. Und dort Neville, mit dem Blut, dem vielen Blut und dem Schwert...

Das Mädchen war gestorben und Harry hatte gelebt. Dies war etwas, das der jüngste Weasley niemals verzeihen würde. Noch heute konnte er diese Worte manchmal im Schlaf hören, wenn er die roten Augen verloren und einen Albtraum hatte.

„Dieser Malfoy, dieser Feind ist dir also wichtiger, als meine Schwester? Ein Mädchen, das du fast genauso lange gekannt hast, wie ich?“

Doch er hatte schon vor langer Zeit beschlossen, nicht mehr über dieses Erlebnis nachzudenken. Die Kammer des Schreckens war ein Kapitel in seinem Leben, das er abgeschlossen hatte und er würde es – wenn es nach ihm ginge – nie wieder aufschlagen.
 

Allerdings waren es nicht nur sämtliche Slytherins, Harry, Hermione und Neville, die Ronald lieber nicht zu Nahe kommen wollten. Im Grunde war es die ganze Schule. Dieser Junge hatte etwas eigenartiges, beinahe verlogenes an sich, was ihn bei allen unbeliebt gemacht hatte. Selbst die Hufflepuffs, die sonst jeden Außenseiter großzügig in ihre Mitte aufnahmen – und sei es nur für den Unterricht oder die große Pause – stießen ihn von sich.
 

Manchmal, in seinen großzügigen Stunden, hatte er Mitleid mit ihm. Aber nicht heute.

Heute war er einfach nur erbärmlich.
 

Draco teilte wie immer seine Meinung: „Sieh ihn dir an. Kommt rein geschlichen und hält sich für den Chef der Klasse. Warum muss er ausgerechnet mit uns in einem Kurs sein? Sie hätten ihn lieber zu Granger stecken sollen.“

„Nichts ist vollkommen“, sinnierte Harry gelangweilt. „Ignorieren, Draco. Einfach ignorieren.“

„Wo bleibt da der Spaß?“, fragte sein Bruder.

Bevor er jedoch genauer definieren konnte, was er mit Spaß meinte, wurde die Tür abermals geöffnet und diesmal kam Remus herein.
 

Sofort kehrte Stille ein, nur unterbrochen von Remus' gleichmäßigen Schritten, die ihn an den Lehrertisch und somit direkt vor Harry und Draco führen sollten. Sobald er dort angekommen war, stellte er seine Unterlagen ab und wandte sich der Klasse zu, die ihn gespannt beobachtete.

Ein leichtes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Hallo alle zusammen. Mein Name ist Remus Lupin und wie es aussieht, werde ich euch die nächsten zwei Jahre auf eure UTZ vorbereiten.“

Es folgten die üblichen Reden zum Jahresbeginn, denen Harry schon seit Jahren nur noch mit halben Ohr lauschte. Zwischendurch überprüfte ihr Lehrer die Anwesenheit und betrachtete dabei jeden Schüler eingehend, wobei Harry das Gefühl hatte, das sein Blick etwas zu lange auf ihm hängen blieb.
 

Schließlich begann der Unterricht und als er das Thema für die nächsten Stunde hörte, hätte er am liebsten laut gestöhnt.

„Wir werden mit unsäglichen Zaubern beginnen“, erklärte Remus, was zu einigen aufgeregten Gemurmel führte. „Wie ihr sehr bald feststellen werdet, werdet ihr sie dieses Jahr in jedem Fach brauchen.“

Warum? Warum musste das sein? Er hatte sich schon vor Jahren beigebracht, wie unsägliche Zauber funktionierten, weil ihm der normale Unterricht schlichtweg zu langweilig gewesen war. Die nächsten Stunden Verteidigung gegen die dunklen Künste würden für ihn überflüssig sein.

Nun, mit etwas Glück würde ihn zumindest die Okklumentikstunde heute Abend vor eine gewisse Herausforderung stellen.
 

„Nun denn“, sagte Remus plötzlich und zog damit seine Aufmerksamkeit auf sich. „Zu Anfang würde ich gerne zwei von euch nach vorne bitten. Wie wäre es mit...“, er tat so, als würde er nachdenklich nach jemand geeignetes suchen, obwohl sie beide wussten, dass er bereits vor der Stunde geplant hatte, ihn dran zunehmen. „..Mr. Harvey Malfoy? Und wen nehmen wir noch?“ Langsam ließ er seinen Blick über die Klasse gleiten, eher er auf Ronald hängen blieb, der gelangweilt auf einem Stück Pergament kritzelte und wahrscheinlich auf alles achtete nur nicht auf den Unterricht. Oh nein, Remus. Ganz, ganz schlecht.

„Mr. Weasley?“, fragte er freundlich.

Verdammt.

Der Rothaarige blickte erschrocken auf. „J...ja?“
 

„Wunderbar!“, rief Remus und rieb sich fröhlich die Hände. „Dann kommen Sie bitte beide vor!“

Verdutzt stand Ronald auf und ging nach vorne, erstarrte allerdings, sobald er erkannte, dass auch Harry aufstand.

„W... was soll das werden?“, verlangte er zu wissen.

„Oh, das werden Sie gleich sehen. Stellen Sie sich bitte voreinander auf, nein, nicht so!“, er griff nach Harrys Arm und zog ihn an das eine Ende des Raumes, während er Ronald andeutete, weiter nach hinten zurückzuweichen. „Du beherrscht die Unsäglichen?“, hauchte er Harry ins Ohr, während die Klasse lachte, da der Rothaarige gestolpert war.

Der Schüler nickte knapp. „Was hat dich nur auf die Idee gebracht, ihn nach vorne zu holen?“

Aber Remus dachte nicht einmal daran, ihm zu antworten. „Ich muss mit dir reden, Harry. Heute nach deiner letzten Stunde in meinem Büro?“

Er zögerte. Wollte er das? Wollte er mit Remus sprechen? Andererseits, war es besser das ganze jetzt schon hinter sich zu bringen, anstatt es ewig vor sich herzuschieben. „Okay.“
 

Erleichterung breitete sich auf seinem Gesicht aus und Remus wandte sich wieder der Klasse zu. „Gut, dann machen wir weiter. Unsägliche Zauber...“
 

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„Was hat er von dir gewollt?“, fragte Draco, sobald Verteidigung gegen die dunklen Künste vorbei war und sie sich alle auf dem Weg in die Große Halle machten, um zu Mittag zu essen. Remus stellte sich als Lehrer gar nicht mal so schlecht an. Sie hatten in der Doppelstunde mehr gelernt, als in gesamten letzten halben Jahr und er verstand es, mit Jugendlichen in ihrem Alter umzugehen. Wahrscheinlich würde er in einer Woche bereits der beliebteste Lehrer in ganz Hogwarts sein.
 

„Was hat wer von mir gewollt?“, fragte Harry mit einem leicht genervten Unterton, der seinem Bruder sagen sollte, dass er ihnen allen einen Gefallen tun würde, wenn er ans andere Ende der Schule verschwände. „Warum rennst du mir eigentlich hinterher? Haben dich deine Freunde sitzen gelassen?“

„Ich mache mir Sorgen um dich!“, verteidigte sich der Blondhaarige. „Verstehst du das nicht?“

„Entschuldige bitte, Draco“, sagte Harry freundlich und blieb stehen. Die Schüler, die vor und hinter ihnen gelaufen waren, taten es ihm gleich, da sie eine der berühmten Auseinandersetzungen der Malfoybrüder witterten. Auch wenn er es sonst vermied, dass wegen ihm Ravenclaw Punkte abgezogen wurden, hatte er bei diesen Gelegenheiten oft alles zu Nichte gemacht, was er innerhalb von mehreren Wochen erarbeitet hatte.
 

„Ich muss nur leider sagen...“, fuhr er fort, während er aus den Augenwinkeln sah, wie Neville sich an die Spitze der Menge durchkämpfte und vorsorglich nach seinem Zauberstab griff, um bei Bedarf eingreifen zu können. Sein Heldenkomplex würde ihn irgendwann umbringen. „...dass es mir schwer fällt zu glauben, dass ausgerechnet du dir um mich Sorgen machen solltest. Besonders wenn man bedenkt, dass du in den letzten Jahren oft genug dafür Applaus ernten wolltest, mir welche zu bereiten.“

„Damals war ich ein Idiot. Ich habe geschmollt und das weißt du genauso gut wie ich.“

Natürlich tat er das, aber es aus Dracos Mund zu hören, war ein kleiner, aber feiner Unterschied.

„Was erwartest du? Dass ich dir jetzt in die Arme falle und mich darüber freue?“, fragte er sarkastisch. „Dass wir uns hier, mitten auf den Gang, unsere brüderliche Liebe zusichern und alles gut wird?“

„Nein“, entgegnete Draco ernst. „Ich möchte nur, dass wir endlich aufhören, uns wie Kinder zu benehmen. Wir sind eine Familie, ob es uns passt oder nicht und als solche müssen wir zusammenhalten. Besonders in diesen Zeiten.“

In Zeiten, in denen ein Krieg unter der Oberfläche brodelte. In Zeiten, in denen alles auseinanderbrechen würde. In Zeiten... wie diesen. Wenn man nun allein war, würde man sterben. Aber wenn man sich für die falsche Seite entschied, würde es nicht anders enden.
 

//Was ist die richtige Seite?//

Am Ende war es immer der Gewinner. Ein Seher müsste man sein! Oder zumindest einen kennen. Das würde einem jede menge Fragen und Unklarheiten ersparen.

„Draco“, flüsterte Harry. „Ich...“

„Was ist hier los?“

Alle zuckten gleichzeitig zusammen und ihre Zuschauer machten sich eilig daran, von hier wegzukommen. Harry konnte es ihnen nicht verdenken. So beliebt Dumbledore auch war, niemand wollte auf seine schwarze Liste geraten. Warum musste der Mann eigentlich immer dann auftauchen, wenn man ihn an wenigsten brauchte?
 

„Gibt es hier irgendwo ein Problem?“, fragte der Schulleiter von Hogwarts, sobald er die übrig gebliebenen – Draco, sein Freund Blaise Zabini, Neville und er selbst – erreicht hatte. „Mr. Malfoy und Mr. Malfoy!“, sagte er überrascht, während seine blauen Augen funkelten. Harry fiel auf, dass er heute einen dazu passenden, mitternachtsblauen Umhang mit einem kitschigen Sternchenmuster trug. Wie war das noch einmal ihr Schulleiter geworden? Ach ja, er war mächtig. Vielleicht mussten Mächtige und Genies einfach wahnsinnig sein, aber... würde das nicht bedeuten, er und Felice wären auch...?

„Bitte sagen Sie mir nicht, dass es bereits am zweiten Schultag Streit zwischen Ihnen gab!“
 

//Gut, wir sagen es Ihnen nicht//, dachte Harry ironisch.

„Keine Sorge, Professor. Wir sind viel eher dabei, uns zu versöhnen!“, rief Draco grinsend und schlang als Beweis einen Arm um Harrys Schulter.

„Das... ist gut zu hören“, entgegnete Dumbledore, doch sein Blick blieb misstrauisch. Er glaubte ihnen nicht und wenn doch, dann war er jedenfalls nicht sonderlich begeistert davon. Was wohl in diesem Mann vor sich ging? „Dann werden wir dieses Mal wohl ein etwas friedlicheres Schuljahr haben, als bisher.“ Er drehte sich zu Neville um, der das alles immer noch schweigend beobachtete. „Neville, würdest du bitte auf ein Wort in mein Büro kommen?“

Der Junge blinzelte, eher er nickte. „Selbstverständlich, Professor.“
 

Draco, Blaise und Harry sahen ihnen schweigend hinterher, bis sein Bruder schließlich seinen Kommentar herausließ: „Seht ihn euch an. Wie ein treuer Hund hinter seinem Herrchen. Einfach jämmerlich.“

„Nun“, entgegnete Harry und schüttelte seinen Arm ab, „dann weißt du ja, wie du aussiehst, wenn du dem dunklen Lord hinterher dackelst.“

„Sehr witzig“, meinte der Junge verstimmt, während sie sich zu dritt auf den Weg in die Große Halle machten. „Du solltest so weitermachen, Harry. Vielleicht wird so dein Traum, ein erfolgreicher Komiker zu werden, sich doch noch erfüllen.“

„Wie war das noch mal mit dem wir sollten uns wie Erwachsene benehmen?“, fragte Harry neckend. „Felice hat Recht, du bist ein Kind.“

„Hey! Zitiere nicht dieses französische Nervenbündel in meiner Gegenwart! Es ist schon schlimm genug, wenn sie selbst solche Sachen von sich gibt.“
 

„Sie hat ihn wirklich als Kind bezeichnet?“, fragte Blaise plötzlich, Dracos bösen Blick ignorierend.

„Jap.“

„Cool! Ich glaube, das nächste Mal muss ich sie auch mal kennenlernen.“

„Tu das“, meinte Harry. „Sie freut sich immer, neue Bekanntschaften zu machen.“

In diesem Moment erreichten sie die Große Halle und es war Zeit, sich zu trennen.
 

Langsam lief er alleine auf den Ravenclawtisch zu und ließ sich schließlich neben Cho nieder, die ihm heftig zugewunken hatte, kaum hatte er die große Halle betreten.

„Hast du schon das neueste gehört?“

„Was ist das neueste?“, fragte Harry desinteressiert, während er sich ein paar Nudeln auf den Teller nahm.

„Padma und Dean sind zusammen! Ich hätte nie gedacht, dass die Beiden etwas füreinander übrig hätten!“

„Nicht? Ich dachte eigentlich, es wäre ziemlich offensichtlich“, entgegnete er und träufelte etwas Käse über die Nudeln.

Dies bremste ihre Begeisterung. „Offensichtlich?“

„Ja. Sie haben sich schon seit Ende letzten Jahres förmlich mit Blicken ausgezogen. War ziemlich auffällig. Es ist gut, dass sie endlich zusammen sind, wenn du mich fragst.“
 

Er musste etwas falsches gesagt haben, zumindest wechselte sie bis zum Ende des Mittagsessens kein Wort mehr mit ihm und sprang auf, sobald sie ihre eigene Mahlzeit beendet hatte. Verstehe einer die Frauen.

Neville erschien nicht mehr in der Großen Halle und als er einen Blick zum Gryffindortisch hinüber warf, konnte er eine verärgerte Hermione erkennen. Wahrscheinlich hatten sie sich am Morgen dazu verabredet, zusammen zu essen. Tja, Pech gehabt, Liebes. Der Schulleiter war schneller.

Was der alte Mann wohl mit Neville zu besprechen hatte?

Planten die Beiden den Untergang der Welt?

Oder nur den Sturz des dunklen Lords?

Redeten sie über ihn? Planten sie, ihn auf ihre Seite zu ziehen?

//Aber warum? Warum will Dumbledore mich unbedingt auf seiner Seite haben? Könnte es ihm nicht eigentlich egal sein?//

Vielleicht würde Remus ihm eine Antwort geben können.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Es war ein seltsames Gefühl, wieder in Hogwarts zu sein. Sieben Jahre lang war er hier zur Schule gegangen. Nun, etwa zwanzig Jahren später, war er wieder da, doch nicht um zu lernen, sondern um zu lehren. Albus hatte ihm die Chance gegeben, hier zu arbeiten. Sein Leben bekam einen Sinn, es gab einen Grund, warum er jeden Morgen aufstand, denn er musste die nächste Generation auf die Zukunft vorbereiten und gerade da würde Verteidigung gegen die dunklen Künste unentbehrlich sein. Ein Krieg kündigte sich an. Ein großer Krieg, wie es ihn seit Grindelwald nicht mehr gegeben hatte. Und sie alle würden mittendrin sein.
 

Remus fuhr sich durch sein langsam gräulich werdendes Haar und starrte in die Flammen seines Kamins. Wenn man es recht bedachte, hatte der Krieg niemals aufgehört. Er war nur einfach nicht so offensichtlich, so transparent gewesen, wie in diesen Tagen. Bedauerlich, dass Harry ihn vollkommen miterleben würde. Doch noch bedauerlicher, wenn nicht gar furchtbar war, dass weder Dumbledore noch Voldemort gewillt schienen, den Jungen vor diesen Schrecken zu beschützen. Im Gegenteil, sie schienen ihn beide für sich gewinnen zu wollen, um ihn für ihre Sache kämpfen zu lassen.

Um ehrlich zu sein, er konnte das nicht verstehen. Harry war intelligent, gewiss. Aber das bedeutete nicht, dass man alle Hebel in Bewegung setzte, um ihn auf seine Seite zu bringen. Irgendetwas ging da vor sich, doch er hatte keine Ahnung, was.
 

Trotzdem, wenn die beiden Männer um Harry kämpften, war es ihm persönlich lieber, der Junge würde sich für Albus entscheiden. Zwar hatte Fenrir gesagt, dass er einen guten Einfluss auf Voldemort hatte, jedoch war es genau das, was ihn beunruhigte. Es könnte gut möglich sein, dass die Ziele dieses Mannes anders aussahen, als es auf dem ersten Blick den Anschein hatte und er wollte nicht, dass Harry von jemanden wie ihm missbraucht wurde. Besonders nun, wo Lily und James angeblich wieder am Leben seien sollten. Sein Patenkind würde mehr als genug um die Ohren haben, sobald es an der Zeit war, das zu erfahren und da brauchte er nicht auch noch einen besitzergreifenden, dunklen Lord, der gierig seine Arme nach ihm...
 

Es klopfte an der Tür.

„Herein“, sagte er und wusste auch, ohne sich umzudrehen, dass es Harry war. Direkt nach Schulschluss, ohne davor in seinen Gemeinschaftsraum zu gehen. Ein vorbildlicher Schüler, Lily so ähnlich, aber so vollkommen anders als James. Allerdings war es nicht höflich, jemanden immerzu mit seinen Eltern zu vergleichen. Niemand würde dafür dankbar sein, am allerwenigsten er selbst. Wenn es nach ihm ginge, würden diese egoistischen, rassistischen, intoleranten...

„Sie wollten mit mir sprechen, Professor?“
 

Langsam drehte er sich um und betrachtete den Jungen. Remus' Mutter hätte ihn als „herzallerliebst“ bezeichnet. „Wie ein Engel, der seine Flügel verloren hat. Ein wunderhübscher Anblick, aber so schrecklich, dass es dir das Herz zerbricht.“ Das hatte sie zu jedem Jungen gesagt, den man mit Harry vergleichen konnte und um ehrlich zu sein, er musste ihr Recht geben.

Sein Haar war schwarz und zwar nicht das typische dunkelbraunschwarz, sondern richtig schwarz, so als würde man mitten in der Nacht alle Sterne vom Himmel verschwinden lassen und nur noch Finsternis übrig lassen. Wie bei seinem Vater war es zerstrubbelt und kaum zu bändigen, allerdings trug Harry es um einiges ordentlicher, als der ehemalige Sucher der Gryffindormannschaft.

Im krassen Gegensatz dazu stand seine blasse Haut, die von den vielen Stunden herrühren musste, die der Junge hinter Büchern verbrachte, anstatt nach draußen in die Sonne zu gehen und das zu tun, was Jugendliche in der Regel taten. Darüber hinaus war er ungewöhnlich klein für sein Alter und hatte ohnehin etwas zerbrechliches an sich, was automatisch den Beschützerinstinkt in jedem Menschen weckte.
 

Aber das waren alles unwichtige Details seines Äußeren, die nicht im Geringsten mit dem mithalten konnten, was jede Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde: seine Augen.

James' Augen waren hinter großen Brillengläsern versteckt gewesen, doch Harrys waren frei davon und für alle Welt zugänglich. Sie leuchteten in einem Grün, das Lilys Augen glich, es war jedoch etwas dunkler und verlieh ihnen damit eine gewisse Tiefe, die seiner Mutter gefehlt hatte. Wenn man in sie blickte, hatte man für einen Moment das Gefühl, dass nichts im Leben schief gehen konnte. Sie konnten den Verzweifelten Hoffnung geben, die Hungernden nähren, die Sterbenden zum Leben erwecken, davon war Remus überzeugt. Harry gehörte zu den Menschen, denen großartiges vorherbestimmt war und denen man sich nur mit viel Mühe entziehen konnte, hatte man sie einmal gefunden. Die Frage war nur, wie er diesen Umstand nutzen und wohin er ihn führen würde.
 

„Harry“, flüsterte er und er verzog seine Lippen zu einem Lächeln. „Wie schön, dass du kommen konntest. Setz dich doch bitte. Möchtest du eine Tasse Tee?“, fragte er, sobald Harry sich auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch niedergelassen hatte. „Oder Kürbissaft? Oder Kaffee? Sag nur, was du willst und du bekommst es.“

„Oh gut... dann Feuerwhiskey“, meinte der Junge mit einem strahlenden Lächeln, was er mit einem bösen Blick quittierte.

„Harry... ich bin immer noch dein Lehrer und du bist minderjährig! Also bitte wähle etwas, was dir erlaubt ist, zu trinken.“

„Na schön“, gab der Junge seufzend nach. „Ich mag ohnehin keinen Feuerwhiskey, brennt zu sehr in der Kehle, wenn du mich fragst. Elfenwein ist da um einiges besser, aber den beschlagnahmt meistens Draco, weshalb ich ihn normalerweise nicht zu sehen kriege.“
 

„Narcissa erlaubt euch, Alkohol zu trinken?“, fragte Remus verblüfft.

Zu seiner Erleichterung schnaubte Harry. „Sie erlaubt uns wie gesagt dann und wann eine Flasche Elfenwein für mehrere Feiertage hintereinander oder das ein oder andere Glas, aber wenn sie wüsste, dass ich weiß wie Feuerwhiskey schmeckt, würde sie einen Tobsuchtanfall bekommen. Sie ist eine gute Mutter, Remus, auch wenn das niemand wahrhaben will. Sie hat auf uns aufgepasst und immer dafür gesorgt, dass es uns gut geht. Also bitte hör auf, einen Fehler bei ihr finden zu wollen.“

Der Werwolf nickte nachdenklich. „Also... was möchtest du trinken?“

„Kürbissaft bitte. Was willst du, Remus? Warum musst du so unbedingt mit mir sprechen?“

„Ist es falsch von mir, die Beziehung zu meinem Patenkind auffrischen zu wollen?“, stellte Remus die Gegenfrage, während er ihm sein Getränk reichte.

„Natürlich nicht“, entgegnete Harry ernsthaft. „Aber ich glaube nicht, dass du mich deshalb hierher bestellt hast. Also?“
 

Remus lächelte unwillkürlich. Er musste zugeben, dass er sich viel besser fühlte, seitdem Harry den Raum betreten hatte. Bereits seit seiner Geburt hatte der Junge diese Wirkung auf andere Menschen gehabt. Woher das wohl kam? Jedenfalls tat es gut, mit ihm sprechen zu können, obwohl er fürchtete, dass es bald äußerst kompliziert werden würde.

„Ich... möchte mit dir reden. Als dein Pate.“
 

Harry blinzelte, sagte aber nichts. Deshalb fuhr er fort: „Ich... bin vor kurzem Fenrir Greyback begegnet.“ Dies schien ihn zu überraschen, aber er schwieg immer noch. „Er ist ein Todesser, wie du sicher weißt und er hat mir von Voldemort erzählt. Besonders in Verbindung mit dir.“

„Und was genau hat er dir erzählt?“, fragte er sanft.

Zögernd studierte er das Mienenspiel des Schülers, das nicht im geringsten verriet, was er von der ganzen Sache hielt, ehe er fortfuhr: „Er meinte, Voldemort würde dich sehr schätzen, vielleicht sogar ein bisschen zu sehr, als dass es noch gesund sein kann. Er meinte, ich sollte dich in Ruhe lassen, weil er bereits Anspruch auf dich erhoben haben soll und dich nicht wieder hergeben wird. Offenbar hast du eine beruhigende Wirkung auf ihn... Harry, was ist das für eine Beziehung, die du zu ihm hast?“
 

Er schwieg solange, dass Remus bereits befürchtete, keine Antwort zu bekommen. Doch schließlich sagte er: „Ich weiß es nicht. Niemand weiß es. Nicht einmal er selbst.“

„Was bedeutet das?“

„Es ist genauso, wie ich es dir sage. Wir wissen nicht, was es ist, nur dass da etwas ist. Warum willst du es wissen? Hat Dumbledore dich dazu angestiftet?“ Er stellte diese Frage beiläufig, so als würde es ihn nicht interessieren. Remus konnte er allerdings nicht damit täuschen. Der Werwolf wusste nur allzu gut, dass es seinem Gegenüber alles andere als egal war und das machte ihm Hoffnung. Vielleicht war es ja doch noch nicht zu spät, ihre Beziehung zu retten. Vielleicht, wenn er sich Mühe gab und Harry zeigte, dass er ihm vertrauen konnte, würde er ihn wieder bekommen. Dann würde er wieder Onkel Remus sein und nicht nur ein Fremder.
 

„Er wollte, dass ich ein Auge auf dich habe und möchte, dass ich dich für den Orden gewinne, das ist wahr“, gab Remus zu. „Aber nicht einmal er hat das Recht darauf, sich in dein Privatleben einzumischen.“ Langsam ging er um seinen Schreibtisch herum und hockte sich vor ihm hin. Kurz zögernd streckte er seine Hände aus und legte sie auf Harrys, die bisher ruhig auf dessen Knien gelegen hatten. Danach hob er seinen Blick und sah entschlossen in Harrys Augen. „Ich weiß, dass ich die letzten elf Jahre nicht ungeschehen machen kann. Ich weiß, dass es nie wieder so sein kann wie früher und ich kein Recht darauf habe, auf dich irgendeinen Anspruch zu erheben oder von dir zu erwarten, dass du mir vertraust. Aber ich bitte dich, gib mir eine Chance. Ich möchte nur, dass du in Frieden leben kannst.“
 

„Und du glaubst, das kann ich, wenn ich auf Dumbledores Seite komme?“, fragte Harry zweifelnd.

„Seine Seite ist der Ort, wo du hingehörst“, erklärte Remus ruhig. „Du bist Lily und James' Sohn, egal, wer dich großgezogen hat. Dort ist deine Heimat. Bei uns ist deine Heimat.“

„Du glaubst also, bei ihnen Zuhause zu sein?“, wollte er wissen. „Ich wette Fenrir hätte da einiges entgegenzusetzen.“

Das war ein Schlag direkt in sein Herz und Harry wusste es, er konnte es in seinen Augen sehen. Fenrir war ein Thema über das er in der Regel vermied zu sprechen. Er wollte nicht einmal über ihn nachdenken. Der ältere Werwolf machte alles immer komplizierter, ließ ihn alles in Frage stellen, was ihm zuvor als offensichtlich erschienen war. Manchmal glaubte er sogar, dass er Recht hatte. Aber nicht jetzt. Ganz sicher nicht jetzt.
 

„Fenrir hat hier nichts zu suchen, Harry“, sagte er mit beherrschter Stimme, aber den Jungen konnte er damit nicht täuschen.

„Hat er sehr wohl! Du bist ein Werwolf, Remus und zwar nicht ohne Grund! Fenrir hat mir erzählt, warum er dich damals biss. Er hat dich damit...“

Remus erhob sich mit einer fließenden Bewegung und funkelte von oben herab an. „Sprich weiter und ich vergesse, dass du mein Patenkind bist. Du kannst mir alles vorwerfen, mich so viel beschimpfen wie du willst, du kannst sogar jedes mögliche Argument aufbringen, um mich zu überzeugen, dass ich falsch liege, aber das wirst du nicht gegen mich verwenden, Harry. Niemals. Hast du verstanden?“
 

„Ja, Remus“, sagte Harry mit dem Hauch eines Lächelns, das ihm unwillkürlich kalte Schauer über den Rücken jagte. Er durfte nicht vergessen, dass das nicht mehr der kleine Junge war, der darum gebettelt hatte, von ihm durch die Luft geworfen zu werden. Das war ein Jugendlicher, der kurz vor dem Erwachsenwerden stand und im Hause Malfoy aufgewachsen war. Er war ein halber Slytherin, dazu ausgebildet zu manipulieren und Manipulation zu erkennen. Er war ein Idiot gewesen, das zu ignorieren.

„Ich habe verstanden“, fuhr der Junge fort. „Ich habe sehr gut verstanden.“

Davon war Remus überzeugt und er befürchtete, dass er mehr verraten hatte, als ursprünglich beabsichtigt.
 

„Ist das alles, was du von mir wolltest?“, fragte Harry. „Ich würde gerne zum Abendessen.“

Tief durchatmend trat Remus einen Schritt zurück und lehnte sich an seinen Schreibtisch. „Nur noch eines“, sagte er und stützte sich mit seinen Armen auf der Tischplatte ab. „Fenrir hat mir noch etwas erzählt, was ich selbst zwar nicht bestätigen kann, da ich nichts davon erfahren habe, aber dennoch finde ich, dass du es wissen solltest.“

„Wenn es um meine Eltern geht“, sagte Harry zu seiner großen Überraschung, „bitte ich dich, nichts zu sagen.“

Verdutzt blinzelte Remus. „Was? Aber...“

„Wenn man etwas nicht wissen soll, gibt es dafür immer einen Grund“, sagte Harry und stand auf. „Du möchtest nicht, dass ich mit dir über Fenrir rede. Also rede du nicht mit mir über meine Eltern.“

Er blinzelte, eher er nickte. „Gut. Wenn es dein Wunsch ist, werde ich sie nicht mehr erwähnen. Dann geh jetzt besser in die Große Halle, du bist sicher hungrig.“
 

Während der Junge sein Büro verließ, fragte er sich, warum Harry, der ihm immer sehr neugierig vorgekommen war, nicht wissen wollte, was er ihm beinahe erzählt hätte. Könnte es vielleicht sein...? Aber nein. Das war unmöglich. Harry wollte einfach nur nicht über seine Eltern reden. Das war alles. Kein Grund, sich weiter darüber Gedanken zu machen.

Oder?

Memories

Zu jener Zeit hatte ich viele Fragen.
 

Was wollte der dunkle Lord von mir?

Was an mir zog ihn an?

Warum wollte er Neville töten?

(Warum hatte er mich töten wollen?)

Waren meine Eltern tatsächlich noch am Leben?

Wo war Sirius?

Was bedrückte Remus?

Weshalb meldete sich Felice nicht mehr bei mir?

Und wer war ich?
 

Im Grunde waren es albernde Fragen, denn die Antworten waren alle in meinem Kopf. Ich wollte sie einfach nicht wissen. Aber im Verdrängen sind wir Menschen nun einmal Experten. (...) Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn ich damals nicht vor der Wahrheit davongerannt wäre, doch ich war ein Kind und die Vergangenheit ist vergangen.
 

Manche Dinge kann nicht einmal ein Zeitumkehrer ändern.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Er stand. Mitten im Kerker. Mit ausgestreckten Zauberstab. Doch seine Beine zitterten und er fürchtete, jeden Augenblick fallen zu können. Aber er musste stehen bleiben. Er musste weitermachen. Die letzten zwei Monate durften nicht umsonst gewesen sein.

„Sehr gut“, sagte Severus' leise Stimme. „Du hast es fast geschafft.“

„Aber eben nur fast“, krächzte Harry. In diesem Zustand war er nie fähig, normal zu sprechen, eine typische Nebenwirkung, wie sein Lehrer ihm erklärt hatte. Glücklicherweise trat sie nur am Anfang auf. Sobald er die Kunst der Okklumentik perfektioniert hatte – und das würde er, dafür würde Severus schon sorgen – müsste er nicht mehr darunter leiden.

Bedauerlicherweise war er noch nicht soweit.
 

„Geht es dir gut? Wir können für heute auch...“

„Nein“, unterbrach ihn Harry. „Machen wir weiter.“

„Nun gut, ganz wie du meinst“, sagte der Ältere seufzend und schwang seinen Zauberstab. Sofort spürte er, wie der Geist des Mannes in seinen eigenen eindrang und versuchte, an seine Erinnerungen zu gelangen, die er in den hintersten Teil seines Verstandes gepackt hatte. Es hatte fast den ganzen September gebraucht, bis er dazu in der Lage gewesen war.
 

„Unser Verstand“, hatte Severus gesagt, „ist kein Haus mit tausend Türen, hinter denen unsere Erinnerungen verborgen sind, auch wenn es viele gern behaupten. Er ist vielmehr ein großer Raum, eine Halle könnte man sagen, die keinen optischen Anfang noch ein Ende hat. Und darin ist alles, was uns ausmacht, unsere Gefühle, unsere Erinnerungen, unser Wissen, und es ist alles bunt durcheinander gewürfelt. Die Aufgabe der Okklumentiker und Legilimentiker besteht nun darin, diese Unordnung zu beseitigen und eine gewisse Struktur hineinzubringen, da es sonst unmöglich ist, den eigenen Geist zu schützen, geschweige denn, den eines anderen nach gewünschten Informationen zu durchsuchen. Deshalb ist es für die nächsten Wochen deine Aufgabe, deinen Geist und deinen Verstand zu betreten und ihn in Ordnung zu bringen. Du musst lernen, die einzelnen Bestandteile voneinander zu trennen und sie hinter Türen zu verschließen, sodass sie niemand erreichen kann. Mit anderen Worten, du musst das Haus erst aufbauen, das laut Unwissenden bereits in deinem Kopf sein müsste.“
 

Also hatte er versucht, das Haus zu bauen.

„Es ist unmöglich, zu beschreiben, wie der Verstand oder die Seele aussieht, aber das hast du sicher bereits selbst bemerkt“, hatte Severus erklärt, als er Harry bei dieser Aufgabe geholfen hatte. „Er ist äußerst individuell und geprägt von allem, was uns ausmacht, den Genen, der Magie, unseren Erinnerungen oder Wertvorstellungen oder auch unserer Erziehung oder den Beziehungen zu anderen Menschen. Deshalb wirst du niemals zwei vollkommen identische Geister antreffen, ähnliche schon, aber niemals identische.“

Harrys Geist/Verstand/Seele/was auch immer – bei der Definition kam auch Severus des Öfteren durcheinander – war in ein strahlendes Licht getaucht. „Was äußerst selten ist.“
 

Inmitten dieses Lichts hatten anfangs unendlich viele Erinnerungen geschwommen. Diese konnte er am ehesten mit Bildern vergleichen, die in den verschiedensten Formen durch die Luft schwebten. Manche waren flach, wie normale Fotografien, aber andere wiederum ähnelten geometrischen Figuren und wieder andere schienen nichts, als kleine, bunte Fäden zu sein. Inmitten dieser Erinnerungen gab es optisch gesehen freie Stellen, doch wenn man ihnen nahe kam, bemerkte man sehr schnell, dass auch dort etwas war.

„Gefühle, Bedürfnisse, Träume“, hatte Severus gesagt, als er ihn danach gefragt hatte. „Alles, was man nicht sehen kann. Du wirst bald bemerken, dass sie mit deinen Erinnerungen untrennbar verknüpft sind, da die meisten Gefühle, Wünsche oder Bedürfnisse mit etwas entstehen, was wir erlebt haben. Darüber hinaus wirst du hier noch viele andere Dinge finden, die nicht einmal ich dir nennen kann. Der Geist ist eines unserer größten Geheimnisse, Harry. Niemand kann sagen, wie genau er funktioniert oder warum er uns rät, das zu tun und dies zu unterlassen. Das, was wir mit Hilfe von Legilimentik und Okklumentik oder Empathen mit ihren natürlichen Fähigkeiten erfassen können, ist nur ein kleiner Teil dessen, was in uns existiert. Aber genug dazu, wir müssen hier etwas Ordnung schaffen.“
 

Und das taten sie, auch wenn es anfangs nicht gelingen wollte. Erinnerungen, die jahrelang in Freiheit gelebt hatten, waren nicht sonderlich erfreut, wenn sie von ihrem Besitzer auf einmal hinter Türen verschlossen wurden und machten es ihm dementsprechend schwer. Doch nach etwa einem Monat hatte er es endlich geschafft, weshalb Severus ihm nun beibrachte, sich gegen offene Angriffe auf seinen Geist zu verteidigen. Allerdings war das alles andere als einfach.
 

Der Mann wusste genau, wie er am Besten einen Geist überfallen konnte. Innerhalb weniger Sekunden war er dazu in der Lage, Harrys schwache Abwehr zu durchbrechen und die Tür zu seinen frühesten Kindheitserinnerungen aufzustoßen. Augenblicklich kam ihm der Geruch von heißen Plätzchen entgegen. Ihre alte Küche. Die Mistelzweige in jeder Ecke. Vor dem Fenster weißer Schnee. Und ihre Stimme. Lily Potters Stimme aus lang vergangenen Tagen.

„Bist du dir wirklich sicher, Albus? Bei Merlin, bist du dir wirklich sicher? Aber das kann nicht wahr sein. Nicht mein Harry! Nicht mein Sohn! Er kann unmöglich...“

Mit einem einzigen Ruck stieß Harry Severus aus seinem Geist und aktivierte damit automatisch Felices Schutz, den er sonst immer zu diesen Gelegenheiten ablegte. Im nächsten Augenblick fand er sich in der Gegenwart wieder. Diesmal hatten seine Beine nachgegeben und er lag mit dem Rücken am Boden. Sein Atem ging schnell, so als wäre er gerade einen Marathon gelaufen und wer weiß, vielleicht war er das tatsächlich.
 

Diese Erinnerung war etwas, was er hatte vergessen wollen, was er erfolgreich vergessen hatte! Niemand würde sie wieder zum Vorschein bringen, weder Severus, noch Felice, noch der dunkle Lord noch sonst irgendwer. Das war niemals geschehen. Es durfte niemals geschehen sein.

Und doch konnte er deutlich ihr hysterisches Geschrei hören, als sie Albus aus ihrem Haus geworfen hatte. Konnte ihre Tränen sehen, als sie sich zu ihm umwandte. Aber am deutlichsten nahm er nach wie vor die Plätzchen war, die unschuldig auf dem Boden lagen und es nicht verdient hatten, niedergetrampelt zu werden. Wenn er es sich recht überlegte, hatte es damals angefangen. Alles hatte damals angefangen, doch er wollte nicht daran denken. Nicht jetzt. Niemals wieder.

„Harry“, sagte Severus' besorgte Stimme. „Kannst du aufstehen?“

Einen kurzen Augenblick lang fragte er sich das selbst. Doch dann schaffte er es irgendwie, auf die Beine zu kommen und stand nun leicht schwankend vor ihm. „Ich glaube, wir sollten jetzt wirklich aufhören“, flüsterte er, jedoch ohne dem Zaubertrankmeister in die Augen zu sehen.
 

Severus nickte. „Selbstverständlich, der Meinung bin ich bereits seit einer guten halben Stunde. Du bist zu ehrgeizig für deine eigene Gesundheit, Harry. Und dabei dachte ich immer, Draco wäre verrückt.“

„Wir kommen aus dem gleichen Elternhaus“, erwiderte er lächelnd. „Da ist es nur logisch, dass wir auf dieselbe Art und Weise wahnsinnig sind.“

„Da wirst du wohl Recht haben“, sinnierte Severus und betrachtete ihn nachdenklich. „Was war das für eine Erinnerung?“

„Keine, über die ich momentan sprechen möchte“, sagte Harry und setzte sich auf den nächsten Stuhl. „Kann ich bitte etwas trinken?“

„Natürlich.“
 

Er reichte ihm ein Glas Wasser, das er mit einem Zug leerte. Danach saßen sie sich schweigend gegenüber, bis sein Lehrer etwas gefunden hatte, was er noch loswerden wollte: „Du gehst morgen gemeinsam mit Draco nach Hause?“

„Ja. Narcissa möchte unbedingt, dass die ganze Familie zu ihrem Halloweenball anwesend ist.“

Der Lehrer schnaubte. „Eine alberne Tradition.“

„Aber eine Tradition nichtsdestotrotz. Außerdem ist das besser, als diese Weihnachtsbälle, die bei der weißmagischen Bevölkerung eine so große Beliebtheit gefunden haben. Und kommen nicht jedes Jahr alle zu Halloween nach Malfoy-Manor? Selbst du tauchst immer auf.“

„Ja und zwar aus dem einzigen Grund, dass Lucius mir die Hölle heiß machen würde, wenn ich nicht erscheinen täte. Bleibt ihr die ganze Woche dort?“

„Ich denke schon. Wenn Dumbledore uns Schülern schon einmal eine Woche Halloweenferien zugesteht, wollen wir sie auch nutzen. Und es ist gut, dass wir alle mit Flohpulver reisen können und nicht stundenlang mit dem Hogwartsexpress fahren müssen. Aber sag, seit wann interessierst du dich so sehr für mein Leben, liebster Patenonkel? Oder hat dich jemand darauf angesetzt?“

„Du bist wie immer zu schlau, als dir guttut, Harvey“, entgegnete Severus seufzend. „Du hast natürlich Recht, ich wurde auf dich angesetzt.“

„Von wem?“, fragte er, obwohl er es sich bereits denken konnte.
 

„Von dem dunklen Lord natürlich“, bestätigte der Andere auch bereits seine Vermutung. „Ihm liegt wirklich sehr viel an dir. So besorgt wie um dich hat ihn noch keiner von uns erlebt.“

„Er ist besorgt?“, wiederholte Harry zweifelnd. „Warum das denn?“

„Dumbledore“, sagte Severus, als wäre es Antwort genug und im Grunde war es das tatsächlich. Der alte Mann beobachtete ihn immer noch und hatte nun offenbar auch Neville und Hermione auf ihn angesetzt. Zumindest war das seine einzige Erklärung dafür, dass sie seit neuestem versuchten, ihn für ihre Überzeugungen zu gewinnen. Er nahm es ihnen ehrlich gesagt auch nicht übel. Sie taten nur, was sie für richtig hielten. Das war etwas, wofür er niemanden verurteilen würde. Trotzdem konnte er nicht bestreiten, dass er froh war, bald eine Woche Ruhe von ihnen zu haben.

//Aber mit etwas Pech bekomme ich im Gegenzug das größere Übel zurück.//
 

Der dunkle Lord würde sich mit einer hundertprozentiger Sicherheit im Malfoy Manor einfinden, sobald Harry auch nur einen Fuß hineingesetzt hatte. Einerseits musste er zwar zugeben, dass er sich darauf freute, den Mann wiederzusehen, aber andererseits fürchtete er sich davor, dass diese Besessenheit ein Ausmaß annehmen könnte, dass keiner von ihnen zu kontrollieren in der Lage wäre.

„Du solltest in deinen Gemeinschaftsraum zurückkehren“, riss ihn Severus' Stimme plötzlich aus seinen Gedanken. „Es ist schon spät und du hast morgen noch einmal Unterricht.“

Harry warf einen Blick auf die Uhr und bemerkte, dass er Recht hatte. Also stand er auf, verabschiedete sich von ihm und machte sich auf dem Weg in den Ravenclawturm.
 

Die letzten Monate waren relativ friedlich verlaufen. Remus lud ihn immer einmal die Woche zu einer Tasse Tee ein und plauderte mit ihm über alberne Nichtigkeiten. Zugegebenermaßen rührte ihn dieser stumme Wunsch des Werwolfes, sich ihm wieder zu nähern. Inzwischen zweifelte er nicht mehr daran, dass er es ehrlich meinte und im Grunde genoss er ihre Gespräche. Trotzdem würde es noch lange dauern, bis er ihm vertrauen würde. Ansonsten war der Unterricht so anspruchslos wie eh und je – zumindest für ihn. Deshalb war er froh, Severus' Okklumentikstunden zu haben. Sie stellten ihn vor eine angenehme Herausforderung und hinderten ihn daran, sich zu Tode zu langweilen.
 

Tatsächlich gab es nur eine einzige Sache, die ihm Sorgen bereitete: Felice hatte ihm seit den Sommerferien keine Briefe mehr geschrieben. Obwohl es nicht ungewöhnlich war, dass sie sich Zeit mit einer Antwort lassen konnte, waren zwei Monate selbst für sie spät. Ob irgendetwas nicht in Ordnung war?
 

Er würde ihr noch bis nach Halloween Zeit geben, doch wenn sie ihm bis dahin immer noch nicht geantwortet hatte, würde er einen Brief an Fleur schreiben und fragen, was los war. Jedoch war bis dahin noch etwas Zeit und die würde er nicht damit verschwenden, sich unnötig Sorgen zu machen. Am Ende hatte sie einfach viel um die Ohren gehabt oder sie hatte eine neue Art der Zerstreuung gefunden, die sie für alle anderen Dinge unempfänglich machte. Es wäre nicht das erste Mal. Trotzdem hatte er ein äußerst ungutes Gefühl...

//Hoffentlich irre ich mich//, dachte er, als er in den Gang vor seinem Turm einbog. //Bitte mach, dass ich mich irre.//

Bedauerlicherweise wusste er, dass er mit seinen Gefühlen meist richtig lag.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Zur gleichen Zeit, als Harvey Malfoy den Ravenclawgemeinschaftsraum betrat, lag Nagini zusammengerollt vor dem Kamin in dem Bücherraum ihres Meisters und beobachtete, wie er nachdenklich in einem Buch blätterte.

In letzter Zeit verbrachte er fast jeden Abend damit, das zu tun und sie konnte es beim besten Willen nicht nachvollziehen. Zwar war sie es bereits von früheren Jahren gewohnt, dass er wochenlang über einem dieser lästigen Dinger brütete, die bestenfalls dafür zu gebrauchen waren, verbrannt zu werden – zumindest ihrer Meinung nach – aber da war es immer ein Buch gewesen, dass er vorne angefangen und hinten beendet hatte. Nun waren es jedoch viele Bücher, die er aus anderen Häusern geholt hatte und die er oft in der Mitte aufschlug, um sie kurz darauf wieder zu schließen. Als sie ihn ganz am Anfang danach gefragt hatte, hatte er gemeint, man nenne diesen Vorgang „Reschersche“ und es sei wichtiger, als sie glaubte.

Nun, ihrer Meinung nach konnte er sagen was er wollte, sie konnte den Sinn darin nicht finden.
 

Plötzlich wurde die Stille, die über dem Hause ihres Meister lag durch näher kommende Schritte unterbrochen. Neugierig hob sie ihren Kopf. Es musste sich um mehrere Personen handeln und sie liefen schnell, zielsicher... wer es wohl wagte, um diese Uhrzeit vorbei zu kommen?

Schließlich öffnete sich die Tür, woraufhin Severus Snape und Lucius Malfoy hereinkamen.

Letzterer begann auch sofort zu sprechen: „Ich verstehe es nicht, Mylord! Ich verstehe nicht, warum sie nichts tun! Warum sie zögern!“

Nagini zischte verärgert, als sie ihn so respektlos mit ihrem Meister, seinem Meister, reden hörte, aber diesen schien es aus irgendeinen Grund nicht zu stören. „Wovon sprichst du, Lucius?“, fragte er und legte das Buch beiseite.

„Von Lily und James!“, rief Lucius und baute sich vor ihm auf, während Severus sich vorsorglich neben ihn stellte, um ihn zur Not davon abzuhalten, eine Dummheit zu begehen. „Warum nähern sie sich Harry nicht? Warum lassen sie ihn in Ruhe? Sollten sie nicht vielmehr versuchen, ihn für sich zu gewinnen? Die beiden würden niemals zulassen, dass ihr Sohn bei uns bleibt.“

„Vielleicht sind sie einfach nicht die Art von Eltern, wie du und Narcissa“, schlug ihr Meister gelassen vor. „Vergiss nicht, dass sie ihn elf Jahre lang bei euch gelassen haben, ohne sich auch nur einmal nach ihm zu erkundigen.“
 

„Aber warum tauchen sie dann jetzt wieder auf?“, wollte Lucius wissen. „Dafür wird es einen Grund geben, einen guten Grund und es hat sicher mit Harry zu tun! Wer weiß, vielleicht haben sie sogar schon Kontakt zu ihm aufgenommen!“

„Wenn sie das getan hätten, würdest du es wissen“, entgegnete er trocken. „Harry würde wissen wollen, ob du und Narcissa etwas davon gewusst haben... apropos, weiß Narcissa...?“

„Natürlich nicht“, schnaubte Lucius. „Sie würde sich furchtbare Sorgen machen, Harry zu verlieren. Ich möchte ihr diesen Gedanken solange ersparen, wie möglich.“

„Aber wenn sie es irgendwann herausfindet, wird sie es dir nicht verzeihen“, warf Severus leise ein. „Genauso wenig wie Harry.“

„Ja, ich weiß“, flüsterte der Malfoy und ließ sich auf einen Sessel fallen. „Ich weiß, dass es nicht richtig ist, es ihnen zu verheimlichen. Sie haben beide vielmehr das Recht, es zu erfahren, als ich, aber ich kann es ihnen nicht sagen. Ich weiß nicht, wie.“ Mit einem verzweifelten Blick sah er zum dunklen Lord auf, so als erhoffe er sich von ihm eine Antwort.
 

Was für ein alberner Mensch“, kommentierte Nagini das Gesagte, was alle dazu brachte, sich zu ihr umzudrehen.. „Er erhofft sich doch nicht wirklich, dass Ihr seine Probleme löst? Was glaubt er, wer Ihr seid? Sein Therapeut?

Still, Nagini“, erwiderte ihr Meister sanft, doch mit drohenden Unterton. „Deine Meinung ist zur Zeit unangebracht.

Wie bitte? Ihre Meinung war also unangebracht? Nun gut, das konnte er gerne haben!

Beleidigt entwand sie ihren Körper und glitt wütend zischend aus dem Raum. Wenn er glaubte, dass sie heute noch ein Wort mit ihm wechseln würde, hatte er sich aber gewaltig geschnitten!
 

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Es war die erste Nacht, in der Harry nicht nur von seinen Augen, sondern von seinem ganzen Körper träumte. Bisher waren es immer nur seine roten Augen gewesen, die ihn aus der Dunkelheit heraus angesehen hatten, aber nun war es der ganze Mann, der ihn sanft lächelnd betrachtete und seine Arme nach ihm ausstreckte, sobald er sich seiner Aufmerksamkeit sicher war. Harry blieben nun zwei Möglichkeiten. Entweder er blieb wo er war und wartete darauf, dass er in einen anderen Traum kam oder aber er nahm die unausgesprochene Einladung an und ging zu ihm. Natürlich musste er sich das nicht zweimal überlegen, immerhin war er hier in einem Traum und da konnte er tun und lassen, was er wollte, ohne mögliche Folgen fürchten zu müssen, oder?
 

Langsam näherte er sich dem Mann, der immer noch mit ausgestreckten Armen dastand und auf ihn wartete. Doch als er nur noch ein paar Schritte von ihm entfernt war, zerfiel der Körper jäh in tausend Lilienblüten, die von einem unsichtbaren Wind davongetragen wurden. Harry sah ihnen mit einem dumpfen Gefühl im Magen hinterher, ehe er sich wieder zu der Stelle umdrehte, wo Tom noch kurz zuvor gestanden hatte. Es dauerte einige Sekunden bis er realisierte, was nun dort stand und sobald es soweit war, begann er zu schreien.
 

„Harry? Harry!“

Erschrocken schlug er die Augen auf und sah Stephen, seinen Zimmergenossen, besorgt über ihn gebeugt dastehen. „Ist alles in Ordnung?“, fragte er. „Du hast geschrien.“

Eilig setzte er sich auf und sah sich orientierungslos um. Er war in ihrem gemeinsamen Zimmer. In Hogwarts, im Ravenclawturm. Merlin sei dank!

„Ja... es war nur... ein Albtraum“, murmelte er. „Wie spät ist es?“

„Um sieben. Wir müssen in einer Stunde beim Frühstück sein. Ist wirklich alles in Ordnung? Normalerweise bist du doch schon um sechs auf den Beinen...“

„Ja, mach dir keine Sorgen, Stephen. Ich... war einfach nur müde gestern Abend. Nichts weiter.“
 

„Na gut“, sagte der Junge zögernd. „Aber du siehst schon etwas blass aus. Vielleicht solltest du zu Madam Pomfrey gehen und den Tag im Krankenflügel verbringen. Ich glaube, etwas Schlaf könnte dir gut tun.“

„Nein, es geht mir gut!“, beteuerte er und sprang zum Beweis mit einem Schwung aus dem Bett. „Komm, wir müssen uns anziehen und dann zum Frühstück gehen. Vergiss nicht, dass Professor Flitwick darauf besteht, dass wir alle immer morgens reichlich essen!“

Stephen schnaubte. „Der Mann und sein Essen. Ehrlich, es wundert mich manchmal wirklich, wie er so dünn bleiben kann, wenn man bedenkt...“

Aber Harry hörte ihm überhaupt nicht mehr zu. Stattdessen versuchte er das Bild zu verdrängen, das ihn aus seinen Schlaf gerissen hatte, was leider nicht gelingen wollte.
 

Es war ein Kadaver gewesen. Der Kadaver einer riesigen Schlange.
 

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„Du siehst schrecklich aus“, war alles, was Draco sagte, als er sich auf seinem Platz neben ihm in Verteidigung gegen die dunklen Künste fallen ließ. Es war ihre letzte Stunde für heute und um ehrlich zu sein, war er ziemlich froh darüber. So würde er in etwa zwei Stunden Zuhause sein und sich in sein Bett legen können, um zu schlafen. Im Nachhinein musste er nämlich zugeben, dass Stephen Recht gehabt hatte. Ein Tag im Krankenflügel wäre wirklich die bessere Option gewesen, aber er konnte es jetzt auch nicht mehr ändern. //Doch, du könntest diese Stunde sausen lassen. Es wäre kein großer Verlust. Hattest du nicht selbst gesagt, dass die Stunden bei Remus Zeitverschwendung sind?//

Ja, das hatte er. Trotzdem ignorierte er seine innere Stimme – die normalerweise richtig lag – und wandte sich seinem Bruder zu, der ihn mit leicht wachsender Besorgnis musterte.
 

„Mir geht es gut“, sagte er zum gefühlten tausendsten Mal an diesem Tag. Hermione, Neville und die Hälfte ihres Jahrgangs hatten ihn den ganzen Tag mit gut gemeinten Erkundigungen nach seinem Befinden genervt. Ob auch nur einer von ihnen auf die Idee kam, dass es niemanden besser ging, nur weil man darauf hingewiesen wurde, dass man nicht in Höchstform war? Wahrscheinlich nicht.

„Bist du dir sicher?“, fragte Draco misstrauisch.

„Ja doch“, entgegnete Harry genervt. „Es geht mir bestens! Ich bin nur müde, nichts weiter!“

Die Frage war, warum war er müde? Zwar war er immer müde – es kam ihm langsam wie ein chronischer Zustand vor – jedoch hatte es heute ein ungewöhnlich großes Ausmaß. Ob das mit seinem Albtraum im Zusammenhang stand? Es wäre möglich.
 

In diesem Moment betrat Remus den Klassenraum und sofort kehrte Stille ein. Während der letzten zwei Monate hatten alle damit begonnen, ihn in ihrer Mitte zu akzeptieren und zu respektieren. Er hatte sich wirklich gut geschlagen, das musste man ihm lassen. Offenbar war Dumbledore doch noch dazu in der Lage, eine Schule zu führen.

Heute wirkte der Werwolf allerdings seltsam beunruhigt und es half nicht wirklich, dass er direkt vor Harry zum Stehen kam und ihn mit einem durchdringenden Blick betrachtete. Bevor der Junge fragen konnte, was das sollte, sagte er: „Der Schulleiter möchte dich sprechen.“

„Jetzt?“, fragten die beiden Malfoys wie aus einem Munde.

Remus nickte langsam und sah dabei weiter Harry mit einem Blick an, den dieser nicht deuten konnte.

„Oh... okay. Dann... gehe ich wohl besser“, meinte er und packte seine Sachen zusammen. „Wir sehen uns dann spätestens Zuhause“, sagte er noch zu Draco, ehe er aus dem Klassenraum verschwand.
 

Später fragte er sich oft, ob er in diesem Augenblick wirklich geglaubt hatte, dass er an diesem Abend Zuhause sein und friedlich mit seiner Familie zu Abend essen würde. Um ehrlich zu sein: er hatte es gehofft. Aber es änderte nichts daran, dass er insgeheim geahnt hatte, dass dieser Abschnitts seines Lebens bereits vorbei gewesen war, als er Malfoy Manor das letzte Mal verlassen hatte.
 

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Schweigend saß Lily Potter, ehemals Evans, in Albus Dumbledores Büro und wartete. Um ehrlich zu sein, sie hasste es zu warten. Sie hatte es immer gehasst. Das einzig Gute an der gegenwärtigen Situation war nur, dass sie nicht alleine wartete.

Langsam drehte sie ihren Kopf zu James um, der mit angespannter Miene am Fenster stand und die Ländereien von Hogwarts überblickte. Vor vielen Jahren – manchmal kam es ihr wie gestern vor, manchmal wie ein Jahrhundert – waren sie selbst hier zur Schule gegangen. So vieles hatte sich seitdem verändert und allem voran sie selbst. Sie hatte sich versündigt. An ihrem eigenen Sohn. Dem sie heute das erste Mal seit elf Jahren wieder als seine Mutter gegenüberstehen würde.

Ja, sie hatte Angst – vor seiner Reaktion, vor dem folgenden Gespräch, vor seinen Entscheidungen. Albus jedoch wirkte äußerst zuversichtlich, was ihr etwas Hoffnung machte. Vielleicht war ja doch noch nicht alles verloren. Vielleicht würde sie ihren Harry endlich wiederbekommen. Bei all diesen Gedanken kam ihr nie in den Sinn, wie egoistisch diese Sicht der Dinge eigentlich war.
 

Schweigend hob sie ihren Kopf und sah zu Albus hinüber, der summend hinter seinem Schreibtisch saß und Däumchen drehte. Was er wohl von der ganzen Sache hielt? Bisher hatte er sich nur bedingt zu der ganzen Sache geäußert. Ob er am Ende...?

Auf einmal klopfte es an die Tür und sie zuckte zusammen. Wie es aussah, war es nun soweit. Der Moment, den sie gleichzeitig gefürchtet und herbeigesehnt hatte, war gekommen.

„Herein“, rief Albus und im nächsten Moment betrat Harry den Raum.

Die Schuluniform stand ihm gut. Aus welchem Unterricht sie ihn wohl geholt hatten? Hoffentlich keinen wichtigen. Andererseits hatte Regulus gesagt, er sei der zweitbeste Schüler Europas, da dürfte es für ihn eigentlich keine Schwierigkeit sein, etwas zu verpassen. Ansonsten sah er genauso aus, wie bei ihrem ersten Zusammentreffen in Frankreich, nur dass er etwas blässer und erschöpfter wirkte. Ob er eine Grippe ausbrütete? Es wäre denkbar, dieses Frühherbstwetter war dafür bekannt, Krankheiten zu fördern.
 

„Sie wollten mich sprechen, Sir?“, sagte Harry höflich, während seine Augen eilig die Anwesenden erfassten. Lily wusste sofort, dass er sie erkannt hatte, aber er war gut darin, es zu verbergen. Kein Wunder, Narcissa hatte ihm sicher beigebracht, den perfekten Slytherin zu mimen und die waren schon immer Experten darin gewesen, ihre Gefühle für die Welt unzugänglich zu machen.

//Nur jene, die ihnen nahe stehen, können sie durchschauen. Das heißt, für mich wird es schwierig sein, aus ihm schlau zu werden.// Sie würde es trotzdem versuchen. Sie musste es versuchen.
 

Auch James hatte sich beim Eintreten seines Sohnes umgedreht und musterte ihn nun mit einem beinahe verzweifelten Ausdruck. Da verstand sie, dass sie mit ihren Gefühlen nicht so alleine war, wie sie bisher angenommen hatte. Auch er sehnte sich nach ihrem Sohn. Auch er wusste nicht, wie diese Unterhaltung ausgehen würde. Auch er war völlig hilflos angesichts dieser Begegnung, die es nie so hätte geben dürfen. Irgendwie hatte dieses Wissen etwas unheimlich beruhigendes an sich.
 

„Ah, Harry“, sprach Dumbledore herzlich und bereitete zum Gruß seine Arme aus. „Wie schön, dass du kommen konntest. Setz dich doch! Möchtest du eine Tasse Tee? Oder Kürbissaft?“

„Nein danke, Professor“, erwiderte der Junge leise, nachdem er sich neben Lily gesetzt hatte.

„Nun gut“, meinte der alte Mann bedauernd. „Ich denke, du weißt, wer diese beiden bezaubernden Persönlichkeiten sind?“

Harry warf seiner Mutter einen flüchten Blick zu. „Soll das ein Witz sein? Wenn ja, finde ich ihn nicht lustig.“

„Es ist kein Witz“, entgegnete der Schulleiter freundlich. „Dies sind deine Eltern, Harry. Dies sind Lily und James Potter.“

„Ich bin nicht blind“, erwiderte er in dem gleichen Tonfall und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Ich bin wirklich sehr auf die Erklärung gespannt, die ihr mir jetzt geben werdet.“ Mit diesem Worten ließ er seinen Blick zu James gleiten, der ihn schweigend erwiderte. „Ich nehme mal an, ihr wart Laura und Jeffrey Evans?“

Erschrocken atmete Lily laut ein. Er hatte es herausgefunden!

„Ja“, sagte James leise, ohne auf seine Frau zu achten. „Das waren wir.“
 

Albus runzelte verwirrt die Stirn, während Harry nickte. „Dachte ich mir.“

„Hast du es damals schon gewusst?“, fragte James. Lily lief es bei dieser Frage kalt den Rücken herunter. Wie sollte er das gewusst haben? Sie hatten, seit sie England verlassen hatten, stets einen Illusionzauber getragen – nur für den Fall. Er hätte sie nicht erkennen können, aber...

//Aber er ist mein Sohn. Wer sollte mich erkennen, wenn nicht er?//

Ohne dass es ihr bewusst war, vergruben sich ihre Fingernägel schmerzhaft in ihren Oberschenkeln. Wenn er es gewusst hatte, dann... wusste sie nicht, was sie nun tun sollte. Was sie denken sollte!
 

„Ob ich es gewusst habe?“, wiederholte Harry, der immer noch James ansah. „Mach dich nicht lächerlich. Ich kann es nicht gewusst haben. Immerhin wart ihr, wartet.... waren es zehn, elf oder zwölf Jahre? Jedenfalls seit ihr lange genug tot um es nicht gewesen zu sein, nicht wahr?“
 

Lily zuckte im selben Moment zusammen, in dem James beschämt den Blick senkte. Ihnen war von Anfang an klar gewesen, was sie taten und was es für Konsequenzen haben würde. Natürlich würde Harry nicht begeistert sein, sie zu sehen. Natürlich würde er misstrauisch sein. Natürlich würde er eine Erklärung verlangen. Warum tat er also genau das nicht? Er hätte das Recht, wütend zu werden, sie anzuschreien, auf sie loszugehen, sie zu beschimpfen, sie für alle Ewigkeiten zu verfluchen und doch...

Und doch tat er es nicht. Er saß nur da, abweisend – das schon – jedoch ruhig, gelassen, abwartend, wie...

//Wie ein Wissenschaftler, der auf den Beweis seiner These wartet.//
 

Plötzlich räusperte sich Albus und sie drehten sich alle zu ihm um. „Nun, ich habe zwar keine Ahnung, worüber ihr gerade redet, doch es scheint so, als wärt ihr euch vor kurzem erst begegnet, liege ich damit richtig?“ Harry starrte ihn schweigend an, während Lily und James nickten. Sofort fuhr der Mann fort: „Umso besser. Dann können wir uns erneute Bekanntmachungen und dergleichen sparen und endlich damit anfangen, den Wissensdurst des Genies in unserer Mitte zu befriedigen.“
 

„Wie überaus freundlich von Ihnen“, entgegnete der Junge mit einem sarkastischen Unterton.

Albus lächelte. „Vergiss nicht, dass ich immer noch dein Schulleiter bin, Harry.“

„Harvey“, verbesserte er ihn sofort. „Für Sie bin ich immer noch Harvey. Und entschuldigen Sie bitte meine Gereiztheit, es ist leider nicht sonderlich einfach, einen kühlen Kopf zu behalten, wenn man bemerkt, dass die Leute, die man als tot erachtet hat, plötzlich wieder am Leben sind.“
 

„Wir waren niemals tot“, flüsterte Lily und meldete sich damit das erste Mal an diesem Tag zu Wort. Harry wandte ihr seinen Kopf zu und sie musste unwillkürlich schlucken. Dies war ihr Sohn. Ihr eigen Fleisch und Blut. Er gehörte ihr oder sollte es zumindest tun. Unglücklicherweise hatte sie jeden Anspruch auf ihn verwirkt, als sie ihn verlassen hatte. Sie war eine schlechte Mutter gewesen. Ob er ihr die Chance geben würde, das alles wieder gut zu machen?

„Wir waren niemals tot“, wiederholte sie lauter, fester, selbstsicher. Nun sahen auch James und Albus zu ihr. „Wir mussten flüchten, verschwinden, es war die einzige Möglichkeit, dich zu beschützen.“

„Mich zu beschützen“, wiederholte er zweifelnd. „Wovor?“

Es war Dumbledore, der ihm antwortete.

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Was sagt ihr da? Ein Cliffhanger? Wo? O.o

Jedenfalls, vielen lieben Dank an alle Leser und Kommischreiber! *jedem ein Glas Butterbier in die Hand drück*

Geht es eigentlich nur mir so, oder wird es immer kälter? Nun, mit etwas Glück wird es in Paris wärmer sein, denn dort bin ich in den nächsten Tagen und schau mir mal an, was die Landeshauptstadt Frankreichs so zu bieten hat. Aber keine Sorge, davor und danach habe ich ein paar Stunden Fahrt vor mir, in denen ich vorhabe, mich ein wenig mit dem nächsten Kapitel zu beschäftigen, das heißt, sobald ich wieder da bin, wird es sicher bald weitergehen.

Bis dahin wünsche ich euch einen schönen zwanzigsten Jahrestag zu unserer Wiedervereinigung. ^o^

Salut,

eure Ayako
 

P.s.: Salut ist französisch und heißt so viel wie „Tschüss“. ^.~

Let It All Burn

Wow. Ich bin endlich fertig. Ich kann es gar nicht glauben. *verdutzt die folgenden Worte anstarr*

Ihr glaubt gar nicht, wie schrecklich es war, dieses Kapitel zu schreiben. Dauernd hab ich inne gehalten, einen Absatz angestarrt, ihn gelöscht, um ihn danach doch wieder genauso hinzuschreiben. Schlimm war das. Aber es ist zum Glück vorbei und das Endergebnis ist gar nicht mal so schlecht, wenn ich mir etwas Selbstlob erlauben darf. ^^

Falls es jemanden interessiert, was ich beim Schreiben gehört habe, so waren es diverse Stücke von Ludovico Einaudi (besonders die von seinem neuen Album... ich wusste davor überhaupt nicht, dass er wieder eines hatte) und „Love The Way You Lie“ von Eminem und Rhianna.

Ja.... und ich möchte natürlich noch meinen lieben Lesern und den Kommischreibern danken. Es war schon witzig, aus Paris zurückzukommen und 16 neue ENSs zu haben. XDD (Auch wenn nicht alle etwas mit Kommentaren zu tun hatten...)

Wie auch immer, ich labere schon wieder zuviel. ^^“

Deshalb wünsche ich euch jetzt einfach viel Spaß mit diesem Kapitel (oder jede andere Emotion, die ihr haben werdet) und ich melde mich dann wieder, wenn das nächste kommt.

Bis bald,

eure Ayako

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Let it all burn
 

Als Draco in der Eingangshalle von Malfoy Manor landete, war ihm klar, dass dieser Abend äußerst anstrengend werden würde.

Er war zum Büro ihres Schulleiters gerannt und hatte hinauf stürmen wollen, um Harvey mit sich zu ziehen, damit sie gemeinsam nach Hause gehen konnten, doch Minerva McGonagall hatte ihn auf halben Wege abgefangen.

„Gehen Sie zunächst alleine vor, Mr. Malfoy“, hatte sie ihm geraten. „Die Unterredung zwischen dem Schulleiter und Ihrem Bruder wird etwas länger dauern. Aber keine Sorge, wir werden ihn danach sofort nachschicken.“
 

Oh ja, das beruhigte ihn wirklich ungemein! Seine Mutter würde nun keine Ruhe finden, bis Harvey angekommen war und mit etwas Pech würde er die Wut des dunklen Lords auf sich ziehen. Dass dieser da war, daran zweifelte er nicht im Geringsten. Der Mann folgte seinem Bruder überallhin und wenn er sich nicht vollkommen irrte, schätzte er ihn etwas mehr, als sie alle ahnten.

Deshalb würde er äußerst ungehalten sein, wenn dieser ihn wegen Albus Dumbledore warten ließ und mit etwas Pech würde er, Draco, als Sündenbock herhalten müssen.
 

War das Leben fair? Allein die rhetorische Frage war ein Witz.
 

Grummelnd klopfte er sich die Asche von seinem Umhang, die bei seiner Reise mit dem Flohpulver aufgewirbelt worden war, während Dobby ihn begrüßte und sich seinem Gepäck annahm. Im selben Moment wurde die Tür aufgerissen und eine kreischende Stimme rief: „Draco! Da bist du ja endlich!“

Es war Pansy Parkinson. Das Mädchen warf sich ihm um den Hals und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Sie versuchte nun schon seit Jahren, ihn dazu zu überreden, mit ihr zu gehen und langsam wurde das ganze nervig. Besonders, da keiner seiner Eltern im Mindestens davon abgeneigt zu sein schien. Konnten sie nicht wenigstens bei dieser Sache auf seiner Seite sein?
 

„P... Pansy“, begrüßte er sie und schob sie etwas von sich. „Was machst du denn hier?“

„Deine Eltern haben spontan meine Eltern zum Abendessen eingeladen und ich bin mitgekommen. Du wirst es nicht glauben, aber ich habe endlich den dunklen Lord kennengelernt! Er ist ja so attraktiv! Und charmant und... wo ist eigentlich Harvey? Alle warten auf ihn.“

//Und auf mich nicht oder was?//, dachte er mit einem Stich der Eifersucht.

„Wer sind alle, Pansy?“, wollte er wissen.

„Nun der dunkle Lord selbst natürlich und deine Tante und Greyback und wer sonst alles da ist.“

„Und warum warten sie auf ihn?“, fragte Draco.

„Auf ihn? Sie warten auf euch beide! Wir haben Hunger! Wo warst du eigentlich solange? Ich bin schon seit einer guten Stunde hier und das obwohl ich davor Zuhause gewesen bin.“

„Ich habe auf meinen Bruder gewartet“, entgegnete er ruhig und lief auf das Speisezimmer zu. Pansy folgte ihm eilig mit leuchtenden Augen. Ob es an seiner Anwesenheit oder den Aufregungen ihres Tages lag?
 

„Und wo ist er dann? Ist er im falschen Kamin gelandet? Das wäre wieder einmal typ...“

Glücklicherweise erreichten sie nun das Speisezimmer, wo sich alle anderen bereits versammelt hatten und sie verstummte.

„Alle“ waren seine Eltern, Abraxas, Bellatrix, Pansys Eltern, Greyback, Severus – er war auch schon hier? – und Fenrir Greyback. Den dunklen Lord konnte er gerade nirgends entdecken, doch das hatte nichts zu bedeuten.

Sobald seine Mutter ihn erkannte, sprang sie auf und breitete ihre Arme aus. „Mein Sohn, du bist zurück.“

„Ja, Mutter, das bin ich“, sagte er höflich und ging langsam auf sie zu.

Nachdem er alle Anwesenden begrüßt hatte, fragte Bellatrix: „Wo ist dein Bruder? Es gibt noch so vieles, was ich ihn fragen muss.“

Auch die anderen sahen sich nun suchend um.

„Es stimmt“, sagte seine Mutter. „Du hast bereits solange gebraucht, um hierher zu kommen. Wo ist Harvey?“
 

„Er ist bei Dumbledore“, sagte Draco einfach.

Lucius ließ erschrocken das Glas fallen, das er eben gehalten hatte und sah ihn scharf an. „Was sagst du da?“

„Er ist bei Dumbledore“, wiederholte er ruhig und setzte sich neben ihn.

„Was will er von ihm?“, fragte Narcissa stirnrunzelnd, während alle Anwesenden schweigend zu ihnen hinüber sahen. „Bisher hat er ihn doch auch nie ohne guten Grund zu sich gerufen. Oder hat er sich in Schwierigkeiten gebracht?“

„Harvey bringt sich nie in Schwierigkeiten!“, rief Pansy sofort. „Es ist immer dieser Longbottom, der ihn dort hinein zieht! Aber warum ist er denn immer noch bei Dumbledore? Ich dachte eigentlich, er würde nur während Verteidigung gegen die dunklen Künste dort sein.“

„Albus hat wahrscheinlich einfach nur viel zu sagen“, sagte eine Stimme und der dunkle Lord trat ein.
 

Sobald er ihn sah, verstand Draco, warum Pansy so schwärmerisch von ihm gesprochen hatte.

Offenbar hatte er sich nun vollständig erholt und sein altes Aussehen wieder gewonnen. Von der kränklichen Erscheinung von vor ein paar Monaten war nichts mehr übrig. Er wirkte jung, ging aufrecht, war umgeben von derselben Eleganz, die er auch bei seiner Mutter finden konnte, nur... maskuliner. Dieser Mann war stark, mächtig, unbesiegbar. Er war grausam, gefährlich, aber nur für seine Feinde. Seine Freunde und Verbündeten konnten bei ihm Sicherheit und Schutz finden. Vielleicht sogar Güte, wenn man Abraxas oder Harvey Malfoy hieß.

Er war ihr Anführer, derjenige, der sie zum Sieg führen würde und unter seiner Herrschaft würde England, nein ganz Europa seine alte Größe eines vergangenen Jahrhunderts zurückerlangen. Denn damals hatte es schon einmal Frieden zwischen Schwarz- und Weißmagiern gegeben. Erst Merlin hatte diesen beendet und Krieg über die ganze Welt gebracht.

Wie hatte Neville ihn nur besiegen können?
 

//Weil ihm etwas fehlt//, dachte er. //Etwas, das nicht da ist. Man kann es beinahe sehen. Da ist fast so etwas wie ein Loch, etwas, das ihn unvollständig erscheinen lässt.//

Irgendwie hatte er das Gefühl, dass diese Illusion verschwinden würde, sobald Harvey eintreffen würde.

Warum? Was war es, das die beiden verband?
 

„Und was sollte er ihm sagen?“, fragte Bellatrix schnaubend. „Der Mann gibt nichts als Unsinn von sich und das wird Harvey sicher wissen.“

„Oh, manchmal kann es vorkommen, dass er wahres spricht“, klärte der dunkle Lord sie sanft auf. „Doch leider versteht er es, die Wahrheit so zu verpacken, dass sie eine Lüge wird. Aber Harvey ist ein junges, aber nichtsdestotrotz äußerst beeindruckendes Genie. Er wird wissen, dass es immer zwei Versionen einer Geschichte gibt.“

„Was meint Ihr damit, Mylord?“, hakte Narcissa nach. „Was will Dumbledore von ihm?“

„Wahrscheinlich möchte er ihn zu einem aktiven Mitglied seines lächerlichen Ordens machen“, meinte er munter. „Er hatte schon immer einen amüsanten Sinn für Humor. Ich bin schon sehr darauf gespannt zu erfahren, was er Harvey alles erzählt hat.“
 

Dies schien alle Anwesenden zu beruhigen, aber als Draco zu seinem Vater sah, beobachtete er, wie er einen angespannten Blick mit Severus und Fenrir Greyback wechselte. Offenbar war hier doch mehr im Gange, als er eigentlich ahnte.
 

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Bevor Harry das Büro des Schulleiters betreten konnte, ja bevor er überhaupt in dessen Nähe gewesen war, hatte er eine Ratte getroffen. Sie hatte mitten im Gang gesessen und ihn mit ihren großen, dunklen Augen angestarrt. Zuerst hatte er sie ignorieren wollen, doch als er an ihr vorbeigehen wollte, hatte sie sich plötzlich verwandelt und auf einmal wusste er, wen er vor sich hatte. „Peter Pettigrew.“

„Guten Tag, Harry“, hatte er gesagt und sich verbeugt. „Der dunkle Lord hat mich darum gebeten, dich sicher nach Hause zu bringen.“

„Das ist sehr aufmerksam von ihm“, hatte der Schüler erwidert. „Doch weshalb glaubt er, dass deine Anwesenheit dafür notwendig ist?“

Pettigrew hatte gelächelt und ein Stück Pergament aus seinem Umhang hervorgezogen, das er Harry gereicht hatte. „Deswegen.“
 

Zögernd hatte er es entgegengenommen und auf die ihm bereits bekannte Schrift des dunklen Lords gestarrt. Es war verrückt gewesen, wie sehr sich sofort sein Herzschlag erhöht hatte, sobald er seine Augen über sie gleiten gelassen hatte und ihm war bewusst geworden, wie sehr er den Mann eigentlich vermisste.

Schließlich, nach einer halben Ewigkeit, hatten die Buchstaben sich zu Worten geformt und er war bereit gewesen, die Nachricht zu lesen, die nur für ihn bestimmt gewesen war.
 

Harry,
 

ich hatte es dir eigentlich persönlich bei unserer nächsten Begegnung und im Beisein von Lucius und Narcissa mitteilen wollen, doch es scheint so, als wolle Albus früher zum Zug treten, als ich es angenommen habe.

Lily und James Potter leben. Aus Gründen, die ich bedauerlicherweise ebenso wenig kenne, wie du. Albus ist sich dessen bewusst und wird versuchen, dieses Wissen so einzusetzen, dass du dich seinem Orden anschließt. Selbstverständlich steht es mir nicht zu, dir vorzuschreiben, was du zu tun und zu lassen hast. Aber ich kenne und respektiere deinen Wunsch nach Unabhängigkeit. Deshalb solltest du diese Tatsache in deinem Hinterkopf behalten, wenn er versucht, dich von seiner Wahrheit zu überzeugen.

Albus wird alles daran setzen, dich von Lucius und Narcissa zu trennen und nach seinem Gutdünken zu manipulieren. Von ihm wirst du niemals die Freiheit erhalten, die du verdienst.

Darüber hinaus würde ich es sehr bedauern, wenn ich dich in Zukunft zu meinen ­Feinden zählen müsste, da mir deine Anwesenheit sehr fehlen würde. Es wäre eine Schande, wenn dein Genie bei Albus verkommen würde­. Doch es ist deine Entscheidung und ich verspreche dir, sie zu akzeptieren.

Nichtsdestotrotz schicke ich Wurmschwanz zu dir. Er ist einer meiner Todesser und ein alter Freund deiner Eltern. Du kannst ihm vertrauen, wenn es dein Wunsch ist, wird er dich sicher nach Hause bringen können.
 

In der Hoffnung, dich bald zu sehen,

TMR
 

Daraufhin hatte Harry aufgeblickt und Pettigrew angesehen. „Du kommst also mit mir?“

Der Animagus hatte genickt. „Solange, bis du sicher in Malfoy Manor angekommen bist.“

Und wenn es Jahre dauern sollte.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Im Nachhinein musste er zugeben, dass es recht schmeichelhaft war, dass der dunkle Lord sich so viele Gedanken um ihn machte. Es kam sicher nicht alle Tage vor, dass er so verzweifelt versuchte, jemanden auf seine Seite zu ziehen. Denn dass sein Brief nichts weiter als ein zusätzlicher Versuch der Manipulation war, war offensichtlich. Nichtsdestotrotz war es gut gewesen, dass er den Brief erhalten hatte, bevor er in das Büro des Schulleiters kam. Ansonsten wusste er nicht, was passiert wäre.
 

Doch nun saß Harry schweigend auf dem Sessel, den Albus ihm gewiesen hatte und wartete auf Erklärungen. Warum lebten seine Eltern?

Warum hatten sie ihn bei den Malfoys zurückgelassen? (Warum hätten sie ihn beinahe bei Muggeln zurückgelassen?)

Warum waren sie ausgerechnet jetzt wieder aufgetaucht?

Vor wem wollten sie ihn beschützen?

Und was hatte Dumbledore mit alldem zu tun?

Hatte er es die ganze Zeit gewusst? (Hatten Lucius und Narcissa davon gewusst?)

Woher hatte der dunkle Lord davon erfahren?

Was ging hier eigentlich vor sich?
 

Zumindest wusste er nun mit absoluter Sicherheit, was Severus und Remus ihm vor gut einem Monat hatten mitteilen wollen. Womit wir auch bereits bei der nächsten Frage wären. Weshalb wussten sie es schon damals, während er es erst jetzt erfuhr?

Hoffentlich würden seine Fragen bald Antworten finden.
 

„Ihr wolltet mich also beschützen“, sagte Harry. „Wovor?“

Zwar konnte er es sich bereits denken, aber vielleicht wollten sie ihn überraschen.

„Vor Lord Voldemort natürlich“, entgegnete Dumbledore sanft und legte seine Hände auf seinem Schreibtisch ab. Die Ratte, die er in der Tasche seines Umhanges versteckt hatte, rutschte bei diesen Worten unruhig hin und her, während Lily und James schwiegen.

Er war sich nicht sicher, ob er froh war, sie zu sehen. Konnte man froh darüber sein, Menschen wiederzusehen, die sich die letzten elf Jahre seines Lebens nicht im Mindesten für ihn interessiert hatten?

Remus hatte er verzeihen können, der er war in Askaban gewesen und hätte alles dafür getan, sich um ihn kümmern zu können.

Auch Sirius könnte er verzeihen. Der Mann war auf der Flucht gewesen, wegen einen Mord, den er offenbar nicht begangen hatte. Doch warum war er dann überhaupt auf der Flucht? Es war alles sehr seltsam.

Ob am Ende Dumbledore hinter allem steckte?
 

„Vor ihm? Das ist eine interessante Erklärung. Warum solltet ihr mich vor dem dunklen Lord beschützen wollen? Soweit ich weiß, stehe ich nicht auf seiner Todesliste.“

„Aber dein Name stand dort“, erwiderte Albus ruhig. „Es gibt etwas, das nur wenige wissen, Harry. Etwas, das auch deine Eltern erst Jahre später herausgefunden hatten. In der Nacht, als Voldemort versuchte, Neville zu töten, war er ursprünglich auf dem Weg zu dir. Dies wissen wir von einem unserer Spione, der damals versucht hatte, es ihm auszureden. Doch er ging zu dir, als deine Eltern eines Nachts Sirius Black besuchen waren und wollte dich töten.“

„Klar“, entgegnete Harry Augen verdrehend. „Der dunkle Lord kommt in unser Haus um mich zu töten und lässt mich am Leben. Wo er doch so gütig ist und einem Kind nichts zu Leide tun kann, wenn es dann tatsächlich vor ihm steht.“

Dumbledore erwiderte seinen Blick unbeeindruckt. „Wir wissen nicht, was ihn davon abhielt, dich in jener Nacht zu töten. Was wir aber wissen ist, er war bei dir und ging erst danach zu Neville. Warum er dich am Leben ließ und was damals geschah, ist uns allen ein Rätsel. Aber wir konnten uns nicht sicher sein, dass er es nicht noch einmal versuchen würde. Deshalb beschlossen wir, dass es besser wäre, deine Identität zu verschleiern.“
 

„Aha. Und das wolltet ihr tun, indem meine Eltern verschwinden und ich bei Lucius und Narcissa aufwachse?“

„Nicht direkt“, erwiderte der Schulleiter zögernd. „Unser Plan war es, dass Lily und James untertauchen und du in einer Familie aufwachsen würdest, wo Voldemort dich niemals finden würde. Aber die Dinge sind aus dem Ruder gelaufen. Deine Eltern waren zu gut in ihrer Tarnung, sodass selbst ich glaubte, sie wären tot. Ich machte fälschlicherweise Sirius dafür verantwortlich und löste somit etwas schreckliches, etwas grauenvolles aus.“

Der Mann atmete tief durch und sah mit müden Augen alle Anwesenden nacheinander an. „Ich habe einen furchtbaren Fehler gemacht, als ich zuließ, einen Unschuldigen verurteilt werden zu lassen, ohne selbst nachzuforschen. Mir hätte klar sein müssen, dass alles mit unserem Plan zusammenhing, doch ich war geblendet von meinem eigenen Stolz. Wie hätte ich mich irren können? Wie hätte ich falsch liegen können? Ich war zu stolz, zu hochmütig und dadurch habe ich zugelassen, dass du im Hause Malfoy aufwächst. Anstatt dich so zu schützen, wie es deine Eltern gewollt haben, musste ich dabei zusehen, wie du direkt in der Höhle des Löwen lebtest. Verzeih mir, Harry. Ich war ein Tor und habe dir damit die wichtigsten Jahre deines Lebens geraubt.“
 

Es war alles sehr überzeugend. Der traurige, reuevolle Tonfall, die alten, müden Augen, die ganze demütige Haltung... Wenn das alles gespielt sein sollte, dann war dieser Mann hier genialer als der dunkle Lord. Doch das war etwas, das er bezweifelte und somit gab es nur eine logische Erklärung: Er sagte die Wahrheit.

Oder glaubte zumindest, sie zu sagen.

Doch...

„Wenn der dunkle Lord wirklich vorgehabt haben soll, mich zu töten, weshalb bin ich dann noch am Leben?“, fragte er misstrauisch. „Ich bin ihm oft genug begegnet, um von ihm getötet zu werden. Was sollte seine Meinung denn geändert haben?“

„Genau das wissen wir nicht“, antwortete Dumbledore ernst. „Vielleicht ist es deine außergewöhnliche Intelligenz, die ihn davon abhält, dir zu schaden. Sicherlich glaubt er, dass sie ihm nützlich werden könnte.“

„Und Sie denken das natürlich nicht“, warf Harry ein. „Ihnen geht es selbstverständlich nur um mein Wohlergehen.“ Sarkasmus war und blieb sein liebstes stilistisches Mittel.

Der Schulleiter schüttelte seufzend mit dem Kopf. „Ich bestreite nicht, dass du eine große Bereicherung für unsere Sache wärst, aber es ist mir wichtiger, dass du an den Ort kommst, an den du gehörst.“

„Was bei einer Familie sein soll, die sich elf Jahre lang nicht einmal um mich gekümmert haben“, meinte er kritisch, ehe er sich zu seiner Mutter umdrehte, die seinen Blick schweigend erwiderte. „Was hast du dazu zu sagen?“
 

Kurz schien sie überrascht zu sein, dass er ihr diese Frage stellte, doch Lily fasste sich schnell wieder und sah ihn mit ausdrucksloser Miene an. „Es stimmt, was Albus sagt. Wir hatten dich beschützen wollen und haben damit deine Kindheit auf eine grauenvolle Art und Weise zerstört. Es war uns bereits damals klar, dass wir dich wahrscheinlich nie wiedersehen würden und wenn, dass du uns niemals verzeihen könntest, aber es ging darum, dich zu beschützen.“ Plötzlich sprang sie auf, um vor ihm auf die Knie zu fallen und vorsichtig ihre Hand nach seiner Wange auszustrecken. Harry ließ es geschehen, dass sie ihn berührte, obwohl er selbst nicht wusste, weshalb. Aber irgendwie fühlte es sich richtig an, dieser Frau, seiner Mutter nah zu sein. Dennoch würde sie ihm nie wieder so vertraut sein, wie Narcissa. Dafür war einfach zu viel Zeit vergangen.
 

Als sie bemerkte, dass er nicht vor ihr zurückwich, füllten sich Lilys Augen mit Tränen. „Wir waren furchtbare Eltern“, flüsterte sie. „Wir haben unseren eigenen Sohn im Stich gelassen. Das ist etwas unverzeihliches, was wir nie wieder gut machen können. Es gab keinen Tag, an dem wir diese Entscheidung nicht bereut hätten. Aber damals schien es der einzige Weg zu sein, dein Erwachsenwerden zu sichern.“

„Warum seid ihr dann zurückkommen?“, fragte Harry leise. Lily ließ ihre Hand sinken und sah ihm fragend in die Augen. „Warum habt ihr euch plötzlich dazu entschlossen, wieder in mein Leben zu treten?“
 

Es war James, der diesmal antwortete: „Weil wir dich gesehen haben, Harry. Weil wir sahen, wer du geworden bist und in welcher Situation du dich befindest.“ Langsam kam er auf die beiden zu und stellte sich direkt hinter Lily, um ihr seine Hände auf die Schulter zu legen. Dabei ließ er seinen Blick unverwandt auf seinen Sohn gerichtet. „Voldemort ist zurück und Lucius ist dafür bekannt, einer seiner treuesten Anhänger zu sein. Zwar stimmt es, dass er wahrscheinlich als allerletztes erwartet hätte, dich bei ihnen zu finden, aber er hat es getan und damit bist du in den Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit gerückt. Ich... wir wollen überhaupt nicht wissen, was er dir alles erzählt hat und wie weit du seine Reden bereits geschluckt hast. Doch Voldemort ist böse, Harry. Ein Monster, das nur an Macht denkt und alles tut, um sie zu bekommen. Momentan mag er dich vielleicht freundlich behandeln, aber sobald er von dir genug hat, wird er dich zerstören und wegwerfen, als wärst du nichts weiter als ein Stück Müll.“
 

„Lass mich raten, du weißt, wie man das verhindern kann“, kommentierte der Junge trocken. Pettigrew begann erneut, sich beunruhigt in seiner Tasche zu winden, doch er war klug genug, kein Geräusch von sich zu geben.

Zum ersten Mal seit einem Monat lächelte James Potter und sah damit sofort um einige Jahre jünger aus. „Komm zu uns, Harry. Auch, wenn wir Rabeneltern waren, wir sind bereit, dies zu ändern. Gib uns eine Chance, dich kennenzulernen. Im Gegenzug wirst du bei uns sicher sein und jede Unterstützung erhalten, die du dir wünschst. Auch Albus ist bereit, mitzuhelfen. Wir haben ein hübsches Haus in der Nähe von Godric's Hollow, das von mächtigen Schutzzaubern umgeben ist. Dort könnte selbst Voldemort dich nie erreichen und...“

„Das klingt zwar alles sehr vielversprechend“, unterbrach ihn Harry und erhob sich langsam, wobei Lily erschrocken etwas vor ihm zurückwich, „aber ich verzichte.“

James schloss kurz die Augen, ehe er nickte. „Ich verstehe.“

„Wäre es dann erst einmal alles? Ich würde gerne nach Hause gehen, wenn es recht wäre.“

„Natürlich“, sagte Dumbledore nickend. „Ich wünsche dir eine gute Reise.“
 

„Danke“, entgegnete er ruhig und machte sich auf den Weg zur Tür. Dort blieb er jedoch noch einmal stehen und drehte sich zögernd zu den drei Erwachsenen um. „Lucius und Narcissa... haben sie gewusst, dass ihr noch lebt?“

Lily schüttelte mit dem Kopf, doch James nickte langsam. „Lucius hat es gewusst. Ich... habe ihn vor meinem Verschwinden in den Plan eingeweiht, nur für den Fall, dass es notwendig wäre, dass ein Todesser ein Auge auf dich hat. Ob er es Narcissa erzählt hat, weiß ich jedoch nicht. Ich selbst habe ihr aber kein Wort davon erzählt.“

Harry neigte nachdenklich den Kopf, ehe er sich kühl von ihnen verabschiedete und den Raum verließ. Die Ratte in seinem Umhang gab ein mitfühlendes Fiepen von sich, sobald die Tür hinter ihm zugefallen war, aber er achtete nicht darauf. Im Moment hatte er sich um andere Dinge zu kümmern. Seine Tasche packen zum Beispiel. Oder nicht über das nachzudenken, was soeben passiert war. Denn wenn er einmal damit anfing – das wusste er – würde er zu den falschen Schlüssen kommen und nicht mehr objektiv handeln können. Es war zunächst wichtiger, sich weitere Informationen einzuholen und er wusste auch genau, wo er anfangen würde.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Ausnahmsweise landete er genau da, wo er hinwollte: In seinem Zimmer, das menschenleer war. Nur Dobby war gerade dabei gewesen, ihm eine Schale seines Lieblingsobstes hinzustellen und begann sofort damit, ihn überschwänglich zu begrüßen. Offenbar warteten schon „alle“ – wer immer das auch sein sollte – auf ihn und es würde bald Abendessen geben. Deshalb solle er sich lieber beeilen, da auch der dunkle Lord zugegen wäre und dieser langsam etwas ungeduldig wirke.

Nicht, dass ihn das im Augenblick gekümmert hätte. Der dunkle Lord war momentan seine geringste Sorge.

Langsam glitt er aus seinem Zimmer und schritt die langen Korridore von Malfoy Manor entlang. Irgendwo in der Ferne konnte er die Stimmen der Gäste hören, von denen Dobby berichtet hatte und diesen folgte er, da es der beste Weg war, auf andere Menschen zu treffen.
 

Die Stimmen verstummten, als er das Esszimmer betrat und sofort konnte er alle Blicke auf sich spüren. Er selbst achtete jedoch nur auf den dunklen Lord, der mit seinem üblichen Accessoire – einem Weinglas – am Fenster stand und ihn mit einer schwer deutbaren Miene musterte. Er sah... unglaublich aus. Dies war derjenige, dem all diese Leute überallhin folgen würden. Ein Feldherr, ein Diplomat – obwohl er davon noch nicht viel gezeigt hatte – ein Politiker, jemand, der Gellert Grindelwalds Traum tatsächlich erfüllen könnte.

Er war beeindruckender als Albus Dumbledore, aber...

//Aber er ist ein Lügner. Ein Manipulator. Und böse.//

Was war böse?

Was war gut?

Warum...
 

Warum hatte er die letzten elf Jahre in einer Lüge gelebt?
 

Er neigte respektvoll den Kopf, was Voldemort mit einem leichten Nicken erwiderte, ehe er sich zu seiner Familie (seiner falschen Familie) umdrehte.

Draco konnte nichts dafür. Er hatte es nicht wissen können. Hätte er es gewusst, hätte er ihn damit aufgezogen. Es gab keinen Grund auf ihn wütend zu sein.

Narcissa... sie liebte ihn, das wusste er. Wenn sie es ihm verschwiegen hatte, dann nicht aus Boshaftigkeit. Vielleicht hatte sie es nicht einmal gewusst. Er hatte sie trauern sehen, nach Lilys „Tod“. Sie war wirklich davon überzeugt gewesen, dass sie nicht mehr lebte. Also traf auch sie keine Schuld.

Großvater Abraxas... hatte sich niemals in diese Angelegenheiten eingemischt. Außerdem war er zu alt, als dass er ihm Vorwürfe machen würde. Am Ende würde er noch einen Herzanfall bekommen.

Somit blieb nur Lucius.

Hatte er es wirklich gewusst oder war es nur ein Trick seiner richtigen Eltern, um ihn gegen diese Menschen hier aufzuhetzen? //Dann hätte Lily nicht mit dem Kopf geschüttelt Dann hätte sie wie James genickt.//
 

Was war Wahrheit? Was Lüge? Was sollte er nun tun?
 

„H... Harvey?“, brach Bellatrix Stimme schließlich die Stille. Sie klang zögernd, beinahe ängstlich. Wie er wohl gerade aussah?

Langsam richtete er seinen Blick auf Lucius. „Kann ich bitte mit dir reden? Allein.“

Seine Stimme klang selbst in seinen Ohren rau. Pettigrew, der immer noch in seiner Tasche war, fiepte leise, sodass nur er es hören konnte. Wahrscheinlich war es aufmunternd gemeint.

„Natürlich“, entgegnete sein „Vater“ und erhob sich. Doch bevor er ihn in sein Arbeitszimmer führen konnte – denn dort würde er das Gespräch führen wollen – fragte Narcissa: „Reden? Worüber reden?“

Ihre Stimme klang angespannt und war etwas zu hoch. So als fürchte sie sich. „Was geht hier vor sich?“

„Es ist nichts, Narcissa“, antwortete ihr Mann. „Dies ist etwas zwischen Harry und mir.“
 

Dies überzeugte sie selbstverständlich vollkommen. „Was ist passiert? Was hast du angestellt?“

„Er hat nichts angestellt, Mutter“, rettete Harry ihn. Sofort wandte sie sich ihm zu und sah ihn bittend an, so als glaubte sie wirklich, er würde ihr Klarheit verschaffen. Normalerweise würde er dies tatsächlich tun. Aber nicht heute. „Wir müssen nur eine Kleinigkeit klären, bevor wir zu Abend essen.“ Er drehte sich zu ihren Gästen um und konnte Severus etwas abseits entdecken, der ihn schweigend musterte. „Bitte entschuldigt, dass ich euch bereits solange habe warten lassen, doch dies ist etwas, das keinen Aufschub erlauben kann. Wenn ihr es wünscht, könnt ihr ja ohne uns anfangen.“

Mit diesen Worten wirbelte er herum und rauschte aus dem Raum, dicht gefolgt von Lucius.
 

Hinter sich konnte er ihre aufgeregten Stimmen hören. Es war bedauerlich, dass so viele Leute Zeuge dieser Auseinandersetzung sein würden, er hätte das lieber vermieden. Doch es war nicht zu ändern. So würden die Klatschtanten morgen wenigstens etwas beim Tee zu reden haben.

Schließlich waren sie in Lucius' Arbeitszimmer angekommen.
 

Harry stellte sich sofort ans Fenster und starrte nach draußen, während Lucius an der Tür stehen blieb und wahrscheinlich seinen Rücken anstarrte.

Es war bereits spät geworden und die Sonne ging langsam unter. Sie setzte die Welt in Flammen, doch dieses abendliche Feuer hatte etwas unglaublich passendes an sich. Es schien sein Leben widerzuspiegeln, das langsam aber sicher niedergebrannt wurde. Ob er wohl in der Lage sein würde, die Flammen für sich selbst zu nutzen, um sie anderen entgegen zu schleudern?
 

„Ich“, brach er schließlich das Schweigen, „habe heute erfahren, dass Lily und James noch am Leben sind.“

Keine Reaktion.

„Sie haben mir gesagt, du hättest es gewusst. Stimmt das?“

Unten betrat jemand den Garten. Bei näheren Hinsehen erkannte er Pansy und Draco. Kurz darauf folgten ihnen die Erwachsenen. Nur Greyback, Severus, der dunkle Lord und Narcissa waren nirgends zu sehen.

„Es stimmt“, sagte Lucius schließlich. „Ich habe es gewusst.“

„Von Anfang an?“

„Von Anfang an.“

Also hatte James die Wahrheit gesagt. „Weiß Narcissa davon?“

„Nein, ich habe es ihr nie erzählt.“

Langsam löste sich Harry von der Szene im Garten und drehte sich zu ihm um. „Warum?“

Er sprach nicht von Narcissa und Lucius wusste das.
 

„Ich hatte es James versprochen“, sagte er. „Es war niemals seine Absicht gewesen, dass du bei uns aufwächst. Offenbar hatte sich Albus darum kümmern wollen. Doch als Narcissa hörte, dass der Sohn ihrer ehemaligen, besten Freundin bei Muggeln aufwachsen sollte, konnte sie nicht an sich halten. Sie hat darauf bestanden, dass du bei uns wohnst und hat alles getan, um ihren Willen zu bekommen. Aber das war nie so vorgesehen gewesen. Eigentlich hatte ich nur in der Ferne über dich wachen sollen.“

„Und warum hättest du das tun sollen?“, fragte Harry ruhig. Es war schwer einzuschätzen, was der Mann dachte oder fühlte. Er hatte seine Slytherinmaske aufgesetzt, in die niemand blicken konnte, der nicht Legilimentik beherrschte. Irgendwie tat es weh, dass er sie ausgerechnet jetzt trug. Konnte er ihm nicht einmal bei diesem Gespräch seine wahren Gefühle zeigen?
 

„James... kann sehr überzeugend sein, wenn er wirklich will“, erklärte Lucius und lächelte unwillkürlich. „Er hatte mich dazu überredet, einen unbrechbaren Schwur zu leisten, der mich daran band, dich zu beschützen und dafür zu sorgen, dass du bis zu deinem siebzehnten Geburtstag in Sicherheit leben kannst.“

„Also hast du dich deshalb all die Jahre um mich gesorgt und mich als dein Sohn aufgenommen“, schlussfolgerte Harry. „Weil du es tun musstest.“

„Ja“, entgegnete Lucius. „Ich fürchte, so ist es.“

Die beiden starrten sich mehrere Augenblicke lang schweigend an, bis Harry schließlich den Blick senkte. „Ich verstehe.“

Es... sollte eigentlich nicht so weh tun. Im Grunde hatte er es ja immer geahnt.

//Lucius liebt mich nicht. Er liebt nur Draco.//

Es war ja auch richtig gewesen. Draco war sein Sohn, nicht Harry. Aber... dieser Mann war sein Vater gewesen. Er hatte ihn beeindrucken wollen, er hatte sein Lob erhaschen wollen, sein Wohlwollen. Doch er war ihm egal. Es war nur ein Zauber, der ihn sein Sohn hatte werden lassen. Sonst nichts.
 

Es sollte eigentlich nicht weh tun.
 

Es tat weh.
 

In diesem Moment wurde die Tür geöffnet und Narcissa lugte mit einer besorgten Miene herein. „Ist alles in Ord...?“ Sie verstummte, als sie Harrys Miene sah. „Harvey?“

„Danke, dass du ehrlich zu mir warst“, sagte der Junge zu Lucius, ohne auf die Frau zu achten. „Auch, wenn deine Ehrlichkeit elf Jahre zu spät kommt.“

„Was hast du jetzt vor?“, fragte Lucius. „Wirst du hier bleiben?“

„Machen Sie sich nicht lächerlich, Mr. Malfoy“, entgegnete Harry und brachte damit eine Distanz zwischen sie, die es davor noch nicht gegeben hatte. „Ich werde nur noch meine Sachen holen und gehen. Denn ich fürchte, dass ich nicht mehr allzu gelassen sein werde, sobald die Informationen, die Sie mir soeben gegeben haben, in meinem Kopf angekommen sind.“
 

„Harry!“, rief Narcissa erschrocken, als er an ihr vorbei ging und auf sein Zimmer zueilte. Er hörte, wie sie sich fragend an Lucius wandte, der jedoch nichts sagte. Nicht ein Wort. Er hatte im Grunde ohnehin genug gesagt.

Schweigend lief er zu seinem Zimmer, das, wie er erwartete hatte, diesmal nicht menschenleer war.

Der dunkle Lord saß wieder in dem Sessel in der Nähe seines Bettes und blätterte in einem Kinderbuch, das ihm Lucius vor vielen Jahren geschenkt hatte. Als er diesen Gegenstand sah, spürte er eine unglaubliche Wut in sich aufsteigen und für einen Moment überkam ihn das unstillbare Bedürfnis, es zu verbrennen. Alles sollte verbrennen. Alles, was mit diesem Mann zu tun hatte.
 

Er hatte ihm vertraut.

Er hatte geglaubt, er würde ihm etwas bedeuten.

Er hatte ihn stolz machen wollen.

Alles umsonst. Alles zwecklos. Warum hatte er sich überhaupt angestrengt?

Es sollte brennen! Alles sollte brennen!
 

Harry schloss seine Augen und atmetet tief durch. Er musste sich beruhigen und klar denken. Was sollte er jetzt tun?

Zu Lily und James gehen? Unmöglich.

Zurück nach Hogwarts? Nein, dort würde hundertprozentig Dumbledore auf ihn warten. Also lieber nicht.

Zu Remus? Der war in Hogwarts.

Felice? Schon besser, aber sie hatte sich immer noch nicht gemeldet und er war sich nicht sicher, ob sie auch Ferien hatte. Außerdem... wollte er sie nicht schon wieder mit seinen Sorgen belasten. Sie wusste schon so viel. Sie hatte schon so viel fühlen müssen. Er wollte ihr das nicht auch noch antun.

Dann vielleicht Neville? Nein, das war auch zu nah an Dumbledore und am Ende würden noch Lily und James dort auftauchen, um ihn dazu zu überreden, doch zu ihnen zu kommen. Das war auch keine Alternative.
 

Nachdenklich sah er den dunklen Lord an, der immer noch durch das Buch blätterte. Was sollte er nur tun?

Wohin sollte er sich wenden? Er hatte sich lange nicht mehr so verloren gefühlt, wie in diesem Augenblick.

Plötzlich merkte er, dass die Tasche, in der Pettigrew gesteckt hatte, leer war. Suchend sah er sich um, aber er konnte ihn nirgends finden.

„Er ist nicht hier“, sagte Voldemort plötzlich. Als Harry aufblickte, erkannte er, dass er das Buch beiseite gelegt hatte und ihn mit einem leicht besorgten Ausdruck musterte. „Dein Gespräch mit Lucius ist offenbar nicht gut verlaufen.“
 

Voldemort ist böse, Harry.
 

„Nein“, flüsterte Harry. „Es ist nicht gut verlaufen.“
 

Ein Monster, das nur an Macht denkt und alles tut, um sie zu bekommen.
 

Langsam stand der dunkle Lord auf und ging auf ihn zu. Etwa einen Meter vor ihm kam er zum Stillstand und griff vorsichtig nach seinen Händen, um sie aufmunternd zu drücken. Harry blickte auf sie herab, ohne sie wirklich zu sehen. „I... ich muss weg von hier.“

„Wenn du möchtest, kann ich dich mit in mein Haus nehmen“, bot er an.

Als er den Kopf hob, traf er auf ehrlich wirkende Augen.
 

Momentan mag er dich vielleicht freundlich behandeln, aber sobald er von dir genug hat...
 

Es wäre einfach, ja zu sagen, aber die Konsequenzen wären nicht so einfach. Entschlossen entriss er ihm seine Hände und griff nach seiner Tasche, die glücklicherweise noch gepackt war. „Nicht nötig, Mylord. Ich weiß ganz genau, wo ich hinmöchte.“

Und ehe er noch etwas sagen konnte, war er zu seinem Kamin geeilt und hatte Flohpulver hineingeworfen.
 

Aber sobald er von dir genug hat, wird er dich zerstören und wegwerfen, als wärst du nichts weiter als ein Stück Müll.
 

Bevor er aber verschwand, drehte er sich noch einmal zu ihm um. „Ich... brauche etwas Zeit, um in Ruhe darüber nachzudenken. Ich muss verstehen, was hier vor sich geht und meine Gedanken ordnen.“

Der dunkle Lord seufzte. „Gut. Dann werde ich solange warten. Aber lass dir nicht zu viel Zeit.“

Harry sprach aus, wo er hinwollte und wurde im nächsten Moment von den Flammen verschlungen.
 

Es würde lange dauern, bis er in dieses Haus zurückkehren sollte.

Letters

Hallihallo.

Heute gibt es ein verhältnismäßig kurzes Kapitel von TCE, aber seit wann sagt die Länge etwas über die Qualität aus? Jedenfalls freue ich mich darüber, dass das letzte Kapitel so gut angekommen ist. (Ich habe ja eigentlich mehr damit gerechnet, dass ihr mich jetzt alle erschießen wollt, aber das wäre wohl nur passiert, wenn er sich jetzt gegen den dunklen Lord gerichtet hätte, was? XD) Deshalb: Vielen, vielen Dank an die zahlreichen Kommentare und zusätzlichen Favos. Es hat mich sehr gefreut. <3

Und ja, ich weiß, wir alle wollen, dass Harry zu Voldemort geht (mich eingeschlossen), aber es geht momentan einfach nicht. Aber keine Sorge, das nächste Mal wird es wieder ein Zusammentreffen der Beiden geben. ^.~ Doch davor müsst ihr mit diesem Kapitel hier vorlieb nehmen!

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen!

Bis bald,

eure Ayako

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Letters
 

Alles in allem war es einer ihrer besseren Tage, beschloss Fred. Das Ministerium hatte ihnen wieder einen Großauftrag für ihre neuste Spezialität geliefert und selbst Todesser gingen seit neuestem ein und aus, um sich auszurüsten. Ihr Laden lief und egal was auch kommen würde, er würde immer bestehen bleiben.

Brauchten sie mehr um glücklich zu sein?

Ja, das taten sie.

Obwohl sie wussten, dass es hoffnungslos war, vermissten sie Harvey. Ob... sie jemals aufhören würden, ihn zu lieben?

„Die Hauptsache ist, dass er glücklich wird“, flüsterte er. „Der Rest ist egal.“

Dennoch wäre es nicht schlecht, ihn ab und zu zu sehen.
 

Seufzend begann er damit, die Theke abzuwischen, als die Tür geöffnet wurde. „Tut mir Leid, wir haben schon ge...“, begann er, doch dann erkannte er, wer hereingekommen war. „Harry?“

„Hallo, Fred“, begrüßte er ihn mit einem Lächeln.

Doch es war nicht echt. Irgendetwas stimmte nicht. Seine Augen waren seltsam leer und seine ganze Haltung sprach von Zurückweisung und Schmerz. Etwas war geschehen. Etwas schlimmes. Nur was?

Dass er eine Tasche mit sich schleppte, die für einen Reißaus stand, machte das ganze auch nicht besser.
 

„Ich... es ist mir etwas unangenehm“, sagte Harry, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte und lachte gequält. „Aber... ich fürchte, ich habe für heute keinen Platz zum schlafen.“ Er fuhr sich nervös durchs Haar, wahrscheinlich um das Zittern seiner Hände zu verbergen. Fred sah es trotzdem. „Könnte ich vielleicht...“

Ohne ihn aussprechen zu lassen, sprintete Fred um die Theke herum und zog den Jungen in eine feste Umarmung.

„Es ist okay“, flüsterte er. „Du musst hier nicht fröhlich sein. Lass es ruhig raus, was immer es auch sein mag. Wir stellen dir keine Fragen.“

Für einen kurzen Augenblick war Harry wie erstarrt, doch dann schlang er seine Arme um Freds Oberkörper und begann zu weinen. Hinter sich hörte er seinen Bruder leise die Treppe hinunterkommen, wahrscheinlich wollte er sehen, was los war. Auch er würde keine Fragen stellen. Harry würde selbst wissen, wenn er ihnen etwas sagen wollte oder nicht.

Im Moment ging es nur darum, dafür zu sorgen, dass er nicht mehr weinen musste.
 

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Ihre Stimme hallte durch das ganze Haus und deshalb war Draco froh, dass Bellatrix geistesgegenwärtig genug gewesen war, alle Gäste wegzuschicken, sobald Pettigrew ihnen mitgeteilt hatte, dass Harvey heute wohl nicht hier übernachten würde. Mit einem leeren Blick sank er zu Boden und zog seine Beine an, um sich zu einer kleinen Kugel zusammenzurollen. Er hasste es, wenn sich seine Eltern stritten, aber sonst war immer sein Bruder da gewesen, mit dem er den Schmerz hatte teilen können. Doch heute war er allein. Was war nur geschehen, dass es dazu hatte kommen müssen?
 

„Was hast du getan, du nichtsnutziger Bastard?!“, kreischte Narcissa und er konnte etwas zerbrechen hören. Wahrscheinlich hatte sie einen Zauber auf Lucius geschleudert, der stattdessen eine Vase getroffen hatte. „Was hast du bei Merlins Namen getan?“

„Beruhige dich erst einmal“, rief Lucius. „Du bist doch nicht bei Sinnen!“

„Natürlich bin ich nicht bei Sinnen!“ Wieder zerbrach etwas.

„Du hast meinen Sohn, unseren Sohn dazu gebracht, dieses Haus zu verlassen!“ Und wieder.

„Wer weiß, wo er hin ist!“ Und wieder.

„Vielleicht ist er in Gefahr!“ Diesmal etwas lauter.

„Vielleicht ist er bei Dumbledore!“ Ein Fenster.

„Vielleicht springt er irgendwo von einer Brücke!“ Draco blinzelte. Diesmal war nichts zerbrochen. Hatte sie ihn getroffen? Nein, es gab kein Stöhnen und keinen Schmerzensschrei.

„Was hast du getan? Harry ist niemals wütend, egal was man tut, er bleibt immer ruhig!“

Aber er war auch nicht wütend gewesen. Wäre er wütend gewesen, hätte er geschrien. Er hätte etwas zerbrochen, genauso wie Narcissa es gerade tat. Er hätte sie alle an seiner Wut teilhaben lassen. Aber wenn er nicht wütend gewesen war, warum war er dann nicht mehr hier?

„Was hast du getan, um ihn von hier zu vertreiben, du elender Mistkerl?“

Ihre Stimme wurde lauter. Sie kamen näher. Bald würden sie hier sein.
 

„Narcissa, steck bitte deinen Zauberstab weg. Und atme tief durch.“

„Tief durchatmen? Ich soll tief durchatmen? Mein Sohn ist weg und wer weiß, ob er jemals wiederkommt! Das ist alles deine Schuld! Was hast du ihm an den Kopf geworfen? Ich dachte, du liebst ihn? Ich dachte, er wäre für dich wie ein Sohn geworden?“

„Das war er auch!“, schrie Lucius und kam in Dracos Blickfeld. Überrascht erkannte er Tränen über die Wangen seines Vaters laufen. Was...?

„Das war er auch“, wiederholte er, diesmal leiser. „Aber... aber ich bin nicht sein Vater. Ich... wir haben keinen Anspruch auf ihn.“

„Was meinst du damit?“, fragte Narcissa scharf. „Wovon sprichst du?“
 

„Lily und James leben“, sagte Lucius.

Dracos Augen weiteten sich, während seine Mutter ein paar Schritte zurück taumelte, als wäre sie geschlagen worden. „W... was?“

„Lily und James leben“, wiederholte er. „Unsere Arbeit ist getan. Harvey Malfoy muss wieder zu Harry Potter werden.“

Sie schüttelte ungläubig mit dem Kopf. „D... das kann nicht sein. Das ist unmöglich. Sie sind tot. Sirius...“

„Sie sind niemals gestorben. Ihr seid alle belogen worden. Sie hatten sich die ganze Zeit versteckt.“

„Aber...“, Narcissa war sehr blass geworden und begann leicht zu schwanken. Sofort sprang Draco auf und hastete auf sie zu, um sie aufzufangen, bevor sie auf den Boden fiel. „Woher weißt du davon? Warum war Harry...“

//Weil er es gewusst hat//, dachte Draco und er spürte, wie die Wut in ihm aufstieg. //Vater hat es gewusst und es uns nicht erzählt. Er hat uns all die Jahre belogen und am allermeisten hat er Harry belogen. Wie konnte er das nur tun?//
 

„Es tut mir Leid“, flüstere Lucius und senkte den Blick.

Hätte er diese Worte doch nur früher ausgesprochen.

Aber er hatte es nicht getan und manche Dinge konnte nicht einmal ein Zeitumkehrer ändern.
 

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Harry,
 

ich habe gehört, was passiert ist.

Geht es dir gut? Brauchst du Hilfe? Soll ich zu dir kommen? Entschuldige, dass ich mich solange nicht gemeldet habe, ich war krank. Aber mach dir keine Sorgen um mich, du hast zur Zeit größere Probleme.

Kann ich irgendetwas für dich tun? Bitte schreib mir.
 

Felice.
 

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Lieber Harry,
 

du bist also ein Potter? Wow, hätte ich nicht gedacht. Da hast du uns ja ganz schön reingelegt! Ich will mir Nevilles Reaktion darauf nicht einmal vorstellen. Er war sicher beleidigt, oder?

Bei den Malfoys soll es ja auch ziemlich zugegangen sein. Stimmt es, dass Narcissa Lucius für mehrere Wochen rausgeworfen hat? Kaum ist man nicht da, passiert etwas. Unfair ist das.

Doch wie geht es dir? Kommst du mit der Sache klar?

Lass dich nicht unterkriegen! Ich, Felice, Neville und sogar Hermione stehen immer hinter dir! Vergiss das niemals.
 

Liebe Grüße,

Luna.
 

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Hey Harry,
 

wo steckst du? Wir machen uns alle Sorgen um dich! Es heißt, du wärst von den Malfoys abgehauen (gut für dich, Mann!), aber keiner hat eine Ahnung, wo du seitdem bist. Geht es dir gut? Hast du ein Dach über dem Kopf? Wenn nicht, kannst du jederzeit hierherkommen, Grandma hätte auch nichts dagegen.

Wir können auch Lily und James von dir fern halten, wenn du willst. Ich kann verstehen, wenn du keine Lust hast, mit ihnen zu reden, das was sie getan haben, ist einfach grauenvoll.

Bitte melde dich.
 

Bis dann,

Neville.
 

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Hallo Harry,
 

oh mein Gott. Etwas anderes kann ich dazu gar nicht sagen. Es ist grauenvoll! Wie konnten sie das nur tun?

Und wo in Merlins Namen steckst du? Was hast du dir dabei gedacht, einfach abzuhauen, ohne irgendjemanden zu sagen, wohin du gehst? Selbst Felice hat keine Ahnung, wo du steckst (ja, ich habe sie gefragt, obwohl Neville mich aufhalten wollte). Oder bist du gar bei ihr und du versteckst dich?

Bitte, gib uns wenigstens ein Lebenszeichen! Wir machen uns alle riesige Sorgen!
 

Liebe Grüße,

Hermione
 

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Harry,
 

ich weiß, dass ich zur Zeit eine der letzten Personen sein muss, von der du etwas hören willst, aber ich schreibe dir trotzdem. Du kannst den Brief hinterher ruhig verbrennen, wenn du willst, aber bitte lies ihn dir zuerst durch, ja? Danke.

Glaubst du mir, wenn ich sage, dass ich Vater im Moment gerne umbringen würde? Wie konnte er nur? Wenn du vorhast, dich zu rächen, sag Bescheid. Ich werde mich dir anschließen!

Mutter hat ihn rausgeschmissen, nachdem sie ihn mit Flüchen durch das ganze Haus (und den ganzen Garten) gejagt hatte und dabei die Hälfte unserer Möbel in Brand gesetzt hat. Seitdem sitzt sie weinend in deinem Zimmer und weigert sich, mit jemanden zu sprechen. Sie hat offenbar Angst, dass du dir was antust und um ehrlich zu sein... ich fürchte das auch. Zumindest wüsste ich nicht, was ich jetzt an deiner Stelle tun würde.

Es tut mir Leid, was Vater, deine Eltern und vor allem Dumbledore dir angetan haben, aber du musst wissen, dass du trotzdem immer mein Bruder sein wirst!

Wenn du willst, sei so gut und schreib zurück und wenn es nur ein „Ich lebe noch“ ist. Du würdest unsere Mutter und auch mich damit sehr beruhigen.
 

In Liebe,

Draco.
 

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Bester Freund,
 

was geht da bei euch in England eigentlich vor sich? Zuerst tauchen Tote wieder auf, dann schmeißt Narcissa ihren Mann aus dem Haus und schließlich werden entstellte Leichen von Ministeriumsangestellten in der Themse gefunden. Ich wusste ja, dass du mit deiner sogenannten Familie auf dem Kriegsfuß stehst, aber dass du dich mit dem dunklen Lord in die Haare gekriegt hast, hätte ich nicht gedacht.
 

Alles Liebe,

Felice.
 

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31. Oktober – Halloween
 

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Schweigend saß Harry am Küchentisch der Zwillinge und starrte die Briefe seiner Freunde an. Er war froh, dass sich Felice wieder gemeldet hatte, er hatte sie als Präsenz in seinem Leben vermisst. Sie war also krank gewesen? Zwei Monate? Das hörte sich nicht gut an. Was sie sich wohl eingefangen hatte? Oder hatte das etwas mit ihrem Dasein als Empathin zu tun? Er würde sie fragen müssen, sobald er sich dazu entschloss, einen Brief zu schreiben. Aber momentan war er noch nicht soweit. Momentan war er noch dabei, alles zu verarbeiten.
 

Die letzten beiden Tage hatte er damit verbracht in dem Bett zu liegen, das die Zwillinge ihm zur Verfügung gestellt hatten und über sein Leben nachzudenken.

Er war verraten worden. Er war belogen worden. Er war... verletzt worden und...

Es tat weh.

Warum hatten sie ihn belogen?

Warum hatten sie ihn im Stich gelassen?

Warum?

Wieso?

Weshalb?
 

War es seine Schuld? War er einfach nur nicht so, wie sie es alle erwartet hatten? Hatte er sie enttäuscht

Dabei hatte er alles versucht. Er war immer freundlich gewesen. Er war immer ruhig geblieben. Er hatte sich nie beschwert, außer wenn es notwendig war. Er hatte gelernt und war immer an der Spitze der Klasse gewesen. Er...
 

Er war ein guter Sohn gewesen, oder etwa nicht?
 

Warum hatten Lily und James ihn zurückgelassen? Wenn sie ihn wirklich hatten beschützen wollen, warum hatten sie ihn nicht mitgenommen? Wäre er bei ihnen, in der Ferne und tot geglaubt, nicht noch sicherer gewesen? Bereuten sie wirklich, ihn zurückgelassen zu haben? Waren sie wirklich seinetwegen zurückgekommen? Oder hatten sie es tun müssen, weil Regulus und Felice sie dazu gedrängt hatten?
 

Warum hatte er Lucius enttäuscht? War es wegen seiner Freundschaft zu Neville? Sie hatte den Mann ohnehin immer geärgert. Hätte er sie vielleicht doch beenden sollen?

Nein.

Diese Freundschaft war etwas, das er niemals bereut hatte. Sie war richtig. Wenn Lucius zu dumm war, dies einzusehen, konnte er es auch nicht ändern.

Er war eben nicht nach Slytherin gekommen. Und? Er war ein Ravenclaw! Er war der zweitbeste Schüler Europas (und nach dem kommenden Wettbewerb würde er wieder der Beste sein, Zaubertränke lag weder Felice noch Viktor). Daran war nichts auszusetzen!

Und es stimmte, er hatte Umgang gepflegt, den seine Eltern nicht billigten. Na und? Narcissa hatte sich auch niemals darüber aufgeregt! Es war immer nur Lucius. Immer nur Lucius.
 

Im Nachhinein war es kein Wunder, dass ihre Beziehung stets einen bitteren Unterton gehabt hatte. Sie waren niemals Vater und Sohn gewesen, sondern nur eine Lüge. Eine wundervolle, utopische Lüge. Fast wie ein Traum.

Warum hatte er nur daraus aufwachen müssen?
 

Schweigend blickte er auf und traf direkt auf zwei besorgte Gesichter, die sofort breit grinsten, als sie bemerkte, dass er sie ansah. Fred und George waren großartig gewesen, aber das hatte er schon vorher gewusst. Deshalb war er ja zu ihnen gekommen und nicht zu jemand anderen.

Sie hatten ihm keine Fragen gestellt. Sie hatte ihn zu nichts gedrängt, sondern einfach akzeptiert, dass es ihm schlecht ging und er etwas Zeit brauchte, um selbst damit klar zu kommen, bevor er jemanden davon erzählt. Wobei dies nicht nötig gewesen war.

Rita Krimmkorn hatte das bereits für ihn erledigt.
 

Freitag war sein letzter Tag in Hogwarts gewesen. Samstag war der Artikel erschienen. Darin hatte die Journalistin in aller Ausführlichkeit von der ganzen „Potter/Malfoy-Affäre“, wie sie allgemein genannt wurde, berichtet, sodass inzwischen wahrscheinlich ganz England darüber informiert war.

Wer immer auf die Idee gekommen war, sie darüber in Kenntnis zu setzen, gehörte in die Hölle. Obwohl, selbst das wäre noch zu gütig.
 

Was ihn jedoch noch mehr als sein eigenes Schicksal beunruhigte, waren die Morde an den beiden

Ministeriumsangestellten. Ihre Leichen hatte man gestern, also am Sonntag, in der Themse gefunden und laut Tagesprophet war es ein ziemlich appetitlicher Anblick gewesen, der sogar den dunklen Lord dazu gezwungen hätte, kurz auf die nächste Toilette zu verschwinden.

Wer tat so etwas? Steckten wirklich Todesser dahinter? Harry wagte das zu bezweifeln. Er glaubte vielmehr, dass irgendjemand versuchte, sie dafür verantwortlich und somit bei der Bevölkerung unbeliebt zu machen.

Ein kluger Schachzug, der bisher wirkte.
 

„So“, sagte Fred plötzlich und zog damit Harrys Aufmerksamkeit auf sich. „Was hast du jetzt vor?“

Der Junge sah ihn fragend an.

„Nun, du siehst so aus, als hättest du beschlossen, dass es Zeit ist, sich den Dingen zu stellen. Zumindest bist du aufgestanden und siehst auch um einiges besser aus, als die letzten Tage, wenn ich das mal so sagen darf. Deshalb möchte ich wissen, was du jetzt vorhast. Zwar kannst du gerne für immer bei uns bleiben, das ist kein Problem und glaub mir, wir würden uns freuen, aber leider kennen wir dich zu gut. Du wirst nicht bleiben. Du wirst dich für etwas entscheiden und daran festhalten, egal, ob es dir gut tut oder ob es dich zu Grunde richtet.“

„Ihr kennt mich zu gut“, sagte er lächelnd, doch die Gesichter der Zwillinge blieben ernst. Also beschloss er, ihnen zu antworten: „Ich weiß es nicht. Ich kann nicht zu den Malfoys zurück, aber ich will auch nicht zu Lily und James. Außerdem sind da auch noch Dumbledore und der dunkle Lord. Wenn ich mich für eine Familie entscheide, werden sie es sofort so interpretieren, als hätte ich mich für sie entschieden und um ehrlich zu sein: Darauf habe ich keine Lust.“
 

Fred nickte verstehend, während George die Stirn runzelte. „Was willst du dann tun?“, fragte er. „Wo willst du hin? An wen willst du dich wenden?“

„Was ist eigentlich mit der Bekanntschaft, von der du uns erzählt hast?“, fügte Fred hinzu. „Der Kerl, der von dir besessen ist? Hast du nicht gesagt, du magst ihn? Warum also bist du zu uns gekommen und nicht zu ihm?“

Harry seufzte. „Das ist kompliziert.“

„Wir werden dir folgen können.“

„Na schön“, meinte er zögernd. „Sagen wir einfach... er ist auch darin verwickelt und wenn ich bei ihm wäre, würde ich wahrscheinlich keine Ruhe finden. Ich... brauche zur Zeit noch Abstand.“ Lächelnd sah er beiden nacheinander in die Augen. „Danke, dass ich mich hierher zurückziehen durfte. Das bedeutet mir wirklich sehr viel.“

„Harry... du bist unser Freund“, erwiderte George ernsthaft. „Du kannst es jederzeit tun. Dafür sind wir da.“

„Du kannst auch bis zum Ende der Ferien hier bleiben“, fügte Fred hinzu. „Das macht uns nichts aus.“

„Nein“, sagte Harry entschieden. „Das kann ich nicht.“

„Aber...“

„Es ist schon grausam genug, dass ich mich bisher bei euch einquartiert habe“, sagte er. „Ich... ich hätte das nicht tun sollen.“

„Aber...“

„Ihr liebt mich.“ Dieser Satz brachte beide zum Schweigen. „Ihr habt es mir nie gesagt, aber ich weiß es. Mein Hiersein bereitet euch Schmerzen und das wisst ihr tausendmal besser als ich. Ich... kann euch das nicht antun.“ Traurig ließ er den Kopf hängen. „Es tut mir Leid.“
 

Er war froh, dass sie darauf nichts erwiderten. Denn dann wäre er wahrscheinlich wieder zusammengebrochen und tatsächlich bis zum Schluss bei ihnen geblieben. Aber das hätte zu sehr weh getan. Ihm selbst... und ihnen auch.
 

Warum war das Leben unfair?

Weil das Schicksal süchtig nach Unterhaltung war und nichts war langweiliger, als ein Happy End.
 

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Es war ein regnerischer Tag, dieser 31. Oktober. Aus diesem Grund war Spinner's End, eine Straße in dem düsteren Teil Londons, den niemand mit magischen Fähigkeiten freiwillig betreten würde, wie ausgestorben. Alles hier erinnerte an die Industrialisierung, nicht zuletzt aufgrund der alten Fabriken, die unweit der Straße ihr elendes Dasein fristeten und das ganze Viertel mit ihrem Rauch in Dunkelheit tauchten. Es war kein schöner Ort zum Leben, aber irgendwie passte es zu ihm.
 

Harry blieb vor der Tür des letzten Hauses stehen und atmete tief durch. Vielleicht war es ein Fehler hierherzukommen. Vielleicht würde er ihn sofort nach Hogwarts oder zum dunklen Lord bringen. Aber dieses Wissen änderte nichts daran, dass er der Einzige war, den er freiwillig um Hilfe bitten würde.

Severus Snape kannte ihn inzwischen genauso gut wie Felice. Das hatte Okklumentikunterricht nun einmal so an sich, man servierte seinem Lehrer sein ganzes Wesen auf einem Silbertablett.

Der Mann würde wissen, was jetzt das Beste für Harry wäre und er vertraute darauf, dass er danach handeln würde.
 

Zögernd hob er die Hand, um zu Klingeln, als auch schon die Tür aufgerissen wurde und sein Zaubertranklehrer ihn mit einer wütenden Miene ansah. „Das hier ist kein Unterstand, was fällt dir ein, hier...?“ Er hielt inne, als er erkannte, wer genau vor ihm stand. Für einen Moment starrten sie sich schweigend an, während in Severus' Augen verschiedene Emotionen schwammen. Überraschung wurde zu Erleichterung um schließlich in Besorgnis zu enden. Langsam trat er einen Schritt zurück und hielt ihm die Tür auf. „Komm rein. Du erkältest dich noch.“
 

Seine Wohnung hätten viele wahrscheinlich als ungemütlich bezeichnet, doch Harry fühlte sich beinahe sofort pudelwohl. Alles war düster, aber sauber und aus der Küche strömte der charakteristische Gestank des Euphorie-Elixiers.

„Das ist für Narcissa“, erklärte Severus, als er Harrys neugierigen Blick zu seiner Küchentür bemerkte. „Der dunkle Lord meinte, sie könnte eine kleine Dosis vertragen, damit sie wieder zu sich kommt.“ Er sah ihn stirnrunzelnd an. „Vielleicht könntest du auch etwas davon vertragen.“
 

„Ich glaube, ich verzichte“, meinte der Schüler lächelnd und ließ sich von ihm ins Wohnzimmer führen. „Ich... mir geht es bereits besser.“ //Denke ich.// „Lass mir noch etwas Zeit und ich bin wieder wie früher.“ //Hoffe ich.//

„Bist du dir sicher?“, fragte sein Lehrer kritisch, während er ihm eine Tasse Tee reichte.

Harry antwortete ihm nicht.

„Ich verstehe“, sagte Severus leise. „Nun, es ist gut, dich zu sehen. Narcissa glaubte schon, du würdest dir etwas antun, aber ich war mir sicher, dass du dafür noch zu vernünftig bist. Obwohl ich zugeben muss, dass ich jetzt, wo ich dich sehe, doch Zweifel habe.“

Harry schwieg weiterhin.

„Wo bist du gewesen?“

„Bei den Zwillingen“, antwortete er ruhig. „Und es ist nicht so, dass es niemand gewusst hätte.“

„Was meinst du damit?“, fragte Severus verwirrt.

„Der dunkle Lord war bei mir, als ich Flohpulver benutzte. Ich habe deutlich genug gesprochen, dass er verstehen konnte, dass ich in die Winkelgasse verschwunden bin. Ich bin nicht dumm, Severus“, fügte er hinzu. „Ich wäre nicht verschwunden, ohne jemanden einen Hinweis darüber zu geben, wo ich hingehe. Und ich wäre sicher auch nicht in die Einsamkeit verschwunden. Vor drei Tagen hatte ich keine Ahnung, wie ich reagieren würde und in was für Spekulationen ich hinein rennen würde. Es wäre selbstmörderisch gewesen, wenn ich spurlos verschwunden wäre.“
 

Das machte seinen Gegenüber offenkundig sprachlos, zumindest starrte er ihn mit offenen Mund an. Sah so aus, als konnte er ihn immer noch überraschen.

„Nun... gut“, sagte er schließlich und stand auf. „Also dann... ich bin zwar nicht auf Gäste eingestellt, aber zu deinem Glück habe ich noch ein freies Zimmer mit einem Bett. Allerdings ist das nicht sonderlich bequem... und wenn du schon einmal da ist, kannst du mir gleich einmal mit ein paar Tränken für Madame Pomfrey helfen. Denk ja nicht, dass du hier auf der faulen Haut sitzen wirst! Außerdem muss ich heute Abend zu der Halloweenfeier. Sie findet ausnahmsweise im Haus des dunklen Lords statt, da Narcissa nicht in der Lage ist, etwas vorzubereiten und Bellatrix darauf bestanden hat, dass sie stattfindet. Also wirst du dich selbst beschäftigen müssen. Aber fass bloß nichts an! Manche Dinge in diesem Haus sind gefährlich! Außerdem hasse ich es, wenn meine Sachen durcheinander gebracht werden.“

Er ging eilig auf die Tür zu, während Harry lächelte. „Danke, Onkel Sev.“

Der Mann hielt kurz inne, ehe er eilig verschwand.

Schade, dass er mit dem Rücken zu ihm gestanden hatte. Harry hätte zu gerne sein Gesicht gesehen.
 

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Liebe Felice,
 

es sieht so aus, als hätte ich endlich einen Ort gefunden, an dem ich bis zum Ende meiner Ferien bleiben kann. Irgendwie finde ich es im Nachhinein beinahe schade, dass Dumbledore Severus' Adoptionsantrag

damals vereitelt hat. Ich glaube, es wäre witzig gewesen, mit ihm zusammenzuleben. Zwar hätten wir uns wahrscheinlich andauernd in die Haare gekriegt, aber ich glaube, wir wären trotzdem glücklich gewesen, auf die eine oder andere Art. Andererseits hätte ich dann auf Narcissas Erziehung verzichten müssen und das wäre dann doch zu traurig gewesen.
 

Ich wünsche dir ein wunderbares Halloween,

Harry.

Halloween

Hallo ihr Lieben!

Obwohl es nicht gut ist, als FF-Autor vor dem Kapitel eine Bewertung über genau dieses abzugeben, muss ich zu diesem sagen: Es war wunderbar, es zu schreiben und ich glaube, es könnte zu meinem persönlichen Lieblingskapitel aufsteigen (vorerst). Denn es ist ausgefüllt, mit vielen guten Elemtenten: Halloween, eine längere Szene zwischen Harry und dem dunklen Lord, sowie ein bisschen Felice. Also holt schon einmal das Popcorn heraus und macht es euch bequem.

Doch davor gibt es ein großes Dankeschön an alle Kommischreiber! Mir ist aufgefallen, dass eine Frage fast alle beschäftigt hat, weshalb ich sie an dieser Stelle gerne klären möchte: Warum hat der dunkle Lord niemanden erzählt, wo Harry hingegangen ist?

Ganz einfach: Er ist ein Egoist, der sich nicht weiter für das Wohlergehen seiner Untergebenen interessiert. Zwar kann es manchmal den Anschein haben, als täte er es, doch dann ist es meistens mit irgendeinen Hintergedanken verbunden (zum Beispiel das Sicherstellen ihrer Loyalität). Außerdem hatte Harry ihm deutlichst gesagt, dass er etwas Zeit allein bräuchte, um in Ruhe über alles nachzudenken und da der dunkle Lord möchte, dass er damit so schnell wie möglich fertig wird, hat er dafür gesorgt, dass niemand ihn bei seinem Nachdenken unterbrechen würde. Denn wir wissen: Er möchte Harry immer um sich haben.

So, ich hoffe, dass dies jetzt klarer ist. ^^

Jetzt erst einmal viel Vergnügen mit diesem Kapitel!

Bis bald,

eure Ayako

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Halloween
 

Felice,
 

ich möchte mich nicht daran erinnern, was passiert ist. Ich möchte es vergessen und so weiterleben wie zuvor. Ich möchte wieder an die Lüge glauben können, denn sie war meine Wahrheit. Sie hat mich zu dem werden lassen, der ich jetzt bin.

Ich möchte meine Arme ausbreiten und von dem höchsten Turm Londons stürzen. Ich möchte fliegen. Ich möchte frei sein.

Ich... möchte vergessen.

Aber ich werde nichts dergleichen tun. Ich werde weitergehen und versuchen, meinen Weg zu finden.

Wer weiß, vielleicht werden wir ihn ja irgendwann zusammen gehen?
 

Harry.
 

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„Ich werde ihnen sagen, dass du bei mir bist“, sagte Severus. „Ist das in Ordnung?“

„Dir bleibt ohnehin keine andere Wahl“, erwiderte Harry lächelnd. „Und wenn es Narcissa dazu bringt, wieder sie selbst zu werden, ist es wenigstens zu etwas gut.“

Severus nickte langsam. „Der dunkle Lord...“

„Was ist mit ihm?“

„Er wird wahrscheinlich hierher kommen, wenn er erfährt, dass du da bist.“

Harry starrte ihn schweigend an.

„Meinst du, du wirst mit ihm fertig?“

Für längere Zeit schwieg der Junge, sodass der Ältere bereits befürchtete, dass er nicht antworten würde. Schließlich flüsterte er: „Ich muss es sowieso früher oder später. Soll es ruhig früher sein.“
 

Der Zaubertrankmeister nickte und verschwand nach einem kurzen, letzten, besorgten Blick auf Harry. Dieser blieb am Türrahmen gelehnt stehen und starrte weiterhin auf die Stelle, an der er noch einen Augenblick zuvor gestanden hatte.

Er wollte sich einreden, dass es ihm gut ging.

Er wollte sich einreden, dass er es schaffen würde.

Er wollte sich einreden, dass er stark war.

Er wollte sich einreden, dass er ihn nicht wiedersehen wollte.

Aber die Wahrheit...

Er hasste die Wahrheit, denn sie bereitete ihm nichts als Schmerzen.
 

So blieb er stehen, ohne sich zu rühren und ohne einen Laut von sich zu geben. Er lehnte einfach nur an der Tür und starrte die Stelle an, die nun leer war.

Schließlich, etwa eine Stunde, nachdem Severus gegangen war, sprach er wieder: „Ihr habt mich gefragt, wer es war, der mich gelehrt hat, dass ich niemanden vertrauen kann. Ich denke, Ihr habt nun eure Antwort.“

„Wie kann das eine Antwort sein?“, fragte die Stimme des dunklen Lords, „Du hast doch erst vor ein paar Tagen davon erfahren.“

Langsam drehte Harry sich um und sah den Mann an, der sich an Severus' Küchentheke lehnte und ihn mit einer schwer zu deutenden Miene ansah.

„Ihr entwickelt Euch langsam zu einem Stalker, Mylord“, sagte Harry. „Kaum erfahrt Ihr, wo ich bin, taucht Ihr auf. Vielleicht sollte ich mich doch hinter Dumbledore verstecken, damit ich vor Euch in Sicherheit bin.“
 

Der dunkle Lord verzog seinen Mund zu einem amüsierten Lächeln. „Wir beiden wissen, dass du nicht zu den Leuten gehörst, die vor Schwierigkeiten davonrennen.“

„Ihr zählt Euch also zu meinen Schwierigkeiten? Euer Selbstwertgefühl scheint nicht sehr groß zu sein.“

„Wo hat man dich nur diese Respektlosigkeit gelehrt?“, fragte er. „Narcissa kann es nicht gewesen sein. Etwa James Potter? Ich hörte, er hätte schon immer ein vorlautes Mundwerk besessen.“

Harry sah ihn ausdruckslos an. „Ich möchte nicht darüber sprechen.“

„Du musst aber mit jemanden darüber sprechen.“ Er stieß sich elegant von der Küchentheke ab und ging langsam auf ihn zu. „Was geschehen ist, erscheint selbst Außenstehenden wie mir als grausam. Du kannst das nicht in dir vergraben und vergessen. Wenn du das tust, wird es dich langsam von innen auffressen und irgendwann zerstören.“
 

„Vielleicht ist es ja genau das, was ich will“, erwiderte Harry, als der Mann ein paar Schritte vor ihm zum Stillstand kam. „Vielleicht möchte ich zerstört werden.“

„Niemand will zerstört werden“, widersprach er ihm. „Diejenigen, die es behaupten, warten in Wahrheit nur darauf, gerettet zu werden.“ Sein Blick wurde ungewöhnlich sanft. „Wer soll dich retten, Harry? Wer soll dich davor bewahren, wahnsinnig zu werden?“

„Ich kann mir gut vorstellen, wen Ihr als geeignet anerkennt“, meinte der Junge spöttisch. „Ich will Eure Hilfe nicht.“

„Und doch schenke ich sie dir“, erwiderte Voldemort ruhig. „Du bist stark, Harry, aber nicht so stark und das weißt du ebenso gut wie ich. Ansonsten wärst du nicht fortgegangen.“
 

Der Mann streckte lächelnd seine Hand aus. „Lass mich dir helfen. Ich werde dich nicht im Stich lassen.“

„Woher soll ich wissen, dass Ihr nicht lügt?“, fragte er misstrauisch. „Woher soll ich wissen, dass Ihr mich nicht nur benutzen wollt?“

Anstatt ihm zu antworten, ging Voldemort auf ihn zu und legte seine Handfläche direkt auf Harrys Herz. „Deswegen“, sagte er sanft. „Weil du tief in dir weißt, dass ich dich nicht hintergehen werde.“

„Ihr seid böse!“, entgegnete Harry und versuchte, nicht darauf zu achten, wie nahe sie sich waren.

„Glaubst du das wirklich?“, fragte er, „oder sind das nur Worte, die man dir einmal gesagt hat?“
 

Warum? Warum musste er nur auf alles eine Antwort wissen? Warum wollte er ihn nur so dringend überzeugen? Warum konnte es ihm nicht egal sein? Das Schicksal seiner anderen Todesser war ihm doch auch egal!

Und warum... warum glaubte er ihm? Oder wollte er ihm einfach nur glauben?

Irgendetwas in ihm zerbrach und er spürte, wie Tränen sich den Weg zu seinen Augen bahnten.
 

„Bitte“, flüsterte er, als die erste begann über seine Wangen zu laufen, „Hört auf damit. Ich kann nicht... es...“

Voldemort kam ihm noch etwas näher, sodass ihre Körper nur Millimeter voneinander entfernt waren. Langsam hob er seine Hand, die bisher noch auf Harrys Brust gelegen hatte und begann vorsichtig, seine Tränen wegzuwischen. „Ich weiß“, flüsterte er.

Und Harry glaubte ihm, dass er es tatsächlich tat.
 

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„Ich kann es immer noch nicht glauben“, flüsterte Pansy und sah zu Draco hinüber, der am anderen Ende des Raumes stand und geistesabwesend ein Glas Elfenwein trank. Um ihn herum tobte die Party. Todesser konnten seltsam sein, sobald ihr Meister außer Haus war. „Dass Lucius so etwas getan hat.... und Harvey... ich will mir gar nicht ausmalen, wie es ihm geht.“

„Er wird schon damit fertig werden“, meinte Blaise optimistisch. „Harvey lässt sich von so etwas nicht unterkriegen. Ich mache mir mehr Sorgen um Narcissa. Sie ist nicht hier.“

„Natürlich nicht“, meinte Pansy. „Sie muss furchtbar durcheinander sein. Und sie weiß, dass sich alle das Maul darüber zerreißen, was geschehen ist. Da wird sie kaum hierherkommen. Es ist so schon schwer genug. Immerhin ist sie elf Jahre lang belogen worden.“

„Das ist mir ohnehin so unklar“, sagte Blaise. „Warum ist sie wegen der ganzen Sache so aufgebracht? Nur, weil Lucius es geschafft hat, Harvey zu vertreiben? Oder weil die Potters noch leben? Aber wenn das so ist, warum nimmt es sie dann so sehr mit?“
 

„Ich weiß es auch nicht sicher“, wisperte Pansy. „Aber meine Mutter hat mir erzählt, dass Narcissa und Lily Potter in der Schule beste Freundinnen gewesen sind. Durch irgendetwas haben sie sich dann jedoch zerstritten und haben seitdem kein Wort mehr miteinander gewechselt. Offenbar hatte ihr vorgetäuschter Tod Narcissa ziemlich mitgenommen.“

„Ah! Deshalb hat sie also Harvey adoptiert!“

„Genau.“ Seufzend ließ sie ihren Blick über die Festgemeinschaft schweifen. „Lass uns zu Draco gehen. Er wird etwas Aufmunterung gut gebrauchen können.“

Blaise nickte, doch ehe sie sich auf den Weg zu ihm machen konnten, öffnete sich die große Flügeltür zum Tanzsaal und zwei Personen betraten den Raum. Augenblicklich verstummten sämtliche Gespräche und alle beobachteten, wie die Beiden elegant und mit erhobenen Köpfen den Raum betraten.
 

Obwohl sie so unterschiedlich waren – eine blond-, eine schwarzhaarig, eine mit einer liebevollen, die andere mit einer furchterregenden Ausstrahlung – wusste man sofort, dass Narcissa und Bellatrix Schwestern waren. Sie besaßen dieselbe Eleganz, denselben selbstbewussten Gang und wirkten gemeinsam wie eine Einheit, die niemand durchbrechen würde können. Selbst, wenn sie ab und an Auseinandersetzungen hatten, die Beiden würden immer zueinander halten und sich gegenseitig verteidigen. Ein unbesiegbares Bündnis. Lucius konnte einem Leid tun.
 

Mehrere Leute versuchten, sich ihnen zu nähern, doch ein Blick von Bellatrix reichte, um sie zum stehen zu bringen. Nur eine einzelne Person ließ sich davon nicht beeindrucken und blieb direkt vor den Beiden stehen: Severus Snape.

Die beiden Teenager konnten sehen, wie er etwas zu Narcissa sagte. Diese schloss daraufhin kurz die Augen, ehe ein erleichtertes Lächeln auf ihren Lippen erschien und sie ihm dankbar zunickte. Severus erwiderte ihr Nicken und die Schwestern gingen weiter, direkt zu Draco, der sie mit beherrschter Miene begrüßte.
 

„Gut gewählter Auftritt“, meinte Blaise grinsend. „So hat jeder mitbekommen, dass sich Narcissa nicht unterkriegen lässt. Schon etwas ärgerlich, dass wir nicht von selbst darauf gekommen sind, dass sie uns allen was pfeifen wird.“

Pansy grinste ebenfalls. „Das ist die Familie Black, Blaise. Sie haben nun einmal Stil.“

„Jetzt fehlt nur noch Harvey“, meinte er. „Dann wäre für genug Dramatik gesorgt.“

„Och, ich weiß nicht“, entgegnete sie fröhlich. „Ich denke, Lucius wäre genug.“

Sie wechselten einen Blick und begannen wie auf Kommando zu lachen.
 

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Der Chef der Aurorenabteilung hatte sich in den Kopf gesetzt, Fleur zu verführen. Er war von ihrer Schönheit überwältigt und konnte an nichts anderes mehr denken. Dabei merkte er nicht, dass es einzig ihre Veelagene waren, die ihn an der Nase herumführten.

Fleur selbst flirtete mit dem Sohn der Familie Lecroix. Sie schien ihn tatsächlich zu mögen, zumindest begannen in ihr Schmetterlinge zu fliegen, als er über ihren schlechten Witz lachte.

Henri war aufgebracht, da einer seiner Minister nicht erschienen war und Appolline versuchte ihn zu beruhigen, obwohl sie von dem Verhalten ihres Mannes schon seit Jahren genug hatte. Insgeheim dachte sie bereits über eine Scheidung und ein neues Leben mit dem Gärtner nach, doch sie war klug genug, dies ihren Kindern nicht anzutun.

Gabrielle war beleidigt, weil sie bereits wieder in ihr Bett geschickt worden war und hatte sich aus Frust heimlich eine Flasche Whiskey mitgehen lassen. Vor ihrer Tür saß ein weiterer Sohn eines Ministeriumsangestellten, der darauf wartete, sich hineinzuschleichen und sich mit ihr zu unterhalten.
 

Sie würde hochgehen müssen, bevor er seinen Plan in die Tat umsetzte. Aber vielleicht würde auch Fleur etwas bemerken, wenn sie ihren neuen Freund in ihre Zimmer führen würde. Insgeheim hoffte sie es. Sie hatte keine Lust, für einen Skandal zu sorgen.

Felice mischte sich normalerweise niemals in die Angelegenheiten ihrer Mitmenschen ein. Die Leute hatten sie nicht darum gebeten, in ihren Gefühlen und Gedanken herumzuwühlen. Keiner von ihnen würde glücklich sein, wenn sie sie daran erinnerte, dass sie es konnte.
 

Seufzend schloss sie ihre Augen und versuchte, ihren Kopf vor äußeren Einflüssen zu verschließen. Es war die einzige Möglichkeit bei Verstand zu bleiben, die einzige Möglichkeit, sich nicht selbst zu verlieren.

Aber wenn man mitten in einem mitreißenden Festrausch war, konnte man das leicht vergessen. Deshalb hatte sie sich unbemerkt hinausgeschlichen, auf einen der unzähligen Balkonen ihres Stadthauses und betrachtete nachdenklich die Dächer von Paris. Es war eine wundervolle Stadt und der kalte Oktoberwind tat gut auf die Hitze im Tanzsaal.
 

Allerdings war sie nicht so unbemerkt gewesen, wie sie gehofft hatte.

Regulus trat direkt hinter sie und legte sanft eine Decke über ihre Schultern. Anstatt seine Hände danach jedoch wieder wegzunehmen – wie es schicklich gewesen wäre – ließ er sie auf ihren Schultern ruhen und sah gemeinsam mit ihr zum Eiffelturm, der am Horizont leuchtete. „Es ist kalt“, murmelte er und sein warmer Atem glitt über ihren Nacken. „Du bist zwei Monate krank gewesen. Sei nicht so leichtsinnig.“

„Mir geht es gut, Regulus.“ Sie sprach seinen Namen bewusst aus. Er liebte es, wenn sie seinen Namen sagte. Es machte ihn glücklich und es war gut, wenn er glücklich war.

Aber trotzdem... es durfte nicht sein. Es war unmöglich.

„Doch ich danke dir, dass du dir Sorgen machst.“
 

„Natürlich tue ich das“, erwiderte er glucksend. „Du passt viel zu wenig auf dich auf. Darüber hinaus bist du in letzter Zeit so still. Hat das etwas mit Harry zu tun?“

Sie beschloss, ihm nicht zu antworten, woraufhin sich der Griff an ihrer Schulter etwas verfestigte.

„Es ist grauenvoll“, meinte er. „Armer Junge. So etwas gönnt man niemanden. Es muss ein Schock gewesen sein... so etwas plötzlich zu erfahren....“ Sie spürte, wie er den Kopf schüttelte. „Wie können Eltern ihrem Kind nur so etwas antun?“

„Indem sie es eben tun“, flüsterte Felice. „Es gibt nichts grausameres, als Menschen, Regulus. Müssten wir Empathen das nicht am besten wissen?“

„Natürlich“, sagte er seufzend.

Lächelnd drehte sie sich zu ihm um und tätschelte spielerisch seine Wange. Dabei fielen seine Hände von ihren Schultern, um sich dafür auf ihre Hüften zu legen. „Verzeih“, sagte sie munter. „Ich weiß, dass du mich nicht gerne so reden hörst. Ab jetzt werde ich wieder lächeln und fröhlich sein.“

„Felice“, begann er, doch sie legte ihm einen Finger auf den Mund. „Still. Es ist gut so. Das ist die Rolle, die ich gewählt habe, so wie wir alle unsere Rollen wählen. Lass sie mich noch eine Weile spielen.“
 

Langsam löste er seine linke Hand von ihrer Hüfte und ließ sie stattdessen auf die Hand gleiten, die immer noch auf seinen Lippen ruhte. Vorsichtig griff er nach ihrem Handgelenk und zog sie beiseite, damit er wieder sprechen konnte. „Was weißt du, was ich nicht weiß? Was ist mit Harry? Warum hast du das Gefühl, dass alles schlimmer ist, als wir anderen glauben? Und warum denkst du, dass die ganze Sache für ihn keine Überraschung gewesen ist?“

„Ich denke nicht, dass er will, dass ich das herum erzähle“, meinte sie lächelnd. „Außerdem ist das nicht unser Problem. Ich bin davon überzeugt, dass der dunkle Lord sich um ihn kümmern wird. Und wenn nicht, wird Harry von selbst kommen.“

Regulus runzelte die Stirn. „Das wundert mich überhaupt. Warum ist der dunkle Lord von ihm so verzaubert? Warum sind wir alle von ihm bezaubert? Wenn man ihn einmal getroffen hat, kann man sich ihm nur schwer entziehen.“

„Ich weiß“, sagte sie sanft. „Harry ist etwas ganz besonderes.“

„Und was?“, fragte er neugierig.
 

„Hast du das nicht gespürt?“, entgegnete sie munter. Als er den Kopf schüttelte sagte sie mit gesenkter Stimme: „Er ist ein Tempus Amicus.“

Regulus' Augen weiteten sich. „Ein Geliebter der Zeit“, raunte er. „Die sind selten. Kein Wunder, dass man sich ihm nicht entziehen kann. Weiß er...?“

„Oh, ich denke, er ahnt es. Er ist nicht dumm, wie du weißt. Aber ich habe es ihm nicht erzählt. Er hat seit jeher genug um die Ohren, als dass ich es ihm erzählt hätte.“ Eilig schob sie ihn von sich und streckte sich gähnend. „Außerdem wird Severus Snape das inzwischen ohnehin herausgefunden haben und darauf achten, dass er es zu gegebener Zeit erfährt. Das bringt Okklumentikunterricht eben mit sich, fürchte ich. Nun denn. Es wird Zeit für mich, zu gehen.“

„Um Gabrielle zu retten?“, fragte er amüsiert. „Lass ihr doch den Spaß. Sie ist kein Kind mehr.“

„Aber Henri wird mich aus dem Haus werfen, wenn er herausfindet, dass ich es zugelassen habe“, meinte sie fröhlich. „Außerdem lasse ich schon Fleur ihren Spaß. Das genügt für heute, wenn du mich fragst.“
 

Mit einem breiten Lächeln kehrte sie ins Haus zurück, während Regulus ihr kopfschüttelnd folgte.

Äußerlich war sie ein fröhlicher, lebensfroher Mensch, der jeden mochte und von allen gemocht wurde. Nur wenige wussten, dass es innen ganz anders aussah.

Momentan zum Beispiel sorgte sie sich um Harry. Es gab Dinge, die er ihr nie hatte erzählen können, die er ihr aber trotzdem unbewusst mitgeteilt hatte. Seine Eltern und ihr Plan, wegzugehen, war eines dieser Dinge. Deshalb wusste sie, dass Harry nicht im Geringsten überrascht gewesen war, als er davon erfuhr.

Denn er hatte gewusst. Er hatte es nur vergessen wollen. Aber so etwas ließ sich nicht vergessen.

Manche Dinge waren einfach nicht dafür geschaffen, verdrängt zu werden.
 

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„Meine Eltern haben nie begriffen, dass ich nicht wie die anderen Kinder bin“, erklärte Harry. Er saß mit angewinkelten Beinen, die er mit seinen Armen umschlungen hatte, auf Severus' Sofa, während Voldemort schweigend neben ihm saß und zuhörte. Es war seltsam, dass ihm wirklich einmal jemand zuhörte, der nicht Felice hieß. Doch es hatte gleichzeitig etwas äußerst tröstendes an sich.

„Sie glaubten, ich würde nichts verstehen. Sie glaubten, ich würde nichts lieber tun, als mit Bauklötzen zu spielen und dem Besen meines Vaters zu fliegen. Als sie irgendwann bemerkten, dass ich daran nur begrenzt Interesse hatte, kamen sie zu der Überzeugung, ich sei krank und bräuchte medizinische Unterstützung.“
 

Er schüttelte seufzend mit dem Kopf, bevor ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht erschien. „Es war schließlich Sirius, der verstand, dass ich keineswegs krank war, sondern einfach anders. Er begann mir aus Spaß das Lesen beizubringen und war entzückt, als ich mir tatsächlich etwas merkte.“

„Wie alt warst du damals?“, fragte der dunkle Lord.

„Vier.“

„Das ist beeindruckend.“

Harrys Lächeln wurde breiter und in seinem Bauch breitete sich ein warmes Gefühl aus. Ihm wurde klar, dass er es mochte, von dem Mann gelobt zu werden. Aber wer würde es nicht mögen?
 

„Als er meinen Eltern davon erzählte, wollten sie ihm zunächst nicht glauben, doch dann waren sie begeistert und ab sofort begannen sie damit, mich als kleines Genie zu feiern und mich zu unterrichten. Wobei es kein richtiger Unterricht war, es kam mir vielmehr vor wie ein Spiel. Aber ich lernte viel und ich denke, ich war glücklich.“

„Aber dann hat es sich geändert.“ Es war keine Frage.

„Es war kurz nach meinem fünften Geburtstag“, bestätigte Harry und starrte mit leeren Blick geradeaus. „Dumbledore kam zu Besuch. Sie schickten mich ins Bett, aber ich war neugierig, deshalb schlich ich mich hinunter. Er erzählte ihnen, dass sie herausgefunden hätten, dass Ihr damals zu uns gekommen wärt, um mich zu töten, als Ihr auf dem Weg zu Neville gewesen seid. Er sagte, dass Ihr nicht vollkommen besiegt worden wart und planen würdet, zurückzukehren. Er meinte, dass Ihr dann wieder versuchen würdet, mich zu finden, um...“

„...dich zu töten?“, beendete er seinen Satz.

Harry nickte. „Sie haben ihm natürlich geglaubt und waren furchtbar aufgeregt. Aber sie hatten nie davon gesprochen, mich zu verlassen. Selbst, wenn sie über eine Flucht sprachen, war ich immer mit eingeschlossen. Es war Dumbledore, der sie schließlich dazu überredet, dass es besser wäre, sich von mir zu trennen.“
 

Langsam wandte er seinen Kopf zu Voldemort um und lächelte. „Ich bin damals dumm gewesen, Mylord. Ich hatte wirklich geglaubt, sie würden nicht auf ihn hören. Ich hatte geglaubt, sie würden niemals ohne mich gehen. Aber sie haben es getan.“ Gähnend streckte er seine Beine aus und legte sie auf einen Hocker, der vor dem Sofa stand, ehe er seine Arme hinter seinem Kopf verschränkte und an die Decke starrte. „Erst als ich meinen Vater mit Lucius reden hörte, wurde mir klar, dass es ernst war. Seitdem wartete ich jeden Tag darauf, dass sie eines Tages weggehen und nicht mehr wiederkommen würden und genau das geschah.“
 

Aus seinen Augenwinkeln sah er, wie Voldemort die Stirn runzelte. „Du hast also gewusst, dass Lucius einen unbrechbaren Schwur geleistet hat? Warum hast du ihn dann nicht viel früher zur Rede gestellt? Warum erst jetzt?“

Als Harry diesmal lächelte, war es bitter. „Weil ich gewartet habe. Ich habe jeden einzelnen, verdammten Tag darauf gewartet, dass er von selbst zu mir kommt und es mir erzählt. Ich wollte es von ihm hören. Ich wollte, dass er mir die Wahrheit sagt und mir versichert, dass es keine Rolle spielt, weil ich trotzdem zu seiner Familie gehöre. Ich habe mir vieles gewünscht als Kind... und manchmal auch jetzt.“ Seufzend schloss er die Augen. „Das ist die ganze Geschichte. Eigentlich weiß ich nicht einmal, warum ich sie Euch erzählt habe. Sie ist weder interessant, noch wichtig.“

„Das stimmt nicht“, widersprach ihm der dunkle Lord mit einem Tonfall, der Harry dazu brachte, seine Augen wieder zu öffnen und zu ihm zu sehen.

Im Moment schien er die personifizierte Ernsthaftigkeit zu sein und irgendwie verlieh ihm das etwas furchtbar anziehendes. Unwillkürlich musste er schlucken. Dieser Mann schaffte es immer wieder, ihn aus der Fassung zu bringen.
 

„Was stimmt nicht?“, fragte er leise, um das Zittern seiner Stimme zu verbergen. Er bekam es natürlich trotzdem mit und in den roten Augen begann etwas zu blitzen. Harry ahnte schlimmes.

„Deine Geschichte ist interessant und wichtig“, sagte er bestimmt. „Du bist mir wichtig.“

Harry senkte den Blick und begann heftig mit seinem Kopf zu schütteln. „Bitte nicht. Ich wurde in den letzten Jahren genug belogen. Fangt Ihr bitte nicht auch noch damit an.“

Voldemort seufzte und fuhr sich erschöpft durchs Haar. „Was muss ich nur tun, damit du mir glaubst?“, fragte er. „Was muss ich tun, damit du nicht alles in Frage stellst, was ich sage oder tue? Ich habe wirklich versucht, es allein herauszufinden, aber dennoch finde ich keine Antwort.“
 

Harry rollte sich wieder zu einer Kugel zusammen und starrte düster auf die gegenüberliegende Wand. „Ich weiß nicht, ob ich in der Lage bin, zu glauben. Ich bin wahrscheinlich einfach nicht dafür geschaffen. Aber ich danke Euch, dass Ihr die Halloweenfeier verlassen habt, um Euch mein Gejammer anzuhören. Das ist ein unerwartet guter Zug an Euch, Mylord.“

Plötzlich wurde ihm eine Hand auf die Schulter gelegt, was ihn heftig zusammenzucken ließ. Voldemort kommentierte dies mit einer gehobenen Augenbraue. „Bist du sicher, dass du mit deinen Sorgen schon fertig bist? Mir kommt es so vor, als würde dich noch etwas beschäftigen.“
 

Harry hasste sich dafür, dass er seinen Blick nicht von ihm abwenden konnte. Er dufte ihn nicht ansehen. Wenn er ihn ansah, wurde er schwach. Wenn er ihn ansah, hatte er verloren. Wenn er ihn ansah... glaubte er. Doch er durfte nicht glauben. Glauben tat weh. Glauben zerbrach dir dein Herz. Glauben trieb dich in die tiefsten Abgründe. Glauben... war falsch.

Denn früher oder später fand man immer heraus, dass man an eine Lüge geglaubt hatte.
 

Doch seine Hand war warm und seine Augen waren so wunderschön. Dieser ganze Mensch war wunderschön und selbst wenn seine Seele noch so dunkel war, könnte es nicht sein, dass er sie mit seinem eigenen Licht erhellen konnte?

Er erinnerte sich an den Moment, als ihre Geister eins gewesen waren.

Damals hatte er sich ganz gefühlt. Vollkommen. So, als wäre er zu Hause angekommen. Vielleicht war es ja ausnahmsweise gar nicht so falsch, zu glauben.

//Er ist der dunkle Lord//, rief sein Verstand, schrie er beinahe. //Du darfst ihm nicht trauen! Er wird dir weh tun! Er wird dich benutzen! Er ist an dir eigentlich gar nicht interessiert!//
 

Da fiel ihm auf, wie sich eine von Voldemorts Strähnen gelöst hatte und frech in sein Gesicht fiel. Wie in Trance hob er seine Hand und schob sie vorsichtig hinter sein Ohr. Der Griff auf seiner Schulter verfestigte sich, als Harry das Ohr versehentlich berührte und aus irgendeinen Grund brachte er es nicht über sich, sich wieder von ihm zu lösen. So saßen sie da, durch ihre Hände miteinander verbunden und doch so weit voneinander entfernt und sahen sich gegenseitig in die Augen.

Es gab nichts zu sagen, nichts zu denken, nichts zu tun. Für diesen Augenblick waren sie in der Gegenwart des Anderen gefangen und keiner von ihnen hatte den Wunsch, sich daraus zu lösen.

Doch plötzlich spürte Harry, wie eine einzelne Träne über seine Wange lief. Daraufhin vergrub er seine Hand in Voldemorts Haar und senkte den Kopf.
 

„Warum?“, flüstere er, während die Träne an seinen Mundwinkel vorbeilief. „Warum lebe ich noch? Warum habt Ihr mich damals nicht getötet?“

Die Hand auf seiner Schulter entfernte sich und stattdessen wurde er in eine feste Umarmung gezogen.

„Weil ich es nicht konnte“, hauchte er ihm ins Ohr. „Weil ich es niemals können werde.“
 

Harry ließ sich in seine Umarmung fallen und vergrub sein Gesicht in seiner Brust. Doch er weinte nicht. Irgendwann braucht Trauer keine Tränen mehr. Irgendwann war das reine Leben genug.

Sobald man diesen Zustand erreicht hatte, war man bereit, loszulassen. Und vielleicht – aber nur vielleicht – war man auch bereit, zu vergeben.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Schließlich – nach langem Schweigen – sprach Remus und als er es tat, zuckten Lily und James zusammen: „Ihr seid selbst daran schuld.“

Seine Stimme war kalt, abweisend, verletzt. Aber damit hätten sie rechnen müssen. Es war ihre Schuld, dass er zehn Jahre lang in Askaban gewesen war. Wegen ihnen hatte er leiden müssen. Von ihm durften sie kein Mitgefühl erwarten.

„Was habt ihr euch überhaupt gedacht?“, fuhr er fort. „Dass ihr wiederkommt und alles so wie früher wird? Dass Harry euch in die Arme fällt und ihr wieder eine glückliche Familie werdet? Dass ich euch in die Arme falle?“ Er schüttelte mit den Kopf. „Wir haben beinahe elf Jahre ohne euch leben können. Der Rest unseres Leben wären wir auch ohne euch klar gekommen.“
 

„Aber Remus!“, widersprach ihm James, „wir haben es dir doch erklärt: es ging um Harry! Es war die einzige Möglichkeit, ihn zu schützen!“

„Es war nicht die einzige Möglichkeit“, widersprach er ihm. „Und sicher nicht die beste. Dadurch, dass Harry bei den Malfoys aufgewachsen ist, hat er ein Gespür für die dunklen Künste bekommen. Ihr habt ihn genau dorthin getrieben, wovor ihr ihn hattet schützen wollen. Ich habe Gerüchte gehört. Es heißt, dass Voldemort bereits ein Auge auf ihn geworfen hat. Er will ihn nicht mehr töten. Er will ihn für sich und Harry ist intelligent genug, um zu wissen, dass er seinen Wunsch nicht einfach ausschlagen kann. Ihr habt ihn verloren und um ehrlich zu sein, gönne ich das euch. So seht ihr wenigstens, was ihr angerichtet habt.“
 

Lily schloss die Augen, während James ihn seufzend ansah.

„Unsere Freundschaft ist also an ihrem Ende angelangt?“, fragte er. „Weil ich ein Idiot gewesen bin? Das ist bedauerlich. Ich glaubte, wir wären stärker.“

„Zehn Jahre Askaban lassen dich schwach werden“, entgegnete Remus. „Doch du kannst es nicht wissen. Du bist in der Weltgeschichte herumspaziert und hast dich wahrscheinlich dabei bestens amüsiert.“

Lily öffnete den Mund, um zu protestieren, doch ihr Mann hob die Hand. „Lass es. Mit den Verbitterten sollte man nicht streiten.“

Sofort ließ sie ihren Mund wieder zuschnellen, während Remus ihm einen bösen Blick zuwarf. „Geht“, zischte er. „Ich kann euren Anblick nicht ertragen. Nicht jetzt und vielleicht auch niemals mehr. Also geht.“

James nickte seufzend und erhob sich. „Gut, wenn dies dein Wunsch ist...“

„Das ist er.“

„...werden wir dich nicht länger behelligen. Aber wenn du jemals deine Meinung änderst... du weißt, wo du uns finden kannst.“
 

Schweigend sah Remus dabei zu, wie Lily eilig aufsprang und ihm mit besorgter Miene aus dem Haus folgte. Kurz darauf hörte er zwei Appariergeräusche, woraufhin er endlich seine Schultern entspannte und sich erschöpft auf seinem Sessel zurücklehnte. Eigentlich hatte er Halloween in Hogwarts feiern wollen, aber Albus hatte darauf bestanden, dass er für ein paar Tage nach Hause ging und sich ausruhe, nicht zuletzt, weil bald Vollmond war und es ihm sicher gut täte, „seinen Werwolf herauszulassen“.

Anfangs hatte er tatsächlich geglaubt, der Mann hätte es gut gemeint, doch als er Lily und James vor seiner Tür gesehen hatte, war er sich nicht mehr so sicher gewesen.

Wenn wenigstens Sirius hier wäre! Er war besser für solche Dinge geeignet.

„Wo bist du nur?“, flüsterte er. „Warum kommst du nicht zurück?“

Dreaming Of You

Hallo, alle zusammen!

Ich hoffe, ihr habt die letzten TCE-freien Wochen gut überstanden, aber ich hatte euch ja angekündigt, dass es jetzt immer etwas unregelmäßig werden wird, also möchte ich keine Beschwerden darüber hören. ^.~

Und immerhin gibt es heute, zur Weltpremiere von Harry Potter und die Heiligtümer des Todes Teil 1 ein neues Kapitel! Ich bin ja ehrlich gesagt schon gespannt, wie der Film wird... die Trailer sehen ja gut aus, aber andererseits haben sie das immer...

Wie auch immer, ich schweife ab. Deshalb gibt es jetzt eine große Ankündigung zu machen: TCE hat eine Beta!!!! ^o^

Robino hat sich dazu bereiterklärt, die FF noch einmal gründlich durchzunehmen und untersucht sie sehr erfolgreich auf Rechtschreib- und Logikfehler. Das heißt, die neuen Kapitel (dieses eingeschlossen) werden ab sofort immer gebetat sein und die vorhergegangen werden noch einmal überarbeitet werden, damit alles schön fehlerfrei ist. Noch einmal ein großes Dankeschön an dich, Rob! *knuddel *

Außerdem möchte ich wie immer allen Kommischreibern vom letzten Kapitel danken! *jedem Cookies hinstell*

In diesem werden wir noch einmal einen deprimierten Harry sehen, aber ab dem nächsten wird er wieder zu seinem alten Selbst zurückkehren, versprochen. ^^

Doch bis dahin wünsche ich euch erst einmal viel Vergnügen mit diesem Kapitel!

Bis bald,

eure Ayako
 

P.s.: Meine Muse arbeitet mit Musik. Falls ihr also jemals über etwas stoßen solltet, von dem ihr glaubt, dass es zu TCE passt, scheut euch nicht, es mir mitzuteilen. Ich freue mich immer über Musik. ^o^

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Dreaming Of You
 

Mitten in der Provence am Ende der großen Lavendelfelder, am Fuße eines Weinberges hatte sich vor vielen Jahren die Familie Black niedergelassen, um dort ihren Weinanbau zu betreiben, der innerhalb weniger Jahre zu einer ihrer wichtigsten Einnahmequellen wurde. Französischer Wein zu englischen Preisen lautete ihre Devise und dieses Schlagwort hatte sich bis heute nicht geändert.

Um ihr Geld richtig zu nutzen, hatte die Familie eine Villa erbauen lassen, die von vielen Einheimischen neidisch betrachtet wurde. Sie war eine „Meisterleistung architektonischer Baukunst“, wie die Älteren unter ihnen zu behaupten pflegten und der ideale Ort, um dort seine Ferien zu verbringen oder um vor den Pflichten des Lebens zu flüchten.
 

Momentan hatte sie zwei dauerhafte Bewohner: Regulus Black, der angeblich eine überaus gute Beziehung zu Monsieur de ministre Delacour hatte und dessen Hund Schnuffel, dem nichts besseres einfiel, als unschuldige Spaziergänger, die mehr oder weniger zufällig an der Villa vorbeikamen, zu erschrecken.

Doch wenn man davon einmal absah, war der junge Monsieur Black ein vernünftiger, guter Mann, den man ohne weiteres in der Nachbarschaft akzeptieren konnte. Nicht zuletzt, weil er jederzeit bereit war, einem Vorbeikommenden ein Glas des guten Weines anzubieten, den seine Familie nach wie vor produzierte.
 

Das Einzige, was allen spanisch vorkam, war die junge Mademoiselle Poulain, die in dem Haus ein und aus ging, als würde es ihr selbst gehören. Auch heute konnte man sie wieder den Weg entlanggehen sehen. Seltsam, müsste sich nicht eigentlich in der Schule sein? Man erzählte sich zwar, dass sie eine Weile krank gewesen sei, doch inzwischen sah sie alles andere als krank aus. Vielmehr gesund und putzmunter. Was also hatte sie hier zu suchen?
 

Felice seufzte, als sie die Gedanken der Leute hörte, die ihren Weg zur Blackvilla beobachteten. Manchmal hasste sie es, Empathin zu sein, besonders, wenn die Leute nichts besseres zu tun hatten, als über sie zu tratschen. Es war nicht so, als hätte sie es sich ausgesucht, die Schule zu verlassen. Im Gegenteil, sie hätte ein paar weitere Jahre in Beauxbaton genossen, doch es sollte nicht sein.

//Ich bin eine Empathin//, dachte sie //und Empathen haben Pflichten, die wichtiger sind, als ihre eigenen Wünsche.//

Wenigstens war Regulus bereit, für ihre Bildung zu sorgen. Er war so ein guter Mensch. Was würde sie nur ohne ihn tun? //Vermutlich Harry nerven//, dachte sie kichernd, bevor sich erneut Sorge in ihr ausbreitete. Harrys Briefe waren in letzter Zeit sehr beunruhigend gewesen. Die ganze Angelegenheit hatte ihn offenbar mehr mitgenommen, als sie es erwartet hatte. Doch er würde damit fertig werden. Es war nicht sein Schicksal, an so etwas zu zerbrechen.
 

Langsam ging sie auf den Haupteingang der Villa Black zu und öffnete die Tür. Sofort strömte ihr der angenehme Duft von Büchern und Pergamenten entgegen, sowie der charakteristische Geruch von Räucherstäbchen. Das ganze Haus war erfüllt von einer einladenden Wärme und überall standen Pflanzen, die alles äußerst angenehm erscheinen ließen. Felice liebte diesen Ort. Er war perfekt. Er hatte die nötige Ruhe, die nötige Atmosphäre, den nötigen Standort, um als Empath zu überleben. Bücher, um Wissen zu erlernen, Pflanzen, um Leben zu geben, große Räume, um den Geist wandern zu lassen. Und darüber hinaus die Weite des Meeres, nur ein paar hundert Meter weiter, nicht zu vergessen die Höhe des Berges, an dessen Fuß dieses Gebäude stand. Kein Wunder, dass Regulus hierher gekommen war. Es war die einzige Heimat, die er haben könnte. Die einzige Heimat, die sie haben könnte.
 

„Regulus?“, rief sie, während sie ihren Mantel auszog. Es war Herbst, bald würde der Winter kommen und selbst in Südfrankreich konnte es kalt werden. Und Regulus hatte Recht, auch wenn sie inzwischen wieder gesund war, die nächste Erkältung würde kommen und momentan war es keine gute Idee, es darauf anzulegen. Zwei Monate Bettruhe ließen dich vorsichtig werden.

„Regulus?“, rief sie abermals, während sie langsam damit begann, die Räume nach ihm abzusuchen. „Bist du da?“

Offenbar nicht. Sie konnte ihn nirgends finden. Weder mit ihren Augen, noch mit ihrem Geist. Ob er immer noch im Ministerium war?
 

Doch jemand anderes war da und er stürzte sich mit einem lauten Bellen auf sie, sobald sie Regulus' Arbeitszimmer betrat.

„Sirius!“, rief sie lachend und begann damit, den Hund, der allgemein als Schnuffel bekannt war, zu streicheln. „Hör auf damit!“

//Warum sollte ich?//, fragte er in seinen Gedanken. //Es ist nun einmal meine einzige Möglichkeit, dir zu zeigen, wie sehr ich dich mag!//

„Lass das lieber Regulus nicht hören“, riet sie ihm grinsend. „Er würde dir das Fell abziehen.“

//Ja, er war schon immer so besitzergreifend//, erwiderte Sirius, doch er glitt zurück auf seine vier Pfoten und sah mit braven Hundeaugen zu ihr auf. //Du hast wirklich besseres als ihn verdient, Fel. Such dir irgendeinen jungen, knackigen Junggesellen in deinem Alter und lass ihn links liegen.//
 

„Du bist immer so nett zu deinem Bruder“, bemerkte sie mit einer Spur Sarkasmus in der Stimme. „Dabei solltest du ihm dankbar sein. Immerhin lässt er dich hier wohnen und gewährt dir Unterschlupf, obwohl er dich genauso gut nach Askaban hätte schicken können. Du weißt, in was für Schwierigkeiten er gerät, wenn sie herausfinden, dass er dich versteckt hat, oder?“

Der Hund gab ein verlorenes Winseln von sich. //Mach mir ruhig ein schlechtes Gewissen. Das könnt ihr Empathen ja am Besten! Immerhin wisst ihr genau, was ihr zu uns sagen müsst, um uns schlecht fühlen zu lassen.//

„Und wir sind die Einzigen, die mit dir kommunizieren können“, erinnerte sie ihn. „Sei froh, dass deine Gedanken menschlich sind, ansonsten hättest du niemanden, den du volljammern könntest.“
 

Denn Empathen waren nur empfänglich für menschliche Gedanken. Tiere waren für sie ebenso stumm wie die Mauern eines Hauses. Deshalb wussten sie stets sofort, wenn sie einen Animagus vor sich hatten. Was praktisch sein konnte, wenn man etwas tat, was besser nicht an die Öffentlichkeit geraten sollte.

//Fel?//, fragte Sirius plötzlich mit einer ungewöhnlichen Ernsthaftigkeit. Sie sah ihn an, den schwarzen Hund, den viele mit einem Grimm verwechseln würden. Sie passte gut zu ihm, diese Animagusform. Auch, wenn sie sich hüten würde, ihm das mitzuteilen.

//Fel//, wiederholte er abermals, seine Augen frei von jeglichen Emotionen. //Hast du wieder etwas von Harry gehört?//
 

Sofort wurde auch ihr Gesicht völlig ausdruckslos, was für sich Antwort genug war. Dennoch sagte sie: „Nein. Ich habe nichts gehört.“

Was an und für sich kein Grund zur Besorgnis war. Harry hatte im Moment so viel um die Ohren, natürlich konnte er ihr da nicht jeden Tag einen Brief schreiben. Aber warum hatte sie trotzdem das ungute Gefühl, dass irgendetwas ganz und gar nicht stimmte?

//Er wird sicher bald wieder schreiben//, versuchte Sirius sie zu beruhigen – sie beide zu beruhigen. //Mach dir keine Sorgen.//

Sie hoffte, dass er Recht hatte. Sie hoffte es wirklich. Aber manchmal war Hoffen einfach nicht genug.
 

Das Schicksal war süchtig nach Unterhaltung und es gab nichts langweiligeres als ein Happy End.
 

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Das Schicksal ist süchtig nach Unterhaltung und es gibt nichts langweiliges als ein Happy End. Ist dies der Grund, warum es zuließ, dass wir uns trafen?
 

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Nacht. Eine dunkle Stadt. Das Licht der Straßenlaternen gedämpft, so als hätte ihnen jemand verboten, Licht zu erzeugen, weshalb sie nur heimlich leuchten durften. Regen, der langsam vom Himmel fiel und laut auf die gepflasterte Straße traf. Niemand war zu sehen. Nichts war zu sehen. Es war, als wäre jedes Leben ausgelöscht worden.
 

Harrys Atem ging rasch und unkontrolliert, während seine Füße auf die Pfützen trafen, die überall auf der Straße verteilt waren. Wie kleine Wasserfontänen spritzte das Wasser nach allen Seiten, während er weiterlief, schnell lief, rannte, flüchtete. Oder war am Ende er der Verfolger?

Es war eine schreckliche Stadt, unheimlich, unangenehm. Die Einsamkeit und der Tod, die beide von ihr ausgingen, waren schlimmer, als alle Monster dieser Welt, sogar schlimmer noch als der Kadaver, den er sonst in seinen Träumen sah. Aber vielleicht lag es auch nur daran, dass er mit diesen Dingen bereits mehr als genug vertraut war. Menschen wie er, waren immer damit vertraut.
 

Plötzlich, als wäre er durch ein unsichtbares Portal gelaufen, änderte sich die Umgebung und er kam verblüfft zum Stillstand. Nun war er in einem alten, dunklen Gebäude, ebenfalls ohne Licht. Vor ihm erstreckte sich ein langer Korridor. Links reihte sich eine Tür an die Andere, doch sie waren alle fest verschlossen und ließen sich nicht öffnen, so sehr er auch an ihnen zog und rüttelte. Rechts waren Fenster, die einen dunklen Wald zeigten. Der Regen war stärker geworden und es blitzte. Ein Gewitter hatte begonnen.
 

Irgendwo in der Ferne konnte er die traurige Melodie eines Pianos hören. Irgendwo in diesem Haus. Es war ein schrecklicher Klang, ein scheußlicher Klang. So, als wollte ihm jemand damit das Herz herausreißen. Oder riss die Person es sich selbst heraus?

Ohne es kontrollieren zu können, begannen seine Beine sich wie von selbst zu bewegen, direkt in die Richtung, aus der der Klang des Instrumentes zu kommen schien.

Langsam schritt er durch lange Korridore, vorbei an tausend Portraits, deren Bewohner verschwunden waren, sodass nur noch leere, tote Hintergründe übrig blieben. Er folgte Treppen, die allesamt nach unten führten, bis er schließlich in einem Kreuzgang ankam. Hier draußen war es kalt und ein eisiger Wind schlug ihm den Regen entgegen, der sich wie tausend Nadelspitzen anfühlte, die unbarmherzig in seine Haut drangen. Doch er achtete nicht weiter auf den Schmerz. Seine ganze Aufmerksamkeit lag in dem Garten, der von dem Kreuzgang umschlossen wurde.
 

Efeu rankte an den Säulen entlang, das Gras war hoch, so als hätte sich schon lange niemand mehr um diesen Ort gekümmert. Auch die Büsche, die früher einmal gepflegt und hübsch anzusehen gewesen sein mochten, waren groß und unzähmbar geworden. Blumen fand er keine.

Ein kleiner Pfad schlängelte sich durch das Gras, direkt bis zur Mitte durch, wo ein großer, schwarzer Flügel stand. An ihm saß Tom.

Er war jünger als Harry ihn kannte und zu tief in sein Spiel vertieft, um ihn zu bemerken. Harry fragte sich unwillkürlich, ob er wirklich Klavierspielen konnte oder ob es nur ein Hirngespinst seiner Fantasie war.

Ein neuer Blitz erhellte die Nacht und für einen Moment konnte er die Augen des Pianisten sehen. Sie waren rot, aber nicht auf Grund seiner normalen Farbe. Dieser... Junge hatte geweint. Oder tat er das immer noch?
 

Vorsichtig trat er einen Schritt nach vorne und wollte bereits in den strömenden Regen treten, als eine Stimme neben ihm sagte: „Es ist sinnlos. Er wird dich ohnehin nicht bemerken.“

Es war eine blonde Frau, die ihm als eine Mischung aus Felice und Luna vorkam. Im Grunde hatte er damit Recht. Die beiden waren tatsächlich eng mit ihr verbunden, doch das sollte er erst zu einem späteren Zeitpunkt herausfinden.

Ihr Körper war in ein weißes, luftiges Kleid eingehüllt und ihre Augen waren erfüllt von einer tiefen Trauer und Weisheit, die kein Mensch begreifen konnte. Sie stand nur ein paar Schritte von Harry entfernt und erwiderte seinen Blick schweigend.

„Wer bist du?“

Die Andeutung eines Lächelns erschien auf ihrem Gesicht, das so alt und gleichzeitig so jung erschien. „Für die Welt: Alles was war, ist und sein wird“, erklärte sie. „Aber du darfst mich Mira nennen.“
 

Harry nickte, als würde er verstehen – vielleicht tat er das tatsächlich – ehe er sich wieder zu Tom umwandte der inzwischen seine Augen geschlossen hatte und mit einem Lächeln weiterspielte. Was war das hier? Ein einfacher Traum? Dafür war es zu real. Also was dann? Die Vergangenheit? Und warum saß er mitten im Regen? Warum spielte er dieses schreckliche Lied, bei dem Harry das Herz zersprang? Wo waren sie?

Fragen über Fragen. Am Ende war es wahrscheinlich wirklich nur ein Traum.
 

„Das ist Tom Riddle“, sagte Mira plötzlich, „wie er war, bevor er zu Lord Voldemort wurde. Ein guter, vielversprechender Junge. Hübsch, charmant, mit einer großen Zukunft und die hat er bekommen, oh, das hat er in der Tat. Doch leider hat er die Kraft des Tötens erlangt. Zu schade. Ihr beide hättet so großartig werden können... doch dem Schicksal war wohl wieder einmal langweilig.“

Harry sah sie stirnrunzelnd an. „Was meinst du damit?“

„Töten ist böse, Harry“, verkündete sie sanft. „Egal, zu welchem Zweck, es ist immer böse. Niemand hat das Recht, etwas aus dem Leben zu reißen, das durch höheren Willen dorthin gesetzt worden ist. Tom hat es bereits einmal gelernt, als er Neville töten wollte. Er wird es wieder lernen, sobald er selbst zum Opfer seines Übermuts geworden ist.“

„Aber was ist, wenn der Mord einem höheren Zweck dient?“, fragte Harry, der aus irgendeinem Grund das Gefühl hatte, Tom verteidigen zu müssen. „Was, wenn man damit Menschen retten kann?“

Sie lächelte. „Würdest du mit dem Wissen leben wollen, dass wegen dir ein Mensch getötet wurde?“
 

Plötzlich hörte Tom auf zu spielen und eine unheimliche Stille legte sich über den Kreuzgang. Selbst der Regen schien mit einem Mal aufgehört zu haben. Harry blinzelte und stand plötzlich mitten in der Dunkelheit. Offenbar war es Zeit, aufzuwachen. Doch eines gab Mira ihm noch mit auf den Weg, bevor er ging: „Glaubst du allen Ernstes, dass es so etwas wie einen höheren Zweck wirklich gibt?“
 

Im nächsten Moment sah er Severus' besorgtes Gesicht, das einen erleichterten Ausdruck annahm, sobald er erkannte, dass er wach war. Als er seinen Kopf etwas drehte, konnte er erkennen, dass er offensichtlich im Krankenflügel von Hogwarts lag. Hinter Severus standen Dumbledore, Remus und seine Eltern – seine richtigen Eltern, Lily und James – und auch sie schienen erleichtert zu sein. Okay...?
 

„Harry“, flüsterte Severus. „Kannst du mich hören?“

Ja, das konnte er. Die Stimme des Älteren hallte in seinem Kopf wider, als säße er neben den Turbinen eines Flugzeuges. Überhaupt schien ihm alles weh zu tun. Sein Kopf, seine Arme, seine Beine, sein Bauch... und ihm war seltsam kalt. Woran mochte das nur liegen?

Er sah den Zaubertrankmeister fragend an, der sofort verstand: „Du bist an dem Tag nach Halloween nicht aufgewacht. Ich habe alles mögliche versucht, aber du hast nicht einmal mit der Wimper gezuckt. Hättest du nicht vor Fieber geglüht, hätte ich geglaubt, du wärst tot. Seitdem sind drei Tage vergangen. Du warst zwar zwischendurch immer wieder wach, aber dein Geist schien abwesend zu sein. Wir haben dich nach Hogwarts gebracht, da das St. Mungos derzeit überfüllt ist und wir glaubten, dass es besser wäre, wenn du in einer gewohnten Umgebung aufwachen würdest.“
 

Okay, das erklärte seinen Aufenthaltsort und die Erwachsenen, die sich inzwischen um sein Bett aufgebaut hatten. Aber warum lag er hier?

„Nervenzusammenbruch“, erklärte ihm Severus sofort hilfsbereit. Manchmal war Legilimentik doch nicht so unpraktisch. „Nach allem, was du in den letzten Tagen erfahren hast und durchmachen musstest, war es nur eine Frage der Zeit. Es wundert mich ehrlich gesagt, dass du nicht schon eher zusammengebrochen bist.“

Wie nett. Harry funkelte ihn an. Selbst, wenn es stimmte, er musste es nicht so deutlich ausdrücken.

Doch anstatt reuevoll zu wirken, wie es sich gehörte, erschien die Andeutung eines Lächelns auf Severus' Gesicht. „Es ist gut, dich so zu sehen. Das bedeutet, du hast das schlimmste überstanden.“
 

„Bist du dir sicher, Sev?“, fragte Lily und trat neben ihn. „Er hat immer noch kein Wort gesagt.“

„Ich würde auch kein Wort sagen, wenn die Personen anwesend wären, die ich momentan am Wenigsten bräuchte“, knurrte Remus. „Habt ihr nicht genug angerichtet? Könnt ihr Harry nicht einmal jetzt in Frieden lassen, wo er sich erholen sollte?“

Die Rothaarige wirbelte herum und Harry wusste, dass ihre Augen so tödlich wirken mussten, wie ein Avada Kedavra. „Er ist mein Sohn“, zischte sie. „Ich bin seine Mutter. Wenn er jemanden braucht, dann mich!“

„Du bist der Grund, warum er krank ist!“, konterte Remus. „Wegen dir liegt er dort! Wenn er also überhaupt etwas von dir braucht, dann, dass du verschwindest.“
 

Harry blinzelte. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass er momentan niemanden von ihnen brauchte. Ihre Stimmen taten ganz schön weh. War es normal, bei einem Nervenzusammenbruch Fieber und Kopfschmerzen zu haben? Andererseits war er immer noch ein Zauberer. Also spielten wahrscheinlich nicht nur seine Nerven, sondern auch seine Magie verrückt.

In diesem Augenblick kam Madam Pomfrey angewuselt und warf dem Werwolf und seiner Mutter einen bösen Blick zu. „Seien sie gefälligst leiser! Der arme Junge muss mittlerweile schon ohne Ihrem Geschrei schreckliche Kopfschmerzen haben.“ Vorsichtig stellte sie sich neben Harrys Bett und legte eine Hand auf seine Stirn. „Ah, schon besser“, sagte sie nickend. „Dein Fieber ist gesunken und deine Kopfschmerzen werden auch bald verschwunden sein. Ein paar Tage Bettruhe, etwas Entspannung und dann wirst du nächste Woche wieder mit allen anderen am Unterricht teilnehmen. Severus, ich werde noch ein paar Tränke brauchen...“
 

„Natürlich“, erwiderte der Zaubertrankmeister. „Ich werde mich sofort darum kümmern.“

„Tu das“, sagte sie abwesend, während sie Harry half, sich aufzusetzen und ihm einen widerlich schmeckenden Trank einflößte. Danach stellte sie die Kissen so auf, dass er aufrecht sitzen konnte und sah ihn prüfend an. „Ist dir kalt? Gut, ich werde dir gleich ein paar Wärmflaschen bringen. Sie sind immer besser, als jeder Wärmezauber der Welt.“ Mit einem eisigen Blick wandte sie sich Dumbledore zu, der wie James das Geschehen bisher schweigend observiert hatte und sich wahrscheinlich seinen Teil dachte. „Albus, du magst Leiter dieser Schule sein, doch ich würde dich bitten, zu gehen. Wir beide wissen, dass es für dich keinen Grund gibt, dich weiter mit ihm zu beschäftigen und es ist auch für Harry besser, wenn er sich nur auf seine Familie und Paten konzentrieren muss, denkst du nicht auch?“

„Natürlich, Poppy“, entgegnete er sanft, den Blick auf Harry gerichtet. Der Schüler kannte diesen nur zu gut. Er hatte ihn seit seinem ersten Tag in Hogwarts ertragen müssen. „Gute Besserung, Harry.“
 

Gemeinsam mit Severus verließ er den Krankenflügel und auch Madam Pomfrey verschwand wieder in ihrem Zimmer, weshalb nur seine Eltern und Remus zurückblieben. Harry wünschte sich, einer der anderen wäre geblieben. Er hatte keine Ahnung, wie er mit einem wütenden Werwolf und zwei sturen Streithälsen in diesem Zustand fertig werden sollte. Glücklicherweise hatten sie sich dazu entschieden, nun zu schweigen, weshalb er die Zeit dazu nutze, seine Eltern genauer zu betrachten. James sah ihm ähnlich – oder sah er James ähnlich? – dunkles Haar, wenn auch unordentlicher als sein eigenes, leuchtende Augen, wenn auch die falsche Farbe, charakteristische Pottergesichtszüge – wie Severus sie zu nennen pflegte. Er war groß, größer als Harry jemals sein würde und wirkte wie ein sympathischer, fröhlicher Mensch, der ohne große Mühe Freundschaften schließen konnte. Er wäre ein großartiger Vater gewesen.
 

Lily hatte sich auf Harrys Bettkante gesetzt und betrachtete ihn besorgt. Sie sah anders aus, als Laura Evans. Ihre Augen waren immer noch grün, aber um einiges heller als ihre eigenen. Auch ihr Haar hatte einen helleren Rotton angenommen und in ihren Gesichtszügen konnte er ein paar der seinen wiedererkennen. Sie war relativ klein für ihr Alter, wahrscheinlich genauso klein wie er selbst, doch irgendetwas sagte ihm, dass ihr Temperament das wieder wegmachen würde. Sie war eine großartige Mutter gewesen. Doch die Betonung lag bedauerlicherweise auf dem „war“. Er bezweifelte, dass er die beiden je wieder völlig als seine Eltern sehen würde. Um ehrlich zu sein bezweifelte er, überhaupt je wieder jemanden als seine Eltern sehen zu können.
 

„Harry“, sagte Lily sanft und streckte ihre Hand aus, um ihm durchs Haar zu fahren, doch er wandte den Kopf ab und sie war intelligent genug, um zu begreifen, was er damit ausdrücken wollte. Mit einem schmerzerfüllten Gesichtsausdruck zog sie die Hand zurück und sah schuldbewusst zu Boden.

„Es tut mir Leid“, flüsterte sie schließlich. „Wir waren furchtbare Eltern. Ich kann verstehen, dass du nichts mehr mit uns zu tun haben willst, aber... du musst verstehen, dass wir dich nicht einfach aufgeben können. Nicht jetzt, wo wir dich gerade erst wiedergefunden haben.“
 

Remus schnaubte, sagte aber nichts. Auch James schwieg weiterhin. Harry hätte zu gerne gewusst, was in seinem Kopf vor sich ging. Doch ehe er weiter darüber nachdenken musste, wurde die Tür zum Krankenflügel aufgerissen. Neugierig drehte er sich um und blinzelte mehrmals, um zu begreifen, wer dort stand. Die erste Person, die auch sofort auf ihn zu gerannt kam, war Narcissa. Ohne weiter auf Lily zu achten, ließ sie sich an seiner Seite nieder und legte beunruhigt ihre Hand auf seine Stirn. Bei ihr ließ er es zu. Sie litt unter der ganzen Sache genauso sehr, wie er selbst. „Oh, Harry“, flüsterte sie heiser. „Was machst du nur?“

Harry schenkte ihr ein schwaches Lächeln und wusste sofort, dass er Lily damit das Herz brach. Nun, sie war selbst Schuld.
 

Nun traten auch die beiden anderen Personen, die sie begleitet hatten, an sein Bett. Der eine war ein ausdrucksloser Draco, der innerlich wahrscheinlich gerade tausend Tode starb, aus Angst, dass Harry ihn zurückweisen könnte. Auch wenn sein Bruder stets hart und stolz tat, in Wahrheit hatte er einen weichen Kern, den man leicht zerbrechen konnte, wenn man nur wusste, wie.

Allerdings waren er und Narcissa Menschen, die er erwartet hatte. Doch der dritte im Bunde war eine Überraschung. Harry hätte nicht geglaubt, dass er wirklich den Mut haben würde, ihn so schnell wieder aufzusuchen oder dass Narcissa es zuließ, dass er kam, aber offensichtlich hatte er Lucius Malfoy unterschätzt.

Wie immer war es ihm unmöglich, einzuschätzen, was in dem Mann vor sich ging. Es wäre auch verwunderlich gewesen. Ein Malfoy zeigte in der Öffentlichkeit keine Gefühle. So war es schon immer gewesen und wenn es nach der Familie ging, würde es auch immer so sein.
 

Vielleicht passte er wirklich nicht in diese Familie.
 

„Was machst du denn hier?“, durchbrach plötzlich Remus' Stimme die eingekehrte Stille und er funkelte Lucius an. „Reicht es nicht, dass Lily und James Harry das Leben schwer machen? Musst du es auch noch tun?“

Narcissa drehte sich erschrocken zu dem Werwolf um, während Draco eilig an die nächste Wand flüchtete, um nicht in den anbahnenden Streit hineingezogen zu werden. Harry konnte es ihm nicht verdenken. Er selbst hätte auch keine große Lust, zwischen die beiden zu geraten.

Doch Lucius dachte nicht einmal daran, auf ihn einzugehen. Stattdessen richtete er seine kalten Augen auf Harry und betrachtete ihn schweigend. Der Junge erwiderte seinen Blick mit hochgezogenen Brauen. //Was?//

Natürlich antwortete er ihm nicht. Es schien ihm mehr Spaß zu machen, ihn mit seiner bloßen Anwesenheit zu reizen. Langsam begann er zu verstehen, warum einige Leute Spaß daran fanden, Menschen zu foltern.
 

Er wollte Lucius nicht sehen. Er wollte, dass er verschwand. Er wollte, dass er verlassen in einer verrotteten Hütte saß und fühlte, wie es war, von allen verraten und verachtete zu werden. Gefühlt hatte er es höchst wahrscheinlich zu genüge in den letzten Tagen. Allerdings hatte ihm sicher Abraxas Unterschlupf gewährt. Immerhin waren sie Vater und Sohn. In einer solchen Beziehung half man einander, stand zueinander, liebte man einander, komme was wolle.
 

Er könnte kotzen.
 

//Doch du bist nie sein Sohn gewesen. Vergiss das nicht.//

Was machte dieser Mistkerl eigentlich hier? Warum hatte Narcissa zugelassen, dass er mitkam? Hatten sie sich am Ende bereits wieder versöhnt?

Würde Narcissa ihn wirklich so verraten?

//Ist das wirklich Verrat? Hat sie nicht eher Lucius verraten, indem sie zu dir hielt, dem Eindringling in ihrer kleinen, heilen Welt?//

Wie er sich wünschte, dass dieser Kerl einfach verschwinden möge.

Sie sollten alle verschwinden. Die einzigen Personen, die er zur Zeit sehen wollte, waren Severus, Felice, Neville und – auch wenn er es am liebsten nicht wahrhaben wollte – der dunkle Lord. Aber keiner von ihnen war hier. Stattdessen musste er sich mit seiner Familie herumschlagen. Was hatte er sich eigentlich gedacht, als er sich früher gewünscht hatte, Lily und James mögen wiederkommen? Er war ein Idiot gewesen.
 

//Nein, du warst ein Kind. Ein einsames, verlorenes Kind, das sich nichts anderes gewünscht hatte, als von irgendjemanden geliebt zu werden. Daran ist nichts falsches. Jeder hätte das getan. Selbst Tom.//

Moment. Seit wann war aus dem dunklen Lord eigentlich Tom geworden?
 

„Was ist?“, fragte Remus Lucius und brachte Harry damit in die Gegenwart zurück. „Hat es dir die Sprache verschlagen? Hast du nichts zu deiner Verteidigung zu sagen? Du solltest dich schämen!“ Seine Stimme wurde lauter, was Harry erneute Kopfschmerzen verursachte. Konnte ihn nicht irgendjemand zur Ruhe bringen?

Überraschenderweise war es Lucius, der sein stummes Flehen erhörte. „Sei etwas leiser, Lupin. Deine Stimme muss für ihn momentan so laut sein, wie ein Knallbonbon.“

Dies brachte ihn sofort zum Schweigen und er drehte sich schuldbewusst zu Harry um. Plötzlich packte James den Arm des Werwolfes und warf seiner Frau einen strengen Blick zu. „Ich denke, wir sollten gehen.“

„Aber...“, sagten beide wie aus einem Mund, doch James ließ sich nicht beirren. „Wir kommen später wieder, Harry“, erklärte er seinem Sohn sanft. „Wenn du willst.“

Wollte er? Trotzdem nickte er. Es war Lucius, der seinen Hass verdiente. Nicht seine Eltern. Sie hatten es zumindest gut gemeint. Glaubte er.

Und Remus wollte ihn nur beschützen. So, wie ihn viele beschützen wollten. Doch wovor? Und wofür?

Es gab so vieles, was er nicht wusste.
 

Narcissa blieb auf seinem Bett sitzen und betrachtete ihn besorgt, während Draco vorsichtig an seine andere Seite trat und Lucius blieb, wo er war.

Sein Bruder brach schließlich das Schweigen: „Wie war das Zusammenleben mit Onkel Severus? Ich hätte nie gedacht, dass ihr beide miteinander auskommen könnt, ohne euch gegenseitig in Stücke zu reißen.“

Harry starrte ihn einfach nur an. Er hatte nicht das Bedürfnis zu sprechen. Er bezweifelte, dass er es je wieder tun wollte.

Draco seufzte nur und sah traurig zu Boden, während Narcissa ihm sanft durchs Haar fuhr.

„Wir lieben dich, Harry“, sagte sie sanft. „Du bist ein Teil unserer Familie. Du bist immer bei uns willkommen. Bitte, vergiss das niemals.“

Er schwieg weiterhin. Hatte den Blick ausdruckslos auf sie gerichtet. Seufzend zog sie ihre Hand zurück und stand auf. „Verzeih mir, Harry“, sagte sie sanft. „Auch ich bin eine schwache Frau.“ Sie meinte Lucius, das wusste er, er konnte es in ihren Augen sehen. „Komm zu uns, wenn du dazu bereit bist. Wir werden warten.“

Ihr „Gute Besserung“ hörte er schon gar nicht mehr. Genauso wenig die Tür, die hinter ihnen zufiel.
 

Endlich hatte er die Bestätigung auf alles bekommen, was er im Grunde schon gewusst hatte, als er Remus auf der Quidditchweltmeisterschaft getroffen hatte: Dieser Teil seines Lebens war ein für alle Mal vorbei.

Erschöpft schloss er die Augen und begann leise zu weinen.
 

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Lieber Harry,
 

Neville, Neville Longbottom, der Auserwählte, der, der mich nicht im Geringsten leiden kann, hat mir geschrieben, dass du nicht mehr sprichst?!

Wenn er sich sogar an mich wendet, muss es schlimm sein. Ist es wegen deinen Eltern? Wegen Lucius? Oder steckt mehr dahinter? Soll ich zu dir kommen?

Ich weiß, du hasst mich jetzt wahrscheinlich dafür, diese Worte lesen zu müssen, aber: Ich mache mir Sorgen um dich. Wir alle machen uns Sorgen.

Außerdem, denkst du nicht, dass es etwas übertrieben ist? Du wurdest verraten, ja. Man hat dir weh getan, okay. Aber du hast es gewusst, oder? Du hast es all die Jahre gewusst. Du hast dich also selbst dazu entschlossen, in dieser Lüge zu leben. Also hör auf, in Selbstmitleid zu versinken und so zu tun, als wäre jemand gestorben! Das passt einfach nicht zu dir.

Und wehe, wenn du diesen Brief unbeantwortet lässt. Dann komme ich nämlich wirklich zu dir, hörst du?
 

In Liebe,

Felice.
 

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Monsieur de ministre – Herr Minister

The End Of Silence

Advent, Advent, ein Lichtlein brennt.

Und um den Tag perfekt abzuschließen, gibt es abends gleich einmal ein neues Kapitel von TCE! Vielen Dank an Robino, die es wieder gebatet hat! *sie knuddel*

Außerdem gibt es ein großes Dankeschön an die lieben Kommischreiber zum letzten Kapitel, ihr habt die 200-Kommi-Marke geknackt!!! *jedem selbstgebackene Plätzchen in die Hand drück *

Und diese Zahl wurde nicht nur bei den Kommentaren, sondern auch bei den Favoriten erreicht! Leute, ihr seid genial verrückt! XDDDD

Hoffen wir, dass die Fanfiction euch auch weiterhin so sehr begeistern kann!

Doch bis wir das herausfinden können, wünsche ich allen erst einmal eine schöne Adventszeit und viel Spaß mit diesem Kapitel.

Bis bald,

eure Ayako

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The End Of Silence
 

Harry,
 

ein Monat, ein ganzer Monat ist vergangen. Vier Wochen. Achtundzwanzig Tage. Sechshundertzweiundsiebzig Stunden.
 

Das war genug Zeit.

Meine Geduld neigt sich dem Ende zu.
 

Felice.
 

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Der Erste, mit dem Harry nach einem Monat der Stille sprach, war Severus.
 

Eigentlich wusste er selbst nicht so genau, warum er solange geschwiegen hatte. Vielleicht, um nicht auf die ganzen Fragen antworten zu müssen, die ihm an dem ersten Tag nach den Ferien entgegengeschleudert worden waren. Auch, wenn er sich inzwischen mit den Dingen arrangiert hatte, es war nicht amüsant, von allen Seiten bestürmt und bedrängt zu werden. Nicht, dass seine Mitschüler darauf Rücksicht genommen hätten. Alle hatten sich um ihn gedrängt, hatten Antworten verlangt, hatten ihr Mitgefühl bekundet, hatten abwechselnd die Malfoys und die Potters verflucht...
 

Allerdings war das nicht anders zu erwarten gewesen. Teenager waren süchtig nach Skandalen, man durfte ihnen dafür keine Vorwürfe machen. Trotzdem hatte es genervt.

Besonders schlimm war der Ausflug nach Hogsmeade gewesen. Neville hatte ihn dazu überredet – wahrscheinlich hatte er gehofft, ihn damit wieder zum Sprechen zu bringen. Anfangs war es nett gewesen. Sie waren zu zweit – Hermione hatte angeblich ein Date gehabt, auch wenn sie keinem erzählt hatte, mit wem – durch das Dorf gelaufen, hatten mehrere Läden abgeklappert und schließlich den Drei Besen betreten, um ein Butterbier zu trinken. Dummerweise war dort eine Horde Reporter und ihr Berichtsobjekt leider nicht Neville Longbottom gewesen.
 

Ein Skandal, der die Familie Potter und Malfoy beinhaltete.

An und für sich bereits ein Paradox. Beides waren edle, alte, stolze Familien, die sich nie etwas zu schulden kommen ließen – wenn man von den Gerüchten über illegale Machenschaften mit einem gewissen dunklen Lord einmal absah.

Dass sie nun die ganze Welt belogen hatten und zwar wegen eines einzigen Jungen, der zufälligerweise als der beste Freund des Auserwählten galt, war ein gefundenes Fressen für die Boulevardpresse.

Draco hatte es richtig gemacht, als er im Schloss geblieben war. Harry konnte ehrlich gesagt selbst jetzt noch nicht glauben, wie er so blöd hatte sein können.
 

Ein weiterer Grund seines Schweigens war einfach, aber ebenso kindisch: er schmollte.

Natürlich war das gegenüber seinen Freunden unfair, Neville und Hermione konnten wirklich nichts dafür, ebenso wenig wie Remus, Severus und die restlichen Lehrer von Hogwarts, die allesamt mit derselben verständnisvollen Zuwendung reagiert und ihn schließlich in Frieden gelassen hatten.

Es war auch eine Zeit, in der er keine Briefe schrieb. Egal wer ihm etwas schickte, sei es Felice, Luna, Victor oder Lily, er ignorierte jeden einzelnen. Dies tat er nicht aus Trauer oder Selbstmitleid, wie seine beste Freundin es ausdrückte, sondern weil er einfach keine Lust hatte, mit irgendjemanden zu kommunizieren.

Er stand an einem Wendepunkt. Er musste sich entscheiden, ob er bereit war, sich Lily und James zu öffnen und damit in Dumbledores Einflussbereich zu treten oder ob er sein ganzes Vertrauen und seine ganze Zukunft in die Hände des dunklen Lords legen sollte.

Am Naheliegendsten wäre wahrscheinlich das Erste gewesen. Sie waren seine Eltern und es wäre auch das Beste für seine Freundschaft zu Neville. Zumindest würde er ihn dann niemals verraten müssen.
 

Doch dieses Wissen änderte nichts daran, dass sich alles in ihm nach dem dunklen Lord sehnte. Er vermisste den Mann mit seinen manipulativen Gerede und dieser unverwechselbaren Aura, die ihm immer ein Gefühl der Sicherheit vermittelte. Außerdem träumte er immer noch jede Nacht von dem Kadaver, was ihm langsam wie ein böses Omen vorkam. Nichts zuletzt wegen seiner einmaligen Begegnung mit Mira. Er hatte sie nach seinem „Nervenzusammenbruch“ nicht wieder gesehen, aber ihre Worte hallten immer noch laut in seinem Kopf wider. Sie hatte Zweifel in ihm gestreut, die er eigentlich schon immer gehabt, aber nie wahrhaben hatte wollen. Er wusste, dass Töten falsch war. Er wusste, dass Tom kein Heiliger war. Er wusste, dass es ein Fehler gewesen war, Neville anzugreifen.

Doch was hatte sie damit gemeint, dass Tom es auch verstehen würde, sobald er selbst ein Opfer davon werden würde? Hieß das... es war sein Schicksal zu sterben?

Und wer war Mira überhaupt? Was wollte sie von ihm? Und warum war sie Luna und Felice so ähnlich gewesen?
 

Es brachte nichts, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Er würde ohnehin keine Antwort finden.
 

An dem Tag, an dem er wieder zu sprechen begann, hatte es das erste Mal geschneit. Da gleichzeitig Hogsmeadewochenende war, rannten alle frohen Mutes ins Dorf, während Harry zurückblieb. Er hatte keine große Lust, noch einmal auf Reporter zu treffen und ohnehin konnte man diesen Tag viel sinnvoller nutzen. Remus hatte ihn bereits für später zum Tee eingeladen. Der Werwolf war aus irgendeinem Grund davon überzeugt, ihn dadurch irgendwann wieder zum Sprechen zu kriegen und er war bereit, ihm diesen Gefallen zu tun, doch zuvor wollte er Severus besuchen, der sich wie jedes Wochenende in seine persönlichen Laboratorien verschanzt hatte und Tränke für den Krankenflügel zubereitete.
 

Natürlich ging Harry nicht zu ihm, um mit ihm zu plaudern oder bei seiner Arbeit zuzusehen. Nein, er hatte einen ganz bestimmten Grund und der verlangte dummerweise, dass er sprach.

Um ehrlich zu sein hätte er schon seit langem deswegen zu ihm gehen müssen, doch bisher war er davor zurückgeschreckt, da einmal reden bedeutete, immer zu reden.

Warum er sich gerade diesen Tag ausgesucht hatte, der zufälligerweise auch der erste Tag im Dezember war, an dem es schneite? Wahrscheinlich, weil die ganze Angelegenheit langsam unerträglich wurde und er nicht schon wieder im Krankenflügel landen wollte, was über kurz oder lang geschehen würde, wenn er nicht endlich etwas dagegen unternahm. Und deshalb fand er sich kurze Zeit später in den Kerkern wieder und klopfte an eine große, dunkle Tür.
 

„Herein“, rief auch sofort Severus' gebieterisch klingende Stimme und er kam der Aufforderung augenblicklich nach. Der Trank, der gerade im Kessel braute, war Harry unbekannt, zumindest soweit er es an Geruch und Farbe erkennen konnte, weshalb er dem Zaubertrankmeister einen forschenden Blick zuwarf, als er die Tür hinter sich schloss. Dieser hielt mitten in seiner Bewegung inne – er war gerade dabei gewesen, einen Frosch zu vierteilen – und sah ihn überrascht an.

„Harry“, sagte er, während er das Messer tatsächlich beiseite legte. „Was für eine Überraschung.“

Er beobachtete ihn mit einem leicht besorgten Blick, als Harry näher trat und neugierig in den Kessel starrte. „Was ist das für ein Trank?“, fragte er mit rauer Stimme. Langes Schweigen war nicht empfehlenswert, wenn man irgendwann wieder sprechen wollte.

Severus' Augen weiteten sich, als er diese Worte hörte, doch das war alles, was er an Emotionen sehen ließ. Das war ein weiterer Grund, warum er sich ihn ausgesucht hatte, um wieder zu reden. Severus verstand einfach. Genauso wie Felice immer verstand.
 

„Ein Trank für den dunklen Lord“, antwortete Severus, so als wäre gerade nichts geschehen. „Er braucht ihn, um wieder zu Kräften zu kommen. Doch ehrlich gesagt traue ich den Zutaten nicht.“

„Warum bereitest du ihn dann zu?“, fragte Harry und setzte sich auf die nächste Tischkante. „Und wofür braucht er ihn? Als ich ihn das letzte Mal sah, wirkte er eigentlich nicht sonderlich kränklich.“

„Das ist korrekt“, erwiderte Severus sanft. „Doch seine Heilerin, die sich in solchen Dingen dummerweise besser auskennt als ich, ist davon überzeugt, dass es ihm schaden würde, sollte er nun aufhören, diesen Trank zu nehmen. Anscheinend nimmt er ihn bereits, seitdem er im Juni zurückgekommen ist. Normalerweise bereitet sie ihn zu, doch sie hat sich eine schlimme Grippe eingefangen, weshalb nun ich herhalten muss.“
 

Harry nickte verstehend und betrachtete den Trank prüfend. „Kann ich mir das Rezept ansehen?“

Einen Augenblick lang starrte Severus ihn schweigend an, ehe er nach einem Stück beschriebenen Pergaments griff und es ihm reichte.

Die Liste der Zutaten, sowie die Zubereitung war handgeschrieben. Einen Namen schien der Trank nicht zu haben, aber als er das Blatt überflog, konnte er gewisse Parallelen zu anderen Tränken finden, die er während seiner Schulzeit kennengelernt hatte. Doch auch etwas anderes wurde ihm klar: „Der dunkle Lord ist ein Idiot.“

„So würde ich es nicht ausdrücken“, erwiderte Severus sanft, „doch es ist nichtsdestotrotz wahr.“

„Er kennt das Rezept, oder? Er muss doch wissen, dass diese Zutaten niemals miteinander vermischt werden dürfen? Kein Wunder, dass Felice nur Chaos in seinem Bewusstsein findet. Das würden jeden wahnsinnig machen.“

„Ich denke, dass er sich darüber bewusst ist.“

„Aber warum tut er es dann?“

„Ich denke, die Frage ist eher, warum der Trank in deiner Gegenwart aufhört zu wirken.“
 

Verblüfft hob Harry seinen Blick und sah Severus verwirrt an. „Was...?“

Doch anstatt ihm zu antworten, seufzte der Zaubertrankmeister und nahm wieder das Messer in die Hand. „Was führt dich zu mir, Harry? Du wirst kaum gekommen sein, um mit mir zu plaudern.“

Kurz dachte er darüber nach, ob er auf den Themenwechsel eingehen sollte, entschloss sich aber letztendlich doch dafür. „Ich... brauche einen Trank und wollte fragen, ob du zufällig etwas davon da hast.“

Severus warf den verkleinerten Frosch in den dampfenden Kessel und griff nach einer Phiole mit einer klaren Flüssigkeit. „Was für ein Trank?“

„Traumlosschlaftrank“, sagte er leise.
 

Dies brachte seinen Patenonkel dazu, aufzublicken und ihn besorgt zu mustern. Sein Blick glitt über sein blasses Gesicht und den Augenringen, die während der letzten Wochen immer dunkler geworden waren und er sagte: „Dieser Trank ist keine Lösung für Alpträume.“

„Aber wenigstens werde ich eine Nacht wieder durchschlafen können“, beharrte Harry.

„Wenn du einmal anfängst, wirst du nicht aufhören können.“

„Wenn ich weiterhin mit acht Stunden Schlaf in der Woche leben soll, werde ich irgendwann umkippen.“

„Dann geh zu jemanden, dem du deine Probleme erzählen kannst. Alpträume spiegeln unsere innersten Ängste, unsere innersten Tumulte wider. Es gibt einen Grund, wenn man von ihnen über Monate verfolgt wird. Sieh mich nicht so an, wir beide wissen, dass ich Recht habe.“ Severus schüttete die Flüssigkeit in den Trank und rührte ihn dreimal gegen den Uhrzeigersinn. Danach sprach er einen Alarmzauber aus, der ihm sagen würde, wann es Zeit war, mit der Zubereitung fortzufahren und bedeutete Harry, ihm in sein Büro zu folgen. Dort angekommen, ließen sie sich beide auf die dunklen Ledersessel nieder, die der Mann zu lieben schien.
 

„Etwas Tee?“, fragte Severus freundlich.

Harry nickte und im nächsten Moment hielten sie beide zwei dampfende Teetassen in der Hand.

„Was sind das für Träume, die dich quälen, Harry?“

Im Kamin prasselte ein Kaminfeuer, dass das ganze Zimmer in eine angenehme Wärme tauchte. Ansonsten herrschte hier unten eine beunruhigende Dunkelheit, da es in den Kerkern logischerweise keine Fenster gab. Er würde nie verstehen, warum die Slytherins sich an einem solchen Ort wohl fühlen konnte. Ravenclaw war beinahe das genaue Gegenteil: hoch oben in einem Turm, mit großen, hellen Fenstern, die tagsüber viel Licht hereinließen und nachts den Blick auf die Sterne freigaben.

Trotzdem fühlte er sich auf eine verquere Weise wohl. Wahrscheinlich, weil Severus hier war, einer der wenigen Menschen, denen er noch volles Vertrauen schenken konnte. Das war auch der Grund, weshalb er ihm mit der Wahrheit antwortete.
 

„Es ist jede Nacht derselbe Traum“, begann er und trank einen Schluck des Tees. Grüner Tee, mit einem Schuss Zitrone. Allerdings etwas bitter, die Hauselfen hatten ihn wohl zu lange ziehen lassen. „Ich... träume vom dunklen Lord. Er steht ein paar Meter vor mir und sieht mich an. Ich will auf ihn zugehen, doch sobald ich auch nur einen Schritt mache, löst er sich in tausend Blüten auf, die von einem Wind davongetragen werden, den ich nicht wahrnehmen kann. Jedes Mal muss ich ihnen hinterher sehen, bevor ich mich wieder umdrehe und...“ Er hielt inne und schüttelte mit dem Kopf, um das Bild zu vertreiben, das in ihm aufsteigen wollte. „An seiner Stelle liegt dort jedes Mal der Kadaver einer Schlange. Das ist dann meistens der Moment, in dem ich entweder schreiend aufwache oder von Stephen wachgerüttelt werde.“ Er sah seinen Patenonkel fragend an. „Weißt du, was das bedeutet?“
 

„Nicht im geringsten“, entgegnete Severus stirnrunzelnd. „Aber es ist sicher kein Zufall. Niemand hat jede Nacht grundlos denselben Traum. Es gibt immer einen Grund. Vielleicht ist das eine Warnung.“

„Eine Warnung, die mit dem dunklen Lord zusammenhängt“, bestätigte Harry nickend. „Soweit bin ich auch schon gekommen, Sev. Aber was für eine Warnung? Ist sein Plan am Scheitern? Wird ihm nicht gelingen, was er vorhat? Oder...“ //bedeutet es, dass er bald sterben wird?// Mira hatte so etwas angedeutet. Aber konnte er ihr Glauben schenken? Er kannte sie nicht. Er hatte noch nie von ihr gehört. Er hatte keine Ahnung, wer sie war. Trotzdem... sie schien wirklich zu wissen, wovon sie redete und irgendwie war er bereit, zu glauben, was sie erzählte. Warum?
 

„Oder was, Harry?“, hakte der Ältere nach, verwirrt darüber, dass er mitten Satz aufgehört hatte, zu sprechen. Er konnte es ihm nicht verdenken. Es war untypisch, dass er den Faden verlor.

„Ich... weiß nicht“, sagte Harry. „Es ist alles so verwirrend. In letzter Zeit scheint alles in meinem Leben drunter und drüber zu gehen.“

„Solche Phasen hat jeder einmal“, erwiderte Severus. „Es wird sich sicher bald wieder alles beruhigen.“

„Ich hoffe, du hast Recht“, entgegnete Harry niedergeschlagen und trank einen Schluck Tee. „Könnte mein Traum vielleicht etwas mit dem Trank zu tun haben, den du für ihn braust?“

„Für den dunklen Lord meinst du? Es... wäre eine Möglichkeit.“ Severus schien kurz darüber nachzudenken. „Ich werde mit ihm darüber reden. Ich hätte es ohnehin getan. Dieser Trank ist nicht gesund und wenn ich sage, dass du mir zustimmst, wird er eher bereit sein, mir zuzuhören. Vielleicht werden deine Alpträume verschwinden, wenn er aufhört ihn zu nehmen.“

Harry nickte. „Ich verstehe... wirst du mir trotzdem etwas Traumlosschlaftrank überlassen? Es muss auch nicht viel sein, ich möchte nur eine Nacht durchschlafen können.“

Lange sahen ihn die dunklen Augen des Älteren an, ehe dieser langsam nickte. „Aber nur eine Phiole. Ich möchte nicht, dass du von diesem Zeug abhängig wirst. Und denke nicht einmal daran, dir selbst welches zuzubereiten. Wenn ich in drei Monaten sehe, dass du plötzlich ausgeruhter wirkst, als vorher, werde ich persönlich deinen Besitz durchsuchen, hast du mich verstanden?“

Harry lächelte. „Danke, Onkel Sev.“
 

Man brauchte drei Monate, um Traumlosschlaftrank fertig zu stellen.

Das war auch der Grund, weshalb er Severus darum gebeten hatte, ihm welchen zu überlassen. Ansonsten hätte er ihn sich nämlich selbst zubereitet. Aber es war wichtig, dass er ihn jetzt schon bekam, ansonsten würde er irgendwann in den nächsten Tagen zusammenbrechen und dann würde Felice wirklich hier aufkreuzen und ihm genau das entgegen schleudern, was er nicht hören wollte. Es wäre ohnehin das Beste, wenn er sich vor seinem Besuch bei Remus an einen Brief setzte, um sich wieder einmal bei ihr zu melden. Felice wurde langsam ungeduldig und es gab nichts gefährlicheres, als eine ungeduldige Empathin.
 

Langsam folgte er Severus zurück in sein Labor, wo immer noch der geheimnisvolle Trank vor sich hinköchelte und beobachtete, wie der Mann damit begann, einen seiner Vorratsschränke zu durchwühlen. Schließlich fand er, was er suchte und reichte Harry eine Phiole mit einer klaren Flüssigkeit. „Du kennst die Dosierung?“

Der Junge nickte.

„Gut. Dann gehe sorgfältig damit um. Sorge dafür, dass niemand anderes davon trinkt.“

„Natürlich“, entgegnete Harry und machte Anstalten zu gehen.

„Ach, und Harry?“

Er blieb stehen und drehte sich abwartend zu ihm um. Severus hatte sich wieder seinem Trank zugewandt und schnippelte an einem Lorbeerblatt herum. „Ich möchte am Montag wieder jemanden haben, der mir die richtigen Antworten auf meine Fragen gibt, verstanden? Mr. Goldstein geht mir langsam auf die Nerven.“

Harry lächelte. „Selbstverständlich, Sir.“
 

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Der Zweite, mit dem Harry sprach, war Draco.
 

Um ehrlich zu sein: er hatte es nicht so geplant, nicht im geringsten. Er hatte ursprünglich direkt zu Remus gehen wollen. Doch irgendetwas hatte ihn in die Bibliothek geführt, ein Gefühl, das er nicht richtig deuten konnte und als er den Raum betrat, konnte er an einem etwas entfernten Tisch tatsächlich den jungen Malfoy entdecken, der sich über ein Buch gebeugt hatte und seine Umgebung erfolgreich auszublenden schien.
 

Kurz spielte Harry mit dem Gedanken, wortlos zu verschwinden, doch dann betrachtete er sich den Jungen genauer. Ihren Mitschülern war es wahrscheinlich nicht aufgefallen, dafür kannten sie ihn nicht genug, doch er selbst konnte ganz genau die Zeichen der Anspannung erkennen, die seinen „Bruder“ momentan umgaben. Zum Beispiel war seine Frisur eine Spur zu unordentlich – selbst, wenn es nur für ihn offensichtlich war, der ihm jahrelang dabei zugesehen hatte, wie er jeden Morgen drei Stunden früher aufstand, um sein Haar zu seiner Zufriedenheit zu richten. Außerdem hatte er seine Schultern ungewöhnlich hoch gezogen und seine Stirn war leicht gerunzelt... verdammt, er würde wohl oder übel mit ihm reden müssen.
 

Jedoch hatte er darauf nicht die geringste Lust.

Selbstverständlich machte er Draco nicht die geringsten Vorwürfe – das wäre kindisch, ungerecht und vollkommen irrational. Draco war ebenso sehr ein Opfer von Lucius Lüge, wie Narcissa und er selbst. Darüber hinaus hatte er sich seit Schuljahresbeginn stets bemüht, ihre Beziehung zu verbessern. Er war ein guter Mensch, wenn er wollte und es würde nicht schaden, sich wieder mit ihm zu versöhnen.

Trotzdem änderte das nichts daran, dass Draco unausstehlich werden konnte, wenn er glaubte, im Recht zu sein und in dieser Situation hätte er sogar Recht.

Harry hatte ihn einen Monat lang ignoriert. Jeder hätte da ein Recht darauf, wütend zu sein.

//Ich will mir Felices Wut gar nicht vorstellen//, sinnierte er schluckend. Aber mit ihr würde er sich erst später auseinandersetzen müssen. Vielleicht war es da gar nicht so schlecht, wenn er sich zuerst einem beleidigten Malfoy stellte.
 

Seufzend setzte er sich in Bewegung, ehe er sich auf einem Stuhl gegenüber des Blondhaarigen nieder ließ. „Du solltest dringend dein Haar richten, Dracolein. Es sieht abscheulich aus.“

Das hatte Wirkung. Sein Kopf hob sich blitzartig und er warf ihm einen wütenden Blick zu, der eine ganze Armee töten könnte: „Was fällt dir eigentlich ein, du...“ Er hielt mitten in seinem Satz inne und starrte Harry mit großen Augen an, so als könne er nicht glauben, was er sah. Für einige Minuten saßen sie sich schweigend gegenüber, bis Draco wieder in der Lage war, zu sprechen. Oh, und arrogant zu sein.

„Du hast dich also wieder dazu entschieden, zu reden“, bemerkte er abweisend und wandte sich wieder dem Buch zu. „Was erschafft mir die Ehre, dass du dir gerade mich als einen der ersten ausgesucht hast, die du mit deiner holden Stimme beglückst?“

„Dein Sarkasmus ist unangebracht und das weißt du ebenso gut, wie ich“, entgegnete Harry ungerührt. Er hatte bereits mit so einer Antwort gerechnet. „Ich war ein Idiot und habe geschmollt. Es war zwar euch allen gegenüber unfair, aber ich habe das gebraucht. Ich könnte mich jetzt tausendmal bei dir entschuldigen, doch das wird die Zeit nicht ungeschehen machen, also können wir uns entweder wie Erwachsene benehmen und die Sache vergessen oder wir sind kindisch und gehen uns weiterhin aus dem Weg. Das ist allein deine Entscheidung.“
 

„Weißt du was? Genau das ist es, was ich nie an dir ausstehen konnte. Du schaffst es immer, andere für deine Probleme verantwortlich zu machen und zwar so, dass es auch ihnen Sinn macht. Dummerweise kann ich mich aber nie entscheiden, ob ich dich dafür bewundern oder verachten soll.“

„Wahrscheinlich bewunderst du mich, ansonsten würde es nicht so an deinem Stolz kratzen“, meinte Harry grinsend, was mit einem weiteren finsteren Blick quittiert wurde. Allerdings war das kein tödlicher Blick mehr. Sie machten Fortschritte. Doch es wurde Zeit, wieder ernst zu werden. „Das mit deinen Haaren meinte ich übrigens so. Sie sehen schrecklich aus. Was ist los mit dir? Hast du Streit mit Pansy?“
 

„Sei nicht albern, Potter“, schnauzte er und schlug das Buch zu, um sich ihm vollkommen widmen zu können. „Du weißt ganz genau, was mit mir los ist! Meine Mutter dreht durch, mein Vater stellt sich als ein elender Lügner heraus, mein Bruder ist überhaupt nicht mein Bruder und ignoriert mich einen ganzen, verdammten Monat lang und darüber hinaus macht sich ganz England momentan über meine Familie lustig! Hast du nicht die anderen reden gehört? Wie sie hinter unseren Rücken tuscheln? Der Name Malfoy beginnt an Wert zu verlieren und das nur, weil Mom so bescheuert gewesen ist, dich zu adoptieren. Selbst der dunkle Lord soll wütend gewesen sein und zwar, weil du von Zuhause abgehauen bist! Du machst meine Familie kaputt!“
 

Harry erwiderte seinen wütenden Blick unbeeindruckt. „War's das?“

„Ja.“

„Geht es dir jetzt besser?“

„Ja!“

„Gut, dann können wir uns ja endlich wieder vernünftig unterhalten, oder?“

„Wenn es sein muss“, erwiderte Draco widerstrebend und musterte ihn argwöhnisch.

Harry nickte zufrieden, ehe er sich entspannt in seinem Stuhl zurücklehnte. „So rührend und überzeugend die Geschichte, dass all dein Stress von deinen familiären Problemen herrührt auch sein mag, ich kenne dich seit wir beide fünf Jahre alt waren und damit zu gut, um dir das zu glauben. Also?“

„Hör auf dich so aufzuspielen, Potter.“ Es schien ihm Spaß zu machen, ihn so zu nennen. Er war wohl tatsächlich immer noch ein Kind. „Es geht dich absolut nichts an, was ich tue, was mich beschäftigt oder ob ich Sorgen habe. Das ist alles nicht dein Problem. Wir sind nicht miteinander verwandt, wir sind keine Freunde, wir...“
 

„Entschuldige.“

Draco verstummte blinzelt und sah ihn fragend an.

„Mir war nicht klar gewesen, wie sehr ich dich verletzt hatte“, fügte er deshalb erklärend hinzu. „Ich hatte nur meinen eigenen Schmerz gesehen und den deinen darüber vergessen. Dafür entschuldige ich mich. Wofür ich mich aber nicht entschuldige, ist das, was die anderen tun. Das kann ich nicht beeinflussen und es war vorauszusehen gewesen. Du weißt doch, wie die Leute sind.“

„Du hast ja Recht“, seufzte Draco niedergeschlagen. „Wie immer.“ Er schwieg kurz, bevor er fragte: „Du wirst Weihnachten nicht nach Hause kommen, oder?“

Harry lächelte. „Nein. Das werde ich nicht.“
 

//Dieser Ort ist nicht mehr mein Zuhause. Wieder einmal stehe ich ohne Heimat dar.//

Und wieder gab es mehr als genug Leute, die ihm eine geben wollten.
 

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Als Harry die Tür zu Remus' Büro öffnete, war er überrascht zu sehen, dass James Potter anwesend war. Soweit er wusste, standen die beiden immer noch auf Kriegsfuß. Nun, sie mussten sich anscheinend wieder versöhnt haben, zumindest konnte er sich die ausgelassene Stimmung in dem Zimmer nicht anders erklären.

Er war gespannt, ob Dumbledore seine Finger im Spiel oder ob James das ganz allein hingekriegt hatte.

„Hallo, Remus. Du wolltest mich sprechen?“, begrüßte er seinen Patenonkel höflich.
 

Sofort drehte sich James zu ihm um und sah ihn erstaunt an, während der Werwolf zu grinsen anfing.

„Du redest wieder?“, fragte sein Vater.

Harry nickte.

„Ich habe es doch gewusst!“, rief Remus triumphierend. „Ich wusste, irgendwann würdest du wieder damit beginnen! Oh, das ist wunderbar. Möchtest du eine Tasse Tee?“

„Ja, bitte.“

Der Mann wuselte in ein Nebenzimmer davon, um das gewünschte Getränk zu holen, während Harry sich zögernd auf einen Stuhl neben seinen Vater setzte.
 

James war ein Mensch, von dem er nicht wusste, was er von ihm halten sollte. Sie hatten kaum ein Wort miteinander gewechselt, es war stets Lily, die sprach, flehte, sich entschuldigte. Er beobachtete lieber, hielt seinen Mund, dachte seinen Teil und wusste immer, wann es Zeit war, zu gehen. Wahrscheinlich, weil er nicht so impulsiv war, wie seine Frau. Außerdem strahlte er in letzter Zeit eine für ihn untypische Ernsthaftigkeit aus. Harry konnte sich noch sehr genau daran erinnern, dass dieser Mensch stets fröhlich gewesen war, beinahe albern, besonders wenn Sirius...

Sirius... wo steckte er nur?
 

„Deine Mutter“, sagte James plötzlich, „möchte, dass du Weihnachten zu uns kommst.“

Harry runzelte die Stirn. „Warum?“

„Es ist Weihnachten“, entgegnete sein Vater, als bräuchte es keine weiteren Erklärungen. „Wir hätten dich gerne bei uns. Remus kommt auch.“

„Ah.“

„Ich kann verstehen, wenn du nicht willst. Ich würde es an deiner Stelle auch nicht wollen. Ich möchte nur, dass du weißt, dass du bei uns willkommen bist.“

„Ich verstehe.“

James drehte sich zu ihm um und schien etwas sagen zu wollen, entschied sich dann jedoch dagegen.
 

Deshalb herrschte Schweigen zwischen ihnen, als Remus mit einer dampfenden Teekanne und mehreren Tassen zurückkam. Fröhlich stellte er sie vor ihnen auf dem Tisch ab und füllte sie mit dem Tee. „Zucker?“

Beide lehnten dankbar ab, was er mit einem Nicken quittierte.

„Hast du es ihm schon gesagt?“, fragte er James.

„Ja.“

„Und?“, wandte er sich an Harry.

„Du willst Weihnachten nicht in Hogwarts verbringen“, stellte er schulterzuckend fest. „Eine gute Idee. Soweit ich weiß, bleiben ohnehin dieses Jahr nur wenige hier. Das würde ziemlich trist werden.“

Remus' Lächeln gefror. „Du bist heute nicht sonderlich optimistisch, oder?“

„Kommt darauf an, was du unter Optimismus verstehst.“

Der Werwolf schüttelte seufzend mit dem Kopf und trank einen Schluck Tee. „Was wirst du zu Weihnachten tun, Harry?“
 

Der Schüler schwieg und genehmigte sich ebenfalls etwas Tee. Heute handelte es sich um Earl Grey. Nicht übel, nur etwas zu bitter. Er wusste nicht, was er zu Weihnachten tun würde.

Einerseits könnte er in Hogwarts bleiben.

Andererseits könnte er zu Neville – sein Freund würde begeistert sein, wenn er das täte.

Außerdem hatte er nun eine Einladung von seinen Eltern erhalten.

Irgendwie war es interessant, dass sich gerade jene, die hinter Dumbledore standen, so sehr um ihn bemühten.
 

Natürlich wäre er auch im Hause Malfoy willkommen, Narcissa und Draco hatten es ihm oft genug versichert, doch... er wollte nicht. Und Severus wollte er sich nicht schon wieder aufdrängen. Doch was sollte er sonst tun? Wo sollte er hin? In Hogwarts konnte er nicht bleiben. Nicht, wenn alle anderen Zuhause waren und mit ihren Familien feierten. Das würde er dieses Jahr nicht ertragen können.

Langsam drehte er sich zu James um, der ihn wie Remus schweigend beobachtete, während er seine Gedanken ordnete. Vielleicht... er hatte zumindest nichts zu verlieren. Und es könnte eventuell doch ganz nett werden, oder?
 

„Ich glaube“, sagte er langsam, „ich werde eure Einladung annehmen.“
 

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Liebe Felice,
 

du weißt, ich brauchte diese Zeit. Aber mein Schmollen ist vorbei. Ich bin wieder da.

Danke, für deine Sorge.

Demnächst mehr. Jetzt muss ich mich erst einmal um ein paar Angelegenheiten kümmern.
 

Liebe Grüße,

Harry.

Cakes And Diaries

Hallo ihr Lieben!

Heute fasse ich mich einmal kurz! Deshalb gibt es an dieser Stelle an alle Leser, Kommischreiber und natürlich meine Beta Robino ein großes Dankeschön, sowie an alle, die bisher an der Umfrage teilgenommen haben. Für alle, die gerade nicht wissen, wovon ich rede: Bei den Charakteren gibt es eine Umfrage und es wäre toll, wenn ihr alle daran teilnehmen würdet. <3

Ich lasse sie noch bis Ende des Jahres laufen und dann wird ausgewertet – bin schon sehr gespannt, wie sie ausgehen wird.

So, das war es auch schon von mir!

Euch allen noch einen schönen, dritten Advent.

Liebe Grüße, eure Ayako

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Cakes And Diaries
 

Lieber Harry,
 

Durmstrang im Winter ist wirklich beeindruckend! Zwar ist es eiskalt, aber der ganze Schnee ist wunderschön. Victor und ein paar andere haben mir heute das Schlittschuhlaufen auf dem Meer beigebracht, das bei diesen Temperaturen tatsächlich zugefroren ist! Ich wünschte, du wärst hier, um dir das mit mir anzusehen.

Doch wie geht es dir? Du hast dich solange nicht bei mir gemeldet, dass ich mir Sorgen mache. Aber ich kann es verstehen, das mit deinen Eltern hätte jeden umgehauen.

Trotzdem, versuche, sie nicht zu hassen. Ich bin sicher, dass sie dich im Grunde ihres Herzens genauso sehr lieben, wie ich, Neville, Hermione und Felice, wenn nicht sogar ein bisschen mehr (falls das möglich ist). Gib ihnen eine Chance. Ich bin sicher, du wirst es nicht bereuen.
 

Alles Liebe,

Luna.
 

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Schnee war etwas wunderschönes. Er ließ die Welt auf eine Weise glänzen, wie man sie sonst nicht zu Gesicht bekam. Sobald Schnee fiel, wirkte alles heller, schöner, friedlicher. Beinahe magisch. Wenn es schneite, konnte man das Lachen der Menschen hören. Liebespaare, die Hand in Hand über die vereisten Wege schlitterten, Kinder, die gut gelaunt einen Berghang hinunter sausten, Erwachsene, die Weihnachtseinkäufe erledigten... So sah es jetzt vermutlich in ganz Europa aus. Die Leute freuten sich auf das kommende Fest.

Aus diesem Anlass waren die Häuser des Dorfes reich geschmückt und man konnte überall Chöre singen hören. Plätzchen- und Mandelgeruch zog durch die Straßen, alles war gut. Vollkommen. Nur eines fehlte. Harry.
 

Lustlos stieß Neville die Luft aus, die aus seinen Lungen zu platzen drohte und sah dabei zu, wie sie als ein weißer Nebel nach oben stieg. Harry sollte verdammt noch mal hier sein! Jetzt! In diesem Augenblick! Ein Hogsmeadewochenende war nicht dasselbe ohne seinem besten Freund! Die ganze Weihnachtszeit war nicht dasselbe! Doch dummerweise wirkte es in letzter Zeit oft so, dass selbst, wenn sie zusammen waren, Harry überhaupt nicht... Harry war. Er wirkte stets abwesend, melancholisch, einfach so gar nicht wie er selbst. Doch das schlimmste war sein Schweigen. Neville konnte es nicht mehr ertragen. Egal was er sagte, egal was er tat, egal wie sehr er sich anstrengte, Harry würde keinen Laut von sich geben. Nicht einmal ein „Ah“ oder „Oh“ oder „Hm“. Nur Stille.
 

Dafür könnte er den Potters und den Malfoys den Hals umdrehen. Sie hatten Harry weh getan! Sie hatten ihn mit Füßen getreten, ihn zerbrechen lassen und anstatt ihn in aller Ruhe heilen zu lassen, bedrängten sie ihn mit ihren lächerlichen Anforderungen!

Wie konnten sie es eigentlich wagen? Harry war ein guter Mensch, einer der besten, die er kannte! Jemand, der ihm auf eine solche Weise weh tat, hatte sie doch nicht mehr alle!

Wenn er seinem Freund doch nur irgendwie helfen könnte, aber er ließ es nicht zu, er hatte sich vor ihm verschlossen und er bezweifelte, dass er selbst irgendetwas daran ändern konnte. Es war Harrys Entscheidung, nicht seine.
 

„Du grübelst zu viel“, bemerkte Hermione. Auch sie war in letzter Zeit ungewöhnlich ruhig geworden. Anscheinend hatte sie das Schicksal ihres Freundes tatsächlich erschüttert. Sie hatte wohl nicht damit gerechnet, dass Harry es schwer haben konnte. Ganz anders als er selbst. Neville hatte seit ihrem ersten Zusammentreffen gewusst, dass sein Freund tiefe Wunden in sich trug, die ihn auffressen würden, wenn nicht jemand etwas dagegen unternahm. Er wünschte sich zutiefst, derjenige zu sein, der ihn davor retten konnte, doch er ahnte, dass dies nicht möglich sein würde.

Es war ihm nicht bestimmt, Harry zu heilen. Diese Aufgabe oblag jemand anderem. Wo war diese Französin eigentlich, wenn man sie brauchte? Sie würde ihn sicher mit nur einem Blick wieder zum Sprechen bringen. Sie schaffte es immer.

Warum war er nicht dazu in der Lage?
 

„Neville... Harry wird nicht wieder mit dem Reden anfangen, nur weil du Trübsal bläst“, fuhr seine beste Freundin fort. „Ich denke, es wäre am besten, wenn wir ihm irgendetwas mitbringen, was ihn aufmuntert. Vielleicht Schokolade oder Butterbier... oder ein Buch? Ich hörte Bathilda Bagshot hat wieder etwas veröffentlicht, die liest er doch so gerne, oder?“

„Ja...“, erwiderte er abwesend. „Das tut er.“

„Und vielleicht gibt uns Madame Rosmerta etwas heiße Schokolade mit“, fuhr sie beinahe verzweifelt fort. „Harry liebt heiße Schokolade und die im Drei Besen ist nun einmal genial... oder meinst du, dass die im Honigtopf besser ist?“

„Ich weiß nicht... vielleicht.“
 

Mit gesenkten Kopf ging er ein paar Schritte weiter, bis er bemerkte, dass Hermione nicht mehr an seiner Seite war. Verdutzt drehte er sich um. Seine Freundin war etwa drei Meter hinter ihm stehen geblieben und hatte den Kopf gesenkt, ihre Fäuste geballt. Als er sich ihr verwirrt näherte, konnte er außerdem eine frische Tränenspur auf ihren Wangen erkennen. „Hermione?“

„Entschuldige“, flüsterte sie mit gebrochener Stimme. „Es... ich verstehe es einfach nicht. Ich verstehe nicht, warum jemand Harry so etwas antun würde! Er kann zwar nervig sein, aber er ist so ein guter Mensch. Er würde niemals jemanden etwas böses tun! Er... er hat solche Eltern einfach nicht verdient.“

„Hermione...“

„Ich will mir nicht einmal vorstellen, wie er sich gefühlt haben muss. Zuerst erfährt er, dass seine Eltern ihn einfach weggeben haben und dann, dass sein neuer Vater ihn nur wegen eines Zaubers bei sich haben wollte. Wie konnte Dumbledore das eigentlich zulassen? Es hätte doch sicher eine Möglichkeit gegeben, Harry zu einer anderen Familie zu geben. Selbst Snape wäre besser gewesen, als...“

„Hermione“, sagte Neville bestimmt und legte ihr seine Hände auf die Schultern. „Beruhige dich.“

Sie verstummte tatsächlich und sah ihn durch verweinte Augen an. Es war seltsam, sie so zu sehen. Normalerweise weinte sie nicht, außer wenn jemand gestorben war. Dafür war sie einfach nicht der Typ. //Wenn Harry dich doch nur so sehen könnte//, dachte Neville. //Wenn er sehen würde, wie du um ihn weinst! Er würde endlich verstehen, dass wir seine Freunde sind und nicht dieses Slytherins.//

Doch er war nicht hier und er selbst konnte ihre Tränen nicht ertragen.
 

Wenn Frauen weinten, wusste er im allgemeinen nie, was er tun sollte.
 

„Wir... gehen jetzt in die nächste Buchhandlung und kaufen das Buch von dem du gesprochen hast, okay? Harry wird davon sicher so begeistert sein, dass er vergisst, dass er nicht mehr spricht und alles wird wieder wie vorher. Du wirst schon sehen.“

„Meinst du wirklich?“, fragte sie und sah ihn mit schrecklich hoffnungsvollen Augen an. Warum mussten immer alle ihre Hoffnungen in ihn setzen? Warum verlangten sie immer von ihm, das er all ihre Probleme löste, sie rettete, alles gut werden ließ?

Und warum verlangte die einzige Person für die er wirklich alles tun würde nichts dergleichen von ihm? Warum gab Harry ihm nicht sein Vertrauen, warum belastete er ihn nicht mit seinen Sorgen, warum konnte er dem einzigen nicht helfen, dem er wirklich helfen wollte?
 

Er hatte es so satt.
 

Trotzdem blieb er freundlich und sagte ihr genau das, was sie hören wollte: „Ja, Hermione. Ich bin fest davon überzeugt, dass es so geschehen wird.“
 

Die einzige Buchhandlung in Hogsmeade befand sich in einer dunklen Straße direkt gegenüber vom Eberkopf. Nur wenige Schüler verirrten sich dorthin, selbst Bücherwürmer zogen es vor, sich in der Schulbibliothek zu bedienen, was nicht zuletzt an der dunklen Atmosphäre lag, die in dem Laden herrschte. Alles war dunkel und staubig. Der Verkäufer wirkte wie ein Toter und starrte jeden Kunden solange an, bis er freiwillig wieder verschwand. Die Bücher handelten alle von Dingen, die Neville niemals kennenlernen wollte.

Doch hier gab es manchmal auch aktuelle Bestseller und solange die Chance bestand, dass sie Harry damit wieder zum Sprechen brachten, würde er dies in Kauf nehmen.
 

Hermione weigerte sich, hineinzugehen. „Ich hasse diesen Ort“, sagte sie, die Augen noch gerötet. „Ich werde Madame Rosmerta nach der heißen Schokolade fragen gehen.“

Somit war er allein, als er zögernd die Tür aufstieß und eintrat. Sofort kam ihm der muffige Gestank von schimmligen Papier entgegen, das den ganzen Raum einzunehmen schien. Wie dieser Laden überhaupt noch geöffnet sein konnte, war ihm ein Rätsel.

Der alte Buchhändler blickte sofort von seinem leeren Wasserglas auf und fixierte ihn mit seinen unheimlichen Augen. Langsam tasteten sie sich über seine Schuluniform bis hinauf zu seinem Gesicht um schließlich auf der blitzformigen Narbe stehen zu bleiben, die nun bereits seit knapp siebzehn Jahren seine Stirn verunstaltete. Großartig. Warum musste er nur mit diesem verflixten Erkennungsmerkmal verflucht worden sein? Es war nun wirklich nicht so, als hätte er es sich ausgesucht.
 

„Neville Longbottom“, sagte der Verkäufer mit einer Stimme, die dringend geölt werden musste. „Der Junge, der überlebte. In meinem Laden.“

Neville hob eine Augenbraue. „Und daran ist interessant, dass...?“

Der Mann lachte, wobei es vielmehr wie das Krächzen einer Krähe klang. „Ich hätte nie gedacht, dass der Auserwählte es nötig hätte, Bücher zu lesen. Müsste ihm nicht alles ohne weiteres zufallen? Ach nein, ich vergaß, es ist ja immer der junge Mister Potter-Malfoy, der für ihn die Arbeit machen muss. Kaum zu glauben, dass du der Retter dieser Welt sein sollst, da halte ich mich selbst lieber an den dunklen Lord.“

Wenn er nicht wegen Harry hier gewesen wäre, hätte er den Laden in diesem Moment wieder verlassen. So schluckte er seinen Ärger jedoch runter und ging langsam auf ihn zu. Damit schien der Verkäufer nicht gerechnet zu haben. Das Grinsen auf seinem Gesicht verschwand und wurde von einem misstrauisch-neugierigen Ausdruck ersetzt.

„Ich suche nach dem neuen Buch von Bathilda Bagshot“, sagte Neville mit einem höflichen Tonfall. „Ich dachte, es wäre vielleicht möglich, es hier zu finden, schließlich ist das die einzige Buchhandlung in der Umgebung.“
 

Für ein paar Sekunden wurde er schweigend angesehen, dann zuckte der Mann mit den Schultern und begann sich in den hinteren Teil des Ladens zu entfernen. In der Annahme, dass er nach dem gewünschten Produkt suchte, ließ Neville gelangweilt seinen Blick durch den Raum gleiten.

Hermione und Harry würden beide einen Herzinfarkt bekommen, wenn sie hier drin wären. Die Bücher wirkten alle, als lägen sie im Sterben, alles war voller Staub und Schimmel, es war ein Wunder, dass der Verkäufer hier tatsächlich überleben konnte. Warum ließ Hogsmeade es eigentlich zu, dass er hier weiterhin tätig war?

Sein Blick wanderte langsam über ein besonders dunkles Regal, als ihm plötzlich ein Buch mit schwarzem Lederumschlag auffiel. Es unterschied sich grundlegend von allen weiteren Artikeln in diesem Raum, da es wie neu wirkte und eine seltsame Aura davon ausging, die ihn aus irgendeinen Grund wie magisch anzog.

Ohne wirklich zu wissen, was er tat, griff er danach und schlug es auf. Die Seiten waren allesamt leer. Sehr seltsam.

Unschlüssig klappte er es wieder zu. Was machte ein vollkommen leeres Buch in einem solchen Laden?

Plötzlich bemerkte er, das etwas in den Einband eingeritzt war.

Die Initialen T.M. Riddle.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Nagini hasste Hogwarts. Sie hatte es immer gehasst. Das ganze Schloss stank nach diesem Dummkopf von Duddelbore oder wie immer er auch heißen mochte. Dieser Mann hatte ihrem Meister bereits Ärger gemacht, als dieser nicht älter als der junge Harvey-Harry Malfoy-Potter gewesen war. Wenn er doch endlich an seinen Zitronenbonbons ersticken würde. Selbst hier unten in den Räumen des Zaubertranksnapes war seine Aura genau zu spüren. Warum kehrte ihr Meister nur immer wieder hierher zurück?

Besonders heute wäre es nicht nötig gewesen. Nicht, wenn dieser elende Mann so einen Unsinn von sich gab. Was fiel ihm ein, ihren Meister, ihrer beiden Meister, zu kritisieren? Dieser Trank, den er nahm konnte nicht schlecht sein. Immerhin nahm er ihn bereits seit Monaten. So sehr irrte er sich nicht. So sehr irrte er sich nie.

Trotzdem hatte der Mann Zweifel in seinen Gedanken gesät. Sie konnte es sehen, konnte immer alles sehen, was anderen verborgen blieb. Oh, was fiel ihm nur ein? Niemand durfte ihn aus der Ruhe, aus der Fassung bringen – niemand! Nicht einmal dieser Harvey-Harry Malfoy-Potter und ganz Recht nicht dieser Nichtsnutz von Zaubertranksnape!
 

Wütend zischend schlängelte sie sich durch das dunkle Büro, was diesen Zaubertranksnape jedoch nicht im Geringsten aus der Ruhe brachte. Das war das schreckliche an ihm, er blieb immer ruhig, unberührt, so als würde ihn hier nichts kümmern. Oft kam ihr das noch schlimmer vor, als ihr Meister. Doch eben nur oft. Nicht immer.

Still, Nagini“, hörte sie plötzlich die Stimme ihres Meisters und sie verstummte unwillkürlich. Er saß entspannt auf einem der Ledersessel und hatte seine Augen auf den Zaubertranksnape gerichtet, der den Blick schweigend erwiderte. Jemand, der ihn nicht kannte, hätte ihn für entspannt gehalten, doch sie konnte sein Unbehagen sehen. Er war nicht gerne hier, in der Nähe von Duddelbore. Aber wer wäre das schon?

Dieser Weißmagierschulleiter konnte keine gute Gesellschaft sein.
 

„Du sagst also“, wandte sich ihr Meister wieder an Zaubertranksnape, „Harry hätte Alpträume, da ich diesen Trank konsumiere.“

„Das ist korrekt, Mylord.“

Er nickte mit nachdenklicher Miene. „Wie geht es ihm, Severus?“

„Besser“, entgegnete der andere sanft. „Zwar ist er nach wie vor übermüdet und ungewöhnlich blass, doch das Feuer ist in seine Augen zurückgekehrt und er ist wieder bereit zu sprechen. Ich bin davon überzeugt, dass er bald wieder der Alte sein wird.“

„Das wird er tatsächlich“, meinte ihr Meister mit einem Tonfall, der ihr überhaupt nicht gefiel. „Harry“ (Wie er seinen Namen aussprach. Grauenhaft!) „ist eine außergewöhnliche Persönlichkeit.“

„Das ist er in der Tat, Mylord.“

„Hab auch weiterhin ein Auge auf ihn. Wir dürfen nicht zulassen, dass Albus ihn in seinen Einflussbereich zieht.“

„Denkt Ihr, dass er das tun wird?“

Ihr Meister lachte. „Oh, Severus, natürlich denke ich das nicht.“ Der Zaubertranksnape nickte erleichtert, ehe er fortfuhr: „Ich weiß es. Genau wie du.“
 

Überrascht hob Nagini ihren Kopf. Wie bitte? Auch der Todesser schien verwirrt zu sein. „Mylord?“

„Es gibt etwas, das du mir vorenthalten hast“, sein Tonfall war beiläufig, doch der strenge Unterton war nicht zu überhören. Wenn sie Zaubertranksnape gewesen wäre, hätte sie spätestens jetzt die Flucht ergriffen. „Etwas, das du wissen musst, der du ihm Okklumentik beibringst.“

Für einen Augenblick war nichts als das Prasseln des Kaminfeuers zu hören. Dann sagte Zaubertranksnape: „Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht.“

Selbst Nagini wusste, dass sein Tonfall zu monoton war. Ohoh, da würde jemand gleich gewaltigen Ärger bekommen. Begierig schlängelte sie sich an dem Sessel ihres Meisters empor um über seine Schulter hinweg in das Gesicht des armen Opfers zu blicken.

„Das weißt du sehr wohl. Du möchtest es nur nicht wissen, was gerechtfertigt ist. Niemand möchte hören, dass eine geliebte Person ein Tempus Amicus ist.“

Ein weiteres Schweigen kehrte ein, diesmal etwas länger, ehe der Mann resignierte. „Ich konnte es Euch nicht sagen. Nicht, bevor ich nicht Harry...“
 

„Du hättest es ihm in dem Moment eröffnen müssen, als du es herausgefunden hast. Einen Tempus Amicus gibt es nur alle zwanzig bis dreißig Jahre, weshalb jeder versuchen wird, ihn auf seine Seite zu ziehen, zumindest wenn sie es gut meinen. Viele werden ihn töten wollen. Indem du ihn im Unklaren lässt...“

„Beschütze ich ihn“, warf Zaubertranksnape ein. Sein Blick hatte plötzlich etwas Gefährliches, Entschlossenes angenommen, was es unwahrscheinlich scheinen ließ, dass man ihn von seiner Meinung würde abbringen können. „Sein Leben wird früh genug von diesem Wissen geprägt werden. Solange er es nicht weiß, kann er leben, Mylord. Solange er es nicht weiß, kann er frei sein.“

„Glaubst du wirklich, dass er jemals frei gewesen ist?“, fragte Naginis Meister sanft. „Glaubst du wirklich, dass diese Möglichkeit bestanden hat, wo Albus Dumbledore fünf Jahre lang seine Eltern besucht hat?“
 

Zaubertranksnape sagte nichts und das war an und für sich Antwort genug.

Nagini stieß wieder ein wütendes Zischeln aus, während die Flammen im Kamin gefährlich aufloderten.
 

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Der dunkle Lord war in Hogwarts. Harry konnte seine Anwesenheit spüren, sie schien an ihm zu rütteln und zu zerren und ihn zu sich zu rufen. Für einen kurzen Moment dachte er tatsächlich ernsthaft darüber nach, diesem stummen Ruf zu folgen, doch er entschied sich dagegen. Zuerst würde er diese köstliche Schokoladentorte zu Ende bringen. Wie so oft in seinem Schülerdasein hatte er sich auch heute wieder nach dem Gespräch mit James und Remus in die Hogwartsküche zurückgezogen, um seine Gefühle in sinnvolle Arbeit zu verwandeln – und was war da besser, als eine Torte zu backen?

Die Hauselfen akzeptierten erfreut seine Anwesenheit. Wie immer hatte sich auch heute wieder ein gutes Dutzend um ihn versammelt und machten ihm jeden Handgriff nach, in der Hoffnung, das Essen noch besser zu machen.
 

Albus Dumbledore hatte einmal gesagt, dass man immer wusste, wann er wieder einmal hier unten gewesen war, da das Essen an diesem Tag immer außerordentlich vorzüglich schmeckte und ihm daraufhin fünfzig Punkte für Ravenclaw gegeben. Seitdem versuchten seine Mitschüler regelmäßig, ihn für ihr jeweiliges Lieblingsessen zu begeistern und manche – wie Anthony Goldstein oder Gregory Goyle – fragten ihn beinahe täglich, wann er wieder einmal hinuntergehen würde. Ja, er konnte kochen und backen, wenn er wollte und er tat es gern genug, um des Öfteren hier unten aufzufinden zu sein.

Heute würde sich die ganze Schule über eine Schokoladenapfeltorte freuen, deren Rezept er vor kurzem in einer Zeitschrift gefunden hatte, die verlassen im Gemeinschaftsraum gelegen hatte. Sie war eine reine Kalorienbombe und stellte in der Zubereitung eine gewisse Herausforderung dar, also genau das Richtige für einen schönen, verschneiten Dezemberabend.
 

Aber was hatte der dunkle Lord hier zu suchen? Bisher war er nie hierhergekommen – klugerweise. Dumbledore wusste sicher ebenfalls von seiner Anwesenheit und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er danach handeln würde. Außer...

„Kann mir bitte jemand eine Zimtstange reichen?“, fragte Harry und sofort holte jeder Hauself etwas von der gewünschten Zutat hervor. „Ähm... eine hätte gereicht...“

Wo war er? Ach ja, der dunkle Lord. Vorsichtig begann er damit, die Zimtstange in mehrere, gleichgroße Teile zu brechen. Vielleicht sprach er gerade mit Severus über den Trank. In diesem Fall war es eine sehr kluge Entscheidung genau hier zu bleiben. So, wie er die beiden Männer einschätzte, würde das kein Gespräch sein, dessen Zeuge er sein wollte.
 

„Ah, diese Torte sieht einfach bezaubernd aus!“

Harry erstarrte für den Bruchteil einer Sekunde, ehe er damit fortfuhr, die kleinen Zimtstangen kunstvoll auf der Torte anzuordnen. „Vielen Dank, Professor. Ich gebe mir die größte Mühe.“

„Oho, du sprichst also wieder“, stellte Albus Dumbledore fest und trat neben ihn. „Wie wunderbar! Da werden deine Lehrer wohl alle gleichermaßen aufatmen, da sie nun endlich wieder jemanden haben werden, der ihre Fragen ohne große Umstände beantworten kann.“

„Denken Sie nicht, dass dieser Kommentar etwas unangebracht gewesen ist, Sir?“, fragte Harry. Er hätte höflich sein und den Mund halten können, aber wo blieb da der Spaß? Außerdem wusste er aus Erfahrung, dass Dumbledore eine hohe Toleranzgrenze hatte, was vorlaute Kommentare anging. Zumindest eine höhere als der dunkle Lord oder Minerva McGonagall.
 

„Vielleicht hast du Recht“, entgegnete der Schulleiter tatsächlich glucksend. „Doch es ist nichtsdestotrotz wahr.“ Plötzlich wurde er ernst. „Voldemort ist in Hogwarts.“

Langsam legte er das letzte Zimtteil ab und begutachtete sein Werk. Nicht schlecht. Jetzt fehlte nur noch etwas Sahne und fertig wäre es. „Tatsächlich?“

„Du klingst etwas zu unbesorgt, wenn man bedenkt, dass du nicht mehr ein Mitglied der Familie Malfoy bist“, bemerkte Dumbledore ruhig.

Unbekümmert begann er, kleine Sahnehäufchen an die Ränder der Torte zu spritzen. „Wie ich Ihnen bereits gesagt habe, stehe ich nicht auf seiner Todesliste. Solange ich also nichts unüberlegtes tue, gibt es für mich keinen Grund, mich vor seiner Anwesenheit zu fürchten.“

„Vielleicht ist er ja hier, um Neville zu töten.“
 

Gute Taktik, wirklich. Spiele mit den Ängsten deines Opfers. Säe Zweifel in seinem Denken. Sag ihm genau das, was es selbst schon immer befürchtet hat. Und sobald die Samen Früchte tragen, wird es dein treuester Diener sein.

Dunkler Lord, Politiker, Schulleiter, Lehrer – was machte das schon für einen Unterschied? Letztendlich waren sie doch alle gleich. Interessanterweise machten sie auch alle denselben Fehler, indem sie glaubten, er würde darauf hereinfallen.

„Neville ist in Hogsmeade. Und selbst wenn nicht, ist der dunkle Lord sicher klug genug, um nicht unter Ihrer Nase einen Mord zu begehen. Oder ist es nur ein Gerücht, wenn gesagt wird, Sie wären der Einzige, den er je fürchtete?“

Warum auch immer. Harry konnte es sich ehrlich gesagt nicht wirklich erklären. Gut, Dumbledore war mächtig, aber dies war er ebenfalls. Also... warum?
 

Dumbledore seufzte. „Du hast natürlich Recht. Verzeih, ich vergesse immer, wie intelligent du bist.“ Harry bezweifelte, dass diese Aussage der Realität entsprach, hielt jedoch den Mund. „Es stimmt, dass Voldemort weder dich noch Neville umbringen möchte, im Augenblick zumindest. Doch du solltest dich dennoch vor ihm in Acht nehmen.“

„Wirklich?“, fragte Harry und betrachtete seine, nun endlich fertige, Torte. Sie sah wirklich gut aus, wenn etwas Selbstlob erlaubt war. Jetzt musste er nur noch jemanden finden, der sie mit ihm zusammen essen konnte. Gut, er könnte eventuell Dumbledore fragen – der Mann konnte vollkommen in Ordnung sein, wenn er wollte und ein unterhaltsamer Gesprächspartner noch dazu – aber heute war er nicht in der Stimmung, mit diesem Mann zu reden.
 

„Harry... ich kann mir gut vorstellen, dass Voldemort für dich eine äußerst faszinierende Persönlichkeit ist. Sicher fühlst du dich zu ihm hingezogen und er gibt dir wahrscheinlich das Gefühl, als würde er dasselbe empfinden, aber du darfst nicht vergessen, dass seine Manipulationsfähigkeiten sogar größer sind, als die meinen.“

Stirnrunzelnd drehte Harry sich nun das erste Mal an diesem Tag völlig zu ihm um und betrachtete den alten Mann. Was hatte er vor? Jemand wie Albus Dumbledore würde niemals so etwas zugeben, ohne zu glauben, etwas daraus zu gewinnen. „Könnten Sie sich bitte etwas konkreter ausdrücken, Sir?“

„Harry, ich bin kein dummer Mann“, erklärte er ihm streng. „Ich weiß genauso gut wie du, dass du damals im zarten Alter von vier Jahren auf der Treppe eures Hauses standest und mein Gespräch mit deiner Mutter belauscht hast.“
 

Schnee. Die warme Küche. Der Geruch von backenden Plätzchen. Lilys verzweifelte Stimme. „Bist du dir wirklich sicher, Albus? Bei Merlin, bist du dir wirklich sicher? Aber das kann nicht wahr sein. Nicht mein Harry! Nicht mein Sohn! Er kann unmöglich...“
 

„Du weißt genau, warum Voldemort alles versucht, um dich auf seine Seite zu ziehen. Also warum lässt du es zu? Du bist zu intelligent, zu unabhängig, um dich so von ihm beeinflussen zu lassen.“

„Und Sie sind zu intelligent, um zu glauben, dass mich Ihre Worte auch nur im mindesten beeindrucken könnten, Sir.“

„Harry...“, begann der Schulleiter, doch im selben Moment wurde die Tür zur Küche aufgerissen und zwei weitere Stimmen riefen seinen Namen. Schüler und Lehrer drehten sich um.

Es handelte sich um Neville und Hermione, die wahrscheinlich gerade erst zurückgekommen waren. Sie trugen zumindest immer noch ihre Wintermäntel und einige volle Tüten mit sich herum. Beide waren am Eingang stehen geblieben und schauten verwirrt zwischen Harry und Dumbledore hin und her.
 

Eilig klopfte der junge Potter das Mehl von seiner Kleidung, das während des Backens dorthin gelangt war und schenkte Dumbledore ein breites Lächeln. „Vielen Dank für Ihre Sorge, Sir, aber ich denke, ich brauche Ihre Hilfe nicht. Ich wünsche Ihnen noch einen wunderschönen Tag.“

Mit diesen Worten wandte er sich von ihm ab und ging auf seine beiden Freunde zu, die ihn mit offenen Mund anstarrten – wahrscheinlich, weil sie ihn noch nicht sprechen gehört hatten. Nun, es war ihnen nicht zu verdenken, dass sie verdutzt waren. Er wäre es auch.

Trotzdem hakte er sich grinsend bei den beiden unter und zog sie zum Ausgang. Dort blieb er jedoch noch einmal stehen und sah zu Dumbledore zurück. Der Mann stand allein zwischen den geschäftigen Hauselfen und sah die drei mit einem müden Gesichtsausdruck an, den Harry nur zu gut von sich selbst kannte. Deshalb beschloss er, ihm zumindest etwas gutes zu tun.

„Die Torte können Sie gerne behalten, Sir. Sie ist wirklich gut, vertrauen Sie mir.“
 

Damit verließ er die Küche, während seine Freunde hilflos hinter ihm her strauchelten.

Irgendwo unten in den Kerkern konnte er immer noch die Anwesenheit des dunklen Lords spüren, die weiterhin an ihm zu zerren schien. Doch heute würde er nicht zu ihm gehen. Heute galt seine Loyalität seinen Freunden. Und daran würde weder Tom noch Dumbledore etwas ändern können.

Returning

Einen wunderbaren vierten Advent euch allen!

Ist wirklich in fünf Tagen Weihnachten? Wie schnell doch die Zeit vergeht. Wie auch immer, hier ist wieder ein neues Kapitel von Time Changed Everything und endlich, endlich, endlich beginnt der Teil der Handlung, auf den ich mich seit Anfang der Fanfiction gefreut habe: Weihnachten bei der Familie Potter, inklusive alle Auswirkungen.

Die nächsten vier bis sechs Kapitel (bin mir noch nicht sicher, wie ausführlich es wird) sind voll mit Familienwahnsinn, erstaunlichen Aufklärungen und schockierende Enthüllungen (ich komme mir langsam wie Rita Krimmkorn vor, bei all den skandalösen Adjektiven), also freut euch schon einmal drauf. <3 Der einzige Nachteil ist, dass wir in diesen Kapitel wahrscheinlich auf Harry/Voldemort Gespräche verzichten müssen, aber ich verspreche euch, dass es danach wieder einiges davon geben wird.

Aber jetzt gibt es erst einmal ein riesiges Dankeschön an meine Beta Robino, die sich auch wieder durch dieses Kapitel gekämpft hat! *knuddel *

Außerdem möchte ich allen Kommischreibern, Schwarzlesern und den 117 Mexxlern danken, die bisher an meiner Umfrage teilgenommen haben. Alle anderen haben noch circa zwei Wochen Zeit, um über den weiteren formalen Aufbau dieser Fanfiction zu bestimmen! XD

Ich wünsche euch allen eine schöne Weihnachtswoche!

Bis bald,

eure Ayako

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Returning
 

„Wo wirst du denn dieses Weihnachten verbringen, Harry?“, fragte Cho Chang und hakte sich kurzerhand bei ihm unter. Stephen, der sich bisher mit ihm unterhalten hatte, verdrehte die Augen. Der Zimmergenosse des jungen Potters mochte sie nicht. Seiner Meinung nach war sie viel zu aufdringlich und Harry musste ihm Recht geben. Kein anderes Mädchen würde sich so sehr an ihn schmiegen, wenn sie nicht zu seinem Freundeskreis gehörte.

Sanft schob er sie von sich und schenkte ihr als Entschädigung ein strahlendes Lächeln, was sie sofort erröten ließ. „Ich werde bei meinen Eltern sein, Cho. Sie haben mich eingeladen.“

„Oh, das ist eine hübsche Idee“, sagte sie und klatschte in die Hände. „Sie leben in Godric's Hollow, nicht wahr? Wir wohnen im Nachbardorf! Vielleicht könnten wir ja...“

Doch er sollte nie erfahren, was sie vielleicht könnten, da in diesem Moment Severus Snape den Gang betrat und die drei Ravenclaws misstrauisch betrachtete. „Und was haben die drei Herrschaften hier zu suchen?“
 

Überrascht blieben alle drei stehen. Harry sah sich um und erkannte, dass sie in der Nähe ihres Gemeinschaftsraum waren. Es gab keinen Grund, sie anzuhalten oder so zu tun, als würden sie nicht hierhin gehören. Ihr Hiersein war vollkommen legitim.

„Wir... sind auf den Weg in unseren Gemeinschaftsraum, Sir“, antwortete Stephen.

Severus hob eine Augenbraue. „Nun, das will ich aber auch hoffen. Wissen Sie eigentlich, wie spät es ist? Sie alle müssten schon längst von den Gängen verschwunden sein! Fünf Punkte Abzug von Ravenclaw – für jeden von Ihnen. Und jetzt machen Sie, dass Sie hier weg kommen, bevor es noch mehr werden!“

Harry sah auf seine Uhr. Es war noch eine halbe Stunde bis zur Ausgangssperre. Da hatte wohl jemand einen schlechten Tag erwischt.

Cho und Stephen warfen ihm auch sofort einen vernichtenden Blick zu und machten sich auf den Weg. Harry wollte ihnen gerade folgen, als Severus rief: „Mr. Potter, warten Sie bitte einen Moment. Ich muss mit Ihnen sprechen.“

Die anderen beiden sahen ihn mitleidig an, ehe sie machten, dass sie wegkamen. Kein Schüler verbrachte gerne Zeit mit Severus Snape.
 

„Komm mit“, sagte er, sobald Cho und Stephen außer Hörweite waren. Also folgte Harry ihm bis – welche Überraschung – zu seinem Büro. Der Gedanke, dass er den ganzen Weg danach zurücklaufen musste, war nicht sonderlich erheiternd. Na ja, wenigstens blieb er solange von Cho verschont. Das war etwas Gutes.

Heute köchelte ausnahmsweise kein Trank in den Kesseln des Zaubertrankmeisters, dafür lag ein angenehmer Geruch nach Weihnachtsplätzchen in der Luft. Wer hätte gedacht, dass Severus Snape ein Fan von Weihnachtsplätzchen war? Er jedenfalls nicht.
 

„Etwas heiße Schokolade, nehme ich an?“, murmelte der Mann, sobald sie sich auf seinen Ledersesseln niedergelassen hatten. „Wahrscheinlich auch Kekse?“

„Du kennst mich zu gut“, entgegnete Harry grinsend. Was sollte er machen? Er liebte heiße Schokolade!

„Nun, das sollte ich aber auch, nach all den Okklumentikstunden, die wir zusammen hatten. Es wäre wirklich erbärmlich, wenn ich da nicht zumindest deine Neigungen in Sachen Essen und Trinken kennen würde.“

Dankbar nahm Harry seine Tasse mit heißer Schokolade entgegen und begann langsam, daran zu nippen.

Währenddessen hatte Severus sich mit einem Weinglas ausgestattet und genehmigte sich ebenfalls ein paar Schlückchen.

Eine Weile saßen sie einfach nur so da – schweigend, die Anwesenheit des anderen genießend – bis der Ältere sich dazu entschloss, die Stille zu brechen: „Warum gehst du zu Lily und James?“
 

Langsam stellte Harry seine Tasse auf dem kleinen Couchtisch vor ihm ab. Er hatte sich schon gefragt, wann diese Frage kommen würde. Severus war einfach zu ruhig gewesen, als er erfahren hatte, wo er Weihnachten verbringen würde. Womit er nicht gerechnet hatte, war die Tatsache, dass er bis zum letzten Tag warten würde. Morgen war es für die Schüler an der Zeit zu ihren Familien zurückzukehren. Soweit Harry wusste, blieben dieses Jahr nur wenige über Weihnachten in der Schule, alle brannten darauf endlich nach Hause zu kommen und er konnte es ihnen nicht verdenken. Die Atmosphäre in Hogwarts war seit neuestem seltsam angespannt, was vor allem daran liegen konnte, dass Albus Dumbledore in letzter Zeit oft seltsam beunruhigt wirkte und die Slyhterins sich noch mehr von den anderen Häusern isolierten, als sonst.

Draco war der Meinung, dass es an Harry lag.

„Du hast es immer geschafft, uns dazu zu bringen, zu den anderen freundlich zu sein und zumindest zu versuchen, mit ihnen auszukommen. Aber seitdem du wirklich nur noch mit Longbottom und Granger herumhängst, fühlt es sich an, als wären wir von dir verraten worden. Natürlich ist das blödsinnig, aber... es fühlt sich trotzdem so an.“
 

Wenn Draco ihm damit ein schlechtes Gewissen machen wollte, konnte er es vergessen. Er hatte sie nicht verraten. Gut, er hatte in den letzten beiden Monaten tatsächlich mit keinen von ihnen außer Draco und Severus gesprochen, aber trotzdem. Es war nicht so, als hätte er plötzlich vor, sich Dumbledores seltsamen Phönixorden anzuschließen und den dunklen Lord zu vernichten.

Er wollte nur seine Eltern besuchen. War das denn so verkehrt? Offensichtlich ja.
 

„Sie haben dich elf Jahre lang bei Narcissa und Lucius gelassen, haben sich nicht im Geringsten darum gekümmert, wie es dir geht oder was du tust. Sie hatten noch nicht einmal gewusst, dass du zu den beiden gekommen bist! Und jetzt, wo sie plötzlich wieder auftauchen und ihnen auf einmal eingefallen ist, dass du auch noch existierst, willst du ihnen einfach vergeben und mit ihnen Weihnachten verbringen?“

Harry seufzte. Er hatte gewusst, dass so etwas kommen würde. „Wo soll ich deiner Meinung nach denn sonst hin? Hier in Hogwarts bleiben? Neville besuchen? Zu Narcissa zurück?“

„Du hättest zu mir kommen können!“, rief der Mann aufgebracht. „Nur ein Wort von dir, Harry und ich hätte dich mit Freuden aufgenommen. Nur ein Wort und...“

„Sev...“, unterbrach Harry ihn sanft. „Meine Mutter wird James nicht verlassen, nur weil du versuchst, mir ein besserer Vater zu sein. Sie liebt ihn. Nicht dich.“
 

„Das hier hat weder etwas mit Lily, noch mit James zu tun!“, entgegnete Severus. „Es geht um dich!“

„Ich bin nicht dumm, Severus. Oder glaubst du, ich hätte nicht gemerkt, wie plötzlich sich unsere Beziehung verbessert hat, seit sie wieder da sind? Remus hat mir erzählt, wann sie in den Orden eingeführt worden sind, es war kurz vor dem Tag, an dem wir uns bei Fred und George trafen.“

Severus saß einfach nur da und starrte ihn an. Sein Gesicht war dabei das des perfekten Legilimentikers. Vollkommen ausdruckslos. Undurchschaubar. Genau wie Lucius bei ihrem letzten Gespräch.

„Ich liebe dich, Sev“, sagte Harry. Für einen kurzen Moment entglitt ihm die Maske, doch er fing sich sofort wieder. Aber das war zu erwarten gewesen. „Und ich weiß, dass du mich auch liebst. Die Frage ist nur warum. Wegen mir? Oder weil ich Lily Evans Sohn bin?“

Die Flammen im Kamin klangen heute ungewöhnlich laut. Aber es könnte auch daran liegen, dass sie schon wieder schwiegen.
 

„Harry...“, flüsterte Severus, doch der Jüngere schüttelte mit den Kopf.

„Ich hatte mir von Anfang an gedacht, dass irgendetwas dahinterstecken musste. Genauso wie meine Eltern hattest du dich elf Jahre lang so gut wie gar nicht um mich gekümmert und dann kamst du an und hast unauffällig versucht, mir nahe zu kommen. Es war seltsam, aber ich habe es zugelassen. Ich habe dir eine Chance gegeben und ich bin auch froh darüber. Deshalb muss ich auch den beiden eine Chance geben. Das, was sie getan haben, tat weh, aber ihnen muss es noch viel mehr weh getan haben. Verstehst du das?“

„Natürlich“, entgegnete Severus, klang dabei jedoch resigniert. Harry konnte es ihm nicht verdenken. Er an seiner Stelle wäre es auch.
 

„Ist das alles, was du mit mir besprechen wolltest?“, fragte er deshalb und griff wieder nach seiner heißen Schokolade. Wobei sie inzwischen kalt geworden war. Aber wozu gab es denn sonst Wärmezauber?

Eilig sprach er einen aus und nippte danach zufrieden an seinem Lieblingsgetränk. Schon viel besser.

„Nein, natürlich nicht“, seufzte Severus. „Ich wollte dich fragen, ob du immer noch Alpträume hast.“

„Überraschenderweise nicht“, erwiderte Harry stirnrunzelnd. „Vor etwa einer Woche haben sie urplötzlich aufgehört.“

Sein Patenonkel nickte. „Das habe ich mir gedacht.“

„Oh?“

„Seit einer Woche machen die Gespräche mit dem dunklen Lord wieder Sinn und zwar auch jene, die nichts mit dir zu tun haben. Er muss tatsächlich aufgehört haben, den Trank zu nehmen, woran wir sehen können, dass er tatsächlich mit deinen Träumen zusammenhing.“
 

„Das macht Sinn“, antwortete Harry nickend. „Aber warum?“

„Das weiß ich nicht“, sagte Severus, ehe sie beide wieder in Schweigen verfielen.

Nachdenklich trank der junge Potter seine Schokolade aus. Es war tatsächlich sehr seltsam. Warum hatte er Alpträume, weil Tom einen Trank konsumierte, der ihn wahnsinnig machte? Und warum hatte er gerade von Lilienblättern – hatte Tom nicht nach Lilien gerochen? – und dem Kadaver einer Schlange geträumt?

Weshalb hatte der Trank zu wirken aufgehört, wenn er in der Nähe war? Was ging hier eigentlich vor sich?
 

„Du solltest langsam in deinen Gemeinschaftsraum zurückkehren“, unterbrach Severus schließlich seinen Gedankengang. „Ich gebe zu, dass meine Anschuldigung vorhin unangebracht gewesen ist, aber inzwischen haben wir tatsächlich die Sperrstunde überschritten. Darüber hinaus liegt morgen ein langer Tag vor dir. Da solltest du noch etwas Schlaf bekommen.“

Harry stand nickend auf. „Da hast du vollkommen Recht. Ich wünsche dir frohe Weihnachten.“

„Ich dir auch“, erwiderte er sanft. Plötzlich wurde er wieder ernst. „Falls du bei ihnen Probleme hast oder sonst Hilfe brauchst... du weißt, wo du mich findest.“

Der Jüngere lächelte. „Danke, Sev.“
 

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Der nächste Morgen kam plötzlich und viel zu schnell. Irgendwann zwischen roten Augen und schwarzer Dunkelheit erwachte er durch das Licht, das plötzlich auf sein Gesicht fiel.

„Es ist Tag, Harry!“, rief Stephen mit einer guten Laune, die verboten sein sollte. „Normalerweise bist du schon seit Stunden auf den Beinen! Es wird Zeit, dass du aufstehst, mein Freund! Professor Lupin hat schon zweimal nach dir schicken lassen!“

Gähnend richtete Harry sich auf. „Wie spät ist es denn?“

„Um acht!“, verkündete sein Zimmergenosse munter und holte von irgendwoher seinen Koffer hervor, den er auch sogleich zu packen begann.

Einen Augenblick lang starrte Harry ihn an. Dann ließ er seinen Oberkörper wieder auf sein Bett plumpsen und drehte dem Jungen den Rücken zu. „Weck' mich, wenn du fertig bist.“
 

Beinahe sofort wurde er mit einem Kissen beworfen, was ihn dazu brachte, sich verärgert herumzudrehen.

„Vergiss es, Harry!“, sagte Stephen fröhlich, während er nach dem nächsten Kissen griff. „Du wirst jetzt aufstehen, dich zurecht machen und mit deinem gepackten Koffer zu Professor Lupin gehen!“

„Und was ist, wenn ich es nicht tue?“, fragte er misstrauisch.

„Dann“, sagte der andere grinsend, „hole ich Wasser.“

Das würde er wirklich tun. Grummelnd setzte er sich wieder auf und fuhr sich verschlafen durch sein Haar. In letzter Zeit war er ein richtiger Morgenmuffel geworden. Während er früher stets hellwach gewesen war, wenn die Morgendämmerung einsetzte, wollte er jetzt am liebsten den ganzen Tag schlafen. Ob es etwas damit zu tun hatte, dass er über Monate von Alpträumen verfolgt worden war? Vielleicht holte er jetzt einfach den ganzen Schlaf nach, der ihm solange verwehrt geblieben war.
 

„Komm schon, Harry!“, rief Stephen aufmunternd. „In ein paar Stunden bist du Zuhause bei deinen sogenannten Eltern, die sicher alles tun werden, um dich glücklich zu machen. Da kannst du dich sicher für den Rest des Tages hinlegen und schlafen.“

„Da wirst du wohl Recht haben“, entgegnete er gähnend und stieg mit einer fließenden Bewegung aus dem Bett. Wie war er eigentlich noch einmal auf die Idee gekommen, zu den Potters zu gehen? Ach ja, er wollte dem Rest der Welt irgendwie entkommen und das war der annehmbarste Weg gewesen. Also dann, Harry. Augen zu und durch.
 

Eine halbe Stunde später fand er sich fertig angezogen, frisiert und mit seinem vollen Koffer in Remus' Büro wieder. Der Werwolf warf ihm einen bösen Blick zu, als er den Raum betrat. „Ich warte schon eine Stunde auf dich!“

„Entschuldige bitte, Remus“, entgegnete er mit einem schuldbewussten Lächeln, das die Augen seines Patenonkels sofort wieder sanft werden ließ. „Ich war nur so müde...“

„Du siehst tatsächlich etwas blass aus“, stellte er besorgt fest. „Nicht, dass du wieder krank wirst...“

„Mir geht es gut. Ich bin nur müde. Können wir jetzt los?“
 

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Nachdem die Potters nach England zurückgekehrt waren, hatten sie für kurze Zeit in einem Londoner Apartment gelebt. Allerdings war es nur eine Übergangslösung gewesen, da sie schon sehr bald damit begonnen hatten, ihr altes Haus in Godric's Hollow wieder herzurichten. Warum es all die Jahre leer geblieben war, wusste niemand so genau. Vielleicht hatte Dumbledore seine Finger im Spiel gehabt, vielleicht hatte die Familie sich geweigert, das Haus aufzugeben, denn tatsächlich stammte James Potter aus einer alten und fast ebenso verzweigten Familie wie die Blacks. Oder aber es war das Schicksal selbst gewesen, das seine Finger nach diesem Ort ausgestreckt hatte.

Was immer es auch gewesen sein mochte, sie hatten das Haus wieder und es sah beinahe ebenso einladend und gemütlich aus, wie vor knapp elf Jahren, als das letzte Mal jemand darin gelebt hatte.
 

Es war ein Haus im viktorianischen Queen-Anne-Stil. Die Außenfassade war in einem dunklen Grünton gestrichen, der gut zu den Bäumen passte, die das ganze Grundstück umsäumten. Es waren alte Bäume – Eichen, Buchen, Linden – die in dieser Jahreszeit mit Schnee bedeckt waren und nichts von den Blättern sehen ließen, die sonst das Bild der perfekten Heimat vervollkommnten.

Innerhalb des Gebäudes herrschte ebenfalls eine ruhige, friedliche Atmosphäre. Es gab unzählige Zimmer – manche kleiner, manche größer – die genug Platz für eine achtköpfige Familie geboten hätte. Die ganze Familie Weasley hätte hier Platz finden können, dachte Fred, während er in der Küche saß und dem Gespräche zwischen Lily und George lauschte. Sicher hatte das junge Ehepaar vor knapp achtzehn Jahren, als sie hier eingezogen waren, vorgehabt, eine große Familie zu gründen. Harry hätte niemals ein Einzelkind bleiben sollen und doch.... und doch...
 

Aber es war ein guter Ort für Harry, beschloss er. Sein junger Freund würde sich hier sicher vollkommen wohl fühlen und wenn Lily und James ihn auch nur ansatzweise so behandelten, wie er und sein Bruder behandelt wurden, würde er hier bald eine wunderbare Familie finden. Wahrscheinlich war das wirklich das Beste für ihn.

Anfangs waren die Zwillinge selbstverständlich misstrauisch gewesen. Sie hatten Harrys Tränen, seine Verzweiflung gesehen und für einen Moment hatten sie sowohl die Potters, als auch die Malfoys gehasst. Als sie jedoch auf einer Ordenssitzung hörten, dass er sich dazu entschlossen hatte, hier Weihnachten zu verbringen, waren sie zu dem Schluss gekommen, ihre Meinung noch einmal zu überdenken. Wenn Harry glaubte, dass sie es wert waren, bei ihnen die Ferien zu verbringen, konnten sie gar nicht so schlecht sein. Dies war der Grund, weshalb sie hier waren. Sie hatten sich selbst davon überzeugen wollen, dass es ihm hier gut gehen würde. Hätten sie auch nur die geringsten Zweifel gehabt, hätten sie ihn bei seiner Ankunft entführt und zu diesem geheimnisvollen Fremden gebracht, der es offenbar geschafft hatte, sein Herz zu gewinnen. Dort wäre er sicher am besten aufgehoben gewesen, doch zum Glück waren Lily und James äußerst annehmbar und so würden sie ihn in ihrer Obhut lassen – vorerst.
 

„Möchtest du noch etwas Kaffee?“, fragte Lily plötzlich.

Fred schenkte ihr ein breites Grinsen. „Nein danke, Mrs. Potter. Wenn ich noch mehr trinke, werde ich die ganze nächste Woche kein Auge mehr zumachen.“

„Alles klar“, erwiderte sie lächelnd. „Ich bin so froh, dass Harry zwei so gute Freunde wie euch hat. Ihr müsst euch sicher sehr nahe stehen.“

//Sie haben ja keine Ahnung.//

„Ja, nach Felice, Luna, Neville und Hermione sind wir sicher die nächsten auf der Liste“, meinte George scherzhaft. „Harry ist ein Mensch, den viele lieben.“

Ein seltsamer Ausdruck legte sich auf ihr Gesicht, den Fred – wenn er es nicht besser wüsste – als schmerzvoll oder gar traurig bezeichnet hätte. Aber das konnte nicht sein. Sie redeten über etwas gutes oder etwa nicht?

„Ja“, flüsterte Lily und wandte sich ab, um die Kaffeekanne auf die Anrichte zu stellen. „Harry ist ein geliebter Mensch.“
 

Verwirrt wechselten die Zwillinge einen Blick, doch ehe einer von ihnen etwas sagen konnte, hörten sie ein lautes Poltern aus dem Wohnzimmer kommen. Verdutzt drehte sich Lily um, während die beiden grinsten.

„Was war das denn?“, fragte sie verdutzt.

Das Grinsen der Zwillinge wurde breiter. „Harry.“
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Hatte er schon einmal erwähnt, wie sehr er Flohpulver hasste? Nein? Nun, dann war dieser Moment genau richtig dafür. Fluchend rappelte Harry sich auf und klopfte sich die Asche von seinem Umhang, bevor er dazu überging, seine Umgebung zu analysieren. Helle, große Fenster, die viel Licht hereinließen. Schicke, altertümliche Möbel, die an ein vergangenes Jahrhundert erinnerten, aber dennoch oder vielleicht gerade deshalb gemütlich wirkten. Ein paar Regale mit Büchern, Geschirr und... Pokalen? Außerdem Pflanzen, jede menge Pflanzen und mehrere kitschige Staubfänger in Form von kleinen Tieren oder seltsamen Gebilden, die keinem anderen Zweck dienten, als hübsch auszusehen. Die Gardinen waren der letzte Beweis: In diesem Haus hatte eine Frau das Sagen. Irgendwie hatte Harry das dumpfe Gefühl, das auch seine und Remus' Anwesenheit diese Hierarchie nicht würde ändern können.
 

Plötzlich loderten die Flammen auf und Remus trat elegant aus ihnen heraus. Er brauchte nur einen Blick auf Harry zu werfen, um in lautes Gelächter auszubrechen.

„Genauso wie James!“, erklärte er auf seinen fragenden Blick hin. „Er konnte auch nie mit Flohpulver umgehen!“

Toll. Da hatte er schon etwas von seinem Vater geerbt und dann musste es das sein. Da wäre er doch lieber ein Quidditchfanatiker geworden – obwohl, vielleicht doch lieber nicht.
 

Immer noch lachend lief Remus auf eine offene Tür zu. „Lily? James? Ist jemand da? Wir sind angekommen!“

„In der Küche!“, hörten sie Harrys Mutter rufen und da er nichts anderes zu tun hatte, folgte der Junge dem Werwolf dorthin. Sie sah genauso aus, wie er es in Erinnerung hatte. Eine hübsche Einrichtung, die wie die Außenfassade in einen dunklen Grünton gehalten war, große Fenster, die den Blick auf die Straße freigaben und der Geruch nach frischem Kuchen, inklusive Kaffee. In der Mitte des Raumes war der große Küchentisch, bedeckt von einer hübschen Tischdecke und mit einem großen Weihnachtskranz dekoriert. An ihm saßen Fred und George Weasley, die ihm beide ein identisches, breites Grinsen schenkten, als sie seinen Blick auffingen.

Seine Mutter stand an der Anrichte und ihre Augen fingen an zu leuchten, als sie ihn erkannte. Die Anderen mochten sagen, was immer sie wollten, Lily liebte ihn und er wäre nicht unbedingt herzlos, aber auf jeden Fall nicht nett, wenn er diese Liebe einfach ignorieren würde. Sie war für fünf wunderbare Jahre seine Mutter gewesen und vielleicht könnte sie es wieder sein. Vielleicht... was für ein albernes Wort. Offenbar verlor er tatsächlich langsam seinen Verstand.
 

„Harry“, flüsterte Lily. „Wie schön, dass du gekommen bist.“

„Ich freue mich auch, hier zu sein.“ Das stimmte. Obwohl er es nie geglaubt hätte – genaugenommen konnte er es selbst jetzt noch nicht ganz glauben – tat es gut, hier zu sein. Es war, als wäre er nach langer Zeit endlich Zuhause angekommen. Ob es jedem so ging, der nach langer Abwesenheit in sein Elternhaus zurückkehrte?

„Das ist alles?“, fragte plötzlich George enttäuscht. Die beiden Potters wandten sich ihm fragend zu, während Remus sich wohlweislich im Hintergrund hielt. „Keine dramatische Wiedersehensfreude? Keine Tränen? Keine Umarmungen? Ich hätte wirklich mehr erwartet.“

„Wenn du unbedingt Körperkontakt und freudige Liebeserklärungen haben willst, geh nach Muggellondon und schau dir im Kino eine Liebesschnulze an. Ich bin sicher, dass du dort auf deine Kosten kommen wirst“, kommentierte Harry seine Aussage trocken.
 

Fred, Lily und Remus lachten, während Georges Grinsen einfach breiter wurde. „Wenn du mitkommst, Liebster, gibt es nichts, was mich aufhalten würde.“

Nun war es an Harry zu grinsen. „Bekomm ich auch Popcorn?“

„Soviel du willst, Darling!“

„Cool!“, rief er mit äußerst überzeugender Begeisterung. „Wann gehen wir los?“

Verblüfft wurde er angesehen, ehe George sich zu seinem Bruder umwandte. „Ich hab ein Date mit Harry, Bruderherz. Es könnte also spät werden.“

„Nichts da! Du kommst mit mir! Der Laden öffnet in einer halben Stunde und ich werde ihn nicht alleine führen, verstehst du? Wir werden Harry jetzt schön alleine mit seiner Familie lassen. Immerhin müssen sie sich erst kennenlernen, schon vergessen?“

„Aber Fred!“, empörte sich George. „Du kennst Harry! Dieses Angebot ist einmalig! Ich werde es nie wieder bekommen!“

„Ein weiterer Grund, mit mir in den Laden zu kommen“, entgegnete Fred herzlos. „So wirst du wenigstens vor dem elenden Schicksal geschützt, bis zum Ende deines Lebens einer Erinnerung hinterherzujagen.“

„Aber...“

„Jetzt ist wirklich genug!“, rief Fred und stand auf. „Vielen Dank für den Kaffee, Mrs. Potter, aber wir müssen nun wirklich los.“

„Natürlich“, sagte Lily lächelnd. „Kommt jederzeit wieder vorbei.“

„Das hättest du lieber nicht sagen sollen“, murmelte Harry, während die Zwillinge sie ansahen, als wäre sie ein Engel. „Jetzt wirst du sie nie wieder los.“
 

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„Wo ist eigentlich James?“, fragte Remus, als sie sich etwas später zu dritt am Küchentisch saßen und – im Falle von ihm und Harry – ein verspätetes Frühstück einnahmen. „Er war so froh, dass wir kommen würden, dass ich glaubte, er würde sofort ins Wohnzimmer gerannt kommen und uns mit einer Umarmung erwürgen.“

Ja, das sah seinem Vater tatsächlich ähnlich, dachte der einzige Minderjährige im Raum. Wo also steckte er?

„Soweit ich weiß, ist er mit unserem Besuch in die Winkelgasse gegangen, um ein paar letzte Besorgungen zu machen. Sie müssten aber jeden Moment wieder hier sein.“

„Besuch?“, fragte Harry.
 

Lily lächelte ihm wohlwollend zu. „Ein Waisenkind, das über Weihnachten keinen Ort zum Bleiben hat. Albus hat uns gebeten, sie aufzunehmen und wie hätten wir nein sagen können? Sie ist ein wirklich liebevolles Mädchen, ich bin sicher, du wirst dich gut mit ihr verstehen. Tatsächlich hat sie erzählt, dass ihr euch kennen würdet.“

//Ein Waisekind? Weiblich? Mit dem ich mich verstehe? Das zudem keinen Ort zum Bleiben hat? Doch nicht etwa...?//

Plötzlich wurde die Küchentür aufgerissen und im nächsten Moment schlangen sich zwei schlanke Arme um seinen Nacken. Blondes, langes, glattes Haar. Ein Parfüm, das an Rosen erinnerte. Und ihre Stimme, ihre wundervoll, liebevolle Stimme, die er mehr vermisst hatte, als er es realisiert hatte.

„Harry!“, schrie Luna Lovegood. „Endlich bist du da!“
 

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Liebe Felice,
 

manchmal ist das Leben äußerst merkwürdig. Vor einem Jahr hätte ich nie geglaubt, Weihnachten jemals wieder mit meinen Eltern zu feiern. Genauso wenig wie ich gedacht hätte, jemals wieder Harry Potter zu werden.
 

Weißt du, eigentlich ist es seltsam. Bis ich Remus auf der Quidditchweltmeisterschaft traf, hatte ich nie genauer über sie nachgedacht. Obwohl ich immer gewusst hatte, dass sie existierten und dass sie mich im Stich gelassen hatten, war es davor so, als wäre das alles nie passiert. So, als wären sie wirklich gestorben und ich ein Waisenkind. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, ich hätte es vergessen, aber das ist unmöglich, oder? So etwas kann man überhaupt nicht vergessen?

Und Lucius... ich hatte immer darauf gewartet, dass er mir irgendetwas sagt, aber erst jetzt ist mir klar geworden, was genau es war.
 

Fel, werde ich jetzt verrückt?
 

Ich habe das Gefühl, dass hier mehr vor sich geht, als mir bisher bewusst ist. Irgendetwas geht hier vor. Die Frage ist nur, von wem es ausgeht: Dem dunklen Lord oder Dumbledore?

Nun, wir werden es schnell genug herausfinden.
 

Ich wünsche dir ein wunderbares Weihnachtsfest.

In Liebe,

Harry.

The Seer, The Empath And...

Einen wunderschönen zweiten Weihnachtsfeiertag euch allen!

Für alle, die genau wie ich Weihnachtsmuffel sind: Wir haben es bald überstanden!

Für alle anderen: Tröstet euch, zuerst haben wir ja Silvester. ^^

Dieses Kapitel wollte ich eigentlich bereits vor zwei Tagen on stellen, aber da meine Beta mich – berechtigterweise – darauf hingewiesen hat, dass dies vielleicht etwas zu gemein wäre, habe ich beschlossen, es erst heute zu tun.

Dafür gab es aber an Heiligabend einen kleinen One-Shot zu Harry/Tom von mir, den ich all meinen Lesern gewidmet habe. Wenn ihr Lust habt, könnt ihr also vorbeischauen. *Schleichwerbung*

Ansonsten möchte ich wie immer allen Kommischreibern, Schwarzlesern (ich weiß, dass es euch gibt! XD) und selbstverständlich meiner Beta danken, sowie allen, die bisher an der Umfrage teilgenommen haben. Sie läuft übrigens noch bis Silvester, falls sich noch jemand daran beteiligen will.

Ich wünsche euch allen noch ein schönes Rest-Weihnachtsfest!

Bis bald,

eure Ayako
 

P.s.: Das nächste Kapitel kommt voraussichtlich noch dieses Jahr. ^.~

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The Seer, The Empath And...
 

Lieber Harry,
 

momentan hasse ich meine Großmutter. Sie hat doch tatsächlich die Weasleys zu uns eingeladen und wer ist mitgekommen? Richtig, Ronald Blödmann Weasley. Und wer durfte sich um ihn kümmern? Genau, ich!

Ich wünschte, du wärst hier. Dann wäre das Ganze etwas erträglicher. Na ja, vielleicht sehen wir uns ja noch mal vor dem neuen Jahr?

Ich wünsche dir schöne Weihnachten und lass dich von deinen Eltern nicht unterkriegen! Zur Not verstecke ich dich eben in meinem Kleiderschrank. Aber ich habe ohnehin gehört, dass Luna bei euch ist! Grüß sie von mir und sag ihr, dass sie ruhig mitkommen kann, wenn du beschließt, mein Kleiderschrankangebot anzunehmen.
 

Liebe Grüße,

Neville.
 

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Inzwischen wünschte Draco sich, in Hogwarts geblieben zu sein. Zwar wäre dort niemand gewesen, aber wenigstens die Stimmung hätte sicher mehr dem bevorstehenden Fest entsprochen. Hier jedoch herrschte eisige Kälte und wer war Schuld daran? Richtig, sein verdammter Adoptivbruder.

Anstatt ihm dabei zu helfen, den Familienfrieden und die alte Harmonie wieder herzustellen, hatte er sich zu diesen... diesen Monstern begeben, die eigentlich für diese ganze Situation verantwortlich waren. Manchmal fragte er sich wirklich, ob der Junge vielleicht doch nicht so intelligent war, wie alle glaubten. Wahrscheinlich war er es trotzdem. Die Möglichkeit, dass er irgendeinen genialen Plan verfolgte, den er sich nicht einmal erträumen konnte, bestand.

Jedoch änderte auch das nicht die Tatsache, dass hier in seinem eigenen Zuhause die Hölle los war. Obwohl, das war vielleicht doch der falsche Ausdruck. In der Hölle sollte es angeblich warm sein, heiß, unerträglich, man verbrannte. Im Hause Malfoy herrschte Winter. Tiefer, kalter Winter, der jeden Raum auszufüllen schien und das alles nur, weil einer von ihnen fehlte.
 

Offenbar hatte seine Mutter ihrem Ehemann immer noch nicht vollkommen vergeben und so wie Draco die Situation einschätzte, würde sie es auch niemals tun. Sie hatte Harry wie einen eigenen Sohn geliebt. Er war alles gewesen, was Draco niemals sein würde. Er hatte seiner Mutter alles gegeben, was Draco nie finden könnte. Er war... perfekt für sie.

Hatte er ihn dafür gehasst? Oh ja.

Hasste er ihn immer noch? Nein. Denn Harry war auch für ihn perfekt gewesen. Er war für jeden perfekt. Die Frage war nur: Warum? So jemanden durfte es doch gar nicht geben – Menschen waren unvollkommen, das war ein Naturgesetz. Doch Harry... Ach, es war zum Haareraufen!
 

Verärgert stieß Draco die Tür zur Lounge auf und war überrascht, seine Mutter, seine Tante Bellatrix und den dunklen Lord dort vorzufinden (wann war letzterer denn angekommen?). Sie blickten alle auf, als er hineinkam und besonders Bellatrix sah ihn missbilligend an – da er solch einen Lärm verursacht hatte – ehe sie sich wieder ihrer Schwester zuwandte, die ein stummes Duell mit dem dunklen Lord zu führen schien, zumindest war Draco relativ froh, im Moment nicht der Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit zu sein. Was war denn jetzt schon wieder los?
 

„Cissy“, sagte Bellatrix schließlich zaghaft. „Ich denke, es war jetzt lange genug. Harv... Harry wird nicht kommen.“

Narcissa reagierte nicht auf ihre Worte, sondern hielt ihren Blick weiterhin auf den dunklen Lord gerichtet, der ihn ungerührt erwiderte.

„Cissy“, begann ihre Schwester noch einmal. „Bitte, es bringt wirklich nichts...“

„Ich verstehe Euch nicht“, flüsterte Dracos Mutter und brachte Bellatrix damit zum Verstummen. „Wie könnt Ihr es zulassen, dass er zu Lily und James geht? Zu Dumbledore? Wo Ihr es selbst wart, der sagte, dass wir dies unter allen Umständen verhindern müssen. Früher konnte ich Eure Handlungen nachvollziehen, doch inzwischen...“

„Cissy!“, zischte Bellatrix aufgebracht. „Vergiss nicht, mit wem du sprichst!“

„Oh, dass vergesse ich sicher nicht, Bella!“, entgegnete sie wütend. „Du kannst es nicht verstehen. Du hattest nie Kinder! Du weißt nicht, wie es für eine Mutter ist, einen ihrer Söhne...“

„Dieser Potter war niemals dein Sohn!“, rief ihre Schwester. „Du hattest ihn adoptiert und groß gezogen! Er sollte dir auf den Knien dafür danken! Doch stattdessen geht er, undankbar wie er ist, sofort zu denen zurück, die sich seine Eltern schimpfen! Du solltest keinen weiteren Gedanken an ihn verschwenden, Cissy. Das ist er wirklich nicht wert.“
 

Mit einer fließenden Bewegung erhob sich Narcissa und im nächsten Moment hatte sie ihren Zauberstab auf ihre Schwester gerichtet, die sie erschrocken ansah. „Wage es nie wieder zu behaupten, dass Harry es nicht wert wäre“, flüsterte sie. „Harry ist jede Minute wert, die man damit verbringt, um ihn zu weinen, ihn zu vermissen oder sich zu wünschen, dass er hier wäre. Doch du kannst es nicht verstehen. Du hast ihn nur als einen passenden Zeitvertreib gesehen, um deine Langeweile zu vertreiben. Aber für mich war er ein Sohn! Er ist es immer noch und glaube nicht, dass ich einfach aufhören kann, ihn zu lieben, nur weil Lily und James wieder da sind.“

„Okay, ist ja schon gut!“, rief Bellatrix, den Blick besorgt auf den Zauberstab ihrer Schwester gerichtet. „Cissy, beruhige dich! Ich werde nie wieder etwas schlechtes über ihn sagen. Also bitte, könntest du den Zauberstab wieder einstecken?“
 

Für einen Moment glaubte Draco, seine Mutter würde ihr einen Fluch auf den Hals jagen, doch stattdessen atmete sie tief durch und setzte sich wieder hin. „Verzeiht, dass Ihr Zeuge dieser Auseinandersetzung werden musstet, Mylord“, sagte sie an den dunklen Lord gewandt, der die Szene ausdruckslos beobachtet hatte. „Ich habe meine Beherrschung verloren.“

„Das ist verständlich, Narcissa“, erwiderte er mit einer Sanftheit, die Draco ihm gar nicht zugetraut hätte. Ob er so auch mit Harry sprach? „In deiner Situation würden viele irgendwann die Beherrschung verlieren. Außerdem waren deine versteckten Vorwürfe sehr wohl begründet. Ich war... in letzter Zeit nicht ich selbst.“

„Mylord!“, hauchte Bellatrix, doch keiner achtete auf sie.

„Ich habe einen Fehler begangen und Harry hat ihn gemeinsam mit Severus gefunden. Ich bin den beiden dadurch zu tiefsten Dank verpflichtet, da sie uns alle damit vor Schlimmeren gerettet haben.“

„Hatte dieser Fehler etwas mit Euren irrationalen Entscheidungen zu tun?“, fragte Narcissa.

Draco konnte nicht umhin, seine Mutter für ihren Mut zu bewundern. Er selbst hätte es sich nicht gewagt, so etwas auszusprechen.
 

Der dunkle Lord hob eine Augenbraue, sah jedoch über ihre Unhöflichkeit hinweg und antwortete ihr stattdessen ruhig: „Ich fürchte ja.“

Ein langes Schweigen kehrte ein, in dem die Beiden sich wieder schweigend ansahen. Schließlich fragte Narcissa: „Aber warum habt Ihr es dann zugelassen, dass er zu Lily und James geht? Warum habt Ihr ihn zu Dumbledore gelassen? Ich dachte, Ihr...“ //..liebt ihn//, vollendete Draco ihren Satz und war selbst über sich erschrocken. Der dunkle Lord und Liebe? In Verbindung mit Harry? Das war so lächerlich, dass es schon wieder Sinn machte.

„Harry Potter“, begann er leise, „ist ein intelligenter, junger Mann. Bevor er eine Entscheidung trifft, will er alle Konsequenzen und Möglichkeiten kennenlernen, die ihm gegeben sind. Es macht keinen Sinn, ihm vorschreiben zu wollen, was er tun soll oder ihm zu verbieten, etwas zu tun, da dies sein Misstrauen wecken wird und das ist es nicht, was wir brauchen, Narcissa.“

Ein unheimliches Lächeln erschien auf seinem Gesicht, bei dem es Draco kalt dem Rücken herunterlief.
 

„Lassen wir ihn ruhig solange unter Albus' Einfluss, wie er möchte. Lassen wir ihn selbst sehen, wie er vorgeht. Soll er ruhig in den Genuss seiner Lügen kommen. Sobald er ihn und seine Eltern vollkommen analysiert hat, wird er zu dir zurückkommen, Narcissa. Vielleicht wird er unglücklich sein, vielleicht verzweifelt, vielleicht gebrochen, aber er wird zurückkommen und er wird es freiwillig tun. Solange müssen wir einfach nur abwarten.“

„Aber was ist, wenn Dumbledore ihn doch überzeugt?“, fragte sie besorgt. „Harry ist intelligent, aber auch sentimental. Wenn James und Lily es richtig anstellen, können sie es gemeinsam mit Remus Lupin und Neville Longbottom schaffen, ihn für ihre Seite zu überzeugen.“

Der Meinung war Draco auch. Wenn Harry in allen anderen Sachen ein Genie war, sobald es um Gefühle ging, konnte sein Verstand im regelmäßigen Abstand aussetzen. Ansonsten hätte er sich nämlich nie mit Longbottom angefreundet.
 

Überraschenderweise leuchteten die Augen des dunklen Lords bei diesen Worten amüsiert auf. „Oh, keine Sorge, Narcissa. In diesem Fall gibt es noch jemanden, der um alles in der Welt verhindern wird, dass Harry dauerhaft auf Albus' Seite bleibt und sie wird leicht in der Lage sein, ihn von ihren Vorstellungen zu überzeugen.“

Narcissa runzelte die Stirn. „Wen meint ihr damit, Mylord?“

Draco konnte es sich bereits denken. Es konnte nur eine sein.
 

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„Felice?“, fragte Harry überrascht und blickte von der Paprika auf, die er eben zerkleinert hatte. Luna hatte an ihrem ersten gemeinsamen Abend darauf bestanden, dass Harry Ratatouille zubereitete und seitdem waren alle – Lily, James und Remus inbegriffen – damit einverstanden gewesen, dass er ab sofort die Zubereitung ihrer Mahlzeiten übernahm. Harry selbst war ebenfalls glücklich damit. Kochen bereitete ihm nun einmal Freude und es tat gut, etwas zum Gemeinwohl beizutragen. In der Regel leistete seine Mutter ihm dabei Gesellschaft. Offenbar hatte er seine Freude an der Essenszubereitung von ihr geerbt, zumindest machte sie sich mit einer so ehrlichen Freude daran, Dinge zu schneiden oder Suppen zu würzen, dass es beinahe rührend war.
 

Gerade war sie zum Beispiel dabei, die Nudeln im Topf umzurühren. „Genau. Felice wird Regulus offenbar begleiten. Er meinte, es würde ihr gut tun, dich wiederzusehen.“ Sie warf ihm einen kurzen Blick zu. „Sicher, dass ihr nur Freunde seid?“

„Absolut“, entgegnete er fröhlich. „Was will Regulus in England?“

„Offenbar das Haus der Blacks in London besuchen, um sich zu vergewissern, ob es noch steht. Darüber hinaus hat er eine Einladung von ein paar seiner Verwandten zum Weihnachtsessen erhalten, wenn ich es richtig verstanden habe. Ich habe ihm gesagt, dass Felice solange bei uns bleiben kann, das ist doch in Ordnung, oder?“

„Natürlich“, meinte er fröhlich. Luna und Felice in einem Haus! Die Ferien wurden mit jeder Minute besser. Anfangs war er – logischerweise – sehr skeptisch gewesen. Zwar wäre zur Not Remus da gewesen, wenn es mit seinen Eltern nicht funktioniert hätte, doch das war nur ein schwacher Trost gewesen, besonders wenn man bedachte, dass er sich so schnell wieder mit ihnen versöhnt hatte. Inzwischen konnte er das jedoch völlig nachvollziehen.
 

Lily und James gehörten zu der Sorte Menschen, die man entweder lieben oder hassen musste. Es gab keinen Zwischenweg, sie zwangen einen förmlich, eines dieser Extrema zu wählen. Lily war der liebevolle, fürsorgliche Typ, der mit einer fast unheimlichen Güte nur das Gute in allen Dingen zu sehen vermochte und damit wahrscheinlich gerade Einzelgänger und sich selbst Hassende anzog. Allerdings war sie gleichzeitig schlagfertig und oft energisch, was sie zu einer äußerst interessanten Persönlichkeit machte.

James dagegen war der typische Kapitän einer Quidditchmannschaft. Immerzu gut gelaunt und für einen Spaß zu haben, konnte er jedem Gesprächspartner ein Lächeln entlocken und wirkte trotz der Albernheit fürchterlich cool. Andererseits wurde er ernst, wenn es erforderlich war und er war sehr wohl in der Lage, sich wie ein vernünftiger Erwachsener zu verhalten.
 

Harry persönlich war James lieber, als Lily. Zumindest versuchte er nicht andauernd, ihm jeden Wunsch von den Augen abzulesen und damit für eine Sünde zu büßen, an die er gar nicht mehr erinnert werden wollte. Sein Vater behandelte ihn stattdessen mit einer Mischung aus fürsorglicher Besorgnis und alberner Gelassenheit. So hatte er ihm bereits an seinem ersten Tag klar gemacht, dass er sich nicht ohne Abmeldung aus Godric's Hollow zu entfernen hatte, doch dafür konnte er sich dort solange er wollte frei bewegen – und sei es bis vier Uhr morgens.

Lily war davon nicht sonderlich begeistert gewesen, als sie davon hörte. „Gerade nachts ist es gefährlich, James“, hatte sie gesagt. „Denkst du nicht, dass das leichtsinnig ist?“

„Harry ist kein Kind mehr“, hatte sein Vater darauf geantwortet. „Er kann auf sich aufpassen. Außerdem ist das ganze Dorf von mächtigen Schutzzaubern umgeben. Es gibt keinen Grund, sich um ihn zu sorgen.“
 

Nicht, dass ihm diese „Freiheit“ besonders viel gebracht hätte. Godric's Hollow war ein kleiner, wenn auch gemütlicher Ort. Es gab einen Pup, ein paar kleinere Läden und im Gemeindehaus befand sich tatsächlich eine winzige Bibliothek mit ein paar Muggelklassikern und neuen Bestsellern. Somit blieben für Harry die einzig interessanten Orte der Friedhof, in dem es tatsächlich zu Hauf spukte – wobei die Geister eher friedlicher Natur waren – sowie das Haus von Bathilda Bagshot. Dummerweise war die alte Frau über Weihnachten in London, weshalb er sie bisher noch nicht besuchen konnte, doch er hoffte, dass sich noch eine Gelegenheit ergeben würde. Vor elf Jahren war sie eine derjenigen gewesen, die ebenfalls wie Remus alles getan hätte, um ihm eine sichere, unbeschwerte Kindheit zu ermöglichen und genau wie bei Remus hatte er seitdem keinen Kontakt mehr zu ihr gehabt. Stattdessen hatte er all ihre Bücher gelesen, die sie in den letzten Jahren verfasst hatte – was eine beachtliche Anzahl war, besonders wenn man ihr Alter bedachte – und er wusste, dass sie es insgeheim so beabsichtigt hatte.
 

Während ihres langen Lebens hatte sie keine Kinder bekommen. Ihr einziger Stolz war ihr Neffe Gellert Grindelwald gewesen, doch aus offensichtlichen Gründen, war diese Beziehung nicht mehr aktuell. Somit war ihr Leben für lange Zeit durch Einsamkeit geprägt gewesen, bis eines Tages Lily und James Potter mit ihrem kleinen Sohn Harry in die Nachbarschaft gezogen waren. Bathilda liebte die junge Familie vom ersten Tag an und schon bald unterhielten sie eine tiefe Freundschaft, die selbst nach den elf Jahren der Abwesenheit immer noch bestand. Besonders hatte es ihr der kleine Harry angetan, der für sie bald zu dem Enkel wurde, den sie selbst nie haben würde.

Aus diesem Grund wollte der nun fast erwachsene Harry gar nicht wissen, wie es für sie gewesen sein musste, als sie alle aus ihrem Leben verschwunden waren. Darum würde er sie auf jeden Fall besuchen, wenn sie während seines Aufenthaltes bei seinen Eltern aus London zurückkehrte. Irgendwie hatte er das Gefühl, ihr das schuldig zu sein.
 

Ein lautes Fluchen schreckte ihn aus seinen Gedanken und als er sich umdrehte, konnte er erkennen, wie James und Remus versuchten, eine... Fichte durch die Küchentür zu zerren, die gleichzeitig in den Garten hinter dem Haus führte. Auch Luna war nun in den Raum gekommen und beobachtete das Treiben neugierig, während Lily nur mit dem Kopf schüttelte und sich wieder den kochenden Töpfen zuwandte. „Wehe, ihr macht die Tür kaputt. Dann gibt es Essensentzug.“

„Du.. hast... puh... leicht reden!“, beschwerte sich James schwer atmend. „Du... stehst dort einfach rum und... uff... musst dich nicht... anstrengen!“
 

Seufzend warf Harry seine zerkleinerte Paprika in einen der kochenden Töpfe, ehe er seinen Zauberstab hervorholte und ihn auf den Baum richtete. Fast augenblicklich begann er zu schrumpfen, bis er mit einem Ruck durch die Küchentür fiel und die beiden Männer dazu brachte, quer auf den Boden zu fallen, während hinter ihnen eine kleine Schneewelle in den Raum strömte. Luna und Lily begannen bei diesem Anblick schallend zu lachen, doch Harry drehte sich kopfschüttelnd wieder zum Ofen um und begann damit, ein paar Gewürze in die Töpfe zu geben. „Für was seit ihr eigentlich Zauberer?“, fragte er die Beiden.*
 

„Dafür, dass du uns immer wieder daran erinnerst“, meinte James und Harry konnte sein Grinsen praktisch hören. „Danke für die Hilfe!“

Luna lachte nur noch lauter und auch auf dem Gesicht des jungen Potters war ein leichtes Lächeln zu erkennen. Vielleicht war es tatsächlich die richtige Entscheidung gewesen, hierher zu kommen.
 

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Am nächsten Tag lief Harry lustlos und allein durch das Dorf. In der Nacht hatte es einen schweren Schneesturm gegeben, weshalb die Straßen mit meterhohen Schnee bedeckt waren, doch jemand hatte einen kleinen Pfad auf den Fußgängerwegen freigemacht, weshalb man wenigstens dort laufen konnte. Nicht, dass es irgendjemand außer ihm selbst getan hätte. Niemand war so verrückt, bei dieser Kälte einen Schritt vor die Tür zu machen. Warum war also er hier draußen? Weil es Momente gab, in denen er die Einsamkeit liebte und gerade war wieder so ein Moment.

Seufzend stieß er die Luft aus, die sich in seinen Lungen gesammelt hatte und sah dabei zu, wie sie als eine weiße Wolke zum Himmel stieg.
 

Trotz der Kälte war es ein wunderschöner Tag. Die Sonne schien, der Himmel war blau, der Schnee blendete. Sogar der eisige Wind hatte – glücklicherweise – nachgelassen, weshalb die Kälte nun erträglich genug war, um durch das Dorf zu laufen. Es war der vierundzwanzigste Dezember, morgen war Weihnachten und die Fenster der Muggel waren dementsprechend schön geschmückt. Irgendwann später würden Regulus und Felice ankommen. Um ehrlich zu sein hatte es ihn gewundert, warum seine beste Freundin Weihnachten nicht bei der Familie Delacour verbrachte, doch sie würde ihre Gründe haben. Sie hatte immer ihre Gründe. Auch, wenn er selbst sie nicht immer kannte.
 

Ohne es wirklich zu merken, trugen ihn seine Beine automatisch zum Friedhof. Viele würden es merkwürdig finden, doch solche Orte hatten schon immer eine gewisse Anziehungskraft auf ihn gehabt. Auf Friedhöfen herrschte immer ein seltsamer Frieden. Sie erinnerten daran, dass die Zeit, die einem gegeben wurde, kostbar und zerbrechlich war und dieser Gedanke machte Harry stets aufs Neue Mut. Das Leben war ein Geschenk und er hatte nicht vor, es sinnlos wegzuwerfen. Das dumme war nur, dass selbst dieser Entschluss nichts daran änderte, dass er nicht wusste, wohin er sich wenden sollte.
 

Es tat momentan gut, bei seinen leiblichen Eltern zu sein. Besonders, da Luna und Remus ebenfalls da waren. Es fühlte sich so an, als wären sie tatsächlich eine Familie. Aber gleichzeitig wirkte es so... falsch. Vielleicht lag es daran, dass er zehn Jahre lang mit den Malfoys Weihnachten gefeiert hatte. All diese Feste kamen ihm einfach wirklicher vor, als die schwache Erinnerung an ein Weihnachten als Vierjähriger. Außerdem konnte er nicht umhin zuzugeben, dass er Narcissa vermisste. Vielleicht sollte er sie die Tage mal besuchen... aber was, wenn Lucius auch da wäre? Oder noch schlimmer: Was, wenn die Schutzzauber der Malfoys ihn nicht mehr als ein Mitglied der Familie erkannten? An diese Möglichkeit wollte er überhaupt nicht denken. Sie wäre einfach zu... grauenvoll. Deshalb blieb er lieber gleich hier. Es würde ihm im Endeffekt jede menge Ärger ersparen.
 

Doch mit etwas Pech würde er davor anderem Ärger begegnen.

Lily hatte Dumbledore zum morgigen Weihnachtsessen eingeladen.

„Er hat soviel für uns getan“, hatte sie gemeint. „Ich denke, es ist nur richtig, wenn wir ihn dann aus Höflichkeit einladen. Außerdem ist Hogwarts dieses Jahr ohnehin wie ausgestorben.“

„Warum laden wir dann nicht auch Severus ein?“, hatte Harry daraufhin vorgeschlagen. Er war wieder einmal alleine mit ihr in der Küche gewesen, was der einzige Grund gewesen sein mochte, weshalb sie ihm die Wahrheit gesagt hatte.

„James und er mögen sich nicht sonderlich. Ich möchte, dass wir ein friedliches Weihnachtsfest haben und nicht, dass einer von den beiden ins St. Mungos muss. Außerdem werden wir auch so genug Leute sein, findest du nicht?“
 

„Ja, Mutter“, flüsterte Harry auf dem Friedhof. „Du hast natürlich vollkommen Recht.“

„Beginnst du jetzt schon, mit dir selbst zu reden?“

Lächelnd schloss Harry seine Augen. „Selbstgespräche sind äußerst gesund. Sie regen die Kreativität an und helfen dem einzelnen Individuum dabei, seine Gedanken zu ordnen.“

„Was immer du sagst, Harry“, entgegnete Luna munter und stellte sich neben ihn. „Felice ist angekommen. Ich wollte dich zurück zum Haus holen.“

„Okay“, entgegnete er, ohne sich von der Stelle zu rühren. Besorgt stellte sich Luna vor ihm und sah ihm forschend in die Augen. „Ist alles in Ordnung? Du siehst so traurig aus.“

Seufzend erwiderte er ihren Blick. „Du hast dich verändert, Luna.“
 

Das stimmte. Ihr ganzes Wesen hatte etwas von der Weltferne verloren, die es früher besessen hatte. Nun schien sie sich stets auf die Gegenwart zu konzentrieren. Der in sich gekehrte Blick, der früher ein fester Bestandteil ihres Phänotyps gewesen war, war einfach verschwunden. Darüber hinaus hatte sie ihr Haar wachsen lassen und auch ihre Stimme hatte den träumerischen Tonfall verloren, der davor existiert hatte. Es wirkte beinahe so, als wäre sie ein vollkommen neuer Mensch, doch gleichzeitig konnte er viel von dem alten Mädchen durchschimmern sehen, das er immer noch wie eine Schwester liebte.

Ob es etwas damit zu tun hatte, dass sie nun endlich die Magie lernte, für die sie geboren worden war?
 

Verwirrt von seinem Gedankengang blinzelte sie. „Harry?“

„Ist schon gut“, meinte er mit einem müden Lächeln. „Es ist alles in Ordnung. Wirklich.“

„Bist du dir sicher?“, hakte sie vorsichtig nach. „Ich habe mit Fred und George geredet. Sie haben etwas von einem geheimnisvollen Fremden erzählt, der es offenbar geschafft haben soll, dein Herz zu erobern. Hat deine Niedergeschlagen... Harry?“

Entsetzt sah er sie an. „Sie haben was getan?“

„Oh“, flüsterte sie. „Es... sollte wohl ein Geheimnis bleiben? Aber mach dir keine Sorgen. Sie haben es nur mir erzählt. Deine Eltern waren nicht dabei.“

„Das ist jetzt wirklich ein großer Trost“, entgegnete er sarkastisch und drehte ihr den Rücken zu. „Ich glaube es nicht. Da vertraut man ihnen mal etwas an und dann erzählen sie es dem Erstbesten, dem sie über den Weg laufen.“
 

„Hey, das ist jetzt aber gemein!“, empörte sich Luna. „Ich dachte, wir wären Freunde!“

„Das sind wir auch“, erwiderte Harry und drehte sich resigniert zu ihr um. Er hatte keine Ahnung, wie er jetzt aussah, aber es brachte Luna sofort dazu, ihren Ärger zu vergessen und ihn stattdessen wieder besorgt anzusehen. „Es ist einfach nur kompliziert. Bisher weiß niemand genaueres, außer vielleicht Felice, aber du weißt ja, bei ihr kann ich nichts geheim halten, ob ich es nun will oder nicht.“

„Ja, das ist wahr“, erwiderte sie und legte zaghaft eine Hand auf seinen Arm. „Also ist tatsächlich etwas wahres dran? Wer ist es, Harry? Kenne ich ihn oder sie?“

Harry konnte nicht anders, er musste lachen. „Ich bezweifle, dass es jemanden gibt, der ihn wirklich kennt. Aber gleichzeitig tut es jeder.“

Verwirrt legte sie den Kopf schief. „Doch nicht etwa Neville?“
 

Das brachte ihn dazu, noch lauter zu lachen, doch als er daran dachte, wie ernst dieses Gespräch eigentlich war, beruhigte er sich relativ schnell wieder. „Nein, Luna, es ist nicht Neville.“ Wieder seufzte er, bevor er ihr fest in die Augen sah. „Ich werde es dir erzählen, aber nur, wenn du mir schwörst, dass du mit niemanden außer mir oder Felice jemals darüber redest, verstanden?“

„Ohoh“, sagte sie tonlos. „Das muss aber wirklich ein schmutziges Geheimnis sein, wenn du so besorgt darüber bist, dass es jemand erfährt. Sag mir nur nicht, es ist Draco.“

„Luna!“

„Okay, okay, ist ja schon gut! Ich schwöre, dass ich mit niemanden außer dir oder Felice in irgendeiner Art darüber sprechen werden. Bist du jetzt zufrieden?“
 

Das war er und so kam es, dass er ihr auf diesem Friedhof alles erzählte.
 

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Felice begrüßte die Beiden mit ihrem alt bekannten, herzlichen Sinn für Humor, der für jeden irgendwann der Anlass war, warum man ihr am Liebsten den Hals umdrehen wollte: „Na? Die erste Therapiestunde gut überstanden?“

Sie saß am Küchentisch. Vor ihr dampfte eine Tasse Tee. Im Radio lief irgendeine Nachmittagsshow für Hausfrauen. Sie trug einen caramellfarbenen Rollkragenpullover, sowie Blue-Jeans. Ihre wilden Locken waren wie bereits im Sommer mit einem Pferdeschwanz gezähmt worden. Ihre Augen blitzten sie fröhlich an, doch Harry konnte trotzdem die Müdigkeit sehen, die lange nicht weggehen sollte.
 

Später, wenn das Schicksal seinen Lauf genommen und die Zeit alles verändert hatte, war es stets dieses Bild, das er vor sich sah, wenn er sich an Felice erinnerte. Und so, wie alle anderen, würde auch er sich fragen, ob alles anders gekommen wäre, wenn sie an diesem Abend nicht dieses eine, alles in Gang setzende Gespräch geführt hätten. Andererseits wäre es dann ein andermal geschehen.

Das Schicksal war süchtig nach Unterhaltung und da nichts langweiliger war, als ein Happy End, konnte manche Dinge nicht einmal ein Zeitumkehrer ändern.
 

„Oh, das haben wir tatsächlich“, meinte Luna fröhlich und zog sich ihre schneebedeckte, rosarote Mütze vom Kopf. Überhaupt schien ihre gesamte Winterkollektion aus diesem Farbton zu bestehen... na ja, es war ihr Outfit, nicht Harrys. Er selbst bevorzugte seit jeher Naturfarben und so war es eine braune Mütze, die auf dem Küchentisch landete, ehe er dazu überging, seinen Mantel auszuziehen. „Wo ist der Rest der Veranstaltung?“, fragte er.

„In eurem Wohnzimmer, den geschmückten Weihnachtsbaum bewundern“, meinte Felice unbekümmert und trank einen Schluck ihres Tees. „Da habt ihr aber gute Arbeit geleistet, er sieht wirklich prachtvoll aus. Außerdem feiert James gerade seine Wiedervereinigung mit Sirius.“
 

Harry runzelte die Stirn. „Sirius?“

„Schnuffel“, erwiderte sie schulterzuckend. „Genau, wie du es dir gedacht hast. Du könntest mir übrigens dabei helfen, einen Weg zu finden, ihn wieder ein Mensch werden zu lassen. Ich finde einfach nicht den Grund für seine Unfähigkeit aus seiner Animagusgestalt zu entkommen und das ist sehr frustrierend. Also Luna, was sagst du zu Harrys heimlichen Verehrer?“

Angesprochene ließ sich vor ihr auf einen Stuhl nieder und lächelte. „Ich... bin ehrlich gesagt etwas schockiert. Ich meine... er ist ein dunkler Lord!“

„Ja, und ein Mistkerl“, murmelte Harry und holte zwei Tassen aus dem Schrank, um sie mit demselben Tee zu füllen, den auch Felice trank.

„Nun, du musst es wissen“, meinte sie. „Du kennst ihn besser, als wir.“

Langsam drehte Harry sich um und konnte so genau sehen, wie Luna ihr einen intensiven Blick zuwarf, woraufhin seine beste Freundin mit dem Kopf schüttelte. Daraufhin nickte Luna und wirkte offensichtlich erleichtert. Okay...?
 

Doch bevor er weiter darüber nachdenken konnte, war ein lautes Bellen zu hören und im nächsten Moment wurde er von einem nur allzu bekannten Hund besprungen. „Sirius, hör auf!“, rief Harry, doch es war schon zu spät. Die Tassen fielen ihm aus den Händen und die siedend heiße Flüssigkeit traf direkt auf das schwarze Fell des Animagus. Der jaulte auch sofort schmerzerfüllt auf und wich vor dem jungen Potter zurück.

„Tja, das kommt davon, wenn man nicht aufpasst, auf wen man sich stürzt“, meinte Regulus streng, der gemeinsam mit den anderen Erwachsenen in die Küche gekommen war, um nachzusehen, was der Hund vor hatte. Dieser drehte sich auch sofort zu ihm um und antwortete mit einem aufgebrachten Kläffen, was alle Anwesenden zum Lachen brachte.

Mit Sirius als Gast würden die nächsten Tagen äußerst amüsant werden.
 

„Wie auch immer, ich muss nun wirklich gehen“, sagte Regulus und drehte sich zu Lily und James um. „Es ist wirklich kein Problem, wenn er hier bleibt?“

„Natürlich nicht“, antwortete Harrys Vater breit grinsend. „Es ist uns eine Freude, ihn hier zu haben und zur Not ist ja Felice da, um uns zu sagen, was er will.“

„Ja, das stimmt“, sagte Regulus lächelnd, ehe er sich umdrehte und zu Felice ging. „Ich komme morgen wieder, um dich zurückzuholen. D'accord?“

„D'accord!“, entgegnete sie sanft. „Prends garde!“

Regulus' Blick wurde bei diesen Worten ungewöhnlich weich. „Toi aussi“, entgegnete er leise. Im nächsten Moment wandte er sich Harry zu und zwinkerte fröhlich, ehe er Sirius noch einmal mit der Hand über den Kopf strich und schließlich endgültig verschwand.
 

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Der restliche Tag verlief recht friedlich. Sie aßen zusammen Kekse, plauderten ein wenig über Nichtigkeiten und sahen dabei zu, wie Sirius versuchte, Remus auf die Palme zu bringen – was sich als äußerst schwierig herausstellte, da es meist James war, der eingriff, bevor der Werwolf wirklich die Beherrschung verlieren konnte. Es war leicht, sich mit ihnen wohl zu fühlen. Beinahe zu leicht.

Trotzdem verschwand diese seltsame Traurigkeit, die bereits den ganzen Tag seine Seele ergriffen hatte, nicht. Dabei konnte er sie sich selbst nicht einmal erklären. Was war nur los mit ihm?
 

Es wurde Abend. Während die Erwachsenen inklusive Hund sich in das Wohnzimmer zurückzogen, machten die drei Jugendlichen es sich in Harrys Zimmer bequem. Es war dasselbe, das er auch das letzte Mal bewohnt hatte und sah auch beinahe genauso aus, nur dass das Kinderspielzeug verschwunden und das Kinderbett von einem normalen Bett ersetzt worden war. Die Wände waren in einem angenehmen Blauton gestrichen und auf dem Boden lag ein großer, flauschiger Teppich. Darauf standen zwei bequeme Sessel, auf denen es sich Harry und Luna bequem gemacht hatten.
 

Felice währenddessen hatte Harrys Lieblingsort beschlagnahmt: Das Fenster. Dabei handelte es sich um ein Doppelfenster, das etwa zwei Meter breit war. Davor befand sich eine ausgepolstertes Fensterbank, die groß genug war, dass man dort mit Leichtigkeit ein Mittagsschläfchen machen konnte. Harry hatte es bereits an seinem ersten Tag nach seiner Rückkehr mit Kissen und einer warmen Decke ausgestattet und darauf die ein oder andere Nacht verbracht, da er dort beim Lesen eingeschlafen war.
 

Felice lehnte sich an diesem Abend an eine der beiden Wände, die jene Fensterbank umgab, ein Bein angewinkelt, das andere ausgestreckt und starrte abwesend in die Dunkelheit hinaus. Oder aber sie beobachtete das Schneetreiben, das vor einer guten Stunde wieder eingesetzt hatte. Es war schwer zu sagen.

Von unten war das laute Lachen der anderen zu hören, doch ansonsten herrschte Stille. Für einige Augenblicke ließ Harry sie andauern, ehe er fragte: „So, worüber wollt ihr nun mit mir sprechen?“

Luna blinzelte. „Wie meinen?“

„Gib es auf, Luna“, ließ Felice verlauten, ohne ihren Blick vom Fenster zu lösen. „Er ist zu observierend, als dass er darauf hereinfallen würde.“
 

„Na gut“, erwiderte sie seufzend. „Dann wird es wohl Zeit.“

„Die wird es schon lange“, meinte die Andere mit einer ungewohnten Ernsthaftigkeit. „Trotz allem ist es jetzt erst soweit.“

Harry runzelte die Stirn. „Könntet ihr bitte aufhören, Albus Dumbledore Konkurrenz machen zu wollen? Was ist los?“
 

„Na ja...“, begann Luna langsam. „Wie soll ich sagen... also, in Durmstrang haben sie etwas herausgefunden. Etwas, das mich betrifft und in gewisser Hinsicht auch dich und Felice.“

„Und was soll das sein?“, fragte Harry.

„Ich bin eine Seherin“, entgegnete sie ruhig.

Zu sagen, dass diese Enthüllung überraschend kam, war gelogen. Es machte Sinn. Dass sie früher in sich gekehrt gewesen war, die Tatsache, dass sie Dinge einfach wusste und dass sie nun mehr in der Realität zu leben schien als vorher. Harry musste zugeben, dass er kein Experte in Sachen Seher war – er wusste nur, dass Professor Trewlaney auf jeden Fall nicht zu ihnen gehörte – doch ihm war trotzdem klar, dass es ihnen ungemein helfen musste, zu lernen, mit ihrer Gabe umzugehen.
 

Aber... „Was hat das ganze mit mir zu tun?“

In dem Moment, in dem er die Frage stellte, schien sich etwas in seinem Gedächtnis zu regen. Die Erinnerung an eine Textpassage, die er einmal gelesen hatte. Ein Seher und ein Empath und... und was? Was war das dritte noch einmal gewesen?

„Ich fürchte alles“, antwortete Luna. „Harry... du bist ein Tempus Amicus.“

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* frei nach J.K.Rowlings Harry Potter und der Stein der Weisen
 

D'accord! – Okay!

Prends garde! - Sei vorsichtig!

Toi aussi. - Du auch.

The Catalyst

Hallo ihr Lieben.

Ausnahmsweise kommt das neue Kapitel schon so kurz nach dem letzten, da ich morgen wegfahre und erst im nächsten Jahr wiederkomme und ich euch nicht solange mit diesem Cliffhanger sitzen lassen wollte.

Dieses Kapitel ist etwas „anspruchsvoller“ als meine üblichen, doch dafür werden auch ein paar Fragen geklärt, die sich schon viele gestellt haben. Allerdings wird hier noch nicht alles geklärt, also wundert euch nicht, wenn ihr am Ende des Kapitels immer noch Fragen haben solltet. XD

So und jetzt gibt es wieder ein großes Dankeschön an alle, die mir bereits zum letzten Kapitel ein Kommentar hinterlassen haben und natürlich besonders an meine Beta Robino und Hokuto, die sich beide vor euch durch dieses Kapitel gekämpft haben und mich auf alle Ungereimtheiten aufmerksam gemacht haben. *die beiden knuddel*

Ich wünsche euch allen einen guten Rutsch ins neue Jahr!

Bis in 2011, eure Ayako

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The Catalyst
 

„Ein Katalysator ist ein Stoff, der die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion erhöht, ohne selbst dabei verbraucht zu werden und ohne die endgültige Lage des thermodynamischen Gleichgewichts dieser Reaktion zu verändern.“ Wilhelm Ostwald, Chemiker
 

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Es war Winter geworden.
 

Nach langer, langer Wärme war es Winter geworden. Der vierjährige Harry konnte es von seinem Platz auf seiner Fensterbank aus deutlich sehen. Die Welt sah aus, als wäre sie von der Zuckerwatte überzogen worden, die Onkel Sirius ihm letzten Monat gekauft hatte und vom Himmel fiel noch viel mehr von der weißen Substanz, die sein Daddy „Schnee“ genannt hatte.

Gestern waren sie zusammen nach draußen gegangen, um einen Schnee... Schneemann zu bauen und Harry hatte beschlossen, dass er Schnee mochte. Zwar war er kalt und schmeckte merkwürdig, ganz anders als Zuckerwatte, aber er war hübsch und es machte Spaß einen Schneemann zu bauen.

Auch jetzt, wo er alleine auf seiner Fensterbank saß, würde er gerne wieder hinuntergehen, um es noch einmal zu tun, doch Daddy war auf Arbeit und Mummy hatte zu tun. Harry wusste, dass sie leckere Kekse buk, die sie alle zu Weihnachten essen würden und deshalb sollte er hier oben bleiben und sich irgendwie selbst beschäftigen.
 

Aus diesem Grund saß er auf seiner Fensterbank. Auf seinem Schoss ein Bilderbuch mit großen Buchstaben, das Onkel Remus ihm zum Geburtstag geschenkt hatte und mit dessen Hilfe Onkel Sirius versuchte, ihm das Lesen beizubringen. Er musste sagen, dass es riesigen Spaß machte zu lesen! Auch wenn er nicht verstand, warum Mummy und Daddy immer so seltsam guckten, wenn er es tat. Machte er vielleicht immer etwas falsch? Stirnrunzelnd wandte Harry seinen Blick vom Fenster ab und ließ ihn auf das Buch gleiten, dass immer noch geschlossen war.

„D...di...e... Die! Märch... Märchen v...von Bie... Beedle deeeem Baarden“, las er langsam laut vor. „Die Märchen von Beddle dem Barden!“

Zufrieden mit sich und der Welt nickte er, ehe er das Buch aufschlug. Bevor er jedoch weiter lesen konnte, hörte er, wie jemand an die Tür klingelte.

Neugierig spitzte er seine Ohren und konnte kurz darauf hören, wie Mummy Professor Dumbledore begrüßte.
 

Harry mochte Professor Dumbledore! Er war immer nett und freundlich und lustig und hörte ihm aufmerksam zu, wenn er etwas sagte. Außerdem hatte er so hübsche, blaue Augen, die wunderbar funkelten, wenn der Mann sich über etwas amüsierte. Ob er ihm wieder etwas mitgebracht hatte?

Professor Dumbledore brachte fast immer etwas für ihn mit, wenn er Mummy und Daddy besuchte. Manchmal war es ein Bilderbuch. Manchmal eine Pflanze. Manchmal auch nur ein Stein, den er im Vorgarten gefunden hatte.

Er war großartig! Wie der Großvater, den er nie kennenlernen sollte, aber in Form von Abraxas Malfoy in einem knappen Jahr bekommen würde. Die Zeit rannte, während das Schicksal seine Hände bereits nach ihnen allen ausgestreckt hatte.
 

Fröhlich warf Harry das Buch beiseite und sprang von seiner Fensterbank. Eigentlich sollte er nicht herunterkommen, wenn Besuch kam und seine Mummy noch nicht nach ihm gerufen hatte, aber es war Professor Dumbledore! Da war es sicher in Ordnung.

Für einen Vierjährigen lief Harry ungewöhnlich leise durchs Haus. Bei anderen Kindern war Stille meist ein Grund zur Besorgnis – sie taten oft Dinge, die ihnen verboten waren, wenn sie so taten, als wäre niemand da – aber nicht bei ihm. Stille war normal, weshalb Mummy oft besorgt das ganze Haus nach ihm absuchte, bis sie ihn über einem Spielzeug oder hinter einem Bilderbuch fand. Aus diesem Grund bemerkten weder Lily Potter noch Albus Dumbledore, dass der Vierjährige zu ihnen gestoßen war, als sie das Gespräch führten, das ihn zu einem Leben bei der Familie Malfoy verurteilte. Das Schicksal hatte schon immer einen grausamen Sinn für Humor besessen.
 

„...ere Plätzchen“, sagte Professor Dumbledore gerade, als Harry die unterste Stufe der großen Treppe erreichte und sich darauf niederließ, um sich von seinem Abstieg auszuruhen. Er mochte die Treppe nicht. Es war immer sehr anstrengend daran hinauf- und hinunterzulaufen, zumindest wenn man noch so klein wie er war.

„Vielen Dank, Albus“, sagte Mummy fröhlich. „Es ist ein Rezept von meiner Großmutter. Sie war eine ausgezeichnete Köchin.“

„Dann wissen wir ja, von wem du es geerbt hast, Lily. Ich kenne niemanden, der bessere Kuchen hervorbringt als du. Obwohl... Molly macht dir öfters Konkurrenz.“

Mummy lachte. „Du übertreibst, Albus. Molly ist tausendmal besser als ich. Doch sag, was führt dich zu uns? Es sieht dir nicht ähnlich, ohne Anmeldung vorbeizukommen. Ist etwas geschehen?“

Professor Dumbledore zögerte kurz, dann sagte er: „Nicht direkt. Allerdings müssen wir etwas wichtiges besprechen.“ Ein kurzes Schweigen. „Es geht um Harry.“
 

Der Vierjährige blickte verdutzt auf. Um ihn?

„Harry?“, fragte auch Mummy offenkundig verwirrt. „Was ist mit ihm?“

„Du bist seine Mutter, Lily. Deshalb bist du es, der ich es zuerst erzähle. Ich weiß nicht, wie James darauf reagieren wird, doch ich bin sicher, dass es deiner Liebe zu deinem Sohn nicht im Geringsten schaden wird.“

„Der Liebe zu meinem Sohn? Albus, was ist los?“ Harry zuckte unwillkürlich zusammen. Das war der Tonfall, in dem sie mit ihm schimpfte!

Professor Dumbledore ließ sich davon jedoch nicht aus der Ruhe bringen: „Dir ist sicher seine ungewöhnliche Intelligenz aufgefallen? Seine rasche Auffassungsgabe, seine Fähigkeit, alles zu meistern, was er anfängt. Selbst jetzt liest er bereits besser als manche achtjährige und das, wo Sirius erst vor ein paar Monaten mit dem Unterricht angefangen hat. Und ist er nicht in der Lage, Puzzle zu lösen, mit denen selbst du und James Probleme hätten?“

„Er ist hochbegabt“, entgegnete Mummy kühl. „Ein Wunderkind. Na und? So etwas kommt immer wieder vor.“
 

„Außerdem“, fuhr Professor Dumbledore fort, als hätte sie ihn nicht unterbrochen. „Wirkt er auf seine Mitmenschen anziehend. Jeder fühlt sich sofort wohl, wenn er anwesend ist, sogar Severus, der Kinder normalerweise verabscheut, nimmt ihn freiwillig auf den Schoß und kümmert sich um ihn.“

„Jeder mag kleine Kinder und Severus ist sein Pate. Außerdem ist es nicht ungewöhnlich, dass manche Menschen auf andere besonders anziehend wirken. Vielleicht verfügt er ja über ein natürliches Charisma.“

„Und ist dabei auch noch ein Wunderkind? Lily, du weißt, dass das äußerst unwahrscheinlich ist. Wunderkinder können entweder nicht mit ihren Mitmenschen umgehen oder charismatische Personen sind keine Wunderkinder. Natürlich können letztere über eine überdurchschnittliche Intelligenz verfügen, erinnere dich nur an Tom Riddle, aber so wie Harry?“
 

„Worauf willst du hinaus?“

Harry hatte das Gefühl, es gar nicht wissen zu wollen. Er erfuhr es trotzdem. Genauso wie seine Mummy.

„Lily, es tut mir wirklich Leid, aber ich fürchte, dein Sohn ist ein Tempus Amicus.“

Ein was?

„Nein...“, flüsterte seine Mummy. „Nein, das kann nicht... Bist du dir wirklich sicher, Albus? Bei Merlin, bist du dir wirklich sicher? Aber das kann nicht wahr sein! Nicht mein Harry! Nicht mein Sohn! Er kann unmöglich so ein Monster sein!“

„Ein Tempus Amicus ist kein Monster“, sagte Professor Dumbledore sanft. „Im Gegenteil, sie sind die wunderbarsten Menschen, die du dir nur vorstellen kannst. Und solange Lord Voldemort nicht zurückkehrt, wird sich daran auch nie etwas ändern.“

„Solange er nicht zurückkehrt?“, fragte Harrys Mummy verstört. „Willst du etwa sagen, dass er wiederkommen könnte?“

„Es ist tatsächlich äußerst wahrscheinlich, doch mach dir keine Sorgen, ich kenne eine Möglichkeit, Harry zu schützen. Gib ihn in meine Obhut. Ich werde ihn aufziehen, ihn alles lehren, was er wissen muss und ihn vor ihm beschützen. Es wird ihm gut gehen.“
 

„Du willst, dass ich dir mein einziges Kind anvertraue?“, wiederholte Lily und begann auf einmal hysterisch zu lachen. „Dir? Ausgerechnet dir? Denk nicht, dass ich dumm bin, Albus. Ich weiß sehr genau, was du mit ihm tun würdest. Du würdest ihn für deine eigenen Ziele missbrauchen und ihn so formen, wie es dir gerade passt. Genauso, wie du es mit Tom Riddle tun wolltest. Glaube nicht, dass ich vergessen habe, was du allen anderen so erfolgreich ausreden konntest! Denke ja nicht, dass ich nicht weiß, was aus ihm geworden ist. Du wirst meinen Sohn nicht bekommen. Nicht, solange ich auch nur ein Wort mitzusprechen habe.“

„Also willst du ihn lieber zu einem Leben verfluchen, in dem er früher oder später zu Lord Voldemorts...“

Ein seltsames Geräusch war zu hören, so als wäre ein Stuhl umgekippt und Harry hatte das komische Gefühl, dass seine Mummy aufgesprungen war und Professor Dumbledore nun böse ansah. „Raus!“, zischte sie. „Raus aus meinem Haus!“

„Aber...“

Ein lautes Scheppern ertönte, gefolgt von einem Schmerzenslaut. „Ich sagte, du sollst von hier verschwinden! Sofort! Ich will dich hier nicht mehr sehen!“
 

Offenbar ging er tatsächlich ohne ein weiteres Wort, denn als Harry kurz darauf vorsichtig um die Ecke lugte, war er nirgendwo zu entdecken. Dafür sah er die Plätzchen, die zerbrochen auf den Boden lagen und auf denen seine Mummy wütend herumtrat. „Was fällt ihm eigentlich ein?“, schrie sie aufgebracht. „Dieser egoistische Bastard! Hat er nichts besseres zu tun, als Unheil zu verkünden?“

„M...Mummy?“

Sie erstarrte, ehe sie sich zu ihm umdrehte und ihn mit einem Ausdruck echter Abscheu betrachtete. Unwillkürklich zuckte er zusammen und brach in Tränen aus. „M...M...Mummy?“

Sofort wurden ihre Gesichtszüge wieder weich, doch sie zögerte kurz, so als würde sie ihm nicht zu nahe kommen wollen, ehe sie sich überwand und auf ihn zuging. „Harry“, flüsterte sie. „Hast du wieder gelauscht?“

Er nickte schluchzend.

Langsam kniete sie sich vor ihm nieder und zog ihn in eine feste Umarmung. „Es ist okay, Schatz“, flüsterte sie. „Es ist okay. Mummy wird das schon irgendwie hinkriegen.“ Plötzlich fühlte Harry, wie etwas feuchtes auf seinen Nacken fiel und als er seinen Kopf drehte, konnte er sehen, dass auch sie zu weinen begonnen hatte. „Du musst vergessen, was du gehört hast, okay? Ich weiß, dass du es vergessen kannst! Also tu es! Du darfst nicht mehr daran denken! Versprichst du es mir?“

„J...ja, ich verspreche es.“
 

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Er hatte sein Versprechen gehalten. Keine Ahnung, wie er es geschafft hatte, doch er hatte das Gespräch zum größten Teil vergessen. Oder zumindest nicht mehr daran gedacht. So wie er nicht daran gedacht hatte, dass Lily und James noch lebten. Oder dass Lucius...

Seufzend wandte er seinen Blick von Luna ab und lehnte sich auf seinem Sessel soweit zurück, dass er an die Decke starren konnte. „Ich weiß.“

Aus den Augenwinkeln konnte er erkennen, dass Felice sich immer noch nicht regte, sondern weiterhin aus dem Fenster stierte, so als würde sie nichts von ihrem Gespräch wahrnehmen. Doch der Schein trügte. Sie wusste wahrscheinlich besser darüber Bescheid, worüber sie sprachen, als er und Luna zusammen. Sie konnte sagen, was sie wollte, es war praktisch, eine Empathin zu sein.
 

„Du weißt?“, fragte Luna verdutzt. „Aber...“

„Es ist eine typische Eigenschaft eines Tempus Amicus“, meldete sich plötzlich Felice, „vergessen zu können. Darin sind sie uns Empathen sehr ähnlich. Während wir die Gefühle und Gedanken anderer verändern und zum Teil lenken können, können sie ihre eigenen auf Gutdünken manipulieren. Es ist eine Art Selbstschutz, der sich besonders zwischen Kindheit und Volljährigkeit zeigt. In dieser Zeit entwickeln sich nämlich die Fähigkeiten eines Tempus Amicus und da ist es wichtig, dass alles, was seine Psyche belasten könnte, verdrängt wird.“ Sie drehte ihren Kopf um und sah Harry an. „Du weißt über sie Bescheid, oder?“

Er schnaubte. „Natürlich tu ich das. Wer tut es nicht?“

„Ähm, ich habe nichts über sie gewusst, bevor ich in Durmstrang damit auseinander gesetzt wurde“, entgegnete Luna schmollend.

„Du kommst ja auch aus einer Familie, die weißmagisch orientiert war und bist danach in Hogwarts zur Schule gegangen“, meinte Felice. „Dort ist das glaube ich erst im letzten Jahr im Lehrplan, wenn ich mich recht erinnere. Ich jedoch bin in Frankreich aufgewachsen, das etwas offener ist, als eure Gesellschaft und Harry lebte lange genug bei der Familie Malfoy. Es wäre seltsam, wenn wir es nicht wüssten.“
 

Das stimmte, doch um das nachvollziehen zu können, musste man erst einmal wissen, was ein Tempus Amicus eigentlich war. Sie waren sehr selten. In der Regel konnte man glücklich sein, wenn es in jeder Generation mehr als einen gab und selbst dies kam in den seltensten Fällen vor. „Oder aber sie verstecken sich zu gut, als dass wir von ihrer Existenz erfahren“, kommentierte Felice seine Gedanken. „In unserer Generation gibt es übrigens zwei bekannte Tempus Amicus. Dich und die Japanerin Sayuri Nashiwasu. Aber um die musst du dich nicht kümmern, ihr werdet euch wahrscheinlich nie begegnen. Insgesamt müssten glaube ich mit euch beiden mitgezählt sechs am Leben sein, allerdings sind wir uns nicht sicher.“

Harry nickte langsam, ohne sie anzusehen.
 

In der Regel wurde sie stets dann geboren, wenn sich ein politischer Umschwung anbahnte oder ein Staat auf dem Höhepunkt seiner Macht war. Im alten Ägypten beispielsweise waren sie fast immer die Hohepriester des Pharao, im antiken China gehörten sie zum privaten Beraterkreis des Kaisers und seitdem die Kriege zwischen weißen und schwarzen Magiern begonnen hatten, waren sie stets auf der Seite des Gewinners gewesen. Denn es war eine Tatsache, dass derjenige, der die Unterstützung eines Tempus Amicus hatte, den Sieg davontragen würde. Sie wurden nicht umsonst auch noch „Geliebte der Zeit“ genannt.
 

„Es gibt für jeden, der Magie in sich trägt nichts anziehenderes als einen Tempus Amicus“, stimmte Felice ihm zu. „Du glaubst nicht, was für eine Wirkung du auf deine Mitmenschen hast. In deiner Gegenwart fühlt man sich automatisch wohler und ausgeglichener. Unsere Konzentration steigt und es fällt um einiges leichter, Probleme zu lösen. Ich wette, die Kurse, die du besuchst, sind meistens um mindestens eine Note besser, als derselbe Kurs ohne dich. Außerdem mag man dich einfach. Du wirkst automatisch wie ein netter Kerl und man wird quasi dazu gezwungen, dich zu mögen. Unsere Magie zwingt uns dazu.“
 

„Ja, aber warum?“, fragte Luna. „Das habe ich nie ganz verstanden.“

„Kein Wunder, das ist ja auch das, was die Muggel als Chemie bezeichnen“, sagte Harry ruhig. „Ich bin ein Katalysator.“

„Das ist auch nicht ganz richtig“, widersprach ihm Felice. „Es ist einfach eine deiner Fähigkeiten, dass du auf unsere chemischen Reaktionen katalysierend wirkst, deshalb...“

„Stopp!“, rief Luna dazwischen. „Könnt ihr das jetzt bitte auf einer Ebene erklären, der ich folgen kann?“

„Das kann man nur auf einer höheren Ebene erklären“, entgegnete Harry trocken. „Aber wir können es versuchen.“ Er setzte sich aufrecht hin und sah sie fest an. „Du weißt, dass wir alle Magie in uns tragen. Sie fließt durch unseren ganzen Körper und ist einfach ein fester Bestandteil davon. Wenn wir nun einen Zauber wirken wollen, lösen wir sozusagen unbewusst mehrere, komplizierte chemische Reaktionen aus, die unsere Magie dazu bringen, genau das zu tun, was wir tun wollen. Kannst du mir soweit folgen?“

„Chemische Reaktionen produzieren den Zauber, den wir ausführen wollen. Soweit ist alles klar.“
 

„Gut. Jedenfalls ist es so, dass diese chemischen Reaktionen logischerweise Energie verbrauchen. Wenn wir jetzt also den ganzen Tag damit verbringen würden, Zauber auszuführen, würden wir immer müder und erschöpfter werden und irgendwann wahrscheinlich umkippen. Deshalb ist es sehr wichtig, dass jeder von uns seine Grenzen kennt, was seine Magiekapazität angeht, da es sonst böse enden kann.“

„Okay.... wenn wir Zauber ausführen, verbrauchen wir Energie und wenn wir zu viel davon verbrauchen, kippen wir um. Und was ist jetzt ein Katalysator?“
 

„Ein Katalysator verringert sozusagen die Energie, die benötigt wird, damit die chemischen Reaktionen ablaufen, wodurch diese beschleunigt werden“, erklärte Felice. „Das heißt, wenn Harry mit uns in einem Raum ist, wenn wir einen Zauber ausführen, brauchen wir dafür weniger Energie, als ohne ihn und wir können zum Beispiel mit ihm vier Zauber ausführen, während wir ohne ihn nur zwei geradeso schaffen würden.“

„Das heißt also, wenn er da ist, können wir mehr Zauber ausführen, als wenn er nicht da ist und es ist weniger anstrengend?“, fragte Luna.
 

„Genauso ist das“, meinte sie lächelnd. „Allerdings ist es so, dass diese Katalyse nur stattfindet, wenn Harry dich mag oder für dich sympathisiert. Kann er dich nicht leiden oder ist er wütend auf dich, greift seine Magie sozusagen nicht auf dich über und es ist, als wenn er nicht da wäre. Deshalb werden sich auch alle, die mit ihm Streit haben, so schnell wie möglich wieder mit ihm versöhnen. Ihre Magie sagt ihnen im Unterbewusstsein, dass es schlecht ist, wenn er wütend auf sie ist, da er ihnen in diesem Fall nichts nützt und so versuchen alle, bei ihm in einem möglichst guten Licht zu stehen. Das ist auch gleichzeitig der Grund, warum man sich bei ihm automatisch wohl fühlt oder ihn sympathisch findet. Deine Magie erkennt automatisch, dass er ein Tempus Amicus ist und sagt dir, dass du dich mit ihm anfreunden sollst, weil sie dann weniger zu tun hat. Kannst du mir folgen?“
 

„Unsere Magie ist faul und will, dass Harry die Arbeit für uns abnimmt. Doch das tut er natürlich nur, wenn er uns mag und deshalb sagt unsere Magie, dass wir seine Freunde werden müssen“, fasste Luna das ganze zusammen. „Doch, ich glaube, ich habe es kapiert.“

„Das ist wunderbar“, meinte Harry sarkastisch. „Könnt ihr dann jetzt aufhören über mich zu reden, als wäre ich nicht da?“

Beide Mädchen strahlten ihn an. „Natürlich!“

„Aber eines muss dir klar sein, Harry. Es ist zwar so, dass du den Leuten sympathischer bist, als andere, aber die Liebe, die dir deine Freunde und Familie schenken ist kein Ergebnis davon. Anziehung und Sympathie ist etwas anderes als Freundschaft und Liebe. Man kann sich auch von einem Tempus Amicus angezogen fühlen und ihn gleichzeitig hassen. Also fang jetzt ja nicht an in Selbstmitleid zu versinken und zu glauben, wir würden dich alle nur wegen deiner Fähigkeiten lieben. Das wäre nämlich Unsinn.“
 

Harry schenkte ihr ein Lächeln. „Ich weiß, Fel. Ich bin kein Idiot. Auch, wenn ich mich manchmal so verhalte. Aber was war jetzt noch mal die Verbindung zwischen Tempus Amicus, Empath und Seher?“

„Ach, das ist einfach“, meinte Luna fröhlich. „Die drei sind ein unbesiegbares Dreiergespann. Der Empath kann die Gedanken und Gefühle seiner Mitmenschen fühlen und lenken, der Seher kann Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit sehen und der Tempus Amicus ist da, um ihre Fähigkeiten zu verstärken und Verbündete zu sammeln. Allerdings müssen sie dafür eine tiefere emotionale Bindung eingehen, die sich oft in Freundschaft ausdrückt und wie der Zufall es so will, haben wir drei eine solche Bindung.“
 

Sie blickte strahlend in die Runde, doch weder Felice noch Harry zeigten auch nur den Hauch von Begeisterung.

„Kommt schon, Dumbledore und der dunkle Lord versuchen bereits, Harry auf ihre Seite zu ziehen, denn derjenige, der ihn bekommt, wird den kommenden Krieg beenden. Aber Harry, du kannst deine Fähigkeiten auch nur richtig nutzen, wenn du einen Seher und einen Empath bei dir hast, die dir dabei helfen. Wir drei sind voneinander abhängig! Das hat man mir so erklärt!“

„Das mag ja so sein und steht so schwarz auf weiß in den Geschichtsbüchern geschrieben“, sagte Felice zögerlich, „aber du weißt, dass es keine drei Personen sind, von denen darin die Rede ist, sondern immer vier. Empath, Seher, Tempus Amicus und der Anführer, was in diesem Fall entweder Dumbledore oder der dunkle Lord wären.“

„Ja und?“, fragte sie. „Was ist da groß zu überlegen? Wir schließen uns natürlich dem dunklen Lord an! Er kämpft für die Gerechtigkeit in unserer Welt! Unter ihm wird alles wieder gut werden! Er ist nicht so engstirnig wie Dumbledore!“
 

„Luna“, sagte Harry ernst. „Würden wir uns wirklich dazu entschließen, zusammenzuarbeiten und uns daraufhin dem dunklen Lord anschließen, würden wir ihm wahrscheinlich den Sieg bringen, zumindest wenn man den Geschichtsbüchern glauben darf.“ Woran er persönlich ja zweifelte. Historiker waren dafür bekannt, die Wahrheit so darzustellen, wie es ihnen passte. „Wir können England nicht einfach ihm überlassen, nur weil dein Vater gestorben ist.“

Das war gemein und ungerecht, aber es musste gesagt werden. Selbst wenn es ihr weh tat, selbst wenn es sie zum weinen brachte, es war nötig, dass sie sich darüber klar wurde, dass es hier nicht darum ging, Rache zu nehmen. Es ging darum, Frieden zu bringen.

Felice war seiner Meinung: „Luna, die Hauptaufgabe eines jeden Tempus Amicus ist es, dem Volk in dem er lebt, Frieden zu bringen. Glaubst du wirklich, dass unter einem Menschen wie dem dunklen Lord jemals Frieden herrschen wird?“

Schweigend sah sie zwischen den beiden hin und her, ehe sie aufstand. „Wie ich sehe, seid ihr euch wieder einmal einig. Dann werde ich jetzt schlafen gehen. Gute Nacht.“ Mit diesen Worten rauschte sie davon und ließ die beiden allein zurück.
 

Nach einer kurzen Stille seufzte Felice. „Sie wird sich wieder einkriegen. Lass ihr etwas Zeit. Sie weiß, dass wir Recht haben.“

„Ich weiß“, murmelte Harry. „Sie ist deshalb hergekommen, nicht wahr? Weil sie hoffte, dass wir ihr dabei helfen würden, den Tod ihres Vaters zu rächen.“

„Deine Observationsfähigkeiten sind so gut wie eh und je“, kommentierte sie. „Genauso ist es. Und es ist verständlich. Jeder würde es tun wollen. Aber trotzdem, ein Tempus Amicus sollte sich nicht einfach blindlings irgendjemanden anschließen. Das könnte böse enden.“

Harry schnaubte. „Denkst du nicht, dass ihr das etwas überbewertet? Es stimmt, dass behauptet wird, dass wir jedem dem Sieg bringen, aber so besonders sind wir nun auch wieder nicht. Man könnte es auch gut und gerne ohne uns schaffen.“

„Das mag so sein“, erwiderte Felice und stand auf. „Umso mehr du jemanden magst, umso mehr unterstützt du seine Magie. Und jetzt stell dir den dunklen Lord vor, einen der mächtigsten Magier seit Gellert Grindelwald. Stell dir vor, er würde es schaffen, dass du ihn aufrichtig liebst. Wie groß meinst du, würde seine Macht werden? Und wie groß die Macht seiner Anhänger? Er würde diesen Krieg gewinnen, Harry. Ohne große Anstrengung.“ Entspannt ging sie auf die Tür zu. „Du solltest schlafen. Morgen wirst du mit Albus Dumbledore sprechen müssen und da wirst du alle Kraft brauchen, die du kriegen kannst.“
 

Sie wollte gerade nach der Türklinke greifen, als Harry fragte: „Warum bist du hier?“

Langsam drehte sie sich zu ihm um und hob eine Augenbraue. „Wie meinen?“

„Du hast mich schon richtig verstanden“, erwiderte er und erhob sich ebenfalls. „Warum bist du hier? Warum bist du nicht bei deiner Familie? Es ist Weihnachten.“

Schweigend starrte sie ihn an. Musterte ihn. Wog innerlich ab, was sie sagen sollte. So wie immer. Während er keine Geheimnisse haben konnte, stellte sie sicher, dass er ihre niemals erfahren würde. Es war so ungerecht, doch leider nicht zu ändern.

„Ich bin hier“, erwiderte sie schließlich. „Weil ich hier sein will. Ich bin hier, weil Luna mich darum gebeten hat. Und ich bin hier, weil ich dich liebe. Reicht das als Antwort?“

Es war nur die Hälfte der ganzen Wahrheit. Er wusste es und sie wusste ebenfalls, dass er sich darüber bewusst war. Aber sie waren Freunde und deshalb musste er es akzeptieren.

„Ja“, flüsterte er deshalb. „Natürlich.“

Eine Minute später hatte sich die Tür hinter ihr geschlossen und er war allein.
 

Lustlos ließ er sich auf sein Bett fallen und starrte an die Decke.

„Ein Tempus Amicus also“, murmelte er. „Dir bleibt wirklich gar nichts erspart, oder Harry?“

Obwohl er solange nicht mehr an diesen Fakt gedacht hatte, kam es für ihn nicht als Überraschung. Wie Felice bereits erklärt hatte, war er als Tempus Amicus dazu in der Lage, alles, was er vergessen wollte, tatsächlich zu vergessen. Das Problem war nur, dass sein Unterbewusstsein dieses Wissen immer mit sich trug und ihn somit davon abhielt, sich in eine Situation zu bringen, in der er herausfinden könnte, was er erfolgreich verdrängt hatte. So musste es auch während des letzten Schuljahres gewesen sein. Severus und Remus hatten beide versucht, ihm zu sagen, dass Lily und James noch lebten, doch da er daran nicht hatte denken wollen, hatte er sie davon abgehalten, etwas zu sagen.

Wirklich erstaunlich, wie gut man sein eigenes Gedächtnis austricksen konnte. Ob er wohl noch etwas verdrängt hatte? Wie viele schlechte Erfahrungen konnte man eigentlich in sechzehn Jahren machen? Wahrscheinlich genug, um elf davon freiwillig in einer Lüge zu verbringen. Doch war es wirklich eine Lüge gewesen?
 

Seufzend rollte er sich auf die Seite. Wie sollte es ab sofort weitergehen? An wen sollte er sich wenden? Wen sollte er unterstützen? Irgendwie waren das immer die Fragen, die er sich stellte. Langsam sollte er wirklich eine Antwort finden.

Nur wie?

Felice hatte es selbst auf den Punkt gebracht, die Hauptaufgabe eines Tempus Amicus war es immer, Frieden zu schaffen. Er wusste es genau, alles in ihm wollte, dass dieser kommende Krieg niemals stattfand, doch gleichzeitig wünschte er sich, dass auch Großbritannien endlich keinen Unterschied mehr zwischen Schwarz- und Weißmagiern machte. Doch konnte das ohne Kämpfe erreicht werden? Heiligte der Zweck alle Mittel?
 

„Glaubst du allen Ernstes, dass es so etwas wie einen höheren Zweck wirklich gibt?“
 

War es richtig, Menschen in einen Krieg zu führen, wenn hinterher alles besser sein würde?

Würde hinterher alles besser sein?
 

Aber... falls er wirklich zu dem Schluss kam, sich gegen Voldemort zu entscheiden, würde er wirklich dazu in der Lage sein, gegen ihn zu kämpfen?

„Tom“, flüsterte er. „Was soll ich nur tun?“

The Sound Of Your Heart

Auch, wenn es euch vermutlich bereits auf die Nerven geht: Ich wünsche euch allen ein wundervolles, neues Jahr! <3

Zunächst möchte ich meiner Beta für die Korrektur dieses Kapitels danken, sowie allen Kommischreibern zum letzten Kapitel und allen Schwarzlesern, die TCE immer noch auf ihrer Favo-Liste haben. *allen ein Glas Butterbier in die Hand drück *

Darüber hinaus ist die Umfrage beendet! Vielen Dank an die 152 Teilnehmer! 44% von euch waren der Meinung, die FF soll zusammenbleiben, 41% dass sie geteilt werden soll und 14% war es egal.

Allerdings bin ich durch mehrere Gespräche mit meiner Beta und ein paar meiner Kommischreiber zu der Überzeugung gekommen, dass eine Teilung dennoch um einiges sinnvoller wäre, weshalb ich noch einmal genauer darüber nachdenken werde. Dennoch danke ich für das rege Interesse. Das hat mich sehr gefreut. <3

Doch genug der langen Vorreden, jetzt wünsche ich euch erst einmal viel Spaß mit diesem Kapitel und einer ausführlichen Harry/Voldemort-Szene!

Bis zum nächsten Mal,

eure Ayako

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The Sound Of Your Heart
 

Es war genau zwei Uhr vierunddreißig, als Felice ihre Augen aufschlug. Nicht, dass sie sich darüber bewusst gewesen wäre. Sie hatte nicht die geringste Lust darauf, auf eine Uhr zu schauen, auch so war es offensichtlich, dass da irgendetwas seltsames vor sich ging. Bis gerade eben waren nur schlafende Menschen im Haus gewesen.

Lily und James in ihrem Ehebett, Lilys Gedanken erfüllt von Dunkelheit, während James mitten in seiner Traumphase war und mit seinem Sohn Quidditch spielte. Ein wahrer Traum. Harry würde niemals freiwillig auf einen Besen steigen.

Lunas Träume waren bis vor kurzem noch mit dem Tod ihres Vaters erfüllt gewesen, doch inzwischen sah sie sich mit Viktor Krumm einen Strand entlanglaufen, der in der Nähe von Durmstrang sein musste. Interessant.

Remus' Gedanken waren ihr auf Grund seines Daseins als Werwolf verschlossen, doch sie wusste trotzdem, dass auch er noch tief und fest schlief.

Harrys Traumphase hatte vor etwa einer halben Stunde aufgehört, weshalb sein Geist ebenfalls dunkel war.
 

Somit waren bis vor fünf Minuten nur sie und Sirius wach gewesen. Der Animagus hatte einen schlimmen Alptraum gehabt und war seitdem nicht in der Lage gewesen, wieder einzuschlafen. Deshalb trottete er nun durch die Küche und versuchte, eine Beschäftigung zu finden. Aber das war es nicht, was sie dazu gebracht hatte, die Augen zu öffnen. Nein, dafür war die Person verantwortlich, die soeben im Haus erschienen war. In Harrys Zimmer, um genau zu sein. Was machte er hier?

Nun, es gab nur einen Weg, das herauszufinden. In aller Ruhe stand sie auf und machte sich auf den Weg zu ihrem besten Freund. Ohne einen Laut von sich zu geben, schlüpfte sie in sein Zimmer und schloss die Tür hinter sich.

„Dies ist das Haus einer weißmagischen Familie“, sagte sie. „Jemand wie Ihr hat hier nichts zu suchen.“
 

Mit verschränkten Armen drehte sich der dunkle Lord zu ihr um und hob eine Augenbraue. „Ihr Mundwerk, Mademoiselle Poulain, wird einzig durch Harrys übertroffen.“

„Sicher? Ich glaubte eigentlich, er wäre höflicher als ich.“

„Das ist er in der Tat, allerdings scheint er dies in meiner Gegenwart des Öfteren zu vergessen.“

„Tatsächlich?“, fragte sie und ließ ihren Blick auf den schlafenden Harry fallen. „Das ist interessant.“

„Ich nehme an, du bist nicht in der Stimmung, das genauer zu erläutern?“

„Eure Kombinationsgabe ist nach wie vor unübertroffen, Mylord“, erwiderte sie mit einer spöttischen Verbeugung. „Wie ich sehe, haben Eure Gedanken wieder einen Sinn. Ich muss sagen, dass ich neugierig bin, wie Ihr es geschafft habt, den Wahnsinn aus Eurem Verstand zu vertreiben.“
 

Im nächsten Moment kannte sie bereits die Antwort. In solchen Situationen war es eben tatsächlich praktisch, eine Empathin zu sein.

„Ein Trank also und Harry hat es herausgefunden. Dann müsst Ihr ihm natürlich zu großem Dank verpflichtet sein.“

Der dunkle Lord beschloss, ihr nicht zu antworten, sondern wandte sich stattdessen wieder Harry zu, um ihn zu betrachten.

Wirklich interessant, dass seine Besessenheit immer noch nicht nachgelassen hatte, obwohl die Klarheit seiner Gedanken nicht mehr von dem jungen Potter abhängig war. Ob er vielleicht...
 

„Es gibt etwas, dass Ihr wissen solltet, Mylord“, sagte sie sanft. „Das, was Ihr für Harry empfindet, hat nichts mit der Tatsache zu tun, dass er ein Tempus Amicus ist.“

Er wandte ihr weiterhin den Rücken zu, doch sie wusste, dass er aufmerksam zuhörte.

„Es stimmt, dass zwischen ihnen und besonders mächtigen Schwarzmagiern eine sehr starke Anziehungskraft besteht, aber das, was Ihr fühlt, hat damit nichts mehr zu tun. Ich fürchte, ihr beide seid darüber schon lange hinaus. Also tut Harry nicht weh, indem Ihr versucht, ihn nur als potentiellen Verbündeten zu sehen, denn damit werdet Ihr ihn an Dumbledore verlieren und Ihr wisst ebenso wie ich, dass Ihr diesen Gedanken nicht ertragen könntet.“

Mit diesen Worten drehte sie sich um und ließ die beiden allein.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

War es seltsam, an diesem Tag wieder auf Mira zu treffen? Wahrscheinlich.

Überraschte es ihn? Nicht im Geringsten.

Langsam glaubte er, dass ihn gar nichts mehr überraschen konnte.

Er befand sich wieder in dem alten Haus, das er auch das letzte Mal besucht hatte. Auch diesmal konnte er in der Ferne wieder das Klavierspiel hören, was von einer so ehrlichen Traurigkeit sprach, dass ihm beinahe Tränen in die Augen traten. Doch er konnte sie zurückhalten. Wenn man elf Jahre im Hause Malfoy gelebt hatte, konnte man alles zurückhalten. Zumindest in der Öffentlichkeit.
 

Diesmal war er in einem staubigen Raum gelandet, der früher vermutlich ein kleiner, gemütlicher Salon gewesen war. Nun war er dunkel, kalt und unangenehm. Die alten Möbel waren von Tüchern bedeckt worden, die einmal weiß gewesen sein mochten, nun aber verblichen waren und der ganzen Atmosphäre etwas schrecklich unheimliches gaben.

//In diesem Haus herrscht kein Leben//, dachte Harry. //Hier lebt der Tod.//

Eilig setzte er sich in Bewegung, um einfach irgendetwas zu tun. Wer hier zulange verweilte, würde wahrscheinlich früher oder später wahnsinnig werden.
 

Wie das letzte Mal folgte er auch heute wieder der Musik und kurze Zeit später fand er sich auf dem alt bekannten Kreuzgang wieder. Diesmal regnete es nicht, doch die Nacht lag – immer noch? – über diesen Ort und Tom saß nach wie vor an dem Klavier und spielte, spielte, spielte, als gäbe es nichts anderes in dieser Welt außer ihm und dieses Lied. Entspannte lehnte Harry sich an die nächste Säule und betrachtete ihn.

Der junge Tom Riddle sah ebenso gut aus, wie seine erwachsene Ausgabe, nur auf eine andere Art und Weise. Dieser... Junge vor ihm hatte noch eine gewisse Unschuld an sich, doch man konnte die Gefahr deutlich durchschimmern sehen. Eine Gefahr, die ihn mit etwas Glück niemals betreffen würde. Früher war er sicher sehr beliebt gewesen – wie viele Verehrer er wohl gehabt hatte?

Ob er selbst auch dazu gehört hätte, wenn er mit ihm zusammen zur Schule gegangen wäre? Wahrscheinlich. Würde er es nicht besser wissen, würde er glauben, dass auch Tom ein Tempus Amicus war.
 

„Das ist er nicht“, sagte Mira und als er seinen Kopf etwas drehte, konnte er sie auf einer Topfpflanze sitzen sehen, die seltsamerweise wie ein Stuhl geformt war. „Er ist ein geborener dunkler Lord. Das ist seine Bestimmung, sein Schicksal, sein Genotyp. Niemand kann daran etwas ändern. Nicht einmal das Schicksal selbst. Es ist zu spät.“

„Wie ermutigend“, murmelte er und wandte sich wieder Tom zu. Beobachtete er ihn gerne? Oh ja. Jeder würde das tun. Besonders ein Tempus Amicus. Es war im allgemeinen bekannt, dass sie sich von Macht angezogen fühlten, vor allem, wenn sie schwarzmagisch war. Er selbst konnte es nur bestätigen. Schwarze Magie hatte ihn seit jeher mehr angezogen, als Weiße und er wäre ein Lügner, wenn er behaupten würde, dass die Aura des dunklen Lords nicht überwältigend war. Obwohl, selbst das war eine Untertreibung.

Auch Tom besaß bereits die Vorstufe zu dieser Aura, wenn auch sie noch nicht so sehr ausgeprägt war.
 

Könnte es vielleicht sein, dass diese natürliche Anziehung zwischen ihnen etwas damit zu tun hatte, dass er seit jeher von ihm geträumt hatte?

„Nein, hat es nicht“, meinte Mira munter und erinnerte ihn dabei an Felice. „Und bevor du fragst: Ja, ich kann deine Gedanken lesen, da ich ein Teil von ihnen bin. Wir sind hier in deinem Traum, mein Kind, nicht in meinem. Doch mach dir keine Sorgen. Auch, wenn es ein Traum ist, kann Felice uns nicht hören. Solange du hier bist, kann dich niemand hören, doch es kann dich gleichzeitig auch niemand aufwecken. Du kannst nur von hier verschwinden, wenn ich beschließe, dich gehen zu lassen oder wenn du den Ausgang findest.“

„Was wahrscheinlich nicht sonderlich einfach ist“, vermutete Harry.

Mira schenkte ihm ein liebevolles Lächeln. „Du hast natürlich Recht. Wie so oft in deinem Leben. Es ist selten, dass du irrst. Und doch kommt es vor.“ Langsam stand sie auf und glitt auf ihn zu, ehe sie neben ihm zum Stehen kam und mit ihm gemeinsam Tom betrachtete.
 

„Dies ist derjenige, den viele geliebt haben, Harry“, erklärte sie sanft. „Tom... ein Name, der oft in den Mund genommen wurde und immer noch wird. Er kann Menschen dazu bringen, ihn zu lieben, doch bisher hatte er kein Glück, wenn er selbst jemanden liebte. Er war ein sehr einsames Kind. Ein trauriges Kind.“

„Ist deshalb dieses Lied, das er spielt, so traurig?“

„Ja“, flüsterte sie missvergnügt. „Es ist das Lied seines Herzens. Er hat viel sehen müssen, viel verlieren müssen. Allerdings ist sein Lied fröhlicher geworden, seitdem er dich bei den Malfoys getroffen hat. Wer weiß, vielleicht ist es langsam für ihn an der Zeit, der Einsamkeit zu entkommen. Ich glaube, es würde auch dir gut tun.“
 

„Das Lied seines Herzens also“, flüsterte Harry nachdenklich und beinahe sofort schnürte sich seine Kehle zu. Es war wirklich traurig. Wie konnte ein Mensch so viel Traurigkeit empfinden? Andererseits hatte er keine Ahnung, wie sich sein eigenes Lied anhören würde, deshalb sollte er vielleicht lieber still sein.

„Hat jeder Mensch ein Lied?“

„Nur, wenn sie bereit sind, es zu spielen. Als du ein Kind warst, habe ich oft deiner Melodie gelauscht, doch nun strafst du mich mit Stille. Es ist bedauerlich. Du hattest einen wundervollen Klang. Ihn nun nicht mehr hören zu können ist sehr betrüblich. Aber es war nicht sonderlich verwunderlich. Viele hören auf zu spielen, wenn ihnen schreckliche Dinge widerfahren.“

„Schreckliche Dinge?“, wiederholte Harry überrascht und drehte sich zu ihr um. „Was für schreckliche Dinge?“ Meinte sie das mit seinen Eltern, Lucius und...? Und was? Was hatte er jetzt schon wieder vergessen? Langsam ging es ihm auf die Nerven.
 

Anstatt ihm zu antworten, sah Mira zu Tom. „Du hast ihn gerettet, obwohl sein Tod Frieden gebracht hätte. Doch du bist der Tempus Amicus und deshalb wirst du wissen, was die richtige Entscheidung war. Doch vergiss niemals, dass du deine eigenen Gefühle niemals über das stellen darfst, was getan werden muss. Es ist bereits einmal geschehen, dass ein Tempus Amicus so etwas getan hat und noch heute müsst ihr mit den Auswirkungen leben. Doch du bist nicht wie er. Ich glaube, du wirst es tatsächlich schaffen.“

Einen Augenblick lang starrte er sie nur an. Dann fragte er: „Wer bist du wirklich?“
 

Im nächsten Moment schlug er in seinem Zimmer die Augen auf und starrte an die Decke. Na toll. Das hätte man auch etwas freundlicher sagen können. „Blödes Weibsbild“, murmelte er verärgert und drehte sich auf die Seite, um weiterzuschlafen. Er wollte sich auch gerade wieder in das Kissen kuscheln, als er die Aura bemerkte, die sich in seinem Zimmer ausgebreitet hatte. Sofort saß er aufrecht in seinem Bett und ließ seinen Blick über die Möbel schweifen, bis er auf seiner Fensterbank hängen blieb.

Für den Bruchteil einer Sekunde war er fest davon überzeugt, wieder zu schlafen.

Der dunkle Lord saß in der selben Position auf seiner Fensterbank, die auch Felice vor ein paar Stunden eingenommen hatte. Sein Gesicht wurde von dem Licht des Mondes erhellt, der irgendwann mitten in der Nacht herausgekommen sein musste und Harry musste zugeben, dass dieses Bild etwas äußerst beeindruckendes und beinahe mystisches an sich hatte.

//Er ist wunderschön//, dachte er unwillkürlich. //Aber warum ist er hier?//
 

Er konnte eigentlich nicht hier sein. Harry war bei seinen Eltern, bei Weißmagiern, direkt unter Dumbledores Nase. Es war zu riskant, zu leichtsinnig, zu unüberlegt, einfach unmöglich. Warum sollte der dunkle Lord wegen ihm ein so großes Risiko eingehen? Nur um ihn zu sehen? Das war lächerlich. Er war nicht wichtig. Er war ein Wunderkind, er...

//Du bist ein Tempus Amicus.//

Er hatte es gewusst. Er hatte es die ganze Zeit gewusst. Deshalb hatte er eine so untypische Geduld mit ihm, deshalb war er immer vorsichtig, deshalb wollte er sein Vertrauen. Es war nie um ihn gegangen. Er interessierte sich nur für den Tempus Amicus. Harry... war irrelevant. So wie immer.

Verdammter, manipulativer Mistkerl! Er war keinen Deut besser als Dumbledore.
 

Plötzlich sah er, wie sich die Lippen des dunklen Lords zu einem Lächeln verzogen. „Hat man dir nicht beigebracht, dass es unhöflich ist, andere Leute anzustarren?“

„Die Frage könnte ich Euch auch stellen, Mylord“, meinte Harry kühl. „So wie ich Euch kenne, habt Ihr mich sicher wieder die ganze Zeit beim Schlafen beobachtet. Immerhin glaubt ihr, dass es nichts schlechtes auf der Welt gibt, wenn Ihr mich schlafen seht“, fügte er sarkastisch hinzu.

Könnte es sein, dass er sich gerade etwas gehen ließ? Ja, das war sogar sehr wahrscheinlich. Er würde sich trotzdem nicht zurückhalten. Er hasste es, wenn man versuchte, ihn zu manipulieren und der Mann sollte das spüren. Unwillkürlich fragte er sich, was mit seinen katalysierenden Fähigkeiten war. Ob sie ihn bisher unterstützt hatten und im Moment aussetzten, weil er wütend auf ihn war?

Wie funktionierte das eigentlich? Konnte er es bewusst lenken, wen er unterstützte oder funktionierte das nur im Unterbewusstsein? Er würde sich dringend ein Buch darüber besorgen müssen.
 

Der dunkle Lord wandte inzwischen seinen Kopf und sah ihn stirnrunzelnd an. Harry erwiderte seinen Blick entschlossen und dachte nicht einmal daran, nachzugeben. Der Mann war selbst Schuld. Also sollte er dafür auch grade stehen.

Plötzlich schien Voldemort zu begreifen, zumindest weiteten sich seine Augen kaum merklich, ehe sein Stirnrunzeln einer ausdruckslosen Miene wich. „Wer hat dir erzählt, dass du ein Tempus Amicus bist? Severus?“

Sev...? Ach ja, stimmt, er musste es natürlich wissen. Er hatte ihm Okklumentik beigebracht. Da bemerkte man es angeblich immer als erstes, auch wenn Harry keine Ahnung hatte, wie. Dafür hatte er sich einfach zu wenig damit beschäftigt. Doch warum hatte Severus es ihm dann nicht erzählt?

„Wer sagt, dass ich es nicht schon immer gewusst habe?“, konterte Harry schlagfertig.

Es war ein gutes Argument, da es im Grunde der Wahrheit entsprach. Er hatte es gewusst, nur nie daran gedacht. Dummerweise hatte der dunkle Lord exakt denselben Gedankengang:„In dem Fall hattest du es vergessen, ob absichtlich oder nicht sei dahin gestellt. Hättest du es gewusst, hättest du auf mich anders reagiert. Du hättest auf all deine Mitmenschen anders reagiert. Und ganz sicher wärst du nicht mit Neville Longbottom befreundet.“
 

Mit Neville könnte er vielleicht sogar Recht haben, doch das würde er ihm sicher nicht auf die Nase binden. Wahrscheinlich war sein bester Freund von allen Menschen sogar der Einzige, dem es wirklich nur um Harry ging und nicht um einen Tempus Amicus. Selbst Felice, der er mehr vertrauen konnte, als jeder anderen Person auf dieser Welt, hätte sich wahrscheinlich niemals mit ihm angefreundet, wenn er nicht...

//Nicht in Selbstmitleid versinken. Sie hat Recht, wenn sie sagt, dass dies albern wäre.//
 

Ein Seufzen riss ihn aus seinen Gedanken und ihm fiel auf, dass er dem Anderen noch eine Antwort schuldig war. Allerdings sprach er bereits weiter: „Ich nehme an, dass du nun glaubst, ich hätte mich dir nur genähert, weil ich einen Tempus Amicus auf meiner Seite haben will.“

Verwirrt blinzelte Harry. Er hätte nicht damit gerechnet, dass Voldemort selbst davon anfangen würde. Das machte keinen Sinn. Was versprach er sich davon?

Als er nach gefühlten zehn Minuten immer noch nichts gesagt hatte, stand der Ältere auf und näherte sich langsam seinem Bett. Harry beobachtete argwöhnisch, wie er sich nur ein paar Zentimeter von ihm entfernt niederließ und langsam seine Hände nach Harrys ausstreckte. Doch er zog sie sofort zurück und funkelte ihn an. Verdammter Mistkerl! Er musste genau wissen, was für eine Wirkung seine Ausstrahlung auf ihn hatte! Doch heute würde er nicht zulassen, dass der andere es schaffte, sein Denken auszusetzen. Zur Not würde er auch seinen Zauberstab benutzen! Obwohl... es war vielleicht nicht die beste Idee, ein Duell mit einem dunklen Lord zu beginnen.
 

„Es ist wahr“, sagte Voldemort plötzlich und zog damit Harrys ganze Aufmerksamkeit auf sich, „dass ich auf der Suche nach einem Tempus Amicus gewesen bin. Einen als seinen Verbündeten zu haben, ist der schnellste Weg zum Sieg. Ich könnte damit all meine Ziele und auch Gellerts Traum in Erfüllung gehen lassen. Deshalb kann ich mir vorstellen, dass du zu der Überzeugung gekommen sein musst, das wäre die Ursache für mein zugegebenermaßen ungewöhnliches Interesse an dir.“ Harry starrte ihn einfach nur an. Wie schön, dass er bereits zu dieser Erkenntnis gekommen war. Dann konnte er ja machen, dass er wegkam.

„Allerdings“, fuhr der dunkle Lord fort, „wäre das ein Trugschluss.“

Tatsächlich? Was für eine Überraschung! Ein Trugschluss! Auf die Geschichte, die er sich jetzt zurechtgelegt hatte, war er wirklich sehr gespannt.

„Als ich dich das erste Mal gesehen habe, hatte ich nicht im entferntesten damit gerechnet, dass du ein Tempus Amicus sein könntest. Ich hatte es nicht einmal geahnt.“

„Und herausgefunden habt Ihr es, indem...?“

„Ich ein wenig recherchiert habe.“

„Recherchiert“, wiederholte Harry. „Da Ihr nicht die geringste Ahnung hattet. Wirklich sehr überzeugend, Mylord.“
 

Der dunkle Lord seufzte. „Ich frage mich, ob du gegenüber dem Minister, Dumbledore oder einem anderen dunklen Lord genauso unhöflich wärst. Doch ich bezweifle es.“

„Und wie seid Ihr auf diese großartige Idee gekommen, Mylord?“, fragte Harry spöttisch. Natürlich hatte er Recht. Normalerweise schenkte Harry jedem den Respekt und die Höflichkeit, die die jeweilige Person verdiente. Aber mit dem dunklen Lord war es etwas anderes, bereits seitdem er ihn an jenem Tag in Malfoy Manor das erste Mal gegenübergestanden hatte. Da war...

„Diese Verbindung“, sagte der dunkle Lord und griff nach Harrys Handgelenk. Sofort war wieder das altbekannte Brennen da, welches immer auftrat, wenn sie sich berührten. Doch es war niemals unangenehm, sondern so berauschend wie alles andere an diesem Mann.

Wie in Trance sah Harry zu, als Voldemort die Hand zu seinen Lippen führte und einen sanften Kuss darauf setzte. Danach hob er seinen Kopf und fixierte Harrys Augen mit den seinen. „Du spürst sie genauso wie ich. Man kann es in deinen Augen sehen, in deiner Körperhaltung und sogar in deiner Magie. Alles in dir treibt dich zu mir, während mein ganzes Dasein nach deiner Gegenwart strebt. Wir beide sind verbunden, Harry James Potter und ich wusste nicht warum.“
 

„Aber nun hattet Ihr eine Erleuchtung?“, fragte Harry zweifelnd. Der Griff um sein Handgelenk wurde fester.

„Allerdings. Ich habe jede Möglichkeit in Betracht gezogen. Bindungszauber, Wiedergeburten, selbst Mates.“ Harry schauderte bei dem letzten Wort. Er hasste es, dass stets alle der Meinung waren, die Existenz eines Mates sei mit einer Hochzeit gleichzusetzen. Nur, weil man einen besaß, hieß es nicht, dass man den Rest seines Lebens mit ihm verbringen musste. Das, was solche Leute verband, war pure Wissenschaft. Hoffentlich war es bei ihm und dem dunklen Lord auch so. Auf das Schicksal oder ähnlichen Unsinn konnte er dankend verzichten.

„Ich habe alle Bücher durchsucht, die ich zu diesen Themen finden konnte, bis ich eines Tages zufälligerweise mit jemanden ein Gespräch über Tempus Amicus geführt hatte. Als ich später schließlich mit Severus sprach, bekam ich den Beweis für meine Theorie. Du bist ein Tempus Amicus und das ist die Erklärung für alles.“
 

„Weil es für einen dunklen Lord nichts anziehenderes als einen von uns gibt“, vollendete Harry seinen Gedankengang und entwand seine Hand der des anderen, um beinahe sofort ihre Finger ineinander zu verhaken. „Und weil ein Tempus Amicus nur schwer jemanden mit soviel Macht widerstehen kann. Ich kann Eurem Gedankengang folgen. Er ist gut durchdacht, doch warum sollte ich Euch glauben? Ihr habt selbst zugegeben, dass Euch ein Tempus Amicus sehr gelegen käme. Woher soll ich wissen, dass Ihr das alles nicht nur erzählt, um mich zu manipulieren?“

„Weil es mir in diesem Fall nichts bringen würde, dein Vertrauen und deine Sympathie auf diese Art und Weise zu erlangen, da ich sie sofort verlieren würde, sobald du es herausfinden würdest und wir beide wissen, dass du dazu in der Lage bist. Das ist etwas, dass mir nicht in geringster Weise weiterhelfen würde, sondern im Gegenteil wahrscheinlich sogar alles zum Scheitern bringen würde. Glaubst du wirklich, ich würde dieses Risiko eingehen?“
 

Nein, das glaubte er nicht. Der dunkle Lord wäre ein Dummkopf, wenn er das täte. Aber sagte er dann tatsächlich die Wahrheit?

„Es ist hier gewesen“, sagte Voldemort plötzlich, ohne seinen Blick auch nur eine Sekunde von Harrys Augen zu lösen.

„Was ist hier gewesen?“, flüsterte dieser verwirrt, obwohl er es wahrscheinlich nicht wissen wollte.

Dass das Gesicht des Älteren ungewöhnlich sanft wurde, machte das ganze auch nicht besser. „Hier sind wir uns das erste Mal begegnen.“

Harry blinzelte, sah ihn an, sagte nichts, wartete.
 

„Du hast in der Mitte des Raumes gesessen und dich mit einem Teddybären unterhalten, der größer war, als du selbst.“ Unwillkürlich mussten beide lächeln, Voldemort wegen seiner Erinnerung und Harry, weil er den alten, zotteligen Bären, den er den albernen Namen „Mr. Brown“ gegeben hatte, immer noch vor sich sehen konnte. Was wohl aus ihm geworden war?

„Auf einmal hast du dich umgedreht“, fuhr der dunkle Lord schließlich fort und fuhr mit seiner freien Hand über Harrys Gesicht. „Sobald du mich gesehen hast, bist du aufgesprungen und wolltest von mir auf den Arm genommen werden. Du wärst wahrscheinlich niemals von mir heruntergegangen, wenn ich dich nicht hätte absetzen müssen.“

Vorsichtig lehnte Voldemort seine Stirn an Harrys und atmete mit geschlossenen Augen seinen Geruch ein. „Ich habe fünfzehn Jahre darauf gewartet, dich wieder in die Arme zu nehmen, nur dass ich dich diesmal nicht loslassen werde. Aber wenn du es wünscht, werde ich noch einmal solange warten.“
 

Plötzlich ließ er seine Augen wieder aufschnellen und betrachtete Harry mit einem forschenden Blick. Dieser war derweile vollkommen erstarrt und konnte nichts anderes tun, als ihn anzusehen. Deshalb drehte Voldemort langsam seinen Kopf und beugte sich etwas weiter vor, um...

Sobald Harry erkannte, was er vorhatte, riss er sich von ihm los und wich soweit von ihm zurück, wie er es auf dem Bett tun konnte.

Schweigend sahen sie sich an, während in Harrys Kopf die Gedanken rasten.

Warum erzählte er ihm das? Was versprach er sich daraus? Und hatte er gerade wirklich versucht, ihn zu küssen? Gut, er hatte damit gerechnet, dass es irgendwann geschehen würde, aber... aber doch nicht so plötzlich!

//Ach nein? Willst du etwa lieber ein langes Ankündigunsschreiben haben, in dem klar und deutlich dargelegt wird, wann, wo und wie ihr euch küssen sollt?// Sein Verstand hatte Recht. Er machte sich gerade wieder lächerlich, doch er war einfach nicht dazu bereit, ihre Beziehung bereits auf... diese Ebene zu bringen.

Zuviel hing davon ab... warum musste eigentlich gerade er ein Tempus Amicus sein? Es wäre alles so viel einfacher, wenn er einfach Harry sein könnte.

//Wäre es das wirklich?//
 

Ehe er weiter darüber nachdenken konnte, stand der dunkle Lord seufzend auf. „Du solltest schlafen“, riet er ihm. „Der kommende Tag wird vieles mit sich bringen, was deine ganze Auffassungsgabe in Anspruch nehmen wird.“ Kurz schwieg er, dann drehte er sich mit ernster Miene zu Harry um. „Du stehst weiterhin unter meinem Schutz, Harry. Solange werden weder meine Todesser noch ich selbst dir in irgendeiner Weise Leid zufügen. Du kannst tun und lassen, was du willst. Bleibe mit Neville Longbottom befreundet, verbringe soviel Zeit mit deinen Eltern, wie du möchtest und komme in den vollen Genuss von Albus Dumbledore, wenn es dein Wunsch ist. Du hast nichts zu befürchten. Doch wenn ich herausfinde, dass du damit beginnst, aktiv gegen mich oder meine Anhänger vorzugehen, wird meine schützende Hand verschwinden. Verstehst du, was ich damit sagen will?“

Harry schenkte ihm ein spöttisches Lächeln. „Natürlich, Mylord. Ich hätte nichts anderes von jemanden wie Euch erwartet.“ Wehe du wendest dich gegen mich, dann werde ich dafür sorgen, dass du nicht mehr lange lebst. Typische Drohung für einen dunklen Lord. Allerdings war es schon ein wenig merkwürdig, dass er ihm soviel Freiraum ließ...
 

Voldemort nickte zufrieden mit seiner Antwort und auch auf seinem Gesicht erschien ein leichtes Lächeln. „Meine Tür, Harry, wird immer für dich offen sein. Egal, wann und in welcher Situation wir uns auch befinden mögen, ob wir nun Freund sind oder Feind sind, du wirst in meinem Haus immer willkommen sein. Und dort wird auch immer jemand sein, der dich anhören wird, wenn du etwas zu sagen hast.“

Im nächsten Augenblick war er disappariert und Harry wieder allein mit seinen Gedanken.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Lieber Harry,
 

morgen wollen Pansys Mutter und Bellatrix ein Weihnachtsessen im Haus des dunklen Lords veranstalten. Er war so freundlich, es dafür zur Verfügung zu stellen, überhaupt ist er ein überraschend freundlicher und verständnisvoller Mensch geworden... es ist beinahe schon unheimlich. Jedenfalls ist Mutter nach wie vor in tiefster Trauer, da du nicht nach Hause gekommen bist und wechselt kaum ein vernünftiges Wort mit Vater.

Ich kann verstehen, dass du ihn nicht treffen willst, aber Mutter würde sich sicher freuen dich zu sehen.

Deshalb, wenn dir auch nur etwas an ihr liegt, komm bitte vorbei und iss mit uns zu Mittag. Du kannst ruhig jemanden mitbringen, nur bitte komm!

Frag am besten Severus, wie du dorthin kommst, er wird auf dich warten. Wir alle werden warten.
 

Frohe Weihnachten,

Draco
 

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Am nächsten Morgen kam jemand im Hause Potter vorbei, mit dem Harry niemals gerechnet hätte.

Er saß gerade vor dem Kamin im Wohnzimmer und streichelte Sirius, der es sich neben ihm bequem gemacht hatte, als Felice, die gemeinsam mit Luna Zauberschach gespielt hatte, den Kopf hob. Sie waren vor einer knappen halben Stunde mit der Bescherung fertig geworden und die Erwachsenen hatten damit begonnen, das Weihnachtsessen vorzubereiten, weshalb sie etwas Zeit zum Nichtstun hatten. Es tat wirklich gut, einmal nur darauf warten zu müssen, bis Lily, James und Remus fertig waren.
 

„Na sowas“, sagte Felice blinzelnd und drehte sich zu Harry um, der ihren Blick fragend erwiderte. „Du hast Besuch.“

„Besuch?“, fragten Harry und Luna wie aus einem Munde.

Als wäre sie gerufen worden, steckte plötzlich Lily den Kopf zur Tür herein. „Harry, hier ist jemand, der mit dir sprechen möchte.“

Verwirrt stand er auf und folgte ihr in einen Raum, der irgendwann eine kleine Bibliothek werden sollte. Im Moment befanden sich dort jedoch nur ein paar leere Regale und mehrere gemütliche Sessel, sowie ein kleiner Kaffeetisch.
 

Am Fenster mit dem Rücken zur Tür stand Abraxas Malfoy.

Harry hatte nie eine besondere Beziehung zu ihm gehabt. Der Mann war einfach ein Mitglied der Familie gewesen, das man ab und an sah und zu dem man freundlich sein musste. Das einzige was sie verband, war etwas, das begonnen hatte, als Harry und Draco acht Jahre alt gewesen waren. Für Mitglieder einer so alten Familie wie die Malfoys war es Pflicht, mindestens ein Instrument zu erlernen. Abraxas hatte damals versucht, Draco das Cellospielen beizubringen, doch als er bemerkte, dass sein Enkel nicht das geringste Interesse daran zeigte, hatte er sich stattdessen Harry zugewandt, in dem er zwei Jahre lang einen willigen Schüler fand. Erst, als er nach Hogwarts kam, hörte der Junge auf, das Instrument zu spielen und hatte es seitdem auch nicht mehr angerührt. Harry war Wissenschaftler, kein Künstler. Zwar war es ein netter Zeitvertreib gewesen, ein Instrument zu erlernen, aber er würde niemals das Bedürfnis verspüren, ein weiteres zu lernen. Das war es, was ihn von Felice unterschied. Sie – als Empathin – war eine Künstlerin und würde niemals eine Wissenschaftlerin werden.

Jedenfalls war das alles, was ihn und Abraxas verband und wahrscheinlich würde es auch niemals mehr geben. Was machte er also hier?
 

„Ich... lasse euch dann wohl besser allein“, hörte er Lily sagen, doch er achtete nicht weiter auf sie. Stattdessen begnügte er sich damit, den Mann anzustarren, der ihm immer noch den Rücken zukehrte.

„Es gab eine Zeit“, sagte er auf einmal, „in der du mich mit freudigen Geschrei begrüßt hättest und selbst, als diese vorbei war, gab es wenigstens ein guten Tag. Doch nun scheint eine Zeit angebrochen zu sein, in der nicht einmal das mehr einem alten Mann vergönnt ist.“ Langsam drehte er sich um und sah Harry mit müden Augen an. „Ich gebe zu, dass ich den Klang deines Cellos vermisse, mein Sohn. Es war stets eine Freude, ihm zu lauschen. Wahrscheinlich waren dies immer die einzigen Augenblicke, in denen du uns hören ließest, was wirklich in dir vor sich ging.“

Harry runzelte die Stirn. „Bist du hierhergekommen, um mich dazu zu bringen, wieder einen Bogen in die Hand zu nehmen?“

„Nein“, entgegnete das Oberhaupt der Familie Malfoy und streckte seinen Arm aus. „Komm und hilf mir, mich hinzusetzen. Ich bin alt geworden und das Apparieren fällt mir immer schwerer. Bald werde ich es nicht mehr tun können.“
 

Sofort half Harry ihm bereitwillig, sich auf einem der Sessel niederzulassen. Abraxas hatte Recht. Er war alt geworden. Wer wusste, wie lange er noch leben würde. „Möchtest du etwas trinken?“

„Etwas Tee wäre wundervoll.“

Also brachte er ihm welchen.

„Du fragst dich sicher, weshalb ich hier bin“, sagte er, nachdem er einen Schluck zu sich genommen hatte. „Besonders, da der Name Malfoy für dich zur Zeit die Personifikation des Bösen sein muss. Eigentlich hatte ich mir sogar vorgenommen, mich nicht in die ganze Angelegenheit einzumischen. Was Lucius getan hat, war unverantwortlich und seine eigene Schuld. Er ist alt genug, um sich selbst dort hinaus winden zu können. Allerdings habe ich dabei seinen Stolz vergessen. Außerdem fürchte ich um seine Gesundheit. Tom ist nicht sehr glücklich mit ihn.“

„Tom?“, fragte Harry, überrascht, dass Abraxas ihn so nannte.
 

„Ich weiß, dass er dir gesagt hat, wer er ist“, entgegnete der alte Mann mit einem leichten Lächeln. „Er hat einen wahren Narren an dir gefressen. Es würde mich nicht wundern, wenn er dir sogar erlaubt hätte, ihn so zu nennen, doch wahrscheinlich hält ihn dort seine alt bekannte Vorsicht zurück. Du darfst es ihm aber nicht übel nehmen, Harvey. Er hat viel zu verlieren.“

„Harry“, sagte der Jüngere automatisch. „Mein Name ist Harry.“

„Bist du dir sicher?“, fragte er. „Oder ist das die Wahrheit, die du dir selbst geformt hast? Wie auch immer, ich bin sicher, Draco hat dir eine Einladung zu unserem kleinen Lunch geschickt, der morgen stattfinden wird?“

Harry nickte langsam.

„Ich bitte dich, zu kommen.“

„Tatsächlich? Das hätte ich wirklich nicht gedacht.“
 

Abraxas seufzte. „Lucius liebt dich, Harvey. Er mag es nicht so deutlich zeigen, wie bei Draco, doch er tut es. In mancherlei Hinsicht liebt er dich sogar mehr als Narcissa... er hatte nie die Absicht, dir weh zu tun oder dir auf irgendeiner Weise Leid zuzufügen und das weißt du ebenso gut wie ich. Doch er hat es getan und deshalb ist es für jeden verständlich, dass du nun schmollst und wütend bist. Aber du bist ein erwachsener, junger Mann. Ich weiß, dass du in der Lage bist, deinen Stolz für einen Tag zu vergessen und sowohl Lucius als auch Narcissa eine Freude zu machen. Die Beiden sorgen sich um dich und dein Wohlergehen.“
 

Harry starrte nachdenklich auf seine Hände, die er auf seinen Schoss gelegt hatte. „Ich weiß, dass sie das tun“, sagte er langsam. „Ich weiß, dass sie mich wie einen Sohn geliebt und alles mögliche getan haben, um mir ein Leben zu ermöglichen, das lebenswert erscheint. Ich bin ihnen sehr dankbar und es ist mir klar, dass ich mich kindisch verhalten habe. Aber all die Jahre, die ich bei ihnen verbracht habe, bin ich vor der Wahrheit davongelaufen. Ich wollte vergessen, dass es Harry Potter jemals gegeben hatte und wollte jemand werden, der ich nie sein kann.“ //Ich wollte ein Schwarzmagier werden.// „Ich weiß nicht, ob ich jetzt, da ich wieder weiß, wer ich bin, wirklich zurückkehren sollte.“

Abraxas lachte bei diesen Worten. „Allein die Tatsache, dass du so etwas denkst, beweist, dass du keine Ahnung hast, wer du bist, mein Junge. Und wenn du hier bei Albus Dumbledore bleibst, wirst du es auch niemals herausfinden.“

„Aber bei dem dunklen Lord wäre ich besser aufgehoben?“
 

„Nein“, sagte er klipp und klar, was Harry doch überraschte. Er war davon überzeugt gewesen, Abraxas würde seinen alten Freund verteidigen. Es gab immer wieder Überraschungen. „Tom mag vielleicht vernünftigere Ziele haben, als Dumbledore, doch wenn du es zulässt, dich von ihm manipulieren zu lassen, wirst du unter seiner Hand nicht besser dran sein, als bei deinem Schulleiter. Du kannst dich erst auf einen der beiden einlassen, wenn du deinen Weg gefunden hast, Harvey, und momentan bist du noch nicht soweit. Doch das ändert nichts daran, dass ich dich bitte, zu unserem Lunch zu kommen. Es würde Narcissa beruhigen und Draco eine große Last abnehmen. Ich fürchte, dein Bruder ist zur Zeit etwas überlastet... Darüber hinaus ist Toms Anwesen immer einen Besuch wert und ich bin sicher, auch er würde sich über deine Anwesenheit sehr freuen. Er hat nun einmal einen Narren an dir gefressen und es ist auffallend, wie sich seine Stimmung hebt, sobald du ins Spiel kommst.“
 

Wunderbar. Das war genau das, was er hören wollte. Besonders nach letzter Nacht... lieber nicht jetzt darüber nachdenken.

„Ich... überlege es mir“, versprach er Abraxas zögernd.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

„Ich denke, du solltest hingehen“, sagte James sofort, nachdem Harry – mit einigen Auslassungen – von der Einladung erzählt hatte. „Sie waren immerhin elf Jahre lang deine Familie. Es ist nur natürlich, dass sie dich an einem Weihnachtsfeiertag sehen wollen.“

„Aber denkst du nicht, dass es etwas riskant ist?“, fragte Lily sofort. „Die Malfoys sind sehr eng mit Voldemort verbunden. Vielleicht...“

„Lily, es ist ein einfaches Mittagsessen“, entgegnete Remus. „Außerdem wird Severus da sein und Regulus auch, soweit ich weiß.“

„Das stimmt“, kommentiere Felice das Gespräch und stellte ein paar Teller auf dem Esszimmertisch ab. „Regulus ist eingeladen und wird ein Auge auf Harry haben. Sie müssen sich keine Sorgen machen, Mrs. Potter.“

„Außerdem wird er sowieso gehen, auch wenn Sie es ihm verbieten“, warf Luna ein. „Warum also überhaupt versuchen, ihn aufzuhalten?“
 

Lily sah sie alle nach einander an, bevor sie resigniert seufzte. „Ihr habt ja Recht. Aber zunächst kommt ohnehin der heutige Tag. Albus müsste jeden Moment hier auftauchen, also...“

„Er muss nicht auftauchen“, widersprach ihr Felice ruhig. „Er ist schon hier.“

Überrascht sahen sie alle an, als es auch bereits an der Tür klingelte.

Harry seufzte. Das konnte ja heiter werden! Zuerst kam der dunkle Lord vorbei, dann stattete Abraxas ihm einen Besuch ab und jetzt auch noch Dumbledore... das nächste Mal würde er einfach nach Kanada reisen. Zumindest hätte er es dort um einiges ruhiger.

Love's Always A Sad Thing, Harry

Hallo, meine Lieben!

Zuerst einmal ein großes Dankeschön an meine liebe Beta für die Korrektur, die lieben Kommis zum letzten Kapitel und an alle anderen, die diese Fanfiction lesen. Ich freue mich immer wieder ungemein zu sehen, wie gut sie ankommt. <3

Allerdings habe ich jetzt eine schlechte Nachricht: Meine Klausur- bzw. Prüfungszeit beginnt mit dieser Woche und endet erst Ende Mai. Inwieweit euch das betrifft? Sagen wir einfach, es könnte zu sehr unregelmäßigen Updates und äußerst kurzgefassten Antworten zu euren Kommentaren kommen. Oder aber auch nicht. Ich bin dafür bekannt, meist dann viel zu schreiben, wenn ich absolut keine Zeit dafür habe. XD

Doch jetzt wünsche ich euch erst einmal viel Vergnügen mit diesem Kapitel!

Bis bald,

eure Ayako

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Love's Always A Sad Thing, Harry
 

„Woher kommt es eigentlich, dass es immer ich bin, den du aufsuchst, sobald du jemanden brauchst, dem du dich aufdrängen kannst?“, fragte Severus mit hochgezogenen Brauen und sah dabei zu, wie Harry sein Haus betrat.

„Ganz einfach, weil ich weiß, dass du mich nicht im Stich lassen wirst“, entgegnete er munter. „Außerdem musste ich gestern den ganzen Nachmittag Albus Dumbledore ertragen. Ich denke, dass ich es deshalb verdient habe, dich um einen kleinen Gefallen zu bitten.“

„Der Zeuge deines Familienkrieges zu werden, nennst du einen kleinen Gefallen? Und die Leute sagen, der dunkle Lord hätte einen seltsamen Sinn für Humor.“

„Sev...“, sagte Harry, „ich weiß, dass du dir dieses Lunch genauso wenig antun willst wie ich, doch es geht nicht darum, was wir wollen.“

„Ach nein? Dann lasse mich doch bitte an deiner Erleuchtung teilhaben und kläre mich darüber auf, um wen es sonst geht. Ist es nicht dein schlechtes Gewissen, dass es zu beruhigen gilt? Oder willst du mir tatsächlich erzählen, es wäre eine selbstlose Tat, dass du dort auftauchst?“
 

Harry seufzte. „Sev...“

„Ja, ich weiß“, entgegnete der Andere genervt. „Entschuldige, dass ich mich heute so unangemessen verhalte. Es ist nicht deine Schuld. Weihnachten.... ist einfach nichts für mich.“

Seufzend schritt der Jüngere auf ihn zu und berührte mit einer Hand seinen Arm. „Ich weiß. Aber bald hast du es geschafft. Nur noch ein Mittagessen, Sev, dann hast du es hinter dir.“ Er schenkte ihm ein zutrauliches Lächeln. „Wirst du mir also diesen kleinen Gefallen tun?“

Der Zaubertrankmeister verengte die Augen. „Hör auf damit, mich manipulieren zu wollen, Harry. Du weißt, dass ich das hasse.“

„Doch es funktioniert und das ist alles, was mich momentan interessiert.“
 

Severus schüttelte mit dem Kopf und löste seinen Blick von dem Jungen. Gemächlich drehte er sich um und schlenderte zu seinem Schlafzimmer. „Warte einen Moment, ich möchte mich nur schnell umziehen.“

„Lass dir soviel Zeit, wie du willst“, meinte Harry großzügig und ging ins Wohnzimmer, um es sich dort auf dem Sofa bequem zu machen. Es tat gut, wieder hier zu sein. Der vertraute Gestank nach irgendwelchen Zaubertränken, die beruhigende Dunkelheit, die einsame Stille. Ganz anders als im Hause Potter oder Malfoy.

Nicht, dass er es dort nicht gemocht hätte. Aber das hier war etwas anderes. Das war ein Ort, an dem niemand etwas von ihm erwartete. Eine Art Zuflucht. Ein sicherer Hafen, auf den er sich immer verlassen würde können. Er war froh, dass Severus sich endlich dazu durchgerungen hatte, ihn als sein Patenkind zu akzeptieren – sei es nun auf Grund seiner Liebe zu Lily oder nicht – denn so hatte er jemanden bekommen, der ihn immer aufnehmen würde, komme was wolle.

Aber das änderte nichts daran, dass auch er ihn letztendlich wie alle anderen angelogen hatte. Wahrscheinlich war es einfach sein Schicksal, dass ihm niemand die ganze Wahrheit erzählen wollte. War es da vermessen von ihm, wenn er sie endlich erfahren wollte?
 

„Warum“, sagte Harry und Severus, der gerade den Raum betreten hatte, um ihn zu holen, blieb stehen. „Warum hast du mir nicht gesagt, dass ich ein Tempus Amicus bin?“

Schweigen antwortete ihm.

„Warum hast du es dem dunklen Lord erzählt, aber nicht mir?“, fuhr er deshalb fort. „Müsste es mich nicht mehr betreffen, als ihn?“

Er hörte, wie Severus ein paar Schritte auf ihn zukam und sich schließlich neben ihn niederließ. Sein Gesicht war verschlossen, seine Miene unmöglich zu deuten. „Ich habe es dir nicht erzählt, weil es nicht meine Aufgabe war, es zu tun.“

Harry runzelte die Stirn. „Was hat das wieder zu bedeuten?“
 

„Du wirst es früh genug verstehen, Harry. Doch nun lass uns aufbrechen. Es wird Zeit, in den Krieg zu ziehen.“

Krieg.... ein passendes Wort, zumindest wenn man Draco Glauben schenken durfte. Worauf hatte er sich da eigentlich eingelassen?

Nun, Regulus, Severus und Draco würden da sein. Da dürfte es nicht allzu schlimm werden. Oder?
 

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Das erste, was Harry jemals von Voldemorts Anwesen sehen sollte, war seine Eingangshalle. Kaum hatte er diese zusammen mit Severus durch Seit-an-Seit-Apparation erreicht, wusste er, dass dies ein Ort war, an den es ihn bis zum Ende seines Lebens ziehen würde.

Vielleicht könnte es daran liegen, dass er sofort von der Aura des dunklen Lords umhüllt wurde, die das ganze Grundstück ausfüllte, vielleicht war es auch die Atmosphäre, die ihm ein Gefühl von Zuhause vermittelte, vielleicht war es aber auch einfach nur diese einzigartige Architektur, die ihm beinahe augenblicklich die Sprache verschlug.
 

Wie er später herausfinden sollte, war das Gebäude von Salazar Slytherin entworfen und schließlich erbaut worden. Grob konnte man es in fünf Abschnitte aufteilen, die jeweils über mehrere Stockwerke und Flügel gingen und jeweils einen eigenen, architektonischen Stil besaßen und somit aus verschiedenen Materialien gebaut worden waren. Außenstehende mochten nun das Bild eines großen Chaos bekommen, doch Salazar war nicht umsonst als Genie bekannt gewesen. Er hatte es geschafft, die einzelnen Abschnitte perfekt ineinander verschmelzen zu lassen, weshalb sie gemeinsam wie eine Einheit wirkten, die niemand zerstören konnte.

Harry fand diese Tatsache unheimlich passend. Auch Voldemort schien aus vielen, verschiedenen Fassetten zu bestehen, die ihn gemeinsam zu einer unbesiegbaren Kraft werden ließen. Obwohl, vielleicht nicht unbedingt unbesiegbar, aber auf jeden Fall äußerst beeindruckend.
 

Die Eingangshalle selbst war aus weißem Marmor erbaut worden. Sie war etwa so groß wie jene in Malfoy-Manor, allerdings etwas höher. Die Wände liefen an der Decke zu einer kleinen Kuppel zusammen, an deren Spitze ein Glasdach thronte, durch welches Tageslicht eindringen konnte und den ganzen Raum noch heller wirken ließ. An einer Wand war ein gewaltiger Kamin eingehauen worden, der sicher ein Vermögen wert war und sich perfekt für das Reisen mit Flohpulver geeignet war.

Das große Eingangstor, dass Harry unbestimmt an Hogwarts erinnerte, war heute weit geöffnet, weshalb man einen kleinen Blick auf den verschneiten Vorplatz werfen konnte. Glücklicherweise verhinderte jedoch ein Wärmezauber, dass die Kälte eindringen konnte.

Direkt gegenüber von dieser Tür, auf der anderen Seite der Halle, befand sich eine beeindruckende Treppe, die aus einem dieser Muggelmärchen hätte stammen können. Sie führte auf eine Plattform, von der aus mehrere Türen ausgingen, die wahrscheinlich in die verschiedenen Abschnitte des Gebäudes führten.
 

Aus einer dieser Türen kam plötzlich ein altbekannter Blondschopf hervor, der sich suchend in der Halle umsah. Als er Severus und Harry entdeckte, atmete er erleichtert aus, ehe er seine Arme verschränkte und den beiden einen arroganten Blick zuwarf.

„Ihr seid spät.“

„Nein, du bist einfach zu früh, Draco“, entgegnete Harry und begann damit, die Treppe zu erklimmen. „Du weißt doch, dass das englische Mittagessen erst um siebzehn Uhr stattfindet.“

Draco schnaubte. „Du hast zu viele Muggelromane gelesen, Harry. Außerdem gibt es um siebzehn Uhr Tee und nicht Mittagessen.“

„Was immer du sagst, Bruderherz“, meinte er fröhlich und kam vor ihm zum Stillstand.
 

Mehrere Sekunden lang standen sie sich gegenüber und sahen sich an, ehe Draco den Blick senkte und leise sagte: „Danke.“

Harrys Gesicht wurde augenblicklich weicher. „Ich konnte doch nicht deinen versteckten Hilferuf ignorieren.“

Sofort wurde Draco wieder zu seinem arroganten Selbst. „Hilferuf? Das war kein Hilferuf. Es war eine einfache Bitte, damit du endlich hier auftauchst und Mutter beruhigst. Ihre Stimmung ist ja überhaupt nicht mehr auszuhalten!“

Severus schnaubte bei diesen Worten und murmelte etwas, das verdächtig nach „lächerlich“ und „eine Familie“ klang.

Ja, er hatte Recht. Harry und Draco hatten dieselbe Erziehung genossen, die in ihrem Verhalten deutlich durchschimmerte. Zwar würde sie nicht jeder bemerken, doch sie war da. Trotzdem gab es vieles, was sie unterschied, aber das wäre auch so gewesen, wenn sie wirklich blutsverwandt wären – zumindest hoffte er das.
 

„Weiß sie eigentlich, dass wir kommen?“, fragte Harry, als Draco damit begann, sie zu der Tür zu führen, aus der er gekommen war.

„Nein“, antwortete sein Bruder sofort. „Wir hielten es für besser, sie im Unklaren zu lassen, für den Fall, dass du beschließen solltest, uns zu ignorieren.“ Was gar nicht mal so unwahrscheinlich gewesen wäre, hätten Voldemort und Abraxas nicht beschlossen, ihn zu besuchen. Oder wenn Dumbledore...

Nein, Albus Dumbledore hatte hier nichts verloren. Er war jetzt bei Tom... beziehungsweise dem, was von Tom übrig war.

Schweigend betraten sie einen Abschnitt des Hauses, der sehr an das Gebiet der Slyterhins in Hogwarts erinnerte. Dunkel, unheimlich, wahrscheinlich sogar unter der Erde. Severus erklärte ihm, dass es sich hierbei um den öffentlichen Teil des Hauses handelte. Hierher hatte jeder Zutritt, der in irgendeiner Weise in den dunklen Orden eingeschweißt war.

„Den Rest des Hauses und des Geländes können nur Familienmitglieder und deren engsten Vertrauten betreten“, erklärte er weiter. „Nicht, dass der dunkle Lord noch Familie hätte, von daher ist es er allein, der bestimmt, wer sich hier bewegen kann und wer nicht.“
 

„Woran merke ich es, dass ich mich in einem Abschnitt des Hauses befinde, den ich nicht betreten darf?“, fragte Harry.

„Das ist einfach, du kannst ihn einfach nicht betreten“, meinte Draco. „Ein Zauber hält dich davon ab. Deshalb musst du dir auch keine Sorgen machen, wo du hingehst. Der öffentliche Teil ist sehr übersichtlich, da verläuft man sich nicht und woanders kannst du ohnehin nicht hin.“

„Wobei ich mir da nicht so sicher wäre“, murmelte Severus.

Beide sahen ihn fragend an, doch er ignorierte sie und stieß dafür die Tür zu einem Raum auf, in dem sie wahrscheinlich essen würden.
 

Als Harry zehn Jahre alt war, hatte Narcissa eines Tages den Wunsch verspürt, mit der ganzen Familie Deutschland zu besuchen. Angeblich auf Grund des historischen Hintergrunds, immerhin hatte Gellert Grindelwald dort viele Jahre seines Lebens verbracht. Einen Tag davon hatten sie in der Stadt Leipzig verbracht und während Lucius mit Draco den magischen Teil ausgekundschaftet hatte, waren Harry und Narcissa durch die Muggelaltstadt geschlendert. Irgendwann hatten sie eine Sehenswürdigkeit besucht, die sich Auberbachs Keller nannte. Diese historische Gaststätte hatte Harry damals zutiefst beeindruckt, weshalb er sich noch gut an sie erinnern konnte.

Jetzt, wo er in dem Raum stand, in dem sie essen würden, hatte er für einen kurzen Augenblick das Gefühl, wieder dort zu sein. Es war dieselbe Atmosphäre, dieselbe Architektur, dieselbe Beleuchtung. Es war... beeindruckend.
 

Ein langer Tisch stand in der Mitte des Raumes, an denen verschiedene Leute saßen. Harry erkannte die Familie Parkinson, Zabini, Crabbee, Goyle, sowie Regulus, Fenrir Greyback, Peter Pettigrew, Bellatrix Lestrange und den dunklen Lord. Letzterer sah augenblicklich zu ihnen hinüber und hob amüsiert seine Augenbrauen. Offenbar hatte er nicht damit gerechnet, dass er tatsächlich hier auftauchen würde.

//Tja, Tom, ich bin eben doch für Überraschungen gut. Gewöhne dich lieber dran.//
 

Die Malfoys saßen direkt in Voldemorts Nähe. Als sie bemerkten, dass etwas seine Aufmerksamkeit erregt hatte, drehten sie sich zur Tür um. Abraxas schenkte Harry sofort ein Lächeln, während Lucius erleichtert die Augen schloss. Narcissa währenddessen atmete einmal tief aus, ehe auch sie ihm ein Lächeln schenkte.

Ansonsten war bei ihrem Eintritt Schweigen eingetreten und Draco begann bereits, unruhig auf und ab zu wippen. Er war soviel Aufmerksamkeit – noch – nicht gewohnt.

Es war schließlich Bellatrix, die sich als erstes zu Wort meldete: „Na so was. Unser verlorenes Lämmchen hat es geschafft, unseren Zaubertrankmeister hierher zu bringen. Er hat sich einen Orden verdient, meint ihr nicht auch?“

Mehrere Leute lächelten zaghaft, während der Rest beunruhigt von Lucius, zu Harry, zu Narcissa und schließlich zu Voldemort schaute. Ja, es war eine heikle Situation. Besonders, weil alle Anwesenden auf einen Skandal warteten.
 

Plötzlich meldete sich der Boss der ganzen Veranstaltung zu Wort.

„Du hast vollkommen Recht, Bellatrix“, sagte Voldemort für Harry eine Spur zu sanft. „Es ist wirklich eine beeindruckende Tat.“ Lächelnd winkte er Harry. „Komm her und setze dich zu uns. Ich bin sicher, ihr habt euch eine menge zu erzählen. Soweit ich weiß, ist es etwas her, seitdem sich eure Familie komplett eingefunden hat.“

War es Absicht, dass ausgerechnet links neben ihm, direkt gegenüber von Abraxas und neben Narcissa noch ein Platz frei war? Ja, es war Absicht. Mistkerl.
 

Für einen kurzen Augenblick dachte er darüber nach, wieder zu verschwinden und sei es einzig, um den Mann zu verärgern, doch ein warnender Blick von Regulus genügte, um ihm zu sagen, dass dies keine gute Idee wäre. Deshalb neigte er leicht zustimmend seinen Kopf, ehe er gemächlich auf den Stuhl zuging und sich elegant darauf niederließ. Draco setzte sich derweile eilig und etwas zu gehetzt neben seinen Vater, während Severus es sich in der Nähe von Regulus bequem machte.
 

Ein unangenehmes Schweigen folgte, in dem niemand so recht wusste, was man sagen sollte, bis schließlich Fenrir bemerkte: „Ihr habt den Großteil des Essens verpasst, wisst ihr das? Es bleibt nur noch das Dessert.“

„Rede nicht so einen Unsinn, Fenrir“, sagte Mrs. Parkinson und warf Harry einen liebevollen Blick zu. „Es ist noch genug von allem da, um eine Armee satt zu bekommen. Ihr könnt also soviel essen, wie ihr wollt.“

„Vielen Dank, Madam“, entgegnete er höflich, während Severus nur nickte.

Beinahe sofort erschienen vor ihnen Teller, gefüllt mit leckerem Weihnachtsessen und während der Rest mit dem Dessert begann und langsam wieder zu sprechen anfing, machten sie sich schweigend darüber her.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

„Wie geht es dir?“, fragte Narcissa etwa eine Stunde später.

Der Großteil der Gäste hatte sich bereits entfernt – es hatte sich immerhin tatsächlich nur um ein Mittagessen gehandelt – und somit konnten sich diejenigen, die sich dazu entschlossen hatten, noch etwas länger zu bleiben, frei in dem öffentlichen Teil des Hauses bewegen.

Der Raum, in dem sie standen, enthielt nichts, als ein großes, beeindruckendes Bild, dass sie beide betrachteten. Er konnte nicht einmal wirklich sagen, was es abbilden sollte – abstrakte Kunst war mitunter schwer zu begreifen – aber er musste es trotzdem ansehen. Was hatte so ein Bild in dem Haus eines Schwarzmagiers zu suchen? War abstrakte Kunst nicht eher für Muggel? Der dunkle Lord steckte offensichtlich ebenfalls voller Überraschungen.
 

„Mir geht es... besser“, sagte er und wandte sich nun doch der Frau zu, die für ihn immer seine wahre Mutter bleiben sollte. Auch wenn Lily ihn geboren hatte, Narcissa hatte ihn immer ohne Einschränkungen geliebt und ganz sicher niemals als ein Monster bezeichnet. Andererseits wusste sie wahrscheinlich nicht einmal, dass er ein Tempus Amicus war und wenn es nach ihm ginge, würde sie es auch nie erfahren. Sie sollte mit diesem Wissen verschont bleiben.

„Entschuldige, dass ich dir so viele Sorgen bereitet habe.“
 

Narcissa schüttelte lächelnd mit dem Kopf und legte ihm eine Hand auf die Wange. „Ich bin deine Mutter, Harry. Ich werde mich immer um dich sorgen. Das ist etwas, wofür du dich nicht entschuldigen brauchst.“ Plötzlich nahm ihr Gesicht einen traurigen Ausdruck an. „Ich sollte mich bei dir entschuldigen, dafür, dass ich es nicht geschafft habe, dich vor Lucius' Grausamkeit zu beschützen.“

„Narciss... Mutter“, verbesserte sich Harry und umschloss ihr Handgelenk sanft mit seiner eigenen Hand. „Du darfst Lucius nicht dafür verurteilen, was geschehen ist. Er hat einen Fehler begangen, doch er wollte für uns alle nur das beste. Wir müssen ihm das verzeihen. Es bringt nichts, ihm das für den Rest unseres Lebens nachzutragen.“
 

„Manchmal denke ich wirklich, du bist zu gut für diese Welt“, sagte sie sanft und zog ihre Hand wieder zurück. „Niemand außer dir würde darüber nachdenken, ihm zu verzeihen. Aber andererseits wäre auch sonst niemand zu Lily und James gegangen, nachdem, was sie getan haben. Ich frage mich wirklich, wie du trotz all diesen Dingen noch so viel Güte in dir tragen kannst.“

Harry lächelte traurig. „Es hat nichts mit Güte zu tun, Menschen zu verzeihen. Es ist pure Vernunft, die uns dazu bringt. Es nützt niemanden etwas, ewig im Streit mit anderen zu liegen. Es ist anstrengend und kraft- sowie zeitaufwendig. Ist es da nicht besser, zu vergeben?“
 

Sie sah ihn einfach nur an. „Ich frage mich, wo du diese Weltanschauung her hast. Lily kann es nicht gewesen sein, genauso wenig ich selbst und auch James und Lucius traue ich es nicht zu.“

„Vielleicht habe ich sie selbst entwickelt?“, entgegnete er. „Außerdem habe ich nie gesagt, dass ich Lucius vergebe, geschweige denn Lily und James. Doch er ist dein Ehemann, Mutter. Er ist Dracos Vater. Denke einmal an ihn. Es ist nicht leicht für ein Kind zu beobachten, wie seine ganze Familie auseinanderbricht.“

„Du hast natürlich Recht“, erwiderte sie seufzend. „So wie immer. Ich denke, ich habe Draco oft vergessen, wenn ich ihn nicht hätte vergessen dürfen...“

„Draco ist Lucius' Sohn“, meinte Harry nur. „Ich bin deiner. So war es immer und so wird es immer sein. Wir nehmen es euch nicht übel.“ //Gut, vielleicht tun wir es doch. Aber das ändert nichts daran, dass ich Recht habe. Draco ist seit jeher vielmehr auf Lucius fixiert gewesen, als auf Narcissa.// Deshalb hatte ihn die ganze Geschichte von ihnen allen wahrscheinlich am meisten getroffen.
 

Plötzlich entschied Narcissa sich dazu, das Thema zu wechseln.

„Es gibt noch eine Sache, die mir Sorgen bereitet.“

Argwöhnisch musterte er sie. //Ihr Gesichtsausdruck gefällt mir überhaupt nicht...// „Und was?“

„Der dunkle Lord“, sagte sie. „Es ist mir bereits im Sommer aufgefallen... sein Interesse an dir ist beunruhigend. Ich dachte zunächst, er könnte dir vielleicht ein guter Mentor werden, doch inzwischen...“

„Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung“, sagte Harry und sah sie ernst an. „Er wird mir nicht weh tun.“

„Nun gut...“, sagte sie ein weiteres Mal seufzend und trat einen Schritt zurück. „Ich möchte dennoch, dass du vorsichtig bist. Auch wenn ich ihn unterstütze, weiß ich, wie grausam er sein kann.“

„Er wird mir nicht weh tun“, wiederholte er. „Es wird ihm nichts bringen.“

„Aber...“
 

„Er hat Recht, Narcissa“, sagte auf einmal Lucius und sie drehten sich beide zu ihm um. Wann war er hineingekommen? Plötzlich trafen sich ihre Augen und Harry wurde etwas klar: Er wusste es.

Lucius Malfoy wusste, dass er ein Tempus Amicus war. Das... erklärte so einiges.

„Der dunkle Lord wird Harry nicht weh tun. Auch wenn er grausam sein kann, so verletzt er nie jene, die ihm wirklich nahe stehen. Oder hast du jemals gesehen, dass er meinen Vater foltert?“

„Nein...“, sagte sie langsam und sah zwischen ihnen hin und her. „Aber...“

„Es gibt kein aber in dieser Geschichte“, unterbrach sie Harry. „Es ist besser, wenn du nicht weiter darüber nachdenkst. Für uns alle.“

Misstrauisch runzelte sie die Stirn. „Was verheimlicht ihr mir?“

„Da wir es beide tun, wird es dafür einen Grund geben“, sagte Lucius leise, den Blick weiterhin auf Harry gerichtet. Dieser erwiderte ihn schweigend, ohne auch nur mit einer Wimper zu zucken.
 

Um ehrlich zu sein, war er immer noch wütend auf diesen Mann. Doch nicht mehr so wütend, wie vor einigen Monaten. Wenn Lucius damals bereits gewusst hatte, dass er ein Tempus Amicus war – und etwas in ihm sagte ihm, dass er es gewusst hatte – erklärte das, weshalb er ihm gegenüber stets eine gewisse Distanz gewahrt hatte. Es war derselbe Grund, weshalb Lily ihn als „Monster“ bezeichnet hatte und Narcissa niemals davon erfahren durfte. Aber darüber wollte er jetzt nicht nachdenken. Nicht heute. Nicht hier. Nicht jetzt. Und ganz sicher nicht vor den beiden.
 

Ohne ein weiteres Wort mit ihnen zu wechseln, eilte er aus dem Raum und begann ziellos durch das Haus zu streifen. Erst, als er sich plötzlich inmitten eines bekannten Kreuzgangs wiederfand, blieb er stehen und realisierte, dass er schon einmal hier gewesen war. Das... war der Ort seiner Träume!

Hier hatte er Mira getroffen! Nur dass es auch gleichzeitig nicht derselbe Ort war. Alles wirkte heller – weil Tag war? – und der Garten in der Mitte des Kreuzganges war um einiges gepflegter und schneebedeckt. Außerdem fehlte von dem großen Flügel jede Spur. An seiner Stelle stand ein dunkler Grabstein, der sich deutlich von dem Schnee abhob.
 

Schweigend ging er darauf zu, ohne sich darum zu kümmern, wie kalt es hier draußen war und dass seine Kleidung vom Schnee nass wurde. Er wusste selbst nicht warum, doch etwas in ihm musste wissen, wem dieser Grabstein galt. Zögernd kam er direkt davor zum Stillstand und starrte auf die eingemeißelte Inschrift.
 

Gellert Grindelwald

1883-1967

Jedes Ende ist der Anfang einer neuen Geschichte.
 


 

Verwirrt fuhr Harry über diese Inschrift und versuchte zu begreifen, was er da sah.

Was hatte Gellert Grindelwalds Grab – denn das musste es sein, da war er sich sicher – im Hause Slytherin zu suchen? Das machte keinen Sinn. Andererseits kämpfte Voldemort verzweifelt darum, seinen Traum zu erfüllen. Aus diesem Gesichtspunkt machte es also doch Sinn.

Doch was hatte dieses Zitate zu bedeuten? Jedes Ende ist der Anfang einer neuen Geschichte. Es war zwar passend, das musste er zugeben, aber dies war das Grab eines dunklen Lords.

Was für eine Verbindung bestand eigentlich zwischen Grindelwald und Voldemort? Dass es eine geben musste, war offensichtlich, aber wie genau sah sie aus?
 

Plötzlich wurde ihm ein Mantel über die Schultern geworfen und zwei sanfte Hände legten sich darauf. Harry erstarrte unwillkürlich, ehe er seine eigene Hand von dem Grabstein zurückzog und sie langsam sinken ließ.

„Er hatte Bücher geliebt“, sagte Regulus Blacks Stimme. „Er liebte es, Geschichten erzählt zu bekommen und hätte es sicher gemocht, wenn jemand anderes seine Biografie niedergeschrieben hätte. Das mag ein Grund dafür sein, dass er diesen Grabspruch bekam.“

„Hast du ihn gekannt?“, fragte Harry, obwohl es lächerlich war. Dafür war Regulus zu jung.

„Nein“, antwortete er freundlich. „Doch der dunkle Lord denkt manchmal an ihn. Sie haben sich gekannt, auch wenn ich nicht weiß, inwiefern. Du kannst dir sicher denken, dass er in meiner und Felices Gegenwart äußerst vorsichtig ist.“

Der Junge nickte bedächtig, ohne den Blick von dem Grabstein zu lösen. „Geht es ihr gut?“

Seufzend löste sich Regulus von ihm und trat ein paar Schritte zurück. „Ich weiß es nicht. Die Zeit, in der sie nichts vor mir verstecken konnte, ist leider schon lange vorbei. In Okklumentik hat sie mich schon vor Monaten übertroffen. Bald wird sie es auch in allen anderen Dingen.“

„Es macht dich traurig, nicht wahr?“, fragte Harry. „Der Gedanke, dass sie bald nicht mehr von dir abhängig ist.“
 

„Liebe ist immer eine traurige Angelegenheit, Harry“, entgegnete er resigniert. „Auch wenn sie dir zwischendurch das größte Glück der Welt bescheren kann, irgendwann kommt immer der Moment, in dem du sie verfluchst. Unterschätze niemals ihre zerstörerische Macht. Gerade du als Tempus Amicus solltest aufpassen, dass sie dich niemals beherrscht. Denn das könnte unser aller Untergang sein.“

„Man kann sich nicht aussuchen, wann sie uns befällt“, konterte er ruhig. „Auch mir bleibt nichts anderes übrig, als sich ihr zu beugen.“

Hinter sich hörte er den Black seufzen. „Komm nach Frankreich, wenn du bereit bist“, sagte er plötzlich. „Dort wirst du finden, was du suchst.“

Verwirrt drehte Harry sich zu ihm um, doch Regulus hatte sich bereits auf den Weg zurück ins Gebäude gemacht.

Was hatte das denn schon wieder zu bedeuten?
 

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Eine halbe Stunde später fand er sich plötzlich in einer Bibliothek wieder. Harry wusste selbst nicht, wie er hierhergekommen war. Wahrscheinlich war es sein innerer Kompass gewesen, der ihn immer automatisch an Orte führte, in denen Wissen lagerte und hier gab es mehr als genug davon. Das konnte er mit einem Blick erkennen. Der Raum war um einiges freundlicher und einladender als alles andere, was er bisher vom Haus gesehen hatte, doch da dies hauptsächlichst der öffentliche Teil gewesen war, hatte es nichts zu bedeuten. Auch Malfoy Manor war dort am schönsten gewesen, wohin nur Familienmitglieder Zutritt hatten.
 

Es war keine große Bibliothek, doch für eine Privatsammlung nichtsdestotrotz beeindruckend. Die Bücherregale reihten sich an den vier Wänden entlang und machten nur Platz für große Fenster, die genügend Licht zum Lesen hineinließen. In der Mitte des Raumes standen ein paar gemütlich wirkende Lesesessel sowie ein großer Schreibtisch. Ob der dunkle Lord hier arbeitete? Doch das war unwahrscheinlich, er wollte bei seinen Recherchen und Plänen sicher nicht von irgendwelchen Todessern gestört werden, die...
 

Ein lautes Zischen hinter ihm riss ihn aus seinen Gedanken und als er sich danach umdrehte, hatte er für einen Augenblick das Gefühl, ihn treffe der Schlag. Vor ihm befand sich der Kadaver aus seinen Alpträumen, nur, dass er noch recht lebendig wirkte und ihn mit einem äußerst feindseligen Blick anstarrte.

Erst als er ein zweites Zischen aus einer anderen Richtung hörte, wurde ihm klar, dass das vor ihm offenbar doch kein Kadaver war, sondern eine Schlange. Doch warum war sie so groß?

Plötzlich warf sie ihm einen besonders intensiven Blick zu, ehe sie sich abwandte und zischend davon schlängelte. Verwirrt sah er ihr hinterher. Könnte es sein... dass er sich gerade ohne irgendetwas zu tun eine Schlange zum Feind gemacht hatte?
 

„Nimm es ihr nicht übel“, sagte auf einmal die Stimme des dunklen Lords. „Nagini ist selten darüber erfreut, wenn ich es einem Menschen erlaube, diesen Teil des Hauses zu betreten. Doch du musst dir wegen ihr keine Sorgen machen, sie wird dich wahrscheinlich einfach nur mit bösen Blicken aufspießen und verärgert Zischen, aber mehr wird nicht geschehen.“

Stirnrunzelnd sah Harry ihn an. Im Moment gab es vieles, was er sagen wollte, doch er entschied sich zu schweigen. Manchmal sagte Schweigen mehr, als alles andere. Darüber hinaus behagte es ihm nicht sonderlich, wieder mit ihm allein zu sein. Ihr letztes Zusammentreffen war noch zu frisch und er hatte keine Zeit gehabt, die dort erhaltenen Informationen zu analysieren. Stattdessen hatte er sich gedanklich mit seinem Aufeinandertreffen mit Dumbledore auseinandergesetzt. Nicht, dass es da irgendetwas zu verarbeiten gäbe. Sie hatten kaum ein Wort miteinander gewechselt. Doch bestimmte Dinge hatten ihn nachdenklich werden lassen. Dinge, die er nicht wahrhaben wollte, die sein Unterbewusstsein verdrängen wollte. Könnte es sein, dass sie etwas mit dem Tempus Amicus in ihm zu tun hatten?

Hoffentlich nicht, doch er hatte inzwischen gelernt, dass die Hoffnung ihn nicht sonderlich mochte.
 

„Ich gebe zu“, sagte Voldemort, als ihm klar wurde, dass Harry schweigen würde, „dass ich nicht geglaubt hätte, dich so schnell in diesem Haus zu sehen. Offenbar hat Albus etwas von seiner Überzeugungskraft verloren.“

Harrys Lippen verzogen sich unwillkürlich zu einem breiten Grinsen. „Unsere Meinungen sind seit jeher auseinandergegangen“, erklärte er ihm. „Es ist für uns sehr schwer, auf einen Nenner zu kommen. Obwohl ich zugeben muss, dass seine Bemühungen etwas sehr erheiterndes an sich haben.“

Voldemort schüttelte amüsiert mit dem Kopf. „Und da sagen sie, du wärst ein freundlicher, liebenswürdiger Mensch.“

„Oh, aber ich bin ein freundlicher, liebenswürdiger Mensch, Mylord“, erwiderte er heiter. „Doch das heißt nicht, dass ich mich über das Verhalten anderer nicht amüsieren darf.“
 

„So?“, fragte er mit gehobenen Brauen. „Dann möchte ich lieber gar nicht wissen, wie oft du dich über mein Verhalten lustig machst.“

„Sich über etwas zu amüsieren oder sich darüber lustig zu machen ist ein großer Unterschied, Mylord. Letzteres ist äußerst unhöflich. Ersteres dient einzig der wohlwollenden Unterhaltung.“

„Du musst seit unserer letzten Begegnung sehr gelitten haben, mein kleines Wunderkind“, stellte er sachlich fest. „Sag, zu was hat Albus dich überreden wollen?“

„Wer hat gesagt, dass wir miteinander gesprochen haben?“, fragte Harry. „Wir haben gegessen, wir haben über Nichtigkeiten geredet und er ist wieder gegangen. Mehr ist nicht geschehen.“ Ein resigniertes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Nicht jeder hat es nötig, mich bei jeder Begegnung manipulieren zu wollen, Mylord.“
 

Wie er es sich gedacht hatte, verengten sich die Augen des dunklen Lords. „Du glaubst also immer noch, ich tue nichts anderes, als dich zu manipulieren.“

Es war keine Frage. Harry antwortete ihm trotzdem: „Was solltet Ihr sonst tun? Ihr seid ein dunkler Lord. Ich bin ein Tempus Amicus. Natürlich manipuliert Ihr mich.“

Langsam ging er auf ihn zu, bis nur noch wenige Zentimeter zwischen ihnen waren und blickte hinauf in sein Gesicht. Voldemort erwiderte seinen Blick mit einer ausdruckslosen Miene, doch Harry konnte trotzdem etwas in seinen Augen funkeln sehen. War es Wut? War es Amüsement? War es Erregung? Oder etwa...?

„Die ganze Welt warnt mich vor dir, Tom“, flüsterte Harry und fuhr sanft mit einem Finger über seinen Arm. „Sie sagen, du wirst mich zerstören und ich denke, sie haben Recht.“
 

Er konnte deutlich sehen, wie Voldemort schwer schluckte, was ihm eine gewisse Genugtuung verschaffte. Sonst war es immer der dunkle Lord, der ihn aus der Fassung brachte. Nun war er einmal dran.

„Warum bist du dann hier?“, fragte er, während seine Augen fest auf Harrys Gesicht fixiert waren.

Dieser lächelte. „Ich habe es schon einmal gesagt“, erinnerte er ihn und trat einen Schritt zurück. „Mir ist bewusst, dass nicht einmal Dumbledore in der Lage ist, mich vor Euch zu retten.“
 

Mit diesen Worten drehte er sich um und lief mit schnellen Schritt in die Bibliothek. Mal sehen, was für Bücher in den Regalen schlummerten.

Broken Heart

Und noch einmal schaffe ich es, in alter Regelmäßigkeit ein Kapitel on zu stellen. Mal sehen, wie lange das noch so bleiben wird. XD

Ich möchte wie immer meiner lieben Beta für die Korrektur und allen Kommischreibern zum letzten Kapitel danken! Besonders daran ist mir aufgefallen, dass es eine Frage gibt, die einige von euch beschäftigt hat: Kann Harry Parsel?

Die Antwort ist einfach: Nein. In dieser FF ist er nicht der Junge, der lebt, das heißt, seine Verbindung zu Voldemort ist nicht so, wie wir es gewohnt sind, was wiederum bedeutet, dass er ein „normaler Mensch“ ohne die Fähigkeit Parsel zu sprechen ist. Ich hoffe, dass diese Sache nun um einiges klarer ist. ^^

Ansonsten wünsche ich euch allen eine wundervolle Woche!

Bis bald, eure Ayako

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Broken Heart
 

Der dunkle Lord besaß tatsächlich viele interessante Bücher – zum größten Teil schwarzmagischen Ursprungs und demnach Literatur, an die Harry in Hogwarts niemals herankommen würde. Neugierig lief er an den Regalen entlang und ließ seinen Blick über die Buchtitel gleiten, während er die ganze Zeit die Augen ihres Besitzers auf sich spürte. Bisher blieb er noch an der Tür stehen und beobachtete ihn schweigend. Worauf er wohl wartete? Dass er ein Buch herauszog? Darauf konnte er lange warten. Er war klug genug, um sich sicher nicht an dem Besitz eines dunklen Lords zu vergreifen. Wer wusste schon, was das für Folgen haben würde?
 

Außerdem gab es auch ohne einer interessanten Lektüre genug, worüber er nachdenken musste.

Felice, die ganz offensichtlich irgendetwas vor ihm verbarg.

Regulus' seltsamer Ratschlag, er solle nach Frankreich kommen.

Lucius, der offensichtlich wusste, dass er ein Tempus Amicus war.

Seine Eltern, die versuchten, alles wieder gut zu machen.

Mira, die ihm weiterhin im Traum erschien und solch merkwürdigen Andeutungen machte.

Sein Dasein als Tempus Amicus.

Und schließlich der dunkle Lord selbst. Apropos dunkler Lord.
 

„Draco hat mir erzählt, dass man normalerweise nur den öffentlichen Teil Eures Anwesens betreten kann“, sagte Harry und warf ihm einen Blick zu. „Er meinte, wenn man sich einem anderen Teil nähert, wird man automatisch von einem Zauber abgehalten, weiterzugehen.“

Voldemort nickte langsam, während er versuchte, seinen Gedankengang zu durchschauen. „Das ist korrekt.“

„Aber trotzdem bin ich hier in Eurer Bibliothek“, fuhr er nachdenklich fort. „Von der ich bezweifle, dass sie zum öffentlichen Bereich gehört.“

„Das ist richtig“, bestätigte er. „Du befindest dich nun in einem Teil des Hauses, den nur meine vertrauenswürdigsten Anhänger betreten dürfen.“

Für einen kurzen Moment erstarrte Harry, ehe er sich vollkommen zu ihm umdrehte und spöttisch seine Augenbrauen hob. „Ich gehöre also in die Kategorie 'vertrauenswürdiger Anhänger'?“

„Oh nein“, meinte er munter und lehnte sich mit verschränkten Armen an den Türrahmen. „Diese Kategorie hat zwar bis hierher Zutritt, doch das restliche Haus ist ihnen verschlossen. Du dürftest jedoch bei genauerer Untersuchung feststellen können, dass es nur eine handvoll Räume gibt, die du nicht betreten kannst.“
 

Das kam überraschend. Erstaunt blinzelte Harry und sah den dunklen Lord verwirrt an. Er hatte Zutritt zu fast allen Räumen? Aber er war doch noch nicht einmal ein Todesser! Er könnte ihn jederzeit an Dumbledore verraten! Wieso...?

„Ich habe es dir erst vor kurzem gesagt, Harry“, sagte Voldemort sanft. „Du bist in diesem Haus immer willkommen. Egal, für welche Seite du dich auch entscheiden magst oder was in der nahen Zukunft geschehen wird.“

Wusste er überhaupt, was er ihm da gerade anbot? Ja, natürlich wusste er es. Das war ja auch der Grund dafür, dass er es ihm anbot. Es war etwas, das Harry in den letzten Jahren oft genug verloren hatte und wonach er sich immer sehnen würde. Etwas, das sie beide brauchten: Eine Heimat. Ein Zuhause. Einen Ort, an den sie immer zurückkehren konnten, egal, was passierte. Und gleichzeitig eine Person, die immer auf ihn warten würde.
 

Weder Malfoy Manor, noch das Haus der Potters konnten ihm das bieten, so gerne seine beiden Mütter es auch hätten. Lily und James hatte ihm einfach zu sehr weh getan und sie hatten sich zu weit voneinander entfernt, um wieder zu der glücklichen Familie zu werden, die sich Lily so sehr herbeisehnte.

Die Malfoys waren da schon besser geeignet, aber es ging nicht. So sehr sie es auch versuchen würden, es würde einfach nicht funktionieren. Irgendwie hatte dieser Gedanke etwas äußerst Ernüchterndes an sich.

Doch der dunkle Lord konnte es ihm tatsächlich anbieten, was sie beide genau wussten. Wenn der Mann wirklich wollte, dass er sich in ihn verliebte, machte er gerade wirklich einen verdammt guten Job.

Wenn er allerdings glaubte, dass es so leicht sein würde, hatte er sich gewaltig geschnitten!
 

„Ich kann mir wirklich das ganze Haus ansehen?“, fragte Harry mit ehrlich wirkender Begeisterung. Ohne weiter auf seine Antwort zu achten, stürmte er an ihm vorbei und machte sich daran, das Haus zu erkunden. Severus hatte Recht gehabt, es war auf jeden Fall einen Besuch wert und wenn er seinen Blick aus den Fenstern schweifen ließ, stellte er fest, dass auch das restliche Grundstück nicht zu verachten war. Wie es hier wohl im Frühling aussah, wenn alles zum Leben erwachte? Oder gar im Hochsommer?

Darüber hinaus hatte er selbst ebenfalls Recht gehabt, die privaten Räume waren wirklich um einiges einladender und somit war es kein Wunder, dass er sich am Ende seines Rundganges in das Haus verliebt hatte. Eine Tatsache, die dem dunklen Lord nicht entging, wenn Harry sein selbstgefälliges Grinsen richtig deutete.

„Und? Gefällt dir mein Zuhause?“, fragte er mit einen neckenden Tonfall.

„Sehr“, hauchte Harry, ohne weiter darauf einzugehen und öffnete eine weitere Tür. „Es ist einfach unglaublich.“
 

Ob es das Schicksal war, das dafür sorgte, dass seine Aufmerksamkeit von dem Inhalt des nächsten Raumes abgelenkt wurde? Wahrscheinlich, ansonsten hätte er nämlich den liebevollen Gesichtsausdruck des dunklen Lords gesehen, aus dem für einen Moment nichts als echte Zuneigung sprach. Jedoch sollte es noch lange dauern, bis er ihn tatsächlich zu Gesicht bekommen würde.

An einem anderen Ort... In einer anderen Zeit...

So jedoch sah er etwas, das er nur zu gut kannte: einen schwarzen Flügel.

Was hatte hier ein schwarzer Flügel zu suchen? War der dunkle Lord etwa tatsächlich ein Pianist? Nein, das wäre zu viel des Zufalls. So sehr konnte die Realität auch wieder nicht mit seinen Träumen verworren sein – oder?

Nun, es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden. „Ihr spielt Klavier?“
 

Voldemort seufzte und als Harry sich zu ihm umdrehte, entdeckte er einen leicht traurige Regung in seinem Gesicht. „Ich habe es einmal getan, doch das ist lange her.“

„Warum habt Ihr aufgehört?“, fragte er stirnrunzelnd.

„Warum hast du aufgehört, Cello zu spielen?“, stellte er die Gegenfrage.

„Gute Frage“, murmelte er und wandte sich wieder dem Instrument zu. Langsam näherte er sich ihm und fuhr vorsichtig mit seiner Hand über das dunkle Holz. „Ich habe gerne gespielt“, gab er zu. „In der Musik muss man sich nicht hinter einer Maske verstecken. Es ist viel wichtiger, sein wahres Ich freizulassen, da man dadurch einen Klang erzeugen kann, der alle Zuhörer in seinen Bann ziehen wird. Wahrscheinlich ist das der Grund, weshalb ich aufgehört habe.“

„Weil du es nicht ertragen konntest, dass die Welt deine innersten Geheimnisse erfuhr?“, hakte der dunkle Lord nach.

Harry löste seine Hand wieder von dem Flügel und drehte sich zu ihm um. „Warum habt Ihr also aufgehört zu spielen, Mylord?“, fragte er abermals.
 

Es interessierte ihn tatsächlich. Obwohl er noch lieber wissen wollte, warum er überhaupt damit angefangen hatte, zu spielen. Ob seine Eltern ihn dazu gedrängt hatten? Doch irgendwie glaubte er nicht, dass der dunkle Lord jemand war, der zwei liebende Eltern gehabt hatte, die sich um ihn kümmerten. Dann wäre es nicht überraschend gewesen, dass er ein Schwarzmagier war. Und hatte er ihm nicht genau das erzählt? Als er nach Hogwarts gekommen war, hatte er es nicht gewusst. Das hatte er ihm selbst gesagt.

Doch warum...?
 

„Ich habe aufgehört zu spielen“, unterbrach Voldemort seinen Gedankengang, „als die einzige Person gestorben ist, die mir jemals zugehört hat.“

Das war wie ein Schlag ins Gesicht, besonders, da Harry alles erwartet hätte, nur nicht so etwas.

//Toll gemacht, Harry//, kommentiere auch sofort sein Verstand. //Du hast einen dunklen Lord dazu gebracht, sich an ein äußerst negatives Erlebnis zu erinnern. Da hättest du ja gleich fragen können, wer diese ganzen Menschen sind, von denen Mira gesprochen hat. Menschen, die er geliebt haben soll, aber die ihm nichts als Trauer und Enttäuschung beschert haben.//

Ob sie miteinander zusammenhingen? Sicher.

//Aber warum erzählt er mir das?//, fragte er sich selbst.

//Weil er dein Vertrauen will//, wurde ihm geantwortet. //Und er offenbar gemerkt hat, dass dies nur möglich ist, wenn er dir zuerst das seine gibt.//

Er schien es wirklich ernst zu meinen.

//Er will einen Krieg gewinnen. Natürlich meint er es ernst.//
 

Er war wirklich taktlos. Da vertraute der dunkle Lord ihm tatsächlich einmal etwas Persönliches an, was darüber hinaus schmerzvoll sein musste und er dachte darüber nach, inwiefern er ihn damit zu manipulieren versuchte. Zu seiner Verteidigung hatte er zu sagen, dass sein Misstrauen überaus gerechtfertigt war.

Darüber hinaus sah Voldemort äußerst gefasst aus, was bedeutete, dass dieses Erlebnis für ihn nichts Weltuntergangsähnliches mehr an sich hatte. Vielmehr schien er damit beschäftigt zu sein, ihn zu beobachten, wahrscheinlich, um herauszufinden, was in seinem Kopf vor sich ging. Gut, dass er eine besorgte Empathin als Freundin hatte und zusätzlich große Fortschritte in Okklumentik gemacht hatte. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass der dunkle Lord doch noch Trauer empfand, wäre es sicher nicht sehr erbauend, wenn derjenige, dem er davon erzählte, nur darüber nachdachte, was er damit bezwecken könnte.
 

„Das“, brach er schließlich die Stille, „ist ein wirklich guter Grund.“

Voldemort lächelte.
 

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„Ah, Hermione“, sagte Mrs. Longbottom und lächelte das Mädchen an. „Was für eine erfreuliche Überraschung. Was führt dich her?“

Die Gryffindor sah sie durch gerötete Augen an und fragte sich unwillkürlich, ob das ein Witz sein sollte. Es war offensichtlich, dass sie geweint hatte. Niemand würde in einer solchen Situation...

//Sie ist eine Hexe//, sagte ihr Verstand. //Was erwartest du?//

Stimmt. Eine Hexe. Aus einer alten Familie. Die Longbottoms mochten zwar um einiges leichter zu ertragen sein, als die Malfoys, aber im Endeffekt nahmen sie sich nichts. Warum musste sie nur aus einer Muggelfamilie stammen? Käme sie aus einer magischen Familie, wäre vieles einfacher. Oder?
 

„Ist Neville Zuhause?“ Ihre Stimme zitterte.

„Er ist in seinem Zimmer“, erwiderte Mrs. Longbottom und endlich nahm ihr Gesicht einen besorgten Ausdruck an. „Ist alles in Ordnung, mein Kind?“
 

Hör endlich auf damit! Deine Briefe nerven! Wann verstehst du es endlich? Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben!
 

„Ja“, flüsterte sie mit erstickter Stimme. „Es ist alles in Ordnung.“
 

Du tust mir nicht gut. Du wirst mich zerstören. Ich will dich nie wieder sehen!
 

Ein weiterer Schwall Tränen wollte aus ihren Augen ausbrechen, doch sie konnte sie geradeso zurückhalten. Stattdessen fragte sie: „Kann ich zu ihm?“

„Natürlich“, antwortete Mrs. Longbottom ohne zu zögern. „Soll ich dir etwas bringen? Etwas zu trinken oder möchtest du vielleicht etwas essen?“

„Nicht nötig, mir geht es wirklich gut.“

Nevilles Großmutter glaubte ihr nicht. Sie ließ sie trotzdem gehen.
 

Du bedeutest mir nichts.
 

War Neville wirklich die richtige Wahl, um etwas Ablenkung zu bekommen oder gar Trost zu finden? Wäre Harry dafür nicht die bessere Adresse gewesen? Ja, wäre er. Harry war nicht so ein Trampeltier wie ihr gemeinsamer Freund. Natürlich versuchte er immer, sein bestes zu geben, aber in Sachen Emotionen hatte er noch viel zu lernen. Genauso wie in Sachen Liebe.

Liebe...
 

Du bedeutest mir nichts.
 

Schmerzerfüllt schloss sie ihre Augen, während sie gegen einen weiteren Tränenschwall ankämpfte. Hatte sie in den letzten Tagen überhaupt etwas anderes getan, als zu weinen? Kein Wunder, dass ihre Eltern sie aus dem Haus geworfen hatten. „Geh einen deiner Freunde besuchen und erzähl ihnen, was mit dir los ist!“, hatte ihr Vater entnervt gesagt. „Wir können dir auch nicht helfen, wenn du deinen Mund nicht aufkriegst.“

Manche mochten dies als grausam bezeichnen, doch sie wusste, dass er Recht hatte. Es half ihr nicht, in ihrem Elternhaus festzusitzen und in Selbstmitleid zu versinken. Sie musste etwas tun.

Aber Harry wäre trotzdem die bessere Wahl gewesen.
 

Warum war sie also hier?

„Weil Harry auch so schon selbst genug durchmacht“, flüsterte sie, als sie in Nevilles Stockwerk ankam.

Es gab Tage, an denen hasste sie Harry. Er war besser als sie, beliebter als sie, einfach vollkommener als sie. Selbst für Neville war er wichtiger als sie. Doch das waren nur kurze Augenblicke der Eifersucht, die sich stets schnell wieder legten. Denn im Grunde liebte sie Harry genauso sehr, wie alle anderen. Er war ein großartiger Mensch und Freund. Man konnte sich immer auf ihn verlassen. Und er hatte das alles einfach nicht verdient. Wie kam es, dass er nach all diesen schrecklichen Erlebnissen im letzten Jahr immer noch lachen konnte?

Wie konnte er immer noch so wie früher sein?

Gut, er hatte einen Monat lang kein Wort gesprochen, aber trotzdem.

Woher nahm er nur diese Kraft?

Kein Wunder, dass sowohl Voldemort als auch Dumbledore versuchten, ihn auf ihre Seite zu ziehen.
 

Die Tür zu Nevilles Zimmer war offen und wie immer, wenn nicht Harry zu Besuch kam, drang daraus viel zu laute Musik hervor. Musik, die jedes Elternteil als „Krach“ bezeichnet hätte. Sie würde nie verstehen, warum Augusta Longbottom sie dennoch billigte.

Ihr bester Freund lag mit dem Bauch auf dem Bett und schrieb in ein schwarzes Notizbuch, dass sie nie zuvor gesehen hatte. Während er es mit Worten füllte, schien er alles andere um sich herum zu vergessen und für einen Moment überkam sie der Wunsch, es ihm aus der Hand zu schlagen. Doch das war lächerlich. Es war gut, dass Neville endlich etwas vernünftiges tat und schrieb. Sicher war es eine Hausaufgabe.
 

„Neville?“

Er hörte sie nicht. Also räusperte sie sich und versuchte es noch einmal etwas lauter. „Neville?“

Wieder keine Reaktion. Es musste an dieser grauenvollen Musik liegen. Eilig hob sie ihren Zauberstab und stellte sie damit aus. Doch auch dadurch erreichte sie es nicht, dass Neville sich von dem Buch löste.

„Neville!“, schrie sie nun beinahe.

Erschocken zuckte er zusammen und wandte seinen Kopf um. Er musste mehrmals blinzeln, ehe er verstand, was er da sah. Daraufhin setzte er sich auf und musterte sie verdutzt. „Hermione... was...“

„Ah, wie schön, dass du mich endlich bemerkst“, entgegnete sie beleidigt und verschränkte die Arme, während sich wieder Tränen in ihren Augen sammelten. „Wie oft muss man dich eigentlich ansprechen, bevor du bemerkst, dass jemand da ist?“

„En... Entschuldige“, sagte er und stand eilig auf. „Ich... was ist geschehen? Du siehst schrecklich aus.“
 

Mehrere Sekunden starrte sie ihn einfach nur an, ehe sie mit dem Kopf schüttelte. „Weißt du was, vergiss es. Ich gehe doch lieber zu Harry.“

„Was? Aber...“

Eilig wirbelte sie herum und ging wieder auf seine Zimmertür zu. „Es war eine dumme Idee. Achte einfach nicht weiter auf mich. Tu so, als wäre ich gar nicht erst hier gewesen.“

„Aber Hermione!“, rief er ihr noch hinterher, doch sie hörte ihn schon gar nicht mehr.

Wie hatte sie auch nur für eine Minute glauben können, hier die Lösung für ihr Problem zu finden? Sie musste verrückt gewesen sein.
 

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Obwohl es noch viele Fragen gab, auf die er keine Antwort hatte, kehre Harry gemeinsam mit Regulus zu seinen biologischen Eltern zurück.

Narcissa, Draco und der dunkle Lord waren alles andere als begeistert über diese Entscheidung gewesen, doch der Rest hatte sie schweigend hingenommen. Nicht, dass ihnen etwas anderes übrig geblieben wäre. Er hätte es so oder so getan.
 

Sobald sie also in Godric's Hollow ankamen, fragte Regulus Lily, die in der Küche stand und sich offensichtlich ums Abendessen kümmerte, wo Felice wäre.

„Wir müssen nach Frankreich zurückkehren“, erklärte er. „Es wird höchste Zeit.“

Lily nickte verstehend, während sich in Harry Enttäuschung ausbreitete. Es wäre schön gewesen, sie noch eine Weile hier zu haben, zumindest hatte er so jemanden, der ihn weder bemutterte noch sauer auf ihn war, weil er sich partout nicht dem dunklen Lord anschließen wollte. Er hatte nicht gewusst, wie anstrengend Luna eigentlich sein konnte.
 

„Ich habe sie in ihr Bett geschickt“, erklärte Lily den Beiden. „Sie hat plötzlich einen schlimmen Husten bekommen und ich glaube auch etwas Fieber. Am besten bringst du sie morgen direkt zu einem Heiler.“

Regulus runzelte besorgt die Stirn. „Ja, das werde ich tun.“

„Sie ist schon wieder krank?“, fragte auch Harry beunruhigt nach. „Aber sie war doch erst vor kurzem solange krank...“

„Wahrscheinlich liegt es daran“, meinte der Ältere. „Ihre Immunabwehr ist noch nicht vollständig wiederhergestellt, weshalb sie noch anfällig gegenüber Krankheiten ist. Ich glaube nicht, dass wir uns darüber allzu viele Sorgen machen müssen.“

Zwar konnte Harry das nicht so recht glauben, doch er nickte trotzdem langsam. „Ich werde sie holen gehen.“

Die beiden Erwachsenen nickten, ehe sie damit begannen, darüber zu diskutieren, ob Sirius hierbleiben sollte oder nicht.
 

Felice war bereits dabei, ihre Sachen zusammenzusuchen, als er die Tür zu ihrem Zimmer öffnete. Dabei half ihr Luna, die wahrscheinlich die ganze Zeit bei ihr gewesen war. Beide Mädchen drehten sich sofort zu ihm um, als er den Raum betrat und musterten ihn mit demselben einheitlichen Grinsen.

„Na?“, fragte Luna. „Wie war es bei deinem Liebsten?“

„Er ist nicht mein Liebster“, entgegnete Harry und errötete unwillkürlich.

„Natürlich nicht“, neckte sie, während Felice sich kopfschüttelnd wieder ihren Habseligkeiten zu wandte. „Aber nun raus mit der Sprache! Wie war es? Wie sieht sein Haus aus? War er nett zu dir? Habt ihr euch eigentlich schon geküsst?“

„Warst du nicht eigentlich wütend auf mich?“, versuchte Harry das Thema zu wechseln. Ohne Erfolg.

„Kurz war ich es“, gab sie zu. „Doch jetzt geht es um dein Liebesleben und sobald wir uns damit beschäftigen, muss ich als deine Freundin jeden Groll vergessen, um dich glücklich zu machen.“ Sie drehte sich Beifall heischend zu Felice um, die tatsächlich äußerst ungesund aussah. Ihr Gesicht war viel zu blass, ihr Blick zu abwesend und waren das Schweißperlen auf ihrer Stirn? „Die Beiden werden sich gegenseitig glücklich machen, nicht wahr Fel?“
 

„Das können nur die beiden sagen“, meinte sie und schwang einmal ihren Zauberstab, um das Packen zu beschleunigen. „Deine Eltern haben übrigens gerade beschlossen, dass Sirius hierbleiben soll. Oh, und Hermione Granger ist soeben angekommen.“ Sie runzelte die Stirn. „Mach dich auf viele Tränen gefasst.“

„Oh, was ist mit ihr?“, fragte Harry.

„Liebeskummer“, sagte sie nur.

„Was?“, rief Luna verdutzt. „Hermione hat ein Liebesleben?“

„Ein äußerst schmerzvolles“, bestätigte Felice seufzend, bevor sie einen heftigen Hustenanfall bekam.

Harry beobachtete das mit einem dumpfen Gefühl im Magen. „Das hört sich nicht gut an“, bemerkte er.

Hustend winkte sie ab und griff nach ihrem Gepäck. „Mach dir keine Sorgen“, sagte sie mit einem leichten Lächeln. „Das wird eine ganz gewöhnliche Erkältung sein. Nichts weiter. Bis bald, Luna.“
 

Munter verließ sie den Raum, während Harry sich zu Luna umdrehte, deren Gesichtsausdruck ihm gar nicht gefiel. Einem inneren Impuls folgend, setzte er ihr nach.

„Felice“, sagte er.

Sie blieb stehen und drehte sich fragend zu ihm um.

„Du sagst mir, wenn etwas ist, oder?“

„Harry“, entgegnete sie lächelnd. „Habe ich dich jemals angelogen?“

„Das ist keine Antwort auf meine Frage.“

Einen Moment sah sie ihn schweigend an, ehe ihr Blick weich wurde. Das Gepäck auf dem Boden stehen lassend, ging sie auf ihn zu und umarmte ihn. „Wir werden uns wiedersehen“, flüsterte sie ihm ins Ohr. „Egal, was auch passiert, das werden wir tun. Es ist ja nicht so, als ob ich plötzlich im Sterben liegen würde.“ Sie drückte ihm ein Küsschen auf die Wange, dann löste sie sich von ihm und sah ihm liebevoll in die Augen. „Narcissa hat Recht, du bist viel zu gut für diese Welt. Hör auf, dich ständig um andere zu sorgen und beginne endlich, an dich selbst zu denken. Es ist vollkommen in Ordnung, egoistisch zu sein.“
 

Damit drehte sie sich um und ging.

Es war das letzte Mal in seiner Zeit als Hogwartsschüler, dass er etwas von ihr hören sollte.
 

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Felice hatte Recht gehabt, Hermione war mehr als aufgelöst, als sie schließlich in seinen Zimmer saß. Darüber hinaus sah sie furchtbar aus. Geschwollene Augen, tiefe Augenringe, eine viel zu rote Nase – alles in allem das Bild vollkommener Verzweiflung und Trauer. Was war nur mit ihr geschehen?

Sie saßen zusammen auf seiner Fensterbank, während Luna sich zu Remus verzogen hatte. Die beiden schienen sich wirklich außerordentlich gut zu verstehen. Wahrscheinlich, da sie dasselbe, liebevolle Temperament besaßen. Oder weil Remus ihr aufmerksam zuhörte, wenn sie von irgendwelchen Dingen erzählte, die es eigentlich gar nicht gab? Andererseits woher sollte er wissen, dass es sie wirklich nicht gab? Luna war eine Seherin. Sie konnte Dinge sehen, die dem Rest der Welt verborgen blieben.
 

Von ihren Emotionen erschöpft hatte Hermione ihren Kopf an Harrys Schulter gelehnt und starrte mit leerem Blick an die gegenüberliegende Wand. Da er nicht wusste, was er sonst tun sollte, hatte er vorsichtig einen Arm um ihre Schulter gelegt und fuhr ihr sanft durchs Haar. Ihn selbst hatte das immer beruhigt, also würde es sicher auch bei ihr funktionieren. Oder?

„Entschuldige bitte“, murmelte sie. „Ich wollte eigentlich zu Neville, doch er... er ist einfach nicht der Typ, bei dem man sich ausweinen kann. Nicht mit so etwas.“

Da könnte sie Recht haben. In Sachen Liebe war Neville ein unverbesserliches Trampeltier. Nicht, dass er es böse meinen würde, er hatte nur einfach nicht das richtige Gespür dafür, wie man mit verliebten Menschen umgehen sollte. Wenn man also bei allen anderen Dingen sofort zu ihm kommen und bei ihm Hilfe erwarten konnte, sollte man ihm bei diesem speziellen Thema lieber fern bleiben.
 

„Es tut mir Leid, dass ich ausgerechnet dich damit behelligen muss“, fuhr sie fort und begann wieder zu weinen. „Ich weiß, dass wir beide eigentlich keine so guten Freunde sind, wie immer alle behaupten“, da hatte sie Recht, „und du hast auch so schon genug um die Ohren, aber ich weiß nicht, wo ich sonst hin soll.“

„Ist schon in Ordnung, Hermione“, entgegnete er, während er sich innerlich fragte, warum sie nicht einfach ihre Familie damit quälte. War sie dafür nicht eigentlich da? „Willst du mir sagen, was passiert ist?“
 

Sie nickte und nahm das Taschentuch entgegen, dass er ihr kurzerhand reichte.

„Es... gibt da einen Jungen“, begann sie langsam und vermied es, ihn auch nur aus den Augenwinkeln anzusehen. „Dessen Namen ich lieber nicht nennen würde.“, fügte sie hinzu.

Harry nickte nur. Ihm sollte es recht sein.

„Er ist auch ein Hogwartsschüler. Wir haben uns öfters getroffen, ein, zweimal sogar außerhalb von Hogwarts und regelmäßig Briefe geschrieben. Irgendwann... hatte ich mich in ihn verliebt.“

„Das hört sich doch gut an“, sagte er, nachdem sie mehrere Minuten geschwiegen hatte.

Sie schüttelte allerdings mit dem Kopf. „Er hat mir vor ein paar Tagen einen Brief geschrieben. Meine Briefe nerven, er will nichts mit mir zu tun haben und ich bedeute ihm nichts.“ Schluchzend vergrub sie ihren Kopf in seiner Schulter. „Warum tut er nur so etwas, Harry? Bin ich wirklich so schlimm?“
 

Innerlich seufzend zog er sie in eine freundschaftliche Umarmung und strich ihr sanft über den Rücken. „Ich weiß nicht, warum er es getan hat“, bekannte er. „Ich weiß nur, dass das nicht fair von ihm ist. Jemanden so etwas mit einem Brief mitzuteilen ist feige und egoistisch. So ein Volltrottel hat dich überhaupt nicht verdient, Hermione.“

Sie schaute durch verweinte Augen zu ihm auf. „Meinst du wirklich?“

Er nickte lächelnd. „Natürlich! Du bist eine wunderbare, selbstständige, intelligente, junge Dame. Auch wenn es im Moment wahrscheinlich unmöglich erscheint, so bin ich mir doch sicher, dass du irgendwann jemanden finden wirst, der dich so liebt, wie du es verdienst. Du musst nur die Augen offen halten. Diesem Idioten wird es noch Leid tun, dass er dich so abgewiesen hat.“

Unwillkürlich lachte sie auf. „Ja... ja, du hast Recht.“ Seufzend lehnte sie sich wieder an ihn und schloss die Augen. „Danke.“

„Keine Ursache“, entgegnete er lächelnd. „Ich helfe gerne.“
 

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Lieber Harry,
 

ist Hermione bei dir gewesen? Sie war ziemlich aufgelöst, als ich sie zuletzt gesehen habe und ich habe das Gefühl, mich mal wieder wie ein Vollidiot verhalten zu haben... meinst du, sie ist sehr sauer?

Was ist eigentlich mit ihr los? Da sie zu dir gegangen ist, nehme ich einfach mal an, es ist Liebeskummer? Obwohl, wir reden hier von Hermione... kann sie wirklich Liebeskummer haben? Bisher dachte ich eigentlich, sie wäre asexuell. Okay, das war jetzt vielleicht unangebracht... sag ihr also bitte nicht, dass ich das geschrieben habe, okay?

Wie geht es dir? Ist alles in Ordnung?

Ich freue mich schon darauf, dich wiederzusehen.
 

Liebe Grüße,

Neville

Beginning's End

Hallo ihr Lieben!

Und da haben wir sie, den Beginn der wunderbaren Unregelmäßigkeit. Ich glaube auch nicht, dass sich das allzu bald ändern wird, doch ich habe das Gefühl, dass im Moment alle etwas beschäftigter sind, als sonst, von daher passt es ja, ne?

Jedenfalls gibt es wie immer ein großes Dankeschön an meine Beta, die Kommischreiber des letzten Kapitels und den inzwischen 243 Favoriten! *jedem ein Stück von Harrys neuester Kuchenkreation reich*

Ab diesem Kapitel wenden wir uns einer neuen Sinneinheit zu, so werde ich mich nun ein wenig von Harrys Familien entfernen und dafür mal schauen, was sonst so in England vor sich geht und speziell Hogwarts und seine Einwohner werden in nächster Zeit eine besondere Rolle spielen. Das heißt, die Dumbledore-, Hermione-, Draco- und Severus-Fans unter euch, werden bald vollkommen auf ihre Kosten kommen.

Ich wünsche euch viel Vergnügen mit diesem Kapitel und eine wunderbare Restwoche.

Liebe Grüße, Ayako

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Beginning's End
 

Ein neues Jahr, eine neue Chance, eine neue Geschichte, ein neues Leben.

Das Ende brachte immer einen Anfang mit sich. Doch war das Ende wirklich bereits eingetroffen?
 

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Silvester war relativ ruhig verlaufen und am nächsten Tag war es an der Zeit, nach Hogwarts zurückzukehren. Luna hatte sich bereits verabschiedet. „Professor Karkaroff besteht darauf, dass wir alle schon mindestens zwei Tage früher da sind“, hatte sie ihm erklärt. „Er ist ein großartiger Schulleiter. Ich mag ihn sehr. Er ist tausendmal besser als Dumbledore.“

Harry glaubte das gerne. Obwohl es falsch wäre zu sagen, Albus Dumbledore sei ein schlechter Schulleiter. Wer in Hogwarts Schüler war, würde bis zu seinem Schulabschluss in Sicherheit leben. Weder das Ministerium, noch der dunkle Lord hatten etwas in dem Internat zu suchen – was positiv und negativ zugleich war. Wie sollte man auf das richtige Leben vorbereitet werden, wenn man niemals einen Blick dort hineinwerfen konnte?

Wahrscheinlich waren dafür die Ferien zwischen den einzelnen Lernphasen gedacht. Nicht dass Harry wusste, was im Kopf des Schulleiters vor sich ging. Bis zur „Kunst der Legilimentik“ waren er und Severus noch nicht vorgestoßen.
 

An jenem Abend saß er auf seiner Fensterbank und las ein Buch, während er mit einer Hand Sirius' Fell streichelte. Der Animagus liebte es offenbar, es sich auf seinem Schoss bequem zu machen und sich so richtig verwöhnen zu lassen. Nicht, dass Harry etwas dagegen einzuwenden hätte. Er hatte sich schon immer ein Haustier zum Kuscheln gewünscht. Einen Hund oder eine kleine Katze zum Beispiel. Dummerweise war das der einzige Wunsch gewesen, den weder Narcissa noch Lucius ihm jemals erfüllt hätten.

Warum musste auch die gesamte Familie Malfoy an einer Tierhaarallergie leiden? Selbst Draco musste regelmäßig einen bestimmten Trank einnehmen, um nicht die ganze Zeit in Hogwarts mit tränenden Augen herumzulaufen.

Manchmal war es eben doch gut, nicht mit ihnen blutsverwandt zu sein.
 

Die Zimmertür war geöffnet, weshalb er unten Lily mit einer Nachbarin reden hören konnte, die in den letzten Tagen öfters vorbeigekommen war, um über Nichtigkeiten zu plaudern. Wo James und Remus waren, wusste er offengestanden nicht – auch sein Interesse daran war sehr begrenzt – und seine Frage wurde ohnehin im nächsten Augenblick beantwortet, als sein Vater seinen Kopf zur Tür herein streckte. „Na?“, fragte er mit einem breiten Grinsen, als er sah, dass Harry ihn bemerkt hatte. „Wie steht's hier oben?“

„Es ist ruhiger, als in der Küche“, entgegnete er schulterzuckend, während Sirius träge den Kopf hob und James durch seinen dunklen Hundeaugen hindurch anstarrte.

„Das stimmt“, entgegnete dieser lachend und betrat lässig den Raum. „Du liest wieder?“

„Ich lese sehr gerne“, meinte Harry und beobachtete argwöhnisch, wie sein Vater sein Zimmer analysierte. „Es ist ein guter Zeitvertreib und des Öfteren sogar äußerst nützlich.“
 

James nickte verstehend, ehe er seine Augen auf seinen Sohn richtete. „Und was für eine Literatur erfreut deinen wachen Geist zu solch später Stunde?“

Zwar war es alles andere als spät, doch er würde ihm seinen Willen lassen. „Ein Buch über Animagi.“

Nun blickte auch Sirius zu ihm.

„Animagi?“, wiederholte sein Vater überrascht. „Hast du etwa vor, ein Animagus zu werden?“

Harry schüttelte mit dem Kopf. Diese Materie hatte ihn nie sonderlich interessiert. Natürlich wäre es nützlich, sich jederzeit in ein Tier verwandeln zu können, aber... nein. Er hatte nicht das geringste Bedürfnis, diese Fähigkeit zu erlernen. Am Ende würde er noch auf den Geschmack kommen und mehr Zeit als Tier verbringen, als in menschlicher Form. Also lieber gleich darauf verzichten und zur Not gab es immer noch leichte Verwandlungszauber, die dasselbe bewirken konnten.
 

„Ich möchte herausfinden, warum Sirius sich nicht zurückverwandeln kann“, erklärte er, als er bemerkte, dass die beiden immer noch auf eine Antwort warteten. „Um das zu können, muss ich verstehen, wie der Verwandlungsprozess abläuft. Da ich mich allerdings noch nie mit dieser Thematik beschäftigt habe, versuche ich es erst einmal damit, mir das Grundwissen anzueignen.“

„Du glaubst also, dass du die Lösung für sein Problem finden wirst?“, fragte James und setzte sich zu ihm auf die Fensterbank.

„Ich denke schon“, entgegnete Harry zuversichtlich. „Auf jedes Problem gibt es eine Antwort. Man kann sie nur nicht immer sofort sehen. Aber wenn ich mich ausführlich genug damit beschäftige, wird es schon irgendwie klappen.“

„Gut, dann werde ich dir glauben“, meinte James lachend und streckte sich gähnend. „Wenn du irgendwelche Probleme mit dieser Materie hast, melde dich einfach bei mir. Du wirst es vielleicht nicht glauben, aber ich kenne mich ziemlich gut damit aus.“

„Du bist ein Animagus. Ein Hirsch“, sagte er nickend. „Ich habe dich in Frankreich gesehen. Außerdem hast du dich auch vor zwölf Jahren öfters verwandelt. Doch du bist nicht registriert, oder?“

„Ebenso wenig wie Sirius. Wir haben es damals für Remus getan, musst du wissen.“

„Für Remus?“
 

Sirius bellte einmal zustimmend.

„Es war für ihn als Werwolf nicht leicht, in Hogwarts zur Schule zu gehen. Jeder Vollmond war für ihn eine Qual. Doch als Animagi waren wir in der Lage, ihm jedes Mal ohne Schwierigkeiten Gesellschaft zu leisten und ihm die ganze Sache leichter zu machen.“

„Das war wirklich sehr nett von euch.“

„Er war und ist unser Freund“, meinte James schulterzuckend. „Das war das Mindeste, was wir tun konnten.“

„Nicht jeder hätte so gedacht.“

„Nein. Ein Slytherin hätte es wahrscheinlich tatsächlich nicht getan.“ Er warf Harry einen entschuldigenden Blick zu. „Verzeih. Ich weiß, dass du das wahrscheinlich anders sehen wirst.“
 

„Ist schon in Ordnung. Ich weiß, dass sich eure beiden Häuser wahrscheinlich niemals verstehen werden. Du solltest nur einmal Neville und Draco sehen. Da denkt man manchmal wirklich, wir wären wieder im Kindergarten.“

„Du bist niemals in einem Kindergarten gewesen“, bemerkte James.

„Es geht ums Prinzip, Dad“, erwiderte er Augen verdrehend. Es stimmte, wenn die beiden einmal loslegten, wirkten sie nicht mehr wie verantwortungsbewusste Jugendliche, sondern wie Kleinkinder, die sich um eine Süßigkeit stritten. Dabei gäbe es so viele Dinge, wo sie ihre Energie viel sinnvoller einsetzen könnten. Bei Professor Flitwicks Chor zum Beispiel. Oder bei ihrem Quidditchtraining.
 

Plötzlich bemerkte er, wie sein Vater ihn mit einem seltsamen Blick ansah. Es war eine Mischung aus Überraschung, Rührung und echter Freude. Fragend hob er eine Augenbraue und bekam ein breites Grinsen zur Antwort.

„Du hast mich Dad genannt“, erklärte er. „Das erste Mal seit zwölf Jahren hast du mich Dad genannt.“

Hatte er? Ja, hatte er. „Dann würde ich an deiner Stelle jetzt sofort aufspringen und den Tag rot an meinem Kalender markieren, damit du dich noch Jahre später daran erfreuen kannst“, meinte Harry trocken.

Doch James ließ sich davon nicht entmutigen. Stattdessen schlang er ihm kumpelhaft einen Arm um die Schulter und starrte mit ernster Miene ins Nichts.

„Ich liebe dich, Harry“, sagte er. Wunderbar. Er war also in so einer Stimmung. Das konnte ja heiter werden. Sirius schien seine Meinung zu teilen, zumindest bellte er protestierend. Nicht, dass James sich davon stören ließ. „Es sieht vielleicht nicht immer so aus, aber ich tue es, ebenso wie Lily. Und solange es auch nur einen Hauch...“
 

„Das ist ja wirklich sehr rührend“, meldete sich plötzlich Remus zu Wort, der genau in diesem Augenblick das Zimmer betrat, „doch du musst wissen, dass Harry moralischer Erpressung gegenüber immun ist.“

„Mooney!“, rief James entrüstet. „Wie kannst du nur so etwas sagen? Ich würde meinen Sohn niemals moralisch erpressen. Dafür habe ich meine Frau!“

Für ein paar Sekunden herrschte ein betretenes Schweigen, ehe sie alle gemeinsam in lautes Gelächter ausbrachen.
 

Auch, wenn er es ihnen gegenüber niemals freiwillig zugeben würde, so liebte Harry dennoch seine biologischen Eltern.

Obwohl es unlogisch war.

Obwohl es gegen den gesunden Menschenverstand sprach.

Obwohl sie ihn verletzt hatten.

Doch Liebe war niemals logisch und fast immer eine schmerzvolle Angelegenheit.

Manche Dinge konnte eben nicht einmal ein Zeitumkehrer ändern.
 

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Schweigend stand Draco Malfoy in seinem Zimmer und starrte den Inhalt seines Koffers an, den er soeben gepackt hatte. Irgendwo in der Ferne konnte er Dobby ein lustiges Lied summen hören, während dieser Staub wischte, doch ansonsten herrschte tiefe Stille im Manor. Selbst Bellatrix schien sich dazu entschieden zu haben, keinen Laut von sich zu geben. Dabei gab es nicht den geringsten Grund, weiterhin zu schweigen. Harry war gesund und munter, sie hatten es alle gesehen. Er hatte mit Narcissa gesprochen und Lucius sogar eine Art stummen Waffenstillstand angeboten. Er liebte sie immer noch. Sie waren immer noch eine Familie.

Warum also schwiegen sie? Warum wagte es keiner, die Stille zu brechen?
 

„Weil er nicht hier ist“, flüsterte er und schloss den Koffer. „Weil er nie wieder hier sein wird.“

Er sah sich ein letztes Mal in seinem Zimmer um, ehe er den Koffer mit festen Griff packte und mit schnellen Schritt auf die Tür zuging. Es war an der Zeit, nach Hogwarts zurückzukehren. Um ehrlich zu sein, hatte er keine große Lust darauf. Dumbledore, Longbottom, Granger, die Gryffindors im allgemeinen, der sinnlose Unterricht – was tat er dort überhaupt noch? Er würde nie verstehen, wie Harry es immer wieder aufs Neue ablehnen konnte, einfach ein Jahr zu überspringen. Er selbst würde diese Chance mit offenen Armen empfangen und sich sofort zu Nutze machen. Aber vielleicht war genau das der Grund, weshalb Harry ein Jahr überspringen könnte und er nicht.
 

Weil sein Bruder weiterdachte.

Weil er andere Beweggründe hatte.

Weil er fast immer die richtige Entscheidung traf.
 

Bisher hatte er nur dreimal in seinem Leben vollkommen falsch entschieden. Das erste Mal, als er sich mit Neville Longbottom anfreundete, das zweite Mal, als er ihm hinunter in die Kammer des Schreckens folgte und das dritte Mal, als er Malfoy Manor verließ, um daraufhin zu den Potters zu gehen.

Hoffentlich würde er in Zukunft nicht noch mehr Fehlentscheidungen treffen. Dracos Meinung nach wurden sie mit jedem Mal folgenschwerer.
 

Seine Schritte hallten laut auf dem Boden der langen Korridore wider, die auf der einen Seite mit Fenstern und auf der anderen mit Türen und Gemälden geschmückt waren. Ein Blick nach draußen verriet, dass es tiefster Winter war und kein Mensch von außerhalb Zugang zu dem Manor hätte. Jeder würde in diesen Schneemassen versinken. Sogar Zauberer. Gut, dass jemand vor langer, langer Zeit auf die Idee gekommen war, Flohpulver zu erfinden.

Es war einer der härtesten Winter, an die Draco sich erinnern konnte. Wie lange er wohl anhalten würde? Aber dafür würde danach der Frühling umso schöner werden. Also warm anziehen und durch!
 

„Du kehrst nach Hogwarts zurück?“, sagte plötzlich eine Stimme, kaum dass Draco die Eingangshalle betreten hatte. Langsam drehte sich der Junge zu seinem Vater um und nickte knapp.

„Es wird Zeit. Der Unterricht beginnt morgen früh.“ //Und ich bezweifle, es noch eine Minute länger in diesem Haus auszuhalten.//

Woher kam es, dass es ihm nie zuvor aufgefallen war, dass es Harrys Gegenwart gewesen war, die diesen Ort ein Zuhause hatte werden lassen? Warum hatte er nie bemerkt, dass sein Bruder ihnen das Leben gab, das sie alle so sehr brauchten? Es war nicht verwunderlich, dass der dunkle Lord so verzweifelt versuchte, ihn für sich zu gewinnen. Mit Harry auf seiner Seite würde es viel einfacher werden, Anhänger zu finden, als zuvor, auch wenn Draco immer noch keine Ahnung hatte, warum.

„Wo ist Mutter?“, fragte er. „Ich möchte mich von ihr verabschieden.“

„Sie ist in der Küche und studiert Harveys handgeschriebene Rezeptbücher.“

„Harry“, verbesserte er ihn automatisch. „Er ist jetzt wieder Harry.“

„Nicht vor dem Gesetz“, widersprach Lucius. „Noch sind ich und deine Mutter seine Vormünder. Lily und James haben nicht den geringsten Anspruch auf ihn.“
 

Von der Antwort überrascht, blinzelte sein Sohn. „Warum lasst ihr es dann zu, dass er zu ihnen geht? Müsstet ihr da nicht etwas dagegen unternehmen können?“

„Glaubst du, er würde uns dankbar sein, wenn wir das täten?“, fragte Lucius und seufzte. „Harry ist jemand, dessen Liebe und Zuneigung man nicht erzwingen oder durch falsche Spiele erkaufen darf. Merke dir das gut, Draco. Merke dir das sehr gut.“

„Was soll das schon wieder heißen?“, fragte er, während er sich fragte, ob der Mann langsam verrückt wurde. Natürlich durfte man Harrys Liebe nur mit ehrlichen Methoden bekommen! Liebe konnte man nicht erzwingen. Außer mit Zaubertränken natürlich, aber das hatte er ohnehin nicht vor.
 

„Du wirst es bald verstehen“, sagte sein Vater ernst. „Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis er es öffentlich machen muss. Spätestens, wenn er sich entschieden hat.“

„Entschieden?“

Doch sie kamen nie dazu, dieses Gespräch zu beenden, da in diesem Augenblick Narcissa den Raum betrat. Als sie die beiden bemerkte, blieb sie stehen und betrachtete sie lächelnd.

„Du verlässt uns also?“, flüsterte sie, während ihre Augen auf Dracos Koffer glitten.

„Ich wollte dich soeben suchen, um mich zu verabschieden“, entgegnete er nickend.

„Dann komm her!“, sagte sie und breitete lächelnd ihre Arme aus.
 

Wenn etwas Draco und Harry seit jeher unterschieden hatte, so war es ihre Beziehung zu Narcissa. Während es für den jungen Potter keine Schwierigkeit darstellte, sich von ihr umarmen und verhätscheln zu lassen, war es ihrem leiblichen Sohn schon vor Jahren zu einer unangenehmen Eigenart seiner Mutter geworden. Wie vielen anderen fast erwachsenen Söhnen, war es auch ihm äußerst peinlich, ihr seine Zuneigung zu zeigen. Deshalb hätte er sich nun unter normalen Umständen niemals von ihr umarmen lassen. Doch das waren keine normalen Umstände.

Sein Bruder war nicht mehr da, um ihr die Liebe zu geben, die sie zum Überleben brauchte. Also musste er nun wohl oder übel seinen Platz einnehmen. Nicht, dass er das jemals würde tun können. Aber einen Versuch war es wert. Es reichte, dass bereits der Rest seines Lebens derzeit zusammenbrach. Da konnte er zumindest alles tun, um wenigstens seine Familie irgendwie zu retten.
 

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Hermione sah immer noch grauenvoll aus. Zumindest war das Harrys Meinung, als er sie in der Großen Halle sah. Sie saß schweigend zwischen Neville und Parvati Padel, den Blick starr auf ihren Teller gerichtet, die Augen immer noch gerötet, das Gesicht zu verschwollen. Es schien ihr immer noch nicht besser zu gehen und ihre Rückkehr nach Hogwarts war vielleicht auch nicht die geeignetste Methode, um mit der ganzen Angelegenheit fertig zu werden. Hatte sie nicht gesagt, dieser Mistkerl, der ihr so das Herz gebrochen hatte, war ein Hogwartsschüler? Ihn jeden Tag sehen zu müssen... er wollte sich nicht einmal vorstellen, wie sie sich momentan fühlen musste.
 

Allerdings war sie nicht die einzige, die von einer ungewöhnlichen Niedergeschlagenheit heimgesucht wurde. Für das erste Abendessen nach den Ferien war es viel zu ruhig. Gespräche gab es nur vereinzelt und überall, wo man hinsah, traf man auf unglückliche, besorgte Gesichter. Harry konnte es ihnen nachfühlen. Ein Blick auf den Lehrertisch genügte, um sich sofort zu wünschen, man wäre Zuhause geblieben.
 

Da war zum Einen Hagrid, der Wildhüter von Hogwarts, der mit einem verärgerten Gesichtsausdruck in seinem Essen herumstocherte und jedem einen vernichtenden Blick zuwarf, der ihn auch nur einen Moment zu lange ansah.

Da war Professor Trewlaney, die Harry bisher nur aus Erzählungen gekannt hatte und nach jahrelanger Isolation zu ihnen herabgestiegen war, um jedem, der es hören wollte, dunkle Prophezeiungen zu machen.

Da war Professor Sprout, die mit zusammengepressten Lippen die neueste Ausgabe von Magische Zimmerpflanzen überflog und dabei alles in ihrer Umgebung zu ignorieren schien.

Da waren die Professoren McGonagall, Dumbledore und Flitwick, die leise miteinander diskutierten und ihre Blicke mit finsterer Miene über die Schülermassen schweifen ließen.

Und da war Remus, der konsequent versuchte, Harrys fragenden Augen auszuweichen.

Tatsächlich war die einzige Person, die sich normal verhielt, Severus, der als sein übliches, griesgrämiges Selbst ein Stück Gurke misshandelte.
 

Ja, die Stimmung am Lehrertisch war mehr als seltsam. Wenn er doch nur wüsste, was geschehen war. Doch das wusste keiner, alle Schüler waren ratlos und heillos verwirrt und um ehrlich zu sein, wurde es langsam recht besorgniserregend.

„Harry“, unterbrach plötzlich Cho Chang, die sich wie üblich neben ihn gedrängelt hatte, seinen Gedankengang, nachdem sie bereits eine gefühlte Stunde versucht hatte, seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Man konnte sagen, was man wollte, aber das Mädchen ließ sich nicht leicht entmutigen. „Was ist eigentlich mit Draco Malfoy los? Er sieht nicht sonderlich gut aus.“
 

Langsam drehte sich Harry so, dass er seinen „Bruder“ in Augenschein nehmen konnte. Cho hatte Recht, er wirkte blass und etwas zu zerknirscht. Wenn er sich recht erinnerte, war er auch beim dunklen Lord nicht sonderlich auf der Höhe gewesen. Derselbe Tag, an dem Hermione...

Nein.

Nein, das war lächerlich. Die Beiden hassten sich. Schon immer. Und das würde sich auch niemals ändern. Darin konnte kein Zusammenhang bestehen, es musste eine andere Ursache haben.

...

Musste es doch, oder?
 

Gut, angenommen, es bestand ein Zusammenhang, so war es dennoch unwahrscheinlich. Draco war ein Malfoy. Er hatte Familienstolz und Sinn für Anstand. Er würde niemals ein Mädchen mit einem Brief abspeisen. Das war nicht sein Stil, es entsprach nicht seinem Charakter. Aber weshalb sollte er sonst so fertig aussehen? Wegen Narcissa? Ging es ihr etwa immer noch nicht besser? Oder ging zur Zeit irgendetwas anderes...

In diesem Moment betrat Pansy Parkinson gefolgt von einer Schar schnatternder Mädchen die Halle und sobald er sie sah, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Natürlich! Wie hatte er so blöd sein können?

„Ich glaube, ihn nimmt seine Verlobung ein bisschen mit“, sagte er zu Cho und wandte sich wieder seinem Essen zu. Augenblicklich hatte er die voller Aufmerksamkeit seiner gesamten Umgebung, bestehend aus mehreren Ravenclaws, sowie Schülern an den umliegenden Tischen.

Also wirklich, hatten sie kein eigenes Leben?
 

„Verlobung?“, fragte Cho verdutzt. „Draco Malfoy ist verlobt?“

„Mit Pansy Parkinson“, bestätigte Harry schulterzuckend. „Bereits seit frühester Kindheit, aber soweit ich weiß ist die Verlobung vor ein paar Tagen noch einmal aktualisiert worden, damit sie auch gleich nach ihrem Schulabschluss stattfinden kann.“

„Wow“, hauchte sie. „Aber woher kommt es, dass ich nie etwas davon gehört habe?“

„Weil Reinblüterehen nie an die große Glocke gehängt werden“, erklärte Anthony Goldstein. „Sie werden zwar meist bereits kurz nach der Geburt geschlossen, doch die jeweiligen Beteiligten lernen sich oft erst kurz vor der Ehe kennen. Malfoy und Parkinson haben Glück, dass ihre Mütter bereits so gut befreundet sind, sonst hätten auch sie bisher noch nicht viel miteinander zu tun gehabt. Da fällt mir ein, die Potters sind auch eine sehr alte Familie. Hast du auch eine Verlobte, Harry?“

Cho zuckte bei diesen Worten erschrocken zusammen und sah so aus, als würde sie Anthony für diese Frage am Liebsten an die Gurgel gehen. Auch die restlichen Zuhörer schienen ihre Meinung zu teilen. Warum nur?
 

„Nein, ich habe keine Verlobte“, entgegnete Harry lächelnd, woraufhin sich die Atmosphäre sofort wieder entspannte. //Und selbst wenn, würde ein gewisser jemand sie wahrscheinlich umbringen.//

War es pervers, dass sich ein Teil von ihm darüber freute? Wahrscheinlich, doch das änderte nichts an der Tatsache, dass er es tat. Der dunkle Lord hatte offenbar bessere Arbeit geleistet, als er es vermutet hatte.

Schweigend fuhr er damit fort, sein Abendessen einzunehmen, während um ihn herum endlich das alt bekannte Stimmengewirr ausbrach. Er würde Hogwarts vermissen.

Aber noch war die Zeit zum Abschied nicht gekommen.
 

Noch nahm das Leben seinen gewohnten Gang.
 

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Das Büro des Zaubertrankmeisters roch heute nach gar nichts, weshalb man davon ausgehen konnte, dass zur Zeit Veritaserum zubereitet wurde. Viele glaubten immer, man könne es auf Grund seiner Geruchlosigkeit nicht erkennen, doch in Wahrheit war es eben dies, was es so unverwechselbar machte. Ließ man ein Getränk, in das auch nur ein Tropfen davon hinzugegeben worden war, für längere Zeit stehen, würde es kurz darauf seinen charakteristischen Geruch verlieren. Bei großen Mengen führte es sogar soweit, dass der ganze Raum geruchlos werden konnte, weshalb bestimmte Bestandteile des Trankes heutzutage tatsächlich für Geruchsmittel verwendet wurden. Doch das war in diesem Augenblick unwesentlich.
 

Wie so oft in diesem Schuljahr hatten es Harry sich auch heute wieder vor seinem Patenonkel bequem gemacht und nippte an einer Tasse Tee. Er hatte soeben seinen ersten, unspektakulären Schultag hinter sich gebracht und demnach noch etwas Zeit, ehe die Hausaufgabenzeit beginnen würde. Darüber hinaus hatten sie tatsächlich wichtige, die Schule betreffende Dinge zu besprechen die niemand – nicht einmal Albus Dumbledore – in Frage stellen würde können.

„In drei Wochen ist der internationale Zaubertrankwettbewerb“, erklärte Severus ernst. „Deshalb möchte ich, dass wir uns bis dahin tatsächlich mit dieser Materie beschäftigen und nicht mit Okklumentik. Es würde mich etwas wurmen, wenn dieses Jahr wieder Durmstrang oder Beauxbaton den Sieg davontragen würden.“

„Der Zaubertrankwettbewerb hat seit Jahren nicht mehr stattgefunden“, bemerkte Harry amüsiert. „Das letzte Mal war es in meinem ersten Schuljahr und da war ich noch zu jung und unerfahren, um mitmachen zu können. Ich denke nicht, dass wir...“
 

„Was du denkst, ist in diesem Fall irrelevant“, warf Severus ein. „Es gibt noch zwei weitere Schüler, die daran teilnehmen werden und diese benötigen im Gegensatz zu dir tatsächlich dringend einige Extrastunden, um diesen Wettbewerb zu überleben. Eigentlich hatte ich euch separat unterrichten wollen, doch Albus hat darauf bestanden, dass ihr gemeinsam meine Anwesenheit genießen dürft.“

Harry runzelte die Stirn. „Und wer sind diese beiden Schüler?“

„Deine Freundin Ms. Granger und dein lieber Bruder.“

„Draco ist nicht mein Bruder“, erinnerte er ihn seufzend.

„Und doch würdest du ihm mit diesen Worten das Herz brechen. Wir werden uns zumindest ab dieser Woche jeden zweiten Tag – auch am Wochenende – treffen und euch optimal vorbereiten. Was ist eigentlich mit Granger los? Das Mädchen sieht grauenhaft aus.“

„Sie hat ein paar Beziehungsprobleme“, entgegnete Harry beiläufig und trank ein Schluck seines Tees. „Was ist eigentlich passiert?“

Severus zögerte nur den Bruchteil einer Sekunde. „Wie meinen?“

„Die Stimmung am Lehrertisch. Es wirkt beinahe so, als sei jemand gestorben.“
 

„Tut mir Leid, dich enttäuschen zu müssen, doch wir haben keinen Todesfall zu beklagen“, meinte er trocken. „Allerdings wird es bald einen neuen Minister geben.“

Das war interessant. „Hätte Fudge nicht mindestens noch zwei Jahre sein Amt behalten müssen?“

„Deine Kenntnisse über unser politisches System sind wie immer herausragend“, lobte ihn Severus mit einer Spur Sarkasmus in der Stimme. „Doch leider hat die magische Bevölkerung ihr Vertrauen in ihn verloren. Wahrscheinlich hast du es auf Grund deines kindischen Verhaltens während der letzten Monate nicht mitbekommen, doch es ist wiederholt zu einigen unschönen Morden und Überfällen gekommen, für die selbstverständlich der dunkle Lord und die Todesser verantwortlich gemacht werden. Wobei es immer noch mehr als genügend Stimmen gibt, die seine Rückkehr leugnen.“

„Was vermutlich sein Plan ist“, schlussfolgerte Harry, ohne weiter auf die schlechte Laune seines Patenonkels einzugehen.

„Ganz genau. Doch es steht mir nicht zu, dich über seine Pläne zu informieren. Noch bist du kein Todesser und deine Bindung zu Dumbledore ist zu eng, als dass wir dir unser vollstes Vertrauen schenken könnten.“
 

„Meine Bindung zu Dumbledore?“, wiederholte Harry amüsiert.

„Lily und James“, sagte er schulterzuckend. „Deine liebreizende Familie, der du aus irgendeinen, uns unverständlichen Grund verziehen hast. Entweder bist du zu gut für diese Welt oder es ist der Tatsache geschuldet, dass du ein Tempus Amicus bist.“

„Sev...“

„Ich weiß, dass du nicht darüber reden willst“, fuhr er unbeirrt fort. „Ich weiß, dass du nicht daran denken willst. Du willst es verdrängen. Du willst es vergessen. Und am allermeisten willst du, dass es niemand erfährt, da schon genug Leute davon wissen. Doch wir können es dich nicht vergessen lassen. Es ist einzig dieses Wissen, das dich davon abhält, dich blind entweder auf Dumbledores Seite oder auf die des dunklen Lords zu stellen. Aber das spielt im Moment keine Rolle. Darüber wollen wir heute nicht sprechen. Du hast mir eine Frage gestellt und ich habe dir eine Antwort gegeben. Es wird bald einen neuen Minister geben und das ist es, was Dumbledore und somit alle anderen Lehrer beunruhigt.“
 

„Und warum?“, fragte Harry, entschlossen, das Gespräch von sich selbst fortzulenken.

„Weil es drei Männer gibt, die als seine Nachfolger gefordert werden: Bartemius Crouch, Lucius Malfoy und Rufus Scrimgeour.“

„Ein Diplomat, ein Todesser und ein Auror also. Kein Wunder, dass Dumbledore sich Sorgen macht. Soweit ich weiß, sind sie alles drei Zeitgenossen, die sich nicht so sehr von ihm beeinflussen lassen werden, wie Minister Fudge.“

„Genauso ist es“, bestätigte Severus und lehnte sich auf seinem Sessel zurück, während seine dunklen Augen den Schüler fixierten. „Sie sind selbstständige, einflussreiche Sturköpfe, die dafür bekannt sind, ihm gegenüber eine gewisse Distanz zu wahren. Er wird selbst zur Ministerwahl antreten müssen, wenn er seinen Einfluss nicht verlieren will.“

„Das wird er nicht tun“, sagte Harry und schüttelte zur Bekräftigung seiner Worte mit dem Kopf. „Ansonsten wäre er schon lange im Ministerium.“ Plötzlich erschien ein verschlagenes Lächeln auf seinem Gesicht, was Severus fragend die Augenbrauen heben ließ. „Das verspricht ein sehr interessantes Jahr zu werden. Ich bin gespannt, wer der nächste Minister werden wird.“
 

Lucius würde es nicht sein. Der Skandal des letzten Jahres war noch zu frisch, als dass das Ministerium dumm genug wäre, ihn zum Minister zu machen. Darüber hinaus war es ein offenes Geheimnis, dass er zum schwarzmagischen Teil der Bevölkerung gehörte, weshalb es unlogisch wäre, ihn zur Bekämpfung eben jenen Teils einzusetzen. Außerdem würde es seinem Ego alles andere als gut tun. Deshalb hoffte Harry insgeheim, dass er nicht Fudges Nachfolger wurde.

Doch wie sah es mit den anderen beiden Männern aus?
 

Bartemius Crouch war der Vater von Barty Crouch, einem Todesser, den Harry ab und an gesehen hatte, wenn er Lucius besucht hatte. Nach dem Fall des dunklen Lords hatte er sich einem Jurastudium gewidmet und gehörte nun zu einem der bekanntesten Anwälten Englands, der es bisher schaffte, seine Identität als Todesser geheim zu halten. Nur sein Vater ahnte offenbar etwas von seinen „dunklen Machenschaften“ zumindest hatte er ihn bereits vor Jahren verstoßen und seitdem kein Wort mehr mit ihm gewechselt. Warum mussten Väter eigentlich immer so überdramatisieren?
 

Soweit Harry es wusste, hasste Crouch Senior Schwarzmagier über alles und unter seiner Regierung würde es sicherlich keine wirklichen Verbesserungen geben. Da wäre ja sogar Albus Dumbledore besser. Doch das änderte nichts daran, dass er einen außerordentlich guten Ruf in der ganzen Welt hatte, nicht zuletzt auf Grund seiner Organisation der Qudditch Weltmeisterschaft im letzten Jahr, die für alle ein unvergessliches Erlebnis bleiben würde.

Darüber hinaus hatten sich unter seiner außenpolitischer Führung – denn das war im Grund sein bisheriger Job im Ministerium – die Beziehungen zu anderen Staaten enorm verbessert, weshalb er wahrscheinlich doch ein ernst zunehmender Kandidat war. Harry mochte ihn trotzdem nicht. Er hatte ihn letztes Jahr beim Trimagischen Tunier oft genug gesehen, um zu wissen, dass dieser Mann ihm mehr als unsympathisch war.
 

Wer blieb also noch? Rufus Scrimgeour. Ein Mann, von dem er nur wenig wusste. Offenbar war er zur Zeit der Leiter der Auroren und sein Mentor sollte Mad-Eye Moodey persönlich gewesen sein. Wenn er eine Jagd oder Mission anführte, konnte man in der Regel davon ausgehen, dass es nur wenig Opfer auf der eigenen Seite geben würde. Die andere jedoch...

Angeblich sollte er trotz allem einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn besitzen und man erzählte sich, er sei weniger konservativ als Crouch, Fugde und Dumbledore. Würde er selbst trotzdem für ihn stimmen?

Na ja... er war zumindest besser als Crouch und Lucius.
 

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Liebe Felice,
 

die Veränderung schickt ihre Boten voraus, bald wird England sich auf einen Weg befinden, den sich noch keiner von uns ausmalen kann. Dieses Jahr wird ein neuer Minister gewählt werden und ich habe das Gefühl, dass er alles, was bisher war, über den Haufen werfen wird, um eine neue Zeit einzuläuten. Klinge ich heute poetisch? Vielleicht liegt es daran, dass ich gerade mit Severus gesprochen habe, er schafft es wirklich immer wieder, die Muse in jedem Menschen zum Erwachen zu bringen, findest du nicht auch?

Und bevor du fragst: Nein, ich habe weder etwas genommen, noch Alkohol getrunken, noch sexuelle Praktiken vollzogen. Apropos, wie läuft es eigentlich zwischen dir und Regulus?
 

Ich hoffe, es geht dir wieder besser, als bei unserer letzten Begegnung.

In Liebe,

Harry

Confrontations

Beim Schreiben dieses Kapitels habe ich aus irgendeinen Grund die ganze Zeit „C'est bientôt la fin“ aus dem Musical Mozart L'Opera Rock gehört. Was ich merkwürdig finde, da das Kapitel nichts mit einem baldigen Ende zu tun hat... however, vielen Dank an meine liebste Beta, alle Kommischreiber des letzten Kapitels und natürlich auch an alle anderen Leser. <3 Wir haben die 300-Kommi-Grenze überschritten!!! ^o^ So viele hatte ich noch nie bei einer Fanfiction... *sich tierisch freut*

In diesem Kapitel werden euch weitere, mögliche Identitäten von Hermiones „Vollidiot“ angeboten. Ich bin wirklich sehr gespannt, wer von euch als erstes hinter die Wahrheit kommt. ^.~

Viel Vergnügen beim Lesen!

Liebe Grüße, eure Ayako

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Confrontations
 

Das Ende einer Ära
 

Ein Artikel von Rita Krimmkorn
 

Nun ist es offiziell: heute Morgen verkündete ein Sprecher des Zaubereriministeriums, dass Cornelius Fudge aus seinem Amt als Zaubereiminister zurücktritt.

Seit den grausamen Morden an mehreren Ministeriumsarbeitern und den Massenausbruch aus Askaban im letzten Jahr haben immer mehr Stimmen ein neues Staatsoberhaupt gefordert, da der Großteil der magischen Bevölkerung zu dem Schluss gekommen ist, der Minister sei „den Dingen nicht mehr gewachsen“.

Innerhalb der nächsten Tage wird der Hohe Rat zusammenkommen, um über einen neuen Minister zu entscheiden. Bisherige Kandidaten sind Lucius Malfoy, Bartemius Crouch und Rufus Scrimgeour, wobei bisherige Umfragen einen deutlichen Zuspruch für Mr. Crouch erkennen ließen.

Darüber hinaus wurde Albus Dumbledore als möglicher Kandidat vorgeschlagen, doch der Schulleiter von Hogwarts hat sich ein weiteres Mal entschlossen, in der Schule zu bleiben. „Zu diesen Zeiten“, sagt er bei einem Interview, „ist es das wichtigste, für die Sicherheit unserer Jugend zu sorgen. Wäre ich Minister, könnte ich dieser Aufgabe nicht mehr nachkommen und deshalb werde ich bleiben, wo ich bin.“

Doch was meint Dumbledore, wenn er von „diesen Zeiten“ spricht?

Waren die Morde und der Massenausbruch tatsächlich nur eine Aneinanderreihung von Zufällen und peinlichen Ausrutschern, wie das Ministerium es uns glauben machen will oder sind an den leisen Gerüchten, dass ein neuer dunkler Lord in England existiert, doch mehr dran, als man glaubt?

Fortsetzung des Artikels auf Seite 2.

Das ganze Interview mit Albus Dumbledore: Seite 3-4

Übersicht über die einzelnen Ministerkandidaten: Seite 4-7
 

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Selbst auf einer Beerdigung ging es fröhlicher zu. Oder lebendiger. Zumindest gab es dort in der Regel Emotionen aller Art, seien es Tränen, sei es ein verzweifeltes Lachen, sei es der Tratsch der ignoranten Dorfweiber, die nur erschienen waren, um einen Skandal zu beobachten. Es gab menschliche Geräusche.
 

Das Zaubertrankklassenzimmer jedoch war erfüllt mit einer beinahe totengleichen Stille, wären nicht die dampfenden Kessel, das gelegentliche Blättern in den Büchern und das Atmen der vier Anwesenden gewesen.

Nein, es war absolut kein Vergnügen hier jeden zweiten Abend zu fristen, beschloss Harry. Das interessante war nur, dass die bedrückende Atmosphäre nicht von dem Zaubertrankmeister ausging, der von ihr genauso irritiert zu sein schien, wie der junge Potter.

Vorsichtig sah er aus den Augenwinkeln zuerst zu Hermione und dann zu Draco, die jeweils am anderen Ende des Raumes Aufstellung genommen hatten und verbissen ihre Tränke zubereiteten. Dabei reagierten sie auf jegliche Ansprechversuche außerordentlich allergisch und schienen besonders den jeweils anderen vollkommen zu ignorieren.
 

Entweder hatte ihre gegenseitige Abneigung eine neue Dimension angenommen oder Draco war tatsächlich Hermiones „Vollidiot“. Obwohl Harry daran immer noch zweifelte. Er konnte es sich einfach nicht vorstellen, dass sein Bruder so ein egoistisches Schwein sein könnte, das noch nicht einmal den Anstand besaß, so etwas einem Mädchen ins Gesicht zu sagen. Außerdem war es vollkommen abwegig. Sie war eine Gryffindor, er ein Slytherin, sie eine Dumbledore-Anhängerin, er ein potentieller Todesser. Die beiden waren grundverschieden und sie hassten sich.

Ihr Verhalten war dennoch äußerst auffällig. Vielleicht sollte er sich demnächst mit ihnen unterhalten.
 

Es war ihre dritte Stunde. Die erste Woche nach den Ferien war demnach bereits wieder so gut wie vorbei. Keine besonderen Vorkommnisse. Kein Brief von Felice. Keine Nachricht vom dunklen Lord.

Nichts ungewöhnliches. Nur der alte, verstaubte Alltag. Im Grunde...

Moment.

//Keine Nachricht vom dunklen Lord? Harry, weißt du überhaupt, was du denkst?//

Offenbar nicht. Es war nicht gut, so zu denken. Das wusste er, seit sie sich das erste Mal gesehen hatten (und damit meinte er ihr erstes Treffen, an das er sich erinnern konnte und nicht jene Nacht, in der alles seinen Anfang genommen hatte). Es war nicht richtig. Es war gefährlich.

Doch vor allen Dingen war es bereits seit langem zu spät.

Aber auch diese Erkenntnis würde ihn nicht daran hindern, so lange wie möglich dagegen anzukämpfen – das war er seinem Stolz schuldig. Außerdem würde es diesem selbstverliebten Mistkerl gut tun, wenn er einmal nicht sofort bekam, was er wollte. Irgendjemand musste ihn doch erziehen.
 

„Entweder kehren Sie sofort in die Gegenwart zurück und retten Ihren Trank oder Sie können die kommende Woche bei mir nachsitzen, Potter“, riss ihn plötzlich Severus' äußerst gereizte Stimme aus seinen Gedanken. Der Mann war von diesen regelmäßigen Sitzungen ebenso begeistert wie seine Schüler und machte es ihnen jedes Mal aufs Neue deutlich. Wobei er mit seiner momentanen Rüge Recht hatte, da Harrys Trank gerade so aussah, als bereite er sich auf die Explosion seines Lebens vor.

Eilig machte er sich daran, ihn irgendwie zu retten, während Hermione und Draco in ihrer Arbeit innehielten und ihm interessiert zusahen. Wahrscheinlich hofften sie, dass es ihm nicht gelang, doch dummerweise interessierte ihn das Brauen von Zaubertränken genauso sehr wie Kochen und Backen, weshalb in seinem Kessel bald wieder die gewünschte Flüssigkeit schwamm.

Er sollte aufhören, bei der Arbeit an ihn zu denken. Das führte nur zu Schwierigkeiten.
 

„Wie schaffst du das nur immer?“, stöhnte Hermione, sobald Severus sich wieder zu seinem eigenen Trank verzogen hatte. (Nicht ohne Harry noch einmal einen äußerst wütenden Blick zuzuwerfen. Er schätzte es nicht, wenn sein „bester Schüler“ anfing zu schlampen.) „Ich wäre nun vollkommen aufgeschmissen gewesen.“

„Das kommt daher, weil Harry im Gegensatz zu dir weiß, wie man einen Zaubertrank braut, Granger“, bemerkte Draco boshaft.

Das Mädchen bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick. „Fahr zur Hölle, Malfoy.“

„Sorry, aber dort ist es mir entschieden zu warm“, entgegnete er und drehte sich demonstrativ wieder zu seinem Kessel um. „Außerdem habe ich keine Lust meinen Tod in deiner Gegenwart zu fristen.“

Hermione starrte ihn für ein paar Minuten mit bebenden Lippen an, bevor sie einen verärgerten Laut von sich gab und sich ebenfalls wieder ihrem Trank widmete.
 

Okay, es war doch ihre Abneigung, die neue Dimensionen angenommen hatte. Die Frage war: Wieso?

//Wenn Draco ihr Vollidiot ist...// Nein, Draco war nicht ihr Vollidiot. Warum dachte er überhaupt noch darüber nach? Es war abwegig. Vollkommen verrückt. //Genauso verrückt, wie deine Beziehung zu dem dunklen Lord meinst du?//

Gut, er würde mit einen von ihnen reden. Er musste es wissen, seine Neugier würde ihn sonst noch umbringen. Die Frage war nur, wen er damit konfrontieren sollte.
 

Ehe er jedoch weiter darüber nachsinnen konnte, klopfte es an der Tür und ein alter Mann mit langem Bart und Halbmondbrille betrat den Raum.

„Einen wunderschönen, guten Abend, meine Lieben“, sagte Albus Dumbledore munter und strahlte in die Runde. „Ich dachte, ich statte euch einen kleinen Besuch ab.“

Draco und Severus sahen so aus, als würden sie ihm dafür am liebsten an die Gurgel gehen. Hermione jedoch schenkte ihm ein leichtes Lächeln und wirkte sofort etwas entspannter, als zuvor. Kein Wunder. Es konnte für sie nicht leicht sein, mit zwei Slytherins in einem Raum zu sein, während die einzige Person, von der sie zumindest etwas Unterstützung erwarten könnte (Harry) sich wohlweislich aus allen Diskussionen und Auseinandersetzungen heraushielt.

Auch momentan beschränkte er sich darauf, dem Schulleiter einen leicht genervten Blick zuzuwerfen, ehe er damit fortfuhr, in seinem Kessel zu rühren. Er mochte es nicht, wenn man ihn bei seiner Arbeit unterbrach – da war er genauso wie Severus – und das würde er den Mann spüren lassen.
 

„Albus“, begrüßte der Zaubertrankmeister ihn mürrisch und ging langsam auf ihn zu. „Was führt dich zu uns? Wie du siehst, sind wir beschäftigt.“

„Oh, ich wollte mich nur vergewissern, dass unsere drei Zaubertrankspezialisten gut auf den kommenden Wettbewerb vorbereitet werden“, entgegnete der alte Mann, ohne sich in geringster Weise von der bedrückenden Stimmung stören zu lassen. Langsam begann er damit, durch den Raum zu wandern und zuerst Draco und danach Hermione wohlwollend über die Schulter zu schauen und ihnen die ein oder andere Frage zu dem Trank zu stellen, den sie gerade zubereiteten. Jeder von ihnen arbeitete übrigens momentan an einem anderen. Severus hatte ihnen heute zum Einstieg die Aufgabe gegeben, sie sollten sich einen anspruchsvollen Trank heraussuchen und versuchen, ihn zuzubereiten.
 

Harry hatte sich sofort Felix Felicis herausgesucht. Er hatte sich bereits seit langem damit beschäftigen wollen, hatte jedoch nie eine passende Gelegenheit gehabt, sich genauer damit zu befassen. Also tat er es jetzt, unter Severus' Aufsicht. Der Trank war anspruchsvoll genug, um ihm ein paar Probleme zu machen und so hatte er wenigstens etwas sinnvolles zu tun. Außerdem könnte ihm das Endprodukt irgendwann vielleicht sogar äußerst nützlich werden.

Draco kämpfte derzeit mit dem Vielsafttrank. Ebenfalls anspruchsvoll, aber eigentlich machbar.

Und Hermione... um ehrlich zu sein hatte er keine Ahnung, was das sein sollte, was da in ihrem Kessel gluckerte und nach ihrem Gesichtsausdruck zu schließen, war auch sie sich nicht absolut sicher. Ob es wirklich eine gute Idee war, sie an diesem Wettbewerb teilnehmen zu lassen?
 

Auch Dumbledore warf ihr einen skeptischen Blick zu, während sie ihren hochroten Kopf hinter dem Zaubertrankbuch vergrub, ehe er sich auf den Weg zu Harry machte.

„Ah, Felix Felicis“, sagte er, kaum hatte er den Inhalt des Kessels gesehen. „Ein wunderbarer Trank, aber nicht einfach.“

Harry schenkte ihm ein breites Grinsen. „Ich liebe nun einmal Herausforderungen, Sir.“

„Oh, daran zweifle ich nicht einen Augenblick“, erwiderte er mit einem großväterlichen Lächeln. „Ich freue mich zu sehen, dass du den Besuch bei deinen Eltern gut überstanden hast. Ich gebe zu, dass ich anfangs etwas besorgt um dein Wohlergehen war, doch nun...“ Er lächelte Harry weiterhin an und Harry lächelte zurück.

Die restlichen Anwesenden schwiegen währenddessen und beobachteten die Interaktion der Beiden aufmerksam. Hermione, weil sie dadurch sicherlich verwirrt war, Severus und Draco, weil sie wahrscheinlich von bestimmten Personen darauf angesetzt worden waren. Harry tippte insgeheim auf eine über besorgte Narcissa, auf eine neugierige Bellatrix und auf einen Stalker von dunklen Lord.

„Lily und James“, sagte er schließlich, „waren tatsächlich äußerst liebenswürdig. Es fällt mir immer schwerer zu glauben, dass sie mich damals wirklich einfach so verlassen wollten.“

Dumbledores Lächeln schwankte nur für einen kurzen Augenblick, doch es war lange genug, damit Harry es mitbekam. Hatte er soeben eine Schwachstelle getroffen? Oh ja.
 

„Es ist natürlich, dass du so denkst“, sagte der Schulleiter sanft. „Jeder würde es an deiner Stelle tun, mein Junge.“

„Ich bin nicht Ihr Junge'“, erwiderte er in einem höflichen Tonfall. „Diese Rolle hat Neville inne. Nicht ich.“

„Und wessen Junge bist du dann?“, fragte Dumbledore mit gehobenen Brauen.

„Der Junge einer einzigen Person“, erklärte Harry ihm mit ernster Miene. „Nämlich der von meiner Mutter Narcissa Malfoy.“

Er wusste, dass ihn nun wahrscheinlich alle verdutzt ansahen, man war es nicht gewohnt, dass er so leidenschaftlich von Narcissa sprach. Doch es war die Wahrheit und er wusste, dass Dumbledore es in seinen Augen sehen konnte.
 

„Ich verstehe“, flüsterte dieser, während er ihn eingehend betrachtete. „Dann hoffe ich, dass diese Meinung sich niemals enden wird, Mr. Malfoy. Oder darf man Sie nun endlich Mr. Potter nennen?“

Ohne weiter auf eine Antwort zu warten, strahlte er noch einmal zum Abschied in die Runde, ehe er das Klassenzimmer mit schnellen Schritt verließ.

Harry wandte sich sofort, als sei gerade nichts besonders vorgefallen, wieder seinem Felix Felicis zu, während er die Augen der drei anderen Anwesenden auf sich spüren konnte. Doch Harry würde ihnen keine Fragen beantworten. Weder jetzt, noch zu einem späteren Zeitpunkt.
 

„Aber...“, hörte er auf einmal Hermione murmeln, „es nennen ihn doch schon alle Mr. Potter.“

Draco und Severus schnaubten und machten sich wieder an die Arbeit, während Harry so tat, als hätte er es nicht mitbekommen.

Es war eben nicht um Namen gegangen. Es ging um seine Entscheidung. Die Entscheidung, von der alle wollten, dass er sie endlich traf. Jedoch wusste er nicht, ob er jemals bereit sein würde, sie zu treffen.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Wie jede Woche stand Draco auch heute wieder als erstes auf, nachdem Severus sie entlassen hatte und machte, dass er wegkam. Es wirkte auf Harry beinahe wie eine Flucht. Aber wovor? Normalerweise achtete er nicht weiter auf ihn – davon abgesehen, dass er ihm immer verdutzt hinterher sah – und wartete stattdessen auf Hermione, um mit ihr gemeinsam aus den Kerkern in den belebteren Teil Hogwarts zurückzukehren. Aber nicht heute.
 

Nach näheren Überlegen hatte er beschlossen, dass es besser wäre, seinen Bruder zur Rede zu stellen. Hermione... war ein Mädchen. Was nicht diskriminierend gemeint war, er wäre der letzte, der irgendetwas gegen Mädchen hätte. Allerdings war sie recht emotional und es war sehr wahrscheinlich, dass er sie zum Weinen bringen würde, sobald er versuchte, sie zur Rede zu stellen. Worauf er keine Lust hatte. Da war ihm ein – wenn er es wirklich dumm anstellte – aggressiver oder verletzender Draco Malfoy lieber. Zumindest konnte er damit ohne größere Problem – und ohne dass seine Kleidung wieder als Taschentuch verwendet wurde – umgehen. Er hatte genug Zeit zum üben gehabt.
 

Aus diesem Grund achtete er nicht weiter auf seine Freundin und seinen Paten, sondern eilte augenblicklich seinem Bruder hinterher, der es wieder einmal besonders eilig hatte.

„Draco!“, rief er.

Der Blondhaarige achtete nicht weiter auf ihn, sondern beschleunigte seinen Schritt nur noch. Nichts da. Harry war schon immer schneller gewesen.

„Draco!“, rief er deshalb noch einmal und legte einen kleinen Sprint ein, bis er direkt neben ihm lief.

„Was willst du?“, fragte Draco genervt, blieb allerdings immer noch nicht stehen.

Harry beschloss, erst einmal etwas Smalltalk einzulegen. „Warum hast du es nur immer so eilig? So schlimm ist Severus auch wieder nicht und selbst die Extrastunden sind so angenehm, dass selbst Neville sich wie Zuhause fühlen würde, zumindest für Sevs Verhältnisse. Außerdem ist Wochenende, Bruderherz und auch die Ausgangssperre beginnt für uns erst in einer guten Stunde. Es gibt keinen Grund, so ein Affentempo einzulegen.“
 

„Hast du keine Freunde, die du mit deinen sinnlosen Reden nerven kannst?“

„Nein, das hebe ich mir lieber für mein geliebtes Bruderherz auf“, entgegnete Harry munter und schaffte es damit endlich, ihn zum Stehenbleiben zu bringen. Wahrscheinlich, da sie nun weit genug vom Zaubertrankklassenzimmer entfernt waren.

„Dein geliebtes Bruderherz?“, wiederholte Draco schnaubend. „Du solltest dir selbst einmal zuhören, Harry. Nicht einmal Dumbledore würde dir das abkaufen.“

Er schenkte ihm ein breites Grinsen, ersparte sich aber jeglichen Kommentar. Stattdessen wurde er wieder ernst und fragte: „Ist irgendetwas geschehen?“

„Wie kommst du auf diese alberne Idee?“, fragte der Malfoy Erbe mit hochgezogenen Brauen und ähnelte damit auf eine unheimliche Art und Weise Severus.
 

„Du meinst, außer dein seltsames Verhalten, das du in letzter Zeit an den Tag legst?“

„Seltsames Verhalten?“

„Draco...“, seufzte Harry und lehnte sich mit verschränkten Armen an die nächste Wand. „Wir sind zusammen aufgewachsen. In vielerlei Hinsicht kenne ich dich besser, als sogar unsere...“, Draco warf ihm einen bösen Blick zu, was ihn die Stirn runzeln ließ. Hatte er irgendetwas verpasst? „Okay, deine Eltern. Ihnen kannst du zwar etwas vormachen, aber mir nicht! Ich weiß, wenn etwas nicht stimmt und du ein Problem hast und im Moment hast du eines. Sonst würdest du nicht jedes Mal so stürmisch aus Severus' Klassenraum stürzen und einen so großen Bogen um die Gryffindors machen.“

„Vielleicht gehe ich ihnen ja aus den Weg, weil du bei ihnen stehst?“, schlug Draco vor. „Bist du schon einmal auf die Idee gekommen, dass du vielleicht mein Problem sein könntest?“
 

„Tatsächlich? Was habe ich jetzt schon wieder verbrochen? Ah, lass mich raten. Ich habe deine Familie kaputt gemacht. Ich habe deine Eltern gegeneinander aufgehetzt. Ich habe euch alle verraten. Ich bin einfach so zu Menschen gegangen, die sich jahrelang nicht um mich gekümmert haben. Oh und ich bin natürlich mit Neville Longbottom befreundet, eine unverzeihliche Sünde.“

Wirkte es so, als strotze seine Stimme gerade mit Sarkasmus? Dann hatte er sein Ziel erreicht. „Oder ist es die Tatsache, dass Narcissa mich immer noch mehr zu lieben scheint als dich? Etwas wovon du genau weißt, dass ich es mir nicht ausgesucht habe und wofür ich nicht das mindeste kann? Oder...“, er legte eine kleine Kunstpause ein und tat so, als sei ihm eine erstaunliche Erkenntnis gekommen. „...bist es am Ende du, der sich von mir alleingelassen fühlt?“
 

Draco sah ihn schweigend an und wirkte nicht so, als würde er in nächster Zeit irgendetwas sagen. Deshalb stieß Harry sich seufzend von der Wand ab und ging ein paar Schritte auf ihn zu, bis nur noch ein Meter zwischen ihnen war. Freundschaftlich legte er ihm eine Hand auf die Schulter und sah ihn ernst an. „Du bist mein Bruder, Draco, so wie Narcissa meine Mutter ist und Lucius, trotz meiner vorübergehenden Wut, immer mein Vater bleiben wird. Ihr habt mich aufgenommen. Ihr habt mich der Mensch werden lassen, der ich jetzt bin. Ihr wart da, als ich jemanden gebraucht habe, der mich davor bewahrt, unterzugehen. Ihr seid meine Familie. Daran können weder meine biologischen Eltern noch Albus Dumbledore etwas ändern.“

„Dann komm nach Hause“, flüsterte Draco. „Komm zurück.“
 

Jemand, der ihn nicht kannte, hätte nicht den leicht flehenden, beinahe verzweifelten Ausdruck in seinen Augen erkannt. Er meinte es vollkommen ernst und er war notfalls sogar bereit, seinen Stolz über den Haufen zu werfen, solange Harry nur endlich wieder in das Hause Malfoy zurückkehren würde. Woher kam es nur, dass die Menschen bis zum äußersten gingen, um ihn wiederzubekommen?

Weil sie ihn tatsächlich liebten? Oder weil ihre Magie den Konflikt mit einem Tempus Amicus verabscheute?

Was immer es auch sein mochte, das Endergebnis war überaus rührend.

Wobei Harry das niemals laut gesagt hätte – Draco würde ihn töten.

Stattdessen klopfte er ihm auf die Schulter, ehe er sich wieder von ihm löste.

„Ich werde wieder zurückkommen, Draco“, versicherte er ihm.

Augenblicklich hellte sich die Miene seines Bruders etwas auf. Die Betonung lag auf dem etwas.

„Ich werde zurückkommen“, wiederholte Harry, „sobald Lucius über sein hohes Ross springt und mich persönlich darum bittet.“

Und schon war das etwas wieder verschwunden. „Das wird er niemals tun. Du kennst ihn.“

„Und du kennst mich. Doch ich wollte nicht über unsere Familienverhältnisse sprechen.“
 

Draco runzelte die Stirn und musterte ihn mit neuem Misstrauen. „Worüber dann?“

Direkt oder lange Vorrede? Direkt.

„Hermione.“

„Granger?“ Er war offenkundig verwirrt. „Was ist mit ihr? Bitte sag mir nicht, dass du mich über mein Verhalten ihr gegenüber...“

„Hermione“, unterbrach Harry ihn, „ist an dem Tag, an dem das Weihnachtsdinner war zu mir gekommen.“ Damit brachte er ihn zum Schweigen. „Sie war am Boden zerstört, hat geweint und sah noch grauenvoller aus, als sie es die letzten Tage tat.“

„Und was hat das mit mir zu tun?“, fragte Draco eine Spur zu emotionslos.

„Ich möchte nur wissen, ob du dieser Vollidiot bist, der ihr diesen Brief geschrieben hat, der ihr das Herz gebrochen hat“, sagte Harry in einem beiläufigen Tonfall. „Ich finde, die Frage ist berechtigt, wenn man bedenkt, wie es bei unserer kleinen Nachhilfestunde zugeht, vom normalen Unterricht ganz zu schweigen.“
 

Stille folgte auf seine Worte.

Bis sein Bruder in lautes Gelächter ausbrach. „Ich soll Granger einen Brief geschrieben haben, der ihr das Herz gebrochen hat?“, fragte er. „Bei Merlin, Harry, und da glaubte ich wirklich, du hättest keinen Sinn für Humor.“ Er schüttelte amüsiert mit dem Kopf und sah den nun mehr als verwirrten Potter an. „Ich würde ihr nicht einmal einen Brief schreiben, wenn mein Leben davon abhinge. Und selbst wenn, glaubst du wirklich, ausgerechnet ich wäre in der Lage, sie zu verletzen? Sie hasst mich, seit wir uns das erste Mal gegenübergestanden haben. Ein herzloser Brief – und ich nehme nun einmal an, dass er herzlos gewesen sein muss, da du ja nicht so wirkst, als würdest du mir den Inhalt in nächster Zeit näher erläutern – würde sie nur in ihrer Abneigung bestätigen. Wirklich, manchmal frage ich mich, wo du deine Ideen hernimmst.“
 

Elegant wirbelte er herum. „Wir sehen uns im Unterricht, Brüderchen.“

Im nächsten Moment war er bereits irgendwo in den Kerkern verschwunden. Harry sah ihm nachdenklich hinterher. Seine Reaktion war überzeugend genug gewesen. Also hatte er offenbar doch Recht damit gehabt, dass zwischen ihnen nichts in dieser Art vorgefallen war. Doch... wer war dann Hermiones „Vollidiot“?
 

Er sollte die Antwort eine Woche später auf eine Art und Weise erhalten, wie er es nie vermutet hätte.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

„Hast du schon gehört? Wir werden bald lernen zu apparieren!“, rief Stephen und ließ sich gegenüber Harry auf einen Stuhl nieder. Sie befanden sich in der Bibliothek, die noch einigermaßen leer war, aber von Tag zu Tag voller wurde. Man merkte, wie die Menge an Hausaufgaben mit jeder neuen Schulstunde zunahm.

„Ich freue mich schon riesig darauf!“, fuhr der Junge fort, während er damit begann, sein Tintenfass, eine Feder und mehrere Blätter Pergament auszupacken. „Das wird so cool werden! Endlich kann ich dorthin, wo ich will und das innerhalb eines einzigen Augenblicks!“ Fröhlich griff er nach dem Buch, in dem sein Zimmergenosse gerade blätterte und zog es zu sich. „Nanu? Was liest du denn da?“
 

„Ein Buch“, erklärte Harry ihm und holte es sich zurück. „Für den Aufsatz in Verwandlung solltest du übrigens einen Blick hinter dich werfen.“

„Bist du etwa schon fertig?“, fragte Stephen entgeistert. „Wann hast du das denn gemacht? Du bist jeden zweiten Tag bei Snape und paukst für diesen komischen Wettbewerb, hilfst Longbottom dabei, in Zaubertränke nicht durchzufliegen, sitzt über all den anderen Hausaufgaben und führst nebenbei auch noch Selbststudien durch? Sag mal, schläfst du überhaupt?“

„Ob du es glaubst oder nicht: Ja, ich schlafe. Acht Stunden jede Nacht übrigens.“

Stephen verdrehte die Augen und setzte zu einer Antwort an, als etwas hinter Harry seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Seufzend begann er damit, seine Sachen wieder zusammenzupacken und stand auf. „Da kommt Longbottom. Viel Spaß mit dem hochwohlgeborenen Auserwählten, Harry. Du hast echt mein Mitgefühl. Aber hey, immerhin kannst du auch bald apparieren. Dann kannst du ihm ganz schnell entkommen.“
 

Ehe er jedoch verschwinden konnte, hatte Neville sie bereits erreicht und ließ sich ohne eine Begrüßung neben Harry nieder. „Du wirst nie glauben, was soeben geschehen ist!“

„Und so wie du aussiehst, will ich es auch gar nicht wissen“, kommentierte er seufzend und verabschiedete sich innerlich bereits von seiner Chance, mit seinen Recherchen über Animagi fortzufahren. Neville sah zu aufgeregt aus, um in nächster Zeit mit dem fertig zu werden, was er ihm nun erzählen wollte.

„Gut gesprochen, Harry“, kommentierte Stephen, wurde jedoch von dem Gryffindor ignoriert.

„Hermione. Ich habe herausgefunden, wer der Typ ist, der ihr diesen Brief geschrieben hat.“
 

Das überraschte Harry. Hermione hatte ihm tatsächlich davon erzählt? Hätte er ihr gar nicht zugetraut. „Und wer ist es?“

„Ich kann es ehrlich gesagt selbst gar nicht glauben“, erklärte Neville. „Weißt du, ich dachte eigentlich, die beiden hassen sich und ich weiß nicht wirklich, ob ich damit klarkommen werde, dass sie jetzt ausgerechnet mit ihm zusammen ist. Zumindest scheinen sie ihre Differenzen inzwischen geklärt zu haben, da sie jetzt offenbar ein Paar sind.“

„Neville, mach es nicht spannender, als es ist. Wer ist es denn nun?“

„Ronald Weasley.“
 

Hinter sich hörte Harry etwas zerbrechen und als er sich umdrehte, konnte er Draco ein paar Schritte entfernt stehen sehen. Vor ihm breitete sich ein schwarzer Tintensee aus, in dem vereinzelte Scherben lagen. Sein Blick war stur auf Neville gerichtet und zeigte pure Fassungslosigkeit. „Granger und Weasley?“, fragte er ungläubig. „Ein Paar?“

„Ja, Malfoy“, entgegnete er feindselig. „Ein Paar.“

„Oh mein Gott“, murmelte Draco spöttisch. „Da muss ich mich am besten gleich hinsetzen, das ist ja der Schock des Tages. Die Streberin und das feige Huhn, eine bessere Kombination kann es überhaupt nicht geben.“

„So selten ich auch mit dir einer Meinung bin, so hast du doch vollkommen Recht“, sagte Stephen zustimmend. „Die beiden passen absolut nicht zueinander.“

Neville nickte widerstrebend und auch Harry konnte nicht anders, als ihre Meinung zu teilen. Hermione Granger und Ronald Weasley? Gut, diesem Volltrottel traute er es gewiss zu, sich wie ihr „Vollidiot“ zu verhalten, aber...

Draco hatte etwas fallen lassen, oder nicht? Wirklich aus Überraschung, wie er es behauptete? Oder hatte es etwas vollkommen anderes zu bedeuten? Wahrscheinlich interpretierte er einfach zuviel hinein. Und zuallererst würde er es überhaupt mit seinen eigenen Augen sehen müssen, was Neville da voller Überzeugung behauptete.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Er hatte Recht und diese Tatsache wurmte Harry ungemein. Wie konnte das die Wirklichkeit sein? Wie konnten Hermione Granger und Ronald Weasley zusammen sein? Das war, als würde er jetzt plötzlich mit Cho Chang zusammenkommen.

Es war ein offenes Geheimnis, dass der Rothaarige einen Narren an ihr gefressen hatte und bereits seit Jahren regelmäßig Annäherungsversuche gestartet hatte, die sie jedes mal mehr oder minder eindeutig zurückgewiesen hatte. Dass sie nun plötzlich damit begonnen haben sollte, seine Gefühle zu erwidern, war mehr als unwahrscheinlich.

Trotzdem saßen sie nebeneinander. Trotzdem sprachen sie miteinander. Und trotzdem waren dort all diese Kleinigkeiten, die einem genau sagten: Ja, das war ein Paar.
 

Wann? Wie? Wo? Warum?

War er wirklich so blind gewesen, dass er es nicht bemerkt hatte? Nein, so blind konnte man nicht sein. Wenn Ronald auch nur eine Chance darauf gehabt hätte, mit ihr auszugehen – und laut Hermione war genau das mit ihrem „Vollidioten“ passiert – hätte er in der ganzen Schule damit geprahlt. Selbst, wenn sie ihn darum gebeten hätte, es niemanden zu erzählen, er hätte es jemanden erzählt. Und warum gerade Ronald Weasley? Er war ein Niemand. Ein Nichts. Der Außenseiter von gesamt Hogwarts. Nicht einmal die Lehrer kamen mit ihm klar, geschweige denn jemand wie Hermione, deren ganzes Wesen darauf zielte, aufzusteigen, bis an die Spitze zu klettern und sich von dort niemals herunterreißen zu lassen. Selbst wenn der unwahrscheinlich Fall eintreten und sie sich tatsächlich in ihn verlieben sollte, würde allein ihre Vernunft verhindern, dass sie tatsächlich eine Beziehung mit ihm einging. Auch wenn Hermione ein Mädchen war, so war sie ebenso wie Harry viel zu rational, um sich von ihren Gefühlen ins Verderben leiten zu lassen.

Irgendetwas ging hier absolut nicht mit rechten Dingen zu, besonders, weil es sogar ihn brennend interessierte, während ihn andere Klatschgeschichten eiskalt ließen. War es, da eine seiner Freunde betroffen war? Oder...?
 

„Nein, ich verstehe sie nicht“, sagte Cho, die sich in diesem Moment auf einen leeren Platz neben Harry niederließ. Konnte sie sich nicht auch mal jemand anderem aufdrängen? „Wie kann sich jemand auf diesen Loser einlassen, wenn sie dich oder Neville haben könnte?“

„Vielleicht weil sie weiß, wie ich und Neville sind und deshalb zu dem Schluss gekommen ist, dass sie bei einem Loser besser aufgehoben ist?“, schlug Harry vor. Einige Schüler, die in der Nähe saßen, grinsten breit, während sie auf ihre Erwiderung warteten. Sie wurden nicht enttäuscht.

„Was redest du da nur für einen Unsinn? Ihr beide seid so gut aussehend und einfach nur cool. Niemand mit gesundem Menschenverstand würde Weasley über euch wählen!“

„Und niemand mit gesundem Menschenverstand würde dir noch ernsthaft zuhören, wenn du dich ihnen so aufdrängst, wie du es bei Harry tust“, meinte Anthony Goldstein spitz. „Deshalb kann man nur daraus schließen, dass beide einfach zu nette Menschen sind, ansonsten würden sie sich nie mit euch abgeben.“

„Halt deinen Mund, Goldstein“, erwiderte Cho verärgert. „Du bist ja nur eifersüchtig.“

„Auf dich? Sicher nicht.“
 

Ehe die ganze Situation eskalieren konnte, legte Harry Cho beschwichtigend eine Hand auf den Arm und warf Anthony einen warnenden Blick zu. Keine Sekunde zu früh.

„Gibt es hier irgendein Problem?“, quiekte Professor Flitwick und sah sie alle nacheinander an.

„Nicht im Geringsten, Professor“, entgegnete Harry sofort mit einem strahlenden Lächeln, was den kleinen Mann zu irritieren schien, zumindest blinzelte er verwirrt. „Wir hatten nur eine kleine Diskussion über die aktuelle politische Lage. Anthony und Cho sind dabei wohl etwas zu leidenschaftlich vorgegangen, wenn es Sie dazu brachte, uns aufzusuchen. Wie ist eigentlich Ihre Meinung dazu?“

„Meine Meinung?“, rief er überrascht. „Nun ja... das ist tatsächlich eine gute Frage. Also, wenn Sie es wirklich wissen wollen, dann...“

„...hat Politik nichts in Hogwarts zu suchen“, beendete Dumbledore freundlich seinen Satz. Wann war er denn hierhergekommen? Hatte er sich nicht gerade noch mit Professor McGonagall unterhalten? „Zumindest sollten wir nicht unsere Schüler bei ihrer Meinungsbildung beeinflussen, indem wir ihnen die unsrige aufdrängen. Finden Sie nicht auch, Mr. Potter?“

Harry schenkte auch ihm ein strahlendes Lächeln. „Natürlich, Sir. Es ist sehr vorbildlich, dass Sie es jedem von uns freistellen, seine politische Gesinnung auszubilden. Besonders, wenn man bedenkt, wie erfolgreich sie hinterher gegen all jene vorgehen, die der Ihrigen widersprechen.“
 

Alle, die das Gespräch verfolgt hatten, atmeten geräuschvoll ein und kurze Zeit später hatte sich absolute Stille in der Großen Halle ausgebreitet. Alle sahen zu ihnen hinüber. Alle warteten auf das, was kommen würde. Niemand wagte es, so mit Dumbledore zu reden. Entweder respektieren sie ihn zu sehr oder er war es ihnen einfach nicht wert. Niemand kritisierte ihn öffentlich. Und genau deshalb wusste niemand, wie er darauf reagieren würde.

Harry musste zugeben, dass er selbst auch gespannt war. Zurücknehmen würde er seine Worte jedenfalls nicht. Jedes einzelne war ihm ernst gewesen und er gehörte nicht zu den Menschen, die sich von anderen so sehr einschüchtern ließen, dass sie von ihren Überzeugungen abwichen.
 

Schließlich, nach gefühlten zehn Minuten, lächelte Dumbledore. „Was halten Sie davon, wenn Sie nachher in mein Büro kommen und wir uns bei einer Tasse Tee genauer über diese politischen Gesinnungen unterhalten, Mr. Potter? Selbstverständlich nur, wenn es Ihre Hausaufgaben zulassen. Ich wäre der Letzte, der Sie bei Ihren Studien stören würde.“

Eine nach außen höflich wirkende Frage, hinter der sich in Wahrheit ein eisiger Befehl verbarg. Wie schafften er und der dunkle Lord das nur immer? Er würde die beiden in Zukunft genauer beobachten müssen, um das herauszufinden.

Doch zuerst galt es, ihm eine gleichwertige Antwort zu geben. „Es wäre mir eine außerordentliche Freude, Professor.“

Harry - The Therapist

Hallo ihr Lieben!

Heute an diesem – bei mir – sehr grauen Donnerstag gibt es ein Lichtblick am Horizont: Ein neues Kapitel von Time Changed... *von einer Tomate beworfen wird*

Okay, okay, dann eben kein Lichtblick. Ein neues Kapitel gibt es trotzdem. Und dazu kommt ein großes Dankeschön an meine liebe Beta, an die Kommischreiber des letzten Kapitels und alle anderen Leser.
 

Viele von euch haben angemerkt, dass sie das Pairing Ron/Hermione ebenso sehr lieben wie ich, nämlich gar nicht. Trotzdem muss ich an dieser Stelle verkünden, dass es eine ganze Weile bestehen bleiben wird. Aber macht euch keine Sorgen, es wird keinesfalls eine glückliche, kitschige Beziehung werden und Hermione wird sich bald wünschen, sie hätte sich niemals auf ihn eingelassen. Was ihren „Vollidiot“ anbelangt: Ich bin immer noch gespannt, wer von euch als erstes die RICHTIGE Theorie aufstellen wird. *grins*
 

Aber solange wünsche ich euch erst einmal viel Vergnügen mit einer kleinen Nagini-Voldemort-Abraxas-Szene. Was der alte Malfoy wohl bei seinem alten Freund will?

Liebe Grüße, eure Ayako

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Harry – The Therapist
 

Zusammengerollt lag Nagini vor dem Kamin und genoss die Wärme, während ihre Augen verärgert auf ihren Meister gerichtet waren, der wieder einmal viel zu beschäftigt war, um ihr seine Aufmerksamkeit zu widmen. Was für eine Ungerechtigkeit! Kaum war Harvey-Harry hier gewesen, hatte er alles stehen und liegen lassen, nur um ihn wie ein Schatten durch das ganze Haus zu folgen. Als ob dieser elende Junge das nicht allein hinbekommen hätte! Er war ein – fast – erwachsener Mann. Er brauchte keinen Bodyguard. Überhaupt, was fiel ihm eigentlich ein, ihren Meister so zu behandeln, wie er es tat?

Er beleidigte ihn. Er machte sich über ihn lustig und insgeheim – davon war sie überzeugt – ging es ihm nur um seine Macht! Oh ja, Harvey-Harry war schlecht für ihren Meister! Er lenkte ihn von seinen Zielen ab und ließ ihn glauben, dass er ihm vertrauen könnte! Als ob das stimmen könnte. Er war sicher ein Spion von Duddelbore und sein einziges Ziel war es, ihren Meister zu vernichten!

Doch das würde sie zu verhindern wissen, oh ja! Niemand, nicht einmal dieser seltsame Junge mit der zugegebenermaßen wohltuenden Aura hatte das Recht, ihn zu hintergehen! Er würde schon noch sehen, was er davon hatte.
 

Zufrieden stieß sie ein leises Zischen aus, was ihren Meister überraschenderweise dazu brachte, leise zu glucksen.

Wessen Tod planst du gerade, meine Liebe?“, fragte er amüsiert und blickte tatsächlich von den Papieren auf, die Lucius Malfoy ihm vor einer Weile gebracht hatte. Tod... kein schlechter Gedanke. Doch sie würde Harvey-Harry nichts zu Leide tun. Auch, wenn sie ihn nicht mochte – und bezweifelte, ihn jemals mögen zu können – so war er ihrem Meister wichtig. Obwohl es ihr gar nicht gefiel, schien er ihn tatsächlich zu brauchen, nicht nur für den Krieg, sondern auch für sein eigenes Seelenheil und somit würde sie ihn in Frieden lassen. Doch ihre Augen würden offen sein. Und sollte er auch nur eine falsche Bewegung machen, konnte er sein blaues Wunder erleben.

Niemandes Tod“, sagte sie träge. „Ich bin nur gelangweilt. Die letzten Tage sind recht ereignislos gewesen und auch Ihr tut nichts anderes mehr, als zu arbeiten. Wenn doch nur Gellert wieder hier wäre. In seiner Gegenwart habt ihr zumindest noch Klavier gespielt und nicht nur gearbeitet oder über Büchern gebrütet.

Er nickte langsam. „Es ist wahr“, sinnierte er. „Als er noch lebte, war vieles anders. Doch diese Zeit ist vorbei. Er ist tot und wird auch nie wiederkommen.

Als dieser Junge hier war, habt Ihr auch aufgehört zu arbeiten“, bemerkte sie spitz.
 

Er richtete seinen Blick auf dieses Bild von Harvey-Harry, das nach wie vor auf seinem Schreibtisch stand und lächelte leicht. „Ja, es stimmt. Harry... ist eine Wohltat.

Eine Wohltat“, wiederholte sie spöttisch. „Dieses Kind?

Er ist kein Kind, Nagini“, entgegnete er, ohne sie anzusehen. „Ich glaube, er ist nie ein Kind gewesen.

Könnten Schlagen ihre Augen verdrehen, würde sie das in diesem Augenblick machen. Was war an diesem Jungen nur so besonders? Er hatte doch sie! Das war in den vergangenen Jahren auch immer genug gewesen. Warum also jetzt nicht mehr? Beleidigt rollte sie sich noch mehr zusammen, als sie es zuvor getan hatte und schmollte. Was wie immer nicht bemerkt wurde. Gemeinheit!
 

Mehrere Minuten lang herrschte Stille, doch plötzlich konnte sie in der Ferne langsame Schritte hören, die immer näher kamen. Neugierig blickte sie auf und kurze Zeit später betrat Abraxas Malfoy den Raum. Sofort hob sich ihre Stimmung schlagartig. Der Mann war der älteste Freund ihres Meisters und hatte ihm in den letzten Jahren stets geholfen. Auf ihn konnte man sich verlassen. Er folgte ihm nicht wegen seiner Macht. Er war anders als dieser Harvey-Harry, oh ja!

Allerdings sah er seltsam aus. Er zitterte und sah sehr weiß aus. War das ein schlechtes Zeichen?
 

Ihr Meister sprang auf, sobald er ihn sah und breitete zur Begrüßung seine Arme aus. „Abraxas, was für eine wunderbare Überraschung! Was führt dich zu mir?“

Das Oberhaupt der Familie Malfoy lächelte und ließ sich von ihm auf einen Sessel dirigieren. „Brauche ich einen Grund, um meinen besten Freund zu besuchen, Tom?“

„Nein, natürlich nicht“, erwiderte er, während seine Augen besorgt seine Erscheinung abtasteten. „Möchtest du etwas trinken oder essen?“

„Ein Glas Elfenwein wäre bezaubernd“, sagte Abraxas. „Wenn es dir keine Umstände macht.“

„Sei nicht albern“, ihr Meister schwang mit seinem Zauberstab und im nächsten Moment hatten sie beide Gläser in der Hand. „Du wirst mir niemals Umstände machen, mein alter Freund. Deshalb sage mir endlich, warum du hier bist. Ich kenne dich nun lange genug, um zu wissen, dass dich etwas beschäftigt.“
 

Der Malfoy nippte an seinem Wein, ehe er ihm antwortete: „Du hast natürlich Recht. Ich... muss mit dir eine Sache von höchster Wichtigkeit besprechen.“

Beunruhigt entrollte sich Nagini und schlängelte sich zu ihnen hinüber. Sein Tonfall gefiel ihr nicht im Geringsten.

„Worum geht es?“, fragte ihr Meister und musterte ihn ausdruckslos. Langsam glitt sie auf seine Sessellehne und sah über seine Schulter hinweg zu dem Mann hinüber, der ihr sofort ein begrüßendes Nicken schenkte.

„Sieh mich an, mein Freund“, begann er. „Die Zeit hat ihre Spuren hinterlassen. Ich bin alt geworden und glaube nicht, noch lange auf dieser Erde wandeln zu können. Mein Leben neigt sich dem Ende zu.“

Was? Das war doch nicht sein Ernst! Doch ihr Meister nickte langsam, was bedeutete, dass es doch sein Ernst war. Aber das konnte nicht sein! Nicht Abraxas!
 

„Es war ein gutes Leben. Ich habe großartige Freunde gehabt und eine wunderbare Frau. Ich habe dir und Gellert helfen können, die Welt ein kleines bisschen besser zu machen. Ich habe eine Sohn und zwei bezaubernde Enkel. Ich habe genug erreicht und werde dem Tod mit Fassung ins Auge blicken können. Aber ich sorge mich um die, die ich zurücklassen werde.“ Er fixierte die Augen ihres Meister mit einem ernsten Blick. „Ich weiß, dass du ein Auge auf Harvey und Lucius haben wirst. Mein Sohn ist dir bereits ein guter Berater und vielleicht sogar ein Freund geworden. Was deine Beziehung zu meinem Adoptivenkel anbelangt, gebe ich zu, dass ich sie nicht ganz durchschaue, doch ich bin mir sicher, dass er jemand ist, auf den du aufpassen wirst. Auch Narcissa bereitet mir keine Sorgen. Sie ist stark und lebt durch ihre Familie. Nun bleibt nur noch Draco und er ist es, wegen dem ich zu dir komme.“
 

„Ich kann nichts für deinen Enkel tun, Abraxas“, sagte Naginis Meister langsam. „Er ist ein guter Junge, gewiss, doch...“

„Du hast es erfasst. Er ist ein Junge. Ein Kind. Harvey ist seit dem Tag, an dem ich ihm das erste Mal begegnete viel zu erwachsen gewesen, doch Draco ist ein Kind. Ich möchte nicht, dass du ihm irgendeine Sonderbehandlung zuteil werden lässt oder ihm das Leben auf irgendeine Art erleichterst. Ich wünsche mir nur, dass du bedenkst, dass er tatsächlich ein Kind ist und ihm die Fehler seiner Jugend verzeihen wirst, sollten sie sich jemals offenbaren. Er weiß es nicht besser, Tom. Er würde unserer Sache niemals willentlich schaden.“

„Von welchen Fehlern sprichst du?“, fragte er misstrauisch. „In was hat sich dein Enkel hinein manövriert?“
 

„Das ist etwas, das du selbst herausfinden musst“, erwiderte Abraxas gelassen. „Doch versprich mir, dass du ihn nicht für Fehler bestrafen wirst, die er seiner Jugend zu verschulden hat. Er wird dir eine große Bereicherung werden, da bin ich mir sicher.“

Nagini verengte ihre Augen. Wovon sprach er? Was war mit seinem seltsamen Enkel? Und was sollte das für ein Fehler sein? Es war alles höchst verdächtig.

„Nun gut“, flüsterte ihr Meister plötzlich. „Ich verspreche dir, ihn nicht für Dinge zu bestrafen, die seiner Jugend zu Schulde kommen. Aber für alles weitere kann ich nicht garantieren.“

„Selbstverständlich“, sagte Abraxas und lächelte erleichtert. „Ich danke dir, Tom.“
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Harry war nicht oft im Büro des Schulleiters. In der Regel war dies ein Ort, dem er lieber aus dem Weg ging. Allerdings musste auch er zugeben, dass es äußert beeindruckend war. Die Portraits an den Wänden schliefen, als er den Raum betrat – oder taten sie nur so – und Dumbledores Phönix, dessen Name Fawkes war, soweit er sich erinnerte, saß auf seiner Stange und fixierte ihn sofort mit seinen unergründlichen Augen. Dies brachte ihn dazu, sich zum wiederholten Male zu fragen, warum er sich gerade Albus Dumbledore als Besitzer ausgesucht hatte. Seinen bisherigen Recherchen nach, waren Phönixe nicht dafür bekannt, sich Menschen anzuschließen. Sehr mysteriös.

Zwei weitere Gegenstände, die ihm ins Auge fielen, waren der sprechende Hut, der wahrscheinlich bereits das nächste Lied dichtete und das Schwert von Gryffindor, dass Neville damals aus der Kammer des Schreckens mitgebracht hatte und seitdem von Dumbledore verwahrt wurde. Der Schulleiter selbst war nirgends zu sehen, doch das hatte nichts zu bedeuten. Würde ihn nicht wundern, wenn er ihn von irgendwo aus beobachtete.
 

Severus hatte ihm bereits die Hölle heiß gemacht. „Bist du nicht ganz bei Sinnen?“, hatte er gefragt, als er ihn nach dem Abendessen abgefangen und in eine dunkle Ecke gezogen hatte. „Wie bist du auf die geniale Idee gekommen, Albus Dumbledore vor der ganzen Schule zu provozieren? Du weißt doch, dass er nur nach einer Gelegenheit gesucht hat, dich in sein Büro zu locken und mit dir allein zu sprechen. Er braucht dich Harry, genauso wie der dunkle Lord dich braucht und er wird alles tun, um dich zu bekommen.“
 

//Das werden beide//, dachte Harry mit einer Spur Sarkasmus und schloss die Tür des Büros hinter sich. //Bisher macht der dunkle Lord einfach nur einen besseren Job. Aber jetzt hat Dumbledore die Chance, zuzuschlagen. Mal sehen, wie er sie nutzen wird.//

„Professor?“, rief er und sah sich misstrauisch um.

„Ah, Harry!“, antwortete auch sofort seine über motivierte Stimme und kurz darauf kam er hinter einer Säule hervor. „Wie schön, dass du kommen konntest! Setz dich doch, mein lieber Junge und mach es dir bequem. Immerhin sind wir nicht hier, um eine Strafe abzusitzen, sondern um uns ein wenig zu unterhalten, nicht wahr?“

„Selbstverständlich, Sir“, erwiderte Harry höflich und ließ sich auf einem gemütlichen Sessel vor Dumbledores Schreibtisch nieder, während er sich dahinter auf einen Stuhl platzierte und ihn anstrahlte. „Allerdings wäre es sehr freundlich, wenn Sie endlich aufhören würden, mich als Ihren Jungen zu bezeichnen.“

„Natürlich, mein lieber Junge“, entgegnete er immer noch strahlend. „Doch lass uns nicht weiter auf unseren Differenzen herumpochen, sondern lass uns etwas suchen, was uns verbindet.“
 

„Und was soll das sein?“, fragte Harry mit gehobenen Brauen.

„Zu Anfang würde ich eine Tasse Tee vorschlagen?“, begann er. „Möchtest du lieber Earl Grey oder Grünen Tee oder eine gänzlich andere Sorte?“

„Earl Grey wäre wunderbar“, erwiderte der Schüler herzlich, beschloss aber, vorsichtig zu sein. Am Ende würde seine Tasse voller Veritaserum sein. //Dann hätte Severus dich gewarnt.//

Nicht, wenn er es nicht wusste.

Trotzdem nahm Harry dankbar eine Tasse des Tees entgegen und nippte daran. Zumindest schmeckte es nicht auffällig, doch das hatte nichts zu bedeuten.
 

„Ich muss sagen“, fuhr Dumbledore nach einem Moment der Stille fort, „dass mich dein Verhalten heute in der Großen Halle überrascht hat. Einen solch... rebellischen Tonfall ist man nicht von dir gewohnt. Aber mach dir keine Sorgen, ich bin nicht verärgert. Jeder hat sein gutes Recht, seine Meinung zu äußern, auch wenn die deinige äußerst betrüblich ist.“ Seine Augen wurden ernst, während er ihn durch seine Halbmondbrille hinweg anstarrte. „Ich bereue es jeden Tag aufs Neue, dass ich es zuließ, dass du in Malfoy Manor aufwachsen musstest, Harry, denn dadurch habe ich dich im Grunde direkt in Toms Arme getrieben.“

„Dann hätten Sie vielleicht früher über ihr Handeln nachdenken sollen, Sir“, meinte Harry schulterzuckend und sah zu dem Phönix hinüber, der ihn wie sein Herr neugierig musterte. Sie waren wirklich wunderschöne Wesen.
 

Dumbledore seufzte leise. „Du hast Recht. Ich habe einen großen Fehler begangen und...“

„Soweit waren wir bereits, Professor. Ich weiß, dass Ihnen alles Leid tut und Sie es bereuen. Doch es ändert nichts. Es ändert nicht, dass ich in einer schwarzmagischen Familie aufgewachsen bin, noch dass meine biologischen Eltern mich im Stich gelassen haben oder dass ein dunkler Lord alles versucht, um mich auf seine Seite zu ziehen. Es ist mir egal, warum geschehen musste, was geschah und inwiefern Sie daran beteiligt sind, denn es wird nichts ändern.“

„Ja, es wird nichts ändern“, stimmte der Schulleiter ihm zu. „Auch nicht die Tatsache, dass du ein Tempus Amicus bist.“

Für den Hauch einer Sekunde war Harry zu überrascht, um überhaupt etwas zu tun, doch dann breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. „Ah, Sie haben sich also endlich dazu entschlossen, die Katze aus dem Sack zu lassen. Finden Sie nicht, dass Sie sechs Jahre zu spät kommen?“
 

„Harry...“

„Sie haben es meiner Mutter gesagt“, fuhr er fort, „und damit meine Familie zerstört. Sie haben es meiner Mutter gesagt, damit Sie sie dazu überreden konnten, mich in Ihre Obhut zu geben. Sie haben es meiner Mutter erzählt...“

„...um dich zu retten“, sagte er und brachte ihn damit zum verstummen. „Ich habe es ihr gesagt, damit sie die Gefahr sieht, die über dir schwebt, dich umgibt und dich irgendwann auffressen wird, wenn niemand dafür sorgt, dass du davor geschützt wirst. Das Schicksal eines Tempus Amicus...“

„...führt ihn stets an den Rand der Verzweiflung, in ungeahnte Schmerzen und oft in die Einsamkeit“, vollendete Harry seinen Satz.
 

„Ich weiß, Sir. Ich weiß, dass es ein Fluch ist, ich weiß, dass es gefährlich ist, aber das können weder Sie noch ich ändern. Das Schicksal lässt sich nicht betrügen und das wissen Sie ebenso gut wie ich. Sie können mich nicht davor beschützen. Sie können nur dafür sorgen, dass es nicht noch mehr Menschen erfahren.“

Er sah ihm entschlossen in die Augen. „Ich bin immer noch ein Schüler, Sir. Ich möchte bis zum Ende meiner Schulzeit Frieden haben und nicht bei jeder Person, die mit mir redet befürchten müssen, dass sie nur einen Tempus Amicus suchen und keinen Freund. Lassen Sie mich noch eine kleine Weile in der Illusion leben, dass mein Leben und meine Entscheidungen nicht so wichtig ist, wie die Realität besagt. Das ist das Einzige, was ich jemals von Ihnen verlangen werde.“
 

„Was ist mit Tom?“, fragte Dumbledore. „Wird er diese deine Entscheidung akzeptieren?“

„Bisher hat er es jedenfalls getan“, sagte Harry. „Warum sollte er sich nun also um entscheiden?“

„Weil er ein dunkler Lord ist, Harry“, erklärte er ihm ernst. „Weil er nicht weiß, was Liebe, Ehre, Mitgefühl und Verständnis sind.“

Das war eine Lüge. Harry wusste, dass Tom diese Gefühle kannte. Er hatte sie in dem Lied gehört, das Mira ihm gezeigt hatte. Außerdem hatte er es in seinen Augen gesehen, wenn sie beisammen waren. Er mochte ein dunkler Lord sein und ein egoistischer, selbstverliebter, besitzergreifender, tyrannischer Stalker, doch er kannte Liebe, er kannte Freundschaft und er wusste, was notwendig war, um sie aufrecht zu halten. Seine Beziehung zu Abraxas war der beste Beweis. Darüber hinaus würde Felice niemals zulassen, dass Tom ihn so behandelte, wie er es tat, wenn da nicht zumindest ein Stückchen Wahrheit in seinen Taten war – oder?

Nicht, dass er das dem Schulleiter auf die Nase binden würde.
 

„Ich weiß, was Sie von mir wollen, Sir“, sagte er stattdessen leise. „Sie wollen meine Unterstützung. Sie wollen, dass ich Neville dabei helfe, den dunklen Lord zu vernichten. Wer weiß, wäre ich bei meinen Eltern aufgewachsen, würde ich dies vielleicht tatsächlich tun. Als Kind habe ich zu Ihnen aufgeblickt, müssen Sie wissen. Sie waren für mich der Großvater, den ich nie gehabt hätte. Aber ich habe die andere Seite des Krieges kennengelernt. Ich habe gesehen, wie sehr Schwarzmagier jeden Tag leiden, nur weil sie mit dieser Form der Magie geboren wurden. Und ich habe gesehen, was Sie tun, um Ihre Ziele zu erreichen.

Ich weiß, dass Sie ein guter Mensch sind und dass sie nur das beste für uns alle wollen. Doch oft sind es unsere besten Absichten, die die schlimmsten Folgen haben.“
 

Vorsichtig stellte er seine immer noch volle Tasse auf dem Schreibtisch ab und stand auf. „Ich danke Ihnen, dass ich noch eine Weile Hogwarts besuchen darf, aber bitte versuchen Sie es gar nicht erst, mich für Ihre politischen Ziele zu gewinnen. Sie würden nicht nur meine, sondern auch Ihre Zeit damit verschwenden.“

Der Mann sah plötzlich sehr alt aus. „Du hast dich also für Tom entschieden“, sagte er resigniert.

Doch Harry schüttelte mit dem Kopf. „Ich habe mich für niemanden entschieden. Noch nicht. Ich bin ein Tempus Amicus, Sir, und ich liebe diese Welt. Ich liebe dieses Leben, ich liebe die Freiheit, ich liebe die Gerechtigkeit und vor allem liebe ich den Frieden. Ich werde niemanden unterstützen, der all diese Dinge zerstören würde.“

Mit diesen Worten drehte er sich um und hatte kurz darauf das Büro verlassen.
 

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Am nächsten Tag hatte er Verwandlung, das einzige Fach, das er nur mit Hermione hatte. Ansonsten waren immer Neville, Draco oder Stephen da, die einen Platz neben ihm beanspruchten. Doch in diesem Fach hatte sie es geschafft, sich neben ihn zu setzen und obwohl auch Ronald Weasley im Raum war und ihnen einen vernichtenden Blick zuwarf, ließ sie sich auch an diesem Morgen neben ihn nieder.

Und stieß dabei einen langen Seufzer aus.

„Ich hasse mein Leben“, murmelte sie, als sie seinen fragenden Blick bemerkte.

„So?“, fragte er und drehte sich wieder zu seinem Buch über Animagi um. Er hatte es aufgegeben, es in seiner Freizeit lesen zu wollen und tat es nun stattdessen im Unterricht. Mit etwas Glück würde Professor McGonagall sich heute ohnehin noch einmal genauer damit befassen. Im richtigen Stoffgebiet waren sie zumindest. „Müsste man als Frischverliebte nicht eigentlich überglücklich sein?“

„Mach dich nicht lächerlich, Harry. Wir sind zwar nicht so gut befreundet, wie alle glauben, aber selbst du musst wissen, dass ich mich niemals in so etwas verlieben würde.“

Das war interessant.
 

„Lass mich raten, du gibst dich nur mit Ronald ab, um dich an deinem Vollidioten zu rächen? Findest du das nicht ein bisschen grausam?“

Vor dem Blick, den sie ihm darauf zuwarf, wäre sogar der dunkle Lord geflüchtet. „Beleidige mich nicht! So etwas würde ich nie jemanden antun, nicht einmal Ronald Weasley.“

„Weißt du, dass deine Worte gerade keinen Sinn machen?“

„Ja, nein, ach, ich weiß auch nicht.“ Verzweifelt ließ sie ihren Kopf auf die Bank sinken. „Wie konnte das nur passieren?“

„Dafür müsstest du mir erst einmal erzählen, was passiert ist“, entgegnete er und blätterte die Seite seines Buches um. Er musste zugeben, dass diese Materie interessanter war, als er ursprünglich geglaubt hatte. Vielleicht würde er sich doch irgendwann einmal genauer mit James darüber unterhalten müssen.
 

„Er sieht mich nicht einmal mehr an“, kam es plötzlich von seiner Seite und ihre Stimme war so schmerzerfüllt, dass er sich unwillkürlich zu ihr umdrehte. Sie hatte ihren Kopf so gedreht, dass sie ihn ansehen konnte und in ihren Augen schwamm der Liebeskummer, den die meisten Menschen irgendwann spüren mussten. „Und wenn, dann ist es so, als wäre ich nicht da, als wäre nichts gewesen. Er hat mich einfach fallen lassen, als wäre ich ihm wirklich gleichgültig. Aber Ron liebt mich, Harry. Er tut es wirklich.“ Sie schloss erschöpft die Augen und eine einsame Träne lief leise an ihrer Wange hinunter. „Ist es so falsch, danach zu greifen? Ist es so falsch, nicht allein sein zu wollen?“
 

Seufzend schlug Harry sein Buch zu und legte ihr freundschaftlich eine Hand auf die Schulter. „Nein, Hermione. Es ist nicht falsch. Es ist etwas, das viele tun würden. Aber glaubst du wirklich, dass diese Verbindung euch unter diesen Umständen glücklich machen wird?“

„Ich weiß es nicht“, bekannte sie leise und öffnete ihre Augen wieder. Der Schmerz hatte etwas nachgelassen und stattdessen konnte er pure Entschlossenheit in ihnen erkennen. „Aber vielleicht wird alles besser, als gedacht. Vielleicht schaffe ich es irgendwann, mich auch in ihn zu verlieben. Vielleicht werde ich irgendwann diesen Mistkerl vergessen.“

„Aber denkst du nicht, dass das Ronald gegenüber ein bisschen unfair ist?“

Nicht, dass es ihm für den Weasley leid tun würde. Der Junge hatte ihm in den letzten Jahren deutlich genug gezeigt, was er von ihm hielt und inzwischen war er dazu übergegangen, seine Gefühle zu erwidern. Allerdings wollte er nicht, dass Hermione etwas tat, was sie hinterher bereute. Auch, wenn sie öfters Meinungsverschiedenheiten hatten, das Mädchen hatte es nicht verdient. Im Grunde war sie ein guter Mensch, obwohl sie das nicht immer zeigte.
 

„Natürlich ist es unfair“, sagte sie mit einem schwachen Lächeln. „Aber seit wann ist irgendetwas in diesem Leben fair?“

Ehe Harry etwas darauf erwidern konnte, betrat Professor McGonagall das Zimmer und begann sofort mit dem Unterricht. Bildete er sich eigentlich nur ein oder konnte er tatsächlich die ganze Zeit Ronald Weasleys bösen Blick auf seinem Hinterkopf spüren? Also bitte, es war ja nun wirklich nicht so, als sei er Hermiones „Vollidiot“.
 

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Von einem problematischen Paar zum anderen. Zumindest kam es Harry so vor, als er nach Verwandlung zu Verteidigung gegen die dunklen Künste ging und dort mitten in – um es nett auszudrücken – eine angeregte Diskussion zwischen Draco Malfoy und Pansy Parkinson schlitterte, die damit endete, dass sein Bruder eine heftige Ohrfeige erntete und sie weinend aus dem Raum rannte. Okay...?

Während alle anderen sich eilig ihren eigenen Dingen zu wandten und sich soweit von Draco entfernten, wie es möglich war, ging Harry langsam auf ihn zu und stellte seine Sachen auf seinem üblichen Platz direkt neben ihm ab. Danach drehte er sich – immer noch stehend – zu seinem Bruder um und hob eine Augenbraue. „Wirst du jetzt die ganze Zeit wie ein begossener Pudel da stehen bleiben oder wirst du den letzten Rest deines Stolzes bewahren und dich hinsetzen?“

„Ach, fahr zur Hölle, Harry“, murmelte er verärgert, setzte sich aber trotzdem.
 

Der junge Potter nickte zufrieden und ließ sich ebenfalls nieder. Ohne weiter auf Draco zu achten, packte er seine Sachen für das kommende Unterrichtsfach aus, verzichtete aber diesmal auf sein Buch über Animagi. Er glaubte nicht, dass er an diesem Tag noch einmal dazu kommen würde, daran weiter zu lesen. Dafür schien heute zu viel Chaos unter seinem Bekanntenkreis zu herrschen.

Schließlich sprach der Malfoy und wie Harry es erwartet hatte, wich er dem eben Geschehenen geschickt aus: „Was hat Dumbledore gestern eigentlich mit dir gemacht? So, wie du mit ihm gesprochen hast, wundert es mich, dass du heute tatsächlich unbeschadet in den Unterricht kommen konntest.“

„Ach, er war eigentlich recht amüsiert darüber“, meinte er, „und hat mit mir etwas über die aktuelle Politik philosophiert.“

„Du glaubst nicht wirklich, dass ich dir das abkaufe, oder?“

„Ich wollte ohnehin kein Geld dafür. Was hast du Pansy angetan? Normalerweise behält sie sich zumindest ihre Würde und schlägt dich nur hinter verschlossenen Türen.“

Sofort setzte Draco seine emotionslose Maske auf. „Sie... hat einfach nur begriffen, dass ich nicht so begeistert wie sie über unsere bevorstehende Hochzeit bin.“
 

„Seltsam...“, sinnierte Harry. „Dabei hast du dich bisher doch auch nie darüber beschwert.“

Draco schwieg.

„Ihr seid seit eurer Geburt verlobt, Draco“, fuhr er leise fort. „Bisher habt ihr euch immer gut damit abgefunden.“ Forschend betrachtete er ihn. „Was hat sich geändert?“

„Nichts hat sich geändert“, entgegnete er barsch. „Ich... habe nur jetzt erst begriffen, was es heißt, verlobt zu sein.“

„Und was heißt es?“

„Zu heiraten.“

Wow, was für eine Erkenntnis. Draco sollte einen Orden verliehen bekommen.
 

„Und das Problem ist?“

„Ich will nicht heiraten“, sagte er. „Nicht Pansy. Das wird nicht gut gehen. Sie ist ein nettes Mädchen und alles, aber...“

„Sie ist nicht die, die du brauchst“, beendete Harry seinen Gedankengang und nickte. „Es stimmt. Ihr seid anders, als Lucius und Narcissa. Die beiden sind ein Team. Ihr jedoch werdet immer auseinander gleiten, ihr seid zwei Pole, die sich gegenseitig abstoßen und in verschiedene Richtungen gleiten. Im Moment hat Pansy es noch nicht erkannt, aber sobald sie es erkannt hat, wird sie sich jemand anderes suchen.“

Draco lächelte. „Ich wusste, du würdest es verstehen.“

Harry erwiderte sein Lächeln. „Wenn dir dieser Gedanke so sehr missfällt, warum fragst du nicht Lucius, ob er die Verlobung wieder auflöst? Er würde es sicher tun. Du weißt, wie sehr er dich liebt, er würde dich nie in eine Ehe zwingen, die dir zuwider ist.“
 

„Das kann ich nicht“, erwiderte er und schüttelte mit dem Kopf. „Vater setzt sein ganzes Vertrauen in mich. Ich kann ihn nicht enttäuschen. Ich kann ihm nicht weh tun. Er leidet auch so schon genug.“

„Irgendwie scheinen das zur Zeit alle zu tun“, murmelte Harry im selben Moment, in dem auch Remus den Raum betrat. „Hermione ist auch immer noch ziemlich niedergeschlagen wegen diesem Idiot, der ihr diesen Brief geschrieben hat. Nun, ich wusste, dass es unmöglich Ronald Weasley gewesen sein konnte.“

Kam es ihm nur so vor oder hob sich Dracos Stimmung, nachdem er das gehört hatte?

Nein, er bildete sich das sicher nur ein. Draco war in den letzten Tagen nur wegen Pansy so fertig gewesen. Zwischen ihm oder Hermione gab es keinen Zusammenhang.

Zumindest war es das, was er sich einreden wollte.
 

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Lieber Harry,
 

wir haben gehört, dass du bald einen ganz wichtigen Wettbewerb zu bestreiten hast!

Deshalb wollten wir dir einfach alles gute wünschen und dir sagen, dass wir an dich glauben! Du wirst ihn gewinnen. Du bist das größte Genie aller Zeiten. Und wenn du fertig bist, entführen wir dich und schmeißen eine Party, nur wir drei. Allein. Unter romantischen Kerzenschein. Was meinst du? Okay, wenn du willst können wir auch einfach deinen geheimnisvollen Liebhaber einladen und nur für euch beide eine Party organisieren. Apropos, wer ist das eigentlich? Du hast es uns immer noch nicht gesagt und langsam fangen wir schon an zu befürchten, dass er gar nicht existiert und es nur deine feine Art war, uns zu sagen, dass wir dir gleichgültig sind. Wenn es so ist, dann scheue dich nicht, es uns zu sagen und ramme uns endlich einen Pfeil ins Herz, damit wir in Ehren sterben können.

Mit anderen Worten: Stell ihn uns endlich vor! Wir wollen ihn unbedingt kennenlernen!

Doch zuerst musst du den Wettbewerb überstehen und das wirst du, das wissen wir!

Fühle dich tausendmal gedrückt und abgeküsst.
 

In ewiger Liebe,

Fred & George

A Single Red Rose

Dieses Kapitel bringt insgesamt 7 „neue“ Charaktere mit sich. (Ich habe extra nachgezählt. XD) Und einer von ihnen ist sogar ein neuer Erzähler, also macht euch bereit auf viele neue Bekanntschaften. Aber tröstet euch, es ist kein Eigener Charakter dabei. Sie stammen alle aus Harry Potter. ^^

Aus diesem Grund möchte ich an dieser Stelle wieder allen Kommischreibern, Lesern und natürlich meiner lieben Beta danken. <3 Ich frage mich, was ich ohne euch tun würde.

Was den „Vollidioten“ anbelangt, so wurde ich gebeten, wenigstens einen Tipp zu geben... nun, ich möchte kein Unmensch sein.

Also, hier der einzige Hinweis zu dem ich mich überreden lassen werde: Es ist kein „Mr. Anonymus“ sondern jemand, den ich schon mehr als einmal in der FF erwähnt habe. Das bedeutet, es könnte sowohl ein oft vorkommender Chara wie Draco sein, als auch eine Randfigur wie Anthony Goldstein.

So, hier habt ihr euren Tipp. Viel Spaß beim Weiterraten und -lesen!

Bis zum nächsten Mal, eure Ayako

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A Single Red Rose
 

Lieber Harry,
 

wir wollen dir alles Gute für den Wettbewerb wünschen. Du wirst es sicher schaffen und allen zeigen, was du drauf hast.
 

In Liebe,

Lily und James
 

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Lieber Harry,
 

anbei ein paar selbstgebackene Kekse, die dir Glück bringen sollen im kommenden Wettbewerb. Wir wissen, wie aufgeregt du immer sein kannst, wenn so etwas großes ansteht. Doch lass dich nicht aus der Ruhe bringen. Du kannst es, du weißt, dass du es kannst. Wir alle glauben an dich.
 

In Liebe,

Narcissa, Lucius, Abraxas und Bella
 

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Schweigend starrte Harry die Briefe an, die er erhalten hatte, ehe er aufblickte und Stephen ein verzweifeltes Lächeln schenkte. „Bitte sag mir, dass es heute nicht schon soweit ist.“

„Okay. Ich sage dir, dass es heute nicht schon soweit ist.“ Er klopfte ihm auf die Schulter. „Kopf hoch, du schaffst das. Du bist besser als Malfoy und Granger zusammen. Mach dich jetzt also nicht fertig.“

„Aber was ist, wenn ich mich furchtbar blamiere?“, fuhr er fort. „Was ist, wenn ich die einfachste Zutat vergesse und...“

„Harry, du wirst nichts vergessen“, entgegnete Stephen und warf ihm seine Schuluniform zu. „Und nun geh dich duschen und mach dich fertig. Snape hat mir befohlen, dich rechtzeitig zum Frühstück zu schleppen.“
 

Grummelnd stand Harry auf und lief mit einer Miene zum Badezimmer, als warte der Henker auf ihn. Auch, wenn viele es nicht geglaubt hätten: Er hasste Prüfungen und Wettbewerbe. Selbst, wenn er sie gewann und selbst, wenn er sich sehr gerne mit seinen Erfolgen brüstete, er hasste sie. Dabei konnte er nicht einmal sagen, was genau er hasste. Die Wahrscheinlichkeit, sich bis aufs äußerste zu blamieren? Die Angst, nicht zu wissen, ob er Erfolg haben würde? Oder aber die Furcht davor, die Erwartungen anderer zu enttäuschen?
 

Wir glauben an dich.

Du wirst es schaffen.

Du kannst es.

Du hast Talent.

Du bist unschlagbar.

Es gibt nichts, was du nicht schaffen könntest.
 

Andere mochten solche Worte motivieren. Ihn brachten sie an den Rand der Verzweiflung, denn keiner von ihnen hatte ihm je gesagt, was geschehen würde, wenn er nicht erfolgreich sein würde.
 

„Vergiss nicht, dir die Haare zu kämmen!“, rief Stephen plötzlich. „Snape...“

„Bringt dich um, wenn ich nicht tadellos aussehe“, antwortete er gereizt. „Ich habe es ja kapiert!“ Schlecht gelaunt begann er damit, sich auszuziehen. „Lenk mich irgendwie ab, Stevie!“

„Und wie soll ich das anstellen?“, fragte er, wobei er weiterhin in ihrem Zimmer blieb.

„Egal. Sag irgendwas, erzähle mir etwas, laber mich zu, frage mich etwas, tu was immer du willst, nur lass mich nicht in Ruhe!“

Diese Worte brachten seinen Zimmergenossen dazu, seinen Kopf zur Tür herein zu strecken und ihn zweifelnd anzusehen. „Deine Prüfungsangst, mein Freund, nimmt eine neue Dimension an. Und jetzt mach, dass du fertig wirst!“ Damit verschwand er wieder in ihrem gemeinsamen Zimmer.
 

Da ihm ohnehin nichts anderes blieb und er aus Erfahrung wusste, dass die Zeit nicht plötzlich langsamer vergehen würde, nur weil er es sich wünschte, entledigte er sich auch seiner letzten Kleidung und stellte sich unter die Dusche. Langsam drehte er das Wasser auf und zuckte unwillkürlich zusammen, als er bemerkte, dass es viel zu eisig war. Eilig ließ er es wärmer werden, bis es sich genauso anfühlte, wie er es am liebsten hatte: heiß, aber noch nicht kochend. Genau das richtige, um die müden Knochen vor diesem anstrengenden Tag noch einmal zu entspannen. Es sollte ja Leute geben, die kalte Duschen bevorzugten. Er würde nie dazu gehören.
 

Nachdem er fertig war, fühlte er sich sofort viel besser. Seine für ihn eigentlich vollkommen uncharakteristische Prüfungsangst war seinem natürlichen Selbstbewusstsein gewichen, weshalb Stephen zufrieden mit dem Kopf nickte, als er frisch angezogen – und natürlich gekämmt – aus dem Bad heraustrat.

„So gefällst du mir schon besser, mein Freund“, meinte er grinsend. „Dann können wir ja gleich runtergehen. Aber zuerst“, er deutete auf Harrys Bett, „ist da schon wieder ein Brief für dich gekommen.“ Ein seltsames Grinsen erschien auf seinem Gesicht, was dem jungen Potter überhaupt nicht gefiel. „Kann es sein, dass du vergessen hast, mir etwas zu erzählen?“
 

„Was meinst du damit?“, fragte er misstrauisch und drehte sich zu seinem Bett um. Womit seine Frage eigentlich beantwortet wurde. „Oh mein Gott“, flüsterte er und ging langsam darauf zu.

Dort, mitten auf seiner Decke, saß die schönste Schneeeule, die er je gesehen hatte. Vor ihr lag ein verschlossener Brief, sowie eine einzelne, rote Rose. Er musste kein Experte der Blumensprache sein, um die Nachricht einer solchen Gabe zu verstehen.

Beinahe wie in Trance streckte er seine Hand nach ihr aus und hob sie hoch. Vorsichtig strich er über die verletzlich wirkende Blüte, bewunderte ihre Form und bemerkte, dass er – denn von wem sollte sie sonst sein? – genug Umsicht besessen hatte, die Dornen zu entfernen, damit Harry sich nicht verletzen würde. Das war sehr aufmerksam von ihm und ebenso unerwartet. Mit geschlossenen Augen roch er an ihr und genoss für einen kurzen Augenblick ihren wohltuenden Duft, ehe er sie behutsam wieder ablegte.

Daraufhin wandte er sich dem Brief zu und erkannte ohne Überraschung die säuberliche, elegante Schrift des dunklen Lords.
 

Mein kleines, geniales Wunderkind,
 

gib heute dein Bestes und lass dich nicht durch das aus der Ruhe bringen, was die anderen sagen. Es geht nicht darum, dass du gewinnst, sondern darum, dass du ihnen zeigst, was du alles durch deine harte Arbeit erreichen konntest.

Dennoch bitte ich dich, vorsichtig zu sein. Hinter manchem Lächeln versteckt sich eine große Gefahr.
 

In der Hoffnung, dich bald wohlbehalten wiederzusehen,

TMR
 

O...kay? DAS sollte wirklich ein Brief von dem dunklen Lord sein? So etwas passte doch gar nicht zu ihm. Er war eher der Typ, der von ihm Leistung gefordert hätte, Erfolg, Sieg, Ehre, Ruhm... aber nicht, dass er einfach nur sein Bestes geben sollte. War der Mann krank oder nahm er wieder diesen seltsamen Trank, der ihm den Verstand raubte? Was sollte das?
 

„TMR“, hörte er plötzlich Stephen sprechen, der offenbar hinter ihn getreten war und den Brief überflogen hatte. „Wer ist das? Eine geheime Verehrerin? Obwohl das eher nach einem Mann klingt... bist du etwas schwul? Nicht, dass mich das stören würde, aber...“

„Stevie“, unterbrach Harry ihn und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „Ein weiteres Wort über diesen Brief, sei es zu mir oder sonst jemanden und du wirst nie wieder in Frage stellen, dass ich tatsächlich im Hause Malfoy aufgewachsen bin.“

Mehrere Sekunden sahen sie sich einfach nur an, ehe Stephen sein Lächeln erwiderte. „Ab zum Frühstück, Harry. Snape wartet auf dich.“
 

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Schweigend saß Draco am Slytherintisch und beobachtete, wie Harry von seinem Zimmergenossen – Stephen war sein Name? – in die Große Halle geschleift wurde. Unwillkürlich musste er grinsen. Sein Bruder und seine Prüfungsangst. Etwas, das er nie verstehen würde, immerhin schaffte er es immer, egal, was er anpackte. Da wäre es doch sogar viel natürlich gewesen, wenn er selbst an Prüfungsangst gelitten hätte... Aber so war Harry nun einmal und das war auch gut so.
 

Den beiden folgte kurz darauf Pansy, deren Augen immer noch gerötet waren. Trotzdem ließ sie sich mit einem sturen Gesichtsausdruck neben ihn nieder und griff nach einem Toast. Zu sagen, sie sei wütend auf ihn, wäre eine Untertreibung. Sie war eingeschnappt, deprimiert und aufs Tiefste beleidigt. Es war auch ihr gutes Recht, aber es nervte ungemein. Konnte sie ihm nicht wenigstens aus dem Weg gehen, bis sie sich wieder beruhigt hatte?
 

Blaise, der Draco gegenüber saß, ließ seinen Blick zwischen ihnen hin und her gleiten, ehe er breit grinste. „Also wirklich, ist es nicht noch etwas früh für den ersten Ehestreit?“

„Fahr zur Hölle, Zabini“, entgegnete Pansy, im selben Moment, in dem Herm... Granger – ihr Name war Granger – Weasley und Longbottom den Raum betraten. Ein jämmerliches Trio. Wie konnte Harry sich ernsthaft mit solchen Leuten abgeben? Obwohl der sogenannte Auserwählte in letzter Zeit auch nicht sehr glücklich über seine Gesellschaft zu sein schien. Draco konnte es ihm nicht verdenken, Weasley war eine Pest. Also warum hatte Granger sich auf ihn eingelassen? Es machte keinen Sinn, besonders wenn Harry Recht hatte und sie damit alles andere als glücklich war. Wirklich merk...

Warum dachte er eigentlich darüber nach? Es sollte ihm egal sein. Er hatte genügend eigene Probleme, ohne sich auch noch mit ihr zu beschäftigen.
 

Es war ihm aber nicht egal.
 

„Seht sie euch nur an“, begann Pansy plötzlich, während auch sie Herm... Granger beobachtete. „Sieht mit jeden Tag elender aus. Kein Wunder, bei so einem Freund? Ich glaube, sie hat jetzt vollkommen den Verstand verloren. Früher sah sie wenigstens noch annehmbar aus, aber jetzt? Diese dunklen Ringe unter den Augen, das zerzauste Haar... wie kann sie sich nur so gehen lassen?“

Es stimmte. Sie sah tatsächlich von Tag zu Tag schrecklicher aus. Das war Draco schon seit Beginn ihrer privaten Zaubertrankstunden aufgefallen – nicht zu vergessen, dass Harry ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit darauf hinwies und ihn anstarrte, so als warte er auf eine ganz bestimmte Reaktion. Offenbar war sie tatsächlich vollkommen fertig mit den Nerven.

„Und diese Haut, scheußlich. Ob...“

„Wenigstens hat sie es nicht nötig, sich zentimeterweise Make-up auf ihr Gesicht zu schmieren und über alle anderen Mädchen herzuziehen“, unterbrach Draco sie schlecht gelaunt.
 

Pansy sah aus, als hätte er sie geschlagen. „Du... verteidigst sie auch noch? Du stellst dich auf ihre Seite? Ich bin deine Verlobte! Du solltest mich unterstützen und nicht dieses Schlamm...“

„Nenn sie nicht Schlammblut!“, entgegnete er aufgebracht und funkelte sie an. „Sie hat dir nie etwas getan.“

Tränen sammelten sich in ihren Augen und sie biss sich kurz auf die Unterlippe. „Doch“, flüsterte sie heiser. „Sie hat mir etwas getan.“ Damit sprang sie auf und rannte aus der Großen Halle.
 

Seufzend legte Blaise sein Frühstück beiseite und sah Draco ernst an. „Du musst endlich etwas dagegen unternehmen. Du kannst dir nicht wegen so einem dahergelaufenen Mädchen deine Zukunft kaputt machen lassen.“

„Ich habe keine Ahnung, wovon du redest, Blaise“, meinte er. „Das ist ein Konflikt zwischen Frauen. Da sollten wir uns nicht einmischen.“

„Du weißt ganz genau, wovon ich rede“, flüsterte sein Freund und beugte sich etwas vor. „Du und Granger, ihr...“

„Gott, warum glaubt ihr eigentlich alle, dass ich was mit ihr hätte?“, fragte Draco mit gehobenen Brauen. „Harry fängt auch immer wieder davon an. Nur, weil ich sie nicht in jeder sich bietenden Minute schlecht mache, heißt es nicht, dass ich mich in sie verliebt habe.“

„Bist du dir wirklich sicher?“, hakte Blaise zweifelnd nach. Als Antwort bekam er nichts weiter als einen wütenden Blick.

„Ich habe heute einen harten Tag vor mir, Blaise. Wie wäre es mit ein paar Motivationsreden, anstatt falscher Anschuldigungen?“
 

„Ich will dir nur helfen“, verteidigte sich sein Freund. „Nichts weiter.“

„Ich brauche deine Hilfe nicht. Ich brauche niemandens Hilfe. Wir sehen uns heute Abend.“

Mit diesen Worten stand er auf und lief ebenfalls eilig aus der Großen Halle.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Dieser Tag schien von Minute zu Minute besser zu werden, beschloss Harry spöttisch, als er gemeinsam mit Hermione und Draco auf dem Wettbewerbsgelände ankam. Dieses Jahr fand er in einer magischen Schule in der Schweiz statt, von der Harry noch nie zuvor etwas gehört hatte. Es war eine einfache Tagesschule, ohne Internat, die äußerst selten waren. Aus diesem Grund befanden sich nur die genialste Zaubertrankbrauer Europas in dem Gebäude, was eine äußerst interessante Erfahrung war.

Einige der Leute kannte er bereits aus vergangenen Wettbewerben und nickte ihnen freundlich zu, wenn er an ihnen vorbei lief, doch es waren auch einige neue Gesichter dabei.
 

Felice war nirgends zu entdecken.
 

Dafür hörte er allzu bald eine bekannte Stimme seinen Namen rufen und im nächsten Augenblick fand er sich in einer von Luna Lovegoods berühmten Umarmungen wieder. „Luna“, sagte er überrascht. „Was machst du denn hier?“ So gut war sie in Zaubertränke nun auch wieder nicht.

„Ich begleite einen Freund“, erklärte sie strahlend, sobald sie sich von ihm gelöst hatte. „Ich wusste, dass du hier sein würdest und konnte die Gelegenheit, dich zu sehen, nicht einfach verstreichen lassen.“

„Ja, es ist ja auch so lange her, seitdem ihr euch das letzte Mal gesehen habt“, kommentierte Draco, der wie Hermione die ganze Zeit hinter ihm hergedackelt war.

„Ich freue mich auch, dich wiederzusehen, Malfoy“, entgegnete Luna Augen verdrehend. „Wie ich sehe, bist du immer noch dasselbe Arschloch wie früher.“

„Hey, nicht beleidigend werden, Miss Lovegood“, erwiderte er schmollend. „Wir sind hier auf neutralem Boden.“
 

Ja, die Beiden hatten sich seit jeher bestens verstanden. Wahrscheinlich, weil es schwer war, sich nicht mit Luna zu verstehen. Sie hatte einfach einen Charakter, den man weder hassen, noch lieben konnte, wenn man sich nicht näher damit auseinandersetzte. Ganz anders als Neville, Hermione und Felice. Ob es an ihren seherischen Kräften lag? Da fiel ihm ein, er hatte sich immer noch nicht mit diesem Thema auseinandergesetzt. Er würde es in nächster Zeit nachholen müssen.
 

Während er seinen eigenen Gedanken nachhing, hatte Luna Hermione begrüßt, die inzwischen übrigens wieder einigermaßen wie sie selbst wirkte. Harry nahm stark an, dass Severus dafür verantwortlich war. Er konnte äußerst exzentrisch sein, wenn es darum ging, die Ehre seines Faches zu verteidigen.

„Wart ihr eigentlich schon bei der Anmeldung?“, fragte Luna plötzlich. „Sie ist gleich dort hinten. Kommt mit, ich bringe euch hin.“

Plaudernd führte sie die drei Hogwartsschüler dorthin.
 

Die Anmeldung bestand aus einem einfachen Tisch, wie er in jeder Schule zu finden war. Dahinter saß eine genervt wirkende Schweizerin, die momentan von einem Mann belagert wurde, den Harry nur allzu gut kannte. Augenblicklich blieb er stehen und Draco stieß zeitgleich einen kleinen Fluch aus. „Was macht der denn hier?“, zischte er genervt.

Nun blieben auch die beiden Mädchen stehen und sahen sie verwirrt an. „Was ist los?“

Die Frage wurde einen Moment später beantwortet, als der Mann sich umdrehte und die vier Schüler entdeckte. Sofort hellte sich seine Miene auf und er rief: „Mein lieber Harvey! Wie wundervoll, Sie zu sehen. Und Draco, Sie sind ja auch hier!“ Eilig rannte er auf sie zu und schüttelte beiden fröhlich die Hand. „Wie wunderbar! Eigentlich sollte es mich wirklich nicht überraschen, Sie hier zu sehen, beides so talentierte Zaubertrankbrauer. Und wer sind diese jungen Damen?“
 

Draco warf Harry einen verzweifelten Blick zu, weshalb er sich erbarmte und sagte: „Uns freut es auch, Sie wiederzusehen, Mr. Slughorn. Das sind Hermione Granger und Luna Lovegood, Sir.“

„Ah, freut mich sehr“, rief er und strahlte die beiden Mädchen an, ehe er sich wieder Harry zuwandte. „Haben Sie sich schon angemeldet? Oh, ich bin so begeistert, heute wieder Ihre einzigartigen Fähigkeiten beobachten zu dürfen. Es ist immer wieder eine große Freude.“

Innerlich stöhnend ließ Harry sich von ihm zu dem Tisch schleifen, während die anderen ihm notgedrungen folgten.
 

Horace Slughorn war Severus' Vorgänger als Zaubertranklehrer und Vorstand des Hauses Slytherin. Er war, bevor Harry und Draco nach Hogwarts gekommen waren, oft uneingeladen zum Essen vorbeigekommen und hatte besonders an ihm einen wahren Narren gefressen. Irgendwann war es Narcissa zu bunt gewesen und sie hatte ihn mit äußerst unschönen Beschimpfungen ein für alle Mal aus dem Haus geworfen. Die Details waren unwichtig, doch es sollte angemerkt werden, dass Harry durch dieses Ereignis, die Bedeutung des Wortes „pädophil“ begriffen hatte.

Nein, er war nicht froh, diesen Mann zu sehen. Es war geradezu ekelerregend. Deshalb war er heilfroh, dass Draco direkt hinter ihm stand und in seinen Ich-bin-der-große-Bruder-und-muss-Harry-beschützen-Modus verfallen war. Ansonsten hätte er nun hundertprozentig die Flucht ergriffen.
 

„Es ist so lange her, seitdem wir uns das letzte mal sahen“, bemerkte Slughorn, sobald Harry die Anmeldepapiere ausgefüllt hatte und legte einen Arm um seine Schulter. „So lange, dass ich schon beinahe nicht mehr zu hoffen gewagt hatte, Sie jemals wiederzusehen.“

Er wollte ihn gerade unauffällig davonziehen, als Draco Harrys Arm packte und den Mann mit einem eisigen Blick bedachte. „Entschuldigen Sie, aber ich meine mich daran zu erinnern, dass Sie Harry nicht näher als drei Meter kommen dürfen“, sagte er mit einer typisch Malfoyhaften Stimme. „Wenn Sie wollen, können wir dies auch gerne gerichtlich klären.“ Als Slughorn immer noch nicht überzeugt war, fügte er leise hinzu: „Mein Bruder steht unter dem Schutz des dunklen Lords. Ich denke, es würde ihm ganz und gar nicht gefallen, wenn er hören würde, was hier vor sich geht.“
 

„Aber, aber“, antwortete Slughorn und warf ihm einen beunruhigten Blick zu. Glücklicherweise schien ihn das jedoch abzuschrecken und er ließ Harry wieder los. Beinahe augenblicklich stellte sich Draco zwischen die beiden, um einen Sicherheitsabstand zwischen sie zu bringen. „Nun, dann... wünsche ich Ihnen allen noch einen wunderschönen Tag. Auf Wiedersehen.“

Daraufhin machte er, dass er wegkam.

Draco sah ihm verärgert hinterher. „Dieser perverse, pädophile Mistkerl! Hat er nichts besseres zu tun, als dich zu...“, er hielt inne, als er Harrys Gesichtsausdruck sah. „Was?“

Er lachte leise. „Du bist der beste Bruder der Welt, Draco.“

Verdutzt blinzelte dieser. „W... hat dich das Zusammentreffen mit diesem Perversen so sehr geschockt, dass du jetzt den Verstand verloren hast?“

„Vielleicht“, sagte Harry munter und drehte sich zu den beiden Mädchen um.

Die ihn verdutzt (Hermione) beziehungsweise breit grinsend (Luna) ansahen. Was...?
 

„Du... stehst unter dem Schutz des dunklen Lords?“, hauchte erstere entsetzt.

„Nun...“

„Es versteht keiner so richtig“, warf Draco ein und schüttelte mit dem Kopf. „Er hat einen Narren an Harry gefressen, seit der ersten Sekunde, als sie sich gegenüber standen. Es ist...“ Plötzlich schien er zu bemerken, mit wem er eigentlich gerade sprach, denn er verstummte und warf Hermione stattdessen einen finsteren Blick zu. „Nicht, dass es dich in irgendeiner Form etwas anginge, Granger. Wahrscheinlich wirst du mit dieser Information ohnehin nur zu Dumbledore rennen und Harry anschwärzen.“

„Als ob ich so etwas tun würde“, entgegnete sie aufgebracht. „Ich verrate die Geheimnisse meiner Freunde nicht, auch...“, sie warf Harry einen unbehaglichen Blick zu, „...auch wenn das ziemlich besorgniserregend klingt.“

„Ach, mach dir keine Sorgen“, warf Luna munter ein. „Der dunkle Lord ist das beste, was Harry passieren konnte.“

„Ist das jetzt deine subjektive Meinung oder eine Prophezeiung?“, fragte Harry spöttisch.

Lunas Grinsen wurde breiter. „Such's dir aus, mein Freund.“
 

„Mit wem bist du nun eigentlich hier, Lovegood?“, fragte Draco, um das Thema zu wechseln. „Du sagtest, du wärst mit einem Freund gekommen.“

„Bin ich auch“, erwiderte sie und setzte sich in Bewegung. „Kommt, er wird sich sicher freuen, euch zu sehen. Na ja, zumindest was Harry und Hermione anbelangt.“
 

Es stellte sich heraus, dass Lunas geheimnisvoller Freund kein anderer als Victor Krumm war. Der berühmteste Quidditchspieler überhaupt – er musste es sein, immerhin kannte selbst Harry ihn – Zweitplatzierter im Trimagischen Tunier – obwohl es eigentlich der dritte Platz gewesen war, doch da Cedric bei der ganzen Angelegenheit das zeitliche gesegnet hatte, war er der zweite geworden – und momentan an der Spitze der Rangliste innerhalb Europas. Er war ein begnadeter Duellant, dessen Fähigkeiten Harry überaus bewunderte, aber in Zaubertränke konnte er ihm nicht das Wasser reichen – das war sicher.
 

Als er Harry erkannte, hellte sich seine Miene auf und er begrüßte ihn herzlich. Es war damals Felice gewesen, die sie miteinander bekannt gemacht hatte und seitdem pflegten sie ein recht freundschaftlichen Verhältnis, auch wenn es bisher nie besonders eng geworden war.

Auch Hermione schenkte er ein breites Grinsen. Die beiden waren damals gemeinsam zum Weihnachtsball erschienen und schienen im allgemeinen sehr gut miteinander ausgekommen zu sein. Es war interessant, dass er sich mit Luna angefreundet hatte.
 

„Wie geht es Neville?“, fragte Victor, sobald sie sich in eine ruhige Ecke gesetzt hatten. „Die Sache mit Diggory schien ihn ja damals ziemlich mitgenommen zu haben.“

„Es war ja auch ein Schock“, erklärte Harry traurig. „Für uns alle. Cedric war ein guter Mensch.“

„Das stimmt“, bestätigte er leise. „Trotzdem musste er sterben. Weil er zur falschen Zeit am falschen Ort war. Nicht, dass ich dem dunklen Lord einen Vorwurf mache. Ein Mann wie er muss tun, was er tun muss. Doch Diggory...“

„Hatte so etwas nicht verdient“, beendete Hermione seinen Gedankengang. „Wie kannst du dieses Monster verstehen, Victor? Er ist ein skrupelloser Mörder, der nur daran denkt, seine Ziele zu erreichen und sogar unschuldige Menschen in den Tod zieht. So jemand wie er... ist einfach abscheulich.“

„Er mag vielleicht ein skrupelloser Mörder sein“, warf Harry ein, „aber er ist kein Monster.“
 

Selbst Luna und Draco schienen von dieser Aussage überrascht zu sein. Offenbar hatten sie nicht damit gerechnet, dass er in einer Diskussion tatsächlich für den dunklen Lord Partei ergreifen würde. Um ehrlich zu sein, war er selbst etwas überrascht, doch er spürte, dass es die richtige Entscheidung war.

Er war wirklich hoffnungslos verloren. Irgendwie war diese Erkenntnis furchtbar frustrierend. Warum hatte er ihm auch eine einzelne, rote Rose schenken müssen?

Wahrscheinlich amüsierte er sich sogar noch darüber oder...
 

„Nun... du musst es wissen“, sagte Luna schließlich wieder mit einem breiten Grinsen. „Immerhin kennst du ihn von uns allen sicher am besten.“

Hermiones und Victors Augen weiteten sich bei diesen Worten, während Draco ihr einen finsteren Blick zuwarf.

„Von Kennen kann keine Rede sein, liebste Freundin“, entgegnete Harry gelassen. „Es stimmt, dass er sich ein oder zweimal mit mir unterhalten hat, doch das ist es gewesen.“

„Harry“, sagte sie und sah ihn plötzlich mit einem ungewohnten Ernst an, „du kannst Victor und Hermione vertrauen. Ansonsten hätte ich dieses Thema niemals angeschnitten und das weißt du.“

Er erwiderte ihren Blick unbeeindruckt. „Du vergisst, dass wir nicht alle in der Zukunft leben, Luna. Egal, was immer du auch gesehen hast, ich kenne den dunklen Lord nicht.“

Er sagte die Wahrheit. Zwar wusste er Dinge über ihn, die andere nicht wussten, doch wirklich kennen tat er ihn nicht. Vielleicht würde er es nie tun.
 

Die Zeit... würde es zeigen.
 

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Das Zaubereiministerium war ein Ort, der vielen Hexen und Zauberern Arbeit bot. Sei es in irgendwelchen überflüssigen Ämtern wie Arthur Weasleys Abteilung zum Schutz von Muggelartefakten oder was auch immer dieser Mann eigentlich tat, sei es in der Forschung, die die Unsäglichen jeden Tag betrieben oder sei es in der Politik.

Dort trafen täglich tausende von Menschen aufeinander. Es wurden Freundschaften geschlossen, Liebesversprechen ausgetauscht, Rivalitäten geschürt und so viele Intrigen geplant, dass selbst die betroffenen Personen früher oder später die Übersicht verloren.

War es ein guter Ort zum arbeiten? Vielleicht. Manchmal fragte er sich trotzdem, wie er hierhergekommen war.
 

Rufus Scrimgeour war ein Mann, der wusste, dass dieses Leben im Zaubereiministerium auch den stärksten und gerechtesten Menschen zerstören konnte. Freundschaft und Loyalität hielten hier nur solange, wie der eigene Weg von Erfolg gekrönt war. Sobald jedoch ein Abstieg oder Misserfolg drohte, konnte man sich sicher sein, allein dazustehen. Manchmal sah er dies als eine Metapher für alle Aspekte des Lebens. Aber er war kein Mensch der großen Worte oder Philosophie, er war ein praktischer Mensch, ein Kämpfer, ein ehemaliger Auror und aus irgendeinen Grund eventuell der zukünftige Minister.
 

Es war nie sein Wunsch gewesen, dieses Amt zu erlangen. Er wäre bis an das Ende seines Berufslebens glücklich gewesen, die Aurorenabteilung zu leiten, doch seine Kollegen hatten ihn dazu gedrängt und nun... nun konnte er sehen, wie er da wieder herauskam. Glücklicherweise sah es momentan so aus, als würde Crouch Zaubereiminister werden. Er war der allgemeine Favorit und Rufus würde sich dem nicht widersetzen. Der Mann war seiner Meinung nach zwar etwas zu exzentrisch und konservativ, doch ansonsten würde er eine gute Führung sein. Auch Malfoy würde er dieses Amt durchaus zutrauen. Allerdings würde niemand auf ihn vertrauen, nicht nach all den Skandalen im vergangenen Jahr. Wirklich erschreckend, wie schnell ein Ruf zerstört werden konnte.

Ihm selbst konnte das jedoch egal sein.
 

„Wieder einmal in Tagträumen versunken?“, sagte plötzlich eine Stimme und als er sich umdrehte, konnte er Nymphadora Tonks vor sich stehen sehen. Die junge Frau hatte sich wie so oft für knallpinke, kurze Haare entschieden, doch der Rest entsprach ihrem natürlichen Erscheinungsbild – oder zumindest dem, das sie am häufigsten an den Tag legte, bei ihr konnte man sich da nie so sicher sein. Sie trug ihre förmliche Arbeitskleidung, hatte ein strahlendes Lächeln aufgesetzt, das bei ihr sogar echt sein könnte und hielt ihm einen Becher voller dampfenden Kaffee hin. „Hier, ich dachte, das könnten Sie vielleicht brauchen. Wir haben eine lange Nacht vor uns.“ Sie seufzte. „Das ist Ihr letzter Fall, Sir, bevor Sie Zaubereiminister werden. Wir werden ihn also sicher mit Bravour lösen, machen Sie sich keine Sorgen.“

„Freuen Sie sich nicht zu früh, Tonks“, widersprach er ihr. „Noch ist es nicht raus, ob Sie mich in Zukunft loswerden. Wer weiß, vielleicht bin ich noch länger Ihr direkter Vorgesetzter als es Ihnen lieb ist.“

Langsam genehmigte er sich einen Schluck seines Kaffees, ehe er sich mit ihr gemeinsam auf den Weg zum Leichenschauhaus machte.
 

„Was ist es diesmal für eine Leiche?“, fragte er. „Und warum werden wir damit behelligt und nicht die Polizeibrigade?“

„Ich bin mir selbst nicht sicher, Sir“, gab sie zu. „Ich verstehe nicht einmal, warum Sie selbst um Hilfe gebeten wurden, doch Kingsley und Moody meinten, Sie sollten sich das ansehen.“

„Moody?“, wiederholte Rufus überrascht. „Er ist hier?“

„Extra für den Fall“, bestätigte sie nickend. „Ich weiß selbst nicht, um was es geht, Sir. Kaum war ich angekommen, hat Kingsley mich zu Ihnen geschickt und mir gleich aufgetragen, Ihnen einen Becher Kaffee mitzubringen. Doch wenn er hier ist...“

Sie musste den Satz nicht zu Ende sprechen. Er wusste auch so, was es bedeutete. Wenn Alastor Moody wirklich aus seinem Ruhestand zurückkehrte, konnte das nur eines heißen: Albus Dumbledores Alleinherrschaft im Untergrund der magischen Gesellschaft stand vor einer ernsthaften Bedrohung.

Um ehrlich zu sein wusste er nicht, ob er sich deswegen freuen oder trauern sollte.
 

Die Leichenhalle war heute ungewöhnlich voll. Außer den üblichen Mitarbeitern hatten sich hier Kingsley Shacklebolt, Proudfoot und Moody versammelt, die allesamt eine mehr als ernste Miene aufgesetzt hatten.

„Ah, Scrimgeour“, sagte der Ex-Auror, sobald er seiner gewahr wurde. „Wie freundlich, dass auch Sie uns endlich die Ehre erweisen.“

„Ihren Sarkasmus hätten sie Zuhause lassen können, Moody“, entgegnete er barsch und drehte sich zu Kingsley um. „Was gibt es, Shacklebolt? Was geht hier vor sich? Warum lassen Sie zu so später Stunde nach mir schicken?“

Es war tatsächlich spät, zwei Uhr Morgens um genau zu sein. Seine Familie würde ihn umbringen.
 

„Trösten Sie sich“, bemerkte Moody spitz, ehe Kingsley überhaupt die Chance hatte, auf ihn zu reagieren. „Es ist so spät, dass es schon wieder beinahe früh ist. So können Sie sich das Schlafen sparen und sich stattdessen das hier ansehen.“ Mit einer fließenden Bewegung, die er ihm so gar nicht zugetraut hätte, ging er auf eine verdeckte Leiche zu und riss das Leichentuch von ihr herunter.

Hinter sich hörte Rufus Tonks entsetzt aufkeuchen. „Würgende Wasserspeier!“, rief sie aus.

Moody warf ihr mit seinem gesunden Auge einen grimmigen Blick zu. „Erwürgen wäre äußerst gnädig gewesen, Miss. Äußerst gnädig in der Tat.“

Death Of A Potion Master

Hallo, ihr Lieben!
 

Wie immer gibt es ein großes Dankeschön an alle Leser und ganz besonders an die lieben 12 Kommischreiber des letzten Kapitels sowie Robino, die wieder einmal erfolgreich dieses Kapitel korrigiert hat! *sie knuddel* Ich glaube, ohne euch hätte ich nie die Motivation, immer so schnell weiterzuschreiben, deshalb vielen Dank an euch alle!

Ist eigentlich irgendjemand von euch genauso verrückt wie ich und guckt Glee? (Ja, ich meine diese seltsame Serie auf SuperRTL von der immer zwischen Merlin geworben wird.) Ich dachte ja bisher, dass es nur ein Langweilekiller wäre, aber dann habe ich auf Youtube Videos zur zweiten Staffel gefunden und was sehe ich da? Shonen-Ai vom Feinsten! Da freue ich mich richtig für Kurt, ich finde ihn so putzig. <3

Was das ganze mit dieser FF zu tun hat? Nichts. Aber es interessiert mich wirklich, ob noch jemand Glee guckt. ^^“

Viel Spaß also mit diesem Kapitel!

Liebe Grüße, Ayako
 

P.s.: Den Titel sollte man ernst nehmen, er beantwortet die Frage nach der Leiche...

P.p.s: Das nächste Mal gibt es die bisher längste Harry/Voldemort-Szene in dieser FF. ;)

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Death Of A Potion Master
 

Liebe Felice,
 

wo bist du gewesen, als wir anderen uns mit Zaubertränken herum gequält haben? Ohne dich war es richtig gehend langweilig, da nur Victor da war, mit dem ich mich um den ersten Platz streiten konnte und du weißt ja, wie talentiert er in diesem Fach ist.

Geht es dir gut? Lebst du noch? Bitte melde dich wieder, ich mache mir Sorgen.
 

Alles Liebe,

Harry
 

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Rufus hatte Hogwarts immer geliebt.

Es war der Ort seines Herzens, seiner Kindheit, seiner glücklichen Erinnerungen. Er hatte hier gute Freunde gefunden, seine erste Liebe erlebt und den Wunsch entwickelt, anderen Menschen mit allem, was er hat, zu helfen. Es hätte ihn eigentlich freuen müssen, wieder einmal hier zu sein. Doch wie so oft in solchen Situationen gab es auch hier ein „aber“ und das stand genau vor ihm.
 

„Bist du dir wirklich sicher, Alastor?“, fragte Albus Dumbledore, ohne sich anmerken zu lassen, was in seinem Kopf vor sich ging.

Es war inzwischen sieben Uhr morgens geworden. Draußen herrschte immer noch Dunkelheit, aber über den Bäumen des Verbotenen Waldes konnte man bereits das erste Licht des Tages erkennen, das langsam zu einer Morgendämmerung wurde. Normalerweise hätte Rufus es vermieden zu so früher Stunde hierherzukommen, doch es war unerlässlich. Außerdem war es nie ratsam, Moody zu sehr zu widersprechen. Der Mann mochte ein Auror im Ruhestand sein, dennoch besaß er nach wie vor sein altes, exzentrisches Temperament. Es wäre selbstmörderisch, ihm zu widersprechen, wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte.
 

„Natürlich bin ich mir sicher!“, rief Moody.

Sie befanden sich im Büro des Schulleiters. Anwesend waren er selbst, Dumbledore, Moody, Tonks und Minerva McGonagall, die eine Diskussion mit ihrem Vorgesetzten geführt hatte, als sie angekommen waren und danach darauf bestanden hatte, dabei zu bleiben. Die Frau roch Ärger bereits von hundert Meter Entfernung und das hier war Ärger – ohne Zweifel.

„Das ist das Werk eines dunklen Lords, Albus“, fuhr der Ex-Auror energisch fort. „Zuerst einer deiner Schüler, dann mehrere Ministeriumsbeamte und schließlich einer deiner alten Freunde. Dies ist ein Angriff auf unsere Gesellschaft, ein Angriff auf dich persönlich. Und warst du es nicht selbst, der behauptete, dass Voldemort wieder zurückgekehrt ist?“

„Ich glaube nicht, dass Lord Voldemort einen Grund haben sollte, ihn zu töten, mein alter Freund“, sagte Dumbledore leise und sah ihn mit einem durchdringenden Blick an. „Wenn er wirklich jemals vorgehabt haben sollte, ihn zu töten, hätte er es bereits vor langer Zeit getan.“

„Er ist ein Monster!“, beharrte der Andere. „Er braucht keinen Grund, um einen Mord zu begehen.“

„Ich kenne mehr als eine Person, die dieser Ansicht widersprechen würden. Mich selbst eingeschlossen.“

Das brachte ihn zum Schweigen.
 

Auch Rufus war überrascht. Dumbledore hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er Voldemort zutiefst verabscheute. Woher kam also dieser plötzliche Sinneswandel?

„Sie glauben also nicht, dass er für diesen Mord verantwortlich ist?“, fragte Rufus, um das Schweigen zu brechen.

„Oh, daran besteht nicht der kleinste Zweifel“, entgegnete der Schulleiter ernst. „Ich denke nur, dass wir von dem falschen Beweggründen ausgehen. Ich glaube, ausnahmsweise war seine Tat nicht so grausam und politisch, wie Sie es momentan vielleicht denken mögen.“

„Was meinst du damit?“, fragte Minerva beunruhigt.

Der Schulleiter drehte sich zu ihr um. „Benachrichtige bitte die Familie Malfoy, dass sie mich unverzüglich aufsuchen sollen. Sag ihnen, es geht um Harry.“

„Harry? Aber wären Lily und James da nicht besser geeignet?“

„Nein“, sagte er langsam. „Ich denke, in diesem Fall können uns nur die Menschen helfen, die ihn großgezogen haben.“ Er drehte sich zu Alastor um. „Ich würde euch bitten, nun zu gehen. Wenn ich etwas Neues in Erfahrung bringen sollte, werde ich euch sofort verständigen.“
 

Verblüfft sah Rufus dabei zu, wie die Lehrerin und der Ex-Auror seinen Anweisungen Folge leisteten. Könnte es sein, dass er der Einzige war, der es seltsam fand, dass der Mann plötzlich die Kontrolle über die ganze Situation übernahm?

„Bei allem Respekt, Dumbledore“, sagte er, „aber das ist Sache des Ministeriums. Du hast kein Recht...“

„Albus hat mehr Recht darauf, gegen einen dunklen Lord vorzugehen, als du, Rufus“, unterbrach Moody ihn zornig. „Er hat weitaus mehr Erfahrung. Kümmere du dich besser darum, wie es bei den Ministerwahlen aussieht. Mit deinem gegenwärtigen Verhalten kannst du kaum erwarten, weitere Stimmen zu erhalten.“
 

Rufus verengte seinen Augen. Wenn Stimmen bekommen bedeutete, dass er sich mit Albus Dumbledore und dessen Anhängern gut stellen musste, wurde es Zeit, dass endlich jemand Minister wurde, der sich gegen dieses System auflehnte.

Vielleicht war es tatsächlich soweit – auch, wenn es schmerzhaft sein würde – sein Dasein als Auror an den Nagel zu hängen und stattdessen die Regierung in die Hand zu nehmen.
 

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Draco runzelte die Stirn, als er neben Harry zum Büro des Schulleiters lief. „Hast du eine Ahnung, was er von uns will? Ich konnte nicht einmal in mein Toast beißen, so schnell hat man uns zu ihm beordert.“

„Ich denke, du wirst auch einen Morgen ohne dein Frühstück auskommen, Draco“, entgegnete er abwesend, während seine Gedanken rasten. Ja, was wollte Dumbledore von ihnen? „Es wird kaum wegen gestern sein“, murmelte er. „Er hat uns bereits gratuliert, als wir ankamen. Außerdem müsste dann auch Hermione mitkommen.“

Doch sie war nicht bei ihnen. Sie saß unten neben Ronald Weasley, mit blassen Gesicht und sorgenvollen Augen. Harry fragte sich, wie lange es dauern würde, bis sie erkannte, dass sie diese Beziehung nur unglücklich machen würde. Sie war doch bereits unglücklich!
 

Der gestrige Wettbewerb war besser verlaufen, als sie es alle vermutet hatten. Die Aufgaben waren anspruchsvoll, aber trotzdem leicht zu lösen gewesen. Stephen hatte ihn abends deswegen sofort aufgezogen. „Aber sich erst Sorgen machen!“, hatte er gesagt und grinsend mit dem Kopf geschüttelt.

Harry hatte ihn wohlweislich ignoriert und stattdessen die Rose betrachtet, die nun in einer gläsernen Vase neben dem Lavendel stand, den Felice ihm vor so vielen Monaten geschenkt hatte.

Felice... ein Monat war seit Weihnachten vergangen und immer noch kein Wort von ihr. Insgeheim hatte er gehofft, sie gestern zu treffen, doch da war nur Luna. Luna und Victor.
 

//Es geht ihr gut//, versuchte sein Verstand ihn zu beruhigen. //Sie hat gesagt, dass sie nicht im Sterben liegt. Sie hat gesagt, dass ihr euch wiedersehen werdet. Es wird einen guten Grund geben, warum sie dir nicht schreibt. Es geht ihr gut.//

Würde es ihr gut gehen, würde sie ihm schreiben. Selbst, wenn er sie irgendwie verärgert haben sollte, würde sie es tun. Sie hatte es immer getan.

//Sie hat dich nie angelogen. Wenn sie sagt...//

Sie mochte nie gelogen haben, aber sie hatte auch nie die Wahrheit gesagt.

//Wahrheit? Welche Wahrheit?//

Er wusste es nicht. Er hatte sie vergessen. So, wie er vieles vergessen hatte.
 

Merlin, langsam hörte er sich wie ein alter Mann an, der an Alzheimer litt! Es war nicht leicht, ein Tempus Amicus zu sein. Besonders, wenn man in der ganzen Bibliothek keine brauchbaren Informationen darüber fand.
 

„Aber warum dann?“, fragte Draco und holte ihn damit wieder in die Gegenwart zurück. „Warum ruft er uns zu sich?“ Er hielt kurz inne, ehe er fortfuhr: „Meinst du, es ist etwas geschehen? Vielleicht ist jemand gestorben. Großvater...“

„Mach dich nicht lächerlich, Draco“, entgegnete Harry, obwohl er zugeben musste, das sein Gedankengang nicht ganz unbegründet war. Abraxas hatte tatsächlich nicht gut ausgesehen, als sie sich das letzte Mal gesehen hatten. „Mit ihm ist sicher alles in Ordnung. Die ganze Angelegenheit hat sicher eine ganz einfache Erklärung und wir werden über unsere eigenen Befürchtungen lachen, wenn wir Dumbledores Büro wieder verlassen.“
 

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„Wir werden also lachen?“, fragte Draco spöttisch, als sie kurz darauf darin angekommen waren. Offensichtlich nicht.

Anwesend waren Dracos Eltern, Harrys biologische Eltern, sowie Professor McGonagall und Dumbledore selbst, der wie immer hinter seinem Schreibtisch saß. Eine äußerst beunruhigende Kombination, besonders wenn man bedachte, dass Lilys und McGonagalls Augen gerötet waren und auch die anderen äußerst betroffen wirkten. War Abraxas etwa wirklich...? Doch warum sollten dann Lily und James hier sein?

Es war alles höchst verdächtig.
 

„Ah, Harry, Mr. Malfoy“, begrüßte Dumbledore die beiden, ohne zu lächeln. Was noch besorgniserregender war, als alles andere. „Bitte setzen Sie sich.“

Die beiden wechselten einen verdutzten Blick, ehe sie seiner Aufforderung nachkamen und sich jeweils zwischen ihren biologischen Eltern niederließen. Ein kurzes Schweigen kehrte ein, in dem alle Anwesenden Harry anstarrten. Was hatte er denn jetzt schon wieder verbrochen?

Fragend sah er den Schulleiter an, der leicht seufzte, ehe er ihm die Antwort gab, die er haben wollte. Oder zumindest damit begann, sie ihm zu geben. „Ich nehme an, Euch beiden ist der Name Horace Slughorn vertraut?“

Draco starrte ihn verdutzt an, während Harry blinzelte. „Ja...“, sagte er langsam und drehte sich zu Narcissa um. „Er ist früher oft zum Essen vorbeigekommen, oder?“

„Ab und an“, bestätigte sie ruhig. „Er hatte seit jeher die eigentümliche Eigenschaft, nicht bemerken zu können, wann er unerwünscht war.“

Hinter sich hörte er Lily ein leise Schluchzen ausstoßen. Könnte es etwa sein...?
 

„Doch irgendwann haben diese Besuche sicher aufgehört“, schlussfolgerte Dumbledore aus ihren Worten.

Sie nickte.

„Wegen Harry?“

Niemand gab ihm eine Antwort, was in diesem Fall alles aussagte.

„Das dachte ich mir“, murmelte er düster. „Horace hatte schon immer eine Vorliebe für intelligente, hübsche, grünäugige Kinder, egal ob männlich oder weiblich. Das war einer der Gründe, weshalb ich ihn vorzeitig aus Hogwarts verbannen musste. Offenbar hätte ich jedoch mehr tun sollen.“

„Verzeihen Sie“, unterbrach Harry ihn und drehte sich wieder zu ihm um. „Aber was hat Horace Slughorn mit der hiesigen Versammlung zu tun?“

„Das ist einfach zu erklären, Harry“, sagte er sanft. „Horace Slughorn ist letzte Nacht ermordet worden.“

Minerva McGonagall holte bei diesen Worten ein Taschentuch hervor und schnäuzte sich, während Lily ihren Kopf in James Brust vergrub. Richtig... sie hatte ihn gemocht, oder?
 

Draco, der nun vollkommen überfordert zu sein schien, fragte: „Und was hat das jetzt mit uns zu tun?“

„Mit Ihnen, Mr. Malfoy, hat es nichts zu tun“, beruhigte Dumbledore ihn, ohne seinen Blick von Harrys Augen zu lösen. „Nicht einmal im entferntesten.“

Harry hob eine Augenbraue. „Lassen Sie mich raten: Ich habe ihn umgebracht?“

Diese Worte hatten Wirkung. Lily hörte sofort auf zu schluchzen, während Narcissa, Lucius, James und Draco zusammenzuckten und sich alle entsetzt zu ihm umdrehten. Auch McGonagalls Augen weiteten sich erschrocken. Tatsächlich schienen nur er selbst und Dumbledore völlig ruhig zu bleiben, während sie sich weiterhin ein stummes Blickduell lieferten. Plötzlich erschien ein leichtes Lächeln auf dem Gesicht das alten Mannes, das den Schüler sofort misstrauisch werden ließ. Was hatte er jetzt schon wieder vor?
 

„Oh, natürlich nicht, Harry“, sagte er freundlich. „Menschen wie du töten nur aus zwei Gründen: Entweder, weil ihr eigenes Leben bedroht ist oder das einer geliebten Person. Und da ich bezweifle, dass Horace jemals versucht hat, dich oder jemanden, den du kennst, umzubringen, glaube ich nicht, dass du auch nur ansatzweise bewusst für seinen Tod verantwortlich bist.“

„Bewusst?“, wiederholten Lily und Narcissa. Keiner der beiden achtete auf sie.

„Und wer ist nun für seinen Tod verantwortlich?“, fragte Harry, obwohl er es sich inzwischen bereits denken konnte. Er musste zugeben, dass Dumbledores Taktik wirklich gut war. Zu seinem Pech hatte er sie aber bereits durchschaut.

„Der dunkle Lord“, sagte er. „Oder seine Todesser. Obwohl das letztendlich keinen großen Unterschied macht, denn er ist es, der für alles die Verantwortung trägt.“

„Und was hat das nun mit Harry zu tun?“, fragte Lucius ruhig. Auch er wurde ignoriert.

„Ich kannte einmal einen Jungen namens Tom Riddle“, teilte Dumbledore Harry mit. „Er war ein sehr intelligenter, sehr beliebter, junger Mann. Doch er besaß einen äußerst selbstsüchtigen, äußerst besitzergreifenden Charakter. Die Menschen, die sich auf ihn eingelassen haben, sind allesamt sehr unglücklich geworden und nur wenige von ihnen sind noch am Leben, von ihren Freunden, Familien und Rivalen einmal abgesehen.“
 

Stille war eingetreten. Alle sahen mehr oder minder erschrocken zwischen dem Schulleiter und seinem Schüler hin und her. Lucius, Narcissa und Draco wussten oder ahnten sicher, worum es eigentlich in diesem Gespräch ging und so, wie ihre Gesichter aussahen, konnten auch Lily und James eins und eins zusammenzählen. Entsetzt genug wirkten sie zumindest.

„Das ist...“, sagte Harry langsam, „eine sehr interessante Geschichte, Sir. Doch was...?“

„Es ist nur ein Denkanstoß, Harry“, entgegnete Dumbledore und wirkte plötzlich leicht erschöpft. „Tu damit, was immer du willst.“
 

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„Was hat Albus damit gemeint?“, fragte Lily etwas später, als die Familie Potter sich bei Remus niedergelassen hatte. Harry wusste nicht genau, wie seine Eltern ihn dazu überredet hatten, mit ihnen zu kommen. Vielleicht, weil Narcissa und Lucius nichts dergleichen getan hatten. Außerdem hatte Draco mit ihnen alleine sprechen wollen. Was verständlich war, er musste äußerst verwirrt sein. Die Worte, die Dumbledore benutzt hatte, waren nur für Harry bestimmt gewesen und er hatte sie sehr gut verstanden. Sehr, sehr gut.

Allerdings verstand er nicht, warum er so wütend über sie war.
 

Der Schulleiter hatte nichts als die Wahrheit gesagt, er hatte es doch selbst gewusst. Tom Riddle war ein egoistischer, besitzergreifender und vor allem gefährlicher Stalker. Ihm nahe zu kommen – auf welche Art und Weise auch immer – war selbstmörderisch.

Tom war sicher mehr als eifersüchtig, er würde nicht teilen, mit niemanden. Wenn Harry sich wirklich auf ihn einlassen würde,

//Für ein wenn ist es bereits zu spät, mein Lieber.//

würde jeder, der sich ihm auf irgendeiner Weise näherte, in Gefahr schweben. Slughorn war das beste Beispiel. //Nur wenn er gewusst hat, was ihr miteinander zu tun hattet.//

Dumbledore glaubte zumindest, dass er es wusste.

//Dumbledore will dich manipulieren. Natürlich glaubt er das. Er würde alles glauben, wenn es dich von Tom wegführen würde.//

Wegführen? Seit wann war er bitte schön auf seiner Seite?

//Also bitte, langsam machen wir uns lächerlich, Harry. Sind wir nicht eigentlich schon längst darüber hinaus, alles abstreiten zu wollen?//

Also hatte Slughorns Tod nichts mit ihm zu tun?

//Frag Lucius. Er wird es wissen.//

Nicht unbedingt.

//Dann frag eben den dunklen Lord!//

Er konnte doch nicht einfach...

//Jetzt machst du dich wieder lächerlich, Harry.//
 

„Was ist eigentlich los?“, fragte Remus verwirrt und schenkte ihnen allen etwas Tee ein. „Was macht ihr beide hier? Ist etwas nicht in Ordnung?“ Er sah Harry besorgt an, der seit seinem Gespräch mit Dumbledore kein Wort mehr verloren hatte.

„Horace Slughorn ist tot“, sagte James, der bisher auch recht schweigsam gewesen war. Wahrscheinlich dachte er sich wieder einmal seinen Teil. Warum konnte er sie nicht einmal in seinem Leben an seinen Gedanken teilhaben lassen? Zumindest würde es ihn von seinen eigenen ablenken.

„Was?“ Vor Schreck ließ Remus tatsächlich seine Teekanne fallen und sie wäre wahrscheinlich zerbrochen, wenn Harry sie nicht rechtzeitig mit einem Zauber aufgehalten hätte. Seine Reflexe wurden langsam richtig gut, wenn etwas Eigenlob erlaubt war.

„Wenn du das nächste Mal so eine Nachricht verkündest, solltest du darauf achten, dass dein Gegenüber nichts in der Hand hält“, wies er seinen Vater zurecht und steckte seinen Zauberstab wieder weg.

James runzelte die Stirn, sagte jedoch nichts.
 

„Slughorn ist tot?“, fragte Remus. „Aber warum? Wieso? Und was hat das mit Harry zu tun?“

Anstatt ihm zu antworten, rutschte Lily von ihrem Stuhl hinunter und ging stattdessen vor ihrem Sohn auf die Knie. Vorsichtig griff sie nach seinen Händen, während ihre Augen ihn ernst betrachteten. „Was hat er dir angetan?“

Was für eine direkte Frage. Hätte er ihr gar nicht zugetraut. „Von wem sprichst du?“

Er kannte mehr als einen „er“.

„Von Horace natürlich!“, rief sie aufgebracht. „Ich kannte ihn, Harry. Ihn und seine Neigungen. Was hat er dir angetan?“

„Mach dir keine Sorgen“, entgegnete er spöttisch, ohne seinen Blick von ihren wütenden Augen zu lösen. „Du magst zwar nicht da gewesen sein, doch ich hatte dennoch eine Mutter, die aufgepasst hat, dass er mir nichts antun konnte.“

Der Griff um seine Hände lockerte sich und sie senkte erschrocken ihren Kopf. Sofort rückte er etwas von ihr ab und wandte sich James zu. „Wollt ihr irgendetwas bestimmtes von mir? Wenn nicht, würde ich nämlich gerne endlich etwas frühstücken gehen. Ich hatte leider keine Gelegenheit dazu.“
 

„Ich kann auch einen Hauselfen rufen, der dir etwas hierher bringt“, sagte Remus eilig. Wahrscheinlich hatte er begriffen, dass sich hier wieder ein Konflikt anbahnte und wollte ihn irgendwie entschärfen.

Ehe Harry etwas darauf erwidern konnte, sagte James: „Warum lässt du das eigentlich mit dir machen?“

„Wie meinen?“, fragte sein Sohn und hob eine Augenbraue.

„Warum lässt du dich von den beiden so manipulieren? Du bist nicht dumm und auch nicht naiv genug, um dich auf einen von den beiden einzulassen. Außerdem hast du die nötigen Fähigkeiten, um dich beiden zu widersetzen. Warum also lässt du es zu? Warum lässt du dich von Albus und Voldemort als einen Spielball benutzen?“

„Wer sagt, dass ich mich benutzen lasse?“, erwiderte er kühl. „Du hast keine Ahnung von meiner Beziehung zu Dumbledore, noch zu der zum dunklen Lord. Du hast keine Ahnung davon, wer ich bin, was ich denke und was ich zu tun gedenke. Du hast keine Ahnung von meinem Leben. Also hör endlich auf so zu tun, als wärst du ein Teil davon.“ Entschlossen stand er auf und sah mit einem kühlen Blick in die Runde. „Weihnachten mag zwar ganz nett gewesen sein, aber das bedeutet nicht, dass es die letzten elf Jahre ungeschehen macht. Denkt daran, wenn ihr das nächste Mal mit mir sprechen möchtet.“

Im nächsten Moment hatte er Remus' Büro bereits verlassen.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Irgendwie... war es beinahe lachhaft.

Severus hatte Recht gehabt, er drängte sich wirklich immer ihm auf, wenn irgendetwas in seinem Leben aus der Bahn geriet. Langsam begann es sicher, den Mann zu nerven. Er sollte lieber woanders hingehen.

//Und wohin? Wo kannst du dich sonst abreagieren, ohne fürchten zu müssen, jemanden ernsthaft zu verletzen?//

Nirgends in Hogwarts, soviel war klar.

Aus diesem Grund stand Harry unschlüssig vor dem Büro des Zaubertrankmeisters und haderte mit sich, ob er anklopfen sollte oder nicht.

Einerseits war es genau das, was er tun wollte. Bei Severus würde er sich ohne Probleme über alles auslassen können und vielleicht würde er auch noch den ein oder anderen Rat erhalten. Außerdem war er bei ihm sicher vor seinen biologischen Eltern und Dumbledore sicher.

Andererseits war die Wahrscheinlichkeit groß, dass Narcissa, Lucius und Draco zu ihm gegangen waren und sich immer noch bei ihm befanden. Zwar hatte er momentan keinen Grund, ihnen aus den Weg zu gehen, aber er hatte auch keine Lust, mit ihnen über das, was bei Dumbledore geschehen war, zu reden. Er... wollte heute nicht mehr dazu gezwungen werden, über seine Beziehung zum dunklen Lord nachzudenken.
 

Überhaupt war er diesem Thema in den letzten Wochen erfolgreich ausgewichen. Es war einfach gewesen, sich stattdessen auf Draco und Hermione zu konzentrieren. Inzwischen war er beinahe davon überzeugt, dass ihre schlechten Stimmungen tatsächlich nichts miteinander zu tun hatten, aber ein leiser Verdacht würde wahrscheinlich immer bleiben. Seine Theorie machte einfach zu viel Sinn, als dass er sie einfach verwerfen könnte.

Darüber hinaus waren seine Schularbeiten, sowie seine Recherchen über Animagi auch eine äußerst wirkungsvolle Ablenkung...

Animagi. Er hatte doch mit James darüber sprechen wollen. Verdammt, das konnte er jetzt wohl vergessen. Na ja, so wie er Lily und James kannte, würde er schon noch eine Gelegenheit bekommen. Die beiden konnten hartnäckiger sein, als man es vermuten würde.
 

//Zumindest weiß ich jetzt, woher ich es habe//, dachte er grinsend und hob eine Hand, um an die Tür seines Patenonkels zu klopfen. Plötzlich hielt er jedoch inne, als ihm etwas auffiel, was er bisher erfolgreich ignoriert hatte. Und es gefiel ihm ganz und gar nicht.

Die ganzen Kerker waren von der Aura des dunklen Lords überzogen. Es war nicht stark genug, dass man es in den anderen Teilen des Schlosses spüren konnte, aber hier unten war es klar und deutlich. Er... war hier und sobald er wieder verschwunden wäre, würde nichts mehr darauf hindeuten, dass er hier gewesen war. Offenbar hatte er seine Magie besser unter Kontrolle, als das letzte Mal, als er Hogwarts aufgesucht hatte. Wer hätte gedacht, dass auch der dunkle Lord noch lernte, mit seinen Fähigkeiten umzugehen? Aber wahrscheinlich hatte es etwas mit diesem Trank zu tun, den er noch vor kurzem genommen hatte. Gut, dass er damit aufgehört hatte. Wer wusste schon, worin das geendet wäre.

//Wahrscheinlich in seinem Tod//, kommentierte der zynische Teil seines Verstandes.
 

Wie auch immer, er war hier. Höchstwahrscheinlich direkt hinter dieser Tür. Wenn er nun also tatsächlich anklopfte, würde er wohl oder übel mit ihm sprechen müssen und etwas sagte ihm, dass dies heute alles anderes als eine gute Idee wäre. Deshalb ließ er seinen Arm langsam wieder sinken und wollte gerade einen Schritt zurücktreten, als jemand die Tür öffnete. An seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, hielt Severus diese Tätigkeit als eine reine Zeitverschwendung. Als er jedoch Harry entdeckte, der unwillkürlich erstarrt war, weiteten sich seine Augen und er starrte ihn an, wie eine Erscheinung.
 

Mehrere Sekunden standen sie sich schweigen gegenüber, bis Severus mit dem Kopf schüttelte und „Langsam wird es beunruhigend“ murmelte. Danach hob er fragend seine Augenbraue. „Bist du hier, um dir dein Lob für gestern einzuholen? Ich gebe ja zu, dass deine Leistung sehr beeindruckend gewesen ist, aber...“ Er verstummte, als er Harrys Gesichtsausdruck sah. „Was...?“

Kurz wollte er ihm tatsächlich die Wahrheit sagen. Deshalb war er doch hergekommen, oder? Aber der dunkle Lord würde es hören, von Narcissa, Draco und Lucius ganz zu schweigen...

„Ich... Tut mir Leid, dass ich hierhergekommen bin, Sir“, überlegte er es sich anders und wirbelte herum. „Es wird nicht wieder vorkommen.“

Eilig begann er damit, sich zu entfernen. Hinter sich hörte er, wie die Tür zugeworfen wurde und kurz darauf wurde er von einer festen Hand an seinem Arm gepackt.

„Was ist passiert?“, fragte Severus besorgt und drehte ihn zu sich um. „Brauchst du Hilfe? Lucius und Narcissa haben mir erzählt, was in Dumbledores Büro vorgefallen ist und dass du danach zu Lily und James gegangen bist. Haben sie dir irgendetwas angetan?“
 

Harry konnte nicht anders, er musste bei diesen Worten lachen. Dies schien Severus noch mehr zu beunruhigen, denn er wich unwillkürlich einen Schritt zurück und ließ dabei seinen Arm los.

„Ob sie mir was getan haben? Sie sind meine Eltern, Sev. Sie lieben mich. Sie würden mir niemals etwas antun.“ Den Sarkasmus und die Verbitterung in seiner Stimme hätte nicht einmal ein Taubstummer überhört. „Es ist alles in bester Ordnung und wir sind eine perfekte Familie.“

„Ich verstehe...“, entgegnete Severus und dachte kurz nach. „Der dunkle Lord ist hier“, sagte er schließlich.

„Er will wohl mit mir sprechen, was?“

„Harry, er will immer mit dir sprechen.“ Ja, das tat er offenbar. „Aber wenn ich es richtig anstelle, kann ich es sicher schaffen, dass er und... Dracos Eltern ohne größere Umstände gehen. Dann kannst du dich gerne für eine Weile bei mir verkriechen und eine Tasse Heiße Schokolade trinken.“
 

Er schenkte ihm ein leichtes Lächeln. „Das ist sehr nett von dir, Sev, aber... ich glaube, ich...“ Er atmete tief ein. „Ich muss da wohl oder übel durch. Ich möchte dir keine Umstände machen. Außerdem habe ich ein paar Fragen.“

„Bist du dir sicher?“, fragte sein Patenonkel.

Nicht im geringsten. „Ja. Aber nur, wenn du mir wirklich eine Heiße Schokolade spendierst. Und was zu essen wäre auch nicht schlecht. Ich habe heute noch nichts gegessen.“

„Von Essen war nie die Rede, Potter“, entgegnete der Zaubertrankmeister mürrisch, aber Harry wusste, dass er ihm trotzdem etwas besorgen würde.

Manchmal fragte er sich, ob von allen, die sich um diesen Posten bewarben, nicht Severus der beste Vater wäre. Andererseits war er sein Patenonkel und das kam letztendlich wahrscheinlich auf das gleiche hinaus.

My Favourite Flower

Hallo, ihr Lieben.
 

Ich könnte mich jetzt stundenlang über die aktuelle politische Lage und Japan auslassen, aber da ich annehme, dass ihr alle bestens darüber informiert seid, lasse ich es sein und sage nur eines: Wenn die noch einmal sagen, dass unsere Atomkraftwerke sicher sind und das hier niemals passieren kann, krieg ich die Krise. >.<

Leute, beteiligt euch an der Unterschriftenaktion auf campact.de! Wir müssen unserer lieben Frau Bundeskanzlerin klarmachen, was wir von der Sache halten!
 

So, soviel zu meiner politischen Meinung.
 

Kommen wir nun zu etwas Zerstreuung in diesem traurigen Alltag, der sich Leben schimpft.

Zunächst möchte ich wieder allen Kommischreibern und insbesondere meiner Beta danken. <3

Dieses Kapitel ist für euch, also genießt es.

Allerdings sollte ich euch vorwarnen, es kommen heiße Schokolade, Erdbeeren und jede menge Kitsch in diesem Kapitel vor. Also lest das hier besser nicht mit leerem Magen.

Ich wünsche euch noch eine schöne Woche,

eure Ayako
 

P.s.: Mando Diaos Down in the Past passt wunderbar zu diesem Kapitel. Zumindest habe ich das beim Schreiben gehört.

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My Favourite Flower
 

Harry liebte Heiße Schokolade. Es war sein absolutes Lieblingsgetränk. Geschmolzene Schokolade, vermischt mit einem Schuss Milch und auf der Oberfläche ein kleiner Berg süßer Sahne mit geraspelten Mandeln oder Haselnüssen. Zur Not tat es selbstverständlich auch ein einfacher Kakao, aber er war nichts im Vergleich zu einer echten, originalen, heißen Schokolade. Die Hauselfen von Hogwarts hatten sehr früh gelernt, sie so zuzubereiten, wie er es sich vorstellte und waren stets übereifrigst bei der Arbeit, wenn sie hörten, dass er gerne eine trinken würde. Sie alle rissen sich darum, sie ihm bringen zu dürfen und seine Reaktion zu sehen, in der Hoffnung, bald eine ebenso gute Schokolade zubereiten zu können, wie Harry selbst. Allerdings würden sie dies wahrscheinlich nie schaffen.
 

Die Werke eines Tempus Amicus waren von einer gewissen Perfektion umgeben, die ihre Magie automatisch mit hinein gewebt hat. Sei es ein Bild, sei es Musik, sei es eine Erfindung oder sei es Essen – der Konsument würde stets das vorziehen, was ein Tempus Amicus geschaffen hatte.

Den Grund dafür hatte Harry bereits vor vielen Jahren in einem Buch in der Bibliothek der Malfoys gefunden. Wenn ein Tempus Amicus Zeit dafür aufbrachte, etwas zu erschaffen – und dabei war es egal, was es war – steckte er in der Regel seine ganze Liebe in diesen Gegenstand und damit unbewusst einen bestimmten Teil seiner Magie. Wenn Harry nun also eine Torte zubereitete, würde sie für jeden, egal ob er Harrys Freund oder Feind war, anziehender sein, als jede andere Torte dieser Art, da die Magie, die sich darin befand, automatisch die Magie des Essenden unterstützte.

Jedoch hatte in dem Buch auch gestanden, dass der Tempus Amicus lernen konnte zu kontrollieren, wen seine Magie unterstützen würde. Die Frage war nur: Wie?
 

Die Zeit... würde es zeigen.
 

Zumindest stand auch heute wieder eine gespannte Hauselfe vor ihm und sah mit großen Augen dabei zu, wie Harry vorsichtig über die dampfende Schokolade pustete. Dabei ignorierte er die Familie Malfoy, Severus Snape und den dunklen Lord, die allesamt über diese Szene mehr als verdutzt zu sein schienen.

„Du hast das zubereitet?“, fragte er die Hauselfe freundlich.

„Ja, Mr. Harry, Sir“, er hatte ihnen schon in seinem ersten Jahr gesagt, dass sie ihn Harry nennen sollten. Das Mister hatte er ihnen leider nie ausreden können und inzwischen hatte er es aufgegeben. „Tabsi hat sich genauestens an Ihre Anweisungen gehalten.“

Er nickte langsam und trank vorsichtig einen Schluck. Tabsi beugte sich gespannt vor, um auch keine Regung seines Gesichts zu verpassen. Kurz schmeckte er den Nachgeschmack auf seiner Zunge, ehe er noch einen Schluck trank. Erst als dieser seine Kehle hinunter gewandert war, drehte er sich wieder zu der Hauselfen um. „Das nächste Mal ein bisschen weniger Milch und vielleicht ein bisschen länger warten, bevor du es servierst. Es ist etwas zu heiß. Aber ansonsten ist sie wirklich ausgezeichnet. Das war eine sehr gute Arbeit, Tabsi.“
 

„Vielen Dank, Mr. Harry, Sir!“, rief sie strahlend und ihre Ohren flatterten fröhlich. „Kann Tabsi sonst noch etwas für Mr. Harry tun?“

„Na ja... etwas zu essen wäre nicht schlecht...“

„Natürlich, Mr. Harry, Sir! Tabsi wird Ihnen sofort etwas bringen!“ Freudig disapparierte sie.

Die Anderen schienen für einige Minuten zu verblüfft zu sein, um etwas zu sagen, deshalb nutzte Harry das Schweigen dafür, noch etwas von der Heißen Schokolade zu trinken und sich ein wenig von der Wärme des Kaminfeuers einlullen zu lassen. Es tat gut, einfach nur hier zu sitzen und sein Lieblingsgetränk zu genießen. Außerdem konnte er nicht umhin zuzugeben, dass es gut tat, wieder in Toms Gegenwart zu sein. Nicht, dass er ihm das jemals auf die Nase binden würde, der Mann hatte auch so schon ein sich viel zu sehr überschätzendes Ego.
 

Die Sitzordnung war übrigens äußert interessant.

Severus hatte seine Sessel in einen Halbkreis um den Kamin gestellt. Harry und Voldemort saßen jeweils an einem Ende des Halbkreises und sich damit direkt gegenüber. Neben ihnen saßen jeweils Severus und Lucius und neben ihnen wiederum Draco und Narcissa. Eine wirklich sehr interessante Sitzordnung. Ob sie beabsichtigt war?

Er jedenfalls würde sich nicht beschweren, dafür ging es ihm gerade viel zu gut.

Plötzlich ertönte ein lautes Plopp und Tabsi tauchte wieder aus dem Nichts auf. In ihren Händen hielt sie ein Tablett voller belegter Brötchen, sowie einen kleinen Obstkorb und eine Schale mit Aprikosenjoghurt. Hatte da jemand sein Essverhalten studiert? Offensichtlich.

„Kann Tabsi noch etwas für Mr. Harry tun?“, fragte sie enthusiastisch, sobald sein Frühstück auf dem kleinen Couchtisch stand, der vor dem Kamin seinen Platz gefunden hatte.

„Ähm... für mich nichts...“ Er blickte fragend in die Runde, doch sie schienen alle immer noch zu geschockt zu sein, um eine klare Reaktion von sich zu geben. Na ja, außer der dunkle Lord natürlich. Er blickte einfach nur amüsiert. Deshalb drehte er sich wieder zu Tabsi um und sagte: „Das wäre dann also alles. Falls ich noch etwas brauchen sollte, werde ich einfach nach dir rufen.“

Die Hauselfe plusterte sich stolz auf und strahlte ihn an: „Natürlich, Mr. Harry, Sir! Nur ein Wort von Ihnen und ich werde sofort zur Stelle sein!“

Ein weiteres Plopp ertönte und sie war wieder verschwunden.
 

Der dunkle Lord gluckste leise. „Erinnere mich daran, dich von meinen Hauselfen fern zu halten.“

„Seid unbesorgt, Mylord“, erwiderte Harry, während er seine heiße Schokolade abstellte und stattdessen nach einem belegten Brötchen griff. „Es reicht, dass Hogwarts mir zu Füßen liegt. Damit ist mein Größenwahn voll und ganz befriedigt.“

„Nun, es freut mich zu hören, dass du so leicht zufrieden zu stellen bist“, meinte er munter. Der Potter schenkte ihm ein breites Grinsen, ehe er sich seinem Essen widmete.

Währenddessen machten die anderen Anwesenden große Augen. Stimmt, sie waren ja noch nie Zeuge einer ihrer Dialoge geworden. Ob sie überhaupt wussten, dass ihr Meister einen überaus amüsanten Sinn für Humor besaß? Ihren Gesichtsausdrücken nach zu urteilen nicht. Der dunkle Lord sollte wirklich dringend an seinem Image arbeiten. Andererseits.... wäre er dann vielleicht nicht mehr das, was man sich unter einem dunklen Lord vorstellte. Titel waren wirklich lästig. Und warum sahen ihm jetzt eigentlich alle beim Essen zu? Hatten sie nichts zu besprechen?
 

„Hast du eigentlich schon etwas gegessen, liebster Bruder?“, wandte er sich an Draco, der sich momentan wahrscheinlich in sein Bett zurückwünschte. „Dumbledore war heute wirklich alles andere als ein guter Gastgeber.“ Draco zögerte, deshalb fügte er hinzu: „Los, bedien dich. Es ist ohnehin viel zu viel. Die Hauselfen übertreiben wirklich immer wieder.“

„Das kommt daher, weil sie dich beeindrucken wollen“, entgegnete sein Bruder, bediente sich aber ebenfalls mit einem Brötchen. „Weißt du, langsam wirst du mir unheimlich. Da bekommt man ja richtig Bammel davor, dich zu beleidigen, wenn du eine eigene, kleine Armee voller Hauselfen hast.“

„Nun, dann solltest du es in Zukunft wohl besser unterlassen“, meinte Harry grinsend. „Hauselfen können ziemlich gefährlich werden, weißt du?“

„Natürlich“, sagte Draco schnaubend. „Mit ihren Kochlöffeln.“

„Ich würde sie nicht unterschätzen, wenn ich du wäre. Sie sind pfiffiger, als du glaubst und ihre Magie ist beeindruckend.“

„Beeindruckend? Wir reden hier von Hauselfen, Harry.“

„Ich....“
 

Ein Lachen, das beinahe wie ein Schluchzen klang, unterbrach ihren heiteren Dialog. Verdutzt drehten sie sich zu Narcissa um, die eine Hand über ihren Mund hielt. Sie schien tatsächlich zu lachen, aber es schimmerten Tränen in ihren Augen. „Entschuldigt bitte“, sagte sie. „Es... ist nur so lange her, seitdem ich euch so habe sprechen hören.“

„Mutter“, flüsterte Draco bestürzt.

„Nun, ich habe es dir doch gesagt, Narcissa“, sagte der dunkle Lord, den Blick unverwandt auf Harry gerichtet – hatte er eigentlich auch nur für eine Sekunde woanders hingesehen? „Deine Familie wird früher oder später immer zu dir zurückkehren. Da kannst du machen, was du willst, es wird sich nicht ändern.“

„Da habt Ihr offenbar Recht“, entgegnete sie und lächelte glücklich, während ihre Augen ebenfalls Harry fixiert hatten. „Merlin sei Dank, dass Ihr Recht habt.“
 

Die beiden hatten sich über ihn unterhalten?

Forschend spähte er zu Voldemort hinüber und knabberte dabei an seinem Brötchen. Was sie wohl besprochen hatten?

//Ja, was hat wohl jemand mit deiner Mutter zu besprechen, der dich in seinem Bett haben will?//

Harry spürte, wie sein Gesicht bei diesem Gedanken rot anlief und war froh, dass es abgesehen vom Kaminfeuer recht dunkel war. Es wäre wirklich zu auffällig, wenn die anderen ihn rot anlaufen sahen, nur weil er den dunklen Lord ansah. Außerdem würde der Mann selbst sich sicher irgendetwas darauf einbilden, also reiß dich zusammen, Mr. Potter!

Jedoch war das nicht so einfach, wenn jede deiner Bewegungen von zwei roten Augen erfasst wurde. Konnte der Kerl nicht woanders hinsehen? So spannend war es nun auch wieder nicht, ihm beim Essen zuzusehen... war es doch nicht, oder?

//Würdest du es spannend finden, ihm beim essen zuzusehen?//

Nein, natürlich n.... Oh.

//Da hast du deine Antwort. Und jetzt tu endlich, wozu du hergekommen bist, anstatt dich mit etwas so lächerlichem zu beschäftigen. Das passt überhaupt nicht zu dir.//

Sein Verstand hatte Recht, er machte sich wieder einmal lächerlich. Aber wenigstens nur vor sich selbst und nicht vor den hier Anwesenden.
 

Eilig schluckte er seinen Bissen runter und fragte: „Warum seid Ihr eigentlich hier? Ist es nicht riskant, direkt unter Dumbledores Nase hier aufzutauchen?“

Eine berechtigte Frage, die niemand außer ihm gestellt hätte. Zumindest schloss er das aus den erschrockenen Gesichtern der anderen. Am liebsten hätte er jetzt die Augen verdreht. //Also bitte, ihr seid es, die glauben, dass ich und er was miteinander hätten. Warum jetzt so überrascht?//

Wahrscheinlich hatten sie es bis jetzt einfach nur nicht wahrhaben wollen, aber da mussten sie jetzt durch, er konnte es schließlich nicht allen Recht machen.

Anstatt also auf sie zu achten, widmete er seine ganze Aufmerksamkeit dem dunklen Lord, der sich über die gesamte Situation köstlich zu amüsieren schien. Zumindest blitzten seine Augen fröhlich und seine Mundwinkel zuckten verdächtig. Wären sie allein gewesen, hätte er wahrscheinlich gelacht.

//Ach ja? Seit wann zeigt er denn ausgerechnet dir seine Gefühle?//

Klappe.
 

„Bellatrix“, begann Voldemort sanft und sofort drehten sich alle Köpfe zu ihm um, „hat mich darüber informiert, dass Albus Lucius und Narcissa zu sich gerufen hatte und dass offensichtlich du die Begründung dafür warst. Ich muss zugeben, dass dies mein Interesse geweckt hatte und so beschloss ich, Hogwarts einen kleinen Besuch abzustatten.“

„Und wurde Eure Neugier gestillt?“

Nun erschien doch ein breites Grinsen auf seinem Gesicht. „Nicht einmal annähernd. Aber ich bin optimistisch, dass du dabei eine große Hilfe sein wirst.“

„Es ist mir jedes Mal eine Ehre, Euch zu Diensten sein zu können“, entgegnete er zuckersüß, woraufhin Severus beunruhigt hin und her rutschte und Draco mit seinem Kauen innehielt. Na nu, war er etwa unhöflich gewesen?

Doch der dunkle Lord sah es mit Humor: „Dann wird es für dich sicher kein Problem sein, wenn ich sie heute wieder in Anspruch nehme.“ Er drehte sich zu den anderen um. „Lasst uns allein!“

„Aber...“, begann Narcissa.

„Draco, warum zeigst du ihnen nicht die neuen Schulbesen?“, mischte sich Harry ein. „Soweit ich weiß, konnte Dumbledore ein paar neue Modelle finanzieren?“
 

Draco blickte besorgt zwischen ihm, dem dunklen Lord und seinen Eltern hin und her, ehe er langsam nickte und aufstand. Narcissa und Lucius zögerten einen Augenblick, doch dann erhoben auch sie sich und folgten ihm aus Severus privaten Räumen. Kurz darauf machte auch er sich langsam auf den Weg zu seinen Laboratorien.

Das Geräusch der Tür, die ins Schloss fiel, war unnatürlich laut in Harrys Ohren, aber vielleicht bildete er es sich auch nur ein.
 

Sie waren wieder allein.
 

//Wetten, dass er das von dem Moment an geplant hat, als er beschloss, Hogwarts zu besuchen?//, dachte sein zynischer Teil.

Die Wahrscheinlichkeit dafür war hoch. Beinahe so hoch, dass es keine Wahrscheinlichkeit mehr war, sondern vielmehr eine festgeschriebene Tatsache.
 

Argwöhnisch beobachtete er den dunklen Lord, der sich nun ebenfalls erhob und damit begann, langsam durch den Raum zu laufen. Als er sich nach mehreren Minuten immer noch nicht Harry zugewandt hatte, zuckte dieser mit den Schultern und griff nach einer Erdbeere, die unschuldig in dem Obstkorb lag und ihn geradezu bat, von ihm gegessen zu werden. Wer wäre er, es ihr zu verwehren?

Vorsichtig führte er sie an seinen Mund und biss ab. Dabei lief etwas Fruchtsaft an seinen Mundwinkeln herunter, doch er kümmerte sich erst einmal darum, die Erdbeere aufzuessen. Lecker!
 

Doch bevor er irgendetwas anderes tun konnte, tauchte auf einmal eine nur allzu bekannte Hand in seinem Blickfeld auf, die sanft damit begann, den heruntergelaufenen Fruchtsaft aufzuwischen. Erschrocken ließ er seine Augen zum dunklen Lord schwenken, der sich irgendwann neben ihn gehockt haben musste.

Er betrachtete Harrys Gesicht mit einem seltsam abwesenden Blick, während seine Finger ihre Arbeit verrichteten. Plötzlich trafen seine roten Augen jedoch auf Harrys grüne und für einen Augenblick war keiner der beiden bereit, sich abzuwenden.

Irgendwie... kam ihm diese Situation sehr bekannt vor. Zum einen hatte seine Mutter vor einigen Stunden in derselben Haltung vor ihm gesessen – wenn man davon absah, dass sie nicht versucht hatte, seine Mundwinkel sauber zu wischen, verdammt, das war ein dunkler Lord! Warum tat er das? Dieser Mann würde ihn irgendwann noch in den Wahnsinn treiben. – zum anderen war dies schon oft in der Vergangenheit geschehen. Warum waren sie nur so sehr von den Augen des jeweils anderen fasziniert?
 

//Weil du seit Jahren von ihnen geträumt hast. Weil es für dich nichts schöneres auf der Welt gibt. Und weil...//

...sie ihm die Wahrheit zeigten.

//Was für eine Wahrheit?//
 

„Harry...“, kam es auf einmal hauchzart vom dunklen Lord.

Ohne weiter nachzudenken, sprang Harry auf und stellte sich direkt vor das Kaminfeuer, da es die einfachste Methode war, ihm den Rücken zuzukehren. Er schlang seine Arme um seinen Oberkörper und starrte in die Flammen, während er seinem viel zu schnellen Herzschlag lauschte. Wieso? Er hatte doch nur seinen Namen gesagt! Das taten viele und da brachte es ihn auch nicht so sehr aus dem Konzept.

//Es geht auch nicht darum, was er gesagt hat, sondern wie er es gesagt hat. Und wie immer bist du zu feige und flüchtest. Dabei müsstest du doch inzwischen begriffen haben, dass du ihn...//

Er liebte ihn nicht. Er respektierte ihn! Er genoss seine Gesellschaft und Gespräche, ja, er würde sich sicher auch von ihm verführen lassen, aber Liebe? Das war keine Liebe! Liebe bedeutete Vertrauen, Glück, Freude, Trauer, Schmerz und das Bedürfnis, sich niemals von dieser einen Person zu trennen. Sie bedeutete, dass man sich immer auf jemanden verlassen konnte, dass jemand zu einem Zuhause geworden war und...

//Genau das ist es, was Tom dir anbieten möchte. Das hast du selbst gesagt.//
 

Ach verdammt! Er wusste, warum er das Thema Tom die letzten Wochen aus seinem Geist verbannt hatte! Es war einfach zu kompliziert!

//Nein, es ist einfach. Du machst es dir nur unnötig kompliziert.//

Klappe!

Warum machte er sich überhaupt so viele Gedanken darum? Er war ein Junge! Nachsinnen über Liebe und Gefühle war etwas für Mädchen, aber nicht für ihn!

//Du bist ein Tempus Amicus. Gefühle sind alles, was dich ausmachen.//

Klappe!

Könnte es sein, dass er sich gerade selbst zum Schweigen bringen wollte? Langsam verlor er wohl wirklich den Verstand.
 

„Es gibt etwas, dass ich nicht ganz verstehe“, riss ihn Voldemorts Stimme aus seiner inneren Debatte. Er war neben ihn getreten und betrachtete ihn nun wieder mit einer völlig ausdruckslosen Maske. Gut, das war ihm momentan lieber, als das, was zuvor geschehen war.

„Und was soll das sein, Mylord?“, fragte Harry und drehte sich zu ihm um, ohne seine Arme von seinem Körper zu lösen. Vielleicht mochte er ihm gerade schwach vorkommen, doch das war egal. Der Mann hatte ihn bereits weinen sehen. Tiefer konnte er in seiner Gegenwart wirklich nicht mehr sinken.

„Albus hat Narcissa und Lucius hierher berufen“, sagte er und streckte langsam seine Hände aus, um sie vorsichtig auf seine Oberarme zu legen. „Wegen dir... und dem Tod von Horace Slughorn. Obwohl es dazwischen eigentlich keinen Zusammenhang geben dürfte...“
 

Er hatte es also doch nicht gewusst? Soviel also zu Dumbledores Taktik, ihm Angst einzujagen, dass dieser Mann jeden umbringen würde, der ihm jemals zu nahe... okay, vielleicht würde er es doch tun, ganz sicher sogar. Er war ein besitzergreifender, gefährlicher, dunkler Lord, der mit niemanden teilen würde.

Nichtsdestotrotz hatte Dumbledore mit seiner Theorie unrecht. Die Frage war nur: Warum hatte er Slughorn dann töten lassen? Nicht, dass es ihn störte, aber interessieren würde es ihn trotzdem.
 

Was sollte er jetzt tun? Ihm die Wahrheit sagen? Lügen? Oder die Halbwahrheit?

//Er ist ein dunkler Lord. Wahrscheinlich hat er bereits eins und eins zusammengezählt. Dass du mit deiner Antwort so sehr zögerst, wird es auch nicht besser machen.//

Nein, vermutlich nicht.

„Es gibt keinen Zusammenhang zwischen mir und seinem Tod“, sagte Harry. „Dumbledore hat sich nur wieder irgendwelche Theorien an den Haaren herbeigezogen.“

„Dumbledore mag des öfteren seltsame Theorien aufstellen, doch sie sind niemals an den Haaren herbeigezogen.“ Der Griff an seinen Armen verfestigte sich leicht, während sich Voldemorts Augen verdunkelten. „Hat er dich sexuell belästigt? Oder etwa sogar vergewaltigt?“

„Nein, natürlich nicht!“, rief Harry und wollte vor ihm zurückweichen, doch diesmal ließ er ihn nicht gehen.

„Belüge mich nicht, Harry“, zischte er, während sein Griff noch eine Spur fester wurde. „In der Vergangenheit haben schon genug Menschen versucht, mich zu belügen, doch du wirst es nicht tun!“
 

„Ich belüge Euch nicht!“, entgegnete er. „Er hat mich nicht vergewaltigt! Lasst mich bitte los, Ihr tut mir weh!“

Das stimmte. Sein Griff war inzwischen so fest geworden, dass es ihn nicht wundern würde, wenn seine Arme blau anlaufen würden. Dummerweise dachte der dunkle Lord nicht einmal daran, auf ihn zu hören.

„Was hat er dann getan? Dich verführt? Dich geküsst? Dich unsittlich berührt?“ Wollte er seine Arme zerquetschen? Wenn ja, machte er eine wirklich hervorragende Arbeit. „Hätte ich das früher gewusst, ich hätte ihn persönlich...“

„Mylord!“, rief Harry schmerzerfüllt, doch er schien sich zu sehr in seiner Wut verloren zu haben, um ihn wirklich wahrzunehmen. Deshalb musste er auf ein anderes Mittel zurückgreifen. „Tom!“

Dies brachte ihn in die Gegenwart zurück, zumindest wurde sein Blick wieder klarer und er sah ihn fragend an.

„Tom“, wiederholte Harry sanft, „lass mich los. Du tust mir weh.“
 

Erst jetzt schien er zu bemerken, wie fest er ihn gepackt hatte, zumindest war sein Gesichtsausdruck erschrocken genug und er ließ ihn endlich los. Sofort brachte Harry einen gewissen Sicherheitsabstand zwischen sie und rieb sich seine schmerzenden Arme.

„Verzeih“, flüsterte Voldemort. „Ich...“

„Er hat mir nichts angetan“, unterbrach Harry ihn. Er wollte nicht, dass der dunkle Lord sich bei ihm entschuldigte. Er war ein zu stolzer Mensch, als dass ihm eine Entschuldigung leicht fallen würde und Harry wollte ihn nicht zwingen, etwas zu tun, was er hassen musste. Verdammt, er war wirklich hoffnungslos verloren. „Narcissa und Lucius hätten es nie zugelassen. Doch wenn sie nicht gewesen wären... ich weiß nicht, was er dann getan hätte.“ Er schwieg kurz, ehe er fragte: „Warum habt Ihr ihn umbringen lassen?“
 

„Ich habe ihn nicht umbringen lassen“, erwiderte Voldemort ruhig. „Ich habe ihn aus verschiedenen Gründen gesucht. Gestern sah ihn zufälligerweise ein alter... Freund von mir in einem Schweizer Restaurant sitzen. Er dachte, es würde mir eine Freude bereiten, wenn er mir seine Leiche als Geschenk darbieten würde. Ein Jammer. Ich hätte ihn gerne lebend gehabt.“

Zögernd näherte er sich ihm und als er sah, dass Harry nicht zurückwich, legte er wieder seine Hände auf seine Arme und strich sanft über die schmerzenden Stellen. Es war eine stumme Geste der Entschuldigung und der Schüler nahm sie schweigend an.
 

„Wie ich hörte, hast du gestern großartige Arbeit geleistet, mein kleines, geniales Wunderkind“, wechselte der dunkle Lord das Thema und lächelte leicht. „Severus ist sehr stolz auf seine Fähigkeiten als Lehrer.“

Harry lachte leise. „Ich sollte mich vermutlich für Eure Rose bedanken.“

„Ich hoffe, sie hat dir gefallen“, meinte der Andere in einem neckenden Tonfall.

„Sie ist tatsächlich sehr schön“, bestätigte er nickend. „Aber nicht meine Lieblingsblume.“

„So?“, entgegnete Voldemort und hob eine Augenbraue. „Und was ist deine Lieblingsblume?“

Für einen Moment wollte er es ihm tatsächlich sagen, doch dann kam ihm eine Idee und er grinste breit. Sein Gegenüber hob daraufhin seine zweite Augenbraue.

„Findet es selbst heraus“, flüsterte Harry. „Ich bin sicher, Ihr seid genial genug, um das zu bewerkstelligen. Und nicht schummeln! Es wäre unfair, wenn Ihr einfach jemanden fragen würdet, oder?“

„Eine Herausforderung, Harry?“, fragte er amüsiert. „Ein äußerst unerwarteter Zug von dir. Darf ich fragen, was ich bekomme, wenn ich sie erfolgreich meistere?“
 

„Ihr meint, außer die Genugtuung, mich voll und ganz durchschaut zu haben?“, entgegnete er immer noch grinsend. Im nächsten Augenblick wurde er jedoch wieder ernst und er hob aus einem Impuls heraus seine Hand an Voldemorts Wange. Beinahe andächtig strich er über die weiße Haut, bis seine Finger plötzlich auf seinen Lippen landeten. „Einen Kuss“, hauchte er, ohne wirklich nachzudenken.

Die roten Augen weiteten sich überrascht, ehe ein verlangendes Funkeln in sie trat. Oho, da hatte er wohl offensichtlich einen guten Einsatz gewählt.

Das Grinsen kehrte auf Harrys Gesicht zurück und er sah ihn herausfordernd an. „Findet ohne fremde Hilfe meine Lieblingsblume und Ihr bekommt einen Kuss.“

Der dunkle Lord erwiderte sein Grinsen, ehe er einen seine Lippen sanft gegen Harrys Finger drückte. „So sei es.“
 

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Gab es etwas schlimmeres, als deine beste Freundin dabei zu beobachten, wie sie sich von deinem ehemaligen, besten Freund und aktuellen schlimmsten Feind – nach Voldemort und Malfoy versteht sich – begrapschen ließ?

Nun, wenigstens war Harry noch nicht in die Kategorie „verliebter Trottel“ abgerutscht. Ansonsten würde er sich ernsthaft überlegen, vom Astronomieturm zu springen. Apropos Harry, wo hatte der sich schon wieder verkrochen, wenn er ihn brauchte?

Mit einer schlechten Laune, die man sonst gar nicht von ihm gewohnt war, stand Neville von seinem Sessel im Gryffindorgemeinschaftsraum auf und machte sich auf den Weg zur Fetten Dame. Er konnte den Anblick von Hermione und Ronald Blödmann Weasley einfach nicht mehr ertragen. Wie die beiden zusammenkommen konnten, überstieg seine Intelligenz und soweit er es beurteilen konnte, war auch Harry mehr als ratlos. Aber jetzt mal im Ernst: Weasley war eine kriecherische, selbstsüchtige Ratte, die nur solange auf deiner Seite war, solange du in einem guten Licht standest. Waren sie nicht jahrelang beste Freunde gewesen? Doch dann war ihr zweites Schuljahr gekommen. Dann war die Kammer des Schreckens gekommen. Und plötzlich waren nur noch Harry und Hermione da gewesen.
 

Natürlich konnte es auch etwas damit zu tun gehabt haben, dass seine kleine Schwester bei der ganzen Angelegenheit gestorben war.

Ginny... ein weiterer Name auf der Liste derer, die seiner Unfähigkeit zum Opfer gefallen waren. Zuerst waren es seine Eltern gewesen, dann Professor Quirrell, dann die junge Weasley und schließlich, im letzten Schuljahr Cedric...

Es war alles seine Schuld. Wenn er nur früher da gewesen wäre... wenn er nur stärker gewesen wäre... wenn er nur nicht so dumm gewesen wäre... wenn er einfach niemals existiert hätte...

Dumbledore behauptete, er würde sie alle irgendwann einmal retten, doch wie sollte er das tun, wenn er nicht einmal die Menschen in seiner Umgebung beschützen konnte? Er war wirklich erbärmlich.
 

Eilig machte er sich auf den Weg zur Bibliothek in der Hoffnung, Harry dort aufzufinden. Er brauchte dringend ein Gespräch mit seinem besten Freund!

Jedoch war er dort nirgends zu entdecken und auch an seinen sonstigen Rückzugspunkten war keine Spur von ihm. Sehr merkwürdig. War er etwa immer noch bei Dumbledore? Neville hatte beim Frühstück beobachten können, wie er und Malfoy gemeinsam zu ihm geschickt worden waren. Warum wohl? Ob etwas geschehen war? Nein, sicher nicht. Bestimmt war alles in bester Ordnung.

Da er nicht wusste, was er sonst tun sollte und es zu kalt war, um eine Runde fliegen zu gehen, machte er sich auf den Weg zur Großen Halle. Auch heute hielten sich dort viele Schüler auf, um gemeinsam Hausaufgaben zu machen, Zauberschach und Koboldstein zu spielen oder einfach nur miteinander zu reden. Überwacht wurde heute das friedliche Treiben von Professor Snape, der mit finsterer Miene durch die Halle schritt und jedem Strafarbeiten auferlegte, der zu laut lachte. Auch hier war nirgends etwas von Harry zu sehen.
 

Seufzend ging er auf den Gryffindortisch zu und setzte sich zu Seamus und Dean, die in eine Partie Zauberschach vertieft waren und ihn nur mit einem kurzen Seitenblick betrachteten, ehe sie wieder vollkommen im Spiel waren. Ganz froh darüber, nicht der Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit zu sein, holte er ein kleines, schwarzes Notizbuch, das er in letzter Zeit andauernd mit sich herumschleppte, hervor und schlug es auf.

Die Seiten waren allesamt leer, aber Neville wusste inzwischen, dass es nichts zu bedeuten hatte. Deshalb holte er eilig eine Schreibfeder hervor und setzte sie auf eine frische Seite.
 

Hallo, Tom.
 

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Etwa eine halbe Stunde nachdem Neville die Große Halle betreten hatte, kamen Hermione und Harry herein. Die beiden waren sich zufällig in der Eingangshalle über den Weg gelaufen und hatten beschlossen, gemeinsam nach ihrem Freund zu suchen.

„Ich habe das Gefühl, dass er mir das mit Ronald ziemlich übel nimmt“, bekannte das Mädchen besorgt, als sie ihn am Gryffindortisch entdeckt hatten. „Ich kann es ihm nicht einmal verdenken, aber es nervt.“

„Stimmt, ich wette, er hätte dir sogar eine Beziehung zu Draco eher verziehen, als zu Ronald Weasley“, entgegnete er nickend.

Hermione rümpfte die Nase. „Lass mich bloß mit dem in Ruhe. Es war schon schlimm genug, ihm die letzten Wochen andauernd über den Weg zu laufen. Gut, dass das jetzt endlich vorbei ist. Was hat Dumbledore eigentlich von euch gewollt?“

„Ach, er hat uns nur mitgeteilt, dass ein alter Freund der Familie gestorben ist“, meinte Harry schulterzuckend, als sie beim Gryffindortisch ankamen. „Nichts weiter.“
 

„Nichts weiter?“, rief sie erschrocken und blieb stehen. Damit brachte sie Neville endlich dazu von dem Buch aufzublicken, in das er die ganze Zeit geschrieben hatte. Merkwürdig... Harry hatte ihn noch nie mit so etwas gesehen. War es eine Hausaufgabe? Oder vielleicht ein Tagebuch? Er hätte seinen Freund eigentlich nicht für den Typ gehalten, der Tagebuch führte. Tagebuch....

„Was ist passiert?“, fragte Neville verwirrt und sah beide abwechselnd an. „Was ist in euch gefahren?“

„Ach nichts“, erwiderte Harry schulterzuckend und setzte sich zu ihm. „Ich kannte ihn kaum, Hermione. Es ist wirklich kein Desaster.“

„Kein Desaster?“, wiederholte sie und setzte sich neben ihn. „Ein Menschenleben ist vorbei und du sagst, das ist kein Desaster? Wie ist es geschehen? War es Du-weißt-schon-wer?“

Musste dieses Mädchen immer so neugierig sein? „Nicht direkt.“

„Nicht direkt?“, wiederholte sie abermals seine Worte, während Neville offensichtlich vollkommen verdutzt war.

„Nun, er war ein Freund der Familie, Hermione“, fuhr Harry abwesend fort und versuchte einen genaueren Blick auf Nevilles Buch zu erhaschen, doch sein Freund hatte es bereits weggeräumt. „Warum sollte er so jemanden umbringen?“
 

Wahrscheinlich hatte es nichts zu bedeuten. Neville konnte immerhin auch einfach einmal in ein Buch schreiben, oder? Es gab sicher keine Verbindung zwischen ihm und Toms Tagebuch.

//Tom will Neville töten, falls du es vergessen haben solltest und er hat dir selbst gesagt, dass dieses Tagebuch dich mit der Zeit umbringt. Es wäre eine sichere Methode.//

Nein, das würde er nicht tun. Er würde ihn doch lieber in einem Duell umbringen wollen, aber nicht so! So sehr...

//...würde er dich nicht verraten, meinst du?//

Tom wusste, dass er und Neville Freunde waren. Würde er ihn wirklich so ansehen können, wie er es erst vor ein paar Stunden getan hatte, wenn er gleichzeitig seinen besten Freund auf eine so feige Art und Weise umbrachte?

//Er ist ein dunkler Lord.//

Aber nicht gefühllos!

//Er hat dir wehgetan.//

Es tat ihm hinterher Leid!

//Genauso wie ihm das hinterher Leid tun wird?//
 

Besorgt betrachtete er Neville, der so gesund und munter wie immer aussah. Wenn er Toms Tagebuch benutzen würde, würde man das doch sicher bemerken. Außerdem war Neville sicher nicht so dumm, einfach in ein Buch zu schreiben, das ihm antwortete. Andererseits hatte er selbst es auch getan...

„Harry? Ist alles in Ordnung?“

Hermione legte ihm vorsichtig eine Hand auf die Schulter, woraufhin er ihr ein leichtes Lächeln schenkte. „Ja... ja, es ist alles in Ordnung. In allerbester Ordnung.“
 

Wahrscheinlich hatte es wirklich nichts zu bedeuten. Der dunkle Lord wäre nicht so dumm, seine Wut auf sich zu ziehen. Trotzdem würde er seine Augen offen lassen. Nur für den Fall.
 

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Horace Slughorn verstorben
 

Wie führende Mitglieder der Aurorenzentrale heute morgen mitgeteilt haben, ist Horace Slughorn, ehemaliger Lehrer in Hogwarts und renommiertes Mitglied der Extraordinären Zunft der Trankmeister, letzte Nacht verstorben. Genaueres ist noch unklar, doch es wird von einem schwarzmagischen Verbrechen ausgegangen. (…) Die Aurorenzentrale ruft die Bevölkerung dazu auf, es ihnen mitzuteilen, wenn sie irgendeinen Hinweis auf seinen Tod haben. „Jedes Detail könnte von höchster Wichtigkeit sein“, erklärte Kingsley Shacklebolt (…) bei einer Pressekonferenz. „Vielleicht könnte es uns sogar zum momentanen Aufenthaltsort der Todesser führen, die vor einem halben Jahr aus Askaban ausgebrochen sind.“

An Uneven Fight

Das Kapitel ist das, was bisher die meisten Überarbeitungen hinter sich hat. Ich weiß nicht, wie oft ich es umgeschrieben habe, bis ich diese Version hier bekommen habe.
 

Die nächsten vier bis fünf Kapitel werden etwas Action mit sich bringen (aber nicht viel) und es wird Andeutungen von Misshandlung geben, aber ich denke, dass sich das alles auf einer sehr jugendfreien Ebene befindet. Ich habe versucht, das ganze einigermaßen Realitätsnah zu lassen, aber es ist schwer, sich in jemanden hinein zu versetzen, der so etwas durchleben musste und oft ist es nicht zu begreifen. Deshalb warne ich euch vor, es kann gut sein, dass auch ihr das Verhalten der Beteiligten nicht begreifen werdet (zumindest noch nicht).
 

Jedenfalls danke an alle Leser und besonders an meine Beta (ohne die ich jetzt noch an diesem Kapitel rumbasteln würde) und den Kommischreibern! Ihr schafft es immer wieder, mich zwischen meinem Abi-Stress etwas aufzumuntern. <3

Bis bald, eure Ayako

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An Uneven Fight
 

Ministerwahlen – Crouch gewinnt mit deutlichem Vorsprung
 

Nach langen Diskussionen hat der Hohe Rat sich heute über Cornelius Fudges Nachfolger als britischer Zaubereiminister einigen können. Bartemius Crouch konnte nach mehreren Wahlgängen die absolute Mehrheit erzielen und wird fortan die oberste Position im magischen Teil Großbritanniens inne haben.

Vom Ausland wird der Machtwechsel größten Teils positiv aufgenommen. Innerhalb des Landes gibt es jedoch einige Bedenken, dass der neue Minister den damit verbundenen Pflichten nicht gewachsen sein könnte.

„Ich persönlich würde zu solchen Zeiten lieber einen Mann wie Rufus Scrimgeour an der Macht sehen“, äußerte sich ein Mitglied der Opposition. „Crouch mag ein brillanter Diplomat sein, doch mit der momentanen innenpolitischen Lage ist es fraglich, ob diese Fähigkeit ausreichen wird, um den Frieden zu bewahren.“

Crouchs Konkurrenten jedoch sind der Meinung, dass der Mann eben dazu geeignet sei. In der Gegenwart, sei „sein ausgeprägter Sinn für Gerechtigkeit und Verhandlungen“ genau das, was unser Land bräuchte, so Lucius Malfoy. Was immer auch auf unseren neuen Minister zukommen mag, so wünschen wir ihm alle, ebenso wie Rufus Schrimgeour „alles Glück der Welt“.
 

Fortsetzung des Artikels auf Seite 2
 

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„Was hast du mit deinen Armen gemacht?“

Stephens Stimme klang erschrocken und Harry konnte es ihm nicht verdenken. Die Stellen, die Tom vor einigen Tagen beinahe zerquetscht hätte, waren inzwischen grün angelaufen und es tat weh, auf ihnen zu liegen. Insgeheim fragte er sich, warum er sie ihm nicht geheilt hatte, warum er sie sich nicht selbst geheilt hatte. Um ehrlich zu sein, hatte er bisher keine Antwort darauf gefunden. Er wollte keine Antwort finden, denn sie wäre einfach nur... krank.

Was ihn wunderte war, dass es solange dauerte, bis die Verletzung heilte. Dabei war es bereits über eine Woche her, seitdem sie ihm zugefügt worden war. Warum wohl?

//Vielleicht, weil er dich nicht nur mit seinen Händen, sondern auch mit seiner Magie verletzt hat//, meinte sein Verstand. Es war eine Möglichkeit und sie gefiel ihm nicht im Geringsten. Es würde nämlich bedeuten, dass er noch sehr lange auf Heilung würde warten müssen.
 

„Ach, nur eine kleine Diskussion mit jemanden, der manchmal die Kontrolle über sich verliert“, antwortete Harry beiläufig auf Stephens Frage und zog sich das Hemd seiner Schuluniform an. „Warum bist du schon so früh wach? Bis zum Frühstück sind es noch mindestens zwei Stunden.“

Sein Zimmergenosse ignorierte seine Frage. Stattdessen setzte er sich vollends auf seinem Bett auf und musterte ihn argwöhnisch. „Bist du deshalb die letzten Tage immer so früh aufgestanden? Damit ich die Verletzungen nicht sehe?“

„Ich bin immer so früh wach, Stephen“, entgegnete er munter und knöpfte sich das Hemd zu. „Schlaf weiter, wir haben wieder einen langen Schultag vor uns.“

„Na gut“, sagte er zögernd. „Aber... wenn etwas ist, wirst du dir Hilfe holen, nicht wahr?“

„Natürlich. Mach dir keine Sorgen um mich. Ich komme klar.“ //Ich bin immer klar gekommen.//
 

Die letzte Woche war relativ ruhig verlaufen und fast genauso, wie die Zeit davor. Keine Nachricht vom dunklen Lord – wie sollte er das interpretieren? – kein Wort von Felice, aber dafür mehrere Einladungen von Remus zum Tee, sowie besorgte Blicke von Severus und Dumbledore. Das übliche eben. Sein Leben eben. Nichts weiter.
 

Manchmal fragte er sich wirklich, ob es nicht besser gewesen wäre, hätte der dunkle Lord ihn damals einfach getötet.
 

Erschrocken riss er seine Augen auf. Was dachte er da eigentlich? Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn er gestorben wäre? Solche Gedanken passten überhaupt nicht zu ihm. Er konnte zwar auch in Depressionen versinken beziehungsweise schmollen, aber Suizidgedanken...? Irgendetwas stimmte nicht mit ihm.

Besonders, weil er in diesem Moment feststellte, dass er gar nicht mehr in seinem Zimmer war, sondern mitten auf dem Weg zur Bibliothek... wann bitte schön war das geschehen? War er jetzt wirklich schon so sehr in seinen Gedanken – Suizidgedanken – versunken, dass er nicht bemerkte, wo er hin lief? Offensichtlich, oder aber....
 

Ein leises Schluchzen riss ihn aus seiner Verwirrung. Ein Schluchzen, das äußerst herzzerreißend klang. Da hatte wohl noch jemand am frühen Morgen Depressionen und diese Person würde sicher alles andere, als glücklich sein, wenn er sie dabei störte. Also lieber verschwinden und nicht weiter darüber... Ein weiteres Schluchzen erklang und erst jetzt bemerkte es, dass es ihm unheimlich bekannt vorkam... nein. Nein, er würde sich jetzt nicht damit auseinandersetzen! Es war nicht sein Problem! Außerdem hatte er auch so schon genug, worüber er nachdenken konnte! Er würde jetzt einfach machen, dass er wegkam und...

„H...Harry?“
 

Das war ja mal wieder typisch.
 

Innerlich stöhnend drehte er sich um und schenkte einer vollkommen entsetzten Hermione ein strahlendes Lächeln. „Morgen, Hermione.“ Das Lächeln verschwand jedoch, sobald er ihr Gesicht sah. Oh nein... das würde sehr anstrengend werden. Besonders, weil sie sicher erwartete, dass er etwas dazu sagte. Die Frage war nur, was er sagen sollte. Wäre es am besten, die Stimmung mit einem sarkastischen Spruch aufzulockern? Nein, dann würde sie ihn wahrscheinlich umbringen. Vielleicht also doch lieber die Mitleidstour? Nein, da würde er sich umbringen. Na ja, dann eben die neutrale Methode: „Was ist denn mit dir passiert?“
 

Eine berechtigte Frage.

Sie sah... furchtbar aus. Obwohl, furchtbar war nicht das passende Wort. Sie wirkte eher so, als sei sie die Verliererin in einem Boxkampf. Ihr ganzes Gesicht war von sich inzwischen grün färbenden Flecken übersät, ihr linkes Auge war blau angelaufen und ihre Lippen waren aufgeplatzt. Tränen vermischten sich mit blutenden Wunden und ruinierten ihre Schuluniform. Sie war... der Inbegriff echten Elends und wer immer ihr das angetan hatte – denn Harry bezweifelte, dass sie selbst dafür verantwortlich war – war eindeutig ein herzloses Monster.
 

Beschämt senkte sie den Blick und schüttelte mit dem Kopf. Da er wusste, dass es keinen Sinn machte, zog er seufzend den Umhang seiner Schuluniform aus – wann hatte er sie eigentlich vollkommen angezogen? Langsam wurde es unheimlich. – und warf ihn über sie. Verblüfft blickte sie zu ihm auf, während er den Umhang so zurechtlegte, dass niemand, der an ihnen vorbeikommen sollte, sehen würde, wer darunter war. „Komm, lass uns gehen.“

„W...wohin?“, fragte sie mit zitternder Stimme. Als Antwort schlang er einen Arm um ihre Schulter und zog sie mit sich fort.
 

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„Beim Barte des Merlin!“, rief Madam Pomfrey vollkommen erschrocken. „Was haben Sie denn gemacht? Sich von einem wild gewordenen Hippogreif zertrampeln lassen?“

Hermione senkte wieder einmal den Blick und presste ihre Lippen fest zusammen. Deshalb wandte sich die Heilerin fragend an Harry, der nur mit den Schultern zuckte. „Ich habe sie gefunden, als ich zur Bibliothek wollte“, erklärte er. „Keine Ahnung, wie es passiert ist.“

„Nun gut“, sagte sie unzufrieden und bugsierte das Mädchen auf das nächste Bett. „Bleiben Sie einfach sitzen, ich komme sofort und kümmere mich darum.“
 

Damit verschwand sie in ihren eigenen Räumen, wahrscheinlich, um irgendeine wirksame Salbe oder dergleichen zu holen. Schweigend setzte sich Harry neben seine Freundin und sah sie an. Für mehrere Minuten herrschte Stille, bis sie endlich mit einer Erklärung begann: „Ich... bin ziemlich unglücklich gestürzt.“

Er seufzte. „Natürlich.“

„Erzähl es bitte nicht weiter.“

„Wenn du meinst.“

Sie warf ihm einen Seitenblick zu, bevor sie wieder auf den Boden starrte. „Entschuldige... und... danke.“
 

Ehe er etwas erwidern konnte, kam Madam Pomfrey zurück und machte sich daran, ihre Patientin zu behandeln. Dabei stieß sie mehrere, unschöne Verwünschungen aus, versuchte allerdings ebenfalls nicht, weiteres aus ihr herauszubekommen. Sie war lange genug im Dienst, um zu wissen, wann Nachfragen sinnlos war. „Wenn Sie irgendwann herausfinden, wer das getan hat“, wandte sie sich irgendwann aufgebracht an Harry, „schicken Sie diese Person zuerst zu mir und dann erst zum Schulleiter. Wer immer das war, hat sich mehr als eine Strafpredigt und einen Schulverweis verdient.“
 

Hermione öffnete den Mund, um ihr zu widersprechen, als plötzlich die Tür zum Krankenflügel geöffnet wurde. Neugierig drehten Harry und Madam Pomfrey sich um und der junge Potter konnte nur schwer ein Grinsen unterdrücken.
 

Das könnte interessant werden. Sehr interessant.
 

Hereingekommen waren Draco Malfoy, der gemeinsam mit Blaise und Crabbe einen halbohnmächtigen Goyle stützte und geradezu erstarrte, als er Hermiones Verfassung sah. Auch das Mädchen schien mehr als erschrocken und versuchte sofort, ihr Gesicht irgendwie zu verstecken.

„Was ist denn jetzt schon wieder los?“, rief die Heilerin derweile aufgebracht. „Haben Sie an diesem Morgen eigentlich alle nichts besseres zu tun, als mir Arbeit zu machen? Dabei sind heute nicht einmal...“

„Madam Pomfrey“, sagte Harry leise und brachte sie damit zum schweigen. „Könnten Sie sich bitte aufregen, nachdem Sie sich um Ihre Patienten gekümmert haben?“
 

Sie warf ihm einen Übertreten-Sie-Nicht-Ihre-Grenzen-Potter-Blick zu, bevor sie Hermione eine sanfte Ermahnung, ja dort sitzenzubleiben, zuflüsterte und stattdessen zu den Slyterhins ging. Mit einem professionellen Gebaren schickte sie Crabbe auf das nächste Bett und rauschte wieder in ihre privaten Räume davon.

Eine unangenehme Stille folgte, in der alle Slytherins Hermione anstarrten – Goyle mit erstaunt geöffneten Mund, Blaise mit einem Stirnrunzeln und Draco mit seiner perfekten Malfoymaske, die er nur von seinem Vater geerbt haben konnte. Die Gryffindor starrte solange auf den Fußboden, so als wünschte sie sich, er würde sich öffnen und sie verschlucken. Harry konnte es ihr nachfühlen und normalerweise hätte er Mitleid mit ihr gehabt.... okay, er hatte Mitleid mit ihr, doch es war nicht im Vordergrund seiner Gedanken. Nein, dort war etwas vollkommen anderes.
 

Warum hatte Draco seine Malfoymaske auf? Warum beleidigte er Hermione nicht? Warum machte er sich nicht über sie lustig? Hatte ihre Feindschaft nicht neue Sphären erreicht? Normalerweise würde er sich eine solche Gelegenheit niemals entgehen lassen. Oder war er etwa tatsächlich endlich erwachsen geworden? Nein.

Nein, nicht Draco. Jeder, aber nicht Draco.

Selbstverständlich traute er es seinem Bruder zu, sich erwachsen zu verhalten, er war immerhin ein Malfoy. Aber er war einfach zu verwöhnt und in mancher Hinsicht sogar naiv. Er hatte eigentlich noch keinen Grund bekommen, erwachsen zu werden. Eine Verlobung machte dich nicht erwachsen, genauso wenig wie eine nahende Volljährigkeit. Es waren die Dinge, die einem in seinem Leben widerfuhren, die dich erwachsen machten und ganz ehrlich: Bisher hatte Draco nur wenig Gründe gehabt, sich zu beschweren. Das einzig wirklich einschlagende war Lucius gewesen und der darauf folgende Zerfall seiner Familie, doch Harry bezweifelte trotzdem, dass es genug gewesen war.
 

Die einzige Möglichkeit, die deshalb noch blieb war folgende: Draco war Hermiones „Vollidiot“. Zugegebenermaßen hatte Harry diese Theorie bereits vor einer Weile wieder verworfen, aber es machte einfach den meisten Sinn.

Das Verhalten der beiden in den letzten Wochen.

Pansys durchgehend schlechte Laune.

Dass Draco jetzt kein böses Wort sagte.

Dass sie stets versucht hatten, sich nicht einmal anzusehen.

Dass Draco ein Tintenfass hatte fallen lassen, als er von ihrer sogenannten Beziehung mit Ronald Weasley erfuhr.

Sein Bruder war wirklich grandios gewesen. Er hätte ihm fast geglaubt. Dumm für ihn, dass er mit ihm zusammen aufgewachsen...
 

„Na sowas“, sagte das Objekt seiner Gedanken plötzlich mit einer Boshaftigkeit, dass selbst Harry zusammenzuckte. „Hast du versucht, dein Gesicht zu verändern um besser auszusehen, Granger? Wenn ja, kann ich dir versichern, dass es nicht sehr erfolgreich gewesen ist.“

Goyle lachte höhnisch und auch Blaise lächelte leicht amüsiert, während auf Dracos Gesicht ein Grinsen lag, dass dem dunklen Lord Konkurrenz machen könnte.

Na gut, er konnte die Theorie doch wieder verwerfen. Wäre ja auch zu schön gewesen, endlich eine Antwort zu finden.
 

Hermione war währenddessen bei seinen Worten in sich zusammengesunken und es waren neue Tränen in ihren Augen zu erkennen. Da sie seiner Meinung nach heute schon genug durchgemacht hatte, stand Harry auf und drehte sich ruhig zu seinem Bruder um. „Lass es sein, Draco. Kümmere dich lieber um deinen Freund, anstatt sie runterzumachen. Das wirft nämlich ein sehr schlechtes Licht auf deine Erziehung und ich möchte nicht, dass die anderen glauben, Narcissa hätte dabei eine schlechte Arbeit geleistet.“

Der Malfoy schnaubte, hörte jedoch auf ihn und drehte sich weg, um nach Crabbe zu sehen. Gut für ihn. Harry konnte äußerst ungemütlich werden, wenn er wollte.
 

„Er ist ein egoistisches, widerliches Arschloch“, flüsterte Hermione wütend. „Ich verstehe nicht, wie du mit ihm auskommen kannst! Er ist arrogant, selbstsüchtig, unausstehlich, hochnäsig, großmäulig, protzig, affektiert und einfach ein mieses Schwein!“

Er konnte nicht anders, als daraufhin zu lachen. „Das nenne ich eine wirklich ausgezeichnete Beschreibung seines Charakters. Allerdings hat er auch seine guten Seiten.“

„Stimmt, seine Rückseite.“

„Ich finde eigentlich, dass er von vorne besser aussieht, aber das ist wohl Geschmackssache.“

Sie sah ihn ungläubig an, was er mit einem Schulterzucken kommentierte. „Ich muss kein Mädchen sein, um zu erkennen, dass Draco einer der attraktivsten Jungen unserer Schule ist, Hermione. Schon irgendwie traurig, dass wir Brüder sind...“

„Harry!“, rief sie gleichermaßen erschrocken wie amüsiert. „Weißt du, dass du mit dieser Äußerung Cho Chang das Herz brechen würdest?“

„Ich hoffe es sogar. Vielleicht lässt sie mich dann endlich in Ruhe.“
 

„Du könntest sie auch einfach so zurichten wie Granger!“, schlug Draco vor, der das gesamte Gespräch offenbar belauscht hatte. Harry hatte sich schon gewundert, warum die Slytherins so ruhig gewesen waren. „Dann lässt sie dich sicher auch bis ans Ende der Zeit zufrieden.“

„Mag sein, aber dann bekommt Dumbledore einen guten Grund, um mich von der Schule schmeißen zu lassen und darauf habe ich keine Lust“, entgegnete er nachdenklich. „Was meinst du, wollen wir der Welt wieder einmal einen Skandal liefern und ein wenig Inzest betreiben? Ich wette, da würde kein Auge trocken bleiben.“

Draco lachte. „Ich beginne zu begreifen, warum der dunkle Lord einen Narren an dir gefressen hat, Harry. Aber leider muss ich dein zugegebenermaßen verlockendes Angebot ablehnen. Davon abgesehen, dass Pansy mich erwürgen würde, habe ich keine Lust, auf seine Todesliste zu kommen.“

„Ach, du bist so langweilig“, seufzte er bedauernd. „Na ja, dann eben nicht.“
 

Die anderen hatten diese Interaktion belustigt beobachtet. Blaise und Gyole kannten diese Gespräche schon zur Genüge, in den letzten Jahren hatte es sie wirklich zu Hauf gegeben – besonders, wenn sie Publikum hatten – und deshalb waren die beiden daran gewöhnt. Hermione jedoch schien erstaunt zu sein. Kein Wunder, sie war bisher noch nicht oft Zeuge ihrer Unterhaltungen geworden.

Seufzend richtete er seinen Blick auf den Fußboden. Es war wirklich seltsam, wie ausgerechnet er in der Lage war, mit so vielen, gegensätzlichen Menschen auszukommen. Es war beinahe so, als lebe er in zwei verschiedenen Welten, auf der einen Seite die Familie Malfoy, inklusive aller Slytherins und dem dunklen Lord, auf der anderen Seite seine biologischen Eltern, Remus, Neville, Hermione...

//Ich frage mich, wo wohl Luna und Felice einzuordnen wären.//

Vielleicht eine dritte Seite? Eine dritte Welt?
 

Nein. Es gab nur eine einzige Welt. Sie war nur in mehrere Stücke zerbrochen und er musste nun irgendwie versuchen, sie wieder zusammenzusetzen. //Zu dumm nur//, dachte er, während er aus den Augenwinkeln zunächst Hermione und schließlich Draco ansah, //dass die Stücke sich mit Händen und Füßen dagegen wehren.//
 

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Also, nun noch einmal die wichtigsten Fragen des Tages zusammengefasst.
 

Erstens: Wer hatte Hermione so zugerichtet?

Da sie so hartnäckig schwieg, ging Harry davon aus, dass sie entweder von jemanden gemobbt wurde – was jedoch äußerst unwahrscheinlich war – dass sie eine Auseinandersetzung mit ihrem „Vollidiot“ gehabt hatte – wahrscheinlicher, aber er schloss es dennoch aus – oder – wovon er insgeheim überzeugt war – dass Ronald Weasley hinter dieser Untat steckte. Der Gryffindor war gewalttätig, er verlor gerne die Kontrolle und es war gerade für Hermione sicher nicht schwer, ihn dazu zu bringen, zuzuschlagen. Aber weshalb unternahm sie nichts dagegen? Er hatte sie eigentlich nie als Masochistin eingeschätzt.
 

Zweitens: Wer war denn nun ihr „Vollidiot“?

Langsam ging es ihm wirklich auf die Nerven, dass er keine Antwort darauf finden konnte. Jedoch war er sich jetzt – fast – vollkommen sicher, dass es sich nicht um Draco handelte. Ronald war es auch nicht, Neville auch nicht und er selbst auch nicht. Blieb nur noch der restliche männliche Bestandteil Hogwarts, wobei er die gesamten Slytherins und die Lehrerschaft ausschloss. Irgendwie konnte er einfach nicht glauben, dass sie sich mit jemanden von ihnen einlassen würde. Darüber hinaus hätten all dieses Personen den Anstand besessen, sie nicht mit einem Brief abzufertigen. Die Lehrer, weil sie erwachsen genug waren und die Slytherins, da ihnen seit ihrer Geburt alle Regeln des gesellschaftlichen Umgangs eingetrichtert worden waren. Warum interessierte ihn das eigentlich so sehr? Normalerweise waren ihm die Klatschgeschichten seiner Mitschüler doch auch stets egal.
 

Drittens: Wie lange würde es dauern, bis sich Felice wieder bei ihm melden würde?
 

Viertens: Warum hatte sich der dunkle Lord noch nicht bei ihm gemeldet? Nicht, dass es ihn stören würde, aber es kam ihm seltsam vor. So, wie er den Mann einschätzte, würde er sicher alles tun, um seinen Preis – einen Kuss – zu bekommen und deshalb müsste er eigentlich schon längst daran arbeiten, seine Lieblingsblume herauszufinden. Ehrlich gesagt hatte er damit gerechnet, in den nächsten Wochen von Blumen bombardiert zu werden, aber offenbar war das nicht seine Methode. Wahrscheinlich wollte er bereits bei seinem ersten Versuch richtig liegen. Arroganter Mistkerl.
 

Fünftens: Wann würde er endlich die Zeit und Ruhe finden, seine Recherchen fortzusetzen?

Sowohl was Animagi, als auch die Fähigkeiten eines Tempus Amicus anbelangten. Würde er es nicht besser wissen, würde er glauben, die Zeit selbst wolle ihn davon abhalten... Oder war es vielleicht das Schicksal?
 

Sechstens: Wo blieb Remus? Langsam war er das Warten Leid.
 

Es war etwas später an diesem Tag und Harry wartete gemeinsam mit seinen anderen Mitschülern darauf, dass Remus endlich kam und ihnen das Klassenzimmer öffnete. Sie hatten als nächstes Verteidigung gegen die dunklen Künste – logisch, sonst würden sie nicht auf den Werwolf warten – und die Stimmung hätte nicht besser sein können. Es war immer wieder überraschend, dass sich Draco, Neville und Ronald bisher noch nie gegenseitig an die Gurgel gegangen waren, obwohl sie bereits seit Anfang des Schuljahres diese Stunden zusammen absitzen mussten.
 

Seufzend lehnte er sich an die nächste Wand, woraufhin Neville ihm einen besorgten Blick zuwarf, bevor er damit weitermachte, Ronald finster anzustarren. Soweit Harry es verstanden hatte, war sein Freund zu der Überzeugung gekommen, dass der Rothaarige für Hermiones momentanen Zustand – sie war immer noch im Krankenflügel – verantwortlich war, auch wenn er keine Beweise hatte. Um ehrlich zu sein, beruhigte es Harry ungemein, dass sein Freund sich so... normal verhielt. Solange er keine Auffälligkeiten zeigte, brauchte er sich keine Sorgen zu machen und es bedeutete, dass er nicht in Toms Tagebuch schrieb. Er wurde wahrscheinlich paranoid. Nur, weil jemand in ein schwarzes Notizbuch schrieb, hatte dies nichts zu bedeuten. Hoffte er zumindest.

Auch, wenn er es nur ungern zugab, der Gedanke, dass Neville sterben könnte... dass das wirklich irgendwann vielleicht in naher Zukunft passieren könnte...
 

„Ich verstehe nicht, warum sie ihn überhaupt noch frei in der Gegend herumlaufen lassen“, sagte sein Freund plötzlich aufgebracht. „Wieso schweigt Hermione? Sie wird doch nicht blind vor Liebe sein, oder?“

„Nein, das ist sie sicher nicht“, entgegnete er und spähte ebenfalls zu Ronald hinüber. Er stand wie immer alleine etwas abseits und stierte finster vor sich her, ohne sich von irgendjemanden stören zu lassen. Andererseits war das nicht ganz richtig. Wenn man genau hinsah, konnte man erkennen, dass er Draco unauffällig beobachtete. Warum...?
 

„Entschuldigt bitte, dass ich erst jetzt komme“, rief plötzlich Remus' Stimme und die ganze Klasse drehte sich zu ihm um. Der Werwolf kam in einem abgetragenen Umhang und mit gehetzten Blick auf sie zugejoggt, doch sobald er Harry sah, entspannte er sich etwas und lächelte ihm freundlich zu. Wo er wohl gerade herkam? „Kommt bitte alle mit, der Unterricht findet heute in der Großen Halle statt.“

Sie alle wechselten gespannte Blicke und mehrere begannen aufgeregt zu murmeln, als sie ihm durch das Schloss folgten.
 

„Was wir wohl heute tun?“, fragte Neville, während er neben Harry herlief.

„Wenn wir in die Große Halle gehen, werden wir uns wahrscheinlich duellieren“, erwiderte er gelangweilt.

„Und du bist der einzige, der davon reden kann, als sei es etwas vollkommen gewöhnliches“, gesellte sich Draco zu ihnen und schlang ihm einen Arm um die Schulter. Dabei ignorierte er Nevilles verstimmte Miene.
 

Bitte, konnten die beiden nicht wenigstens in seiner Gegenwart so tun, als seien sie erwachsen?
 

„Wollen wir uns duellieren, Bruderherz? Ich wette, es wird amüsant werden.“

„Harry duelliert sich mit mir“, widersprach sein Freund beinahe schmollend. „Such dir jemand anderes, Malfoy.“

„Harry wird sich mit keinen von euch beiden duellieren“, sagte Remus munter, der irgendwann während des Gespräches zu ihnen gestoßen war. „Ich habe eure Fähigkeiten in den letzten Wochen genausten untersucht und somit die passenden Paare zusammengestellt.“

„Oh und mit wem darf ich mich nun herumquälen?“, fragte Harry.

Remus lächelte noch einmal. „Das wirst du schon sehen.“
 

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Es gab Tage, an denen hasste Harry es, ein „Genie“ oder – wie der dunkle Lord ihn so gerne nannte – ein „Wunderkind“ zu sein. Heute war so ein Tag.

Verstimmt lief er durch die Große Halle und sah seinen Mitschülern dabei zu, wie sie versuchten, ein Duell auf die Reihe zu kriegen. Im Moment beobachtete er vor allem Draco und Blaise, die sich gelangweilt damit abwechselten, Schutzschilder aufzuspannen und einfache Schockzauber auf den jeweils anderen zu schicken. Die beiden konnten sich duellieren, das wusste Harry, aber sie hatten momentan einfach keine Lust.

Er konnte es ihnen nicht verdenken. Sie hatten schon so oft gegeneinander gekämpft, dass sie genau wussten, wie der andere auf welchen Angriff reagieren würde, weshalb es im Grunde keinen Sinn machte, sich einfach so zu duellieren. Gäbe es für sie einen Preis, wäre das natürlich wieder etwas anderes, aber so langweilten sie sich einfach nur zu Tode.
 

Als sie jedoch bemerkten, dass er sie beobachtete, grinsten sie ihn zeitgleich an und begannen, ihre Zauber ein wenig zu variieren. „Damit du auch was davon hast“, meinte Blaise fröhlich. „Gib uns einen Einsatz und wir machen es noch spannender.“

„Nee, lass mal“, entgegnete er, mit einem Blick auf Remus, der am anderen Ende des Raumes versuchte, Ronald zu erklären, wie man einen Schockzauber ausführte. Manchmal zweifelte er wirklich an Dumbledores Kompetenz als Schulleiter, wenn er solche Schüler in die sechste Klasse ließ. „Ich will nicht, dass ihr wegen mir die Große Halle zu Staub verarbeitet.“
 

Nicht, dass es viel gegeben hätte, dass sie zu Staub hätten verarbeiten können. Damit sie genügend Platz hatten, waren die Haustische verschwunden. Nur den Lehrertisch hatte man – aus welchem Grund auch immer – stehen lassen, sowie das Podest in Form einer Eule, auf dem Dumbledore ab und an die ein oder andere Ansprache hielt.
 

Keiner von ihnen hätte ahnen können, dass es am Ende der Stunde nicht mehr dort stehen würde.
 

Im Nachhinein wusste niemand so genau, wie die ganze Sache so sehr außer Kontrolle geraten war, doch es war passiert und würde noch Jahre später für Gesprächsstoff sorgen.

Für Harry begann es ganz klar damit, dass er sich gerade weggedreht hatte, um sich einen neuen Beobachtungsposten zu suchen, als hinter ihm ein lauter Knall ertönte und Blaise überrascht aufschrie. Erschrocken wirbelte er herum und sah, dass Draco auf den Boden gefallen war und offenkundig blutete, während Ronald Weasley ein paar Schritte entfernt stand, den Zauberstab noch erhoben, und eine erstaunt-verblüffte Miene aufgesetzt hatte. Harry konnte er damit aber nicht täuschen. Der Potter wusste genau, dass er das – was immer auch geschehen war – mit Absicht gemacht hatte. Aber... warum?
 

„Oh, entschuldige bitte Malfoy!“, rief er mit einer Unschuldsmiene, von der sogar Dumbledore schlecht geworden wäre. „Ich habe wohl etwas schlecht gezielt. Habe ich dich verletzt?“

Draco richtete sich langsam auf und warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Harry konnte erkennen, dass Ronalds Zauber ihn offensichtlich an seiner linken Wange getroffen hatte, zumindest hatte sich darunter eine kleine Blutspur gebildet. Böses ahnend trat er einen Schritt näher, während Blaise argwöhnisch seinen Zauberstab hob und stirnrunzelnd zwischen den beiden hin und her sah. Schließlich drehte er sich zu Harry um. Seine Miene war ernst, während sie sich stumm verständigten. Das könnte schlimm enden, wenn sie nichts dagegen unternahmen.

Dass Draco auf einmal strahlend lächelte, machte es auch nicht besser. „Kein Problem, Weasley. Das kann jedem einmal passieren. Besonders, wenn er noch nie in seinem Leben auch nur einen Zauber richtig auf die Reihe bekommen hat.“
 

Korrektur: Es könnte nicht nur einfach schlimm enden, es würde schlimm enden.
 

Ronalds Gesicht nahm auch sogleich denselben Rotton wie seine Haare an und er zischte: „Wenigstens hat meine Familie es nicht nötig, einem dunklen Lord in den Arsch zu kriechen um ihr Ansehen zu behalten.“

„Stimmt, sie hat nämlich kein Ansehen.“

Ein roter Lichtblitz schoss aus Ronalds Zauberstab hervor, doch sein Ziel wich schnell aus und feuerte einen anderen, um einiges stärkeren Zauber zurück. Dieser traf den Jungen mitten in die Brust und er wurde einige Meter zurückgeschleudert. Überraschenderweise schaffte er es trotzdem, auf seinen Beinen zu landen und sofort mit einen weiteren Zauber zu kontern. Dieser wurde mit einem einfachen Schutzzauber abgewehrt.
 

„Sieh dich nur an“, höhnte Draco. „Du bist eine Schande für die ganze Zauberergesellschaft. Es ist kein Wunder, dass deine Mutter mit jedem Tag fetter wird, bei so einem Sohn bleibt einer Frau nichts anderes übrig, als sich entweder umzubringen, sich einer Droge hinzugeben oder den lieben langen Tag nichts anderes zu tun, als sich vollzufressen..“

„Du....“, schrie der Weasley aufgebracht und feuerte wieder einen Zauber los. „Wage es nicht, meine Mutter zu beleidigen, du verdammter Todesser!“

„Tut mir echt Leid für dich“, sagte er gelassen, nachdem er lässig seinem Angriffsversuch ausgewichen war und damit begonnen hatte, auf ihn zuzugehen. „aber der dunkle Lord rekrutiert keine Minderjährigen.“
 

Im nächsten Moment folgte ein Zauber dem nächsten. Es war... geradezu beeindruckend, den beiden zuzusehen, vor allem, da Harry nie geglaubt hätte, dass Ronald so viele Zauber kannte beziehungsweise sie tatsächlich beherrschte. Draco hatte manchmal tatsächlich ernsthafte Schwierigkeiten, nicht aus Versehen getroffen zu werden. Im Gegenzug dazu, schien der Weasley bald aus mehreren Wunden zu bluten, aber aus Gründen, die Harry ewig ein Rätsel bleiben würden, machte er immer weiter, ja es wirkte beinahe so als sei er in irgendeinem Wahn verfallen und...

//Er will ihn umbringen//, wurde ihm plötzlich bewusst. //Vielleicht nicht heute, aber er will es tun. Er hasst Draco und er wird erst zufrieden sein, wenn er sein Leben beendet hat.// Aber... warum?
 

Inzwischen waren auch die anderen auf das kämpfende Paar aufmerksam geworden. Ihre Mitschüler stellten sich in sicherer Entfernung auf und beobachteten neugierig das Duell, während Remus... auf dem Boden lag und sich nicht bewegte?!

„Er hat zuerst Professor Lupin außer Gefecht gesetzt und dann Malfoy angegriffen“, erklärte Neville, der neben Harry getreten war und wie alle anderen zusah, wie die beiden Kontrahenten den Lehrertisch mit ihren Flüchen zu Kleinholz verarbeiteten. „Er scheint geplant zu haben, sich mit ihm anzulegen.“

„Aber warum?“, fragte Blaise verwirrt. „Draco ist tausendmal besser als er. Eigentlich hatte er schon verloren, bevor...“
 

Ein markerschüttender Schrei unterbrach ihn. Draco war auf die Knie gesunken und hielt sich seinen Arm, der in einem äußerst unnatürlichen Winkel an seinem Körper herabhing. Dabei sah er entschlossen zu Ronald auf. Dieser war direkt vor ihn getreten und betrachtete ihn mit triumphierender Miene.

„Wer ist nun eine Schande für die Zauberergesellschaft, Malfoy?“, lachte er höhnisch. Plötzlich beugte er sich jedoch zu ihm herab und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Entsetzt weiteten sich Dracos Augen, während der andere Junge sich breit grinsend aufrichtete und mit seinem Zauberstab auf seine Brust zielte.

„Adieu, Malfoy“, zischte er.
 

Bevor jedoch etwas weiteres geschehen konnte, wurde die Tür aufgerissen und die Professoren Dumbledore, McGonagall und Snape kamen herein gestürzt.

„Was ist hier los?“, rief der Schulleiter mit eisiger Stimme, während McGonagall besorgt zu Remus eilte und ihn untersuchte. Keiner antwortete ihm.
 

Es war schließlich Snape, der die Situation richtig analysierte: „Ich denke, Mr. Weasley kann sich heute auf einiges gefasst machen, Schulleiter.“ Er drehte sich zu Harry um und sah ihn erwartungsvoll an. „Oder?“ Auch der Rest wandte sich ihm zu. Wunderbar, warum mussten sie eigentlich immer ihn dazu zwingen, alles zu erklären?

//Weil du ein Tempus Amicus bist und somit weißt, was am besten getan werden muss, damit der Frieden erhalten wird, sei es in der Welt oder in Hogwarts.//

Toll, und wie sollte er die beiden hier wieder herauswinden?
 

„Wir haben uns duelliert“, begann er langsam. „Draco und Ronald waren Partner und irgendwann ist das ganze aus dem Ruder gelaufen, besonders, nachdem irgendjemand Professor Lupin aus Versehen außer Gefecht gesetzt hatte. Allerdings waren sie gerade dabei, das ganze zu beenden, da Ronald äußerst erschrocken darüber war, was sein letzter Zauber angerichtet hat.“

Er konnte beinahe sehen, wie Severus innerlich seufzte. „Na schön.“ Er drehte sich zu den anderen Schülern um. „Wer von Ihnen ist so gut, uns die Wahrheit zu sagen?“
 

„Severus“, empörte sich McGonagall, „willst du etwa sagen, dass Mr. Potter lügt?“

„Mr. Potter und Mr. Malfoy sind Brüder, ob es dir nun passt oder nicht, Minerva. Natürlich lügt er. Also, wird nun jemand so freundlich sein, die Sache richtig zu stellen?“ Sofort senkten sich alle Blicke. „Nein? Gut. Dann würde ich vorschlagen, dass wir Weasley und Malfoy nun in den Krankenflügel bringen und ihre Eltern über diese Begebenheit informieren. Oder hast du da etwas dagegen einzuwenden, Albus?“

Der alte Mann seufzte. „Nein, natürlich nicht. Bring die Jungen bitte weg, Severus. Und der Rest von Euch verlässt umgehend die Große Halle! Die nächste Stunde beginnt in zehn Minuten!“
 

Aufgeregt tuschelnd kamen sie der Aufforderung nach.

Harry jedoch blieb noch etwas länger stehen und beobachtete, wie Draco von Severus fachmännisch untersucht wurde. Ronalds Zauber schien tatsächlich einen größeren Schaden angerichtet zu haben. Neugierig ließ er seinen Blick zu dem Weasley schweifen, der unbeteiligt neben den beiden stand und der Inbegriff eines guten, unschuldigen, gerechten Weißmagier war. Oder zumindest dem Stereotyp eines weißen Magiers, aber daran glaubte Harry bereits seit seinem vierten Lebensjahr nicht mehr. Plötzlich hob Ronald seinen Kopf und begegnete seinem Blick. Mehrere Augenblicke starrten sie sich ohne jegliche Gefühlsregung an, doch dann verzog sich das Gesicht zu einem fiesen Grinsen und er setzte sich in Bewegung, um die Große Halle zu verlassen.
 

Schaudern wandte sich Harry von ihm ab und traf dafür auf einen – für seinen Geschmack – zu aufmerksamen Albus Dumbledore.

„Harry“, sagte er, sobald er sich seiner Aufmerksamkeit bewusst war und schenkte ihm ein müdes Lächeln. „Ich weiß, dass dir es am wenigstens weh tun wird, wenn du einmal nicht zum Unterricht erscheinst, dennoch galt meine Anweisung auch dir. Irgendjemand hat bedauerlicherweise immer das Los des Vorbildes gezogen und momentan bist du damit verflucht worden.“

„Keine Sorge, Professor“, entgegnete er und lächelte schief. „Ich bin bereits auf dem Weg.“
 

Er warf Draco noch einen letzten Blick zu. Severus hatte ihn inzwischen auf die Beine gebracht und sie liefen ebenfalls gemeinsam los, während der Malfoy so wirkte, als würde er zu seiner Beerdigung unterwegs sein. Harry konnte das gut verstehen.

Narcissa würde ihm die Hölle heiß machen, sobald sie von dem Duell erfuhr und er hatte das Gefühl, dass auch er sich einiges würde anhören müssen, sobald sie hörte, dass er alles beobachtet hatte, ohne einzugreifen. Aber warum hatte Draco sich auf Ronald eingelassen? Warum hatte dieser ihn überhaupt angegriffen? Wo hatte er all diese Zauber gelernt? Normalerweise fiel es ihm bereits schwer, ein einfaches „Wingardium Leviosa“ auf die Reihe zu bekommen. Und was war das für ein Grinsen gewesen, dass er ihm zum Abschied gezeigt hatte. Es war alles sehr merkwürdig.
 

//Irgendetwas geht hier vor sich//, dachte Harry, während auch er den anderen zum nächsten Unterricht folgte. //Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass das alles ein böses Ende nehmen wird, wenn wir nichts dagegen unternehmen.//
 

Dummerweise war das Schicksal nach wie vor süchtig nach Unterhaltung und nichts war langweiliger, als ein Happy End.

Family Issues

Während ich mich mit Kafka, Goethe, Schiller und Heine auseinandersetze, bekommt ihr ein neues Kapitel zum Lesen. Da nächste Woche meine schriftlichen Prüfungen beginnen, wird es auch erst wieder zu Ostern mit dieser FF weitergehen, weil ich die nächsten Wochen dafür nutzen muss, mich voll und ganz auf mein Abi zu konzentrieren. Nur damit ihr euch nicht wundert. ^.~
 

Aber jetzt gibt es wie immer ein große Dankeschön an meine liebe Beta, die Kommischreiber und an alle anderen Leser!

Ausnahmsweise bin ich sogar bereit, euch in einer Sache zu spoilern, da ich das Gefühl habe, dass hier einige etwas missverstehen wollen: dass Hermione so zugerichtet wurde, hat weder etwas mit Albus Dumbledore, noch mit irgendeinem, schwarzen Tagebuch zu tun und sie wurde auch nicht vergewaltigt (zumindest nicht in dem Sinne). Die genaueren Umstände, Gründe, etc. werden jedoch noch im Laufe der Handlung (oder gar nicht) geklärt werden, weshalb ich ab sofort zu diesem Thema schweigen werde.
 

Vielen Dank, dass ihr mir immer noch treu bleibt. Ich bin wirklich immer wieder platt, wenn ich eure Reaktionen auf mein Geschreibsel lese. XD

Bis (hoffentlich) Ostern, eure Ayako

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Family Issues
 

Liebe Felice,
 

ich wünschte, du wärst hier. Ich glaube, du würdest mir Klarheit in all das Chaos bringen können, das sich Leben nennt.

Hermione ist plötzlich mit Ronald Weasley zusammen und lässt sich ganz offensichtlich von ihm verprügeln. Nicht, dass sie es mir oder sonst jemanden gesagt hätte, aber wer sollte es sonst getan haben? Dass es ein Unfall war, kann und will ich nicht glauben. Hermione ist viel zu umsichtig, als dass sie so etwas Dummes tun würde.

Dass Draco sich mit Ronald duelliert und verloren hat, macht das ganze auch nicht besser. Warum haben sie sich duelliert? Und seit wann ist Weasley tatsächlich in der Lage, jemanden zu besiegen?

Und dann ist da noch der dunkle Lord... und natürlich Dumbledore.

Fel, ich vermisse dich. Was machst du da in Frankreich, dass du nicht einmal mehr für eine kleine Notiz Zeit findest? Ich hoffe, du hast eine gute Entschuldigung, sobald wir uns wiedersehen.
 

In Liebe,

Harry
 

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Wie an jedem anderen Werktag war das Zaubereiministerium auch heute wieder überfüllt. Menschenmassen strömten an dem Brunnen der magischen Geschwister vorbei, der nach wie vor in der Empfangshalle stand und die „harmonischen“ Beziehungen zwischen den magischen Wesen widerspiegelte.
 

Rufus konnte darüber nur die Augen verdrehen. Wenn die Beziehungen zwischen Magiern, Kobolden, Zentauren und Elfen harmonisch waren, war er Albus Dumbledore.

Seine Mitmenschen konnten sagen, was sie wollten, die momentane Gesellschaft war rassistisch. Allein die Tatsache, dass es einen aufsteigenden dunklen Lord gab, der die Rechte der Schwarzmagier vertreten wollte, war Beweis genug. Allerdings konnte er verstehen, weshalb sich das Ministerium dagegen wehrte, sie zu akzeptieren. Jeder, der schwarze Magie praktizierte, hungerte nach Macht und in der Vergangenheit hatte es oft Zerstörung mit sich gebracht, wenn sie das Sagen hatten. Doch dieses Wissen änderte nichts daran, dass ihm die momentane Situation missfiel.

Natürlich könnte es nun, da es einen neuen Minister gab, zu Änderungen kommen, aber irgendetwas sagte ihm, dass er da lange warten konnte.
 

Lustlos wandte er sich von dem Fenster seines Büros ab, von dem aus er das Treiben in der Empfangshalle beobachtet hatte und wandte seine Aufmerksamkeit stattdessen den drei Auroren zu, die schweigend vor seinem Schreibtisch standen und darauf warteten, dass er endlich etwas sagte.
 

„Minister Crouch“, begann er deshalb, „hat gemeinsam mit Dumbledore über dessen Befürchtungen gesprochen, dass Lord Voldemort zurückgekehrt sei. Ich selbst muss zugeben, dass ich sie teile. Die Vorfälle des letzten Jahres“, der Massenausbruch aus Askaban, die Morde, das Wiederauftauchen von Lily und James Potter, die verstärkten Sicherheitsmaßnahmen um Neville Longbottoms Zuhause, „sprechen eindeutig für diese These. Nichtsdestotrotz besteht immer noch die Möglichkeit, dass es nur die Todesser sind, die all dies getan haben und in diesem Fall müssen wir handeln, bevor wirklich ein dunkler Lord auftaucht, sei es nun Voldemort oder irgendein anderer Größenwahnsinniger.“
 

Er blickte mit entschlossener Miene in die Runde. „Ab sofort ist es unsere oberste Priorität, ihren Aufenthaltsort zu finden. Aber vergesst niemals, dass sie skrupellose Kriminelle sind, die nicht zögern werden, jeden zu foltern und zu quälen, der ihnen in den Weg kommt. Deshalb keine Alleingänge, ist das klar?“

„Ja, Sir“, sagten die drei wie aus einem Munde.

Rufus nickte zufrieden. „Dann geht nun und informiert eure Abteilungen. Genaue Einsatzpläne werden später am schwarzen Brett ausgehängt.“

„Selbstverständlich, Sir“, entgegneten sie wieder im Chor und verließen alle nacheinander sein Büro.
 

Sobald sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, ließ er sich auf seinen Stuhl sinken und wandte sich dem Papierkram zu, den seine Sekretärin nicht für ihn erledigen konnte.

Einerseits war er mehr als erleichtert gewesen, als Crouch zum neuen Minister ernannt wurde und er in seinem alten Amt bleiben durfte, doch andererseits ärgerte es ihn ungemein. Es stimmte, Crouch war ein ausgeklügelter Diplomat und er hatte in den letzten Jahren die Beziehungen zum Ausland um einiges verbessert, doch innenpolitisch...
 

Es klopfte.
 

„Herein“, rief er, ohne aufzusehen.

Der Geruch von Regen und der verblasste Klang einer sanftmütigen Melodie schienen auf Rufus einzustörmen, als die Tür geöffnet wurde. Es war etwas, das schon einmal passiert war und ehrlich gesagt hatte er gehofft, dass es sich niemals wiederholen würde. Stirnrunzelnd starrte er auf die Blätter vor sich, während er hörte, wie die Tür wieder geschlossen wurde und langsame Schritte auf ihn zukamen.

„Hallo, Rufus“, sagte eine sanfte Stimme. „Es ist lange her.“
 

Schweigend blickte er auf und musterte die blondhaarige Frau, die seit langer Zeit zu ihm zurückgekehrt war und noch immer so aussah wie bei ihrem allerersten Treffen. Obwohl, nicht ganz. Sie wirkte blasser und sie trug normale Kleidung, wahrscheinlich um nicht mehr Aufmerksamkeit zu erzielen, als notwendig. Außerdem wirkte es, als sei ihr Haar eine Spur heller geworden. Offenbar ging sie langsam aber sicher auf ihr Ende zu.

„Mira“, erwiderte er leise. „Was für eine freudige Überraschung.“
 

„Rufus, wir beide wissen, dass es für dich alles andere als erfreuend ist, mich zu sehen“, entgegnete sie und ließ sich unaufgefordert auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch fallen. „Nichtsdestotrotz muss ich mit dir sprechen.“

„Tatsächlich? Hätte ich nie gedacht.“

Sie seufzte und schlug ihre Beine übereinander. „Es gibt einen neuen Tempus Amicus.“

Rufus runzelte die Stirn. „In England?“

„In England“, bestätigte sie.

„Verstehe.... und was hat das mit mir zu tun?“

Das brachte sie wieder zum Seufzen. „Crouch wird nicht lange Minister sein. Ein Jahr vielleicht. Höchstens zwei. Er hat nicht das, was der Frieden braucht. Allerdings ist es notwendig, dass er für eine Weile diesen Posten übernimmt.“ Für einen Moment sah sie gedankenverloren in die Ferne, ehe sie sich wieder ihm zuwandte. „Du hast eine Aufgabe in diesem Leben, Rufus und ich weiß, dass du sie erfüllen wirst.“
 

Er verengte die Augen. „Und was für eine Aufgabe soll das sein?“

„Beschütze den Tempus Amicus“, sagte sie liebevoll. „Sorg für seine Sicherheit, unterstütze ihn, vertraue auf seine Entscheidungen. Selbst, wenn du ihnen nicht immer zustimmen wirst, werden sie den Frieden bringen, auf den ihr alle so lange wartet.“
 

Das... waren gute Nachrichten, die sogar Sinn machten. Ein Tempus Amicus würde instinktiv immer das tun, was den Frieden sichern würde, sogar sein eigenes Leben opfern, aber niemals das von anderen, zumindest nicht, wenn es zu vermeiden war. Es war eigentlich nicht verwunderlich, dass ausgerechnet zu diesen Zeiten einer in England existierte. Das Land stand vor einem Umbruch und nun wusste Rufus zumindest, dass es jemanden gab, der ihm sagen könnte, welche Seite man wählen sollte. Ja, er würde den Tempus Amicus beschützen und alles tun, damit er ihnen Frieden brachte. Die Frage war nur: „Wer ist es?“
 

„Du wirst ihn erkennen, wenn es an der Zeit ist“, versicherte ihm Mira. „Momentan ist er noch einer von Albus' Schülern und er hat genügend andere Menschen, die für seine Sicherheit und Eigenständigkeit sorgen werden. Noch brauchst du dich nicht um ihn zu kümmern, noch haben wir Zeit. Aber sobald dieser Krieg, der bereits überall zu spüren ist, beginnen wird, musst du die Augen nach ihm offen halten. Es wäre fatal, wenn sich das Ministerium gegen ihn stellen würde, sei er nun auf Albus', Toms oder Nevilles Seite.“

„Neville? Wie in Neville Longbottom?“
 

Doch sie war bereits verschwunden, so wie sie immer verschwand, wenn sie alles gesagt hatte, was sie hatte loswerden wollen. Verärgert funkelte er den Stuhl an, auf dem sie vor ein paar Sekunden noch gesessen hatte, ehe er aufstand und wieder an sein Fenster trat.

Ein Tempus Amicus also. Er konnte nur hoffen, dass Mira Recht hatte und er ihnen tatsächlich den Frieden bringen würde.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Nach der letzten Stunde ging Harry sofort in den Krankenflügel, wo er wie erwartet Draco vorfand. Hermione und Crabbe waren inzwischen offenbar entlassen worden, zumindest konnte er sie nirgends entdecken und auch von Ronald war nicht die geringste Spur zu sehen. Gut so, er hatte etwas wichtiges mit seinem Bruder zu besprechen.
 

„Guten Abend, Liebster“, begrüßte er ihn munter und setzte sich auf einem Stuhl neben ihn. „Mein liebes bisschen, sie haben dich aber übel zugerichtet. Eine unordentliche Frisur, ein Verband, der deinen hübschen Arm entstellt... mein Freund, was haben sie dir nur angetan?“

„Verschwinde, Harry!“, entgegnete er mehr als unterkühlt. „Wenn du nur hier bist, um dich über mich lustig zu machen, hättest du auch gleich bleiben können, wo der Pfeffer wächst.“

„Du bist immer so gemein zu mir“, beschwerte sich der Potter beleidigt und verschränkte die Arme. „Da komm ich extra hierher, um dich zu besuchen und...“

Ehe er überhaupt die Chance bekam, seinen Satz zu Ende auszusprechen, öffnete sich die Tür zum Krankenflügel und Dracos Eltern betraten den Raum. Ach, verdammt. Harry hatte gehofft, nicht Zeuge dieser Szene zu werden. Offenbar meinte das Glück es heute nicht gut mit ihm.
 

Die beiden blieben kurz überrascht stehen, als sie ihn sahen, offenbar hatten sie nicht damit gerechnet, dass er hier sein würde, doch anstatt ihn zu begrüßen, ging Narcissa sofort auf Draco zu und bedachte ihn mit einem strengen Blick: „Hast du den Verstand verloren?“

Als ihr Sohn sie darauf einfach nur schweigend ansah, schickte sie sich an, etwas deutlicher zu werden: „Ein Duell mit Ronald Weasley? Wie konntest du dich darauf einlassen? Du bist ein Malfoy, Draco, und nicht nur das, sondern auch ein Black! Du solltest über diesen Menschen stehen und ihn einfach ignorieren können! Was bei Merlins roter Unterhose ist mit dir los?“
 

Er antwortete ihr immer noch nicht, weshalb sie sich nun mit wütender Miene zu Harry umdrehte. „Und du!“, rief sie aufgebracht und bohrte ihm einen Finger in die Brust. „Warum hast du ihn nicht aufgehalten? Du.... du...“

„Narcissa“, sagte Lucius sanft und legte ihr seine Hände auf die Schulter, „beruhige dich. Ich bin sicher, es gibt eine gute Erklärung.“

Er sah Harry erwartungsvoll an, der daraufhin die Stirn runzelte. „Warum glauben eigentlich alle, dass ich eine Erklärung habe? Es war Draco, der sich von Weasley hat provozieren lassen, nicht ich.“

„Weil er dein Bruder ist und du ihn deshalb bedauerlicherweise besser kennst, als ich und Narcissa zusammen.“
 

Für einen kurzen Augenblick war er tatsächlich versucht ihm ein „Draco ist nicht mein Bruder“ entgegen zu schmettern, aber als er bemerkte, wie der junge Malfoy ihn nun beinahe ängstlich ansah, riss er sich zusammen. Sie mochten zwar biologisch keine Familie sein, aber das änderte nichts daran, dass sie genau das waren. Kein Wunder, dass Dumbledore alles andere als begeistert darüber war.
 

„Das mag ja alles so stimmen“, sagte er zögernd, was die allgemeine Stimmung aus irgendeinem Grund augenblicklich zu heben schien – zumindest strahlten Narcissa und Draco geradezu, während Lucius fast selbstgefällig wirkte, Merlin, manchmal war der Kerl schlimmer als der dunkle Lord! „Aber dennoch habe ich in diesem Fall ebenfalls nicht die geringste Ahnung.“

Na gut, er hatte eine Ahnung und gefühlte tausend Theorien, aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass dies nicht der angebrachte Zeitpunkt war, um sie alle aufzuführen.
 

Die beiden schienen ihm jedoch zu glauben, denn sie wandten sich wieder Draco zu.

Der warf Harry einen kurzen, flehenden Blick zu, aber er war momentan selbst viel zu neugierig, um Mitgefühl zeigen zu können. Deshalb seufzte der Junge und sagte: „Ich habe nicht nachgedacht. Tut mir Leid.“

„Du hast nicht nachgedacht“, wiederholte Narcissa und schüttelte mit dem Kopf. „Du hast also tatsächlich den Verstand verloren.“
 

„Sei nicht so ungerecht zu ihm, N... Mutter“, sagte Harry. Im Zweifelsfall war es immer am besten, für denjenigen Partei zu ergreifen, den man ständig um sich hatte. Außerdem hoffte er, eventuell später genaueres aus seinem Bruder herauszubekommen. Was sollte er machen? Er war ein Potter! Seine Neugier würde ihn wahrscheinlich irgendwann umbringen. „Ich bin sicher, dass er seine Gründe hat und wenn er sie uns nicht mitteilen will, müssen wir es akzeptieren.“

„Aber...“

„Mutter, hast du in Dracos Alter deinen Eltern immer alles erzählt?“
 

Das war ein schlagfertiges Argument und es ließ sie – wie er erwartet hatte – resignieren. Sie seufzte tief, ehe sie von jedem ihrer Söhne jeweils eine Hand ergriff und fest drückte. „Ihr achtet aufeinander, nicht wahr? Auch, wenn es manchmal nicht so aussieht, sind wir eine Familie und es ist wichtig, dass wir bei dem, was nun auf uns zukommt, zusammenhalten.“

Ein kurzes Schweigen folgte auf ihre Worte, in denen sie die beiden durchdringend ansah. Schließlich zog Draco seine Hand zurück und sagte: „Natürlich achten wir aufeinander. Harry ist alleine viel zu sehr aufgeschmissen, als dass ich nicht ein Auge auf ihn haben könnte.“

„Wie bitte?“, entgegnete dieser gespielt beleidigt. „Wer bringt sich denn sofort in den Krankenflügel, wenn er ohne nachzudenken handelt?“
 

„Diese Beschreibung trifft auf euch beide zu“, meinte Lucius trocken. „Dumbledore hat bestimmt, dass du und dieser Junge für mehrere Wochen Strafarbeiten bei Lupin machen müsst.“

„Was?“, rief Draco aufgebracht und sah ihn entsetzt an. „Warum ich denn auch? Es war eindeutig Weasley, der...“

Ein kalter Blick seines Vater brachte ihm zum Verstummen.

„Ich finde diese Bestrafung mehr als angebracht“, sagte er kühl. „Wie Narcissa bereits sagte, bist du ein Malfoy und als solcher solltest du dich nicht auf solch alberne Spiele einlassen. Lass es dir eine Lehre sein, Draco.“

Er wandte sich seiner Frau zu. „Ich muss nun ins Ministerium. Unser neuer Minister möchte uns heute seine grandiosen Pläne im Bezug auf den dunklen Lord mitteilen.“

„Crouch plant also, gegen den dunklen Lord zu arbeiten?“, erkundigte sich Harry, obwohl er es sich hätte denken können. Der Mann war zu konservativ eingestellt, als dass er einen neuen Weg einschlagen würde. Ehrlich gesagt stand er seiner Ernennung zum Minister mit gemischten Gefühlen gegenüber. Er hatte auf Scrimgeour gehofft, da dieser ihm als der fähigste Kandidat vorkam – nichts gegen Lucius, aber er kannte seinen „Vater“ gut genug, um zu wissen, dass er ihn nicht im Ministeramt haben wollte.
 

„Natürlich“, beantwortete Lucius seine Frage. „Es wäre das Aus seiner politischen Karriere, wenn er es nicht tun würde. Unsere Gesellschaft möchte nach wie vor nichts von Schwarzmagiern wissen.“

Er sah ihn bedeutungsvoll an und Harry wusste genau, was er nicht aussprach: „Du kannst es ändern.“

Woher wusste Lucius eigentlich, dass er ein Tempus Amicus war? Wie lange wusste er es? Wer hatte es ihm gesagt? Oder hatte er es am Ende selbst herausgefunden?

Was immer es auch war, auch Narcissa und Draco bemerkten, dass irgendetwas vorging und das war nicht gut. Nicht im geringsten. Es wussten schon genug Leute von ihm. Seiner Meinung nach sogar zu viele.
 

„Gut, es reicht mir“, sagte Narcissa plötzlich und alle sahen sie an. Ihr Gesicht war ausdruckslos, was der perfekte Hinweis darauf war, dass sie mehr als wütend war. „Was verheimlicht ihr uns?“

„Das hast du schon einmal gefragt“, meinte Harry, ohne sie anzusehen. „Und die Antwort ist immer noch die gleiche.“

Draco runzelte die Stirn. „Antwort? Verheimlichen? Was ist los?“

„Nichts“, sagten Harry und Lucius wie aus einem Mund. Was natürlich sehr überzeugend war.

„Ich verstehe euch beide nicht!“, rief Narcissa. „An einem Tag seid ihr auf Kriegsfuß und am nächsten Tag seid ihr euch einig! Was ist los mit euch? Was plant ihr? Warum könnt ihr uns das nicht erzählen? Wir sind doch eine...“
 

„Hör endlich auf!“, unterbrach sie Harry, wobei seine Stimme schärfer klang, als er es ursprünglich beabsichtigt hatte. Sofort schloss sie ihren Mund und sah ihn überrascht an. Er hatte noch nie zuvor in einem solchen Ton mit ihr gesprochen. „Ich... ich ertrag es nicht länger! Du und Lily, ihr redet beide nur davon, dass wir eine Familie wären, dass wir zusammenhalten müssen, dass alles gut sein muss, dass...“, doch ihm fehlten die Worte. Er konnte nicht sagen, was er sagen wollte. Nicht, sobald er sah, wie Narcissas Augen sich vor Schreck weiteten und Draco mit zusammenkniffenen Lippen auf seine Bettdecke starrte. Nicht, solange er sie dabei so sehr verletzte. Es war frustrierend!
 

Er schloss seine Augen und atmete kurz tief durch, bevor er etwas ruhiger fortfuhr: „Im Moment streiten sich genug Leute um mich.“

Langsam öffnete er seine Augen wieder und sah nacheinander in die drei Gesichter der Menschen, die lange Zeit seine einzige Familie gewesen waren. „Schließt euch ihnen bitte nicht an. Ich brauche keine Familie, die jedes Detail meines Lebens wissen muss und verzweifelt versucht, mich vor der Welt zu beschützen. Ich brauche eine, die akzeptieren kann, was ich entschieden habe und mich dabei unterstützt, diese Entscheidungen umzusetzen.“

Nun wandte er sich vor allem Narcissa zu: „Das, was wir euch verheimlichen, ist etwas, das nicht einmal Lucius wissen sollte. Es betrifft nur mich selbst und wenn es nach mir ginge, hätte es nie jemand erfahren. Dass du... dass ihr beide nichts davon wisst, hat nichts damit zu tun, dass ich euch nicht liebe oder nicht vertraue. Es hat eher etwas damit zu tun, dass ich euch zu sehr liebe. Deshalb bitte ich euch: fragt nicht mehr. Ich möchte euch nicht anlügen müssen.“
 

Seinen Worten folgte eine bedrückende Stille.

Harry konnte den anderen ihr Schweigen nicht verdenken. Normalerweise hatte er niemals Forderungen gestellt oder auf eine so forsche Art und Weise seine Meinung vertreten. Es war eine Neuheit, sowohl für ihn als auch für sie. Doch es war wichtig für ihn. Er... brauchte die drei. Er brauchte eine Familie, die ihn kannte und seine Beweggründe verstehen konnte.
 

Seufzend senkte er seinen Blick. Er wusste nicht warum, aber mit einem Mal wünschte er sich, Tom wäre hier. Ein lächerlicher Wunsch. Als ob gerade er ihm jetzt weiterhelfen könnte. Wahrscheinlich würde er einfach nur an der Seite stehen und die ganze Angelegenheit amüsiert beobachten. Egoistischer Mistkerl!

Auf einmal zog ihn jemand in eine Umarmung und er brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass es Narcissa war.

„Verzeih mir“, flüsterte sie ins Ohr. „Es ist nur sehr leicht zu vergessen, dass auch du noch ein Kind bist.“

Vorsichtig schlang Harry seine Arme um ihren Oberkörper und drückte sich sanft an sie. Sagen tat er nichts. Manchmal konnten Worte nur zerstören und in solchen Momenten war es immer besser, zu schweigen.
 

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Das Feuer im Gryffindorgemeinschaftsraum spendete eine wohltuende Wärme. Trotzdem war er vollkommen verlassen, wenn man von der einsamen Gestalt absah, die am Fenster saß und auf die Ländereien hinaussah. In ihren Händen hielt sie ein dickes Buch, aufgeschlagen, doch sie schien zu sehr in die Betrachtung der Außenwelt vertieft zu sein, um ihm weitere Beachtung zu schenken. Langes, gekräuseltes Haar, das nur mit viel Arbeit zu bändigen war, umgaben ein blasses Gesicht, auf dem noch immer Spuren der Misshandlung zu erkennen war. Doch sie waren dünn und fast verblasst. Wochenalte Wunden, die ihr erst vor ein paar Stunden zugefügt worden waren.
 

Hermione schüttelte mit dem Kopf und schloss ihre Augen, während sie versuchte, diese Erinnerung aus ihren Gedanken zu verdrängen. Sie war zu frisch, zu schmerzhaft, als dass sie sie verkraften konnte. In letzter Zeit schien ihr Leben wahrlich vom Pech verfolgt zu sein.

Aus diesem Grund war sie froh, dass zumindest Harry zu ihr hielt. Er war feinfühliger als Neville und hatte diese gewisse, vertrauenerweckende Ausstrahlung, die sie dazu brachte, ihm ihr Herz auszuschütten. Wenn sie sich bei anderen nicht völlig sicher war, wusste sie bei ihm, dass er alles, was sie sagte, niemals gegen sie verwenden würde. Das war nicht Harrys Charakter. Er war nicht der Typ, der Menschen zerstörte und mit Füßen trat, sondern derjenige, der jedem eine Hand reichte, der auf dem Boden lag.
 

Hätte sie ihn heute morgen nicht durch Zufall getroffen, wäre sie wahrscheinlich nie in den Krankenflügel gegangen. Wahrscheinlich würde sie sogar bereits seit Stunden am Fuße des Astronomieturms liegen.
 

Eigentlich war sie nicht der Typ für Selbstmordgedanken. Sie war zu stur, zu zielstrebig, einfach viel zu dickköpfig, als plötzlich aufzugeben. Doch nun kam selbst sie langsam an ihre Grenzen und der Tod erschien begehrenswerter, als jeden Tag von neuem aufzustehen und...
 

Die Fette Dame öffnete sich und sie konnte in der Fensterscheibe beobachten, wie eine bekannte Gestalt hereinkam. Augenblicklich verspannte sich ihr ganzer Körper und sie fühlte sich, als müsste sie sich jeden Moment übergeben. Bis jetzt hatte sie nie verstanden, wie man einen Menschen aus tiefster Seele hassen und ihm sogar den Tod wünschen konnte. Nun wusste sie es.
 

Durch die Fensterscheibe beobachtete sie, wie Ronald sich im Gemeinschaftsraum umsah, ehe er auf sie zu ging und sich hinter ihr auf einen Sessel fallen ließ. Für einen Moment wartete er darauf, dass sie etwas sagte, doch als sie nach gefühlten fünf Minuten immer noch schwieg, fragte er: „Willst du mich nicht begrüßen?“

Sie beschloss, ihm nicht zu antworten.

„So stur“, kommentierte er verärgert. „Willst du nicht wissen, wie die ganze Angelegenheit für mich ausgegangen ist?“

„Seit wann interessiert es dich, was ich will?“, brach sie ihr Schweigen, ließ ihren Blick jedoch weiterhin auf die Fensterscheibe gerichtet. „Da du hier bist, weiß ich ohnehin, dass es gut ausgegangen ist. Sie hätten dich von der Schule verweisen müssen, für das, was du getan hast. Du hättest ihn ernsthaft verletzten können!“

„Das war ja auch der Sinn der Sache“, klärte er sie schnaubend auf.
 

Nun drehte sie sich doch zu ihm um und sah ihn mit kalter Miene an. „Wir hatten eine Abmachung.“

„Die ist hinfällig geworden, als du zu Potter gerannt bist“, sagte er schulterzuckend. „Denk ja nicht, dass ich nicht weiß, was du mit ihm besprichst, wenn ihr alleine seid. Ich glaube nicht einmal, dass du ihm alles erzählt hast, aber er ist zu schlau, als dass er nicht eins und eins zusammenzählen kann. Doch du hast dabei offenbar vergessen, mit wem du sprichst. Potter ist nicht weniger ein Todesser als Mal...“

„Harry ist kein Todesser!“, rief sie aufgebracht. „Und Malfoy ebenfalls nicht!“

„Noch nicht“, erwiderte er düster. „Und wenn ich es auch nur irgendwie beeinflussen kann, wird er niemals die Möglichkeit haben, einer zu werden.“
 

„Du bist krank, Ronald Weasley“, sagte sie angeekelt. „Du bist absolut krank!“

„Vielleicht bin ich es tatsächlich“, sinnierte er und stand auf. „Doch das ändert nichts daran, dass du nichts daran ändern kannst.“ Er sah sie an. „Geh schlafen, Hermione. Du siehst grauenvoll aus. Wenn du nicht bald etwas daran arbeitest, werden auch die Lehrer anfangen, Fragen zu stellen und ich versichere dir, dass du das lieber vermeiden willst.“ Zu ihrem Entsetzen drückte er ihr einen Kuss auf die Wange, ehe er sich verabschiedete und zum Jungenschlafsaal hinaufstieg.

Hermione selbst blieb reglos sitzen, wo sie war und starrte schweigend gerade aus.
 

Draußen begann es leise zu regnen.

Der Frühling schickte seine ersten Boten voraus, doch dieses Jahr konnte sie sich nicht darüber freuen.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Madam Pomfrey warf Harry einen kurzen Blick zu, als sie Draco noch einmal untersuchte, doch sie machte keine Anstalten, ihn davon zu jagen. Er fragte sich, warum. Jeder andere hätte schon längst in den Gemeinschaftsraum gehen müssen. War es, weil sie „Brüder“ waren? Oder hatte Dumbledore es so angeordnet? Doch was sollte ihm das nützen?

//Vielleicht ist sie auch einfach nur nett und du viel zu paranoid//, meldete sich sein Verstand zu Wort. //Zwar ist das verständlich, aber nicht alle sind gegen dich oder Draco.//

Stimmt, manche hatten einfach keine Meinung zu der ganzen Angelegenheit.
 

Er sah zu Draco, der gelangweilt in dem Bett lag und ihn zu ignorieren schien – oder es zumindest versuchte.

Schließlich schien er es jedoch aufzugeben und fixierte ihn mit seinen hellen Augen. „Du willst wissen, warum ich hier liege.“

Es war keine Frage und deshalb antwortete Harry ihm nicht.

Natürlich wollte er es wissen. Die ganze Angelegenheit war einfach zu seltsam, zu merkwürdig, sie besaß zu viele Ungereimtheiten, als dass er nichts wissen wollte. Die Frage war nur, ob Draco bereit war, ihn aufzuklären oder ob er wieder ausweichen würde.
 

Scheinbar hatte er jedoch endlich beschlossen, mit der Wahrheit herauszurücken.

„Wenn du Mutter oder Vater oder sonst jemanden davon erzählst, bring ich dich um, verstehst du“, versicherte er ihm ernst. „Selbst auf die Gefahr hin, dass mich dann unser ganzer Bekanntenkreis und besonders der dunkle Lord in Stücke reißen würden. Ich erzähle es nur dir und sonst niemanden.“
 

„Ich bin gerührt“, entgegnete Harry trocken. „Und jetzt sag mir, wann ich jemals etwas, das du mir erzählt hast, an jemand anderes weitergegeben habe?“ Die Arme verschränkend lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück und schlug die Beine übereinander. „In was hast du dich also verstrickt, liebster Bruder?“

Der Blondhaarige atmete tief durch und wandte seinen Blick wieder von ihm ab, um ihn stattdessen an die Decke des Krankenflügels zu richten.

„Das... ist eine lange Geschichte.“

Harry grinste. „Keine Sorge. Ich habe Zeit.“

Decode

Vielen Dank an meine Beta für die Korrektur!!! *sie knuddel*

Sowie – natürlich – an alle Kommischreiber und anderen Leser!

Wie versprochen gibt es pünktlich zu Beginn des Osterwochenendes Teil eins der „Malfoy-Märchenstunde“, wie es mimaja59 getauft hat. Teil zwei wird es wahrscheinlich Sonntag oder Montag geben, also dürft ihr gespannt sein. XD

Was ihr allerdings beim Lesen beachten solltet, ist folgendes: Dieses Kapitel und ein großer Teil des nächsten spielen in der Vergangenheit. Nur, damit ihr nicht verwirrt seid. ;)

Liebe Grüße und frohe Ostern! Ayako
 

P.s.: Den Titel dieses Kapitels habe ich mir tatsächlich vom „Twilight“-Soundtrack ausgeliehen... ich finde, dass es zu dem Pairing, das in diesem Kapitel seinen „Anfang“ nimmt, sehr gut passt.

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Decode
 

Letztendlich werden wir es wahrscheinlich bereuen. Das zwischen uns beiden kann nicht gut gehen. Wir werden uns gegenseitig zerstören. Wir werden uns das Herz brechen. Vielleicht werden wir auch daran zu Grunde gehen.

Aber mein Bruder hat Recht. Manchmal ist der Punkt erreicht, an dem es kein Zurück mehr gibt und wir haben diesen Punkt erreicht. Spätestens, seitdem du das erste Mal zu mir gekommen bist.

Ich gebe zu, dass ich etwas Angst habe. Mein ganzes Leben lang habe ich nur getan, was mein Vater von mir wollte. Es wäre das erste Mal, dass ich etwas tun würde, was seinen Vorstellungen widerspricht, doch ich werde es tun.
 

Für dich werde ich alles tun.
 

In Liebe, D.
 

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Es war das Jahr des Trimagischen Turniers.

Es war das Jahr des Ruhmes, der Freude, der Aufregung, der Trauer und des Todes.

Es war das letzte Jahr, bevor sein Leben auseinanderfiel.
 

Und trotzdem war es das Jahr, in dem für ihn alles begann.
 

Mehr als schlecht gelaunt saß Draco am Großen See von Hogwarts und hörte am Rande dabei zu, wie Crabbe, Goyle und Blaise über die letzte Aufgabe sprachen, die in ein paar Wochen stattfinden würde. Ihr geheimer Favorit war Victor Krumm, kurz gefolgt von Diggory.

Von Longbottom wollten sie gar nicht sprechen und würden sie nicht wissen, dass es dem dunklen Lord zu Schulde kam, dass er der so genannte Auserwählte Schulchampion war, würden sie ehrlich gesagt über ihn herziehen. So jedoch konnten sie ihn nur bemitleiden.

Der Malfoy musste zugeben, dass ihn sein Tod nicht im geringsten schmerzen würde, doch das änderte nichts daran, dass er in den letzten Monaten kaum in der Lage gewesen war, seinem Bruder ins Gesicht zu sehen.
 

Auch wenn es ihm nicht passte, Neville war für Harvey das, was Blaise für ihn war und der Gedanke, sein bester Freund würde plötzlich sterben, war unerträglich. Dies war der Grund, weshalb sein Bruder nichts von der ganzen Sache wusste. Am Ende würde er noch zu Dumbledore rennen, um diesen Dummkopf beschützen zu können.

Draco hatte ihn nicht verstanden. Er würde es nie tun. Ansonsten hätte er gewusst, dass es gerade dieses Nichtsagen war, dass den Ravenclaw immer mehr in Dumbledores Arme trieb.
 

„Woran denkst du?“, fragte Pansy. Sie hatte ihren Kopf auf seinen Schoss gelegt und blickte durch schmale Augen zu ihm hinauf. Kurz bewunderte er ihre hübschen Züge und strich eine Strähne aus ihrem Gesicht, ehe er antwortete: „Über nichts bestimmtes. Ich hoffe nur, dass mein Bruder die ganze Sache gut aufnehmen wird.“

„Natürlich wird er das“, sagte sie sofort und lächelte. „Bei seiner Intelligenz wird er wissen, wem er folgen muss, um in dieser Welt zu überleben. Außerdem ist er einer von uns, selbst, wenn er momentan lieber mit Longbottom, Granger und Lovegood herumhängt. Ich bin sicher, dass er nach ein paar ersten Schreckenstagen zu uns zurückkommen wird.“

„Pansy hat Recht“, meinte auch Blaise. „Um Harry müssen wir uns keine Sorgen machen. Er wird es verstehen. Außerdem wissen wir alle, dass er sich immer für dich entscheiden würde, sollte man ihn jemals vor die Wahl zwischen dir und Neville stellen.“

Draco war sich da nicht so sicher, aber er war momentan nicht in der Stimmung, ihnen zu widersprechen.
 

„Wer hat Lust, runter nach Hogsmeade zu gehen?“, fragte Blaise plötzlich. „Heute ist so ein schöner Tag, der Spaziergang würde uns sicher gut tun und ich wette, Madame Rosmerta hat ein Fass mit frischer Limonade da.“

Crabbe und Goyle sprangen sofort begeistert auf, doch Draco winkte ab. „Ich würde lieber ein bisschen hier sitzen und meine Ruhe haben“, erklärte er. Auch Pansy machte keinen Anstalten, sich zu rühren und somit ließen die anderen sie allein.
 

Sobald sie verschwunden waren, setzte Pansy sich auf und schlang ihre Arme um Dracos Nacken, während sie es ich mit ihrem Hinter auf seinem Schoss bequem machte. Instinktiv legte er seine Hände auf ihre Hüften und erwiderte ihren forschenden Blick, der irgendwann auf seinen Lippen landete.

„Du bist in letzter Zeit immer so angespannt“, sagte sie verführerisch und beugte sich weiter vor, sodass ihr Atem heiß gegen seinen Mund schlug. „Lass mich dir dabei helfen, dich ein wenig zu entspannen.“

Und schon küsste sie ihn. Dabei presste sie ihren Körper fester an seine Brust und vergrub ihre Hände in seinen Haaren, in der Hoffnung, eine leidenschaftliche Reaktion aus ihm herauszuholen.

Draco ließ sie eine Weile einfach machen und erwiderte ihren Kuss, um sie glücklich zu machen, doch als sie damit beginnen wollte, die Knöpfe seines Hemdes zu öffnen, griff er nach ihren Händen und löste entschlossen den Kuss. „Nicht heute“, sagte er. „Ich bin nicht in der Stimmung.“
 

Sie seufzte tief, glitt jedoch von ihm herunter und setzte sich stattdessen neben ihn.

„Ich liebe dich, Draco“, sagte sie und legte ihren Kopf auf seine Schulter.

Als Antwort drückte er einen flüchtigen Kuss auf ihr Haar, ehe er seinen Blick wieder dem See zuwandte.

Damals hatte er geglaubt, dass er mit ihr glücklich werden könnte. Dass sie die Richtige für eine Hochzeit war. Dass er sie liebte. Allerdings sollte er bald herausfinden, dass es einen großen Unterschied zwischen Liebe und sexueller Anziehung gab.
 

Sie saßen noch eine ganze Weile glücklich nebeneinander und genossen die Nähe des Anderen, als plötzlich von irgendwo ein Schrei ertönte. Sofort blickte Draco alarmiert auf, doch Pansy griff nach seiner Hand und schüttelte leicht mit dem Kopf. „Lass es. Sicher nur ein paar Erstklässler. Soweit ich weiß, gibt es dort ein paar Slytherins, die es auf ein paar Hufflepuffs abgesehen haben.“

Er gluckste leise. „Wie in jedem Jahrgang. Manche Dinge ändern sich offenbar nie.“

Ein weiterer Schrei erklang und er kam ihm seltsam vertraut vor, auch wenn er nicht wusste, weshalb. Was immer dort vor sich ging, die Beteiligten kamen näher, zumindest waren bald Schritte zu hören und kurz darauf konnte er auch Stimmen erkennen. Allerdings waren sie noch nicht nah genug, um einzelne Worte auszumachen.

Pansy rutschte unbehaglich hin und her, ehe sie sich erhob. „Wir sollten lieber verschwinden, Draco. Ich will da nicht mit reingezogen werden.“
 

„Ja...“, sagte er abwesend. Die Stimmen... das waren keine Erstklässler. „Du hast Recht, wir sollten gehen.“

Das waren Granger und Weasley.

Was hatte der Bücherwurm mit der Made zu schaffen? Soweit er es wusste, schloss sich auch das Quartett den Weasley-Hassern an. Es gab für sie nicht den geringsten Grund, mit ihm zu reden. Nun, eigentlich konnte es ihm egal sein. Das war nicht sein Problem. Er sollte Pansy folgen und versch...

Ein weiterer Schrei ertönte und diesmal wusste er sicher, dass es Granger war. Sie schrie irgendetwas mit brüchiger Stimme und der Andere schmetterte ihr irgendeine barsche Antwort entgegen. Okay, jetzt wollte er auf jeden Fall wissen, was da vor sich ging. Eilig sprang er auf und ging auf die streitenden Stimmen zu, während er Pansy ignorierte, die ihm fluchend hinterher eilte.
 

Es dauerte nicht lange und sie waren bei den beiden angekommen. Das Bild, das sich ihnen dabei bot, war kurz zusammengefasst erschreckend. Das Mädchen hockte schluchzend im Gras, während Blut auf ihren Umhang tropfte. Wo das herkam, konnte Draco von seiner Position aus nicht erkennen, da sie den Kopf gesenkt hatte und damit die Sicht auf ihr Gesicht versteckte.

Wenige Schritte von ihr entfernt stand Weasley in der Pose des machthungrigen Tyrannen. Der Rücken durchgedrückt, den Kopf stolz erhoben, ein siegessicheres Grinsen im Gesicht und den Zauberstab direkt auf sein Opfer gerichtet.

Warum ließ Granger das bitte schön mit sich machen?
 

Ohne weiter über sein Handeln und die Konsequenzen nachzudenken, sprang er zwischen die beiden und entwaffnete den Weasley mit einem einfachen „Expelliamus!“.

Auch Pansy verkniff sich ausnahmsweise jeglichen Kommentar und rannte stattdessen zu der Gryffindor, um ihr auf die Beine zu helfen. Slytherins konnten zwar grausam sein, aber sie waren keine Unmenschen. Außerdem war Weasley ein gemeinsamer Feind und wie sagte man so schön: Die Feinde meiner Feinde sind meine Freunde.
 

„Bist du jetzt vollkommen durchgeknallt, Weasley?!“, schrie Pansy sofort, während Draco ihn weiterhin mit seinem Zauberstab bedrohte. Wenn er es auch nur wagen sollte, einen falschen Schritt zu tun, würde er ihn schocken und einen Lehrer holen – vorzugsweise Professor Snape, der würde ihnen zumindest Glauben schenken im Gegensatz zum Rest der Lehrerschaft.

„Du kannst doch nicht einfach jemanden aus deinem eigenen Haus so zurichten!“, fuhr seine Verlobte derweile fort. „Was geht in deinem kranken Hirn eigentlich vor sich? Du solltest im St. Mungos sitzen und eine Therapie erhalten, anstatt hier frei herumzulaufen und deine Mitschüler zu bedrohen!“

„Was ich tue oder nicht tue, geht euch nichts an!“, brüllte er und hob seinen Zauberstab vom Boden auf. „Fahrt zur Hölle, ihr verdammten Todesser!“

Im nächsten Moment lief er bereits zum Schloss zurück.
 

Die beiden Slytherins sahen ihm wütend hinterher. Dann senkte Draco langsam seinen Zauberstab und drehte sich stattdessen zu Granger um, die nun stand, ihren Kopf jedoch mit ihren Händen verbarg. Er warf Pansy einen ratlosen Blick zu, die ebenfalls nur mit den Schultern zuckte, ehe er langsam auf sie zuging.

„Hey Granger...“, sagte er sanft und griff vorsichtig nach ihren Handgelenken. Sie zuckte unter seiner Berührung zusammen, doch er war nicht umsonst ein Slytherin, er konnte solche Kleinigkeiten mit bestem Gewissen übergehen. Entschlossen zog er ihre Hände auseinander, um in ihr Gesicht sehen zu können.

Es sah nicht so schlimm aus, wie er befürchtet hatte. Nur eine einzige Schnittwunde zog sich an ihrer Wange entlang und sie sah schrecklich verheult aus, doch ansonsten war alles wie immer. Irgendetwas sagte ihm jedoch, dass es anders ausgegangen wäre, wenn er und Pansy ihr nicht geholfen hätten.
 

„Und?“, fragte sie plötzlich mit immer noch brüchiger Stimme und entriss ihm ihre Hände. „Was jetzt? Werdet ihr euch jetzt über mich lustig machen? Es der ganzen Schule erzählen? Oder da weitermachen, wo er aufgehört hat?“ Sie funkelte vor allem Draco an, der auf einmal eine unbändige Wut in sich aufsteigen fühlte. „Entschuldige bitte, dass wir dir deinen fetten Hintern gerettet haben, Granger!“, rief er aufgebracht. „Das wird nie wieder vorkommen!“

„Das will ich aber auch hoffen!“, schrie sie beinahe und stürmte an ihm vorbei, um ebenfalls zum Schloss zurückzukehren.

Seine Verlobte sah ihr stirnrunzelnd hinterher. „Warum habe ich nur das Gefühl, dass das nicht das erste Mal war, dass er sie angegriffen hat?“

„Weil es das wahrscheinlich nicht gewesen ist“, meinte er immer noch verärgert und griff nach ihrer Hand. „Komm, gehen wir zu den anderen nach Hogsmeade. Ich brauch jetzt dringend etwas vernünftiges zu trinken.“
 

Augenblicklich strahlte ihr Gesicht vor Freude und sie folgte ihm in Hochstimmung zum Die Drei Besen.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Obwohl er sich fest vorgenommen hatte, keinen zweiten Gedanken an die ganze Angelegenheit zu verschwenden, erwischte er sich in den nächsten Tag immer öfter dabei, wie er Granger beobachtete und nach irgendeiner untypischen Verhaltensweise suchte. Doch sie war so wie immer. Sie kam mit Longbottom zum Essen, diskutierte mit Harvey über irgendeinen Aufsatz, versuchte dem Auserwählten dabei zu helfen, sich optimal auf die dritte Aufgabe vorzubereiten, tratschte mit Lovegood über Mädchendinge, war im Unterricht ihr altes, besserwisserisches Selbst und ignorierte Ronald Weasley genauso, wie es alle anderen taten. Sie war vollkommen normal, wenn man davon absah, dass sie ihm selbst nicht einmal einen Seitenblick gönnte.
 

Um ehrlich zu sein, kam ihm das alles sehr seltsam vor. Wenn man von jemanden so zugerichtet wurde, würde sich jeder mit etwas Menschenverstand – und den besaß Granger, das wusste er – hundertprozentig zur Wehr setzen. Sie würde zum nächsten Lehrer rennen und dafür sorgen, dass er von der Schule verwiesen würde. Oder sie würde ihre drei Freunde um Unterstützung bitten. Oder sie würde heulend in irgendeiner Ecke sitzen. Aber ganz sicher würde sie nicht so tun, als wäre nichts passiert.

Das passte nicht im Geringsten zu dem Bild, das er sich die letzten fünf Jahre von ihr gemacht hatte. Könnte es etwa sein, dass er sich völlig in ihrem Charakter geirrt hatte?
 

„Du starrst sie schon wieder an“, sagte Pansy mit anklagender Stimme. Es war die Pause vor Verwandlung, ein Fach, das sie leider mit den Gryffindors hatten und es herrschte eine einigermaßen ausgelassene Stimmung.

„Tue ich nicht“, entgegnete er, ohne seinen Blick von dem Mädchen abzuwenden, das gerade in ein Gespräch mit Longbottom vertieft war.

„Und wie nennst du das dann?“, fragte sie spöttisch.

„Verhaltensforschung“, entgegnete er gelassen. „Sie ist ein wirklich gutes Forschungsobjekt musst du wissen.“

„Ein wirklich gutes Forschungsobjekt? Hast du jetzt vollkommen den Verstand verloren?“
 

Offensichtlich hatte er es tatsächlich. Zumindest war das seine einzige logische Erklärung darauf, dass er sich bald immer öfter dabei ertappte, wie er in die Bibliothek ging, nur um sie beim lernen beobachten zu können. Sie hatte eine sehr stille Lernmethode, die ihn oft an seinen Bruder erinnerte. Mit gekrümmter Haltung konnte sie stundenlang über demselben Buch – oder auch mehreren Büchern – sitzen, um sich ab und an die ein oder andere Notiz auf einem Stück Pergament zu machen. Wenn er sich recht erinnerte, hatte er sie noch nie einen Roman lesen sehen.
 

Das unterschied sie von Harvey. Auch wenn dieser Sachbücher bevorzugte, hatte er besonders als Kind alle möglichen Abenteuergeschichten oder historischen Romane geradezu verschlungen. Auch heute konnte er ihn manchmal mit einem Thriller oder etwas ähnlichem erwischen. Insgeheim fragte er sich, ob das der Grund war, weshalb er im Unterricht immer mehr Erfolg hatte, als Granger. Für ihn waren Bücher nicht nur eine Möglichkeit sein Wissen zu erweitern, für ihn waren sie ein Teil seines Lebens und dadurch konnte er anders an die Dinge herangehen, die sie ihm vermittelten, als das Mädchen.
 

Nein. Die Theorie war viel zu abstrakt, um zutreffen zu können.
 

Wenn sie nicht in der Bibliothek war, sah man sie in der Großen Halle, im Unterricht oder bei ihren Freunden. Schulaktivitäten schien sie keinen nachzugehen – nicht, dass es da allzu viele gegeben hätte – und bis auf ihre drei Freunde schien niemand mit ihr zu sprechen. Warum war ihm eigentlich nie zuvor aufgefallen, wie unbeliebt sie eigentlich bei den anderen war? Selbst mit Lovegood wechselten die Schüler mehr Worte, als mit Granger.
 

Weasley ließ sie, soweit er es einschätzen konnte, in Frieden.
 

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Es war genau eine Woche vor der letzten Aufgabe des Trimagischen Tunieres, als er wieder Zeuge einer Unregelmäßigkeit in ihrem Leben wurde. Es war ein schöner, sonniger, warmer Tag und er lag träge im Gras unter einem großen Baum und wartete darauf, dass die Zeit verging. Er mochte ein Malfoy sein, aber auch für ihn war Nichtstun ein Genuss, dem er nur zu gerne nachkam.

Glücklicherweise war er darüber hinaus den anderen Slytherins entkommen, weshalb er voll und ganz seine Ruhe hatte. Keine besten Freunde, die dich zu einem Quidditchspiel überreden wollten, keine Verlobte, die unbedingt mit dir schlafen wollte, keine...
 

„Hör endlich auf damit, du Arschloch!“, schrie Hermione Grangers Stimme, die äußerst schrill klang. Seufzend setzte Draco sich auf. Seine Ruhe war nun offenbar vorbei.

„Aufhören?“, entgegnete Ronald Weasley. „Du willst es doch! Du genießt es doch! Du liebst Schmerzen! Deshalb hast du dich doch auch damals in der Toilette der Maulenden...“

„Du bist krank!“, kreischte sie. „Absolut krank! Ich weiß nicht, was du da in deinem Kopf zusammengereimt hast, aber lass mich in Ruh...“ Sie schrie plötzlich schmerzerfüllt auf, woraus Draco schloss, dass Weasley sie wieder einmal verletzt haben musste.

Er verstand ehrlich gesagt nicht, warum er das tat. Was brachte es, ein Mädchen zu verletzen? Sie waren viel zu schön, viel zu zerbrechlich, als dass man ihnen Schmerzen zufügen würde. War Weasley nicht sogar in Granger verliebt? Was für ein Blödmann. Draco würde das Mädchen, das er liebte immer mit Respekt und Sanftheit behandeln. Wie ein wahrer Gentleman. So, wie sein Vater es ihm beigebracht hatte. Vielleicht war das ja Weasleys Problem! Sein Vater hatte bei den vielen Söhnen sicher keine Zeit gehabt, ihm Manieren beizubringen. Selbst die Weasleyzwillinge waren besser, als er.
 

„Hör auf!“, rief Hermione noch einmal, aber diesmal war ihre Stimme tränenerstickt. Sie war offensichtlich am Ende. Warum bemerkten Longbottom und Harvey eigentlich nicht, was mit ihr los war?

Eilig sprang er auf seine Füße und machte sich auf den Weg zu den beiden. Er mochte Granger zwar nicht, aber wenn er Weasley eins auswischen konnte, indem er sie rettete, würde er es nur allzu gerne tun. Wer weiß, vielleicht war sogar ein Schulverweis für den Rothaarigen drin. Das wäre auf jeden Fall etwas, das seine Stimmung heben würde.

So lässig, wie es ihm momentan möglich war, gesellte er sich zu den beiden. Sie befanden sich am Ufer des Sees, an einem Punkt, den man von weiten nicht sehen konnte, da zu viele Bäume und Büsche im Weg waren. Weasley hatte sie sicher hierher getrieben. Oder sie hatte hier gelesen, in der Hoffnung, ihre Ruhe zu haben.
 

Was immer es auch gewesen sein mochte, momentan saß sie auf dem Boden und starrte mit tränenverschmierten Gesicht zu dem – Dracos Meinung nach – viel zu selbstverliebt wirkenden Weasley hinauf. Gut so. Es würde ihm ein Vergnügen sein, diesen Gesichtsausdruck fort zu wischen.

Der Rothaarige hob gerade seinen Zauberstab, um ihr einen erneuten Fluch auf den Hals zu jagen, als Draco bereits den Entwaffnungszauber gesprochen hatte und seine Waffe mitten im See landete. Ob er ihn da je wieder herausbekommen würde? Nie und nimmer.
 

Beide blickten sofort zu ihm hinüber, Weasley wütend, Granger überrascht. Draco konnte es ihr nicht verdenken. Nun rettete er sie bereits zum zweiten Mal. Langsam wurde es beinahe eine Gewohnheit.

„Wenn ich du wäre, Weasley“, sagte er kühl und trat einen Schritt auf die beiden zu, „würde ich machen, dass ich wegkomme.“

„Misch dich nicht immer ein, Malfoy!“, spie dieser ihm entgegen. „Das geht dich nichts an!“

„Es geht mich sehr wohl etwas an, wenn ich sehe, wie eine meiner Klassenkameradinnen von einen anderem wiederholt verletzt wird. Und jetzt hau ab, bevor ich mich vergesse!“

Kurz schien er tatsächlich darüber nachzudenken, nicht zu gehen, doch dann drehte er sich mit einem mürrischen Laut um und stürmte davon. Sobald er außer Sichtweite war, steckte Draco seinen Zauberstab wieder ein und ging auf das Mädchen zu, das ihn mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck anstarrte.
 

Ein paar Schritte vor ihr blieb er stehen und setzte sich im Schneidersitz hin, sodass sie auf einer Höhe waren. Für ein paar Augenblicke sahen sie sich schweigend an, bis sie es nicht mehr aushielt und fragte: „Warum tust du das?“

„Warum tue ich was?“

„Das hier“, sagte sie und machte eine kreisende Handbewegung. „Warum hilfst du mir? Warum vertreibst du ihn? Müsstest du dich nicht eigentlich darüber lustig machen? Müsste es dir nicht Freude bereiten? Du hasst mich. Ich bin ein Schlammblut. Das niederste, was es in dieser Gesellschaft deiner Meinung nach geben müsste.“ Sie hielt in ihrer Rede inne und sah ihn verwirrt an. „Warum also hilfst du mir?“

Er konnte nicht anders, als zu lächeln. „Du hast wirklich keine Ahnung von uns, oder?“

„Keine Ahnung?“
 

Aus einem Impuls heraus, holte er ein Taschentuch aus seiner Tasche hervor und begann sanft damit, das Blut wegzuwischen, das wieder einmal an ihrer Wange klebte. Sofort zuckte sie vor seiner Berührung zurück, aber nachdem er ihr einen langen Blick zugeworfen hatte, ließ sie ihn gewähren.

„Wir hassen niemanden, auf Grund seiner Abstammung“, begann er irgendwann langsam. „Als Schwarzmagier wissen wir am besten, wie es ist, nicht in der Gesellschaft akzeptiert zu werden oder zumindest wie es ist, wenn einem die ganze Welt misstraut. Der Grund, warum wir viele von euch hassen, ist, weil ihr euch alle Dumbledore anschließt. Er ist es, gegen den wir sind und all seine Anhänger sind Leute, mit denen wir lieber nichts zu tun haben wollen.“

„Wieso?“, fragte sie leise. Draco fiel auf, dass sie zitterte. War es, weil der Schock, soeben angegriffen worden zu sein noch zu tief saß oder weil er sie berührte?

//Warum sollte sie bitte schön zittern, nur weil ich sie anfasse?//, dachte er und schüttelte innerlich mit dem Kopf.
 

„Er ist es, der uns in den Schatten drängt, Granger“, meinte er nur. „Er tritt uns mit seinen Füßen und lässt uns untergehen, genauso wie Weasley dich regelmäßig auf eine so abscheuliche Art und Weise misshandelt.“ Er sah in ihre braunen Augen, die immer noch leicht gerötet waren. „Warum lässt du das mit dir machen? Du bist viel zu stark und talentiert, um dich so von ihm unterkriegen zu lassen.“

Sie antwortete ihm nicht. Stattdessen senkte sie ihren Blick und biss sich auf die Unterlippe. Na schön. Dann eben nicht.

„Wie hat er dich eigentlich an so einen abgelegenen Platz bekommen?“

Kurz fürchtete er, dass sie wieder nichts sagen würde, doch dann gab sie ihm leise eine Antwort: „Er hat mir aufgelauert. Ich komme manchmal hierher, wenn ich meine Ruhe haben will.“ Ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen. „Jetzt habe ich sie wohl nirgends mehr.“
 

Schweigend sah er sie an. Die Personifikation des Elends. Sie war am Ende ihrer Kräfte. Ronald Weasley machte sie systematisch kaputt und es gab nichts, was jemand von ihnen dagegen unternehmen könnte, denn dieses Mädchen hatte sich dazu entschlossen, sich von ihm zerstören zu lassen. Draco wusste nicht, wann es angefangen hatte oder warum es angefangen hatte. Er wusste nur, dass sie es nicht stoppen wollte, es nicht konnte und er durfte sich da nicht einmischen. Niemand würde es ihm danken.

Niemand... außer vielleicht eben dieses Mädchen, das gerade vor ihm saß und bereits alles aufgegeben hatte.
 

„Das nächste Mal“, begann er und sie sah mit traurigem Blick zu ihm auf, „komm zu mir.“ Ihre Augen weiteten sich überrascht. „Ich werde dich in Frieden lassen und solange du neben mir sitzt, wird Weasley dir nichts antun.“

Ohne ihr Zeit für eine Reaktion zu lassen, drückte er ihr das inzwischen ruinierte Taschentuch in die Hand, stand auf und ging so schnell wie möglich davon.

Was beim Barte des Merlin war in ihn gefahren?

Hermione Granger anbieten, sich bei ihm zu verstecken? Ihr seine Hilfe anbieten? Langsam war er offensichtlich bereit für das St. Mungos.

Doch sobald er sich wieder an ihren hoffnungslosen, gebrochenen Blick erinnerte, konnte er nur schwer bereuen, was er getan hatte.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Überraschenderweise nahm sie sein Angebot bereits am nächsten Tag an.

Er saß gerade wieder alleine an seinem üblichen Platz am See und versuchte sich an seinen Zaubertrankhausaufgaben, als sie zögernd auf ihn zukam und sich in seiner Nähe mit einem Buch niederließ. Er blickte kurz auf und musterte sie, bevor er sich wieder seinen eigenen Angelegenheiten widmete. Von dem gestrigen Angriff war nichts mehr zu sehen. Entweder kannte sie ziemlich gute Heilzauber oder Madam Pomfrey unterstützte sie. Allerdings konnte er sich nicht vorstellen, dass die Heilerin so etwas unterstützen konnte, weshalb es sich wahrscheinlich um ersteres handelte.
 

Innerhalb der nächsten Woche wurde es zu einer Gewohnheit. Sie saßen schweigend beieinander, lasen oder machten Hausaufgaben und gingen schließlich wieder auseinander. Im Unterricht ignorierten sie sich und blieben in ihren Freundeskreisen. Ihre täglichen Zusammenkünfte waren ein Geheimnis, das verboten war, das es niemals so hätte geben dürfen und das sich dennoch so unglaublich richtig anfühlte.
 

Er wusste nicht, wann sie angefangen hatten, miteinander zu sprechen, aber am Ende der Woche, am Tag des Trimagischen Tuniers, war ihre frühere Feindschaft vollkommen verschwunden und einem neuen, gegenseitigen Verständnis gewichen. Es war seltsam, wie schnell sich die Beziehung zu einem Menschen ändern konnte, wie schnell aus Hass so etwas ähnliches wie Freundschaft werden konnte.

Dummerweise war er sich darüber bewusst, dass es bald vorbei sein würde.
 

Es war schwerer, als er es sich anfangs vorgestellt hatte, schweigend auf der Tribüne zu sitzen und dabei zuzusehen, wie sich Harvey, Granger und Lovegood von Longbottom verabschiedeten, ehe er gemeinsam mit den anderen Champions den Irrgarten betrat, der die letzte Aufgabe darstellte. Dabei hatte er solange auf diesen Tag gewartet.

Endlich würde der dunkle Lord zurückkehren!

Endlich würden sie alles zurückzahlen können, was die weißmagische Bevölkerung ihnen all den Jahren angetan hatten!

Endlich würden sie eine Chance auf Freiheit haben.
 

Neville Longbottom würde sterben.
 

Sie würden ihn hassen.
 

„Entspann dich“, murmelte Blaise, der zu seiner rechten Seite saß und in aller Ruhe die Geschehnisse verfolgte. „Selbst Dumbledore wird merken, wie angespannt du bist. Es wird alles gut gehen, außer wenn du es jetzt vermasselst.“

„Er wird mich hassen“, entgegnete er nur zum etwa millionsten Mal in diesem Schuljahr.

„Das hatten wir doch schon“, meinte sein Freund seufzend. „Er wird dich nicht hassen. Er wird es verstehen. Und das weißt du.“

Wusste er es wirklich?
 

Einige Stunden später war alles anders gekommen, als er es vermutet hatte. Der dunkle Lord war zwar zurück, doch statt Neville Longbottom war Cedric Diggory gestorben.

Warum? Warum hatte er sterben müssen? Er hatte doch nichts damit zu tun gehabt!
 

Harvey lachte, als er ihn an diesen Gedanken teilhaben ließ. „Er ist ein dunkler Lord, Draco! Was hast du erwartet? Dass er so ein Friede-Freude-Eierkuchen-Onkel wie Albus Dumbledore sein wird? Er hat ein Ziel, ein grausames Ziel und er wird es mit Gewalt durchsetzen. Cedric bedeutet ihm nichts. Er war zur falschen Zeit am falschen Ort und musste deswegen bezahlen. Dieses Schicksal hätte uns allen blühen können. Dir genauso wie mir. Ich bin nur froh, dass es Neville nicht erwischt hat. Luna und Hermione hätte das furchtbar aufgeregt, von der ganzen englischen Bevölkerung ganz zu schweigen.“
 

Das war im Grunde alles, was er dazu sagte. Keine Vorwürfe. Kein Hass. Keine Abneigung.

Blaise hatte Recht gehabt. Harvey verstand.

Erst jetzt wurde ihm klar, was für ein wunderbarer Mensch sein Bruder eigentlich war und wie glücklich er sich schätzen konnte, ihn in seiner Familie zu haben. In Zukunft würde er dafür kämpfen, dass ihre Beziehung wieder besser wurde.
 

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Ein paar Tage nach der dritten Aufgabe saß er wieder einmal alleine am See und starrte gedankenverloren in die Ferne, als plötzlich von einem Moment zum nächsten Hermione Granger in sein Sichtfeld getreten kam. Sie sah... ungewöhnlich hübsch aus, was vor allem daran liegen könnte, dass ihre Haare ausnahmsweise glatt waren und sie schwarze Kleidung trug. Was sollte er machte, er stand auf Frauen, die sich schwarz kleideten. Sexuelle Vorlieben waren manchmal äußerst seltsam.
 

„Cedric ist für uns alle ein guter Freund gewesen“, erklärte sie, als sie seinen fragenden Blick bemerkte. „Du bist nicht zu seiner Trauerfeier erschienen.“

„Es ist nicht so, dass er mich vermisst hätte“, entgegnete er schulterzuckend.

Sie nickte langsam. „Er ist an Nevilles Stelle gestorben, nicht wahr?“

Er antwortete ihr nicht, weshalb sie sich zögernd neben ihn setzte und ihn von der Seite her ansah. „Ich habe von Anfang an gewusst, dass etwas faul ist. Neville in diesem Turnier? Das war Wahnsinn. Dass er die beiden ersten Aufgaben so gut überstanden hatte, hat das ganze ehrlich gesagt auch nicht besser gemacht. Nicht, dass ich es ihm nicht zutrauen würde, aber ich war misstrauisch und Harry war es auch.“ Sie zögerte kurz, bevor sie fragte: „Hat es etwas mit Du-weißt-schon-wem zu tun?“
 

„Woher soll ich das wissen?“, entgegnete er abweisend.

Sie ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken: „Weil du der Sohn von Lucius Malfoy bist, einer von seinen treusten Anhängern. Wenn es jemand in dieser Schule weiß, dann du.“

Er schwieg wieder, weshalb sie auf eine neue Taktik zurückgriff: „Du bist ein guter Mensch, Draco. Ich hätte es vor ein paar Wochen selbst noch nicht geglaubt, aber du bist es. Du hast mich vor Ronald gerettet, obwohl du mich hassen müsstest.“

„Was willst du von mir hören, Hermione?“ Es war das erste Mal, dass er sie so nannte, aber keiner von ihnen ging näher darauf ein.

„Die Wahrheit“, flüsterte sie und legte zögernd eine Hand auf die seine. „Draco, was geht hier vor sich?“

„Ich weiß es nicht“, antwortete er ihr, ohne sie anzusehen. „Ich weiß es wirklich nicht.“

Kurz sah sie ihn schweigend an, ehe sie seufzte und sich langsam erhob. „Du solltest dir etwas Ruhe gönnen“, riet sie ihm. „Du siehst schrecklich aus.“

Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging.
 

Draco starrte währenddessen schweigend geradeaus und versuchte das Kribbeln zu ignorieren, das sich an der Stelle ausgebreitet hatte, die Hermione – seit wann war sie eigentlich nicht mehr Granger? – noch vor ein paar Sekunden berührt hatte.

Leider war das nicht so einfach, wenn man aus dem Hause Malfoy kam und gelernt hatte, sich niemals selbst zu belügen.

Verdammt. Das könnte noch zu einem Problem werden.

Our Losing Fight

Danke an alle Kommischreiber, sonstige Leser und vor allem meiner Beta!!!

Viel Spaß mit Teil zwei der „Malfoy-Märchenstunde“!

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Our Losing Fight
 

(...)Wenn ich die Chance hätte, alles rückgängig zu machen, würde ich es tun. Dann könnten wir uns jetzt weiterhin ohne Probleme hassen und ich müsste nicht jedes Mal fürchten, in Tränen auszubrechen, wenn ich ihn sehe. Aber so funktioniert die Liebe nicht. Sie lässt sich nicht einfach rückgängig machen.

Vielleicht sollte ich es mit Oblivate versuchen, zumindest würde ich mich dann nicht mehr an ihn erinnern. Allerdings habe ich das Gefühl, dass sie mich dann ins St. Mungos stecken und darauf habe ich keine Lust. Also heißt es weiter lieben.

Ich wünschte nur, er würde mich wenigstens ansehen(...)
 

Auszug aus dem Tagebuch von Hermione Granger, sechstes Schuljahr
 

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„Wie waren deine Ferien?“

Ihre Stimme. Obwohl er sie seit zwei Monaten nicht gehört hatte, erschien sie ihm so vertraut, wie seine eigene. Langsam blickte er von dem Buch auf, in dem er gelesen hatte und sah dabei zu, wie sie sich langsam direkt neben ihn niederließ. Sie sah müde aus, aber gesund und zufrieden. Wahrscheinlich war sie Weasley in diesem Schuljahr noch nicht über den Weg gelaufen.

„Recht angenehm“, antwortete Draco lasch auf ihre Frage und drehte sich wieder zu seinem Buch um. „Harrys kleine Französin ist da gewesen und wir waren auf der Quidditchweltmeisterschaft.“

Hermione nickte. „Das hat Harry auch gesagt.“

„Natürlich hat er das. Er hatte dieselben Ferien wie ich.“

„Er hat auch gesagt, dass Du-weißt-schon-wer bei euch gewesen ist.“
 

Hatte er das? „Wenn er es sagt, wird es stimmen“, meinte er schulterzuckend und blätterte die Seite um, die er gerade überflogen hatte.

„Bist du nun ein Todesser?“

Er wusste nicht wieso, aber etwas in seinem Inneren schrie schmerzerfüllt auf, als er ihren misstrauisch-besorgten Tonfall hörte. Sie vertraute ihm nicht. Nach allem, was er letztes Jahr für sie getan hatte. Sie vertraute ihm nicht. Natürlich nicht.

Er... vertraute ihr auch nicht.

„Was geht dich das an, Granger? Vielleicht bin ich einer. Vielleicht bin ich es nicht. Was immer auch der Fall ist, es ändert nichts. Ich bin immer noch der böse Slytherin, dessen ganze Familie dem dunklen Lord dient und du die gute Gryffindor an Neville Longbottoms Seite.“ Er schlug sein Buch zu und sah sie an. Ihr Gesicht war ernst, ihre Augen kalt. Gut.
 

„Was wirst du jetzt tun?“, fragte er und beugte sich etwas weiter vor, so dass sein Atem ihr Gesicht streifte. „Wirst du wegrennen und dich hinter Dumbledore und Longbottom verstecken?“ Er kam ihr noch etwas näher und sah voller innerer Befriedung, wie sie schlucken musste. „Oder wirst du hier bleiben?“ Langsam streckte er seine Hand aus und strich damit sanft über ihre Wange, während er ihr Gesicht studierte. Es blieb unverändert, auch wenn er wusste, dass sie sich dazu zwang, nicht vor ihm zurückzuweichen. Sie war so stur.

Genau das war es, was er so an ihr mochte.

„Wirst du hier bleiben?“, wiederholte er sich. „Bei mir? Bei dem bösen? Deinem Feind?“

„Hör endlich auf solch melancholische Reden zu schwingen und küss mich endlich, du Idiot“, entgegnete sie kühl.

Dieser Aufforderung kam er nur zu gerne nach.
 

Es war ein Fehler und das wussten sie beide. Sie sollten das nicht tun. Sie hätten es nicht tun sollen. Sein Vater und Pansy würden ihn umbringen, wenn sie es erfuhren. Von Hermiones Bekanntenkreis ganz abgesehen. Diese Beziehung war zum scheitern verurteilt. Sie sollten aufhören, solange sie noch konnten.

Aber dafür war es seit dem Augenblick zu spät gewesen, als er sie das erste Mal hilflos vor Ronald Weasley hatte sitzen sehen.

Das Schicksal war süchtig nach Unterhaltung. Es würde sie bekommen.
 

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Seine „Beziehung“ – wenn man es denn so nennen konnte – zu Hermione war anders, als alles, was er je mit seiner Verlobten erlebt hatte. Während Pansy ein leicht verdauliches Übel war, mit dem er sich abgefunden hatte und das seine Bedürfnisse als Teenager überaus erfolgreich befriedigen konnte, wurde Hermione zu der angenehmsten Gesellschaft, die er sich vorstellen konnte. Selbst Blaise und sein Bruder waren vergessen, wenn er mit ihr zusammen war.

Sie machte ihn glücklich. Auch, wenn sie sich oft stritten und sie ihre arroganten Anwandlungen hatte, liebte er jeden Augenblick, den er mit ihr verbringen konnte. Nicht, dass es da allzu viele gegeben hätte.
 

Es war wichtig, dass niemand von ihnen erfuhr. Die Welt würde in Chaos ausbrechen, sollte es jemals geschehen. Man würde ihre Beziehung niemals billigen. Es war ihm bestimmt, Pansy zu heiraten und dem dunklen Lord zu folgen. Sie war eine Muggelgeborene und vertraute auf Dumbledore. Man würde sie im übertragenden Sinne steinigen, wenn herauskam, dass sie sich mit dem „Feind“ eingelassen hatte. Man würde sie verstoßen und mit etwas Pech würde er nicht in der Lage sein, sie aufzufangen, bevor sie für immer am Boden zerschellen würde.
 

Darum trafen sie sich stets heimlich. Manchmal am See, manchmal im Raum der Wünsche, manchmal sogar in Hogsmeade. Im Unterricht und wenn andere dabei waren, ignorierten sie sich, soweit es ihnen möglich war. Sie waren vorsichtig. Trotzdem gab es Leute, die bemerkten, dass etwas vor sich ging.

Überraschenderweise war der erste kein geringerer als Severus Snape.
 

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„Ich weiß, dass du mir wahrscheinlich sofort sagen wirst, dass es mich nichts angeht“, sagte er eines Abends, als er ihn zum „Nachsitzen“ zu sich bestellt hatte, „aber als ein guter Freund deiner Familie muss ich dir mitteilen, dass es mich beunruhigt, was zwischen dir und Miss Granger vor sich geht.“

„Was?“, hatte er erschrocken erwidert. Damals war er noch so naiv gewesen, wirklich zu glauben, dass es nie jemand erfahren würde.

„Verkauf mich nicht für dumm, Draco. Du magst deine Freunde, deine Familie und selbst Dumbledore täuschen können, aber ich kenne dich dein ganzes Leben lang und kann genau sehen, wie ihr beide euch immer gegenseitig mustert, sei es in meinem Unterricht oder in der Großen Halle oder sonst wo. Ihr beide tut etwas sehr gefährliches und äußerst riskantes. Zwar seid ihr vorsichtig, aber nur ein Fehler und alle werden davon erfahren. Normalerweise würde ich mich nicht einmischen, doch wir sind kurz vor einem Krieg und den schlimmsten Fehler, den du jetzt begehen kannst, ist, dich auf jemanden von der gegnerischen Seite einzulassen.“

„Du sagst also, dass ich es beenden soll?“, fragte er.

Daraufhin sah Severus ihn lange an, ehe er seufzend mit dem Kopf schüttelte. „Nein. Ich möchte nur, dass dir die Konsequenzen deines Handelns bewusst sind. Doch wie ich sehe, muss ich sie dir nicht aufzählen. Du kennst sie selbst bereits zur Genüge.“
 

Das stimmte. Aber es brachte ihn nicht von seinem Entschluss ab, weiterzumachen. Das, was er mit Hermione teilte, war besser, als alles was er je erlebt hatte. Für nichts in der Welt würde er das aufgeben.

Naiver Junge. Er mochte es damals glauben und doch...

Und doch wechselte er kein Wort mit ihr, wenn sie sich in der Gegenwart dritter trafen.

Und doch nickte er weiterhin lächelnd, wenn die Rede auf seine Verlobung zu Pansy kam.

Und doch schlief er immer noch mit seiner Verlobten.

Er war ein Feigling, doch sie war es nicht minder.
 

„Brich ihr nicht das Herz, Draco“, riet Severus ihm mit ernster Stimme. „Du wirst dich selbst mehr damit verletzen, als sie.“

Wie Recht er doch hatte.
 

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Die nächste Person war keine geringere, als seine Verlobte.
 

Er lag gerade nichts böses ahnend auf seinem Bett in dem Zimmer, das er sich bereits seit Jahren mit Blaise teilte, als die Tür aufgerissen wurde und Pansy hereinkam.

„Ich muss mit dir reden“, sagte sie, sobald die Tür hinter ihr zugefallen war und sie sich auf Blaises Bett gesetzt hatte.

„Worüber?“, fragte er argwöhnisch. Es war selten ein gutes Zeichen, wenn sie in diesem förmlichen Tonfall mit ihm sprach.

„Über Granger“, entgegnete sie sachlich. „Ich habe euch gesehen. Am See. Mitten in der Nacht. Knutschend.“

Oh.... das war ungut. „Pansy... ich kann dir das erklär...“
 

„Du musst gar nichts erklären, Draco“, sagte sie und stand auf, um sich zu ihm zu setzen und sein Gesicht zwischen ihre Hände zu nehmen. „Du kannst von mir aus so viele Affären mit diesem Schlammblut haben, wie du willst. Aber ich bin deine Verlobte. Du wirst mich heiraten, nicht sie. Solange du nur mit ihr spielst und ich weiß, dass du es tust, kannst du es gerne tun, aber es wäre mir lieber, wenn du mit mir darüber sprechen würdest.“ Sie lächelte leicht und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Für einen Augenblick hatte ich Angst, du könntest mich nicht mehr lieben.“

Er hatte ihr nie gesagt, dass er sie liebte. Allerdings hielt er das nicht für den passenden Augenblick, um sie darüber aufzuklären.
 

„Ich dachte, du würdest wütend werden.“ Das war die Wahrheit.

Sie lachte leise. „Jede Verlobte würde wütend werden, aber ich bin nicht wie die anderen. Mir ist es egal, mit wem du schläfst, solange ich deine Nummer eins bin, du keine Schande über mich bringst und mit keiner anderen Frau Kinder bekommst.“ Diesmal küsste sie ihn kurz auf den Mund. „Es ist wirklich nicht so, als ob ich mir wegen so einem Schlammblut Sorgen machen müsste, oder?“

Draco verzog seine Lippen zu etwas, das man vielleicht als ein Lächeln interpretieren könnte. „Nein, Pansy. Natürlich nicht.“

Es stellte sie zufrieden. In ihren Augen war ein dreckiges Schlammblut keine Bedrohung. Hätte sie nur etwas genauer hingesehen. Vielleicht wäre dann vieles anders gekommen.
 

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Draco saß am Rande des Astronomieturms. Seine Beine baumelten träge über den Abgrund, während am Horizont die Sonne unterging. Es war ein schöner Tag gewesen, besonders wenn man bedachte, dass bereits November war. Jetzt wurde es allerdings kälter, beinahe zu kalt, um noch hier zu sitzen und die Luft roch nach Schnee. Schnee. Bald würde es schneien.

Ob es Harry dazu bringen würde, wieder mit ihm zu sprechen?
 

Er war sofort zu ihm gegangen, sobald er Hogwarts betreten hatte. Er hatte ihn an den Schultern gepackt, hatte ihn geschüttelt, hatte ihn angeschrien und schließlich gebettelt – gefleht – dass er nur ein Wort sagen würde. Er hatte keine Reaktion bekommen. Nicht einmal ein Augenblinzeln. Nur Schweigen. Schweres, anklagendes Schweigen.

Es war alles die Schuld seines Vaters! Wie hatte er so etwas tun können? Wie hatte er sie alle belügen können? Wie hatte er ihre Familie so zerstören können? Draco verstand es nicht! Er wollte es überhaupt nicht verstehen! Er wollte nur, dass alles wieder so wie früher wurde, wie in ihrer Zeit vor Hogwarts. Damals waren sie noch eine glückliche Familie gewesen. Damals hatte Lucius noch mehr Zeit für sie gehabt und es war nicht so schwer gewesen, die Liebe seiner Mutter offen zu erwidern.

Damals war er Harrys bester Freund und engster Vertrauter gewesen und nicht Longbottom.

Ob er mit ihm sprach? Wahrscheinlich. Warum auch nicht? Dieser blöde Auserwählte war immerhin nicht der Sohn eines solchen....
 

Jemand kniete sich hinter ihn und zog ihn von hinten in eine Umarmung. Er brauchte nicht hinzusehen, um zu wissen, dass es Hermione war. Nur sie war dabei so sanft, so liebevoll. Pansy war stets aufdringlich, Blaise spielerisch und Harry umarmte ihn fast nie von sich aus. Schweigend lehnte er sich an sie und legte seine Hände auf ihre Arme.

„Wie geht es ihm?“, flüsterte er. Wenn es ihm jemand sagen konnte, dann sie.

„Nicht gut“, entgegnete sie ebenfalls flüsternd. „Er spricht kein Wort. Mit niemanden. Es scheint beinahe so, als sei er gar nicht da.“ Sie vergrub ihr Gesicht in seinem Haar. „Ich habe ihn noch nie so gesehen, Draco. Es macht mir Angst.“

„Mir auch“, wisperte er und verfestigte seinen Griff auf ihren Armen. „Mir auch.“
 

Kurz beobachteten sie schweigend, wie ein paar Zugvögel an ihnen vorbeiflogen – sie waren spät dran dieses Jahr – dann fragte sie: „Wie geht es dir?“

Einen Augenblick lang dachte er über diese Frage nach. Wie ging es ihm? Er war enttäuscht. Wütend. Traurig. Hilflos. Hoffnungslos. Entsetzt. Allein. Aber...

Aber sie war bei ihm und deshalb war er trotz allem aus irgendeinen seltsamen Grund glücklich.
 

„Mir geht es gut“, antwortete er deshalb. „Du bist ja bei mir.“
 

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Er wusste nicht mehr, wann er realisierte, dass es Liebe war.

Wahrscheinlich hatte er es von Anfang an gewusst. Vollkommen klar wurde es ihm erst in den Weihnachtsferien. In den letzten Monaten hatten sich einige Dinge verändert. Seine Mutter hatte seinem Vater vergeben. Pansy hatte immer öfters Gründe zur Klage, da er weder mit ihr ausging, noch mit ihr schlief.

Seine Beziehung zu Hermione wurde immer tiefer – auch wenn sie beide noch nicht miteinander geschlafen hatten – und Harry... Harry sprach wieder mit ihm.
 

Er hatte nie erkannt, wie wichtig ihm sein Bruder eigentlich war, bis dieser nicht mehr mit ihm gesprochen hatte. Sein Schweigen hatte ihm beinahe physische Schmerzen bereitet. Von ihm abgewiesen zu werden, war schlimmer, als drei Wochen Quidditchverbot und das sollte etwas heißen.
 

Die Ferien verliefen anfangs recht ruhig. Zwar waren sie alle etwas missvergnügt, da Harry sich dazu entschieden hatte, bei den Potters zu feiern, aber es war friedlich. Außerdem bekam er jeden Tag eine Eule von Hermione, was ihn überaus aufmunterte.

Doch dann, kurz nach dem Frühstück am vierundzwanzigsten Dezember, sagte sein Vater: „Wir werden noch vor Silvester deine Verlobung zu Pansy offiziell machen müssen. Es wird langsam Zeit.“
 

Diese beiden Sätze, so unschuldig und richtig sie auch klangen mochten, waren ein Schlag in die Magengegend. Heiraten? Pansy? Er?

Wie konnte er Pansy heiraten, wenn irgendwo dort draußen Hermione saß und auf einen weiteren seiner Briefe wartete? Wie konnte er sich zu einem Leben mit einer Frau verfluchen, die nicht erkannte, wann er sie brauchte, während eine andere sofort bei ihm war, wenn sie auch nur glaubte, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte? Wie konnte er jemanden ehelichen, wenn er bereits in jemand anderes verliebt war?
 

„Vater“, begann er deshalb. „Ich...“

„Du bist mein ganzer Stolz, Draco“, sagte dieser, ohne weiter auf ihn zu achten. Er hatte ihm den Rücken zugewandt und sah aus dem Fenster des Essenzimmers. „Du bist mein einziger Sohn und hast mich noch nie enttäuscht. Du bist ein großartiger Mensch und ich weiß, dass du den Namen unserer Familie mit Ehre weitertragen wirst.“ Er drehte sich zu ihm um und lächelte. „Ich weiß, es ist nicht einfach, sich in so jungen Jahren bereits an jemanden zu binden. Für mich und deine Mutter war es auch nicht leicht, aber ich weiß, dass du und Pansy ebenso glücklich sein werdet, wie wir. Außerdem habt ihr noch genügend Zeit, bis ihr wirklich heiraten werdet.“

„Aber...“

„Ich bin so stolz auf dich“, sagte er wieder und sein Lächeln wurde strahlender. „Ich bin froh, mit dir gesegnet worden zu sein.“
 

//Du wirst nicht mehr so stolz sein, wenn du herausfindest, dass ich eine Beziehung zu Hermione Granger habe.//

Er wollte es ihm sagen. Er wollte es ihm entgegen brüllen, die Wahrheit hinausschreien und der ganzen Heimlichtuerei ein Ende bereiten. Doch er konnte es nicht. Er konnte das Lächeln auf dem Gesicht seines Vaters nicht zerstören. Nicht, wenn es das erste Mal war, seitdem Harry gegangen war, dass er so zufrieden aussah.

Draco liebte seinen Vater. Aber Hermione liebte er ebenfalls.

Was also sollte er tun?
 

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Normalerweise wäre er zu Harry gerannt. Doch der war erstens zu gut mit ihr befreundet und zweitens konnte er sich nicht sicher sein, dass er es nicht aus versehen ihren Eltern mitteilte, bevor er selbst dazu bereit war. Deshalb beschloss er, in den nächsten Tagen zu Severus zu gehen und ihn um Rat zu bitten. Der Mann wusste ohnehin bereits bestens Bescheid und normalerweise gab er vernünftige Ratschläge.

Dummerweise hatte das Schicksal andere Pläne für ihn.
 

Am Abend des vierundzwanzigsten Dezembers klopfte es an seine Zimmertür und Abraxas Malfoy kam herein. Der Mann sah älter denn je aus, lächelte jedoch, als er ihn sah und machte einen einigermaßen zufriedenen Eindruck. Eine Weile saß er nur bei ihm und erkundigte sich nach Nichtigkeiten. Wie es in der Schule lief, ob Slytherin dieses Jahr den Quidditchpokal gewinnen würde, wie es seinen Freunden ging...

Es war ein harmloses Gespräch, wie sie es schon oft geführt hatten und die eine typische Beziehung zwischen Großvätern und Enkeln widerspiegelte. Einerseits wollte man sich nahe stehen, doch anderseits war es ihnen unmöglich, da zu viele Jahre zwischen ihnen standen. Sie kamen aus unterschiedlichen Welten und doch gehörten sie irgendwie zusammen.
 

Eigentlich hatte es eine gewisse Ironie, dass er der erste aus seiner Familie war, der wusste, was vor sich ging. Wahrscheinlich hatte das Schicksal seine Hände im Spiel oder es lag an seinem sechsten Sinn für Familienschwierigkeiten. Jedenfalls war er es, der ihm genau das sagte, was er im Moment am wenigsten hören wollte: „Ich weiß, dass du eine Beziehung zu einer Muggelgeborenen hast.“

Er hatte die Eulen bemerkt, die Hermione ihm jeden Tag schickte. Hatte sie eines Tages abgefangen und gelesen, was niemals hätte geschrieben werden dürfen. Hatte gehofft, dass es sich nur um eine einfältige Verehrerin handelte, der Draco bald Einhalt gebieten würde.

„Doch du hast es nicht getan“, sagte er ernst, ruhig, jedoch ohne Anklage. „Du hast ihr im Gegenteil zurückgeschrieben. Ich weiß, dass es eine amüsante Angelegenheit ist, aber das muss aufhören.“
 

„Weil es unsere Familienehre beschmutzt?“, konterte Draco, der sich unwillkürlich genötigt fühlte, auf Angriff als Mittel der besten Verteidigung zu setzen. „Denkst du nicht, dass mir klar war, auf was ich mich einließ, als ich damit begonnen hatte? Es ist mir egal, was mit unserer Familie ist. Vater hat bereits ohne mich genug Schande über uns gebracht. Der eine Skandal mehr oder weniger... was spielt das schon für eine Rolle?“

„Du bist verlobt, Draco.“

„Ich habe mir diese Verlobung niemals ausgesucht! Ich kann Pansy nicht heiraten!“

„Dein Vater hatte sich seine Verlobung ebenfalls nie ausgesucht“, entgegnete Abraxas und seufzte tief, ehe sein Blick sich in der Ferne verlor. „Als er in deinem Alter war, hatten wir dasselbe Gespräch. Er hatte sich in eine Weißmagierin verliebt, wollte seine Verlobung lösen und sich, sowie seine Nachkommen in den Abgrund stürzen.“

Diese Geschichte war ihm neu und er begegnete ihr automatisch mit Skepsis. „Das hast du dir ausgedacht, um mich manipulieren zu können.“

„Selbst wenn es so wäre, musst du inzwischen gemerkt haben, dass es falsch ist, was du und dieses Mädchen da treibt. Nicht nur für unsere Familie, sondern auch für sie.“

„Für sie? Was willst du damit schon wieder sagen?“
 

Abraxas' Blick wurde – soweit es möglich war – noch ernster. „Wir stehen kurz vor einem Krieg. Einem Krieg zwischen schwarzer und weißer Magie. Du bist ein Schwarzmagier. Du wirst dem dunklen Lord folgen, weil er deine Überzeugungen widerspiegelt und du dadurch Freiheit erhalten kannst. Doch was ist mir ihr, Draco? Denkst du, sie würde auch nur einen Tag auf unserer Seite überleben?“

Der Junge schwieg.

Nickend stand sein Großvater auf und machte sich auf dem Weg zur Tür. „Begehe nicht den Fehler, deinen Feind zu lieben. Es würde euch beide zerstören.“
 

Er ließ ihn wieder allein. Allein... mit seinen Gedanken.
 

Draco war kein Dummkopf. Auch, wenn er sich manchmal so verhalten konnte und niemals mit Harrys oder Hermiones Intelligenz mithalten konnte, war er in der Lage, zu denken. Er wusste, dass sein Großvater Recht hatte. Er hatte es von Anfang an gewusst. Es zu verdrängen, war jedoch äußerst einfach gewesen. Doch nun war es an der Zeit, eine Entscheidung zu treffen. Jetzt, bevor alles zu spät war.

Wie in Trance ging er zu seinem Schreibtisch und holte sein Schreibzeug hervor. Es war das Beste für sie alle. Für seine Familie, für sich selbst und auch für Hermione.

Vielleicht würde sie wütend sein. Vielleicht würde sie weinen. Vielleicht würde sie versuchen, sich umzubringen. Aber irgendwann würde sie über ihn hinwegkommen und mit einem anderen glücklich werden.
 

Oder sie würde sterben. Denn wer würde sie vor Weasley beschützen, wenn er...?
 

Langsam tauchte er seine Feder in das Tintenfass, ehe er sie auf das einzelne Blatt Pergament führte.

Vielleicht würde er sie damit töten. Aber wenigstens würde er so wissen, wem er dafür die Schuld geben musste.
 

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Es war weit nach Mitternacht geworden. Das ganze Schloss war erfüllt von tiefer Stille und auch die Kerze im Krankenflügel neigten sich bald ihrem Ende zu. Madam Pomfrey hatte sich bereits vor Stunden schlafen gelegt und Harry hätte schon längst zurück in seinem Gemeinschaftsraum sein müssen, doch er war bei Draco, seinem Bruder, geblieben, um sich seine Geschichte anzuhören.
 

Er musste zugeben, dass sie ihn zutiefst erschütterte.
 

Nicht, wegen dem, was geschehen war – das war wieder etwas anderes, was nach gründlicher Analyse verlangte – sondern wegen seiner eigenen Ignoranz. Wie hatte er nicht bemerken können, wie lange Hermione sich bereits von Weasley quälen ließ?

Und warum hatte er nie bemerkt, was zwischen ihr und Draco vor sich ging?
 

Natürlich hatte er es in den letzten Monaten geahnt, aber er hatte sich jedes Mal aufs Neue vom Gegenteil überzeugen lassen. Immerhin war es tatsächlich etwas, dass es nicht geben dürfte. Draco und Hermione... das ging nicht. Es war unmöglich. Diese Beziehung war nun einmal zum Scheitern verurteilt.

Draco liebte seinen Vater, seine Familie und seinen gesellschaftlichen Rang zu sehr, um sich das alles von einer Muggelgeborenen kaputt machen zu lassen. Für ein paar kurze Momente war er zwar in einer Traumwelt verschwunden, aber Abraxas hatte ihn daraus – glücklicherweise rechtzeitig – wieder aufgeweckt.
 

Seine Freundin dagegen war stets darauf bedacht, irgendwie innerhalb der Gesellschaft aufzusteigen. Natürlich war ein Malfoy dafür eine außerordentlich gute Partie. Nicht, dass er ihr vorwerfen würde, dass sie sich nur deshalb auf ihn eingelassen hatte. Harry hatte sie in den letzten Monaten gesehen. Sie war fix und fertig gewesen. Sie musste seinen Bruder tatsächlich lieben. //Beinahe beneidenswert.//

Doch davon einmal abgesehen, war sie Nevilles beste Freundin und folgte Dumbledore genauso blind, wie der sogenannte Auserwählte. Würde es hart auf hart kommen, würde sie auf der anderen Seite dieses Krieges kämpfen und Abraxas hatte Recht: Es gab keinen größeren Fehler, als sich in einer solchen Auseinandersetzung in den Feind zu verlieben.

Selbstverständlich bestand immer noch die Möglichkeit, dass einer von ihnen die Seiten wechselte, aber so wie er die beiden kannte, war das äußerst unwahrscheinlich. Sie waren zu stur und dickköpfig, um sich vom Gegenteil überzeugen zu lassen.
 

Der einzige Grund, warum sie sich ineinander verliebt hatten, war wahrscheinlich derselbe, warum sich so viele Krankenschwestern in ihre Patienten verliebten: Draco hatte sie gerettet und „gesund gepflegt“. Er hatte ihr Sicherheit gegeben und sie beschützt. Da war es logisch, dass sie mit der Zeit eine tiefe, emotionale Bindung füreinander entwickelten. Harry konnte die beiden verstehen. Ehrlich gesagt, hätte er ihnen sogar gerne ein Happy End gegönnt, aber... es konnte nicht sein. Es ging nicht.

Letztendlich war es gut, dass Draco sich bereits von ihr getrennt hatte.
 

„Sie ist ziemlich hartnäckig gewesen“, sprach er plötzlich weiter. Er hatte nach der Geschichte mit Abraxas eine längere Pause eingelegt, sodass Harry fast geglaubt hätte, er wäre am Ende angekommen. Offenbar hatte er sich geirrt. „Hat mir die ganze Nacht hindurch Briefe geschrieben, in denen sie eine Erklärung verlangt hat. Sie hat mich angefleht, Harry. Ich konnte sie die ganze Zeit vor mir sehen. Sie muss furchtbar aufgeregt gewesen sein, wahrscheinlich hat sie geweint. Du glaubst nicht, wie weh es tat, zu wissen, dass ich daran Schuld war, dass ich immer noch daran Schuld bin. Aber letztendlich habe ich ihr einen noch einen Brief geschrieben. Es muss der gewesen sein, der sie dazu brachte, zu dir zu rennen. Damit habe ich ihr das Herz gebrochen und ich werde es nie wieder gut machen können.“ Er sah zu ihm hinüber und fragte: „Und? Was denkst du?“
 

Das war eine gute Frage. Eine sehr gute.

„Ich...“, begann er langsam, musste sich jedoch räuspern, da seine Kehle trocken von dem langen Schweigen war. „Ich denke, dass du die richtige Entscheidung getroffen hast.“

Dracos Augen weiteten sich. „Die richtige Entscheidung? Ich habe eine von deinen Freunden auf die unverzeihlichste Art und Weise verletzt! Ich habe mich wie ein Idiot verhalten! Ich... wie kannst du wirklich sagen, dass es die richtige Entscheidung war?“

„Du liebst Hermione“, sagte Harry sanft. „Aber Liebe ist nicht alles. Sie wird nicht die letzte sein, in die du dich verliebst und ganz unter uns war sie eine der schlimmsten Wahlen, die du hättest treffen können. Es ist euch nicht bestimmt, gemeinsam glücklich zu werden. Ihr hattet ein paar wundervolle Monate, die ihr in Ehren halten solltet, aber nun ist es gut. Ihr müsst in eurer altes Leben zurück kehren.“
 

„Aber...“

„Kein aber!“, rief Harry und sah ihn scharf an. „Du hast deine Entscheidung getroffen. Du hast dich gegen sie entschieden. Deine Familie, deine Ehre, deine Überzeugungen waren dir wichtiger! Nun musst du sie in Frieden lassen.“ Er sah den Kampf in Dracos Gesicht, weshalb er etwas freundlicher fortfuhr: „Du glaubst, du hättest es für sie getan, damit sie keinen Schaden nimmt und sich nicht gegen ihre Freunde entscheiden muss. Ich kann das gut verstehen.“ //Sehr gut sogar.// „Dennoch weißt du, dass du es im Endeffekt für dich getan hast.“

Er lehnte sich in dem Stuhl zurück, auf dem er saß und musterte das blasse Gesicht seines Bruders. „Was ich nicht verstehe, ist Hermione. Warum hat sie eine Beziehung mit ihrem Peiniger begonnen? Sie wird es kaum getan haben, um dich zu ärgern.“

„Ich weiß es auch nicht“, murmelte Draco und legte sich auf den Rücken. Seinen Blick richtete er an die Decke, während er über diese Angelegenheit nachzudenken schien. „Sie hat Angst vor ihm. Panische Angst. Wenn er nur in der Nähe war, wollte sie die Flucht ergreifen. Sie würde sich niemals freiwillig auf ihn einlassen.“
 

Harry runzelte die Stirn. „Du meinst also, es steckt mehr dahinter?“

„Ich weiß es nicht“, flüsterte er. „Wirst du Nachforschungen anstellen?“

„Worauf du dich verlassen kannst. Auch, wenn ich sie niemals zu den wichtigsten Menschen in meinem Leben zählen werde, ist sie meine Freundin. Ich werde nicht tatenlos dabei zusehen, wie irgendjemand sie so zurichtet.“ Er schwieg für einen Augenblick, ehe er fortfuhr: „Außerdem wird mir Ronald Weasley immer suspekter. Seit wann hat er den Mumm, jemanden zu quälen? Und wie hat er es geschafft, dich gestern in diesem Duell fertig zu machen? Er war nie in der Lage, auch nur einen einfachen Schockzauber auf die Reihe zu kriegen.“

„Das stimmt allerdings“, bestätigte Draco, weiterhin an die Decke blickend. „Warum hast du Dumbledore, Snape und McGonagall eigentlich angelogen? Es gab für dich keinen Grund, ihnen nicht zu sagen, dass Weasley Lupin lahmgelegt und mich anschließend zu einem Duell provoziert hat.“
 

„Du hast Recht“, sinnierte er. „Ich hätte es ihnen einfach sagen können. Warum ich es nicht getan habe, ist allerdings ziemlich einfach. Ich war zu verwirrt. Zu neugierig.“ Er schenkte ihm ein schiefes Grinsen. „Das ist meine Slytherinseite, Draco. Ronald Weasley ist viel zu interessant geworden, als dass ich zulassen könnte, dass er plötzlich der Schule verwiesen wird. Und das würde er, sobald herauskäme, was hier vor sich geht.“ Beiläufig hob er seine Hand und betrachtete offenbar fasziniert seine Fingernägel. „Zwar tut es mir für Hermione Leid, aber solange sie mich nicht um Hilfe bittet, werde ich mich darauf beschränken, das ganze zu beobachten. Ich will wissen, was hier vor sich geht und ich werde erst handeln, sobald meine Neugier befriedigt ist.“
 

Draco schüttelte mit dem Kopf. „Wer hätte geglaubt, dass ausgerechnet diese Worte jemals aus deinem Mund kommen würden? Bist du nicht eigentlich der soziale, hilfsbereite, vorbildliche Musterschüler?“

„Wenn es nach Dumbledore ginge bestimmt. Aber habe ich jemals auf ihn gehört?“ Mit einer fließenden Bewegung erhob er sich. „Schlaf jetzt, Draco. Du musst dich ausruhen und wieder gesund werden. Ich habe keine Lust, Montag in Verteidigung ohne dich dazusitzen.“

„Pass auf, dass dich niemand auf deinem Weg durch das Schloss erwischt“, ermahnte sein Bruder ihn. „Zwar lassen die meisten Lehrer dir alles durchgehen, aber letztendlich kann man nie wissen.“

„Sei unbesorgt, Bruderherz“, meinte Harry heiter. „Ich kenne ein paar gute Schleichwege.“
 

Eilig schlüpfte er aus dem Krankenflügel und machte sich auf den Weg zum Ravenclawturm. Sein Weg verlief relativ ungestört – er musste nur kurz Peeves und einem betrunkenen Rubeus Hagrid ausweichen – und kurz darauf schlüpfte er bereits in sein Bett.

Erst, als er kurz davor war, einzuschlafen, fiel ihm auf, dass er vergessen hatte, Draco die wichtigste Frage zu stellen: Warum hatte er Hermione eigentlich damals gerettet?

Nun, er würde ihn einfach morgen fragen, wenn er ihn wieder besuchen würde. Jetzt wollte er einfach nur schlafen und sich von zwei roten Augen durch seine Träume begleiten lassen.
 

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Einen herzlichen Glückwunsch an alle, die herausgefunden haben, dass Draco Hermiones „Vollidiot“ ist!! *jedem einen Schokohasen in die Hand drückt * Was soll ich machen, ich liebe dieses Pairing fast genauso sehr wie Harry/Tom (die Betonung liegt auf dem „fast“).
 

Und das war es auch schon wieder bis – haltet euch fest – Mitte bis Ende Mai.

Da ich noch mein Matheabi sowie meine ganzen mündlichen Prüfungen vor mir habe, sehe ich mich gezwungen, diese FF solange auszusetzen. Was gut passt, da wir jetzt langsam am Ende des „Vollidiot“-Abschnittes ankommen und es danach fließend mit meinem nächsten Bereich weitergeht: dem Harry/Tom-Abschnitt, wie ich ihn getauft habe.

Freut euch also schon mal auf ein paar Interaktionen zwischen den beiden sowie einige Wiedersehen mit anderen, vielleicht sogar unerwarteten Charakteren. *g*
 

Bis dahin wünsche ich euch allen einen schönen Frühling!

Liebe Grüße, Ayako

Smiling

Hallo, ihr Lieben!

Endlich sind meine Prüfungen überstanden und jetzt warte ich nur noch auf die Ergebnisse. Na, dann bin ich mal gespannt.

Jedenfalls geht es jetzt auch wieder mit Time Changend Everything weiter. Ich habe in den letzten Wochen bereits vorgearbeitet und ein paar weitere Kapitel fertig gestellt, die nur noch von meiner Beta abgesegnet werden müssen, das heißt, dass es wahrscheinlich wieder regelmäßig Updates geben wird. Oder vielleicht unregelmäßig, aber dafür manchmal schneller? Ihr könnt mir gerne eure Meinung mitteilen. ;)

Deshalb möchte ich jetzt noch meiner Beta für die Korrektur danken, sowie allen Kommischreibern und sonstigen Lesern. Ich danke euch, dass ihr mir weiterhin treu bleibt. *verbeug*

Liebe Grüße, Ayako
 

P.s.: Das ist nun endgültig das letzte Kapitel des „Vollidioten“-Abschnitt, genaugenommen ist es ein wunderbares Übergangskapitel zum nächsten Schwerpunkt. ;)

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Smiling
 

Der Tag nach dem großen Duell zwischen Draco und Ronald war ein Hogsmeadetag, weshalb Hogwarts relativ verlassen war und Harry eine gute Gelegenheit hatte, ein ernstes Wort mit Hermione zu wechseln. Auch, wenn er seinem Bruder erzählt hatte, dass er die ganze Angelegenheit zunächst auf sich beruhen lassen würde, hatte er beschlossen, sie dennoch zur Rede zu stellen. Vielleicht war es ihr zu peinlich oder sie war zu verängstigt, als dass sie von sich aus nach Hilfe rufen würde. Also erst einmal einen Ansprechversuch starten und sehen, wie sie darauf reagieren würde.
 

Nach etwas längerem Suchen fand er sie auf dem Astronomieturm, wo sie direkt am Rand stand und so wirkte, als würde sie darüber nachsinnen, ob sie springen sollte oder nicht. Da sie ihn nicht zu bemerken schien, räusperte er sich leise, woraufhin sie erschrocken zusammenzuckte und sich umdrehte. Kurz sah er etwas wie Panik in ihren Augen aufflimmern, doch sobald sie ihn erkannte, entspannten sich ihre Gesichtszüge und sie lächelte leicht. „Harry, hast du mich erschreckt.“

//Ja, weil du jemand anderes erwartet hast.//

Trotz dieser Gedanken lächelte er. „Tut mir Leid. Du warst so in der Betrachtung der Ländereien vertieft gewesen, dass du mich nicht bemerkt haben musst.“

„Ja, genau“, nahm sie seine Entschuldigung dankbar an und trat einen Schritt vom Abgrund weg. Innerlich beruhigte es ihn. Als er sie so hatte stehen sehen, hatte er sich tatsächlich für einen Moment Sorgen gemacht.
 

„Bist du gar nicht in Hogsmeade?“, erkundigte sie sich und versuchte, so unbekümmert wie möglich zu wirken. „Soweit ich weiß, wollte Neville doch mit dir in die Drei Besen?“

„Wir wollten mit dir dorthin, um genau zu sein“, erinnerte er sie.

Für einen Moment sah sie ihn schweigend an, ehe sie „Oh“ machte.

Seufzend ging Harry ein paar Schritte auf sie zu, bevor er sich vor ihr hinsetzte. Nach ein paar Sekunden des Zögerns, tat sie es ihm gleich.

„Ich habe mit Draco gesprochen“, klärte er sie auf. Im Zweifelsfall war es immer besser, nicht um den heißen Brei drumherum zu reden. „Er hat mir alles erzählt.“

Er sah förmlich, wie alles in ihr vor Schreck erstarrte. „Was?“, hauchte sie beinahe tonlos.
 

„Er hat mir von Ronald erzählt und dass er dich vor ihm beschützt hat“, sagte er langsam und beobachtete jede ihrer Regungen. Da sie noch blasser als gewöhnlich geworden war, beschloss er, die ganze Sache mit ihrer Liebesaffäre erst einmal außen vor zu lassen. „Warum lässt du das mit dir machen? Du bist eine starke, selbstständige, selbstbewusste Persönlichkeit. Wie kannst du dich also so von ihm quälen lassen?“

„Ich habe keine Ahnung, wovon du redest“, sagte sie abweisend. So leicht würde sie ihn jedoch nicht loswerden.

„Doch, das tust du. Du weißt ganz genau, was Ronald Weasley dir jeden Tag aufs Neue antut. Warum sagst du niemandem etwas? Ein Wort zu Dumbledore und er fliegt von der Schule. Seine Laufbahn wäre für immer erledigt. Keine Schule – nicht einmal Durmstrang – würde jemanden wie ihn aufnehmen und die Weasleys haben kein Geld für einen Privatlehrer. Oder willst du mir etwa erzählen, dass du keine Rache willst und nichts sagst, damit du ihm nicht das Leben ruinierst?“
 

„Na schön“, sagte sie aufgebracht und rückte etwas von ihm weg. Noch blieb sie jedoch sitzen, was er als ein gutes Zeichen sah. „Du hast Recht, Ronald Weasley...“, sie konnte es scheinbar nicht aussprechen, da sie kurz innehielt und tief durchatmete. „Warum ich nichts dagegen tue, ist meine Sache. Es wäre mir lieber, wenn du dich da nicht einmischst.“

„Nicht einmischst?“, wiederholte er spöttisch. „Du willst also, dass ich einfach danebenstehe und dabei zusehe, wie er dich langsam aber sicher umbringt?“

„Richtig!“, rief sie und stand nun doch auf. „Er ist mein Freund, Harry. Mein Freund! Auch, wenn er sich manchmal wie ein Arschloch verhält, kann er sehr liebenswert sein. Ich will nicht, dass du sein Leben zerstörtst, nur weil er...“

„...dein Leben zerstört?“, schlug Harry vor. „Tut mir Leid, aber deine Logik übersteigt meine Intelligenz.“
 

„Damit wirst du wohl leben müssen“, entgegnete sie kühl und machte sich auf dem Weg zur Treppe, die wieder hinunter zum Schluss führte. „Wenn dir auch nur etwas an unserer Freundschaft liegt, wirst du deinen Mund halten und nichts tun, Harry James Potter. Ansonsten bin ich fertig mit dir.“

Mit dieser zugegebenermaßen beeindruckenden Drohung verschwand sie.

Harry blieb währenddessen noch etwas sitzen und runzelte die Stirn.

Das war... merkwürdig gewesen. Verhielt sich so wirklich ein Opfer? //Wenn es etwas verheimlichen will, ja.// Aber was wollte sie denn noch verheimlichen? Er wusste bereits von ihren Misshandlungen und wer der Täter war. Sie musste vor ihm nichts mehr geheim halten, da es ohnehin keinen Sinn hatte. Lag ihr am Ende etwa doch etwas an Weasley?

Nein, diese Theorie war auszuschließen. Hermione war keine Masochistin. Sie würde niemals jemanden lieben, der sie so sehr verletzte. Was war es also, dass sie dazu brachte, ihn zu verteidigen?

Und... sollte er sich wirklich nicht einmischen?
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

„Ich würde sagen, dass das eine schwere Entscheidung ist“, sagte James langsam und reichte Harry das Salz. „Normalerweise würde ich sofort an deiner Stelle zum nächsten Lehrer rennen und ihr damit helfen, aber sie wird, wie du sagst, sicher einen Grund haben, wenn sie nicht will, dass du es weitererzählst.“

„Das ist auch mein Gedanke“, meinte Harry seufzend und begann damit, die Reispfanne zu würzen, die er gerade zubereitete. „Aber das hilft mir leider nicht weiter.“
 

Er war in der Küche der Potters. Dumbledore war sofort Feuer und Flamme gewesen, als er ihn – in Beisein der Professoren Snape und McGonagall – darum gebeten hatte, für den restlichen Abend seine leiblichen Eltern zu besuchen. Natürlich hatte er Severus dadurch misstrauisch gemacht und der dunkle Lord war hundertprozentig bereits über die ganze Angelegenheit informiert, aber er beschloss, sich nicht weiter darum zu kümmern. Er hatte jemanden gebraucht, mit dem er über alles sprechen konnte, ohne dass diese Person sofort eins und eins zusammenzählte.

Severus, den er normalerweise um Rat gebeten hätte, würde die ganze Sache innerhalb weniger Sekunden durchschauen. Von Felice – seine nächste Option – erwartete er in nächster Zeit keine schnellen Antworten mehr und Lucius, sowie Narcissa würden unter Umständen die ganze Geschichte zwischen Hermione und Draco aus ihm herauskitzeln. Aus diesem Grund hatte er mit dem kleinsten Übel Vorlieb nehmen müssen.
 

James war mehr als euphorisch gewesen, als er vor etwa zwei Stunden angekommen war und Harry spürte, dass er sich ungemein darüber freute, dass sein Sohn gerade mit ihm über so ein ernstes Thema sprach. Er konnte nur hoffen, dass der Mann sich nicht zu viel darauf einbildete. Es war nicht so, dass er ihn nicht mochte. James war sein Dad – und Narcissa seine Mutter. Die beiden verstanden ihn besser, als Lily und Lucius zusammen. Im Gegensatz zu seiner Frau hielt er stets den Mund und beobachtete erst, bevor er sich einmischte. Er dachte nach. Und er wusste, dass er nicht das Recht hatte, irgendwelche Forderungen zu stellen oder sich zu wünschen, dass sie wieder eine heile, glückliche Familien würden. James war genau die Art von Bezugsperson, die er brauchte und auf eine ähnliche Art und Weise bereits in Severus gefunden hatte.

Allerdings änderte auch dieses Wissen nicht, dass die Jahre fehlten, in denen sie wirklich zu Vater und Sohn hätten werden können und sie würden es auch nie wieder sein. Es war zu spät.
 

Damit sein Vater nicht sofort zu Dumbledore rannte, sobald er von der ganzen Geschichte erfuhr, hatte Harry alle Beteiligten zu anonymen Beauxbatonschülern gemacht, die ihn um Rat gebeten hatten. Nicht, dass der Mann ihm diese Geschichte abkaufte, aber er stellte sein Handeln dennoch nicht in Frage. Ein weiterer Grund dafür, warum er gerade mit ihm darüber sprach. Severus, Remus, die Malfoys, selbst Lily hätten früher oder später nachgehakt und die Wahrheit wissen wollen. Die Frage war nur, weshalb James ihm vertraute? Weil er sein Sohn war? Weil er glaubte, zur Einmischung nicht befugt zu sein? Oder weil er ein Tempus Amicus war?

Harry beschloss, sich jetzt nicht weiter damit auseinanderzusetzen.
 

„Warum bist du eigentlich Zuhause?“, fragte er deshalb, um das Thema zu wechseln. „Soweit ich weiß, ist im Ministerium auch am Wochenende nur selten Freizeit geboten. Und wo steckt Lily?“ Er konnte sie einfach nicht „Mutter“, „Mom“ oder so etwas in der Art nennen.

„Heute ist mein freier Tag, du hast also ein gutes Timing erwischt“, sagte James lächelnd. „Außerdem bin ich erst seit ein paar Monaten bei den hiesigen Auroren, weshalb meine Wochenenden noch frei sind. Die mit dem niedrigsten und die mit dem höchsten Rang haben immer die wenigste Arbeit. Zumindest in diesem Beruf. Was deine Mutter angeht, so ist sie noch arbeiten.“

„Sie hat eine Arbeit gefunden?“, hakte Harry überrascht nach. „Ist sie auch eine Aurorin?“

„Nein, nein“, meinte er abwehrend. „Sie hat in der Apotheke in der Winkelgasse eine Festanstellung bekommen. Wie du weißt, ist sie eine brillante Zaubertrankbrauerin. Soweit ich weiß, hat nur Severus Snape sie bisher übertroffen.“
 

Harry nickte langsam und vollendete mit einer letzten Brise Pfeffer das Abendessen. Sein Vater betrachtete dieses gebannt. „Das sieht einfach köstlich aus! Lily wird sich freuen, wenn sie wiederkommt.“ Plötzlich schüttelte er lachend mit dem Kopf und klopfte ihm auf die Schulter. „Ich hätte nie gedacht, dass man im Hause Malfoy kochen lernt.“

„Man kann dort alles lernen, was man will“, klärte er ihn auf. „Bildung geht dort über alles. Außerdem freuen sich die Hauselfen, wenn ich ihnen dabei helfe, ihre Speisen zu verbessern.“

Der Ältere nickte langsam und begann damit, den Tisch zu decken.
 

Ein paar Minuten später war ein Appariergeräusch aus dem Flur zu hören. Offenbar war Lily angekommen.

„Das riecht aber gut!“, rief sie und kam in die Küche. „Was gibt es d...?“ Sie verstummte, als sie ihren Sohn erkannte und starrte ihn an, als wäre er eine Erscheinung. „Harry“, hauchte sie verblüfft. Offensichtlich konnte sie nicht glauben, was sie sah. Es war ja auch verständlich. Nachdem er bei ihrem letzten Zusammentreffen kurz die Beherrschung verloren hatte, hatte wahrscheinlich nicht einmal Remus mehr daran geglaubt, dass er sich ihnen jemals wieder freiwillig nähern würde. Nun, seine Eltern würden sich wie alle anderen daran gewöhnen müssen, dass er immer für eine Überraschung gut war.
 

Etwa eine halbe Stunde später saßen sie alle am Küchentisch und aßen von der Reispfanne. Es war... seltsam. Bisher war immer mindestens eine andere Person dabei gewesen, wenn er mit seinen Eltern gegessen oder gesprochen hatte. Heute waren sie das erste Mal tatsächlich allein. Oder zumindest das erste Mal seit ihrem erneuten Auftauchen.

Es war wirklich mehr als seltsam, wobei Harry nicht sagen könnte, warum.
 

„Wie lange bleibst du?“, fragte Lily sanft und betrachtete ihren Sohn liebevoll. Sie schien nicht in der Lage zu sein, sich von ihm abzuwenden.

„Nur bis nach dem Abendessen“, entgegnete er zögernd und sah dabei zu, wie sie eine Gabel voller Reis zu ihrem Mund führte. „Dumbledore besteht darauf, dass ich in Hogwarts übernachte. Außerdem muss ich noch einen Aufsatz für Remus beenden.“

Sie nickte verstehend und schluckte den Bissen hinunter, den sie gerade zerkaut hatte. „Warum bist du eigentlich hier? Natürlich freue ich mich, dich zu sehen“, das tat sie – ihre Begeisterung war nicht zu übersehen und um ehrlich zu sein, war sie beinahe unheimlich, „aber es kommt überraschend.“ Ein Ausdruck der Besorgnis erschien auf ihrem Gesicht. „Ist etwas geschehen? Brauchst du Hilfe?“
 

//Dann würde ich nicht zu dir kommen.// „Nein, ich wollte nur ein Vater-Sohn-Gespräch führen“, sagte er laut und wandte sich wieder seinem Vater zu, der die Interaktion wie üblich gelassen und aufmerksam observierte. Kurz spielte er mit dem Gedanken, ihn endlich über Animagi auszufragen, doch er spürte, dass das nicht der richtige Augenblick war. „Wo ist eigentlich Sirius?“

„Er ist zu Regulus zurückgekehrt. Er ist besser bei Menschen aufgehoben, die ihn verstehen können.“
 

Da hatte er allerdings Recht. Harry wollte sich gar nicht vorstellen, wie es war, als Mensch in den Körper eines Tieres gesperrt zu sein und mit niemanden kommunizieren zu können. In diesem Fall wirkten Empathen wahrscheinlich wie Engel.

„Wie geht es Regulus?“, fragte er.

„Das ist schwer zu sagen“, entgegnete James nachdenklich. „Er hatte es zumindest ziemlich eilig und hat kaum ein Wort mit uns gesprochen. Er wirkte auch etwas blass. Ehrlich gesagt, war das etwas besorgniserregend.“

Er hatte es eilig? Hatte kaum ein Wort gesprochen? Wirkte blass? Wenn man dann auch noch die Tatsache dazu zählte, dass Felice seit Monaten keinen Brief mehr....

Auch nur daran zu denken, was das alles bedeuten konnte, bereitete ihm Übelkeit. Langsam legte er sein Besteck zur Seite und lächelte schwach. „Es ist schon spät. Ich werde jetzt besser nach Hogwarts zurückkehren.“

Lily wurde sofort zur personifizierten Enttäuschung, doch James zeigte wie jedes Mal seine einzigartige Gabe, seinen Sohn verstehen zu können: „Komm jederzeit wieder. Und vergiss nicht, Remus zu grüßen. Man sieht es ihm nicht an, doch er kann sich schnell beleidigt fühlen.“

„Ich werde daran denken“, versprach er und erhob sich. „Bis bald.“
 

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Da es inzwischen jeder wissen dürfte, beschloss Harry, nicht noch einmal zu erwähnen, wie sehr er Flohpulver hasste! Wer hatte dieses Zeug eigentlich erfunden? Diese Person musste noch wahnsinniger gewesen sein, als derjenige, der den Aberglauben der Muggel zu Herzen genommen und den ersten, fliegenden Besen entwickelt hatte.

Stöhnend rappelte er sich auf und klopfte die Asche von seiner Schuluniform. Erst danach blickte er auf.
 

Er befand sich in Remus' Büro. Es war wie immer ordentlich und in einer Ecke stand ein Käfig mit einer neuen Kreatur, die er wahrscheinlich den jüngeren Schülern vorsetzen würde. Der Werwolf selbst lag mit dem Oberkörper auf seinem Schreibtisch und schien zu schlafen. Harry betrachtete ihn einen Augenblick lang blinzelnd, ehe er mit den Schultern zuckte und das Büro verlassen wollte. Bevor er jedoch überhaupt die Chance dazu bekam, wurde ihm eine Hand auf den Mund gelegt, die den Schrei dämpfte, den er unwillkürlich ausstieß.

„Pscht!“, flüsterte ihm eine männliche, eine bekannte Stimme ins Ohr. „Weck ihn nicht auf!“

Die Hand löste sich wieder von seinem Mund und er drehte sich eilig um. „Was machst du denn hier?“, fragte er mehr als verdutzt. „Ist das nicht gefährlich? Dumbledore...“

„...ist nicht so gut, wie in seinen jungen Tagen, Harrylein“, erwiderte Fenrir Greyback mit einem wölfischen Grinsen. „Außerdem hat nicht einmal er ein Recht darauf, mich von einem meiner Welpen fernzuhalten.“
 

„Ach ja, diese seltsamen Gesetzmäßigkeiten der Werwölfe. Ich gebe zu, dass ich mich nie mit ihnen beschäftigt habe.“

„Du wirst es wahrscheinlich auch niemals tun müssen“, meinte der Ältere schulterzuckend. „Wir Werwölfe ehren und respektieren den dunklen Lord und er hat einen Narren an dir gefressen. Wir werden niemandem schaden, der ihn so positiv beeinflussen kann.“

Harry hob eine Augenbraue. Positiv beeinflussen?

„Apropos“, fuhr er fort und musterte den Jungen forschend. „Was hast du eigentlich mit ihm gemacht, als ihr euch das letzte Mal getroffen habt?“

„Wie meinen?“

„Nun, seitdem durchforstet er alle möglichen Gärten dieser Welt und informiert sich über Blumen, ihre Symbolik und ihre Bedeutungen. Er hatte zwar schon immer ein paar seltsame Anwandlungen, aber das übersteigt alles. Sag mir nicht, dass er einen Sinn für Romantik entwickelt hat.“

Harry spürte, wie er rot wurde. „Er tut... was?“

„Er entwickelt also tatsächlich einen Sinn für Romantik?“, fragte Fenrir erstaunt. „Wow, du bist ein besserer Einfluss, als ich dachte.“
 

Er ging langsam zu Remus hinüber und stellte sich neben seinen Stuhl. „Ich gebe zu, dass es mir anfangs seltsam vorkam“, meinte er und fuhr beinahe abwesend durch das Haar seines „Welpen“. „Du bist viel zu jung und bisher kam er mir nicht pädophil vor. Aber andererseits bist du schon immer viel älter als alle anderen Kinder und sogar als manche Erwachsene gewesen. Von daher kann ich verstehen, warum er von dir so angetan ist.“
 

Harry starrte ihn ruhig an, während sein Inneres rumorte. Er hasste sich dafür, dass es ihn so sehr beeinflusste, wenn er andere über seine... Beziehung... zum dunklen Lord sprechen hörte. Wahrscheinlich würde er sich niemals daran gewöhnen. Plötzlich begriff sein Gehirn, was genau Fenrir gesagt hatte. Der dunkle Lord. Pädophil. Es stimmte, Harry war minderjährig (auch, wenn er sich nicht so fühlte). Das machte ihn wohl wirklich zu einem Pädophilen, oder?

//Hast du ihn schon einmal hinter anderen Jugendlichen oder Kindern hinterher starren sehen?//, fragte sein Verstand. Hatte er ihn überhaupt schon einmal hinter irgendjemanden außer ihm selbst her starren sehen?

//Du bist der einzige, der ihn interessiert. Da spielt es keine Rolle, ob du zehn oder hundert bist. Wäre er doch nur nicht der dunkle Lord...//

...dann wäre alles einfacher und er würde nicht...

Nein, schlechtes Thema! Ganz, ganz schlecht! Lieber etwas anderes denken!
 

Er sah wieder zu den beiden Werwölfen hinüber und als er Fenrirs Blick sah, mit dem er den Anderen betrachtete, spürte Harry Mitleid in sich aufsteigen. „Er hasst dich immer noch dafür, dass du ihn damals verwandelt hast, oder?“

Der Werwolf sah zu ihm hinüber und lächelte. Es war ein trauriges Lächeln. Eines von der Sorte, das niemand jemals tragen sollte, da es von Resignation und Hoffnungslosigkeit sprach.
 

Es war dasselbe Lächeln, das auch Draco ihm geschenkt hatte, als sie von Hermione sprachen.
 

„Er“, sagte Fenrir leise, während er mit seiner Hand weiter durch Remus' Haare fuhr, „wird mir nie vergeben.“

Harry senkte seinen Blick und nickte.
 

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Severus wartete vor dem Eingang zum Ravenclawgemeinschaftsraum auf ihn. Er hatte sich direkt daneben an die Wand gelehnt und stand mit verschränkten Armen dar, wobei er jedem, der vorbeikam, einen finsteren Blick zuwarf. Für einen Moment dachte Harry ernsthaft darüber nach, umzudrehen und zu verschwinden, doch da fingen ihn bereits die beiden dunklen Augen ein und das Gesichts des Zaubertrankmeisters verdunkelte sich. Unwillkürlich trat der Schüler einen Schritt zurück. Ohoh. Das bedeutete nichts gutes.

„In mein Büro, Potter“, zischte der Mann und setzte sich in Bewegung. „Sofort.“

Nach kurzem Zögern folgte er ihm langsam. Es war besser, ihn in diesem Zustand nicht zu reizen.
 

„Was bei Merlins violettem Badeanzug hast du dir nur gedacht?“, fragte Severus, sobald sich seine Bürotür hinter ihnen geschlossen hatte. „Warum hast du Dumbledore darum gebeten, zu Lily und James zu gehen? Willst du dich umbringen?“

„Sev...“

„Der dunkle Lord hat momentan seine schützende Hand über dir! Er schätzt dich und er will dich auf seiner Seite haben! Du kannst froh sein, dass du unbeschadet Weihnachten bei ihnen verbracht hast, aber jetzt?“

„Sev...“

„Was denkst du dir eigentlich dabei? Hast du deinen Verstand verloren? Die beiden sind doch an dir überhaupt nicht interessiert! Wahrscheinlich arbeiten sie nur für Dumbledore, um dich auf ihre Seite zu bekommen, weil du ein Tempus Amicus bist!“

//Als ob es bei dir und dem dunklen Lord anders wäre.// „Severus...“

„Hast du eigentlich auch nur für einen Moment daran gedacht, was für Sorgen ich mir gemacht habe, als...“

„Professor Snape!“, schrie er nun beinahe und brachte seinen Lehrer dazu, ihn mit offenen Mund anzustarren. Wenigstens sagte er nichts mehr. Gut so.
 

„Ich habe ein Gespräch mit meinem Vater gebraucht“, erklärte er und betonte extra das vorletzte Wort, damit es ihm nicht entging. „Ich musste mit ihm reden, verstehst du?“

„Du hättest auch zu mir kommen können“, entgegnete der Mann sofort. „Ich...“

„Nein, das konnte ich nicht, Severus“, sagte Harry mit einem leicht gereizten Tonfall. Es war wichtig, dass der Mann es endlich begriff. „Ansonsten wäre ich nämlich zu dir gekommen. Aber ich brauchte nicht meinen Paten. Ich brauchte meinen Vater.“ Der Zaubertrankmeister zuckte unter diesen Worten förmlich zusammen. Sofort wurde Harrys Tonfall etwas sanfter. „Du bist mein Patenonkel und ich habe dich sehr gern. Ich vertraue dir mehr, als jeder anderen Person hier in Hogwarts. Du wirst immer einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben bleiben, aber egal, wie sehr du es dir auch wünschst, du kannst niemals mein Vater werden. Diese Rolle hat James inne.“
 

„Er hat dich im Stich gelassen“, konterte der Ältere sofort. „Er hat jahrelang nicht einmal an dich gedacht! Er hat dich nicht verdient!“

„Es ist dein Hass, der aus dir spricht!“, flüsterte Harry und sah ihn ernst an. „Würdest du ihn nicht so sehr verabscheuen, würdest du das niemals sagen.“

„James Potter ist ein egoistischer, arroganter, widerlicher Bastard!“, rief Severus aufgebracht und begann damit, durch sein Büro zu laufen. „Er hat nur an sich gedacht, als er dich zurückließ! Hat es sich wahrscheinlich nicht zugetraut, einen Tempus Amicus aufzuziehen, dieser Feigling!“

„Das stimmt nicht.“
 

Diese Worte wurden so leise ausgesprochen, dass sie selbst Harry fast nicht gehört hätte. Trotzdem drehte Severus sich zu seinem Schüler um, der den Blick gesenkt hatte und hob eine Augenbraue. „Wie bitte?“

„James wollte mich nie im Stich lassen.“ //Er hat mich nie Monster genannt.// Langsam hob er seinen Kopf wieder und spähte zu Severus hinüber, der ihn schweigend beobachtete. Ein leichtes Lächeln erschien auf seinem Gesicht, als er das aussprach, was er nie jemanden erzählt hatte: „Es war meine sogenannte Mutter, die mich hatte loswerden wollen.“
 

Sein Pate trat erschrocken einen Schritt zurück, als er das hörte, aber Harry war noch nicht fertig: „Sie konnte nicht damit fertig werden, ein solches Monster auf die Welt gebracht zu haben. Zwar hat sie versucht, ihre Angst und ihre Abscheu zu unterdrücken, aber ich konnte es immer sehen, jeden einzelnen Tag. Selbst heute ist es manchmal noch da, wobei ich zugeben muss, dass es sich sehr abgeschwächt hat. Mein Vater hätte mich niemals im Stich gelassen, aber er hat meine Mutter einfach zu sehr geliebt. Das ist der Grund, warum sie beide gingen und warum Narcissa zu meiner Mutter wurde. Also wirf James nie wieder vor, er sei egoistisch. Nicht, wenn du nicht einmal erkennen kannst, wer die Frau ist, die du liebst.“
 

Kurz war nur das Prasseln des Kaminfeuers zu hören, dann langsame Schritte, als Severus auf Harry zuging und schließlich vor ihm auf die Knie ging. Langsam griff er nach seinen Händen und senkte den Kopf. „Verzeih mir“, flüsterte er. „Ich habe es nicht gewusst.“

Harry drückte sanft seine Hände und schüttelte mit dem Kopf. „Steh wieder auf. Du bist mein Lehrer. Was sollte jemand denken, der plötzlich zur Tür hineinkäme?“

„Ich würde ihnen sagen, dass sie zur Hölle fahren sollen“, entgegnete sein Pate kühl, ohne sich auch nur um einen Millimeter von der Stelle zu rühren.

Harry lächelte, doch diesmal war es ein ehrliches, sanftes, beinahe glückliches Lächeln. „Du bist... so ein Sturkopf.“

Als Antwort gab der Andere ein leises Grollen von sich.
 

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Lieber Harry,
 

ich habe gehört, dein Bruder hätte sich mit Ronald Weasley duelliert. Hat das etwas mit Hermione zu tun, die in den Weihnachtsferien heulend zu dir gekommen ist?

Da fällt mir ein, hast du schon Pläne für Ostern? Ich glaube, dass es dieses Jahr für dich sehr erfreulich ausfallen wird, aber ich möchte noch nicht zu viel verraten.

Jedenfalls: Wage es nicht, auch nur ein Detail zu vergessen, wenn du mir davon berichtest. Ich werde alles wissen wollen!
 

Liebste Grüße,

Luna
 

P.s.: Nein, ich habe immer noch nichts von Felice gehört. Aber mach dir keine Sorgen. Du wirst es bald verstehen.

Did You Ever Regret It?

Hallo ihr Lieben!

Heute gibt es wieder ein neues Kapitel von Time Changed Everything. Ich persönlich mag es ganz gerne, aber ich habe das Gefühl, dass ihr es eventuell anders sehen werdet. Wie auch immer, ich möchte mich an dieser Stelle ganz besonders bei meiner Beta bedanken, sowie allen Kommischreibern und Lesern. Über 400 Kommis... Ihr seid wundervoll. <33

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Did You Ever Regret It?
 

Das erste Mal, dass Harry seinen Bruder wieder außerhalb des Krankenflügels zu Gesicht bekam, war in der nächsten Stunde Verteidigung gegen die dunklen Künste. Er saß bereits auf seinem üblichen Platz in der ersten Reihe, als er mit Neville hereinkam. Ein paar andere Slytherin hatten sich um ihn versammelt und plauderten mit ihm, während sie Ronald Weasley böse Blicke zuwarfen, der abwesend auf seinem eigenen Platz saß und auf einem Stück Pergament herum kritzelte.
 

„Es fällt mir schwer, das zuzugeben“, murmelte Neville. „Aber es tut gut, ihn wiederzusehen. Nach diesem Duell ist er wirklich in meiner Achtung gestiegen.“

Das aus dem Mund des Auserwählten zu hören, hatte einen gewissen Stellenwert. Immerhin hatte er nie einen Hehl aus seiner Abneigung gegenüber den Blonden gemacht. Aber offenbar folgte auch er der Lebensweisheit „Die Feinde meiner Feinde sind meine Freunde“.

//Wenn er doch nur die ganze Geschichte kennen würde...// Doch das tat er nicht und Harry würde sie ihm nicht erzählen. Er hatte kein Recht darauf, Dracos und Hermiones Geheimnisse auszuplaudern, auch wenn ihn das mit Weasley beunruhigte. Er konnte nur hoffen, dass es seine Freundin nicht eines Tages umbringen würde, dass sie sich jetzt dazu entschieden hatte, zu schweigen.
 

Die Slytherins verabschiedeten sich von Draco, als sie Harry näherkommen sahen und gingen zu ihren eigenen Tischen zurück, während der Potter sich auf seinem Platz niederließ. Aus den Augenwinkeln konnte er sehen, wie sein Bruder ihn anstarrte, doch er tat so, als würde er es nicht wahrnehmen.

Schließlich hielt er es nicht mehr aus und sagte: „Und?“

Harry drehte sich zu ihm um und hob eine Augenbraue. „Und was?“

„Kein Willkommensgruß?“, wurde der Slytherin also etwas präziser. „Keine Umarmung? Kein Ich freue mich, dass du wieder da bist, geliebter Bruder?

„Warum sollte ich irgendetwas davon tun?“, entgegnete der Schwarzhaarige. „Ich hatte dir immerhin gesagt, dass ich dich heute wieder neben mir sitzen sehen möchte. Auch wenn es mich etwas überrascht, dass du meiner Bitte gefolgt bist.“
 

Da in diesem Moment Remus den Raum betrat, konnte er ihm nicht mehr antworten, aber allein ein Blick auf sein Gesicht genügte, um zu erkennen, dass ihn diese Worte verärgert hatten.

Der Unterricht begann so, als hätte es die letzte Stunde nie gegeben und dafür war die Klasse dankbar. Sie hatten das Duell in den letzten Tagen so oft durchgekaut, dass es bald nicht mehr interessant war.
 

„Wir fangen heute mit einem neuen Thema an“, erklärte der Werwolf und drehte sich zur Tafel um, um es anzuschreiben. Harry seufzte und begann, gelangweilt etwas auf sein Pergament zu kritzeln. Erst als das Geräusch von Kreide auf der Tafel verschwand, fiel ihm auf, dass er selbst ein „T“ geschrieben hatte. Mit gerunzelter Stirn starrte er es an und hätte dabei fast die nächsten Worte seines Lehrers verpasst.

„Eigentlich ist das ein Thema, das man normalerweise niemals vor dem letzten Schuljahr anschneidet, doch der Schulleiter meinte, dass es wichtig wäre, ab sofort früher damit zu beginnen.“

Remus klang nicht sonderlich zufrieden damit und Harry musste ihm zustimmen. Wenn etwas an ihrem Schulsystem Sinn machte, dann der Lehrplan. Es gab keinen Grund, daran herumzubasteln. Eilig übermalte er das „T“ mit ein paar energischen Strichen.

„Aus diesem Grund beschäftigen wir uns diese Stunde mit einem der wohl seltensten Phänomene in unserer Welt: dem Tempus Amicus.“
 

Beinahe hätte er seine Feder fallen lassen, konnte sich aber in letzter Minute noch beherrschen. Das sollte doch wohl ein Witz sein, oder? Langsam blickte er auf und sah, dass tatsächlich diese beiden Worte an der Tafel standen. Außerdem hatte sich eine beinahe unheimliche Stille über die Klasse gelegt, bei der alle Slytherins gespannt, alle Dumbledoreanhänger beunruhigt und alle Muggelgeborenen verwirrt wirkten. Kein Wunder. Dumbledore war sehr gut darin gewesen, sie schlecht zu machen. Ein weiterer Grund, warum er den Mann nicht verstand. Wenn er so wenig von ihnen hielt, warum wollte er unbedingt Harry auf seine Seite ziehen?

//Vielleicht hat es nichts damit zu tun, dass er wenig von dir hält. Es ist nur seine Art, die anderen vor dir zu beschützen.//

Beschützen. Natürlich. Weil er ein Monster war. Er spürte, wie ihm langsam übel wurde. Diese Stunde würde äußerst unangenehm werden.
 

„Also“, sprach Remus tapfer weiter und ließ seinen Blick über die Klasse schweifen. „Kann uns irgendjemand erklären, was ein Tempus Amicus ist?“

Nein, konnten sie nicht. Selbst Draco hatte keine Ahnung, was genau sie waren. Nur, dass sie existierten und dass sie das beste wären, was dem dunklen Lord in diesem Krieg passieren konnte. Niemand redete über ihre Geheimnisse, da alles, was normale Menschen über sie wussten, nur Gerüchte waren.

Harry wusste auch nur mehr, da sein Unterbewusstsein ihn seit jeher zu diesem Thema gezogen hatte. Ansonsten hätte auch er nicht den blassesten Schimmer, was es mit ihnen auf sich hatte.

Wäre es zu auffällig, wenn er so tat, als wüsste er nichts?
 

„Niemand?“, fragte der Werwolf nicht überrascht und wandte sich seinem Patenkind zu. „Harry?“

Er atmetet tief durch, ehe er mit seinem üblichen, gelangweilten Tonfall antwortete: „Tempus Amicus, auch Geliebte der Zeit genannt und allgemein mit TA abgekürzt, sind Menschen mit katalytischen Fähigkeiten. Das bedeutet, ihre bloße Anwesenheit ist in der Lage, die Magie aller in ihrer Umgebung sowohl positiv als auch negativ zu beeinflussen. Dadurch werden sie besonders in Kriegszeiten sehr gerne für militärische Zwecke missbraucht.“ So wie auch ihn alle für ihre Zwecke missbrauchen wollten.
 

Er ließ seinen Blick wieder auf das durchgestrichene „T“ schweifen und konnte nur schwer ein Seufzen unterdrücken. Warum musste nur alles so kompliziert sein?

Und warum hatte sich Tom immer noch nicht gemeldet?

Er bemerkte, wie Draco ihn von der Seite her besorgt musterte. Offenbar war sein Verhalten doch zu auffällig. Hoffentlich würde er es auf Liebeskummer schieben und nicht...

//Liebeskummer? Seit wann liebst du ihn denn?// Klappe!
 

„Sehr gut!“, rief Remus begeistert. „Zehn Punkte für Ravenclaw! Ja, Neville?“

„Warum sind sie so gefürchtet, Sir? So wie Harry das erklärt hat, scheinen sie ja ziemlich gut zu sein.“

Unwillkürlich spürte er eine tiefe Zuneigung für seinen besten Freund in sich aufsteigen. Genau, sie waren nicht schlecht! Nur, weil das einmal irgendein Idiot beschlossen hatten, bedeutete es nicht...
 

„Es stimmt, dass die meisten ihnen Unrecht tun. Sie sind Menschen, genauso wie wir alle und haben dieselben Gefühle, Bedürfnisse und Träume. Nichtsdestotrotz ändert das nichts daran, dass sie sehr gefährlich sein können.

Ein Tempus Amicus ist, sobald er gelernt hat, seine Fähigkeiten zu beherrschen, ein brillanter Manipulator, sogar besser, als Legilimentiker oder Empathen. Diese können eure Gedanken lesen und sie sogar bis zu einem gewissen Punkt kontrollieren, doch nur durch geschickte Manipulation, die jeder mit etwas Verstand durchschauen kann.

Ein Tempus Amicus dagegen kontrolliert Gefühle. Sie können einen dazu zwingen zu lieben und zu hassen. Sie können jeden zu ihren willenlosen Sklaven machen und derjenige würde es nicht einmal bemerken. Es ist sehr riskant, sich mit ihnen einzulassen, da man nie wissen kann, was sie mit einem anrichten können. Jedoch sollte man das nicht verallgemeinern. Es kommt immer auf den Charakter der einzelnen Person an, wie sie mit ihren Fähigkeiten umgehen.

Allerdings war es in der Vergangenheit oft zu beobachten, dass sie dazu neigen, sich einem dunklen Lord anzuschließen, was ein weiterer Faktor für ihren schlechten Ruf sein könnte.“
 

Um Harry herum brach aufgeregtes Getuschel aus. Auch Draco beugte sich zu ihm hinüber und flüsterte: „Gut, dass wir keinen in der Schule haben. Der würde sich sicher noch mehr in den Mittelpunkt schieben, als Longbottom.“

Obwohl Harry wusste, dass es als Scherz gemeint war, verzog er keine Miene, sondern starrte weiterhin schweigend auf sein „T“, das ihm auf einmal seltsam tröstend vorkam. Tom hatte keine Angst davor, dass er ihn manipulierte. Er akzeptierte stumm die Verbindung, die zwischen ihnen war und versuchte, das beste daraus zu machen. Wenigstens einer.

Ob Lucius und Lily ihn deshalb immer auf Abstand gehalten hatten? Da sie fürchtete, ihre Gefühle zu ihm wären nicht echt gewesen?
 

//Musst du das wirklich noch fragen?//

Natürlich nicht. Ansonsten hätte er nicht so eine Angst davor, dass Narcissa oder Draco davon erfuhren. Er wusste nicht, was er tun sollte, wenn auch sie ihn nur noch als Monster sahen.

//Vielleicht werden sie das nicht tun. James, Tom und Severus haben es auch nicht getan.// Genauso wenig wie Felice, Luna und Regulus. Aber das war nicht weiter verwunderlich. Die drei steckten zu tief in der Sache mit drin, als dass sie ihn für irgendetwas verurteilen konnten, wofür er nicht verantwortlich war. Was er sich niemals gewünscht hatte.
 

„Allerdings“, sagte Remus schließlich und brachte damit wieder Ruhe in die Klasse, „müsst ihr euch keine Sorgen machen. Es kommt äußerst selten vor, dass einer geboren wird und in der Regel halten sie sich nicht in der Öffentlichkeit auf. Normalerweise treffen sie bereits früh auf denjenigen, den sie später einmal unterstützen werden und dieser Person liegt viel daran, ihre Existenz so geheim wie möglich zu halten.“

„Warum?“, fragte Anthony Goldstein, der in jedem Unterricht für seine dummen Fragen bekannt war. Obwohl diese alles andere als dumm war.

„Weil es die einfachste Methode ist, sie vor dem Feind zu schützen. Eines müsst ihr nämlich unbedingt immer im Hinterkopf haben, wenn ihr über sie redet: Egal, für welche Seite sie sich entscheiden mögen, diese wird immer siegen.“
 

Denn die Zeit war auf ihrer Seite und manchmal sogar das Schicksal.
 

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Harry war froh, als die Stunde endlich zu Ende war und er sprang als einer der ersten auf, um den Raum zu verlassen. Jedoch nicht, ohne missmutig mitzubekommen, wie Remus Anthony versicherte, dass sie das nächste Mal noch einmal über dieses Thema reden würden. Entweder würde er sich an dem Tag krankmelden oder das erste Mal seit seinem vierten Schuljahr schwänzen. Damals hatte er es getan, um Neville bei seiner Vorbereitung auf die Dritte Aufgabe zu unterstützen. Darum waren die Lehrer sehr verständnisvoll gewesen und hatten ihn straflos davonkommen lassen. Wenn er es dieses Mal tat, würde er wahrscheinlich Remus enttäuschen und ihn dazu zwingen, ihm Nachsitzen auf zu brummen, doch das kümmerte ihn wenig. Noch eine Stunde in dieser Klasse mit dieser Thematik würde er nicht überleben!
 

Es tat weh, geliebte Menschen so abfällig über das reden zu hören, was er war. Natürlich wussten weder Remus, noch Draco, noch Neville, dass sie ihn damit indirekt beleidigten, aber...

Aber...

Jemand griff nach seinem Arm und brachte ihn zum Stillstand. Er hatte sich bereits ein gutes Stück von dem Klassenzimmer entfernt und befand sich nun in einem Korridor, wo nur wenig Verkehr herrschte. Und jemand war ihm gefolgt. Langsam wandte er sich um und sah in das besorgte Gesicht seines Bruders.

„Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte er leise und ließ seinen Arm wieder los. „Du warst schon in der Stunde so seltsam...“

„Mir geht es gut“, entgegnete er und wusste, dass ihm nicht geglaubt wurde. „Ich denke, ich brauche nur etwas frische Luft.“
 

Draco nickte langsam, während er zu überlegen schien, ob er weiter nachhaken sollte, oder nicht. Letztendlich entschied er sich dafür: „Ich habe gesehen, was du auf das Pergament gekritzelt hat. Du hast den Buchstaben ziemlich niedergeschlagen angesehen.“ Er sah sich kurz unsicher um, ehe er noch leiser fortfuhr: „Ich weiß, dass du nicht willst, dass wir uns in dein Leben einmischen, aber ist zwischen dir und ihm irgendetwas vorgefallen?“

Obwohl es unfair war, besonders wenn man an ihr letztes, längeres Gespräch dachte, ging er auf Abwehr: „Wen meinst du mit ihm?“

Dracos Augen verengten sich. „Ich bin weder dumm noch blind! Ich habe gesehen, wie du ihn ansiehst und ich kenne dich gut genug, um zu wissen, was es bedeutet. Ihr beide... ich verstehe es nicht, aber ihr habt etwas am laufen und... wenn es dich so sehr runterzieht, dass sogar ich es bemerke, kann ich mir einfach nur Sorgen machen, verstehst du?“ Er war mit jedem Wort leiser geworden und senkte nun verlegen den Blick.
 

Merlin, war das rührend! Harry lächelte leicht und klopfte ihm auf die Schulter. „Danke, dass du ein Auge auf mich hast, aber in dieser Hinsicht ist alles in Ordnung. Du musst dir also keine Sorgen machen. Mir... ist nur plötzlich etwas übel geworden. Aber sobald ich etwas frische Luft geschnappt habe, geht es mir wieder besser.“

Draco sah ihn forschend an, ehe er zögernd nickte. „Na gut. Soll ich dich begleiten?“

Für einen Moment zog er es tatsächlich in Betracht, doch dann schüttelte er mit dem Kopf. „Ich möchte eine Weile meine Ruhe haben. Wir sehen uns. Und duelliere dich nicht wieder mit Weasley, nur weil ich einen Moment nicht da bin.“

„Hey!“, protestierte Draco. „Was soll das schon wieder heißen?“

Harry lachte nur als Antwort und machte sich auf den Weg nach draußen.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Eigentlich hatte er auf die Ländereien gehen wollen, doch letztendlich entschied er sich für den besten Ort in ganz Hogwarts: den Astronomieturm. Wahrscheinlich ging jeder irgendwann dorthin, um sich vor der Welt zu verstecken oder einfach den Blick über die Schule zu genießen. Noch war es recht kühl hier oben. Der Frühling begann zwar langsam, von der Welt Besitz zu ergreifen, aber noch dominierten die letzte Reste des Winters. Aber wenigstens lag kein Schnee mehr und es hatte in den vergangenen Tagen schon öfter geregnet. Heute schien die Sonne.
 

Vorsichtig ging Harry an den Rand des Turmes und ließ sich daran nieder, sodass seine Füße über den Abgrund baumelten. Zwar gab es ein Geländer, doch es war leicht, hier herunterzustürzen. Tatsächlich war das in der Vergangenheit so oft vorgekommen, dass es offiziell verboten war, alleine hier hinaufzukommen. Nicht, dass sich jemand daran halten würde, aber es war immer besser, das im Hinterkopf zu halten, wenn man hier oben war. Da sich jeder irgendwann einmal hierher zurückzog, galt das ungeschriebene Gesetz, jeden in Ruhe zu lassen, der vor einem hier oben Zuflucht gesucht hatte. Deshalb konnte Harry davon ausgehen, eine Weile seine Ruhe zu haben, bis Neville auf die Idee kam, nach ihm zu suchen und mit ihm über Verschwörungstheorien oder die Hausaufgaben zu sprechen.
 

Neville... es kam ihm so vor – und er wusste, dass auch sein Freund es spürte – dass sie sich immer weiter voneinander entfernten. Wahrscheinlich hing es mit seinen immer stärker werdenden... Gefühlen für Tom zusammen. Zwar wollte er es nicht wahrhaben, doch nicht einmal er konnte verdrängen, dass jedes neue Zusammentreffen in ihm den Wunsch größer werden ließ, dass er nicht der dunkle Lord wäre, sondern einfach... Tom.

//Aber er ist der dunkle Lord. Daran kann niemand etwas ändern. Erst recht du nicht.//

Wollte er es überhaupt? Nein. Denn das war etwas, was diesen Mann ausmachte. Wenn er jemanden einen Teil seiner... Liebe schenkte, wollte er alles an ihm akzeptieren. Egal, was es war.

Merlin, er hörte sich wie ein verliebtes Schulmädchen an!
 

Doch zurück zu Neville. So sehr er es auch glauben wollte, diese immer größere Entfernung zwischen ihnen ging nicht nur von ihm selbst aus. Sein Freund war in letzter Zeit abwesend geworden. Nachdenklich. Und vorsichtiger als früher. Er erzählte ihm nicht mehr alles. Es war fast so, als hätte er jemand anderes gefunden, den er mit seinen Sorgen belasten konnte. Nur... wen?

Wer bitte schön sollte es geschafft haben, sein Vertrauen zu gewinnen?

//Bist du etwa eifersüchtig?//

Vielleicht. Dennoch ging ihn nicht dieses schwarze Notizbuch aus den Kopf, in das Neville so eifrig hineingeschrieben hatte.
 

Seufzend ließ er seine Schultern sinken und starrte hinüber zum Großen See, der wie ein grauer Teppich inmitten des matschigen Grüns wirkte. Ein paar vereinzelte Gestalten schlenderte oder rannten über die Ländereien und unten vor seiner Hütte grub Hagrid ein Beet um. Ein friedlicher Anblick. Hier war es leicht zu vergessen, wie die Welt außerhalb von Hogwarts aussah.

Das Schwingen von Flügeln holte ihn aus seinen Gedanken und als er sich umdrehte, entdeckte er Toms Schneeeule, die ihm auch vor dem Zaubertrankwettbewerb einen Brief gebracht hatte. Sie landete direkt neben ihn und hielt ihm ein Bein hin, an dem ein weiterer Brief, sowie eine neue, rote Rose hing. Sofort spürte er, wie ein Grinsen auf seinem Gesicht erschien. Wie sollte er denn das jetzt interpretieren?
 

Vorsichtig nahm er dem Vogel die beiden Gaben ab und betrachtete für einen Augenblick die Blume, ehe er sich Toms Nachricht zuwandte. Es tat unerwartet gut, diese Handschrift wiederzusehen, weshalb er sie zunächst schweigend betrachtete, bevor er sich auf die Worte konzentrierte.
 

Mein liebes Wunderkind,
 

ich hoffe, du fühlst dich wohl und alles verläuft zur Zeit zu deiner Zufriedenheit. Ich gebe zu, dass es sehr trist ohne dich ist, weshalb ich mich glücklich schätzen würde, dich während deiner Osterferien in meinem Haus begrüßen zu dürfen. Narcissa teilte mir mit, dass sie ursprünglich vorhatte, dich zu sich einzuladen, doch da ich annehme, dass dies nicht unbedingt deinen Interessen entsprechen dürfte, habe ich mir erlaubt, vorzuschlagen, dich bei mir unterkommen zu lassen. Selbstverständlich steht es dir frei, abzulehnen, aber es wäre mir dennoch eine Freude.

Sobald du darüber nachgedacht hast, kannst du mir deine Entscheidung durch Hedwig zukommen lassen. Sie ist eine sehr intelligente Eule, weshalb ich glaube, dass ihr beide euch verstehen werdet.
 

In der Hoffnung, bald von dir zu hören,

TMR.
 

„Hedwig also...“, flüsterte Harry und spähte zu der Eule hinüber, die ihn abwartend musterte. Vorsichtig streckte er seine Hand aus und strich über ihr Gefieder, während er hinter sich langsame Schritte hörte. Doch er drehte sich nicht um. Wenn es Neville war, würde er gleich etwas sagen und alle anderen Schüler würden ihn in Ruhe lassen. Natürlich bestand auch die Möglichkeit, dass es sich um einen Lehrer handelte, aber die ließen ihn in der Regel solche geringfügigen Vergehen gegen die Schulordnung durchgehen. Manchmal war es eben doch praktisch, ein Musterschüler zu sein.
 

„Was für eine bezaubernde Eule“, sagte eine Stimme und die Person, die sich ihm genähert hatte, stellte sich neben ihn, lehnte sich ans Geländer und spähte über die Ländereien.

Harry lächelte, während er damit fortfuhr, ihre Federn zu streicheln. „Das stimmt, Sir. Sie ist einzigartig.“

„So wie jedes Lebewesen“, sinnierte Albus Dumbledore, bevor sich Schweigen zwischen ihnen ausbreitete.

Die Stille zwischen ihnen war überraschend angenehm, ein Gefühl, das er normalerweise nicht mit diesem Menschen in Verbindung brachte.

//So hätte es sein sollen//, dachte er. //Und so wäre es auch gewesen, wenn ich nicht bei Narcissa und Lucius aufgewachsen wäre. Wir hätten uns gut verstanden. Doch es sollte nicht sein.//
 

Es innerlich bedauernd unterbrach Harry den friedlichen Augenblick zwischen ihnen: „Wollen Sie etwas bestimmtes von mir oder sind Sie nur hier, um die Aussicht zu genießen?“

Dumbledore gluckste leise. „Es ist immer eine Freude, mit dir zu sprechen, Harry. Von daher bräuchte ich keinen Grund, um deine Gesellschaft zu suchen. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass vielleicht du etwas mit mir zu besprechen hast.“

Da hatte er allerdings Recht. Der heutige Unterricht bei Remus lieferte mehr als genug Gründe, um sich bei ihm zu beschweren. Trotzdem tat er es nicht. Stattdessen ließ er seinen Blick auf Toms Rose gleiten, die er zwischen sich und Hedwig auf den Boden gelegt hatte und fragte: „Wie ist es, sich auf einen dunklen Lord einzulassen?“
 

Das brachte den Schulleiter zum Lachen, doch es war ein trauriges, freudloses Lachen. Genauso wie bei Draco und Fenrir.

„Wie es ist, sich auf einen dunklen Lord einzulassen?“, wiederholte er die Frage. „Es ist unglaublich, Harry. Es ist, als würdest du das erste Mal in deinem Leben atmen können. Alles scheint besser, schöner, einfacher. Es ist eine Erfahrung, die nur wenige jemals machen. Ein Geschenk.“

„Sie haben es also niemals bereut?“

„Die Zeit, die ich mit ihm verbracht habe? Nein. Ich habe nur bereut, dass ich erst zu spät erkannt habe, was er war.“
 

Dumbledore drehte sich zu dem Schüler um und ihre Blicke trafen sich. „Tom ist immer ein sehr einsamer Mensch gewesen. Er weiß, dass man anderen Menschen nicht vertrauen kann, da sie alle eine Schwachstelle haben, für die sie ihn verraten würden. Darum hat er eine unsichtbare Mauer zwischen sich und dem Rest der Welt errichtet, um sich selbst zu beschützen.“

Er seufzte leise und sah wieder über die Ländereien. Harry folgte seinem Beispiel und beobachte Hagrid dabei, wie er seinem Hund – Fang, wenn er sich recht erinnerte – ein Fleischstück zuwarf, bevor er damit fortfuhr, das Beet umzugraben.

„Es gibt nur eine handvoll Personen, die es geschafft haben, seine Mauer zu durchbrechen“, fuhr Dumbledore fort. „Diese haben alles von ihm bekommen, was er ihnen geben konnte. Auch du wirst alles von ihm bekommen, was er hat, Harry. Seine Besitztümer, sein Herz, sein Leben, selbst seine Seele. Aber im Gegenzug wird er von dir erwarten, dass auch du ihm alles gibst.“
 

Hedwig schuhute leise, weshalb er damit fortfuhr, sie zu streicheln – wann hatte er eigentlich damit aufgehört? „Wollten Sie nicht eigentlich verhindern, dass ich mich auf ihn einlasse?“

„Eigentlich schon“, gab der alte Mann zu, doch er klang bereits wieder fröhlicher als zuvor. „Aber vielleicht ist es ganz gut so. Vielleicht wirst du in der Lage sein, ihn im Zaum zu halten und zu verhindern, dass dieser Krieg, den wir alle spüren können, tatsächlich ausbricht. Immerhin bist du der Tempus Amicus.“

Der Tempus Amicus. Nicht ein, sondern der. Wirklich sehr ermutigend.
 

„Ich habe es mir nicht ausgesucht“, flüsterte er und zog seine Hand von Hedwig zurück um sie stattdessen neben sich auf den Boden sinken zu lassen. Dabei streifte er die Rose, die daraufhin leise raschelte.

„Ich weiß“, erwiderte Dumbledore sanft. „Niemand hat es sich ausgesucht. Es wird nicht leicht werden, Harry. Du wirst dein Leben oft verfluchen und dich in Situationen wiederfinden, die unüberwindbar wirken. Aber du bist nicht umsonst, was du bist. Es gibt einen Grund, warum die Zeit gerade dich erwählt hat und an diesem Wissen musst du immer festhalten, wenn du nicht weiterweißt. Dann wirst du all das irgendwie schaffen können.“
 

„Ja, vielleicht haben Sie da Recht“, murmelte er und griff nach dem Brief und der Rose. „Vielen Dank für das Gespräch.“

„Keine Ursache“, entgegnete der Schulleiter munter, sah ihn jedoch nicht an. „Wie ich bereits erwähnte, ist es immer eine Freude, mit dir zu sprechen.“

Harry schüttelte nur mit dem Kopf und stand auf. Sofort stieß Hedwig sich vom Boden ab und setzte sich auf seine Schulter. „Ich habe Sie wirklich gemocht, wissen Sie? Wenn ich bei meinen Eltern geblieben wäre, hätte ich mich sicher ohne Bedenken für Sie entschieden.“
 

„Oh, Harry“, sagte er glucksend. „Das hättest du nicht getan. Etwas in dir hätte dich immer zu Tom gezogen. In dem Szenario wäre es für ihn nur um einiges schwerer gewesen, dich zu überzeugen.“ Langsam drehte er sich nun doch zu ihm um und lächelte. „Pass auf dich auf, mein Junge. Um unser aller Willen.“

„Ich werde mir Mühe geben, Professor“, versprach er und machte sich auf dem Weg zur Treppe, um wieder hinabzusteigen. „Und hören Sie endlich damit auf, mich so zu nennen.“

Ein amüsiertes Glucksen folgte ihm, während er eine Stufe nach der anderen nahm.
 

Dabei dachte über die Einladung des dunklen Lords nach. Eigentlich hatte er nicht vorgehabt, Hogwarts über Ostern zu verlassen. Zwar hatten sowohl Lily und James, als auch Remus, Severus und Neville ihm angeboten, bei ihnen diese Zeit zu verbringen, aber er hatte immer abgelehnt.

//Ich sollte auch diese Einladung ablehnen//, dachte er.

//Das wirst du aber nicht//, entgegnete sein Verstand. //Du wirst sie annehmen, denn...//

Er vermisste Tom. Und diese Erkenntnis war mehr als frustrierend.
 

„Warum muss es ausgerechnet er sein?“, fragte er Hedwig. „Warum dieser egoistische, selbstverliebte, besitzergreifende Stalker?“

Als Antwort zupfte sie sanft mit ihrem Schnabel an seinem Ohrläppchen.

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So, das war es auch schon wieder für heute. Nächstes Mal kommt der dunkle Lord wieder vor. <3

Und wer sitzt da plötzlich vor seinem Schreibtisch?

Liebe Grüße, Ayako

Home Again

Ich wünsche euch allen einen schönen Pfingstmontag! Lasst heute noch einmal die Seele baumeln, bevor es morgen wieder in die Arbeits- und Schulwelt zurückgeht.

Als ideale Beschäftigung schenke ich euch auch ein schönes Kapitel, nämlich Kapitel 40. Und das, wo ich am Anfang geglaubt hatte, es würde einer kürzere Fanfiction werden... *drop * Jedenfalls gibt es zur Feier des Tages gleich einen neuen POV (point of view, für alle, denen dieser Ausdruck nicht gebräuchlich ist). Viel Spaß damit. <3

Außerdem möchte ich wie immer meiner lieben Beta Robino für die Korrektur danken! *knuddel*

Und natürlich auch allen, die mir Reviews hinterlassen oder diese Fanfiction bei ihren Favoriten haben. <3

Aber genug der langen Vorreden, hier ist das Kapitel:
 

P.s.: Diesmal müssten ihr den ein oder anderen * hinter einem Satz finden. Genauere Erläuterungen dazu, findet ihr am Ende des Kapitels.

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Home Again
 

„Ich begreife nicht, warum er will, dass ich den Kindern etwas über so etwas wie Tempus Amicus' beibringen soll“, meinte Remus und sah James nachdenklich an, der schweigend an der Theke stand und darauf wartete, dass das Wasser für den Tee zu kochen begann. „Bisher war das nie vor dem letzten Schuljahr nötig. Es gibt keinen Grund dazu, es ihnen früher zu berichten. Aber in den letzten Wochen habe ich jedem einzelnen Jahrgang etwas darüber erzählen müssen! Es ist ja fast so, als würde Albus glauben, Hogwarts würde bald einen beherbergen.“
 

Lily, die auf einem Küchenstuhl saß und bisher den Tagespropheten überflogen hatte, blickte auf. „Was hast du gerade gesagt?“

„Dass Albus mich dazu angewiesen hat, allen Schülern Hogwarts über Tempus Amicus' zu erzählen, obwohl es nicht den geringsten Sinn macht. Es regt sie nur unnötig auf. Ich weiß nicht, was er damit beabsichtigt. Außer natürlich wir hätten einen gefunden, aber das hätten wir mitbekommen, oder?“

„Nicht direkt“, murmelte James und begann damit, das Wasser in die drei dafür vorgesehenen Teetassen zu schütten. „Ihre Existenz wird immer geheim gehalten, um sie zu beschützen. Es kann theoretisch möglich sein, dass bereits seit Jahren einer von ihnen Hogwarts besucht und es niemand bemerkt hat. Dass du sie jetzt aufklären musst, würde bedeuten, dass er nun damit beginnt, seine Fähigkeiten auszuprägen.“
 

„Meinst du wirklich?“, fragte Remus strinrunzelnd. „Aber wer sollte es denn sein? Ich kann mir keinen Schüler vorstellen, der auch nur im entferntesten dafür in Frage käme. Gut, es gibt einige, die beliebter sind als andere, aber trotzdem.“

„Es ist schwer, einen Tempus Amicus zu erkennen“, meinte James und drückte ihm seine Tasse in die Hand. „Sie unterscheiden sich nicht im entferntesten von anderen Menschen und sind bei weitem nicht so schlecht wie ihr Ruf. Es ist eine Schande, dass Albus es zulässt, dass man sie so sehr in den Schmutz zieht.“
 

„Es ist seine Art, dafür zu sorgen, dass kein Unheil geschieht“, flüsterte Lily und beide Männer drehten sich zu ihr um. Sie hatte ihren Blick wieder auf die Zeitung gerichtet und schien sie zu ignorieren.

„Was meinst du damit?“, fragte Remus verwirrt, während James seinen Mund zusammenpresste und seine Frau schweigend ansah.

„Ein Tempus Amicus kann deine Gefühle kontrollieren, nicht wahr? Er kann dich dazu bringen, ihn bedingungslos zu lieben.“

„Das... ist wahr“, erwiderte der Werwolf zögernd und bemerkte verblüfft, wie sich sein Freund anspannte.

„Dann wäre es doch das beste, zu wissen, dass man seinen Gefühlen in der Nähe eines solchen Wesens nicht trauen kann, oder? Von daher ist es nicht verkehrt, dass Albus ihnen so etwas...“
 

Ein lauter Knall brachte sie zum Verstummen. James hatte mit voller Wucht auf den Tisch geschlagen und funkelte sie nun wütend an. „Wie kannst du es wagen?“, zischte er. „Wie kannst du es wagen, überhaupt so etwas zu denken?“

Remus blinzelte überrascht, während Lily ihren Mann mit großen Augen ansah. „J...James...“
 

„Ich dachte, es wäre meine Schuld!“, schrie er beinahe und schlug ein weiteres Mal auf den Tisch. „Ich dachte, er würde mich hassen, da ich es war, der dafür sorgte, dass Lucius ihn all die Jahre belogen hat! Ich dachte, er würde deshalb nichts mit uns zu tun haben wollen. Dabei warst es die ganze Zeit du, die ihn vertrieben hat!“
 

„James...“, flüsterte sie in einem flehenden Tonfall. „Bitte...“

„Und da wunderst du dich, dass er sich dazu entschieden hat, Narcissa und Lucius zu besuchen“, fauchte er und sah sie mit funkelnden Augen an.

„Sie sind Monster, James!“, rief sie und stand aufgebracht auf.
 

Remus flüchtete wohlweislich in einen Nebenraum, da er wusste, dass es besser war, sich nicht in Ehestreits einzumischen. In seinem Kopf drehten sich jedoch die Denkrädchen. Warum sprachen die beiden jetzt von Harry – jemand anderes konnte es nicht sein – wenn es eigentlich um Tempus Amicus' ging? War Harry etwa am Ende...? Nein. Nein, das war unmöglich. Nicht Harry.
 

Oder?
 

In der Küche ging währenddessen die Diskussion weiter.

„Monster?“, wiederholte James den Ausdruck seiner Frau. „Das ist doch nicht dein Ernst!“

„Doch ist es! Sie sind widernatürlich! Es sollte sie nicht geben! So etwas sollte es nie geben! Aber anstatt sie zu jagen und auszurotten, zwingen sie uns dazu, dass wir sie lieben und noch besser, sie zwingen uns dazu, unsere Sklaventreiber zu lieben! Denkst du, Harry wird eine Ausnahme sein?“

„Er ist dein Sohn!“, rief er. „Er ist unser Sohn! Wie kannst du nur so etwas grausames über ihn sagen?“
 

Mit einem Schlag wurde er – für eine solche Situation ungewöhnlich – ruhig und sah sie beinahe gelassen an. „Albus“, sagte er nur.

Sie runzelte die Stirn. „Albus?“

„Ich wusste, dass er uns manipuliert hat“, murmelte er. „Aber ich bin nicht darauf eingegangen, weil ich wusste, dass er es nur tut, um Harry benutzen zu können. Wer hätte also gedacht, dass ausgerechnet du, seine Mutter, ihm auf den Leim gehst?“

„Wie bitte? Albus hat damit nichts zu tun!“
 

Diesmal schlug er mit beiden Händen auf den Tisch, was sie zusammenzucken ließ. „Er ist dein Sohn“, sagte er abermals. „Es wäre deine Aufgabe gewesen, ihn zu beschützen. Stattdessen hast du ihn im Stich gelassen und mich dazu gebracht, deinem Beispiel zu folgen. Wir können es nicht rückgängig machen, Lily, aber das mindeste, was wir tun können, ist, uns für unser Verhalten zu schämen. Er wird niemals zu uns zurückkehren, wenn wir ihm zeigen, dass wir nicht akzeptieren, was er ist.“

Sie sah ihn mit zusammengekniffenen Lippen an und sagte nichts.

Seufzend fuhr er fort: „Ich dachte, ich würde dich kennen. Aber offenbar habe ich mich geirrt. Ich hätte nie geglaubt, dass du so grausam sein könntest.“

Ohne sie eines weiteres Blickes zu würdigen, verließ er den Raum und knallte die Tür hinter sich zu.
 

Lily sah ihm für einen Augenblick schweigend hinterher, ehe sie sich auf den nächsten Stuhl fallen ließ und ihren Kopf auf dem Tisch ablegte. „Du hast ja keine Ahnung“, flüsterte sie, während Tränen in ihre Augen stiegen. „Nicht einmal annähernd.“
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Das nannte Tom eine Überraschung. Wobei er sich noch nicht völlig sicher war, ob es sich um eine positive oder eine negative Überraschung handelte. Aufrecht saß er in seinem Stuhl, den Rücken an die Lehne gelehnt, die Hände auf den Armlehnen ruhend, während er mit seinen Augen die beiden jungen Männer fixierte, die mit jeder Minute, die verstrich, nervöser wurden. Innerlich bereitete es ihm tiefste Zufriedenheit, dass er eine solche Wirkung auf sie hatte. Menschen hatten Ehrfurcht vor ihm. Sie hatten Respekt vor seiner Macht. Sie waren instinktiv auf der Hut.
 

Und doch gab es auch Menschen wie Abraxas und Harry, die sich von all dem nicht beeindrucken ließen.

Durch seine Selbstbeherrschung, die er sich durch jahrelanges Training aufgebaut hatte, widerstand er dem Drang, seinen Blick auf das Bild des... Jungen gleiten zu lassen und ließ ihn stattdessen auf den beiden liegen.
 

Sie sahen völlig identisch aus. Rote Haare, braune Augen, Gesichter, die von Fröhlichkeit sprachen... Zwillinge, die in ihrer Schulzeit wahrscheinlich viel Ärger verursacht hatten und von ihren Mitschülern geschätzt worden waren. Es handelte sich bei ihnen nicht um Anführer, was positiv war, doch sie wirkten so, als würden sie sich als erste einer Rebellion anschließen, wenn sie ihr zustimmten – was äußerst negativ war. Für die beiden wohlgemerkt. Ihm selbst konnte es völlig gleichgültig sein, ob sie dieses Zusammentreffen überlebten oder nicht.
 

Er musste zugeben, dass es ihn überrascht hatte, sie plötzlich buchstäblich auf seiner Türschwelle sitzen zu sehen. Irgendwie – und er würde herausfinden wie – hatten sie es geschafft, seine Schutzschilde zu durchbrechen und unbemerkt in sein Grundstück einzudringen. Jemand, der so etwas vollbrachte, konnte nicht hoffen, lebend aus seinem Zuhause zurückzukehren, außer natürlich sie hatten gute Argumente. Tom war bereit, sie sich anzuhören. Am Ende konnten sie ihm vielleicht nützlich werden.
 

Er wartete, bis der erste von ihnen schlucken musste, dann stellte er die Frage, von der er wusste, dass sie sich vor ihr fürchteten: „Warum sollte ich euch beide aufnehmen? Ihr seid Mitglieder der Familie Weasley. Jeder weiß, dass ihr Albus Dumbledore treu ergeben seid.“

Allerdings hatte Tom mit einem Blick sehen können, dass die beiden nicht in dieses Schema passten. Sie hatten etwas heimtückisches an sich, das besser nach Slytherin gepasst hätte, als nach Gryffindor. Außerdem wusste er, dass sie einen Scherzartikelladen führten, der unter anderem nützliche Gegenstände für Kämpfe führte. Die beiden hatten Talent und sie wäre eine Bereicherung für die Todesser.

Dennoch wusste er aus Erfahrung, dass es besser war, zuerst ein typisches Bewerbungsgespräch zu führen. Mit anderen Worten: er würde alles versuchen, um einen Schwachpunkt an ihnen zu finden, um ihn im Ernstfall gegen sie zu verwenden.
 

Die Zwillinge wechselten einen kurzen Blick, ehe der aufmerksamere von den beiden – George – das Wort ergriff: „Es stimmt, dass wir Mitglieder des Orden des Phönix sind.“

Interessant. Aber eine unkluge Äußerung, außer natürlich wenn sie einen Plan hatten. Das könnte unterhaltsamer werden, als er zunächst angenommen hatte.

„Lange Zeit haben wir Dumbledore blind vertraut, aber einige Vorfälle des letzten Jahres haben uns an ihm zweifeln lassen.“

Tom schwieg für einen Augenblick, in dem er seine Hände hob und seine Fingerballen aneinanderlegte. „Was für Vorfälle?“

„Das Wiederauftauchen...

„...von Lily und James Potter, sowie...“

„...die ganze Potter/Malfoy Affäre und...“

„...Harry“, sagten beide zum Schluss.
 

„Harry?“, fragte er und hob eine Augenbraue. „Wie in Harry Potter?“

Diesmal war es Fred, der nickend antwortete: „Wir sind mit ihm befreundet.“

So? Dann würde er sie wohl doch besser am Leben lassen. Davon einmal abgesehen, dass der Junge ein Tempus Amicus war, lag ihm nichts ferner, als sich ihm zum Feind zu machen. Dafür waren ihre Gespräche zu... angenehm.

„Deshalb haben wir selbst gesehen“, fuhr der Zwilling fort, „wie sehr ihn diese ganze Angelegenheit mitgenommen hat. Natürlich behauptet Dumbledore, dass dies eine unglückliche Geschichte sei, mit der er nichts zu tun habe, aber...“

„...wir glauben ihm nicht“, schloss George ernst. „Und Harry glaubt ihm auch nicht.“

„Und das ist für euch Grund genug, euch von ihm abzuwenden und stattdessen mir zu folgen?“

„Ja“, sagten beide wie aus einem Mund und es klang mehr als entschlossen. „Wenn Harry etwas sagt, dann stimmt es.“
 

„Um es auf dem Punkt zu bringen: Wenn Harry auf einmal sagen würde, Dumbledore wäre der Gute und ich der Böse, würdet ihr wieder ihm folgen?“

„Nein“, sagte Fred. „Wir würden Harry in diesem Fall an den Schultern packen und solange schütteln, bis er wieder er selbst wird.“

„Dumbledore will ihn manipulieren, um ihn für seine Ziele zu nutzen“, erklärte George. „Wir wollen ihn vor ihm beschützen und das können wir am besten, wenn wir Todesser werden.“

„Ich verstehe“, murmelte Tom. „Und was lässt euch glauben, dass ich ihn nicht manipulieren möchte?“

„Wir sind davon überzeugt, dass Ihr das tut“, verkündete Fred. „Aber im Gegensatz zu Dumbledore, habt Ihr Recht, mit dem, wofür Ihr kämpft. Deshalb werden wir Euch folgen, wenn Ihr es uns gestattet.“
 

Tom betrachtete fasziniert seine Hände, während die beiden ihn gespannt musterten. Die beiden... versprachen äußert interessant zu werden. Aber konnte er es wirklich riskieren, sie zu seinen Gefolgsleuten zu machen? Andererseits... wenn sie Harry tatsächlich so nahe standen, wie sie behaupteten, könnten sie ihm vielleicht mehr als nützlich werden.
 

Plötzlich war ein kräftiges Flügelschlagen zu hören und im nächsten Moment landete bereits Hedwig auf seinem Schreibtisch und streckte ihm ein Bein mit einem Brief hin. Unwillkürlich musste er blinzeln. Das... war schneller, als er erwartet hatte. Sein kleines Wunderkind konnte ihn immer wieder aufs Neue überraschen.

„Entschuldigt bitte“, sagte er der Form halber und löste den Brief von der Eule. „Das ist eine Nachricht, auf die ich schon länger gewartet habe.“

Er wartete gar nicht erst auf ihre Antwort, sondern entfaltete stattdessen das Pergament. Kurz betrachtete er die saubere Handschrift des Jungen, die seiner eigenen sehr ähnlich war, ehe er mit dem Lesen begann.
 

TMR,
 

vielen Dank für die Rose. Sie ist wieder sehr schön, aber wie ich bereits erwähnte, nicht meine Lieblingsblume. Was die Einladung anbelangt, so bin ich bereit, sie anzunehmen.
 

Bis zu unserem nächsten Treffen,

Harry
 

Er konnte nicht anders, als leise zu Glucksen, nachdem er am Ende angelangt war. Harry war wirklich der Einzige, der ihm einen so kurzen, beinahe abweisenden Brief schreiben würde. Er würde ihn also besuchen und wie es aussah, hatte er auch seine Herausforderung nicht vergessen. //Sehr schön. Ich habe sie nämlich auch nicht vergessen.//
 

Zufrieden faltete er das Pergament wieder zusammen und sah die Zwillinge an, die ihn schweigend beobachtet hatten. „Ich kann euch nicht einfach zu Todessern machen. Dafür steht ihr Albus zu nahe. Doch heute ist euer Glückstag. Ich habe gerade eine gute Möglichkeit gefunden, wie ihr mir eure Loyalität beweisen könnt.“

Die beiden wechselten einen kurzen Blick. „Was für eine Möglichkeit?“

Als Antwort lächelte er.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Eines wusste er mit absoluter Sicherheit: Er hatte Kopfschmerzen. Seine Schläfen pochten mit jedem Schlag seines Herzens und er wollte alles, nur nicht seine Augen öffnen. Natürlich wusste er, dass er selbst für seinen Zustand verantwortlich war. Wer die ganze Nacht mit Lesen verbrachte, anstatt wie jeder vernünftige Mensch zu schlafen, musste mit so etwas rechnen, besonders wenn er am nächsten Tag früh aufstehen musste. Aber nein, er hatte ja unbedingt unvernünftig sein müssen und nun hatte er den Salat. Stöhnend warf er seine Bettdecke über seinen Kopf und drehte sich auf die Seite, in der Hoffnung, dass es ihm etwas besser gehen würde, wenn er noch ein paar Minuten liegen bleiben würde. Dummerweise hatte er die Rechnung ohne seinem allerliebsten und überaus sadistischen Zimmergenossen gemacht.
 

„Aufstehen, Harry!“, rief dieser mit einer Fröhlichkeit, die verboten sein müsste und zog die Gardinen an den Fenstern zur Seite, sodass strahlendes Sonnenlicht in das Zimmer fiel, das er sogar durch seine Decke sehen konnte. „Es ist ein wunderschöner Morgen und wir haben Ferien! Es geht nach Hause!“

Harry murmelte etwas zusammenhangloses und vergrub seinen Kopf in seinem Kissen.
 

Wie erwartet, konnte er schnelle Schritte auf sich zukommen hören und mit einem Ruck wurde seine Decke weggerissen. „Seit wann bist du nur so ein Morgenmuffel?“, rief Stephen und jedes Wort hallte schmerzhaft in seinem Kopf nach. „Früher bist du mit den Vögeln aufgestanden, doch seit ein paar Monaten...“, er verstummte schlagartig. Im nächsten Moment spürte Harry, wie Stephen sich neben ihn aufs Bett setzte und vorsichtig seine Hand auf seine Stirn legte.

„Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte er sanft. „Du bist etwas warm.“

„Kopfweh“, murmelte Harry intelligent und presste fest die Augen zusammen. „Zu... hell...“

„Dann zieh ich die Gardine wohl wieder zu, okay?“

„'kay.“

Sofort wurde es wieder dunkel und der Junge atmete erleichtert aus.
 

Es klopfte an die Tür und jemand öffnete sie. Harry hörte, wie die Person zum Sprechen ansetzte, doch Stephen unterbrach sie: „Professor, gut das Sie da sind. Harry geht es nicht gut. Könnten Sie vielleicht Madam Pomfrey Bescheid sagen?“

„Mr. Potter geht es nicht gut?“, quiekte Professor Flitwick erschrocken, was Harry dazu brachte, protestierend zu stöhnen und seine Hand auf sein freies Ohr zu legen. Hohe Stimmen waren in solchen Situationen mehr als ungut. Wenigstens schien diese Reaktion seinen Lehrer von dem Wahrheitsgehalt der Neuigkeiten zu überzeugen, denn er wurde sofort leiser und flüsterte: „Ich werde sie sofort holen gehen.“
 

Kurze Zeit später kam auch bereits die Heilerin in das Zimmer gerauscht – gefolgt von Severus, wie Harry an dem Geruch nach Zaubertränken und dem plötzlich mehr als schweigsamen Stephen erkennen konnte – und setzte sich auf sein Bett.

„Wie lange haben Sie letzte Nacht gelesen, Mr. Potter?“, fragte sie nach einer näheren Untersuchung streng und ohne auf seine Kopfschmerzen Rücksicht zu nehmen.

„Zu lang'“, entgegnete er stöhnend.

„Ja, so kommt mir das auch vor“, meinte sie seufzend. „Und nicht nur letzte Nacht, sondern schon eine ganze Weile. Wann haben Sie das letzte Mal ordentlich geschlafen?“

Er zuckte nur mit den Schultern. Vielleicht... war er in den letzten Monaten tatsächlich etwas nachlässig mit seiner Gesundheit umgegangen.
 

Es war inzwischen Frühling geworden – Anfang April, um genau zu sein – und Harry hatte die letzten Wochen vor allem damit verbracht, sich Wissen über Animagi und andere Verwandlungen anzuhäufen. Hauptsächlichst diente das dazu, seine Existenz als Tempus Amicus, sowie seinen nahenden Besuch bei Tom zu verdrängen und es hatte auch sehr gut funktioniert. Bis jetzt zumindest.

Irgendwie war es ungerecht. Am Anfang des Schuljahres wurde er von Albträumen verfolgt und jetzt verwehrte er sich selbst den Schlaf, um zu Forschen. Madam Pomfrey... hatte ein Recht, sauer zu werden.
 

„Sie dummer Junge“, schalt sie ihn auch sofort, jedoch etwas sanfter. „Sie müssen mehr auf ihre Gesundheit achten.“

„Wird er heute zu seiner Familie können?“, mischte sich Severus ein. Das war die offizielle Version: Er besuchte die Malfoys. Es war geradezu lachhaft, dass Neville und Hermione ihm das abgekauft hatten. Aber das zeigte vielleicht, wie sehr sie sich eigentlich voneinander entfernt hatten. Andererseits war er sich bei seiner Freundin nicht sicher, ob sie ihm wirklich glaubte. Er hatte inzwischen erkannt, dass sie sehr talentiert darin war, ihre Gefühle zu verbergen.
 

„Natürlich“, sagte die Heilerin. „Ein einfacher Trank gegen seine Kopfschmerzen und er ist wieder putzmunter. Wirst du ihn zu ihnen begleiten?“

„Ja“, erwiderte der Zaubertrankmeister mit monotoner Stimme. „Ich werde ebenfalls einige Tage außerhalb Hogwarts verbringen.“

//Ja, um dich in dein Haus zu verkriechen und mit deinen Tränken herum zu experimentieren.//
 

„Gut... dann sag Narcissa bitte, dass sie dafür sorgen soll, dass er in der nächste Woche seine Finger von Schularbeiten oder sonstigen Projekten lässt und stattdessen wieder einmal etwas Belletristik in die Hand nimmt oder seinen Kopf anders entspannt. Außerdem muss er genug essen und viel schlafen. Mr. Potter braucht dringend etwas Ruhe und Zerstreuung.“

„Ich werde es weiterleiten“, entgegnete der Mann mit einer Spur Schadenfreude in der Stimme.

//Und mich damit zur dauerhaften Überwachung durch einen besitzergreifenden Stalker verbannen. Vielen Dank auch, Snape.//
 

Er spürte, wie ihm jemand die Hand auf die Schulter legte. „Kommen Sie, Mr. Potter“, sagte Madam Pomfrey, inzwischen richtig liebevoll. „Setzen Sie sich auf und trinken Sie ihren Trank. Danach geht es Ihnen bald besser und Sie können nach Hause. Oder wollen Sie lieber die ganze nächste Woche bei mir verbringen?“

Widerwillig richtete er sich auf – jedoch immer noch mit geschlossenen Augen – und schluckte die Flüssigkeit, die sie ihm daraufhin einflößte. Sofort spürte er, wie die Schmerzen weniger wurden, bis sie vollkommen verschwanden. Erleichtert öffnete er seine Augen.

„Danke“, murmelte er lächelnd.

„Keine Ursache, Potter. Tun Sie einfach die nächste Woche, was ich gesagt habe.“

„Keine Sorge. Ich bin sicher, jemand wird ein Auge auf ihn haben“, erklärte Severus trocken. „Machen Sie sich präsentierfähig, Potter. Ich erwarte Sie in zehn Minuten in meinem Büro. Frühstücken können Sie auch Zuhause.“
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Zuhause. Was für ein utopischer Ausdruck. Obwohl das hier vermutlich gar nicht mal so schlecht wäre. Lächelnd trat Harry einen Schritt von dem Kamin in der Eingangshalle von Slytherin Manor weg und ließ sich kurz von der einzigartigen Aura des dunklen Lords einfangen. Doch schon kurz darauf hörte er Severus hinter sich ankommen.

„Der dunkle Lord ist zur Zeit nicht da“, erklärte er genervt und sah sich misstrauisch um. „Allerdings meinte er, dass er jemand anderes dazu abkommandiert hätte, um dir bis zu seiner Rückkehr Gesellschaft zu leisten.“

„Ach so?“, fragte Harry und hob eine Augenbraue. Was glaubte dieser Kerl eigentlich, was er war? Ein Kleinkind?

„Ja. Es sind zwei Todesseranwärter. Er sieht es offenbar als Prüfung ihrer Loyalität.“

„Ach so.“ Das war natürlich etwas anderes. Auch, wenn er nicht wusste, ob er jetzt beleidigt sein sollte oder nicht. Warum musste er denn bitte schön für einen Test herhalten? „Und wo stecken die Beiden?“
 

„Ich dachte schon, du würdest nie fragen“, sagte eine Stimme und eine dunkle Gestalt mit roten Haaren löste sich aus dem Schatten. Harry blinzelte. „Nee, oder? Ihr beide? Todesser?“

Fred Weasley grinste breit. „Du kennst uns doch. Wir folgen immer dem größten Unruhestifter auf dem Spielplatz.“*

Je verschwand das Grinsen wieder, stattdessen wurde sein Blick besorgt. Bevor er die Frage stellen konnte, gab Severus ihm bereits die Antwort: „Ja, er ist krank. Nur dank Poppys Hilfe kann er momentan aufrecht stehen. Ich habe ihm für den Notfall ein paar Tränke mitgeschickt, die bei seinem Gepäck sind. Ansonsten sorgt dafür, dass er sich etwas entspannt, genügend isst und viel schläft. Und haltet ihn von Schularbeiten und jeglicher Sachliteratur fern. Wenn er unbedingt lesen will, dann nur leicht verdauliche Literatur.“
 

Fred nickte ernst. „Sonst noch etwas?“

„Er muss noch frühstücken“, meinte Severus. „Und stelle ihn bitte nicht unter eine absolute Bewachung. Du weißt, Harry braucht auch Freiheit und Ruhe. Besonders jetzt braucht er so wenig Stress wie möglich.“

„Alles klar“, meinte der Weasley. „Wir werden auf ihn Acht geben.“

„Ich weiß“, meinte er lächelnd. „Ich werde trotzdem zusätzlich den dunklen Lord darüber in Kenntnis setzen. Er wird bessere Argumente als jeder von uns finden, um Harry davon zu überzeugen, dass wir Recht haben.“

Dieser verschränkte beleidigt die Arme und sah die beiden durch zusammengekniffene Augen an. „Könntet ihr bitte aufhören, so zu tun, als sei ich nicht da?“
 

„Aber natürlich, Schätzchen“, meinte Fred und zerwuschelte ihm liebevoll das Haar.

Sofort verengten sich Severus' Augen und er griff nach seinem Arm. „Unterlasst das lieber, Fred“, sagte er mit todernster Stimme. „Ihr Beide.“

Der Zwilling runzelte die Stirn. „Warum?“

„Der dunkle Lord... hat ein spezielles Interesse an Harry entwickelt und dabei ist er mehr als besitzergreifend. Wenn er auch nur vermutet, dass ihr ihn von ihm ablenken könntet, wird er euch ohne mit der Wimper zu zucken, eliminieren.“
 

„Tatsächlich?“ Fred verengte die Augen und nickte, so als hätte sich eine Theorie bestätigt. „Also doch.“

„Also doch?“, fragten Severus und Harry wie aus einem Mund.

„Ach, nicht so wichtig. Komm, mein Freund. Ich werde dich zu deinem Zimmer bringen. Wir sehen uns, Severus.“

Der Zaubertrankmeister nickte nur und sah dabei zu, wie die beiden die Treppe hinauf gingen.
 

„George ist im Moment im Laden“, erklärte der Weasley munter, während sie durch das Haus liefen. „Er wird wahrscheinlich später noch zu uns stoßen. Ansonsten ist eigentlich niemand im Haus, außer Bellatrix Lestrange, Peter Pettigrew, Hauselfen und diese komische Schlange vom dunklen Lord. Ich finde sie ziemlich unheimlich, um ehrlich zu sein. Am besten gehst du ihr aus dem Weg.“

„Okay“, sagte Harry und betrachtete seinen Freund besorgt. Irgendwie hatte er ein ganz mieses Gefühl.

„Soweit ich weiß, kennst du das Haus ja schon, nicht wahr? Gut, dann fällt dir sicher auf, dass wir jetzt im Familienflügel sind. Dort hinten sind die privaten Gemächer des dunklen Lords, allerdings kommt man da nicht rein. Glaub mir, wir haben es versucht, es funktioniert nicht.“
 

„Ihr habt es versucht?!“

„Auf seine Anweisung. Wollte wissen, ob seine Schutzschilde stark genug sind und ja, das sind sie. Der Kerl ist nicht umsonst ein dunkler Lord, das ist sicher. Hier ist dein Zimmer“, fuhr er fort und blieb vor einer großen Tür aus Eichenholz stehen. Harry fiel auf, dass sie der des dunklen Lords am nächsten war. Na wunderbar. Aber wenigstens würde er sich diesmal nicht fragen müssen, wie er das interpretieren sollte. Mit einem Blick auf Fred, der ihn aufmerksam beobachtete, öffnete er die Tür und trat ein.
 

Er brauchte gerade mal drei Sekunden, um zu begreifen, dass Tom eine feste Umarmung als Begrüßung verdient hatte. Dieser Raum war... unglaublich und vollkommen anders, als er es vermutet hätte.

Es war kein großes Zimmer, aber auch nicht zu klein. Eigentlich genau richtig für Harry.
 

Der Boden und die Wände schienen aus einem hellen Holz zu bestehen – er vermutete Eiche oder Buche – was dem ganzen ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit gab. Schmale, lange, auf den Boden reichende Fenster waren an die gegenüberliegende Wand symmetrisch angeordnet und gaben den Blick auf den Garten frei. Links befand sich ein Kamin – ohne Feuer – und eine Tür, von der Harry vermutete, dass sie in ein Badezimmer führte. Rechts stand ein gemütlich wirkendes, einfaches Einzelbett, das seinem in Hogwarts ähnlich war. Davor stand sein ganzes Gepäck, das nur darauf wartete, ausgepackt zu werden.

Außerdem gab es drei komfortable Sessel und mehrere Bücherregale, die nur teilweise gefüllt waren. Darüber hinaus hingen an den freien Wänden ein paar schlichte Stillleben, vor allem Landschaftsmalereien. Genau, wie er es am liebsten mochte. Tom hatte ihn offenbar besser durchschaut, als er zunächst geglaubt hatte.
 

Was jedoch sofort Harrys Aufmerksamkeit auf sich zog, war ein Schreibtisch, der vor einem der Fenster stand. Darauf befand sich – neben Schreibzeug – eine Vase voller Schwertlilien, roter Tulpen und Jasmin.**

Langsam ging Harry darauf zu und nahm die Blumen näher in Augenschein, ehe er seinen Blick aus dem Fenster gleiten ließ und die Aussicht bewunderte. Es war ein wundervolles Zimmer und für ihn geradezu perfekt. Woher kam es nur, dass Tom ihn bereits so gut kannte?

Hinter sich hörte er, wie Fred sich auf einen Sessel fallen ließ und als er sich umdrehte, begegnete er sofort seinem Blick. Seufzend verschränkte er die Arme und sah ihn abwartend an. „Okay, bringen wir es hinter uns. Was ist los?“
 

„Der dunkle Lord, Harry?“, fragte der Zwilling ungläubig. „Das ist doch nicht dein Ernst.“

„Du kennst ihn nicht.“

„Er will dich nur ausnutzen.“

„Ihr wollt seine Todesser werden, nicht ich.“

„Du bedeutest ihm nichts!“

„Das kannst du nicht beurteilen.“

„Er ist viel zu alt!“

„Seit wann spielt Alter in so etwas eine Rolle?“

„Wir machen uns Sorgen um dich!“

„Ich werde mich trotzdem nicht in dich oder George verlieben.“
 

Schweigen folgte dieser Aussage. Fred wirkte auf einmal, als sei er geschlagen worden und sah mit zusammengepressten Lippen ins Leere. Harry seufzte abermals und setzte sich ihm gegenüber auf einen Sessel. Wow, die waren wirklich mehr als komfortabel!

„Ich... bin selbst voller Zweifel“, begann er leise. „Er ist mächtig und gefährlich. Es besteht die Möglichkeit, dass er nur mit mir spielt, aber anderseits... warum sollte er sich diese Mühe machen, Fred? Er muss einen Krieg vorbereiten. Da hat er keine Zeit, jemanden hinterherzujagen, der ihm eigentlich nichts bedeutet, oder?“

Der andere antwortete ihm nicht.
 

„Fred“, flehte Harry. „Jetzt sag doch bitte etwas.“

„Er... spielt nicht mit dir.“

„Was?“

„Auch, wenn es mir schwer fällt, das zuzugeben, aber er spielt nicht mit dir. Er hat ein Foto von dir auf seinem Schreibtisch stehen. Er hat dieses Zimmer so einrichten lassen, damit du dich wie zu Hause fühlst. Verdammt, er hat dir sogar diese Blumen da besorgt. Ich glaube, er würde dir sogar die Wolken vom Himmel holen, wenn du dafür bei ihm bleibst. Soviel haben wir in den letzten Tagen begriffen.“ Er sah ihn niedergeschlagen an. „Es wäre viel einfacher, wenn es jemand wäre, der dich nicht verdient hätte. Aber offenbar haben wir in der Hinsicht Pech gehabt.“

Eilig sprang er auf und streckte sich. „Euer Hauself... Dobby war glaub ich sein Name, ist hier, um deinen Wünschen zu entsprechen. Ruf einfach nach ihm, um dir etwas Frühstück zu besorgen und pack deine Sachen aus. Ich komm in etwa einer Stunde mit George zurück, um dir ein wenig bei der Orientierung in diesem Labyrinth zu helfen. Bis dann.“

Ohne ihm Zeit zum Antworten zu lassen, verließ er den Raum.
 

Harry sah ihm mit einem dumpfen Gefühl im Magen hinterher. „Fred...“

Er hasste es, allen in seiner Umgebung immer weh zu tun, besonders den Zwillingen. Sie waren so wunderbare Menschen und hatten das einfach nicht verdient!

//Irgendwann werden sie jemanden finden, der sie so liebt, wie du sie niemals lieben kannst//, meinte sein Verstand. //Mach dich nicht wegen ihnen fertig. Du kannst nichts dafür.//

Außerdem brachte das seine Kopfschmerzen zurück.
 

Abwesend holte er seinen Zauberstab hervor und schwenkte ihn kurz, woraufhin sein Koffer damit begann, sich selbst auszupacken. Dabei fiel ihm auf, dass seine Kleidung durch die Tür verschwand, hinter der er das Badezimmer vermutete. Offenbar befand sich dort auch ein Kleiderschrank. Momentan war er jedoch zu faul, um sich davon zu vergewissern. Aus diesem Grund rief er nach dem Hauself, der daraufhin freudig vor ihm erschien und ihn anstrahlte.

„Master Harry, Sir!“, rief er. „Dobby ist so froh, ihm dienen zu dürfen!“

Harry lächelte. „Ich freue mich auch, dich zu sehen, Dobby. Aber warum bist du hier?“
 

„Madam Bellatrix hat darauf bestanden, einen Hauselfen der Familie mit hierher zunehmen, Master Harry, Sir! Und als Dobby hörte, dass Master Harry auch hier sein würde, hat er sich sofort freiwillig gemeldet! Was kann Dobby für Master Harry tun?“

„Ähm... ein Frühstück wäre nicht schlecht, aber zuerst... warum ist Bellatrix eigentlich hier?“

„Es sind Fremde in das Haus gekommen, Master Harry, Sir. Gefährliche Fremde“, der Hauself ließ seine Ohren sinken und sah sich unruhig um. „Sie wollten Madam Bellatrix finden und sie einsperren. Darum haben der Master und dessen Meister beschlossen, dass es für sie hier sicherer ist.“

Harry dachte kurz über das Gehörte nach, ehe er nickte. „Ich verstehe... kannst du mir jetzt vielleicht etwas zu essen bringen?“

„Natürlich! Dobby macht sich sofort auf den Weg!“

Mit schlackernden Ohren verschwand der Hauself und ließ den jungen Potter alleine zurück.
 

Harry starrte für einen Augenblick auf den Punkt, wo er eben noch gestanden hatte, ehe er sich erschöpft auf dem Sessel zurück sinken ließ. In seinem Kopf begann es wieder langsam zu pochen und er schloss die Augen. Warum musste immer alles so kompliziert sein? Und wo steckte Tom? Er war extra hierher gekommen, nur um ihn wiederzusehen und jetzt...

//Er wird einen guten Grund haben und bald ist er sicher wieder da. Glaubst du wirklich, er würde sich auch nur eine Sekunde mit dir entgehen lassen, wenn es nichts wichtiges wäre?//

Nein. Das glaubte er tatsächlich nicht.

Lächelnd kuschelte er sich noch mehr in den Sessel und versank schließlich in seinen Träumen.

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* Sirius sagt in der Heulenden Hütte zu Wurmschwanz: „Du musst ganz sicher sein, dass er der größte Quälgeist auf dem Spielplatz ist, bevor du zu ihm zurückkehrst.“ (J.K. Rowling, Harry Potter und der Gefangene von Askaban)

Wer von euch hat die Anspielung bemerkt, ohne dass ich euch darauf hingewiesen habe? xD
 

** Blumensprache: Schwertlilien = Ich werde um dich kämpfen, rote Tulpen = ewig währende Liebe, Jasmin = Du bist bezaubernd
 

Das nächste Mal treffen Harry und Voldemort wieder aufeinander. Was das wohl wird? Oh je...

Liebste Grüße, Ayako

Language Of Flowers

War irgendjemand von euch vorgestern in Leipzig bei Linkin Park? Wenn ja: War das nicht einfach unglaublich? Chester ist live einfach sooo genial. Ich würde auch gerne so schreien können...... *seufz*

Okay, genug geplaudert, zurück zur FF. Danke an meine liebe Beta Robino für die Korrektur!!! <3

Und außerdem an die Kommischreiber des letzten Kapitels. *-* Ich lieb euch genauso sehr, wie Chesters Stimme und das muss was heißen! XD

In diesem Kapitel gibt es Fluff, Kitsch, Blumen, einen OOC-Tom und noch ein paar nette Gespräche mit anderen Leuten. Viel Spaß damit.

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Language Of Flowers
 

Als Harry erwachte, lag er in einem Bett. Kalte Finger fuhren liebevoll durch sein Haar und er bemerkte, dass er sich an einer weiteren Hand festklammerte. Er wusste sofort, dass er krank war. Sein Kopf pochte immer noch und sein Körper war klitschnass vom Schweiß. Außerdem war er furchtbar erschöpft, woraus er schloss, dass er das Schlimmste bereits hinter sich hatte. Ohne seine Augen zu öffnen, fragte er: „Wie lange...?“ Seine Stimme hörte sich rau an, so als hätte er sich vor einigen Minuten noch die Seele aus dem Leib geschrien. Vielleicht hatte er das tatsächlich.
 

„Zwei Tage“, flüsterte der dunkle Lord und nahm damit Rücksicht auf seine Kopfschmerzen. „Du hast dir ein paar bösartige Bakterien eingefangen. Aber keine Sorge, das schlimmste hast du überstanden. Morgen müsste es dir wieder so gut gehen, dass du das Bett kurz verlassen kannst.“

//Soviel zu Madam Pomfreys Diagnose, ich hätte mich überarbeitet//, dachte er zynisch, sah aber davon ab, irgendetwas zu sagen. Stattdessen genoss er noch einen Moment das Gefühl der Finger, die nun offenbar mit einer seiner Strähnen spielten, ehe er langsam die Augen öffnete.
 

Die Gardinen waren zugezogen, nur eine Kerze erhellte den Raum, wofür Harry mehr als dankbar war. Der dunkle Lord saß neben ihm auf dem Bett und lächelte sanft, als er seinen forschenden Blick bemerkte. Kurz betrachtete der Junge ihn. Er wirkte leicht erschöpft – wie lange er wohl bei ihm gesessen hatte? – doch ansonsten war er wie immer. Selbstbewusst, mächtig, beeindruckend. Manchmal war es wirklich mehr als unglaubwürdig, dass so jemand gerade an ihm ein Interesse entwickelt hatte.
 

„Harry?“, sagte er auf einmal. „Könntest du bitte meine Hand loslassen?“

Sofort lockerte er seinen Griff und der Mann löste sich vorsichtig von ihm, um aufzustehen. Harry beobachtete schweigend, wie er sich müde streckte. „Ich bin gleich wieder da“, versicherte er ihm, bevor er leise aus dem Raum verschwand. Da er nichts besseres zu tun hatte, ließ er seine Augen wieder zufallen und war kurze Zeit später wieder eingeschlafen.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Als er das nächste Mal erwachte, spürte er einen leichten Windzug über sein Gesicht streichen und eine zarte, überaus vertraute Hand lag auf seiner Stirn, um seine Temperatur zu messen. Zusätzlich roch er ihr Parfum, das ihn immer wieder an warme Sommertage erinnerte. Glücklichere Sommertage.

Somit war er nicht überrascht, plötzlich dieses wunderschöne Gesicht vor sich zu sehen, das ihn voller Sorge musterte.

„Mutter“, flüsterte Harry.

Es ging ihm besser. Die Kopfschmerzen waren nicht mehr ganz so schlimm und auch das Gefühl der Erschöpfung hatte nachgelassen. Ein weiteres gutes Zeichen war, dass es ihm nichts ausmachte, dass die Gardinen beiseite geschoben waren, wodurch die Sonne ungehindert in das Zimmer dringen konnte.
 

Die Hand auf seiner Stirn verschwand und Narcissa lächelte leicht. „Wie fühlst du dich?“

„Besser“, entgegnete er und versuchte, sich aufzurichten. Allerdings überlegte er es sich schnell anders.

„Bleib liegen“, sagte sie sofort. „Dir ist sicher schwindelig, nicht wahr? Dein Körper muss sich erst wieder daran gewöhnen, dass du wach bist.“

„Okay“, murmelte er und ließ sich wieder entspannt gegen sein Kissen sinken. Dabei drehte er seinen Kopf und sah sich im Zimmer um. So als würde sie seine Gedanken lesen, sagte Narcissa: „Wir haben ihn dazu überreden können, sich etwas hinzulegen. Er ist dir keinen Moment von der Seite gewichen.“ Sie lächelte leicht. „Er scheint sehr an dir zu hängen.“

„Sieht wohl so aus.“
 

„Und er passt auf dich auf“, fügte sie liebevoll hinzu. „Er weiß, wie er mit dir umgehen muss und versteht dich. Mehr könnte ich mir nicht für dich wünschen.“ Sie griff vorsichtig nach seiner Hand und führte sie an ihre Lippen um einen einfachen Kuss darauf zu drücken. „Ich verstehe eure Beziehung nicht“, gab sie zu. „Aber ich werde sie akzeptieren. Aber versprich mir, dass du auf dich Acht geben wirst.“

„Das werde ich“, sagte er. „Und danke.“

„Dafür brauchst du mir nicht zu danken, Harry“, entgegnete sie. „Versuche noch einmal, dich aufzurichten. Ich denke, dass es dir jetzt gelingen müsste.“

Mit ihrer Unterstützung schaffte er es tatsächlich, sich aufrecht hinzusetzen und an ein weiches Kissen zu lehnen.

„Brauchst du irgendetwas?“, fragte sie ihn fürsorglich.

„Ein Glas Wasser wäre nicht schlecht.“
 

Narcissa rief einen mehr als besorgt wirkenden Dobby herbei, der sich sofort auf den Weg machte, um ihm etwas zu trinken zu besorgen. Sie schwiegen, während sie darauf warteten und auch als Harry langsam damit begann, sein Glas Wasser zu trinken, wechselten sie kein Wort.

Ihr Schweigen wurde erst unterbrochen, als leise die Tür geöffnet wurde und kein geringerer als der dunkle Lord hereinkam.

Sobald er bemerkte, dass Harry wach war, schien so etwas ähnliches wie Erleichterung in sein Gesicht zu treten. „Du bist also wieder unter die Lebenden zurückgekehrt“, sagte er mit jeder Menge Sarkasmus in der Stimme.
 

Er konnte nicht anders, als zu grinsen. Ja, das war der dunkle Lord, wie er ihn kannte. „Es sieht wohl so aus“, entgegnete er und hasste sich dafür, dass er so schwach klang.

Sofort runzelte der Ältere die Stirn, während Narcissa langsam aufstand. „Ich werde nach Hause gehen und Lucius sowie deinem Bruder verkünden, dass es dir wieder besser geht. Sie haben sich große Sorgen gemacht. Wenn du mich brauchen solltest, schick einfach Dobby zu mir.“

„Okay. Auf Wiedersehen, Mutter.“

„Auf Wiedersehen, Harry“, entgegnete sie sanft. Daraufhin drehte sie sich zum dunklen Lord um, nickte ihm kurz zu und ging.
 

Tief einatmend schloss Harry wieder die Augen und kuschelte sich an das Kissen in seinem Rücken, während er hörte, wie der Mann sich auf Narcissas Stuhl niederließ. Seinen Blick auf sich spürend, öffnete er seine Augen wieder und hob fragend eine Augenbraue.

„Wie geht es dir?“, erkundigte er sich sanft.

„Besser... entschuldigt bitte, dass ich Euch so viele Umstände durch meine Krankheit bereitet habe. Ich...“
 

Der dunkle Lord hob seine Hand, um ihn zum Verstummen zu bringen. „Du musst dich nicht entschuldigen. Ich bin froh, dass du hier die Zeit und Ruhe gefunden hast, dich davon zu erholen.“ Wie so oft griff er vorsichtig nach seinen Händen, doch anstatt sie – wie sonst – zu drücken, hob er sie an und betrachtete sie. „Du mutest dir immer viel zu viel zu“, fuhr er fort, während sein Daumen damit begann, über Harrys Haut zu streichen. „Es ist kein Wunder, dass du krank wirst, wenn du dir keine Auszeit gönnst.“

„Macht Ihr euch etwa Sorgen um mich?“, fragte Harry amüsiert und verhakte ihre Finger ineinander.
 

Erwartungsgemäß erhielt er keine Antwort, doch die brauchte er überhaupt nicht.

„Entschuldige“, sagte er deshalb. „Ich werde in Zukunft besser auf mich aufpassen.“

Der dunkle Lord nickte und betrachtete weiterhin ihre Hände. Harry nutzte das dafür, ungestört sein Gesicht zu mustern. Seine weiche Haut, die inzwischen etwas dunkler geworden war, als bei ihren bisherigen Zusammentreffen – hatte er Zeit in der Sonne verbracht? Die einzigartigen, roten Augen, die er selbst unter tausenden wiedererkannt hätte. Die markanten Wangenknochen, die aristokratisch wirkende Nase und schließlich seine Lippen...
 

Unwillkürlich musste er schlucken und er entzog dem Mann seine Hände, um einen gewissen Abstand zwischen sie zu bringen. Es wurde nicht kommentiert, aber dafür fixierten die roten Irden nun sein Gesicht. Eilig senkte er den Blick und versuchte, überall hinzusehen nur nicht zu ihm.

„Habt Ihr eigentlich keine Arbeit zu erledigen?“, fragte Harry und hörte selbst, dass er mehr als nervös klang. „Soweit ich weiß, müsst ihr eine Machtübernahme vorbereiten.“
 

Das brachte ihn zum Glucksen. „Mein kleines, geniales Wunderkind, du hast, wie mir scheint, vollkommen dein Zeitgefühl verloren. Es ist Ostersonntag und auch wenn die meisten von uns nicht dem christlichen Glauben folgen, so sehen wir es als einen Grund, für eine Weile die Arbeit liegen zu lassen.“

Ah, stimmt, er war für mehrere Tage außer Gefecht gewesen! Das erklärte natürlich, warum der Mann Zeit zu haben schien. „Aber... gerade an so einem Feiertag müsstet Ihr doch sicher besseres zu tun haben, als Eure Zeit mit mir zu verschwenden...“

Der Ältere seufzte, woraufhin Harry zögernd seinen Kopf hob, um ihn anzusehen. „In so vielen Dingen so brillant und in anderen...“, murmelte er. „Wie oft werde ich es dir noch erklären müssen, damit du mir glaubst? Denkst du, ich hätte dich jetzt hierher eingeladen, wenn ich dich nicht sehen wollte? Du wirst für mich niemals eine Zeitverschwendung sein.“
 

Harry spürte, wie er rot wurde, was dem Mann offensichtlich nicht entging, deutete er sein plötzliches Grinsen richtig. „I... ich unterhalte mich auch gerne mit Euch“, gab er zu.

Der Blick des dunklen Lords wurde augenblicklich sanft. „Das freut mich, Harry. Sehr sogar.“
 

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Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet der dunkle Lord so überfürsorglich sein konnte? Andererseits machte es vielleicht Sinn. Er war besitzergreifend und dementsprechend seinem „Besitz“ – in diesem Fall leider Harry – gegenüber mehr als beschützerisch.

Sollte er dadurch eigentlich geschmeichelt oder beunruhigt sein? Wahrscheinlich... beides.
 

Dennoch konnte er nicht umhin, leicht zu lächeln, während er sich noch mehr in die Decke kuschelte, die er ihm gegeben hatte. Sie war kuschelig weich und roch nach... Tom. Langsam drehte er die Seite des Buches um, das er ihm in die Hand gedrückt hatte.

Es war ein mehr als mittelmäßiger Roman – leichte Lektüre – woraus er schloss, dass Severus ein ernstes Gespräch mit seinem Gastgeber geführt hatte. Aber es war eine entspannende Abwechslung, die er dankbar annahm und immerhin war es ihm so erlaubt worden, sein Zimmer zu verlassen und es sich in der Bibliothek bequem zu machen.
 

Der dunkle Lord selbst war nirgends zu sehen, aber vor dem Kamin lag dessen große Schlange – Nagini, wenn er sich richtig erinnerte – und beobachtete ihn aufmerksam. Wahrscheinlich hatte sie die Aufgabe, sofort jegliche Veränderung seines Zustandes zu berichten.

Er hatte immer noch das unbestimmte Gefühl, dass sie ihn nicht mochte. Eine Tatsache, die er sich nicht erklären konnte. Was hatte er denn getan, um die Abneigung einer Schlange auf sich zu ziehen? Sie hatte sich doch höchstens einmal getroffen und selbst da hatte sie ihn schon nicht gemocht. Natürlich konnte er nicht wissen, was der dunkle Lord ihr erzählt hatte. Der Mann war ein Parselmund, konnte sich also ohne Probleme mit ihr verständigen.

//Was immer es da auch zu verständigen gibt.//

Nun, vielleicht waren Schlangen ja ebenso intelligent wie Menschen.
 

Fred und George hatte er nicht mehr gesehen und Felice hatte sich immer noch nicht gemeldet, während Hermione sich immer noch von Ronald Weasley terrorisieren ließ. Es kam ihm so vor, als würden seine Freunde ihm alle nacheinander entgleiten und am Ende würde nur noch er da sein, ohne jemanden, an den er sich wenden konnte.

//Die Zwillinge werden sich wieder ein kriegen//, widersprach ihm sein Verstand. //Gib ihnen etwas Zeit.//

Und Felice?

//Es gibt sicher eine Erklärung.//

Die einzige Erklärung wäre, dass sie im sterben lag!
 

Aber daran wollte er nicht einmal denken. Wenn Felice sterben sollte... er wüsste nicht, was er dann tun würde. Sie war die Einzige, der er vorbehaltlos vertraute. Die Einzige, von der er wusste, dass sie ihn nicht einfach hintergehen würde. Selbst, wenn sie ihm nicht alles sagte, sie würde nie etwas tun, was ihm schaden könnte. Wenn sie nicht mehr wäre... würde seine Welt zusammenbrechen.
 

„Ich hätte dich nie für den Typ gehalten, der in Schwermut versinkt“, unterbrach eine Stimme seinen Gedankengang. Harry spürte, wie sich sofort ein Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete und hasste sich innerlich dafür, dass es ihm sofort besser ging, jetzt wo er da war.

„Es gibt viele Dinge, die Ihr nicht über mich wisst, Mylord“, sagte er neckend. „Habt Ihr es Euch wirklich gut überlegt, als Ihr mich hierher eingeladen habt?“
 

„Ich denke schon“, entgegnete der Mann und drückte ihm einen Trank in die Hand. „Trink ihn. Severus hat ihn gebraut. Er hilft dir dabei, schnell gesund zu werden.“

Misstrauisch roch Harry daran und stellte zu seiner Zufriedenheit fest, dass es sich tatsächlich um einen Heiltrank handelte. „Wie ist die Dosierung?“, erkundigte er sich.

„Den ganzen Behälter“, entgegnete der dunkle Lord, der sich an ein Regal gestellt hatte und mit seinen Fingern über die Buchrücken fuhr. „Vorerst.“

Mit anderen Worten, die Dosierung würde bald heruntergesetzt werden, je nachdem, wie sich Harrys Gesundheitszustand in den nächsten Tagen entwickelte.
 

Inzwischen war es Ostermontag geworden, weshalb die Todesser zum größten Teil noch ihre Zeit mit ihren Familien genossen. Bellatrix war zu diesem Anlass zu ihrer Schwester gereist – zu ihrem großen Missfallen ohne Harry.

„Du solltest mitkommen“, hatte sie mit einem Schmollmund gesagt. „Es geht dir doch schon besser und Cissy würde sich so sehr freuen!“

Doch er hatte sich geweigert. Obwohl er Konflikte sonst beendete, bevor sie außer Kontrolle geraten konnten, weigerte er sich in diesem Fall, von sich aus eine Entspannung zu erreichen. Lucius hatte den Toleranzbogen überspannt. Jetzt konnte er selbst sehen, wie er da wieder herauskam.
 

„Gehörst du nun zu den Menschen, die in Schwermut versinken?“, fragte der dunkle Lord, während Harry schnell den Trank schluckte. Ekelhaft!

„Ab und an tue ich es tatsächlich“, gab er zu und widmete sich wieder seinem Buch. „Aber in der Regel hält es nicht lange an. Man muss mir nur eine Zerstreuung geben und schon ist jegliche Schwermut vergessen.“

„Gut zu wissen“, entgegnete der Andere und zog ein Buch aus dem Regal hervor. Im Stehen öffnete er es und begann schnell, durch die Seiten zu blättern, bis er an einer bestimmten Stelle innehielt und stattdessen die betreffende Seite überflog.
 

„Du hättest deine Familie besuchen sollen“, sagte er plötzlich.

„Wegen Abraxas?“, fragte Harry.

„Er hätte sich gefreut, dich noch einmal zu sehen.“

„Er wird mich noch einmal sehen. Ihr müsstet ihn kennen, bevor er stirbt, wird er darauf bestehen, noch mit jedem ein Gespräch zu führen.“

„Der Tod ist oft schneller, als man denkt.“
 

Harry blickte von seinem Buch auf und sah zu ihm hinüber. „Er ist ein Teil unseres Lebens“, sagte er sanft. „Niemand kann ihn aufhalten, Tom. Weder du noch ich.“

Nagini gab plötzlich ein aufgebrachtes Zischen von sich, das den dunklen Lord dazu brachte, leise zu glucksen. „Es ist sehr interessant, wie du mit der Art und Weise umgehst, mich anzusprechen. In einem Moment begegnest du mir mit Respekt und klingst wie einer meiner Todesser und im nächsten Satz nennst du mich Tom...“, er drehte sich zu ihm um und seine Augen leuchteten amüsiert. „Ich frage mich, wann du dich entscheiden wirst.“
 

Es war als Scherz gemeint, doch Harry nahm es ernst. „Ich weiß es nicht“, sagte er und legte das Buch beiseite. „Ich wünschte mir, ich könnte dich Tom nennen. Es würde alles so viel einfacher machen.“

„Einfacher?“ Er lehnte sich an das Bücherregal und wandte ihm seine volle Aufmerksamkeit zu. „Inwiefern?“

„Ich könnte mir einreden, dass du einfach nur Tom Riddle wärst. Ein einfacher Mensch, dem ich ohne Vorbehalte Vertrauen könnte.“

„Aber das kannst du nicht.“

„Nein.“ Er schüttelte mit dem Kopf. „Denn wenn ich das täte, würde ich einen wesentlichen Teil vergessen.“

„Und der wäre?“

„Der dunkle Lord.“ Seine Augen verengten sich, während er über diese Worte nachdachte, weshalb Harry fortfuhr: „In erster Linie seid ihr der dunkle Lord und das ist jemand, dem ich nie vertrauen werde. Ich werde nie wissen, ob er mich nur manipuliert, um seine Ziele zu verwirklichen oder ob wirklich Wahrheit hinter seinen Worten steckt.“
 

Nagini zischte abermals, aber keiner der beiden achtete auf sie. Harry wünschte sich, der Andere würde irgendetwas sagen. Etwas ironisches, etwas verletzendes, einfach irgendetwas! Hauptsache nicht dieses Schweigen, das ihn fürchten ließ, dass er ihn vielleicht doch mit diesen Worten... getroffen hatte.

Nein. Das hatte er sicher nicht. Soviel Macht hatte er nicht über ihn. Oder?
 

„Tom“, flüsterte er. „Ich möchte dir vertrauen. Wirklich. Aber ich kann es nicht.“

„Warum bist du dann hier?“, wollte der dunkle Lord wissen. Seine Stimme war emotionslos ebenso wie sein Blick. Harry beschloss, dass er diese Seite an ihm hasste. Sie war wie eine Maske. //Wie Lucius' Maske.//

„Weil ich hier sein möchte“, entgegnete er trotzig und reckte herausfordernd sein Kinn. „Ich mag dieses Haus sehr gerne, weißt du?“
 

„Du?“, wiederholte er und das amüsierte Funkeln kehrte zurück. „Hast du dich jetzt doch für die unhöflichere Variante entschieden?“

„Ich bin dein Gast“, meinte Harry nur und zuckte mit den Schultern. „Und wir beide wissen, dass zwischen uns eine gewisse Verbindung existiert. Mit diesem Sachverhalt sehe ich es als angebracht, die Förmlichkeiten vorerst fallen zu lassen. Außerdem wird es auch deinem Charakter gut tun, wenn du mal eine Person um dich hast, die dich nicht wie einen Gott behandelt.“

„Du übertreibst. So sehr verehren sie mich nun auch wieder nicht.“

Harry schnaubte nur und schlug erneut sein Buch auf. „Was immer du sagst, Tom. Was immer du sagst.“
 

So wurde trotz aller Vorbehalte und Zweifel aus dem dunklen Lord ein für alle Mal Tom. Doch das bedeutete nicht, dass es dadurch einfacher wurde. Eher das genaue Gegenteil.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Am nächsten Tag kam Draco zu Besuch. Er begleitete eine Bellatrix mit einem offensichtlichen Kater, die daraufhin in ihr Zimmer flüchtete und die nächsten Stunden nicht mehr gesehen wurde. Harry und Draco machten es sich derweile in dem Raum gemütlich, der dem jungen Potter zugewiesen worden war und die erste halbe Stunde verbrachte der Malfoy damit, diesen staunend zu bewundern.

„Was zum Teufel hast du getan, um ihn dazu zu bringen, dir so einen Raum zur Verfügung zu stellen?“, fragte er erstaunt. „Sag mir nicht, du bist so gut im Sex!“
 

Harry seufzte und nippte an dem Tee, den Tom ihm mit einem strengen Blick aufgetragen hatte, zu trinken. „Wir schlafen nicht miteinander.“

Draco verdrehte die Augen und ließ sich auf einen Sessel fallen. „Klar. Natürlich nicht. Harry, selbst Mom spricht schon davon, dass ihr beide etwas miteinander habt und wenn sie damit anfängt, muss sie Beweise haben. Du kannst also ruhig damit aufhören, es ab zu streiten.“

„Ich streite es auch nicht ab“, meinte er gelassen. „Ich stelle nur Fakten richtig. Wir. Schlafen. Nicht. Miteinander. Punkt. Momentan geht es Tom nur darum, dass ich wieder gesund werde.“

„Tom? Er hat dir erlaubt, dich so zu nennen?“

„Ihm blieb nicht wirklich etwas anderes übrig.“
 

Dracos Augen wurden so groß wie Teller, als er diese Worte hörte. „Du... wirst mir immer unheimlicher“, hauchte er. „Eine Armee voller Hauselfen, deine Grausamkeit gegenüber Hermione und jetzt auch noch das... wer bist du und was hast du mit meinem Bruder gemacht?“
 

„Du machst dich gerade lächerlich, Draco“, bemerkte Harry mit einem leichten Lächeln. „Dass ich in Hermiones Fall schweige, hat nichts mit Grausamkeit zu tun. Es ist ihre eigene Schuld.“ //Immerhin habe ich ihr meine Hilfe angeboten. Wenn sie ablehnt, ist es nicht mein Problem.// „Was die Hauselfen anbelangt... sie sind nicht meine Armee. Sie sind nur froh, wenn ich ihnen dabei helfe, die Mahlzeiten zu verbessern. Und was Tom angeht... so sind wir inzwischen so etwas wie Freunde geworden, denke ich.“
 

„Freunde, natürlich.“ Der Sarkasmus in Dracos Stimme wurde nur noch durch seinen Zynismus geschlagen. „Na gut, ich werde mich nicht weiter einmischen. Tu, was immer du willst, aber bitte lass dich nicht umbringen. Es würde Mutter das Herz brechen und auch so... wird unsere Familie wahrscheinlich in naher Zukunft genug zu trauern haben.“
 

Sofort wurde Harry ernst. „Abraxas?“

„Natürlich. Er versucht, es sich nicht anmerken zu lassen, aber wir sind seine Familie. Wir wissen, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist.“ Draco zögerte kurz, bevor er bekannte: „Ich will nicht, dass Großvater stirbt. Was soll denn ohne ihn aus uns werden?“

„Ich weiß, was du meinst“, entgegnete sein Bruder seufzend und trank einen weiteren Schluck des Tees. „Abraxas ist ein großartiger Mensch, der es bisher immer geschafft hat, die Familie zusammenzuhalten. Sein Tod wird schrecklich werden, aber wir werden ihn überstehen.“

Der Slytherin wirkte nicht sonderlich überzeugt, weshalb er hinzufügte: „Er hatte ein langes, erfülltes Leben. Er stirbt als ein glücklicher Mensch und mit dem Wissen, dass er dazu beigetragen hat, diese Welt zu verbessern. Es ist an der Zeit für ihn zu gehen und das weiß er. Ich sage nicht, dass es falsch wäre, um ihn zu trauern. Wir werden es alle tun. Aber es sollte für uns auch kein Weltuntergang sein.“
 

„Du hast wahrscheinlich Recht“, sagte Draco seufzend. „So wie immer. Geht es dir gut? Du siehst noch ziemlich blass aus.“

Kurz brachte ihn der Themenwechsel aus dem Konzept, doch er fing sich schnell wieder und antwortete: „Ich fühle mich gut, keine Sorge. Später werde ich wahrscheinlich auch endlich einen Fuß aus dem Haus setzen dürfen.“ Er verzog das Gesicht. „Tom ist schlimmer als Narcissa, was Ausgangssperren nach Krankheiten angeht.“
 

„Das geht?“, fragte Draco verblüfft. „Dabei übertreibt sie doch schon immer.“

„Nein, sie ist im Vergleich zu ihm geradezu nachlässig. Solange ich nicht völlig gesund bin, stehe ich unter ständiger Beobachtung und aufstehen geht ohnehin nicht. Wirklich, ich war zwar krank, aber ich liege nicht im Sterben.“

„Er macht sich wohl einfach Sorgen um dich“, analysierte der Malfoy die Situation. „Du kannst ja mit nach Hause...“

„Nein“, unterbrach ihn Harry und ein dunkler Schatten schien sich über sein Gesicht zu legen. „Du weißt, was geschehen muss, damit ich dieses Haus wieder betrete. Die einzige Ausnahme werde ich für Abraxas machen, wenn er mich an sein Totenbett ruft und wenn seine Beerdigung stattfindet. Doch sonst gibt es nichts, was mich dazu bringen würde, dorthin zurückzukehren.“
 

„Du bist so ein Sturkopf“, kommentierte Draco kopfschüttelnd. „Wir vermissen dich. Sogar Vater, obwohl er es nie zugeben würde.“

Anstatt darauf zu antworten, begann er ein neues Thema: „Du bist heute richtig schick angezogen. Wen willst du beeindrucken? Doch nicht etwa mich?“
 

Es stimmte. Sein Bruder trug edle Kleidung, die eines Malfoys mehr als würdig waren und seine Haare waren zu einer ordentlichen Frisur gekämmt. Doch selbst das konnte nicht den erschöpften Ausdruck in seinen Augen vertreiben. Harry ahnte, woher er stammte. Es konnte nicht einfach sein, dabei zuzusehen, wie die Frau, die man liebte, mit ihrem Peiniger zusammen war.
 

„Sei nicht albern, Harry“, entgegnete er abweisend. „Ich bin nachher zu einem Mittagessen in dem wohl elegantesten Restaurant Londons geladen und habe keine Zeit, mich davor noch einmal umzuziehen.

„Tatsächlich?“, sagte er mit gehobenen Brauen. „Und mit wem wirst du dich da einfinden?“

„Den Parkinsons“, sagte Draco so beiläufig, als würde er über das Wetter und nicht der Familie seiner Verlobten reden. „Pansy hat darauf bestanden.“
 

„Du solltest die Verlobung auflösen.“

„Bist du wahnsinnig? Mr. Parkinson würde mich umbringen, von Vater ganz zu schweigen.“

„Ihr passt nicht zueinander und werdet euch nur unglücklich machen.“

„Es ist eine politische Ehe. Ich erwarte kein Glück.“

„Pansy und Hermione sind nicht die einzigen Mädchen auf dieser Welt, Draco. Es gibt noch viele andere, die um einiges geeigneter wären, deine Frau zu werden.“
 

Mit einer fließenden Bewegung stand Draco auf und funkelte ihn geradezu an. „Erzähl du mir nichts von Frauen, Harry. Es ist nicht wirklich so, als ob du Ahnung von ihnen hättest, oder? Und jetzt entschuldige mich, ich muss zu einer Verabredung mit meiner Verlobten. Gute Besserung noch.“

Ohne ihm eine Chance zur Antwort zu geben, rauschte er davon.
 

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Später an diesem Tag irrte Harry durch die Gänge des Hauses, um einen Weg in den Garten zu finden. Es war nicht einfach, sich hier zurecht zu finden und er war froh, dass sich sein Gesundheitszustand enorm verbessert hatte, sonst hätte er es sich nicht zugetraut, unbeschadet durch das Haus zu kommen. Inzwischen hatte er es immerhin bereits geschafft, ins Erdgeschoss vorzustoßen, weshalb er gerade darüber nachdachte, einfach aus einem Fenster zu steigen, als er hinter sich Schritte näher kommen hörte.
 

„Harry!“, rief jemand überrascht. „Was machst du denn hier? Geht es dir denn schon gut genug, um alleine durch das Haus zu laufen?“

Es war Peter Pettigrew. Um seine Schulter hing ein Handtuch auf das stetig Wasser tropfte – offenbar hatte er gerade geduscht. In einer Hand hielt er ironischerweise ein Stück Käse und sein Gesichtsausdruck war freundlich und offen.
 

Harry kratze sich verlegen im Nacken und schilderte ihm sein Orientierungsproblem, worauf Peter fröhlich lachte und ihm anbot, ihn zum Ausgang zu führen. „Jeder verläuft sich hier, besonders am Anfang“, erklärte er ihm. „Dieses Haus ist einfach viel zu groß, besonders wenn man bedenkt, dass es nur einer Person gehört. Wahrscheinlich hat er uns deshalb als Gäste zu sich eingeladen.“

„Sicherlich“, meinte Harry sarkastisch. „Die Tatsache, dass ihr vom Ministerium gesucht werdet, hat damit natürlich nichts zu tun.“
 

Peter boxte ihm spielerisch in die Seite. „Sei nicht so frech, Potter“, meinte er und versuchte, streng zu wirken – was ihm fürchterlich misslang. „Doch es stimmt, der dunkle Lord kümmert sich gut um uns.“

„Na, wenigstens etwas. Sind Rodolphus und Rabastan eigentlich inzwischen aufgewacht?“

„Offenbar schon“, informierte ihn der Animagus. „Aber noch müssen sie in Deutschland bleiben, um sich ganz zu erholen. Sie sind dort ja in einem Hospital und werden gesund gepflegt. Askaban hinterlässt auf jeden seine Spuren und sie hatten es wirklich nicht leicht, da die Dementoren ihre Seelen geradezu liebten. Bellatrix und ich selbst hatten etwas mehr Glück.“

„Stimmt, euer Wahnsinn hält sich in Grenzen.“

„Dein Sarkasmus ist ziemlich beleidigend, weißt du das?“

„Es wurde mir öfter gesagt, ja. Ah, hier geht es also nach draußen?“, fügte er hinzu, als sie eine Art Wintergarten betraten aus dem eine Tür in den Garten führte.
 

Der ganze Raum war sonnendurchflutet und durch den geöffneten Ausgang drang ein warmer Wind ins Gebäude ein. Draußen konnte er mehrere, blühende Büsche und Sträucher sehen, sowie einen Weg, der offenbar weiter hinaus führte.

„Ja“, sagte Peter. „Offensichtlich. Der Garten ist ziemlich groß, größer als die Ländereien um Malfoy Manor, Harry. An einem anderen Tag kannst du dich ruhig genauer umsehen, aber heute solltest du lieber in Sichtweite des Hauses bleiben. Ich sehe zwar, dass es dir gut geht, aber du bist noch nicht völlig gesund. Es wäre nicht gut für dich, irgendwo mitten im Wald umzukippen.“

„Ich werde vorsichtig sein“, versprach Harry. „Danke für die Hilfe.“

„Kein Problem. Es freut mich, dir helfen zu können. Wir sehen uns.“ Damit drehte er sich um und verschwand irgendwo im Inneren des Hauses.
 

Derweile trat Harry hinaus ins Freie und zog sofort genussvoll die frische Luft ein, die nach Frühling roch. Und vielen verschiedenen Blüten. So ein Garten zeigte, wie praktisch es sein konnte, aus einer alten Adelsfamilie zu stammen, denn etwas anderes konnte man von Salazar Slytherin wirklich nicht behaupten. Zwar hatte es in den magischen Welt niemals Könige oder Königinnen gegeben, aber wirklich einflussreiche Köpfe waren in der Lage gewesen, sich in der Muggelwelt an die Spitze der Gesellschaft zu setzen.
 

Während er langsam voran schlenderte und die wunderschöne Umgebung bewunderte, fragte er sich unwillkürlich, wie viele Hauselfen der dunkle Lord wohl befehligte, um dieses Grundstück zu bewirtschaften. Alles wirkte gepflegt und lebensfroh, ganz anders, als man es sich bei einem Mann seiner Stellung vorstellte. Normalerweise herrschte nur in weißmagischen Gärten eine solche Atmosphäre, nicht einmal Malfoy Manor konnte solch eine Blütenvielfalt bieten. Wie er das wohl schaffte?
 

Auf seinem Weg begegnete er tatsächlich der ein oder anderen Elfe, doch keine von ihnen ließ sich von ihm stören. Er bemerkte, dass sie sehr sorgsam mit den Pflanzen umgingen, ob Tom sie dazu aufgefordert hatte? Harry würde wirklich gerne wissen, wie der Mann es schaffte, so einen Garten am Leben zu erhalten.

Es war wunderschön hier und seine ganzen Sorgen schienen von ihm abzufallen. Bisher hatte er eigentlich geglaubt, die Bibliothek würde sein Lieblingsort werden, aber das hier hatte eindeutig gewonnen. Es würde lange dauern, bis er das ganze Gelände erkundet hatte und er war sich sicher, dass noch die ein oder andere Überraschung auf ihn wartete.
 

Um sich nicht zu verlaufen, folgte er zunächst einem Weg, der parallel zum Haus verlief. Es war ein sonniger Weg und in regelmäßigen Abständen gab es eine Bank, auf die man sich niederlassen konnte. Fast, wie ein öffentlicher Ort. Früher waren hier sicher viele Zusammenkünfte von statten gegangen. Was diese Mauern und Bäume wohl schon alles beobachten konnte? Liebesbeziehungen, geheime Affären, Freundschaften, die ersten Schritte eines Menschen, Verrat, Hass, Kämpfe...?

Wie viele Familienmitglieder waren hier geboren und hatten später den Tod gefunden? War Tom auch hier aufgewachsen?
 

Wie sah Toms Vergangenheit eigentlich aus? Er hatte offenbar Gellert Grindelwald gekannt, soviel war ihm klar. Sie mussten sich nahe gestanden haben, ansonsten würde sich kaum sein Grabstein in dem Kreuzgang befinden, der irgendwo in der Mitte des Gebäudes sein musste.

Außerdem war er mit Abraxas zur Schule gegangen, was der Grund für ihre enge Freundschaft war. //Er ist wirklich alt.//
 

Warum sah er noch so jung aus? Warum war es ihm selbst eigentlich nicht unangenehm, mit so jemanden eine Beziehung zu entwickeln?

//Weil Alter in so etwas keine Rolle spielt. Das hast du selbst zu Fred gesagt.//

Gesund war es trotzdem nicht.

//Das hat auch keiner behauptet.//
 

Kopfschüttelnd folgte er einer Wegbiegung – und blieb erschrocken stehen.

Direkt am Haus war offenbar erst vor kurzem ein Beet angelegt worden, zumindest schloss er das aus der frischen Erde. Dummerweise war es nicht irgendein Beet, sondern ein Beet voller Madonnenlilien. Mehrere Augenblicke starrte er die weißen Blüten an – sie dürften eigentlich noch gar nicht blühen, es war viel zu früh – ehe er langsam auf sie zuging und sie genauer in Augenschein nahm.

Vorsichtig streckte er seine Hand aus und strich sanft über eine Blüte, die sich geradezu in seine Berührung zu lehnen schien. Kein Wunder. Pflanzen waren auch nur Lebewesen und seine Fähigkeiten als Tempus Amicus musste auf sie genauso sehr wirken, wie auf Menschen.
 

Auf einmal wurden hinter ihm Schritte laut und er war nicht überrascht, als er kurz darauf Toms Stimme hörte: „Lilien sind Blumen mit einer großen, symbolischen Kraft. Sie stehen einerseits für den Tod, doch andererseits für die Reinheit und Licht.“ Er trat neben Harry und sah ihn von der Seite aus an. „Sie erinnern mich an dich.“

Harry drehte sich zu ihm um und legte seine Hand auf Toms Wange. „Du glaubst also, es ist meine Lieblingsblume?“, fragte er belustigt.
 

Unsicherheit schien in den sonst so selbstbewussten Augen aufzuleuchten, aber ehe er die Chance darauf hatte, ihm eine Antwort zu geben, stellte Harry sich auf seine Zehenspitzen und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. Kurz genoss er das Gefühl, das diese im Grunde schlichte Geste in ihm heraufbeschwor, dann löste er sich bereits wieder von ihm und schmiegte sich stattdessen an seine Brust. Vertrauensvoll schlang er seine Arme um den Bauch des Älteren und lauschte seinem Herzschlag.

„Ich danke dir“, flüsterte er.

Als Antwort legten sich zwei Arme um seinen Körper und drückten ihn fest an den Anderen.
 

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Liebe Luna,
 

wie du sicher weißt, verbringe ich meine Ferien beim dunklen Lord. Die letzten Tage bin ich bedauerlicherweise krank gewesen, aber jetzt geht es mir wieder gut und ich nutze meine Zeit damit, das Grundstück zu erkunden. Es ist schön hier, aber ich vermisse dich und Felice.

Weißt du, wie es ihr geht? Falls du mit ihr Kontakt haben solltest, könntest du ihr mitteilen, dass ich gerne wieder einmal etwas von meiner besten Freundin hören würde? Danke dir.

Ich hoffe, du kannst deine Zeit auch genießen, habt ihr eigentlich ebenfalls Ferien?
 

Liebe Grüße,

Harry.

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Über die Kussszene habe ich sicher einen Monat lang nachgedacht. Ich habe es auch auf andere Arten versucht, aber das hier ist mein persönlicher Favorit. Wer was dagegen hat, kann es mir gerne mitteilen, ich ändere es trotzdem nicht. xP

Das nächste Mal gibt es ein Wiedersehen mit Nagini, mindestens ein Harry/Tom-Gespräch und die ein oder andere Dramatik...

Liebste Grüße, Ayako

Sleep Tight

Danke an alle Kommischreibern des letzten Kapitels sowie – natürlich – meiner liebsten Beta für die Korrektur!! *sie knuddel* Schon interessant, wie viele neue Namen man lesen kann, sobald es eine Kussszene gab....

However, es gab ein paar Fragen, die sich gehäuft haben und die ich an dieser Stelle noch einmal für alle beantworten möchte.
 

Zum einen wurde ich gefragt, ob ich Ron Weasley nicht leiden kann, da er in dieser Fanfiction so schlecht dargstellt wird. Die Antwort ist: Doch, ich mag ihn sogar sehr. Er ist ein toller Charakter und in der Regel mag ich es nicht, wenn man ihn schlecht darstellt. Bei mir ist er so geworden, wie er ist, da er der Einzige ist, der in die Rolle passt, die ich ihm zugedacht habe.
 

Außerdem hat man mich gefragt, welche Rolle Wurmschwanz in dieser Fanfiction spielt. Es ist definitiv eine Nebenrolle und er ist diesmal weder „böse“ noch ein „Verräter“, sondern tatsächlich so nett, dass es sogar mir fast unheimlich wird. Jedenfalls haben wir (bzw. Harry) von seiner Seite nichts zu befürchten. ^^
 

So, ich hoffe, dass jetzt alle Klarheiten beseitigt wurden. ;)

Jetzt viel... Spaß beim Kapitel. Meine Beta fand es traurig, das heißt, ihr solltet vielleicht ein Taschentuch bereithalten....

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Sleep Tight
 

Obwohl ihr Meister ihr verboten hatte, dem Jungen zu nahe zu kommen, hatte Nagini sich an diesem Tag über die Anordnung hinweggesetzt und war zu dem Sofa geglitten, auf dem Harvey-Harry gerade eingeschlafen war. Langsam richtete sie ihren Körper auf, sodass sie in sein Gesicht sehen konnte, um ihn genauer zu mustern. Sie verstand immer noch nicht, was ihr Meister an ihm fand. Er war doch nur ein gewöhnlicher Junge! Gut, er sah hübscher aus, als manch andere Menschen und seine Aura war mehr als anziehend, aber für ihren Geschmack hatte sie zu viel Ähnlichkeit mit Duddelbores.
 

Außerdem hatte er einen mehr als schlechten Einfluss auf ihn. Er wurde weich, interessierte sich plötzlich für Blumen – ausgerechnet langweilige, nutzlose Blumen! Hätten es denn nicht wenigstens Mäuse sein können? – ging mit seinen Untertanen zu nachlässig um und – was am schwerwiegendsten war – er ignorierte sie. Sie, die immer für ihn da gewesen war, seit seiner frühesten Jugend! Die all seine Pläne unterstützt hatte und immer an seiner Seite war!

Und wozu das alles? Für einen einfachen Jungen!

Der einzige Grund, warum sie ihn nicht schon längst umgebracht hatte, war einfach, aber ebenso schwer zu akzeptieren. Harvey-Harry war in der Lage, ihn zu entspannen, ihm eine Auszeit zu liefern und ihn noch glücklicher zu machen, als er es mit Gellert gewesen war. Er war demnach gleichzeitig ein schlechter Einfluss wie ein wahrer Segen und das... war schwer zu verdauen.
 

Wenn er wenigstens ein Parselmund wäre! Dann könnte sie sich mit ihm verständigen und dafür sorgen, dass er gut auf ihren Meister Acht gab, aber so war er sicher zu nichts zu gebrauchen. Überhaupt sah er schwach aus. Einfach nicht für ihn geeignet, ja unter seiner Würde! Wie konnte ihr Meister sich weiter mit ihm abgeben?

Die Augen verengend näherte sie sich ihm und streckte ihre Zunge aus, um an ihm zu schmecken. Es war nicht... schlecht. Recht angenehm sogar. Doch selbst das änderte nichts daran, dass sie ihn niemals mögen würde. Er hatte die Aufmerksamkeit ihres Meisters nicht verdient!
 

Auf einmal begannen seine Lider zu flattern, bis schließlich zwei verschlafene Augen ihren Blick erwiderten. Kurz konnte sie Angst in ihnen sehen – kein Wunder, auch ihr Meister erschrak sich jedes Mal aufs Neue, wenn sie ihn so aus dem Schlaf holte – allerdings war sie so schnell wieder verschwunden wie sie gekommen war und stattdessen blinzelte er. „Kann ich dir irgendwie helfen oder hast du vor, mich zu beißen?“, fragte er ruhig.

Überrascht ließ sie ihren Kopf zurück schnellen. Sie hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit einer so sachlichen Frage. Normalerweise behandelten sie alle wie... ein einfaches Tier, das keinen Schimmer Intelligenz in sich trug. Aber dieser Junge... offenbar war er anders, als sie bisher angenommen hatte.
 

„Das interpretiere ich als ein Nein“, schlussfolgerte er und richtete sich langsam auf. Gähnend streckte er sich, ohne sich im geringsten von ihrer Anwesenheit stören zu lassen. Danach ließ er seine Augen kurz suchend durchs Zimmer wandern, bevor er sich wieder ihr zuwandte.

„Ich weiß nicht warum“, begann er, „aber du scheinst mich nicht zu mögen.“

Da hatte er Recht.

Doch zu ihrer Überraschung lächelte er leicht. „Dabei ist das so schade. Du bist so wunderschön. Es wäre mir eine Ehre gewesen, mich dein Freund nennen zu dürfen.“

Wäre sie ein Mensch, wäre sie nun rot geworden. Was sagte dieser Junge da?

„Nun, es sollte eben nicht so sein“, meinte er bedauernd, seine Augen immer noch auf die ihren fixiert. „Da kann ich wohl am wenigsten etwas machen.“
 

Bevor Nagini irgendwie reagieren konnte, hörte sie die Schritte ihres Meisters näherkommen, die verblüfft im Türrahmen inne hielten. Sofort drehte Harvey-Harry sich zu ihm um und lächelte. Es war ein Sonnenaufgangslächeln. Eines, dass selbst sie an das Gute in allen Dingen glauben ließ. Auf einmal schien es gar nicht mehr so abwegig, dass ihr Meister so sehr von ihm fasziniert war.

„Hey“, sagte er leise. „Du bist schnell gewesen.“

„Es war nicht schwer, sie zu überzeugen“, entgegnete ihr Meister und näherte sich ihnen langsam. „Wie ich sehe, hast du dich mit Nagini vertraut gemacht.“
 

Sein Tonfall war misstrauisch, weshalb sie sich aufgebracht zu ihm umdrehte und zischte: „Ich habe ihn nicht angerührt! Wir haben uns nur unterhalten!

Unterhalten?“, entgegnete er Stirn runzelnd. „Harry ist kein Parselmund. Er kann sich überhaupt nicht mit dir unterhalten.

Kann er sehr wohl! Er hat mich als wunderschön bezeichnet und es als eine Ehre empfunden, mich zu kennen! Eine Ehre! Wenigstens einer, der endlich meinen Wert erkennt!

Er schien leicht verwirrt. „Hast du ihn nicht ursprünglich gehasst?

Da wusste ich noch nicht, wie vernünftig und intelligent er ist! Eine Ehre!

Mit diesen Worten ließ sie ihren Kopf auf den Boden fallen und begann eilig, auf den Ausgang zu zu schlängeln.
 

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Harry sah der Schlange hinterher, bevor er wieder Tom ansah. Er wirkte leicht erschöpft – die Verhandlungen, die er soeben geführt hatte, mussten doch anstrengender gewesen sein, als er es zugeben wollte – aber gleichzeitig amüsiert. Mit einem leisen Glucksen ging er auf ihn zu. „Es scheint mir, als hättest du es geschafft, sie dazu zu bringen, ihre Meinung über dich zu überdenken. Eine beachtliche Leistung, wie ich dir versichern kann.“

Er kam direkt vor ihm zum Stillstand und beugte sich zu ihm hinab, um einen sanften Kuss auf seine Stirn zu drücken. Harry rührte diese für einen dunklen Lord ungewöhnlich liebevolle Geste. Er war sich beinahe sicher, dass er dies bei keiner anderen Person jemals getan hatte.
 

„Du siehst müde aus“, flüsterte Harry, als der Mann sich wieder von ihm zurückzog und stattdessen neben ihm Platz nahm. „Du solltest dich ausruhen.“

Als Antwort ließ Tom seinen Kopf auf Harrys Schulter gleiten und schloss die Augen. „Warum denkst du, bin ich hier?“

Wärme breitete sich in seinem Körper aus und er begann vorsichtig damit, mit einer Hand über den Kopf des Älteren zu streichen. „Ich weiß es nicht. Vielleicht lesen? Oder eine tiefgründige Unterhaltung über die Dialekte von Schlagen führen?“

„Deine Anwesenheit wird es immer schaffen, mir Unterhaltung zu verschaffen“, entgegnete er trocken. „Dennoch liegst du mit deiner Theorie nicht falsch, Schlagen verfügen tatsächlich über Dialekte.“

„Wirklich?“, fragte er. Seine Ravenclawneugier war geweckt.

„Wirklich“, bestätigte er und schlang einen Arm um Harrys Schulter, um ihn näher an sich zu ziehen.
 

Seit ihrem Kuss vor zwei Tagen war er sehr anhänglich geworden. Zwar hatte er bisher noch keine Wiederholung verlangt, doch dafür zog er ihn ohne Vorwarnung in eine Umarmung oder stellte auf andere Art und Weise Körperkontakt her. Nicht, dass es Harry störte. Es tat gut, ihm nahe zu sein, auch wenn ihn seine Geduld etwas misstrauisch werden ließ. Andererseits hatte er in ihrer „Beziehung“ immer eine mehr als bewundernswerte Geduld besessen.
 

Lächelnd schloss er die Augen und wollte gerade fragen, ob Tom ihm mehr über Schlagen und ihre Dialekte erzählen würde, als ein lautes „Plopp“ ertönte und Dobbys Stimme verkündete: „Es ist ein Brief für Master Harry angekommen!“
 

Er war von Neville. Nichts besonderes, nur ein paar nette Worte, eine Einladung in sein Haus, von der er bereits damit rechnete, dass Harry sie ablehnen würde und die Versicherung, dass er sich schon auf ihr Wiedersehen freute. Eine freundschaftliche Nachricht, die ihm ein mehr als schlechtes Gewissen machte. Würde Neville sich immer noch freuen, wenn er wüsste, dass Harry gerade im Haus seines schlimmsten Feindes war und ihn sogar geküsst hatte?
 

„Ist alles in Ordnung?“, erkundigte sich Tom mit einer Spur Besorgnis in der Stimme. Er hatte ihn offenbar beim Lesen beobachtet, hatte jedoch stillschweigend das Briefgeheimnis respektiert. Ein Fortschritt, wie der junge Potter feststellen musste. „Du bist plötzlich so verspannt...“

„Es ist alles bestens“, sagte er nur. Natürlich wurde ihm nicht geglaubt.

„Von wem ist der Brief?“

Harry zögerte kurz. „Neville.“
 

Die Temperatur im Raum schien plötzlich um einige Grade zu sinken und der Griff um seiner Schulter verfestigte sich. „Longbottom.“ Die Feindseligkeit war nicht zu überhören.

„Er ist mein bester Freund.“

„Er ist ein Nichts! Nur Glück...“

Harry riss sich von ihm los und drehte sich zu ihm um. „Er ist mein bester Freund“, wiederholte er.

„Weiß er, dass du ein Tempus Amicus bist?“

„Das hat damit nichts zu tun.“

„Weiß er, dass du hier bist?“

„Er...“

„Weiß er, wer du bist?“

„Das spielt keine Rolle.“
 

„Deine Freundschaft mit ihm ist eine Illusion!“, widersprach Tom, doch er war nun zu einem sanften Tonfall übergegangen für den Harry ihn unwillkürlich hasste. Er zeigte damit ein Verständnis, das er im Moment nicht sehen wollte. „Sie würde in dem Augenblick auseinanderbrechen, in dem er bemerkt, dass du nicht das bist, was er in dir zu sehen glaubt. Es ist besser, wenn du diesen Fakt jetzt akzeptierst, als wenn dir dadurch dein Herz gebrochen wird.“

Harry wollte ihm bereits ein Gegenargument liefern, als er plötzlich in eine feste Umarmung gezogen wurde. „Ich möchte nur verhindern, dass du unnötigen Schmerz erfahren musst“, flüsterte Tom in sein Ohr. „Ich hasse es, dich leiden zu sehen und er wird dir früher oder später weh tun.“

Wie einfach wäre es, ihm jetzt zu glauben, aber es wäre ebenso dumm.
 

„Hör auf damit, mich zu manipulieren“, zischte er, brachte es aber nicht über sich, sich von ihm zu lösen. „Das tut mir weh, Tom. Es ist, als wäre ich für dich nichts weiter als ein Spielzeug, mit dem du machen kannst, was immer du willst.“

Langsam hob Harry seinen Kopf und sah ihm ernst in die Augen. „Zwinge mich niemals dazu, mich zwischen dir und Neville entscheiden zu müssen, Tom. Es könnte für dich nicht so gut ausfallen, wie du momentan denkst.“

„Soll das eine Drohung sein?“, fragte Tom verstimmt.

„Nein. Es ist eine Warnung.“
 

Mehrere Sekunden lang starrten sie sich nur an, dann lehnte Tom sich plötzlich nach vorne und küsste ihn. Sofort schloss Harry seine Augen und erwiderte den Kuss. Er war kalt und besitzergreifend, doch das störte ihn nicht. Es gab ihm das Gefühl, nicht mehr allein zu sein, jemanden zu haben, dem er etwas bedeutete, selbst, wenn es nur aus militärischen Zwecken sein sollte.

Doch jetzt wollte er all das vergessen. Jetzt gab es nur ihn und Tom.
 

Wenn es doch nur immer so sein könnte! Dumm nur, dass Happy Ends auf seinem Lebensweg nicht eingeplant worden waren.
 

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Lieber Harry,
 

Abraxas liegt nun endgültig im Sterben und möchte vor seinem Tod noch einmal mit dir sprechen. Komm bitte so schnell wie möglich zu uns, um ihm diesen letzten Wunsch erfüllen zu können. Ich weiß, dass er auch dir trotz allem viel bedeutet.
 

In Liebe,

Narcissa
 

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Das Haus war still.

Selbst die Korridore schienen in Schweigen versunken zu sein und im Garten hatten alle Pflanzen ihre Blätter gesenkt, so als würden sie sich der kollektiven Trauer anschließen. Alles wirkte kalt, traurig, leblos und Harry vermutete, dass diese Atmosphäre schon länger in Malfoy Manor herrschte.
 

Es war nicht immer so gewesen. Früher – vor Hogwarts – hatte man Kinderlachen und schnelle Schritte gehört, die sich gegenseitig durch die Gänge jagten. Damals war Lucius noch oft hier gewesen und hatte beide Jungen eingefangen und sie solange durch gekitzelt, bis sie nicht mehr in der Lage gewesen waren, weiter zu rennen. Meist hatte Narcissa dabei in der Tür gestanden und dieses Spiel beobachtet, während sie glücklich war, mit ihrer Familie gesegnet zu sein. Nachmittags war oft Großvater Abraxas vorbeigekommen und hatte beide Kinder das Cellospielen gelehrt, wobei nur eines von den beiden darin Begeisterung fand.
 

Es war eine schöne Zeit gewesen.
 

Obwohl alles traurig war, schien das Haus Harry freudig zu begrüßen, als er mit Tom an seiner Seite zu dem Zimmer lief, in dem Abraxas seine letzten Stunden verbringen würde. Dies bestätigte seine Theorie, dass auch Gebäude ein Eigenleben besaßen oder war es nur die Magie, die sich über die vielen Jahrhunderten hier angesammelt hatte?

Er wusste es nicht und wahrscheinlich würde er es auch niemals wissen.
 

Normalerweise wäre er nicht hierher zurückgekehrt, aber er war es Abraxas schuldig. Der Mann hatte viel für ihn getan und ihn widerspruchslos in der Familie aufgenommen. Nun wünschte er sich, noch einmal mit Harry zu reden und das war etwas, das er ihm nicht abschlagen durfte.

Er warf Tom einen Seitenblick zu. Der Mann wirkte gefasst, aber es war ihm anzusehen, dass ihn der Gedanke, seinen alten Freund bald sterben zu sehen, zutiefst erschütterte. Für ihn musste diese ganze Situation noch unerträglicher sein als für Harry, auch wenn er es nie offen aussprechen würde.
 

Sie bogen um die nächste Ecke und kamen endlich in dem Gang an, in dem sich auch Abraxas' Zimmer befand. Davor stand ein stilvolles – für Harrys Geschmack zu hartes – Sofa auf dem ein blasser Lucius saß, der in die Ferne starrte. Neben ihm stand Narcissa. Sie hatte tröstend eine Hand auf seine Schulter gelegt, sah aber weniger mitgenommen aus. Obwohl sie sich stets gut mit ihn verstanden hatte, standen sie und Abraxas sich nicht so nahe, wie Lucius oder Draco.

Sie drehte ihren Kopf, als sie ihre Schritte hörte. „Mylord“, flüsterte sie respektvoll. „Harry.“

Lucius blickte auf, als er den Namen hörte, sagte jedoch nichts. Er war in Trauer. Er verlor seinen Vater und auch, wenn dieser ein gutes, langes Leben gehabt hatte, würde es für ihn ein furchtbarer Verlust werden. Es war nicht einfach, seine Eltern zu verlieren. Harry wusste das nur zu gut.
 

Schweigend ging er auf die Frau zu, die immer seine Mutter bleiben würde und umarmte sie, während Tom sich an die nächste Wand lehnte und die Szene vermutlich beobachtete. Harry beobachtete.

„Draco ist bei ihm“, erklärte Narcissa leise. „Er möchte mit jedem einzeln sprechen. Mit mir und Lucius hat er bereits gesprochen.“

„Wie ist ein Zustand?“, erkundigte sich der dunkle Lord.

„Sein Körper ist schwach, doch sein Geist ist scharf. Er hat sich mit seinem Tod abgefunden und begrüßt ihn mit offenen Armen. Seine Einstellung ist bewundernswert.“

„Großvater war immer ein bewundernswerter Mann“, sagte Harry und löste sich von seiner Mutter, um einen Schritt zurückzutreten. „Er wird es immer sein.“
 

„Ja, das stimmt“, sagte sie und lächelte traurig. „Er wird froh sein, dass du hier bist. Er wird froh sein, dass ihr beide hier seid.“

„Es ist das mindeste, was wir für ihn tun können“, erwiderte Tom in einem beiläufigen Tonfall. „Und wenn es ihm eine Freude bereitet, ist es umso besser.“

Narcissa nickte und Schweigen legte sich über die Gruppe. Da Harry nichts besseres zu tun hatte, stellte er sich neben Tom an ein Fenster und sah auf den Garten hinaus. Früher war er für Harry der schönste Garten der Welt gewesen, doch nun da er Toms kannte, war das nicht mehr der Fall. Natürlich war er immer noch ein wunderschöner Anblick aber...

Hier gab es keine Lilien, die extra für ihn gepflanzt worden waren.
 

In diesem Moment wurde hinter ihm die Tür geöffnet und er musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass Draco herauskam.

„Mylord“, begrüßte er Tom mit brüchiger Stimme. „Harry, er... du kannst jetzt zu ihm...“

Kurz sah Harry weiterhin unbeweglich aus dem Fenster, dann drehte er sich mit einem Seufzen um und ging – ohne einen der anderen anzusehen – in das Zimmer.

Hinter ihm fiel die Tür zu. Es war Zeit, einem Sterbenden das letzte Mal ins Auge zu blicken.
 

Es war ein schöner Raum, den der Mann oft zum Übernachten genutzt hatte. Insgeheim vermutete Harry sogar, dass es sein eigener war, doch bisher war die Theorie noch nicht bestätigt worden. Er hatte einen wundervollen Ausblick über die Felder, die Malfoy Manor umgaben und große Fenster ließen viel Licht herein.

Abraxas saß auf seinem Bett. Hinter seinem Rücken waren mehrere Kissen aufgestapelt, die es ihm erlaubten, aufrecht zu sitzen. Er sah älter denn je aus, doch seine Augen funkelten, als sie den Ravenclaw erkannten und er klopfte neben sich auf das Laken. „Komm her“, sagte er mit überraschend lebendiger Stimme. „Komm und setz dich zu mir. Es ist so schön, dich zu sehen.“
 

„Ich konnte doch nicht einfach deine Bitte ignorieren“, entgegnete Harry lächelnd und setzte sich auf einen Stuhl neben Abraxas' Bett. „Nicht, dass mich nachher noch dein Geist verfolgt.“

Der alte Mann lachte. „Du hattest schon immer diesen einzigartigen Sinn für Humor. Ich hatte es beinahe vergessen.“ Sein Blick wurde für einen Moment unfokussiert, als er vermutlich in Erinnerungen schwelgte, ehe er wieder in die Realität zurückkehrte und Harry ernst ansah. „Ich habe dich in unsere Familie aufgenommen, mein Junge. Ich habe dich wie meinen eigenen Enkel geliebt und stets das beste für dich gewollt.“

„Das ist sehr großzügig von dir“, entgegnete er zögernd. Da kam doch bestimmt noch etwas.
 

„Ich werde nicht lange um den heißen Brei herumreden“, fügte er tatsächlich hinzu. „Ich weiß, dass du ein Tempus Amicus bist.“

Harry nickte bedächtig. „Das habe ich mir gedacht. Du bist schon immer ein guter Beobachter gewesen.“ Er war tatsächlich nicht überrascht. Etwas in ihm hatte immer gewusst, dass der Mann über diesen Teil seines Lebens informiert war. „Warum sagst du es mir auf dem Totenbett?“

Er hatte zwar seine Theorien, doch er hoffte, dass er falsch lag.

„Ich wollte nur eine Bestätigung“, erwiderte Abraxas lächelnd, während seine Augen Harry geradezu aufzusaugen schienen. „Ich habe tatsächlich einen Tempus Amicus in meinem Haus gehabt. Ich habe ihn unterrichtet. Was für eine Ehre. Das Schicksal meinte es gut mit mir.“
 

Er streckte seine Hand nach Harry aus und der Junge ergriff sie. „Ich danke dir“, flüsterte der alte Mann. „Ich danke dir, dass du mich als deinen Großvater ausgesucht hast und dass du ein Teil deiner Liebe mit mir geteilt hast. Das ist ein unschätzbares Gut, auf das ich nie zu hoffen gewagt hätte.“

„Wen hätte ich mir sonst aussuchen sollen?“, fragte Harry heiter. „Du bist ein wunderbarer Mensch. Ich hätte mir keinen besseren Großvater wünschen können.“

Es war eine Lüge. Das wusste sie beide, aber manchmal waren selbst auf dem Totenbett Lügen erlaubt.
 

„Du wirst auf ihn Acht geben, nicht wahr?“, fragte der Mann.

Er hob eine Augenbraue. „Auf wen?“

„Auf Tom. Er kann sich so leicht in der Dunkelheit verlieren, wenn niemand auf ihn aufpasst. Bisher war ich da, um es zu verhindern, aber sobald ich tot bin, gibt es niemanden außer Nagini, die wirklich auf ihn aufpasst.“

„Und du glaubst, ich könnte ihm dabei eine Hilfe sein?“, fragte er zweifelnd.

Abraxas seufzte. „Er braucht dich.“ Harry blinzelte. Wie bitte? „Er wird es niemals zugeben, aber er tut es.“

„Du meinst, er braucht den Tempus Amicus.“
 

„Nein. Nein, Harry.“ Der Blick des Mannes war müde geworden, aber ebenso fest. „Er braucht dich. Harry James Potter. Er wird es niemals zugeben und wahrscheinlich noch seltener zeigen, aber es ist die Wahrheit. Du hältst ihn bei Verstand. Du lässt ihn über Dinge nachdenken. Außerdem stellst du eine Herausforderung dar. Du bist alles, was er sich je gewünscht hat. Dass ich ihn verlasse, wird ein Verlust für ihn sein und ihn mit etwas Glück für ein paar Wochen mitnehmen. Davon wird er sich jedoch schnell erholen. Wenn du ihn jedoch verlassen solltest auf welche Weise auch immer, würde es ihn zerstören.“
 

Eilig zog Harry seine Hand von dem Mann zurück und schüttelte mit dem Kopf. „Du irrst dich. Ich bin für ihn nichts weiter als eine Beschäftigung. Ein militärischer Schachzug. Solange er mich als Tempus Amicus braucht, wird er vielleicht freundlich sein und so tun, als würde er etwas für mich empfinden, aber sobald er diesen Krieg gewonnen hat, wird er mich fallen lassen und keinen zweiten Gedanken an mich verschwenden.“

„Du denkst sehr schlecht von ihm, dafür dass du ihm so nahe stehst.“
 

Harry beschloss, darauf nichts zu erwidern. Deshalb schüttelte Abraxas seufzend mit dem Kopf, ehe er wieder lächelte. „Du wirst die richtige Entscheidung treffen. Es ist zwar schade, dass ich den Frieden nicht mehr sehen werde, aber wenigstens weiß ich jetzt, dass er mit dir kommen wird. Ich danke dir, Harry. Für alles. Würdest du jetzt Tom hereinbitten?“

Er schien es nicht in Frage zu stellen, dass der dunkle Lord ihn begleitet hatte und eigentlich hatte er auch Recht damit. Abraxas und Tom standen sich wirklich nahe. Dieses letzte Gespräch hätte er sich niemals entgehen lassen.

„Natürlich“, sagte Harry und erhob sich. „Schlaf gut, Großvater. Ich bin sicher, eines Tages werden wir uns wiedersehen.“

„Das werden wir sicher, Harvey. Doch warte. Kannst du mir ein Versprechen geben, bevor du gehst?“
 

Harry, der bereits an der Tür stand, drehte sich mit gehobenen Brauen zu ihm um. „Was für ein Versprechen?“

Diesmal war es ein glückseliges Lächeln, das von wundervollen Erinnerungen sprach. Ein Lächeln, das er das letzte Mal vor seiner Zeit in Hogwarts gesehen hatte. „Fang wieder an zu spielen. Es ist eine Verschwendung, dass du es aufgegeben hast.“

Mit einem Mal begannen seine Augen zu brennen und er nickte als Antwort, da er seiner Stimme nicht traute.

Spielen. Cellospielen. Das einzige, was ihn jemals mit diesem Mann voll und ganz verbunden hatte. Ein letztes Stück seiner kurzen Kindheit.
 

Seine Augen tränten, als er das Zimmer verließ und seinen Großvater für immer hinter sich ließ.

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Dieses Kapitel war schwierig zu schreiben. Besonders der letzte Teil. Was sagt man zu einem Menschen, der im sterben liegt, besonders, wenn er zu deiner Familie gehört? Was sagt man nicht? Was wirkt unangemessen und was ist richtig? Und was würden Harry und Abraxas tun?

Ich bin sehr auf eure Meinungen gespannt.

Das nächste Mal gibt es dann das erste Zusammentreffen von Rufus und Harry. Mal sehen, was das wird...

Liebe Grüße, Ayako

Seduction

*Taschentücher austeil*

Hallo, ihr Lieben. Vielen Dank für eure lieben Rückmeldungen zum letzten Kapitel, sowie – natürlich – meiner Beta.

Ich gebe zu, dass ich nach wie vor etwas überrascht darüber bin, dass euch das Gespräch von Harry und Abraxas so sehr gerührt hat, allerdings ist es für mich auch ein großes Kompliment. <3

Dieses Kapitel enthält die versprochene Harry/Rufus-Szene, sowie eine Beerdigung und... Seduction. Oh je, was das wohl werden wird? *drop*

Ich wünsche euch jedenfalls viel Spaß beim Lesen.

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Seduction
 

Lieber Harry,
 

mein Beileid. Ich weiß, dass du Abraxas Malfoy mochtest.

Aber ich weiß auch, dass du darüber hinwegkommen wirst und dass wir uns bald wiedersehen werden.

Von Felice habe ich nichts gehört, aber du brauchst dich wirklich nicht um sie zu sorgen. Sie wird uns schon nicht einfach wegsterben. Dafür liebt sie dich zu sehr.
 

Alles Liebe,

Luna.
 

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Rufus hasste Beerdigungen.

Egal, ob jemand gestorben war, den er kannte oder den er nicht kannte. Sie waren grauenvoll. Überflüssig. Einfach überbewertet. Ein symbolischer Abschied, nichts weiter. Als ob man jemanden loslassen könnte, nur weil er plötzlich von Erde zugeschüttet wurde. Dazu gab es halbherzige Ansprachen, die nicht im entferntesten etwas von dem Menschen wiedergaben, der noch vor kurzem gelebt hatte, sowie Trauermusik in Gestalt von ständigem Geschluchze und Geheule. Ja, es war ein Mensch gestorben. Na und? Jeder Tag brachte den Tod mit sich. Das war natürlich. Man musste ihn nicht noch feiern.

Doch dummerweise waren Beerdigungen ein fester Bestandteil seiner Arbeit und somit musste er auch heute wieder in schwarzer Kleidung an einem Grab stehen und darauf warten, dass das ganze endlich ein Ende fand.
 

„Eigentlich ist es eine Schande, dass wir hier stehen und einen elenden Todesser verabschieden müssen“, murrte Alastor Moody, der sich der Trauergesellschaft um Abraxas Malfoy kurzerhand angeschlossen hatte, als er zufällig davon erfahren hatte. Rufus vermutete, dass er damit mögliche Anhänger des dunklen Lords oder gar ihn selbst ausfindig machen wollte. „Er ist ein Mörder und Verbrecher gewesen und trotzdem stehen wir hier alle nett versammelt da und ehren sein Leben. Als ob es da einen Grund zur Ehre gegeben hätte.“
 

Minister Crouch, der ein paar Meter vor ihnen stand, drehte sich um und warf ihm einen bösen Blick zu. „Abraxas Malfoy ist genauso wie Lucius jetzt ein angesehenes Mitglied unserer Gesellschaft gewesen, der viel getan hat, um dieses Land besser zu machen. Dass wir ihm nun die letzte Ehre erweisen, ist das mindeste, was wir tun können. Wenn es Sie so sehr stört, Moody, sollten Sie dennoch den Mund halten oder diesen Ort verlassen. Wenn nicht um seinetwillen dann um der Familie willen. Es ist nicht leicht, einen geliebten Menschen zu verlieren.“
 

Sofort ließ Rufus seinen Blick zu ebenjener schweifen. Die komplette Familie Malfoy stand – umringt vom engsten Freundeskreis – direkt vor dem ausgehobenen Grab und sahen schweigend dabei zu, wie die Gäste alle nacheinander Blumen hineinwarfen. Ihre Gesichter waren blass, aber gefasst. Lucius und Narcissa standen eng beieinander und manchmal konnte man sie einen Blick auf ihren Ehemann werfen sehen, der von tiefer Besorgnis und noch tieferer Zuneigung sprach. Sie waren ein Ehepaar, wie es im Buche steht. Es bereitete ihm beinahe Scham, die beiden zu beobachten, da er das Gefühl hatte, sich dabei in etwas Intimes einzumischen, dass ihn nichts anging.
 

Vor dem Vater stand Draco Malfoy. Er hatte einen Arm um seine Verlobte – die Parkinsonstochter – geschlungen, die ihrerseits ihr Gesicht in seiner Schulter vergraben hatte und zu weinen schien. Rufus konnte auf einen Blick erkennen, dass diese Beziehung nichts im Vergleich zu dem der Eltern war.
 

Viel interessanter war da Harry Potter, ehemals Harvey Malfoy. Allein dass er erschienen war, sorgte für viele Gerüchte in der Trauergesellschaft. Es war allgemein bekannt, dass er seit dem Vorfall im letzten Herbst keinen Fuß mehr in das Hause Malfoy gesetzt hatte und insgeheim war man davon ausgegangen, er hätte vollkommen mit seiner alten Familie gebrochen. Offenbar hatte sich die Öffentlichkeit dabei geirrt, da er angeblich die ganzen Osterferien hier verbracht hatte.
 

Rufus konnte es verstehen. So einfach ließ es sich nicht mit den Menschen brechen, die einen aufgezogen hatten. Er selbst hätte eher Lily und James Potter links liegen gelassen, wenn er der Junge wäre.

Doch abgesehen von seinem Erscheinen war Rufus davon überrascht, dass neben ihm ein gutaussehender, junger Mann stand, den er selbst noch nie getroffen hatte.

Zwar hatte man die beiden kein Wort oder Blick wechseln sehen, noch hatten sie sich in irgendeiner Weise berührt, aber Rufus sagte etwas, dass die beiden eine ähnlich tiefgehende Beziehung wie Narcissa und Lucius hatten. Wer war der Kerl?
 

„Das ist Thomas Mask“, flüsterte Tonks, die zur Feier des Tages schwarze Haare hatte. „Er ist ein entfernter Verwandter, soweit ich weiß. Besonders mit Harry soll ihn eine tiefe Freundschaft verbinden. Das ist auch der Grund, warum sie nebeneinander stehen.“

„Woher kommt es dann, dass ich diesen Mask nie gesehen habe?“, fragte Moody misstrauisch.

„Er kommt offenbar von Übersee“, sagte sie schulterzuckend. „Ich habe davor auch noch nie von ihm gehört.“
 

Moodys Augen verengten sich und Rufus konnte es ihm nachfühlen. Ein Fremder aus Übersee, der der Familie Malfoy nahe stand? Das könnte genauso gut ein gesuchter Todesser sein, der der Feier heimlich beiwohnte. Andererseits glaubte er nicht, dass gerade Harry Potter mit so jemanden eine enge Freundschaft pflegte.

Er wusste nicht viel von dem Jungen, aber er konnte von hier aus bemerken, dass er eine freundliche, friedliebende Ausstrahlung besaß, die sicher viele Menschen anzog. Das war niemand, der die radikalen Vorgehensweisen dieser Leute billigen würde. Trotzdem hatte er etwas merkwürdiges an sich, was aber vielleicht auch von den vielen Geschichten herrühren könnte, die er über ihn gehört hatte.
 

Langsam ließ er seinen Blick über die anderen Gäste schweifen und bemerkte, dass noch jemand den jungen Potter und den fremden Mann beobachtete: Albus Dumbledore.

Interessant. Das würde er sich merken.
 

Doch jetzt war es erst einmal für ihn an der Zeit, die Blume in das Grab zu werfen. Er hatte weiße Rose gewählt und bemerkte, wie alle Familienmitglieder plus Fremder und Verlobte sie anstarrten.

„Mein Beileid“, murmelte er ihnen zu, sah dabei aber in erster Linie Harry an, der seinen Blick schweigend erwiderte. Doch dann nickte er kaum merklich und als wäre das ein Zeichen gewesen, ließ Rufus die Blume in die Erde fallen.
 

Danach drehte er sich um und ging zu den anderen zurück.

Tonks sah ihn verwirrt an. „Alles in Ordnung mit Ihnen?“

„Ja“, sagte er abwesend. „Alles in Ordnung.“

Der Junge, Harry, er hatte beeindruckende Augen. Grün, ausdrucksstark, lebendig und einprägend. Das waren nicht die Augen eines gewöhnlichen Menschen. Ihm stand großes bevor, die Frage war nur, inwiefern.

Könnte es vielleicht sogar sein, dass er den Tempus Amicus gefunden hatte? Mira hatte gesagt, es wäre ein Schüler von Hogwarts und Harry besuchte Hogwarts.
 

Vielleicht bekam er später noch die Möglichkeit, mit ihm zu sprechen. Dann würde er sicher herausfinden können, ob er Recht hatte oder nicht.
 

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Das wirklich deprimierende an Beerdigung war nicht etwa der Akt selbst, sondern das, was danach kam: die sogenannte Trauerfeier. Harry hatte sie bereits bei der Beerdigung seiner Eltern gehasst – obwohl diese inzwischen hinfällig geworden war – und dieses Ereignis machte es nicht besser. Alle nutzten sie dazu, soziale Kontakte zu knüpfen, zu plaudern oder sich zu betrinken. Nur diejenigen, die wirklich trauerten, saßen oder standen schweigend herum und beobachteten das Treiben der anderen. Harry selbst stand gemeinsam mit Tom, der sich für den Tag als „Thomas Mask“ ausgab, an einem Fenster und nippte an einem Glas Elfenwein.
 

Bisher hatten sie beide kein Wort miteinander gewechselt, doch Harry spürte, dass der Ältere seine Anwesenheit wertschätzte und es wahrscheinlich nicht zugelassen hätte, wenn er versucht hätte, sich von ihm zu entfernen. Offenbar schien er ihn in diesem Augenblick tatsächlich zu brauchen.
 

In solchen Momenten war es leicht, sich einzubilden, er wäre mehr als ein militärischer Schachzug.
 

„Wir haben uns auf meiner ersten Zugfahrt nach Hogwarts kennengelernt“, sagte Tom plötzlich. Harry blickte sofort auf. Wollte er ihm jetzt wirklich seine erste Begegnung mit Abraxas erzählen? Sich... ihm öffnen?! Offenbar schon.

Ohne ihn anzusehen, fuhr er fort: „Er war bereits im dritten Schuljahr und der beliebteste Schüler in Slytherin. Er wusste sofort, dass ich in sein Haus kommen würde und nahm mich unter seine Fittiche, obwohl ich damals kein Interesse an menschlichen Kontakten hatte. Ich habe es ihm sehr schwer gemacht“, fügte er mit einem leichten Lächeln hinzu und sah nun doch zu Harry. Dieser hörte ihm aufmerksam zu, während er versuchte, sich Tom als Elfjährigen vorzustellen. Was nicht unbedingt einfach war.
 

„Irgendwann wurde er zu meinem besten Freund und Ratgeber. Er war so etwas wie mein Mentor, da er mir geholfen hat, mich in Hogwarts zurechtzufinden und mit allem klarzukommen. In den Ferien hat er mich immer zu sich nach Hause eingeladen, selbst als er die Schule bereits verlassen hatte. Ich weiß nicht, ob ich diese sieben Jahre ohne ihn überstanden hätte.“

Harry griff nach seiner Hand und drückte sie tröstend.

„Irgendwann änderte sich aber die Hierarchie“, erzählte Tom weiter und erwiderte den Druck. „Plötzlich blickte er wie alle anderen zu mir auf. Plötzlich war ich es, der allen sagen musste, wo es langging. Plötzlich war ich ein dunkler Lord und sie meine treuen Jünger.“ Er schüttelte mit dem Kopf. „Im Grunde war es lächerlich, Harry. Wie konnte ich von einem Tag zum anderen ihr Anführer werden? In den folgenden Jahren geschah viel und sie starben, alle nacheinander. Nur Abraxas blieb. Bis jetzt.“ Jetzt bin ich allein.

Er sagte es nicht, aber die Worte standen im Raum.
 

Wären sie nicht von so vielen neugierigen Klatschtanten umgeben gewesen, hätte Harry ihn nun umarmt. Stattdessen drückte er noch einmal seine Hand und lächelte leicht. „Ich vermisse ihn auch. Selbst, wenn ich keine so enge Beziehung zu ihm hatte wie du.“

„Ich weiß“, entgegnete er sanft.
 

In diesem Moment trat eine dritte Person auf sie zu, weshalb sie ihre Hände losließen und sich stattdessen dem Neuankömmling zuwandten. Harry war nicht überrascht, zu bemerken, dass es sich um Rufus Scrimgeour handelte. Der Mann hatte ihn bereits während der Beisetzung etwas zu aufmerksam beobachtet.
 

Auf dem ersten Blick erinnerte er ihn an einen Löwen. Zumindest hatte er einen Bart und rotbraune Haare, die sein Gesicht umrahmten. Seine Augen leuchteten dunkelbraun und zeigten einen starken Willen, sowie viel Führungspotential. Sein Gang war aufrecht und selbstbewusst. Außerdem hatte er breite Schultern und Harry war sich sicher, dass er mehr als durch trainiert war. Das war jemand, den er tausendmal lieber als Zaubereierminister sehen wollte als Crouch oder Lucius. Nicht zuletzt wegen des rebellischen Schimmers in seinen Augen.
 

Doch auch das änderte nichts daran, dass er gerade keinen Nerv für Leute hatte, die Tom dabei unterbrachen, sich ihm zu öffnen.
 

„Ja?“, sagte er deshalb in seiner Du-störst-also-nimm-deine-Beine-in-die-Hand-und-verschwinde-Stimme.

„Mein Beileid“, entgegnete Scrimgeour mit ruhiger Stimme und wollte noch etwas hinzufügen, als Harry ihn bereits unterbrach: „Das sagten Sie bereits, Mr. Scrimgeour. Gibt es sonst etwas, das ich für Sie tun kann?“

Der Mann schien überrascht. „Du weißt, wer ich bin?“

„Natürlich. Sie sind regelmäßig im Tagespropheten, der Chef der Aurorenabteilung und waren ein Ministerkandidat. Und da Sie mich offenbar auch kennen, gibt es keinen Grund für eine höfliche Vorstellung, oder? Sonst noch was?“
 

Scrimgeour blinzelte verwirrt, während Tom den Jungen glucksend eine Hand auf die Schulter legte. „Bitte verzeihen Sie sein Verhalten, Sir“, sagte er höflich. „Harry ist durcheinander wegen dem Tod seines Großvaters. Die beiden standen sich näher, als man es vermuten konnte. Ich bin Thomas Mask, ein Freund der Familie und das ist Harry James Potter, Narcissas und Lucius' Adoptivsohn.“ Er schüttelte ihm enthusiastisch die Hand. „Es freut mich sehr, Sie kennenzulernen, Sir. Ich habe viel von Ihnen gehört.“

Es dauerte nur einen Moment bis Harry begriff, dass nicht mehr Tom Riddle vor ihm stand, sondern Thomas Mask, ein junger Mann, der versuchte, sich in der Welt einen Namen zu machen. Es war beinahe bemerkenswert, wie schnell er trotz der Situation in diese Rolle schlüpfen konnte.
 

Der Adressat schien sie ihm abzukaufen. „Es freut mich sehr, Sie kennenzulernen, Mr. Mask, Mr. Potter.“

Harry sagte nichts, sondern blickte argwöhnisch von einem zum anderen. Warum hatte er das Gefühl, dass hier irgendetwas vor sich ging, was er noch nicht verstand?

„So, da wir nun höflich gewesen sind, können Sie auch höflich sein und endlich sagen, was Sie von Harry wollen“, sagte Tom und nun nahm seine Stimme doch einen gefährlichen Tonfall an. Ja, hier ging definitiv etwas vor sich.

Scrimgeours Augen verengten sich. „Ich wüsste nicht, was es Sie anginge, was ich von Mr. Potter will, Mr. Mask.“

„Ich fürchte, es geht mich viel an, da ich ihn sicher nicht allein lassen werde.“

Harry warf ihm einen Blick zu. „Tom“, murmelte er beschwichtigend, woraufhin der Mann ihn ansah und sich etwas entspannte.
 

Aus irgendeinen Grund lächelte Scrimgeour, als er das beobachtete und sagte: „Ich wollte wirklich nur mein Beileid bekunden. Nichts weiter. Es war schön, Ihre Bekanntschaft zu machen, Mr. Potter.“ Dabei sah er ihn mit einen durchdringenden Blick an, ehe er sich umdrehte und davon schritt.

Die beiden sahen ihm schweigend hinterher.

„Was war das?“, fragte Harry schließlich.

„Ich weiß es nicht. Aber es gefällt mir nicht.“ Er zog ihn mit einem Arm an sich und drückte seine Schulter. „Halte dich lieber von ihm fern.“

„Okay“, meinte Harry und lehnte sich an ihn. „Ich habe ohnehin nicht vor, mich in die politische Welt zu begeben.“

„Das ist auch besser so“, sagte Tom lächelnd. „Du bist viel zu nett, um dort lange überleben zu können.“
 

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Alastor Moody war ein praktisch veranlagter Mann, der nach all den Jahren als Auror an Verfolgungswahn litt. Das konnte man vor allem daran erkennen, dass er auch an jenem Tag alles dafür nutzte, um Todesser oder andere Schwarzmagier zu finden.

Rufus beobachtete besorgt, wie der Mann sich in der Nähe des Malfoyehepaars aufgestellt hatte und sie mit seinem magischen Auge fixiert hatte, selbst, wenn er sich mit jemand anderem unterhielt. Ein Umstand, dem der Familie auffiel und den sie offenkundig als störend empfanden. Dass sie sich nicht beschwerten, war logisch. Sie waren sicher nicht so dumm, den Ex-Auror zu provozieren, denn dann würde er tatsächlich eine Möglichkeit finden, sie als Schwarzmagier anzukreiden. Unsinn, wie Rufus fand. Schwarzmagier unterschieden sich nicht im mindesten vom Rest der Welt. Es war einfache Diskriminierung, nichts weiter.
 

„Sie sind wieder da“, sagte Tonks, als er sich zu ihr stellte. „Und? Wie ist dieser Mask?“

„Ein interessanter Charakter“, meinte er beiläufig. „Um einiges höflicher als Harry, aber das ist verständlich. Der Junge hat ein Familienmitglied verloren. Ich denke, an einem anderen Tag kann man besser mit ihm sprechen.“

„Warum willst du mit ihm reden?“, fragte Moody, ohne sein magisches Auge von den Malfoys abzuwenden, die gerade mit den Zabinis sprachen. „An ihm ist nichts besonderes.“

„Nichts besonderes?“, wiederholte Tonks. „Sir, Harry Potter ist ein Genie! Dumbledore selbst hat gesagt, dass er schon vor einem Jahr den Schulabschluss hätte machen können und sich in Hogwarts eigentlich nur langweilt. Alle warten nur darauf zu erfahren, welchen Weg er nach der Schule betreten wird, denn egal, was es sein wird, er wir darin glänzen! Meinen Sie, er könnte sich uns anschließen?“, fragte sie ihren Vorgesetzten.
 

„Ich weiß es nicht“, antwortete Rufus und sah zu dem Jungen hinüber, der immer noch an Thomas Mask gelehnt war und so wirkte, als wäre er schon längst woanders. „Ich denke nicht. Er ist kein Kämpfer.“

„Dann wird er sich wohl den Unsäglichen anschließen“, meinte Moody abschätzig. „Und eine schwarzmagische Waffe entwickeln. Wir dürfen nicht vergessen, in was für einem Haus er aufgewachsen ist.“

Tonks sah ihn empört an. „Aber nein, Sir! Harry Potter ist ein guter Mensch. Er würde nie etwas tun oder erschaffen, das zerstören könnte.“

Da hatte sie allerdings Recht. Denn Harry war nicht nur ein einfacher Mensch. Er war ein Tempus Amicus.
 

Er hatte ihn gefunden.
 

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An diesem Abend wandelte Harry nach einer längeren Dusche durch Toms Haus und fand sich kurz darauf in dem Raum wieder, in dem der Flügel stand, den er in seinen Träumen in der Mitte des Kreuzganges gesehen hatte. Der Flügel, an dem Tom spielte und sicher oft gespielt hatte. Jetzt tat er es nicht mehr.

Es war ein leerer Raum. Nur das Instrument, ein Schrank mit Noten, ein Sofa, ein Tisch und der Koffer.
 

Der Koffer war neu und gehörte ab sofort Harry. Darin befand sich, was Abraxas ihm vermacht hatte. Wenn es nach ihm ginge, würde er es sofort wieder zurückschicken. Er wollte es nicht haben. Das konnte nicht ihm gehören. Es war unmöglich.

Doch der Tote hatte darauf bestanden und jetzt war es zu spät, um ihm zu widersprechen.
 

Obwohl niemand mehr diesen Raum nutze, war er sauber, weshalb Harry sich in seinem Schlafanzug hinkniete und den Koffer, den Cellokoffer, öffnete. Er hatte das Instrument schon als kleines Kind bewundert, damals, als er noch zu klein gewesen war, um überhaupt die Möglichkeit zu haben, darauf zu spielen. Doch nun war er älter und groß genug, um mit ihm spielen zu können. Es war aus einem hellen Holz gebaut worden und die Saiten hoben sich hell vom schwarzen Griffbrett ab. Offenbar waren sie erst vor kurzem gewechselt worden. Der Steg war von der Reise etwas verschoben worden, aber mit einem Schwenk seines Zauberstabes saß er wieder richtig und würde sie so schnell nicht von seiner Stelle entfernen.

Vorsichtig ließ er seine Hand auf das Instrument gleiten und fuhr über das glatte Holz, ehe er nach dem Bogen griff, der an der Seite des Koffers befestigt war. Ehrfurchtsvoll wog er ihn in seinen Händen und machte sich mit seinem Gewicht vertraut.
 

Der Bogen war der Zauberstab aller Spieler von Streichinstrumenten. Er allein war in der Lage, die beinahe magischen Töne zu erzeugen, die für ihren Klang charakteristisch waren. Harry erinnerte sich noch gut daran, wie Abraxas ihre erste gemeinsame Stunde damit verbracht hatte, ihm die richtige Bogenhaltung und -pflege beizubringen und da er nicht wusste, was er sonst tun sollte, machte er sich sofort auf die Suche nach dem Kolophonium, das dazu diente, den Bogen zu erhalten.
 

Nachdem er damit fertig war, ihn damit zu bestreichen, ließ er den Bogen langsam auf seine Knie sinken und starrte das Cello an.

//Und jetzt?//, fragte seine innere Stimme. //Wirst du jetzt solange dasitzen, bis Tom kommt und denkt, dass du den Verstand verloren hast oder wirst du das Teil in die Hand nehmen und das tun, was du Abraxas versprochen hast?//

Würde er wieder spielen?
 

Er wollte nicht. Er hatte es aufgegeben. Instrumente waren nichts für ihn. Wenn man sie spielte, musste man sich gehen lassen und all seine Gefühle in das Spiel mit einfließen lassen, sei es nun Schmerz, Trauer, Liebe oder Freude. Natürlich konnte man auch versuchen, es zu lassen, aber dann konnte man genauso gut ganz aufhören zu spielen. Musik war nicht magisch, wenn man vorgab, etwas zu sein. Man musste es sein, um ihr eine Stimme zu verleihen.

Wer wusste, ob er überhaupt noch spielen konnte. Es war immerhin Jahre her. Sicher hatte er bereits alle Griffe und Noten vergessen.
 

Hinter ihm wurde die Tür geöffnet und er hörte, wie Tom leise hereinkam und sich hinter ihn stellte.

„Es ist ein Stradivari“, erklärte Harry ihm. „Es muss ein Vermögen wert sein, Cellisten auf der ganzen Welt würden dafür sterben, so ein Instrument überhaupt zu Gesicht zu bekommen geschweige denn zu spielen. Er hätte es mir nicht geben sollen.“

„Er wollte, dass es seinen Klang nicht verliert“, erwiderte Tom sanft und legte ihm seine Hände auf die Schultern. „Er wusste, dass Draco es niemals in die Hand nehmen würde, während du früher regelmäßig gespielt hast. Vielleicht hat er gehofft, dass du wieder anfängst, sobald du die Chance hast, auf einem so wertvollen Instrument zu spielen.“
 

Langsam streckte Harry seine Hand aus und berührte die D-Saite des Cello. Dabei hob er den Kopf und sah Tom an. „Würdest du mir ein A geben?“

„Natürlich“, entgegnete er lächelnd und ging zum Flügel, woraufhin sich Harry mit dem Cello auf dem Sofa niederließ und damit begann, das Instrument zu stimmen. Man hatte lange nicht mehr darauf gespielt, weshalb Harry Tom auch um die Töne für die anderen Saiten bitten musste, ehe alles wieder so klang, wie es klingen musste. Danach begann er damit, sich an die Griffe zu erinnern und das Instrument kennenzulernen.
 

Sein Klang war schon immer schön gewesen, besonders wenn Abraxas spielte, doch er selbst schien nur leere, dumpfe Töne zu erzeugen. Aber das war anfangs immer so. Sie mussten sich aneinander gewöhnen. Erst, wenn sie sich kennengelernt hatten, waren sie in der Lage, gemeinsam eine Melodie zu formen.

Er spielte Tonleitern, Dur, Moll, Chromatik, zusammenhanglose Töne, alles, was ihm in den Sinn kam.

Währenddessen saß Tom auf dem Klavierhocker und beobachtete seine Hände, hörte zu, schwieg, war einfach da. Harry hätte zu gern gewusst, was er dachte, traute sich aber nicht, zu fragen.
 

„Hast du vergessen, wie man Lieder spielt?“, neckte ihn der Ältere plötzlich und Harry löste den Bogen von den Saiten um ihm einen bösen Blick zuzuwerfen.

„Natürlich nicht“, sagte er beleidigt. „Ich muss mich nur erst wieder daran gewöhnen, wie man spielt. Ich will dich sehen, wenn du dich mal wieder an ein Klavier setzen würdest.“

Tom schenkte ihm darauf ein Lächeln, bei dem er froh war, dass er bereits saß, da er wettete, dass sonst seine Beine eingeknickt wären. „Ich weiß“, sagte er sanft. „Würdest du mir etwas vorspielen? Ich würde dich gerne spielen hören.“

Harry schluckte und nickte. Er würde etwas einfaches, heiteres nehmen. Tom musste sicher immer noch innerlich todtraurig sein, auch wenn er es nicht zeigte. Da musste er dieses Gefühl nicht noch verstärken.
 

Ehe er allerdings damit begann, realisierte er etwas, das er bisher noch relativ gut verdrängt hatte: Der Grund, warum er dieses Cello in den Händen hielt, war, dass Abraxas Malfoy tot war. Fort. Weg.

Tot.

Bevor er wusste, was er eigentlich tat, spielte er Seduction von Adam Hurst.

Es war ein trauriges Stück und während seine Melodie durch den Raum schwebte, erinnerte er sich an alles, was er verloren hatte. Seine Kindheit. Seine Familie. Sich selbst.

Er erinnerte sich an die guten Tagen, die er einmal hatte und an Abraxas, der ihm beigebracht hatte, dieses Lied zu spielen und nun begraben auf dem Friedhof lag.

Er wollte weinen. Doch stattdessen spielte er und hoffte, dass so der Schmerz, der Verlust, die Trauer verschwinden würden. Natürlich funktionierte es nicht. Es hatte noch nie funktioniert, aber trotz allem fühlte er sich hinterher besser.
 

Sobald der letzte Ton verklungen war, stellte er das Cello vorsichtig ordnungsgemäß auf dem Boden ab. Erst dann blickte er zu Tom auf.

Er hatte schon oft gehört, dass Liebe einem das Gefühl geben sollte, zu sterben – vor Glück verstand sich. Als er den Blick sah, den der Ältere ihm zuwarf, verstand er das erste Mal, was damit gemeint war.

Er konnte nicht einmal sagen, was es für ein Blick war oder wie er ihn deuten sollte. Er wusste nur, dass er ihm durch Haut und Knochen ging und er sich dadurch eingestehen konnte, was er sonst immer leugnete und auch immer leugnen würde: Er liebte diesen Mann.
 

„W... was ist?“, fragte er mit klopfenden Herzen. Seine Stimme zitterte.

„Nichts“, entgegnete Tom. Seine Stimme war ungewöhnlich rau, weshalb er schluckte. Harry beobachtete die Bewegung seines Adamapfels, bevor er wieder sein Gesicht ansah. „Du... Merlin, du spielst fantastisch.“

„Danke“, erwiderte er lächelnd. „Aber ein Cello klingt viel besser in Begleitung eines Klaviers.“

Tom senkte daraufhin den Blick und schwieg. Deshalb stand Harry langsam auf und ging auf ihn zu. Vor ihm angekommen, hockte er sich hin und sah besorgt zu ihm auf. „Du siehst müde aus. Vielleicht solltest du...“
 

Bevor er seinen Satz zu Ende sprechen konnte, packte Tom ihn bei den Schultern und küsste ihn. Bisher waren ihre Küsse stets sanft, flüchtig und... nett gewesen. Tom konnte zwar seinen besitzergreifenden Charakter durchschimmern lassen, aber er war immer rücksichtsvoll gewesen.

Das hier war anders und Harry wusste sofort, dass es ihm tausendmal besser gefiel. Der Kuss war hart, brutal und schmerzhaft, was vielmehr dem Mann entsprach, als sein sonstiges Verhalten. Unwillkürlich keuchte er auf, was Tom dafür nutze, seine Zunge in Harrys Mund gleiten zu lassen und ihn mit einem Verlangen zu plündern, das den Jüngeren fast wahnsinnig machte.
 

Plötzlich wurde er auf den Boden geworfen, doch ehe er protestieren konnte, hatte sich der Mann ganz auf ihn gelegt und fuhr damit fort, seine Lippen in Beschlag zu nehmen. Dabei benutzte er auch seine Zähne, weshalb es nicht lange dauerte, bis er sein eigenes Blut schmecken konnte. Anstatt dies jedoch abstoßend zu finden, stöhnte er in den Kuss und schlang seine Arme um Toms Nacken, um ihn noch mehr an sich zu ziehen. Das hier war vollkommen krank, irrational und verrückt, aber das änderte nichts daran, dass er jede einzelne Sekunde davon genoss.
 

Schließlich mussten sie sich aus Luftmangel keuchend voneinander lösen. Schwer atmend starrten sie sich gegenseitig an. Toms Augen leuchteten voller Verlangen und Harry konnte sein Blut auf dessen Lippen kleben sehen. Abwesend löste er seine rechte Hand von dem Nacken des anderen und führte seine Finger stattdessen auf seinen Mund, um es wegzuwischen.

Sofort wollte er ihn in einen weiteren Kuss verwickeln, doch Harry drückte ihn mit seinen Händen von sich, was ihn zumindest dazu brachte, inne zu halten.

„Nicht“, flüsterte er. „Ich würde es morgen bereuen.“

Das stimmte. Obwohl in diesem Moment alles in ihm danach schrie, weiterzumachen, würde er es bereuen, sobald er wieder klar denken konnte und das wollte er nicht. Dafür war ihm dieses Gefühl zu wertvoll.

Tom seufzte tief und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn, wobei er einen Moment lang seine Nase in Harrys Haaransatz vergrub und tief einatmete. Danach sprang er auf und verließ beinahe fluchtartig den Raum.
 

Harry sah ihm mit geröteten Wangen und hämmernden Herzen hinterher. Es würde eine Weile dauern, bis er in der Lage sein würde, wieder aufzustehen.
 

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Neville fuhr erschrocken aus dem Schlaf und starrte mit weit aufgerissenen Augen an die Decke über sich. Sein Herz hämmerte wie wild und er konnte die Erregung in seiner Hose spüren.

Was. War. Das?!

Warum träumte er von Harry und dann auch noch auf diese Art und Weise? Er stand doch gar nicht auf Jungs und erst recht nicht auf seinen besten Freund! Oder?
 

Was, außer seine eigene Fantasie hätte das sonst sein können? Eine Vision von Voldemort? Nie und nimmer. Dieses Monster wusste nichts von solch tiefgehenden Gefühlen und das, was er gespürt hatte, als er Harry... geküsst hatte, nachdem er dieses schrecklich schöne Lied gespielt hatte, war mehr als pures Verlangen gewesen. Das war sicher nicht auf dessen Mist gewachsen und außerdem hätte Harry dann niemals den Kuss erwidert.

Das konnte nur bedeuten, dass dieser Traum wirklich von ihm selbst kam. Würgende Wasserspeier, das war unmöglich! Harry war sein bester Freund! Nichts weiter! Aber warum fing sein Bauch dann damit an, Purzelbäume zu schlagen, wenn er sich an den Kuss und Harrys Blick danach erinnerte?!

„Ah, verdammt!“, rief er und vergrub sein Gesicht in seinem Kissen, während er versuchte, irgendetwas anderes zu denken.
 

Es war nur ein Traum. Nichts weiter.

Dumm nur, dass das Schicksal auch Träume nutzte, um für seine Unterhaltung zu sorgen.

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Das nächste Mal sind wir wieder in Hogwarts. <3

Liebste Grüße, Ayako

Talk About Love

Ich werde ganz ehrlich sein: Ich hasse dieses Kapitel. -__-

Dabei ist es inhaltlich sogar recht hübsch, aber es hat (für meine Verhältnisse) lange gedauert, bis ich damit fertig war und überhaupt.... nein, ich mag es immer noch nicht.

Deshalb danke ich an dieser Stelle meiner Beta, die sich mein Gejammere anhören musste, es sich aber trotzdem durchgelesen und sogar freundlich kommentiert hat. *sie schniefend knuddel*

Außerdem danke ich – wie immer – den lieben Kommischreibern. Ihr seid für mich wirklich immer eine große Motivation. *jedem einen Becher mit Eis in die Hand drück*

Ich wünsche euch auf jeden Fall viel Spaß mit diesem Kapitel, vielleicht gefällt es euch ja besser, als mir...

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Talk About Love
 

Lieber Harry,
 

Thomas Mask also? Keine schlechte Idee, ich weiß, warum ich auf seiner Seite stehe. Ich bin froh, dass du es jetzt offensichtlich auch so siehst. Ich warte übrigens immer noch auf einen Brief voller Einzelheiten. Habt ihr euch endlich geküsst? Seid ihr schon weiter gegangen? Komm schon, spann mich nicht so auf die Folter!

Pass übrigens auf diesen Mann aus dem Ministerium auf... Rufus Scrimgeour heißt er, glaube ich. Ich habe das Gefühl, dass er mehr weiß, als er zugibt und ein Auge auf dich geworfen hat.

Ansonsten beruhigt es mich, zu wissen, dass du so gut mit dem Tod deines „Großvaters“ klarkommst. Dieses Cello war wirklich ein sehr großzügiges Geschenk. Ich hoffe, dich eines Tages darauf spielen zu hören.
 

Liebe Grüße,

Luna
 

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Die ganze Schule schien zu wissen, dass Abraxas Malfoy gestorben war, aber das überraschte Harry nicht besonders. Schlechte Nachrichten verbreiteten sich schnell. Somit war es nicht verwunderlich, dass alle – Lehrer und Schüler – jeden Schritt von Draco und Harry beobachteten. Alle warteten darauf, dass sie ein Zeichen der Trauer von sich gaben, aber da würden sie enttäuscht werden. Sie würden sich nichts anmerken lassen. Sie hatten es noch nie getan.

Außer natürlich in jenem Monat, in dem er kein Wort gesprochen hatte und sein Bruder mit jedem Tag verwahrloster wirkte, doch das war eine Ausnahme gewesen. Das war überraschend gewesen.

Diesmal handelte es sich um etwas, worauf sie sich hatten vorbereiten können.
 

Worauf er sich nicht hatte vorbereiten können, war das, was beim ersten Frühstück zurück in Hogwarts geschah. Er saß gerade mit Stephen und ein paar anderen Ravenclaws an ihrem Haustisch und zerkaute ein Stück Toast, als schnelle Schritte auf ihn zukamen und eine aufgebrachte Cho Chang eine Zeitung auf seinen Teller fallen ließ. „Was hat das zu bedeuten?“, fragte sie.

Zuerst starrte er sie verdutzt an, ehe er sich genauer ansah, was sie ihm gebracht hatte. Es war die neueste Ausgabe der Hexenwoche und da, direkt auf der Titelseite war ein Bild von ihm und Thomas Mask. Darüber stand in einer kitschigen, rosaroten Schrift: „Das Traumpaar des Jahres wurde gefunden“.

Den Rest des Artikels brauchte er sich gar nicht erst durchzulesen. Eines musste man den Journalisten lassen, sie waren schnell.
 

Sich auf das schlimmste bereit machend, griff er nach der Zeitung und legte sie neben seinen Teller, um daraufhin damit zu beginnen, sich ein neues Toast zu schmieren. „Ich nehme an, in dem Artikel wird alles stehen, was es darüber zu wissen gibt.“

Hinter sich konnte er hören, wie die Slytherins verstummten. Sie wussten natürlich alle, wer Thomas Mask wirklich war und waren wahrscheinlich mehr als neugierig, ob das, was ihre Eltern vermuteten, der Wahrheit entsprach. Doch auch die restlichen Tische waren ungewöhnlich ruhig geworden. Offenbar schien es alle zu interessieren. Na großartig. Was war bitte schön so spannend daran, wenn er mit jemanden zusammenkam? Die Slytherins konnte er verstehen, sie wussten, wer Tom war, aber der Rest?
 

„Heißt das, du bist wirklich mit diesem... Mask zusammen?“, fragte Cho erschrocken.

Währenddessen bekam Stephen eine Erleuchtung. „Das ist also der Typ, der dir Rosen geschickt hat!“, rief er und grinste breit. „Ich wusste doch, dass da was dahinter steckt.“

„Er hat ihm Rosen geschickt?“, riefen Parvati Patil, Pansy Parkinson und Draco Malfoy wie aus einem Mund.

Harry drehte sich zu seinem Bruder um und hob eine Augenbraue. „Und warum bist du jetzt überrascht?“

Aufgeregtes Tuscheln folgte seinen Worten, sowie das ein oder andere Quietschen. „Du bist also wirklich mit diesem Kerl zusammen?“, fragte Anthony Goldstein, der sich die Hexenwoche geschnappt hatte und das Foto studierte, während sich Parvati über seine Schulter beugte, um ebenfalls sehen zu können.

„Ich denke, man kann es so nennen, ja“, meinte er und biss in sein Toast.
 

Die Slytherins keuchten überrascht auf, während Cho Chang in Tränen ausbrach und aus der Großen Halle stürmte, gefolgt von ihrer Schar Freundinnen. Also bitte. Er hatte ihr niemals Hoffnungen gemacht.

„Wow, du hast echt verdammtes Glück, Harry“, sagte Parvati und seufzte verträumt. „Er sieht so gut aus.“

„Woher kennt ihr euch?“, fragte jemand.

Da er wusste, dass ihm ohnehin keine andere Wahl blieb, erzählte er ihnen die Geschichte, die er und Tom sich ausgedacht hatten.
 

Thomas Mask war ein junger Amerikaner, dessen Familie ursprünglich aus England stammte. Er und Harry kannten sich von vergangenen Familienfeiern aus der Kindheit, wo sie sich immer gut verstanden hatten, doch bedauerlicherweise hatten sie sich danach für mehrere Jahren nicht mehr gesehen, da er mit seinem Studium in den Vereinigten Staaten beschäftigt gewesen war. Nun war er jedoch nach England zurückgekehrt, um im Ministerium tätig zu werden. Dafür kam er bei dem alten Freund seines Vaters, Lucius Malfoy unter. Im Sommer hatte er dafür bereits einige Tage in Malfoy Manor verbracht, wo er und Harry sich ab und an gesehen hatten, allerdings meistens nur in der Ferne. Trotzdem hatten sie sich während der vergangenen Monate ab und an Briefe geschrieben.

In den Osterferien schließlich hatten Thomas und Harry sich nun wiedergetroffen und zwischen Ferienlaune und Totenwache war es irgendwie passiert, dass „mehr“ aus ihnen würde.
 

Es war eine einfache, glaubwürdige Geschichte, die niemand anzweifeln würde und gleichzeitig Tom eine Möglichkeit gab, ins Ministerium einzudringen. Außerdem vermutete Harry, dass er darin eine Methode sah, mögliche Bewunderer Harrys zu eliminieren, obwohl er das nie gesagt hatte.

Egoistischer, selbstsüchtiger, besitzergreifender Stalker.

//Und genau das magst du so an ihm//, meinte seine innere Stimme. Ausnahmsweise versuchte er gar nicht erst, ihr zu widersprechen, denn dummerweise hatte sie Recht.
 

Er ließ seinen Blick zum Lehrertisch schweifen und hob eine Augenbraue. Zwar hatten die meisten sich bereits wieder ihrem Frühstück zugewandt und taten so, als würde sie das ganze nicht interessieren, aber drei Lehrer hatten sich diesem Gruppenverhalten noch nicht angeschlossen.
 

Der erste war natürlich Dumbledore, der ihm fröhlich zuzwinkerte und seine Kaffeetasse anhob, wie um für ihn anzustoßen. Harry lächelte leicht und blickte zu Remus hinüber, der ihn fragend ansah. Es war für ihn sicher überraschend gewesen, so etwas zu hören und er war neugierig, wer dieser Thomas Mask war. Da konnte der Ravenclaw sich wohl schon auf ein langes Gespräch mit jede menge Tee einstellen.
 

Ein weiteres Gespräch konnte er von Severus erwarten. Dieser sah ihn mit einem durchdringenden Blick an, der von versteckter Sorge sprach. Was verständlich war. Eine Beziehung mit einem dunklen Lord war wahnsinnig, gefährlich und absolut verrückt. Somit war es eigentlich kein Wunder, dass er in genauso etwas drinsteckte. Er hatte es schon immer geschafft, gegen den Strom zu schwimmen und dabei jegliche Gefahr zu ignorieren.
 

Er sah zum Gryffindortisch. Neville saß bei Seamus und Dean und begegnete seinem Blick verwirrt. Harry konnte sein „Warum hast du mir nichts gesagt?“ bereits hören.

Hermione saß ein paar Plätze von ihm entfernt neben Ronald. Sie sah besser aus, als vor den Osterferien und hob grinsend den Daumen, als er sie ansah. Er erwiderte ihre Grinsen und biss endlich in sein Toast.

Er musste jetzt etwas Kraft tanken. Wer wusste schon, wie das heute noch weitergehen würde.
 

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Der Rest des Tages verlief relativ ereignislos, wenn man davon absah, dass seine Klassenkameraden – besonders der weibliche Teil – die ganze Zeit versuchte, alle Einzelheiten über Thomas Mask aus ihm herauszubekommen. Es war ihnen deutlich anzusehen, dass sie zutiefst enttäuscht darüber waren, dass Harry und dieser geheimnisvolle Fremde beide nichts für Frauen übrig zu haben schienen. Aber das hinderte sie nicht daran, mehr wissen zu wollen. Hermione und Draco beobachteten das beide amüsiert, doch Neville war ungewöhnlich ruhig und reserviert. Somit war er auch nicht überrascht, als dieser ihn nach der letzten Stunde nach einem Spaziergang fragte.
 

Sie gingen hinaus auf die Ländereien, wo sich bereits einige andere Schüler versammelt hatten, um die freie Zeit vor dem Abendessen zu genießen. Keiner von ihnen achtete auf die beiden, während sie schweigend auf den Großen See zugingen.

Er lag ruhig da, nur leichte Wellen rollten auf das Ufer zu, die wahrscheinlich von dem Riesenkraken ausgelöst wurden, der in den Tiefen schlummerte. Der Himmel war bedeckt, doch ein paar vereinzelte Sonnenstrahlen drangen zwischen den Wolken hindurch und fielen auf das graue Wasser. Ein paar Vögel flogen über sie hinweg und in der Ferne konnte man das Heulen eines Wolfes hören.

Harry setzte sich auf einen großen Stein, der in den See hineinragte und starrte ins Wasser, während Neville neben ihm stehen blieb und seinem Blick folgte.
 

„Ist er ein Todesser?“

Obwohl er die Frage erwartet hatte, überraschte es ihn, dass er sie als erstes stellte. Wie wäre es mit einem „Ich freue mich für dich, Harry“ oder „Liebst du ihn?“ oder „Bist du glücklich mit ihm?“. Nein, es gab nur die egoistische Frage, die ihm sagen würde, ob Harry dabei war, ihn zu verraten oder nicht.

Okay, er konnte es nachvollziehen. Er hätte genauso gehandelt. Trotzdem änderte es nichts daran, dass es ihn etwas ärgerte.

„Nein“, sagte er darum kühl. „Er ist kein Todesser.“

//Er ist der dunkle Lord.//

Das machte das ganze irgendwie noch schlimmer. Er wusste, er hatte Neville eigentlich damit verraten. Eine Liebesbeziehung mit dem Mann, der seinen Tod wollte. Er war ein schlechter, bester Freund.
 

Der Auserwählte entspannte sich jedoch, als er seine Worte hörte. „Das ist gut. Ich hatte schon befürchtet, ich hätte dich verloren.“

Eines war nun vollkommen klar: Neville war die Nummer eins im Erschaffen eines schlechten Gewissens.

„Was willst du damit denn schon wieder sagen?“, fragte Harry, obwohl er es wusste. „Nur weil ich jetzt mit jemanden zusammen bin, bedeutet das nicht, dass wir aufhören, Freunde zu sein.“
 

„Ja, du hast Recht“, er lachte leise und drehte sich zu ihm um. „Wie dumm von mir. Entschuldige, aber in diesen Zeiten...“ Er verstummte und sah sich besorgt um, ehe er etwas näher trat und sich zu ihm hinunterbeugte, um leise zu erklären: „Ich mache mir nur Sorgen um dich. Ich befürchte, dass Voldemort weiß, dass er mir schaden könnte, wenn dir etwas passieren sollte. Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn du wegen mir verletzt wirst.“

„Neville...“

„Pass einfach auf dich auf, okay?“, meinte er und richtete sich mit einer etwas fröhlicheren Miene wieder auf. „Thomas Mask. Ich habe zwar keine Ahnung wer er ist, aber wenn du ihn magst, muss er in Ordnung sein. Du musst ihn mir unbedingt irgendwann vorstellen, hörst du?“

„Okay, ich werde ihn gleich in meinem nächsten Brief danach fragen“, entgegnete er mit einem gezwungenen Lächeln. Neville schien es zu reichen, denn er klopfte ihm auf die Schulter und ging in Richtung Schule davon.
 

Harry sah ihm mit einem dumpfen Gefühl im Magen hinterher.

Er mochte Tom lieben – auch wenn er sich hüten würde, das diesem egoistischen, besitzergreifenden Stalker mitzuteilen – aber Neville war sein Freund. Es war nicht dieselbe Art von Freundschaft, die ihn mit Felice oder Luna verband. Trotzdem war sie da und er wusste, dass er nicht in der Lage wäre, ihn vollkommen zu verraten.

//Ich finde einen Weg, um ihn zu beschützen//, dachte er. //Tom will ihn zwar umbringen, aber ich werde alles tun, um das zu verhindern. Neville hat es nicht verdient wegen diesem sinnlosen Krieg geopfert zu werden.//

Doch wie sollte er das anstellen?
 

Tom würde kaum aufhören, ihn zu jagen, nur weil Harry ihn darum bat. Dafür war er viel zu sehr ein Stratege. Neville war das Licht der weißen Seite. Der Hoffnungsschimmer am Horizont, derjenige, der alle retten sollte (Harry fragte sich immer noch, wie er das schaffen sollte), der Held. Wenn er sterben würde, würde es die Moral um einiges senken und vielleicht würden einige Zweifler doch noch zum dunklen Lord hinüber wechseln.

Strategisch war es der beste Plan, den man sich vorerst vorstellen könnte.
 

Das ganze würde jedoch mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zu einem Krieg führen. Etwas, das alles in ihm verhindern wollte, nicht zuletzt weil er ein Tempus Amicus war. Außerdem war Neville nichts weiter als ein ganz normaler Junge, der mit etwas Pech zum Auserwählten geworden war. Das hätte auch ihm selbst, Harry, passieren können, wenn Tom damals nicht aus irgendeinem Grund davon abgesehen hätte, ihn anzugreifen.

Er hatte es nicht verdient, getötet zu werden, nur weil er etwas überlebt hatte.

//Denkst du, du bist wirklich in der Lage, es aufzuhalten?//

Nein, aber er würde es versuchen.
 

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Langsam führte Neville die Feder auf das Pergament und schrieb: Ich hatte vor kurzem einen seltsamen Traum.

Er war in seinem Schlafsaal und lag mit dem Bauch auf seinem Bett, während um ihn herum die meisten bereits tief und fest schliefen. Es war die einzige Zeit, wenn er es wagte, mit dem Tagebuch zu kommunizieren. Tom hatte ihm sehr deutlich gemacht, dass man ihn ihm wegnehmen würde, wenn jemand von dem Tagebuch erfuhr. Zwar kam ihm das etwas seltsam vor, aber er wollte kein Risiko eingehen.
 

Was für einen Traum?, fragte Tom mit seiner schönen, feinen Schrift. Sie schrieben jetzt schon seit Monaten miteinander und inzwischen war er zu seinem engsten Vertrauten geworden. Neville teilte wirklich all seine Gedanken mit ihm, nicht zuletzt, weil er es schlecht ausplaudern konnte.
 

Einen ganz merkwürdigen. Ich habe Harry geküsst.
 

Für mehrere Sekunden kam keine Reaktion. Dann: Du hast was?!
 

Es war nur ein Traum..., schrieb Neville. Ich weiß nicht einmal, wo er herkam. Harry ist mein Freund und nichts weiter. Außerdem ist er jetzt ohnehin mit jemanden zusammen.
 

Er ist was?!
 

Neville runzelte die Stirn. Warum beschäftigt dich, was mit Harry ist? Du hast schon oft nach ihm gefragt. Hat er auch in dich hineingeschrieben?
 

Nun... ja, das hat er. Neville starrte verdutzt die Worte an. Tatsächlich? Ich mochte ihn, fuhr Tom fort. Er hatte faszinierende Gedankengänge. Mit wem ist er zusammen?
 

Einem gewissen Thomas Mask.
 

Thomas Mask? Dann ist er in guten Händen.
 

Was macht dich da so sicher?
 

Harry hat mir von ihm erzählt, erklärte Tom bereitwillig. Er hat ihn in den Ferien getroffen und konnte gar nicht aufhören, von ihm zu schwärmen. Soweit ich es beurteilen kann, ist er ein guter Mensch. Es ist schön, dass sie zusammengefunden haben. Du solltest dich für ihn freuen. Sie werden sich gegenseitig glücklich machen.
 

Ich hoffe, du hast Recht. Er hat alles Glück der Welt verdient. Ich frage mich nur, was es mit diesem Traum auf sich hatte.
 

Du bist jung und Single. Es ist normal, da seltsame Träume zu haben. Der hat sicher nichts zu bedeuten. Oder glaubst du, du hast dich in Harry verliebt?
 

Das war die Frage, die er sich in den letzten Tagen auch andauernd gestellt hatte und wenn er ehrlich sein sollte, fand er keine Antwort darauf. Natürlich mochte er ihn. Er war sein bester Freund. Er würde alles tun, um ihn vor diesem Krieg zu beschützen und ihm eine Möglichkeit zu geben, glücklich zu werden. Harry hatte das verdient. Doch das bedeutete sicher nicht, dass er in ihn verliebt war, oder?
 

Er ist dein bester Freund, schrieb Tom plötzlich. Du hast ihn gern und deine Hormone spielen verrückt. Da kann es sein, dass sich dein Gehirn etwas zusammenreimt, um deine inneren Bedürfnisse zu befriedigen. Aber das bedeutet nicht, dass du in ihn verliebt bist. Wie hast du dich gefühlt, als du von Thomas Mask erfahren hast? Warst du wütend? Entsetzt? Verletzt? Traurig?
 

Nein... ich war nur überrascht. Danach habe ich mich aber für ihn gefreut.
 

Dann bist du nicht in Harry verliebt. Glaub mir.
 

Neville atmete erleichtert aus. Gut! Das hätte das alles auch viel zu kompliziert gemacht.
 

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„Nun, Hauptsache ist, dass er dich glücklich macht“, meinte James und lächelte leicht, während Remus die Stirn runzelte. Harry saß in dessen Büro in Hogwarts und hatte soeben ein Verhör über Thomas Mask über sich ergehen lassen. Er hatte bereits damit gerechnet und deshalb die passenden Antworten parat gehabt. Allerdings glaubte er immer noch, dass beide Männer sich Sorgen machten.

Er konnte es ihnen nicht verdenken.
 

„Ich habe davor noch nie etwas von ihm gehört“, bekannte der Werwolf. „Wer ist seine Familie?“

„Freunde von Lucius und Narcissa“, entgegnete er schulterzuckend. „Er ist ein Einzelkind, seine Eltern sind schon vor ein paar Jahren gestorben. Momentan steht er relativ alleine dar.“

„Und was hat er vor?“, fragte Remus. „Hat er finanzielle Absicherungen? Es kann nicht einfach sein, wenn er allein ist.“

„Seine Familie war reich und er ist der einzige Erbe. Sie stammt aus Großbritannien, weshalb er jetzt zurückgekehrt ist und versucht, im Ministerium Fuß zu fassen.“

„Meinst du, er wird es schaffen?“, fragte James.

Harry lächelte. „Ich bin mir sogar ziemlich sicher. Er... ist ein brillanter Politiker. Nur etwas radikal.“

„Und du magst ihn wirklich sehr.“

Harry sah seinen Vater an und nickte. „Ja... er ist mir sehr wichtig.“
 

Die beiden Männer betrachteten ihn mit einem wissenden Lächeln. „Das ist schön. Du hast es dir wirklich verdient“, meinte James sanft. „Wirst du ihn uns mal vorstellen?“

„Vielleicht. Mal sehen. Wo ist eigentlich Lily?“

Es war nicht so, dass er sie vermisste, doch es wunderte ihn, dass sie nicht da war. Normalerweise nutzte sie jede Gelegenheit, um ihn zu treffen und ihm zu zeigen, wie sehr sie ihre vergangenen Taten doch bereute. Darüber hinaus würde sie es sich sicher nicht entgehen lassen, über seine „Liebesbeziehung“ zu reden und ihm Beratung anzubieten. Dass sie nicht hier war, war überraschend und beruhigend zugleich.
 

Interessanterweise war es bei seiner Frage plötzlich ungewöhnlich kalt in dem Raum geworden und Harry beobachtete, wie Remus seinen Vater einen nervösen Blick zuwarf. Merkwürdig.

„Ist etwas passiert?“, erkundigte er sich vorsichtig.

„Lily... wohnt zurzeit nicht Zuhause“, meinte James nur.

„Warum nicht?“

„Wir hatten eine Meinungsverschiedenheit.“

„Das muss aber eine ziemlich heftige Meinungsverschiedenheit gewesen sein.“

„Du musst dich nicht darum kümmern. Meine Augen wurden einfach geöffnet und jetzt kann ich sie nicht mehr sehen.“
 

Remus und Harry wechselten einen Blick. Wenn er jetzt schon damit anfing, metaphorische Sprüche loszulassen, musste es etwas äußerst ernstes sein. „Dad“, sagte er langsam. „Worum ging es in dieser Meinungsverschiedenheit?“

„Das braucht dich nicht zu kümmern“, wiederholte er entschlossen. „Es ist etwas zwischen ihr und mir. Aber keine Sorge, du bist weiterhin bei mir willkommen und ich bin sicher, dass auch Lily dich nur zu gerne bei sich willkommen heißen würde.“

„Ging es um mich?“

Selbst Remus schien über diese Aussage überrascht zu sein. Aus diesem Grund fügte er hinzu: „Ging es um das, was ich bin?“
 

„Harry...“, begann James.

„Du solltest dich nicht deswegen mit ihr streiten“, unterbrach er ihn. „Ihr beide habt all die Jahre zusammengehalten. Ihr seid ein wunderbares Paar. Ihr solltet euch nicht wegen so etwas lächerlichem in die Haare kriegen.“

„Es ist nicht lächerlich, wenn meine Frau unseren Sohn als ein Monster bezeichnet!“, widersprach er aufgebracht.

„Lily hat was getan?!“, fragte Remus und starrte ihn entsetzt an. „Wie konnte sie? Harry und ein Monster? Das ist lächerlich! Harry, du darfst nicht auf sie hören. Du bist einer der wundervollsten Menschen, die ich kenne! Was beim Barte des Merlin ist in sie gefahren, dass sie so etwas sagen konnte? Hat sie es etwa zu dir gesagt?“, fügte er an den Schüler gewandt hinzu.
 

„Nein, aber zu anderen Menschen. Außerdem meinte sie niemals direkt mich...“

„Ein Tempus Amicus ist ebenfalls kein Monster“, sagte Remus entschlossen, was James zu überraschen schien, während Harry nur leicht nickte. Er hatte geahnt, dass sein Patenonkel irgendwann eins und eins zusammenzählen würde. Allerdings erleichterte es ihn ungemein, dass er es einfach kommentarlos akzeptierte. „Du bist viel zu jung und hattest bisher keine Möglichkeit, deine Fähigkeiten zu entwickeln. Auch deine Intelligenz kann nicht die Zeit überspringen, die benötigt wird, um das zu tun. Momentan kannst du niemanden mutwillig manipulieren. Jemand, der so etwas glaubt, hat keine Ahnung von der Materie.“
 

Harry seufzte, nickte aber. Es hatte ohnehin keinen Sinn, mit ihm zu streiten.

„Weiß eigentlich dieser Thomas Mask, dass du ein Tempus Amicus bist?“, fragte James und sah ihn neugierig an.

„Ja“, meinte er. „Aber erst seit kurzem.“

„Und er kommt damit klar?“

„Ich glaube, er sieht es als eine Art Geschenk“, meinte er lächelnd.
 

Natürlich tat er das. Tom hatte sicher seit Jahren nach einem Tempus Amicus gesucht, den er in seinen Einflussbereich ziehen und benutzen konnte. Dass sie so eine Art von Beziehung entwickelt hatten, war für ihn sicher genauso überraschend gewesen wie für Harry. Außer wenn er es doch geplant hatte und momentan nur mit ihm spielte, um einen Krieg zu führen und zu gewinnen.
 

„Dann ist es gut“, meinte James und Remus nickte zustimmend. „Er scheint ein guter Mensch zu sein. Ich hoffe, ich werde ihn eines Tages kennenlernen.“

„Ich denke schon, dass du eines Tages die Möglichkeit bekommen wirst. Immerhin wird er bald im Ministerium tätig sein. Du wirst ihm sicher über den Weg laufen.“

„Das meinte ich nicht. Ich will ihn nicht als Kollegen, sondern als den Freund meines Sohnes kennenlernen. Aber wenn du das ablehnst, kann ich es verstehen.“
 

Harry stand auf, ging auf ihn zu und umarmte ihn einfach.

„Ich werde mit ihm darüber sprechen“, versprach er leise. „Ich denke, er wird sich freuen.“

Würde er nicht. Aber manchmal war lügen erlaubt.
 

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Die nächsten Wochen vergingen friedlich. Alle waren damit beschäftigt, für die Abschlussprüfungen zu lernen, tratschten über die neusten Pärchen, die sich gebildet hatten oder über die Trennungen, die stattfanden und andere wiederum diskutierten über das bevorstehende letzte Spiel der Quidditchsaison.

Harry stand in dieser Zeit in einem regen Briefkontakt mit Tom, der unter dem Deckmantel Thomas Mask in aller Öffentlichkeit seine Zuneigung zeigen konnte und ihm regelmäßig kleine Geschenke schickte. Er musste zugeben, dass es recht schmeichelhaft war und die Mädchen seufzten immer verträumt – oder neidvoll – da sie selbst so einen Liebhaber herbeisehnten.

Er fragte sich, was sie gesagt hätten, wenn sie gewusst hätten, wer es tatsächlich war, der ihm solche Aufmerksamkeiten zuschickte.
 

Mit seinen Freunden sprach er in diesen Wochen kaum, da er die meiste Zeit in der Bibliothek und seinem Zimmer zubrachte. Manchmal saß er auch draußen am See, um Hausaufgaben zu erledigen oder seine Forschung über Animagi fortzusetzen.

Hermione ging es, soweit er es feststellen konnte, ganz gut, auch wenn sie manchmal einen Verband trug oder ein Pflaster auf ihrem Gesicht kleben hatte. Ihm gegenüber verhielt sie sich jedoch normal und sogar recht ausgelassen.
 

Neville verhielt sich auch normal und er hatte dieses Tagebuch nicht mehr zu Gesicht bekommen.

Draco schien sich währenddessen wieder mit Pansy versöhnt zu haben, zumindest schloss Harry das aus ihrer ständigen Anwesenheit. Seiner Meinung nach war sie schlimmer als eine Klette, aber er hielt jeglichen Kommentar zurück. Ganz im Gegensatz zu Blaise, der sich regelmäßig darüber beschwerte, was wiederum zu vielen Auseinandersetzungen führte.

Luna schickte ihm weiterhin regelmäßig Briefe, während Felice weiterhin nichts von sich hören ließ. Alles war wie immer.
 

Doch dann, einen Tag vor dem letzten Quidditchspiel des Jahres, wurde die Normalität von einer Anomalie unterbrochen.

Es war Freitag und Harry war gerade auf dem Weg in die Bibliothek, um den freien Nachmittag mit seinen Studien zu verbringen. Er hatte sich im Unterricht wieder einmal furchtbar gelangweilt und war froh, das jetzt erst einmal hinter sich zu haben. Gleichzeitig fragte er sich, warum er noch ein Jahr die Schule besuchen wollte. Nun, es war zu spät, sich um zu entscheiden und so hatte er wenigstens noch etwas mehr Zeit, um über seine Zukunft nachzudenken.
 

Er bog um die nächste Ecke, als plötzlich jemand seinen Arm packte und ihn in eine stille Ecke zog.

„Hey, was soll das?“, beschwerte er sich und wandte sich zu der Person um. Überrascht starrte er den Jungen an, der vor ihm stand. Das sollte doch wohl ein Witz sein, oder? Was wollte er denn von ihm?

„Hi, Harry“, sagte Ronald Weasley und kratzte sich am Kopf. „Tut mir Leid, dass ich dich einfach so überfalle, ich weiß, dass du wahrscheinlich besseres zu tun hast.“

Er hob eine Augenbraue. „Was willst du?“, fragte er kühl. Jemand, der eine seiner Freundinnen misshandelte, hatte von ihm keine Höflichkeit verdient.
 

„Ich möchte mir dir reden“, sagte er ernst. „Bitte, es ist wichtig und ich weiß nicht, an wem ich mich sonst wenden soll.“

Harry wollte sofort „Nein“ sagen, aber als er seinen Gesichtsausdruck sah, überlegte er es sich anders. Ronald war todernst. Das, was er mit ihm besprechen wollte, war nicht irgendeine lächerliche Kleinigkeit und allein diese Erkenntnis weckte seine Neugier.

Was wollte der Weasley? Und warum wandte er sich ausgerechnet an ihn?
 

„Na schön“, sagte er deshalb widerstrebend. „Ich werde dir zuhören.“

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Das einzig gute an diesem Kapitel: Der Cliffhanger. <3

Was Ron wohl von Harry will? Seeeehr geheimnisvoll.

Ich wünsche euch viel Spaß beim Raten.

Liebste Grüße, Ayako

The Secret

Hallo ihr Lieben!

Ich war ja heute in „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes Teil 2“ und muss sagen: wow.

Bei den Büchern habe ich ja oft geweint (Sirius' Tod, Dumbledores Tod, Dobby, …), aber bei den Filmen i-wie nie, aber hier.... habe ich ab dem Tod unseres Lieblingstränkemeisters nur noch geheult. *schnief*

Tom, wie konntest, konntest, konntest du? *ihn mit einem Besen verhau*

Ähm ja.... Wie auch immer, da ich heute einen schönen Nachmittag hatte, dachte ich, ich bin mal nett und stelle heute schon das nächste Kapitel on.

Ich widme es all den Kommischreibern des letzten Kapitels. <3

Viel Spaß mit dem Harry/Ron-Gespräch!

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The Secret
 

„Also, Weasley, dann mal raus damit, was willst du von mir?“, fragte Harry und lehnte sich in dem Stuhl zurück auf dem er saß. Sie hatten sich kurzerhand nach Hogsmeade geschlichen, um dort in aller Ruhe ihr Gespräch führen zu können, weshalb sie beide ein Glas Butterbier vor sich stehen hatten. Um sie herum herrschte geschäftiges Treiben und niemand achtete groß auf sie. Ein paar Tische weiter konnte Harry Professor Sprout sitzen sehen, doch sie nickte ihnen nur zu und hielt lächelnd einen Finger vor den Mund, um zu zeigen, dass sie schweigen würde. Verständnisvolle Lehrer waren schon etwas großartiges.
 

Ronald sah sich etwas nervös um, ehe er sich Harry zuwandte und sagte: „Es geht um Neville. Deshalb rede ich auch mit dir, du bist sein bester Freund, du bist der einzige, der ihn zur Vernunft bringen könnte.“

„Was meinst du damit?“, fragte Harry und sah ihn verwirrt an. Zwar ahnte er, wo dieses Gespräch hinführen könnte, aber er wollte es noch nicht wahrhaben.

„Er... bringt sich momentan in große Schwierigkeiten“, sagte Ronald. „Er schreibt in dieses verdammte Buch.“

„Buch?“

„Dieses schwarze Notizbuch. Du hast es sicher auch bemerkt. Er tut es immer, wenn er glaubt, dass ihn niemand beobachtet. Er weiß wohl, dass er es nicht tun sollte. Es ist gefährlich.“

„Warum? Wie kommst du darauf?“
 

„Es ist dasselbe Buch, in das Ginny geschrieben hat“, sagte Ronald und sah ihn ernst an. „Es ist der Grund, warum die Kammer des Schreckens geöffnet wurde.“

Harry erstarrte. Die Kammer des Schreckens. Ihr zweites Schuljahr. Ginny...

„Bist du dir wirklich sicher?“, fragte er leise.

„Natürlich. Ich werde niemals dieses verdammte Buch vergessen, in das sie jeden Tag hineingeschrieben hat. Es hat sie getötet, Harry, und jetzt will es Neville töten!“
 

Es machte Sinn. Die Kammer des Schreckens öffnete sich nur dem Erben Slytherins und Tom war genau das. Wie auch immer er es angestellt hatte, in diesem Tagebuch befand sich ein Teil von ihm. Ein Teil, das andere Menschen zerstören konnte und in Ginnys Fall sogar töten. Momentan hatte er es auf Neville abgesehen.

Das machte ebenfalls Sinn, Tom hasste ihn, aus vielen Gründen.
 

Zum einen war er der Auserwählte, derjenige, der ihn besiegen sollte – was Harry immer noch nicht ganz verstehen konnte.

Darüber hinaus hatte er ihn damals als Baby irgendwie geschwächt und war seitdem für ihn mehr eine Plage als sonst etwas gewesen.

Doch das, was ihn wirklich kränken musste, war die Tatsache, dass Harry und sein Feind enge Freunde waren. Ob es nun Eifersucht oder Wut war, dieser Fakt gefiel ihm ganz und gar nicht, da Neville Harrys Aufmerksamkeit von ihm entfernte. Dass er in jedem Gespräch für ihn Partei ergriff, machte es auch nicht besser.
 

Natürlich wusste Tom, dass Harry mehr als wütend werden würde, wenn er es herausfinden würde, aber dieses Risiko ging er ein. Weil er glaubte, dass Harrys Gefühle für ihn stark genug waren, um ihm zu verzeihen? Oder wollte er es wie ein Unfall aussehen lassen, sodass er nichts davon mitbekommen hätte? Nun, über seine Motive konnte er später immer noch nachdenken.
 

Soweit machte – wie bereits erwähnt – alles Sinn, aber etwas machte ihn stutzig: „Warum sagst du mir das?“, fragte er Ronald. „Du hasst Neville genauso sehr wie Draco. Müsste es dir nicht gelegen kommen, wenn er stirbt?“
 

„Neville ist der Auserwählte“, entgegnete der Rothaarige. Er sah seinen Brüdern sehr ähnlich, etwas, das Harry zuvor nie aufgefallen war. Es war aber auch leicht zu vergessen, dass er mit den Zwillingen verwandt war. „Er ist unsere Hoffnung und der einzige, der den dunklen Lord besiegen kann. Ich weiß, dass du bei den Malfoys aufgewachsen bist und wahrscheinlich mit ihm sympathisierst, aber du bist ebenfalls ein Freund von Neville und darum weiß ich, dass du ihn nicht einfach sterben lassen wirst.“

Er verschränkte die Arme und sah ihn ernst an. „Es ist wahr, dass es mich nicht wenig kümmert, ob Neville lebt oder stirbt. In meinen Augen ist es nach wie vor seine Schuld, dass meine Schwester gestorben ist. Doch nichts daran ändert, dass er der einzige ist, der uns den Frieden und die alte Ordnung wiedergeben kann. Wir brauchen ihn und deshalb muss ich dafür sorgen, dass er lebt.“
 

Harry nickte. Das war eine logische, vernünftige Begründung, der er folgen konnte. Die Frage war nur: Konnte er Weasley vertrauen?

//Warum sollte er lügen?//, fragte seine innere Stimme. //Es würde ihm nichts bringen.//

Nein, würde es tatsächlich nicht. Trotzdem blieb er misstrauisch. Ronald Weasley hatte ihn in diesem Schuljahr zu oft überrascht. Er war nicht mehr berechenbar und solche Menschen waren gefährlich, denn man wusste nie, zu was sie fähig waren.
 

„Na sowas?“, unterbrach plötzlich jemand seinen Gedankengang und einen Moment später hatten sich zwei Hände auf seine Schulter gelegt.

„Wenn das nicht...“

„...unser kleines Genie und...“

„... unser nerviger...“

„...trotteliger...“

„...unverbesserlicher...“

„...deprimierter...“

„...Trübsal blasender...“

„...kleiner Bruder ist.“
 

Ronald stöhnte, während Harry sich verdutzt zu den Beiden umdrehte. „Was macht ihr denn hier?“, fragten sie die Zwillinge.

Fred und George grinsten und ließen sich jeweils auf Harrys Seite nieder, während sie Madam Rosmerta herbeiriefen, um sich etwas zu trinken zu bestellen.

„Momentan sitzen wir hier“, begann Fred.

„Um mit euch zu reden und zu trinken.“

„Müsstet ihr nicht eigentlich in der Schule sein?“

„Habt ihr euch herausgeschlichen?“

„Sehr vorbildlich“, sagte Fred zu Harry und klopfte ihm auf die Schulter. „Endlich kommst auch du in den Genuss der...“

„...Regelbrecher...“

„...Tunichtgute...“

„...vielleicht sogar Kriminellen.“
 

Harry hob eine Augenbraue, während Ronald düster blickte. Der Weasley hatte wohl nicht damit gerechnet, seinen Brüdern über den Weg zu laufen. Er selbst aber auch nicht. „Was tut ihr hier?“, fragte er eisig. Er hatte seine Theorie und sie gefiel ihm ganz und gar nicht.
 

„Ach“, begann George. „Wir wollten eigentlich nur nach einem leeren Laden suchen...“

„...für eine Filiale von Weasley's zauberhaften Zauberscherzen...“

„...aber dann sahen wir euch beiden hübschen durch die Straße gehen...“

„...so vertraut...“

„...und friedlich...“

„....ungewöhnlich, dachten wir uns. Deshalb...“

„...sind wir euch gefolgt, nicht dass du....“

„...dem armen Thomas das Herz brichst, besonders nicht...“

„...mit unserem Bruder, das würde uns...“

„...doch etwas kränken.“
 

Sie strahlten ihn an, während Ronald verdutzt zwischen ihnen allen hersah. „Ihr kennt diesen komischen Thomas Mask?“

„Klar“, sagten sie wie aus einem Munde.

„Ein netter Kerl...“

„Sehr charmant...“

„...charismatisch...“

„...intelligent...“

„...gewitzt...“

„...und Harry voll und ganz verfallen. Wir werden...“

„...hundertprozentig seiner Partei beitreten, wenn er denn...“

„...eine gründet.“
 

Ronald schnaubte. „Er ist sicher ein Todesser. So wie die ganze Brut um Malfoy.“

„Nein, ist er nicht“, sagte Harry freundlich. „Tom ist nicht der Typ, der sich anderen unterordnet.“ //Immerhin ist er der Anführer dieser ganzen Sekte.//

Die Zwillinge nickten zustimmend. „Thomas ist wirklich ein feiner Kerl. Warte es nur ab, irgendwann wirst du auf der Straße stehen und ihm zujubeln, wenn er als Minister an dir vorbeifährt!“
 

Harry hoffte insgeheim, dass dieser Tag nie kommen würde. So sehr er Tom auch mochte, als Minister wollte er ihn nicht sehen. Seine politischen Ansätze waren vollkommen in Ordnung und als Adoptivsohn der Familie Malfoy leuchteten sie ihm voll und ganz ein. Aber seine Methoden waren zu radikal. Wenn er Minister werden würde, könnte das zu einer Diktatur ausarten und so etwas wollte er nicht für England, denn dort würde es wieder keine Freiheit und Gleichberechtigung geben.

Wobei Gleichberechtigung ohnehin eine Utopie war. Ein schöner Traum, der niemals in Erfüllung gehen würde.
 

„Also los...“

„...nun sagt schon, was...“

„...macht ihr hier, so...“

„...allein. An diesem Abend...“

„...im Die Drei Besen...“

„...eine Stunde vor Ausgangssperre...“

„...an einem Wochentag. Na gut...“

„...es ist Freitag, aber...“

„...trotzdem kein Hogsmeadewochenende, da...“

„...wird man als großer Bruder schon etwas...“

„...misstrauisch.“
 

„Wir mussten miteinander reden“, sagte Harry. „Worüber hat euch nicht zu interessieren, denn dann wären wir zu euch gekommen, oder?“

Die Zwillinge sahen ihn an und nickten. „Wenn du es sagst“, sagte George sanft.

Warum vertrauten sie ihm so? Warum hatten sie ihm immer vertraut? Er verstand es nicht, würde es nie verstehen. Was hatte er getan, um ihr Vertrauen zu verdienen?
 

//Sie lieben dich. Deshalb vertrauen sie dir.//

Ja, das war eine Erklärung. Aber er liebte Tom auch und trotzdem vertraute er ihm nicht.

//Tom vertraust du. Der dunkle Lord ist es, den du immer hinterfragst.//

Sie waren ein und dieselbe Person.

//Und trotzdem vollkommen unterschiedlich.//

Schizophrenie?

//Interessanter Gedanke. Aber zweifelhaft.//

Man konnte nie wissen.

//Stimmt auch wieder.//
 

Sie unterhielten sich noch etwas mit den Zwillingen, wobei Harry und Ronald eher zuhörten, während die beiden Anderen redeten. Schließlich mussten sie aber ins Schloss zurück und verabschiedeten sich. Auf dem Nachhauseweg schloss sich ihnen Professor Sprout an, die mit Harry ein Gespräch über Pflanzen begann. Ronald war es anzusehen, dass es ihn empörte, wie die Lehrerin einfach so über ihren Regelbruch hinwegsah, was ihm auch nicht zu verdenken war. Wäre jemand anderes erwischt worden, hätte es Ärger gegeben. Lehrer ließen ihn schon viel durchgehen. Eigentlich war es ungerecht, aber er würde sich nicht beschweren.
 

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Rein zusammengefasst gab es vier Arten von Unterrichtsstunden.
 

Erstens: Das Lieblingsfach, da wo man meist hervorragende Leistungen vollbrachte. Wofür man ein Talent hatte. Das einen interessierte. Oder wo es einfach eine heiße Lehrerin (oder einen heißen Lehrer) gab, die (oder der) den Unterricht zu etwas besonderem machte und ihn von allen anderen Fächern abhob.
 

Zweitens: Das Hassfach, da man dort selbst nach langen Anstrengungen nicht durchblickte oder weil der Lehrer einem das Leben zur Hölle machte.
 

Drittens: Die Langweilstunden, in denen man einfach nur dasaß, aus dem Fenster blickte oder Galgenmännchen spielte oder halbherzig Aufzeichnungen anfertigte, während man gegen den Schlaf ankämpfte und/oder das Ende der Stunde herbeiwünschte.
 

Die vierte Kategorie war eine, in die alle Schüler Hogwarts ohne zu zögern den Unterricht von Remus Lupin einordnen würden (außer jene, die dort ihr Lieblings- oder Hassfach gefunden hatten). Sein Unterricht war immer interessant, was nicht zuletzt an seiner Art und Weise lag, sie alle zu unterrichten. Er war fröhlich, motiviert und ging auf jede Klasse und ihre Eigenarten ein. Er war nicht einfach Lehrer, sondern Komiker, Schauspieler, Gelehrter und Freund zugleich. Er war der beste Lehrer, den Hogwarts seit langem gehabt hatte.
 

Aus diesem Grund waren alle überrascht, als Remus eines Tages vor Neville Longbottoms Tisch trat und ihm mit dem Schlag einer Zeitung weckte. „Schlafen kannst du in der Nacht“, meinte er, während alle anderen den Auserwählten erschrocken ansahen. Niemand schlief in Professor Lupins Unterricht ein und erst recht nicht Neville Longbottom. Jeder wusste, dass Verteidigung gegen die dunklen Künste seit jeher sein Lieblingsfach gewesen war. Dennoch hatte er geschlafen und war kurz nachdem Remus ihn geweckt hatte, wieder eingedöst.
 

Harry sah wie alle anderen dabei zu, wie sein Freund zu Madam Pomfrey geschickt wurde. Draco, der wie immer neben ihm saß, hatte die Stirn gerunzelt. „Nicht, dass ich mich um ihn sorgen würde“, sagte er leise. „Aber es sieht ihm nicht ähnlich, im Unterricht einzuschlafen. Ob er krank wird?“

„Keine Ahnung“, murmelte er und drehte seinen Kopf, um einen Blick mit Ronald Weasley zu wechseln. Dieser nickte ihm ernst zu.
 

Mit Ginny hatte es genauso angefangen. Auch sie schlief irgendwann nur noch an den seltsamsten Orten ein und hatte deshalb jede menge Strafarbeiten machen müssen. Natürlich war auch sie zu Madam Pomfrey geschickte worden, aber bei einer näheren Untersuchung hatte man nichts feststellen können.

War Tom momentan wirklich dabei, Neville zu töten?

Natürlich hatte er gewusst, dass der dunkle Lord niemals seine Pläne aufgeben würde, aber...

Aber...
 

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Hermione saß am großen See, dort, wo sie sich immer mit Draco getroffen hatte und lernte für die diesjährigen Abschlussprüfungen, als Schritte näher kamen. Kurz hoffte sie, es wäre der Malfoy, auch wenn dieser Gedanke lächerlich war. Draco kam nicht mehr. Er würde niemals wiederkommen.

Für einen Moment kämpfte sie gegen die Tränen an, die immer noch kamen, wenn sie daran dachte, ehe sie aufblickte und Ronald Weasley entdeckte, der zielstrebig auf sie zu schritt und sich kurz darauf neben ihr ins Gras fallen ließ.
 

Da sich nur wenige die Mühe machten, ihn genauer anzusehen, wusste niemand, dass er im Grunde recht gut aussehend war. Vielleicht etwas blass und sein grimmiger Gesichtsausdruck war auch mehr störend als anziehend, aber im großen und ganzen war er nicht zu verachten. Er sah seinen Brüdern ähnlich, den Zwillingen und jedes Mädchen, das sie kannte, war sich einig, dass sie mehr als attraktiv waren. Das Problem bei Ronald war nur, dass er eine äußerst negative Ausstrahlung hatte, die die meisten abschreckte. Das war ungewöhnlich, nicht zuletzt, da er aus einer weißmagischen Familie stammte. In der Regel besaßen diese Leute eine helle, freundliche Aura, doch nicht Ronald. Ronald war dunkel und das machte Hermione Angst.
 

Es war kein Problem, wenn jemand wie Draco Malfoy dunkel war. Er hatte es in seinen Genen und konnte damit ohne Schwierigkeiten umgehen. Seine Familie hatte ihm beigebracht, seine Magie und Fähigkeiten zu kontrollieren.

Ronald dagegen hatte sein ganzes Leben lang nur von weißer Magie gehört und es war ihm eingeredet worden, dass alles andere schlecht war. Somit war es eigentlich gar kein Wunder, dass er mit der Zeit so geworden war, wie man ihn kannte. Es hatte immer Folgen, wenn jemand die falsche, magische Erziehung erhielt und genau das war ihm passiert.
 

Ja, Ronald Weasley hatte ein Geheimnis und Hermione war die erste gewesen, die es entdeckt hatte: seine Magie war so schwarz wie die eines dunklen Lords und das war die Erklärung für alles.

Schwarze Magie war aggressiver und grausamer als andere. Wenn man sie nicht richtig hegte und pflegte und sich regelmäßig abreagierte, stauten sich negative Emotionen im Körper an, die in heftigen Wutausbrüchen ausbrachen. Das war der Hauptgrund, warum er stets grimmig durch die Gegend stierte und sie schlug, wenn ihn etwas verärgert hatte. Seine Aggressionen mussten irgendwie abgebaut werden und er hatte nie gelernt, wie man es tat, ohne andere zu verletzen.
 

Gleichzeitig war es auch die Erklärung dafür, warum sich seine Duellfähigkeiten rapide verbessert hatten. Davor hatte er keine Chance gehabt, irgendwelche Leistungen zu vollbringen, da er alles auf weißmagische Basis erlernen musste. Das letzte Jahr hatte er jedoch dafür genutzt, die schwarzmagische Methode zu erlernen und dadurch hatte er feststellen können, dass er in der Tat ein relativ begabter Magier war. Hermione hatte ihn dabei tatkräftig unterstützt. Er hatte ihr Leid getan und sie wollte ihm helfen. Sie wusste, wie es sich anfühlte, wenn man hasste, was man war.

Das änderte jedoch nichts daran, dass sie es hasste, wenn er sie schlug.
 

„Neville wurde heute von Lupin zu Madam Pomfrey geschickt“, verkündete Ronald plötzlich. Inzwischen hatte er ebenfalls seine Notizen ausgepackt, um sie durchzugehen. „Er ist mehrmals im Unterricht eingedöst.“

Hermione runzelte die Stirn. „Das sieht ihm nicht ähnlich.“

„Nein, tut es nicht“, stimmte er ihr zu. „Ich glaube, der Du-weißt-schon-wer hat eine Möglichkeit gefunden, ihn zu töten.“

Verwirrt sah sie ihn an. „Was meinst du damit?“ Was hatte eindösen mit Voldemort zu tun? Neville wurde wahrscheinlich einfach krank. Das kam vor. Jeder war irgendwann krank. Ein paar Tage im Krankenflügel und alles würde wieder in Ordnung sein.
 

„Mach dir keine Sorge“, meinte Ronald, während er weiter auf seine Aufzeichnungen sah. „Er wird leben. Ich habe dafür gesorgt, dass ihn jemand rechtzeitig retten wird.“

„Wovon redest du eigentlich?“, fragte sie verdutzt. „Wovor retten? Und was meinst du? Was ist mit Neville?“ Langsam machte sie sich doch Sorgen. Was, wenn wirklich etwas vor sich ging und ihr bester Freund in Gefahr war?

„Du-weißt-schon-wer ist zurzeit dabei, ihn zu töten“, wiederholte Ronald. „Aber er wird nicht sterben, er darf es nicht. Neville ist unsere einzige Chance, das Schicksal zu erfüllen. Wenn er stirbt, wird alles aus den Fugen geraten.“

„Ich verstehe nur Bahnhof“, sagte sie. „Wirst du jetzt auch noch wahnsinnig?“

„Irgendwann wirst du es verstehen“, versprach er. „Auch wenn es dann wahrscheinlich zu spät sein wird.“
 

Sie versuchte noch eine Weile, mehr aus ihm herauszubekommen, aber er schwieg und wechselte irgendwann das Thema. Also beließ sie es dabei. Trotzdem hatte sie ein ganz mieses Gefühl.
 

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Harrys Lieblingsfach war – obwohl es nur wenige verstehen konnten – Zaubertränke. Es stellte für jeden eine Herausforderung dar und gab genug Freiheiten für Experimente. Aber der Hauptgrund dafür war sein Lehrer: Severus Snape. Obwohl dieser ihn in seinen ersten Jahren immer mit Abneigung begegnet war, hatte er ihn immer gemocht und respektiert, nicht zuletzt, weil er ein Zaubertrankmeister war. Das war ein Titel, den man sich nur mit harter Arbeit aneignen konnte und er stand für Qualität, Können und Genie. Aus diesem Grund war er selbst jetzt, wo er ihn besser kannte, immer noch von seiner Art und Weise, Tränke zu brauen, fasziniert.
 

An diesem Tag war es Vielsafttrank. „Für Mad-Eye“, meinte er düster. „Ich hasse es, Dumbledore unterstützen zu müssen.“

Es musste tatsächlich frustrierend sein, aber das war das Schicksal der Doppelspione, sie mussten für beide Seiten arbeiten, ihre eigene und die feindliche.

Harry saß auf einem Tisch und beobachtete ihn bei der Zubereitung. Es war bereits Abend geworden und die meisten hatten sich in ihre Gemeinschaftsräume zurückgezogen. Somit war es die perfekte Zeit, um seinen Lieblingspaten zu besuchen. Nichts gegen Remus und Sirius, aber ersterer war einfach so... überbesorgt und mit letzterem konnte man schlecht reden, wenn man Tiere nicht verstehen konnte. Somit blieb nur noch einer übrig und jetzt einmal im Ernst: Es hätte schlimmer sein können.
 

„Was führt dich eigentlich zu mir?“, fragte Severus. „Spielen deine Hormone verrückt und du willst zu deinem geliebten Thomas Mask?“ Er hielt nicht viel von der ganzen Sache. Er war der Überzeugung, dass es sie alle zu Grunde richten würde, war aber klug genug, es niemanden zu sagen. Seine Betonungen und Bemerkungen sprachen jedoch für sich.

„Nein, ich möchte nicht zu meinem geliebten Thomas Mask“, sagte Harry leicht genervt. Langsam wurde das Thema ermüdend. „Ich wollte nur etwas reden...“

„Und worüber? Doch nicht etwa Beziehungsprobleme?“

„Sev...“

„Es würde mich nicht wundern, wenn ihr welche habt, weil eure Beziehung ebenso unmöglich ist, wie die von deinem sogenannten Bruder und seiner liebevollen Verlobten.“

„Und doch werden sie heiraten.“

„Weil er ein Idiot ist“, meinte Severus und rührte viermal im Uhrzeigersinn.
 

„Seine Pflicht zu erfüllen, ist nicht idiotisch“, widersprach Harry. „Es zeigt nur, wie sehr er seine Familie liebt und ihre Traditionen respektiert.“

„Du hast auch die einzigartige Gabe, alles schönzureden, Harry Potter“, entgegnete er trocken.

„Sev... lassen wir das, okay? Ich bin nicht hier, um über meinen Bruder oder den dunklen Lord zu reden.“

Der Zaubertrankmeister begutachtete noch einmal seinen Trank, ehe er sich davon löste und seinen Schüler zu seinen privaten Gemächern führte, wo schon etwas Tee auf sie wartete.
 

Sie setzten sich auf ihre üblichen Plätze und sahen sich an. „Also“, sagte Severus. „Was führt dich nun zu mir?“

„Neville“, sagte er und nippte an seinem Tee.

Der Ältere hob seine Augenbraue. „Longbottom?“
 

Er hatte lange mit sich gerungen, ob er damit zu Severus gehen sollte oder nicht. Es gab viel, das dagegen sprach. Seine Loyalität zum dunklen Lord, seine offensichtliche Abneigung dem Auserwählten gegenüber, sein ganzes Wesen. Trotzdem war er hier, bei ihm, da er nicht wusste, wen er sonst um Rat fragen konnte. Natürlich hätte er mit Albus reden können, aber.... nein. Das würde sich anfühlen, als würde er ihn unterstützen und darauf hatte er wirklich keine Lust. Also wählte er lieber die goldene Mitte zwischen weiß und schwarz: Severus Snape, das personifizierte Grau.

Es konnte nach hinten losgehen und alles noch schlimmer machen, aber sein Gefühl sagte ihm, dass er die richtige Entscheidung traf. Er hoffte, dass es ihn nicht im Stich lassen würde.
 

Vorsichtig stellte er die Teetasse vor sich auf dem Couchtisch ab, bevor er ihn ernst ansah. „Der dunkle Lord ist zurzeit dabei, ihn umzubringen, nicht wahr?“

„Und wie kommst du nun wieder auf diese lächerliche Idee?“, fragte der andere kühl, aber Harry kannte ihn gut genug, um ihn zu durchschauen. Severus wusste ganz genau, wovon er sprach, er wollte es nur nicht zugeben. Pech für ihn, dass er heute nicht einfach klein bei geben würde.

„Erzähl mir nicht, dass du nicht informiert worden bist. Du bist einer seiner engsten Vertrauten. Wenn jemand davon weiß, dann du, nicht zuletzt, da du sein Spion in Hogwarts bist und damit alles überwachen kannst.“
 

„Vielleicht hast du Recht“, meinte er und verschränkte seine Arme. „Aber warum sollte ich gerade dir so etwas bestätigen?“

„Weil Neville Longbottom nicht sterben darf.“

Severus schnaubte. „Natürlich nicht. Es wäre ein Verlust für die Welt und dass ihr beide beste Freunde seid, hat damit sicher....“

„Ich sage es nicht, als Harry James Potter“, sagte er genervt. „Sondern als Tempus Amicus.“

Damit brachte er seinen Paten zum Verstummen. Merlin sei Dank.
 

„Neville ist der Schlüssel für den Frieden, Sev“, erklärte er etwas ruhiger. „Wenn ihm etwas geschehen sollte, würde die weiße Seite in Chaos versinken, etwas, das auch uns schaden würde, denn man weiß nie, was im Chaos entstehen kann. Neville Longbottom darf nicht sterben oder alles, wofür ihr alle gekämpft habt, wird verloren sein.“

Severus sah ihn schweigend an, ehe er seufzte und sich vorbeugte, um nach seiner Teetasse zu greifen. „Bist du dir sicher?“

„Ja“, entgegnete er ohne zu zögern.
 

Er wusste selbst nicht, woher er es wusste. Es war einfach eine Ahnung, ein Gefühl. Neville mochte (noch) kein Anführer sein, aber er war eine Schlüsselfigur in diesem Streit zwischen schwarz und weiß. Er musste leben, es war sein Schicksal und niemand war verrückt genug, sich diesem zu wiedersetzen.

Na gut, zumindest fast niemand. Tom würde er es durchaus zutrauen.
 

Severus seufzte. „Das ist wirklich zu dumm.“

„Was ist zu dumm?“

„Dass du das erst jetzt sagst“, meinte er schulterzuckend und trank selbst etwas von dem Tee. „Immerhin ist es längst zu spät.“

„Zu spät?“, wiederholte er und spürte, wie sich ein dumpfes Gefühl in seinem Magen ausbreitete. „Was meinst du damit?“
 

Ehe er antworten konnte, waren draußen schnelle Schritte zu hören und im nächsten Moment stürzte Hermione in den Raum. Ihr Gesicht war gerötet und sie schnappte nach Luft – sie war wohl schnell gerannt. Über ihre Wangen zog sich eine Tränenspur und überhaupt schien sie vollkommen verstört zu sein. Das... war ungut. Mehr als ungut.

„Neville“, flüsterte sie und schluchzte leise. „Er ist zusammengebrochen! Du musst kommen! Bitte!“
 

Harry sah Severus an, der seinen Blick schweigend erwiderte.

//Es ist zu spät, hat er gesagt//, meinte sein Verstand. //Jetzt weißt du wenigstens inwiefern.//

Wütend schlug er mit seiner Faust auf die Lehne seines Sessels, ehe er aufsprang und Hermione aus den Kerkern folgte.
 

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Junge der lebt zusammengebrochen
 

Ein Artikel von Rita Kimmkorn.
 

Die Gerüchte der letzten Wochen haben sich als wahr erwiesen. Wie Albus Dumbledore, derzeitiger Schulleiter von Hogwarts (…) in einem offiziellen Interview bestätigt hat, ist Neville Longbottom (…) tatsächlich nach dem Unterricht am letzten Montag zusammengebrochen. „Es ist plötzlich und ohne Vorwarnung geschehen“, berichtet eine aufgeregte Augenzeugin, die sich während unseres Gespräches die Tränen wegwischt. „Eben unterhalten wir uns noch miteinander und im nächsten Moment liegt er vor mir auf dem Boden.“
 

Seitdem befindet er sich offensichtlich im Krankenflügel, der Krankenstation des Internates und wird versorgt, wobei Gerüchte existieren, dass er ins St. Mungos verlegt werden soll, da er bisher noch nicht sein Bewusstsein wiedererlangen konnte. (…)
 

Den Grund seines Zusammenbruchs kennt niemand, doch es wird vermutet, dass es mit dem neuen, überaus strengen Lehrplan zusammenhängen könnte. Wenn sogar jemand so ausdauerndes und widerstandsfähiges wie Neville Longbottom unter diesem Druck zusammenbricht, was sollen dann die anderen Schüler sagen? Vielleicht wird es Zeit, die Ausbildung unserer Jugend zu überprüfen. Oder ist es am Ende der Schulleiter und seine Lehrerschaft, die überprüft werden müssen?
 

Wir alle hoffen jedenfalls, dass Neville bald wieder gesund sein wird.

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An alle, die sich über den Cliffi des letzten Kapitels beschwert haben: Kommt schon, gegen den hier war er doch harmlos, oder?

Was wohl mit Neville ist? Und wird er wieder gesund werden bzw. überleben?

Tja.... wir werden sehen....

Liebste Grüße, Ayako
 

P.s.: Ich würde euch empfehlen die Prozentzahl zu beachten, die den Fortschritt dieser FF anzeigt...

Manipulation

Vielen Dank an meine Beta für die Korrektur sowie an alle Kommischreiber und Leser! *alle knuddel*

Ich bin wirklich immer wieder dankbar, so viele wunderbare Rückmeldungen zu bekommen.
 

Hier ist auch gleich das neuste Kapitel und es gehört ganz ehrlich gesagt zu meinen persönlichen Favoriten. <3

Hat wirklich sehr viel Spaß gemacht, es zu schreiben. Ich bin schon sehr gespannt, wie ihr es sehen werdet!

Aber jetzt erst einmal viel Vergnügen bei einem der letzten Gespräche zwischen Harry und Tom in dieser FF.

*eure geschockten Gesichter seh*
 

Oh, vielleicht sollte ich hinzufügen, dass ich mich jetzt doch dazu entschieden habe, die FF zu splitten. Es ist aus mehreren Gründen sinnvoll, die ich an dieser Stelle noch nicht nennen möchte, da es zum Teil Spoiler wären. Vertraut einfach darauf, dass ich ausnahmsweise weiß, was ich tue... *hüstel*
 

Egal, viel Spaß mit:

__________________________________________
 

Manipulation
 

Liebe Felice,
 

ich vermisse dich. Ich habe jetzt solange nichts mehr von und über dich gehört, dass ich bereits das schlimmste befürchte. Nur Lunas Beteuerungen, dass du lebst, halten mich davon ab, nach Frankreich zu kommen und nach deinem Grab zu suchen. Dass Neville nun offensichtlich in Lebensgefahr schwebt, macht es auch nicht besser.

Fel, wo bist du? Warum lässt du mich jetzt im Stich? Was ist mit dir passiert?

Bitte melde dich.
 

In Liebe,

Harry
 

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Wahrscheinlich hatte er einfach wieder zu wenig Schlaf bekommen. Das oder er wurde krank. Anders konnte Neville es sich nicht erklären, dass alles um ihn herum sich im Kreis zu drehen schien. Stöhnend stützte er sich an der nächsten Wand ab und ignorierte dabei die neugierigen Blicke, die ihm seine Mitschüler zuwarfen. Was war nur los mit ihm? In letzter Zeit war er immer so müde. Er war sogar in Professor Lupins Unterricht eingeschlafen, ausgerechnet bei ihm! Dabei liebte er seinen Unterricht. Es war der beste an der ganzen Schule! Jetzt hatte er seinen Lehrer sicher enttäuscht und Harry hatte es auch noch beobachten müssen. Wie grauenvoll! Warum musste so etwas immer ihm passieren? Manchmal hasste er sein Leben wirklich.
 

Dass sein Schwindelgefühl partout nicht nachlassen wollte, machte es auch nicht besser. Womit hatte er das eigentlich verdient?

„Weil du ihn anfassen wolltest“, sagte eine kalte Stimme, die ihm Angstschauer über den Rücken jagte. „Weil du nicht wusstest, wo dein Platz war! Weil du ihm wichtiger bist als ich. Dafür wirst du bezahlen.“

Neville riss entsetzt seine Augen auf und sah sich um. Dabei bemerkte er, dass Cho Chang zu ihm getreten war und ihn besorgt musterte.

„Alles in Ordnung mit dir?“, fragte sie. „Du siehst so aus, als hättest du einen bösen Geist gesehen.“

Anstatt ihr zu antworten, sah er sich weiter um. „Wer hat gesprochen?“, fragte er. Seine Stimme zitterte.

„Gesprochen?“, wiederholte sie und runzelte die Stirn. „Niemand, außer mir. Ich habe deinen Namen gerufen, aber du hast nicht reagiert. Geht es dir gut?“
 

Niemand hatte etwas gesagt? Er hatte es sich eingebildet? Wurde er jetzt verrückt? Oder hatte es etwas mit Voldemort...? Das wäre natürlich eine Erklärung! Irgendwie musste er es geschafft haben, in seinen Kopf einzudringen und ihn zu manipulieren. Deshalb war er in letzter Zeit so müde und unkonzentriert und hörte Stimmen, die nicht da waren! Am besten ging er sofort zu Professor Dumbledore und würde mit ihm darüber sprechen. Doch zunächst musste er Cho beruhigen.
 

„Keine Sorge, mit mir ist alles bestens“, meinte er mit einem verlegenden Lächeln und rieb sich peinlich berührt den Hinterkopf. „Tut mir Leid, wenn ich dir Sorgen bereitet habe. Ich bin in letzter Zeit nur etwas abwesend, da ich die ganze Zeit an diese Prüfungen denken muss... aber für dich ist das sicher noch schlimmer, immerhin machst du deine UTZ.“

Sie erwiderte sein Lächeln. „Na ja, es geht. Eigentlich ist es bei euch viel schlimmer, immerhin müsst ihr noch nebenbei den Unterricht besuchen. Wir dagegen können uns voll und ganz aufs Lernen konzentrieren, das hat seine Vorteile.“

„Ja, das kann ich mir vorstellen“, entgegnete er, während sie für einen Moment vor seinen Augen verschwand und nur noch Schwärze übrig blieb. Er blinzelte verwirrt. Was war das denn schon wieder?
 

Auch Cho hatte bemerkt, dass etwas geschehen war: „Bist du dir wirklich sicher, dass alles in Ordnung mit dir ist?“

„Ja, natürlich!“, sagte er lachend, als plötzlich die Schwärze wiederkehrte – und diesmal nicht einfach wieder verschwand. Das letzte, was er mitbekam, war Chos erschrockener Aufschrei, als er in sich zusammenbrach und ein furchterregendes Lachen, das er aus seinen Albträumen kannte. Danach gab es nur noch Schwärze.

Schwärze und Leere.
 

Verdammt. Jetzt würde er Harry wohl Kummer bereiten.
 

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„Er ist einfach so zusammengeklappt“, sagte Cho Chang zum etwa hundertsten Mal und sah schniefend in die Runde. „In einem Moment unterhalten wir uns normal und im nächsten liegt er vor mir. Ich weiß auch nicht, wie das passiert ist, es tut mir Leid, es ist meine Schuld, ich hätte irgendetwas machen sollen!“

„Seien Sie nicht albern, Miss Chang“, sagte Albus sanft. „Sie hätten nichts tun können. Neville wäre sicher so oder so zusammengebrochen, ob Sie nun vor ihm gestanden hätten oder nicht.“

„Er sagte, es würde ihm gut gehen“, schluchzte sie und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. „Ich hätte nicht auf ihn hören, sondern Hilfe holen sollen. Es ist meine Schuld.“
 

Albus seufzte, sagte aber nichts. Offenbar hatte er endlich kapiert, dass es keinen Sinn machte, die Ravenclaw zu trösten. Harry war dankbar dafür. Es hatte genervt.

Er stand neben dem Krankenbett seines Freundes, der mehr tot als lebendig wirkte. Wäre da nicht das regelmäßige Heben und Senken seiner Brust gewesen, man hätte ihn für eine Leiche halten können. Aber er war nicht tot. Er lebte. Noch.

Hermione stand neben ihm und klammerte sich mit beiden Händen an Harrys Arm. Er ließ es zu, da er wusste, wie aufgewühlt sie sein musste, auch wenn sie nicht mehr weinte. Ihre Tränen hatten in dem Augenblick aufgehört, in dem sie Cho gesehen hatte. Sie war wirklich ein tapferes Mädchen.
 

„Weißt du, was mit ihm ist, Poppy?“, fragte Albus. Die Heilerin hatte Neville bisher untersucht und stand nun untätig neben ihm.

„Ich... bin mir nicht sicher“, sagte sie leise. „Ich habe so etwas in diesr Form noch nie erlebt. Er ist vollkommen gesund, sein Körper ist in Ordnung, aber seine Seele... es scheint fast so, als sei sie verschwunden.“

Hermione und Cho keuchten auf, während Harry die Stirn runzelte. „Was meinen Sie damit?“, fragte er Madam Pomfrey. „Ist es etwa wie nach dem Kuss eines Dementors?“
 

Alle anderen – Albus inbegriffen – sahen ihn entsetzt an, doch sie schüttelte mit dem Kopf. „Nein. Bei einem Dementor bleibt nichts von der Seele übrig. Neville scheint jedoch so, als wären Bruchstücke seiner Seele über einen längeren Zeitraum nach und nach aus ihm gerissen worden, sodass jetzt nur noch ein kleiner Teil übrig bleibt. Ich.... habe so etwas ähnliches bisher nur einmal gesehen.“

„Und wann?“, fragte der Schulleiter von Hogwarts.
 

Madam Pomfrey zögerte, ehe sie das sagte, was Harry schon die ganze Zeit gewusst hatte: „Bei Ginny Weasley.“

Hermione zuckte zusammen, während Cho aufhörte zu weinen und Albus die Augen schloss.

Ginny Weasley. Ein Tabuthema. Eine Katastrophe. Ein Skandal. Ein schrecklicher, tragischer Unfall. Würde es zu einer Wiederholung kommen, wäre Hogwarts erledigt. Aber nicht nur die Schule, auch der Rest Englands würde darunter leiden, denn Neville durfte nicht sterben.

//Warum eigentlich nicht?//

Ehrlich gesagt hatte er keine Ahnung, aber eines war sicher: Er würde jetzt jemanden das Fell über die Ohren ziehen.
 

Ohne weiter auf die verwirrten Blicke der anderen zu achten, wirbelte er herum und eilte aus dem Krankenflügel. Ronald wartete ein paar Gänge weiter auf ihn. In seiner Hand hielt er ein altbekanntes, schwarzes Notizbuch. Harry nahm es schweigend entgegen und nickte ihm zu, ehe er zum Ravenclawturm lief und sich in seinem Zimmer zurückzog. Stephen hatte ihm am Morgen erzählt, dass er sich mit einem Mädchen aus dem Schloss schleichen würde, das bedeutete, er hatte Zeit.
 

Ein paar Alarm- und Schutzzauber sprechend, setzte er sich mit dem Tagebuch an seinen Schreibtisch und holte eine Feder und Tinte heraus.

Hallo, Tom.
 

Kurz geschah nichts, doch dann reagierte er endlich: Harry?! Aber... was machst du mit dem Tagebuch? Ich dachte, mein älteres Ich hat dir erklärt, dass es gefährlich ist! Du musst es sofort wieder weglegen!
 

Hast du das auch zu Neville Longbottom gesagt, als er das erste Mal in dich hineingeschrieben hat?
 

Damit hatte er offenbar die richtige Frage gestellt, denn er erhielt einige Zeit keine Antwort. Doch plötzlich erschienen zwei Arme in seinem Gesichtsfeld und im nächsten Moment wurde er umarmte. Allerdings war es keine normale, keine menschliche Umarmung. Es fühlte sich vielmehr so an, als hätte sich Wasser zu einer menschlichen Form materialisiert und würde sich nun vorsichtig an ihn drücken. Nur dass es nicht nass war, es war... schwer zu beschreiben.
 

„Du hast es also herausgefunden“, umschmeichelte Tom Riddles samtene Stimme sein Ohr. Obwohl sein Mund in der Nähe seiner Haut sein musste, konnte Harry keinen Atem spüren. Sehr beunruhigend. „Aber etwas anderes hatte ich auch gar nicht erwartet. Du bist eben ein Genie.“

Die seltsame Substanz berührte für einen Augenblick seine Wange und Harry vermutete, dass es ein Kuss sein sollte. Was war hier los?

„Was mich wundert“, fuhr Tom fort, „ist die Tatsache, dass du erst jetzt eingreifst. Du weißt es sicher schon länger, oder?“ Seine Hände begannen vorsichtig, forschend, neugierig über Harrys Körper zu wandern. War das die Seele aus dem Tagebuch? Wie lange war er darin gewesen? Wie war er entkommen? Was war los? Und wie sollte er damit umgehen?
 

„Nanu, heute so schüchtern?“, fragte Tom schmunzelnd. Er hatte auf jeden Fall dieselbe Betonung wie sein erwachsenes Selbst, wenn er ihn ärgern wollte.

„Ich bin eben überrascht“, sagte Harry, ohne sich zu rühren. „Ich hätte nicht damit gerechnet, dass du plötzlich aus dem Tagebuch gesprungen kommst.“

„Gutes Argument“, meinte er und löste sich von ihm, damit Harry sich zu ihm umdrehen und ihn ansehen konnte.
 

Es war ähnlich wie bei einem Geist, beschloss er, aber nicht dasselbe. Geister waren eine neblige Substanz, die stets in Bewegung war und gerade auf Erstklässler oft unheimlich wirkte. Das hier wirkte wie ein Puzzle, bestehend aus mehreren Flüssigkeiten, die irgendjemand einmal zusammengesetzt hatte. Ihm fielen Madam Pomfreys Worte ein: „... als wären Bruchstücke seiner Seele über einen längeren Zeitraum nach und nach aus ihm gerissen worden...“

Bruchstücke der Seele. Oh nein. Aber er schluckte sein Entsetzen herunter und sah ihn stattdessen mit einem neugierig-bewundernden Blick an. „Bei Merlin, wie hast du das geschafft? Das ist unglaublich.“

Sofort erschien ein selbstgefälliges Grinsen auf dem Gesicht des Anderen. Es war offensichtlich, dass er sich in der Bewunderung sonnte und ganz besonders in Harrys.
 

Er hatte ihn.
 

„Na ja, mein älteres Ich hat eigentlich gemeint, dass ich es dir nicht sagen sollte, für den Fall, dass wir uns begegnen“, meinte Tom und setzte sich auf Harrys Bett. „Aber wie es scheint, hat sich eure Beziehung geändert, was mich sehr freut.“ Er musterte ihn von oben und unten. „So einer Schönheit kann man schwer widerstehen.“

„Eines ist klar, dein älteres Ich hat viel dazu gelernt, was Flirtversuche angeht“, meinte Harry trocken.

„Du bist einfach unromantisch, Harry“, meinte Tom schulterzuckend. „Dennoch gehörst du mir.“ Seine Augen, die in jungen Jahren braun gewesen waren, leuchteten bei diesen Worten rot auf. Sein besitzergreifendes Wesen war wohl keine neue Erfindung.
 

„Tut mir Leid, dich enttäuschen zu müssen, aber ich glaube, dein älteres Ich hat bereits Besitzanspruch über mich erhoben“, meinte er sarkastisch.

„Was sein ist, ist meins und was meins ist, ist seins“, sagte Tom nur. „Wir sind eins und du gehörst uns.“ Er stand wieder auf und ging auf Harry zu, um ihm über die Wange zu streichen. „Du bist das beste, was wir je bekommen haben.“

Er erwiderte seinen Blick unbeeindruckt, ehe er vorsichtig seine Hand ausstreckte und Toms Wange berührte. „Seltsam“, hauchte er fasziniert und beobachtete, wie seine Finger durch die „Haut“ glitten, ehe sie auf einen Widerstand stießen. „Wie ist das möglich? Wie kannst du vor mir stehen? Was... bist du eigentlich? Eine Erinnerung?“
 

„Nein“, sagte Tom sanft. „Ich bin ein Horkrux.“

Harry sah ihm verwirrt in die Augen. „Ein was?“ Er hatte noch nie von so etwas gehört.

„Ein Horkrux“, wiederholte er. „Ich bin ein Teil meiner Seele, der in das Tagebuch gepflanzt wurde. Dadurch ist es meinem älteren Ich gelungen, den Todesfluch zu überleben, der bei seinem Angriff auf Longbottom auf ihn zurück reflektiert worden ist. Da sich ein anderer Teil seiner Seele hier befand, konnte er nicht sterben. Ich bin der Grund, warum er noch am Leben ist.“

„Das heißt, du hast deine Seele geteilt, um unsterblich zu werden?“ //Wie idiotisch kann man eigentlich sein?//

„Nicht direkt“, sagte Tom. „Es war ein Unfall.“

„Ein Unfall? Wir reden hier von deiner Seele, eine der stabilsten Substanzen des menschlichen Körpers. Die wird man kaum einfach so zufällig spalten können.“
 

„Doch“, entgegnete er ernst. „Durch eine Tat kann es passieren: der Mord einer unschuldigen, reinen Seele.“

„Wenn das stimmt, müssten jede menge Leute Horkurxe haben“, sagte Harry. „Und du müsstest an die... tausend haben.“

„So viele Menschen habe ich auch wieder nicht getötet“, erklärte er gereizt. „Außerdem müssen besondere Umstände gelten.“ Mit einem Mal nahm sein Gesicht einen hilflosen Ausdruck an und er griff nach Harrys Hand. „Ich wollte sie nicht töten“, erklärte er leise. „Ich wollte es wirklich nicht. Ich wusste nicht, dass sie in der Toilette war. Ich wollte doch nur mit dem Basilisken sprechen und dann kam sie plötzlich raus und alles ging so schnell.... Es war schrecklich.“ Er sah ihm fest in die Augen. „So etwas zerstört die Seele, Harry. Ich spürte, wie sie zersplitterte und bevor ich wusste, was geschehen war, hatte ich mich von meinem Körper entfernt und war in meinem Tagebuch.“
 

„Und dort warst du bis heute drin“, sagte er.

„Nein...“, sagte Tom und blinzelte verwirrt. „Erinnerst du dich etwa immer noch nicht?“

„An was?“

„An uns. An Ginny. An die Kammer des Schreckens. Ich hatte dich nicht wiedererkannt, da ich deine Schrift nicht kannte und du dich damals als Harvey Malfoy vorgestellt hattest, aber mir wurde schnell klar, dass du er warst.“

Harry blinzelte verwirrt. „Wovon redest du?“

„Du erinnerst dich wirklich nicht“, sagte er und runzelte die Stirn. „Ich frage mich warum.“
 

„Wenn du mir nicht sagst, worum es geht, kann ich dir da auch nicht weiterhelfen“, stellte Harry klar. Wovon redete er? Kammer des Schreckens? Er sollte dort Tom getroffen haben? Das war Unsinn. Neville war allein dort hinunter gegangen, er selbst hatte nie ein Fuß dort hinein gesetzt, oder?

Oder?
 

„Ich wollte irgendwie aus dem Tagebuch entkommen“, sagte Tom schließlich, während er damit begann, Harrys Gesicht mit seinen Fingern zu liebkosten. Diese wurden immer fester und menschlicher. War das jetzt gut oder schlecht? „Es war langweilig und schrecklich. Ein Gefängnis. Am liebsten würde ich wieder eins mit mir selbst werden, aber das geht nicht so einfach. Deshalb habe ich nach einer neuen Methode gesucht.“ Er lehnte seine Stirn an Harrys und schloss seine Augen. „Allein dafür, dich jetzt so berühren und spüren zu können, hat es sich gelohnt.“
 

„Und wie hast du es geschafft?“, flüsterte er.

„Indem ich die Seelen anderer Menschen gestohlen habe“, sagte er. „Indem sie in mich schreiben und alles mit mir teilen, was sie bewegt, geben sie sich selbst mir hin. Zuerst war es Ginny, aber ihre Seele war zu schwach. Sie hat nicht ausgereicht. Deine Seele wäre da besser gewesen. Sie wäre perfekt gewesen.“ Er atmete zufrieden Harrys Geruch ein. „Aber dir konnte ich nicht weh tun. Dir könnte ich niemals weh tun.“
 

//Wir unglaublich rührend//, meinte sein Verstand sarkastisch.

„Also hast du dir Neville vorgenommen“, sagte Harry leise. „Du hast ihm seine Seele gestohlen.“

„Er hat es verdient“, sagte er und seine Finger vergruben sich besitzergreifend in Harrys Wangen. „Er wollte dich anfassen, dich beschmutzen, dich mir wegnehmen. Jetzt kann er es nicht mehr. Du gehörst mir.“

„Das hatten wir schon, Tom“, meinte Harry und löste sich langsam von ihm, was der andere mehr als widerwillig geschehen ließ. „Weiß dein älteres Ich, was du hier treibst?“

„Natürlich“, sagte er. „Immerhin war es seine Idee, Longbottom zu benutzen.“

„Gut zu wissen“, meinte Harry und griff nach dem Tagebuch und einen Umhang, den er sich überzog. Tom beobachtete das verwirrt. „Wo willst du hin?“
 

„Zu deinem älteren Ich“, sagte Harry und grinste ihn an. „Er ist mir tausendmal lieber als du, weißt du? Er wäre nämlich niemals auf seine eigenen Manipulationsmethoden hereingefallen. Vielen Dank für die ganzen Informationen übrigens. Er hätte es mir nie erzählt.“

Tom öffnete seinen Mund und schloss ihn wieder, wobei er mehr einem Fisch glich, als einem Menschen. „Du... hast mich manipuliert?!“

„Ja“, sagte er munter. „Aber du musst dich nicht dafür schämen, immerhin hatte ich den besten Lehrer.“ Damit verließ er seine Räumlichkeiten und machte sich auf den Weg zum dunklen Lord.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

An den Wochenenden des letzten Schuljahres hatten sie apparieren gelernt, weshalb es für Harry kein Problem darstellte, zu Toms Haus zu kommen. Der dunkle Lord hatte seine magische Signatur in die Schutzwälle eingewebt, weshalb er jederzeit dort hinein konnte. Es gab nur einen Ort, an den man apparieren durfte und das war die Eingangshalle. Von dort aus meldete ein Überwachungszauber, wenn jemand ankam, wodurch Tom immer informiert war, wer sich in seinem Haus befand. Somit war es nicht überraschend, dass sich sofort am Ende der Treppe, die nach oben führte, eine Tür öffnete, die ihm den Weg zum Herrn des Hauses zeigen würde.
 

Er befand sich in seiner Bibliothek, wo er mit Lucius, Bellatrix und Peter Pettigrew einen Plan schmiedete. Als Harry den Raum betrat, blickten alle auf und die Männer wirkten sofort alle besorgt, während Bellatrix zu strahlen begann. „Harry Potter! Wie schön dich zu sehen“, trällerte sie und winkte ihm fröhlich. Lucius fragte währenddessen: „Ist etwas passiert? Brauchst du Hilfe? Ist etwas mit Draco?“

Harry lächelte beruhigend. „Keine Sorge, mit ihm ist alles in Ordnung.“
 

Er wandte sich Tom zu, der ihn stirnrunzelnd musterte. „Kann ich mit dir reden?“

„Natürlich“, sagte er leise und schickte mit einem Winken die anderen davon. Bellatrix und Peter gingen widerstandslos, doch Lucius sah Harry noch einmal besorgt an. „Ist wirklich alles in Ordnung?“

„Ja“, sagte er. „Geh jetzt. Bitte.“

Er nickte und verschwand. Hinter ihm fiel die Tür zu und er war wieder einmal mit dem dunklen Lord allein.

„Wirst du mich mit derselben Geschichte abspeisen wie ihn?“, fragte dieser und ging auf Harry zu, wahrscheinlich, um ihn in eine Umarmung zu ziehen, aber er schlug seine Hände weg.
 

Tom hob eine Augenbraue. „Was habe ich jetzt schon wieder angestellt?“

Harry holte das Tagebuch heraus und warf es ihm vor die Füße. „Er hat mir alles erzählt“, erklärte er sachlich. „Die Horkruxe, der Tod des Mädchens, Ginny, Neville...“ Er sah ihn an. „Ich verstehe vieles. Ich verstehe, warum du Dumbledore hasst und warum du Neville töten willst. Ich verstehe, warum du eine radikale Vorgehensweise bevorzugst und warum du Gellert Grindelwalds Traum verwirklichen willst. Aber warum du das getan hast, ist mir ein Rätsel.“
 

„Harry...“, sagte er leise und streckte wieder eine Hand nach ihm aus doch er wich zurück und sah ihn warnend an.

„Dein jüngeres Ich kann noch so sehr darauf beharren, ich glaube nicht daran, dass du deine Seele aus Versehen geteilt haben sollst. Warum also tust du so etwas dummes?“

„Harry...“
 

„Eine Seele ist etwas wertvolles, Tom, etwas unersetzliches. Du kannst sie doch nicht einfach teilen!“

„Wäre es nicht passiert, würde ich jetzt nicht mehr leben“, entgegnete er leise. „Wäre dir das lieber?“

„Nein, natürlich nicht“, sagte er. Allein der Gedanke, dass dieser Mann vor ihm sterben könnte, bereitete ihm Bauchschmerzen. „Aber es ist trotzdem nicht richtig, Tom. Es schadet dir.“

„Und du machst dir Sorgen um mich“, sagte er und lächelte leicht.
 

Harry schnaubte und verschränkte die Arme. „Eigentlich kann es mir egal sein, du hast Recht. Aber etwas ist mir nicht egal.“

„Und das wäre?“

„Mein guter Freund Neville Longbottom liegt in diesem Moment im Krankenflügel, da ein Großteil seiner Seele verschwunden ist und es ist deine Schuld.“
 

„Inwiefern?“, fragte Tom und lehnte sich locker an einen Sessel, der hinter ihm stand. „Ich habe ihm nicht gesagt, dass er in dieses Tagebuch schreiben soll, oder? Es ist seine eigene Schuld, wenn er sich einem schwarzmagischen Gegenstand anvertraut.“

„Als ich das noch vor einigen Monaten getan hatte, hast du anders reagiert“, erinnerte Harry ihn kühl.

„Das war ja auch etwas anderes.“

„Ich verstehe nicht, warum das anders gewesen sein soll.“
 

Tom streckte seine Hand aus. „Komm her. Bitte.“

Er zögerte. Es war keine gute Idee, ihm zu nahe zu kommen. In der Regel wurde er unzurechnungsfähig, umso näher er ihm kam. Trotzdem ging er dann zögernd auf ihn zu und ließ sich von ihm in die Arme nehmen. Sofort drückte der Ältere ihm einen Kuss auf den Kopf. „Deswegen ist es etwas anderes“, sagte er sanft. „Weil du wichtig bist und er nicht.“

„Du irrst dich“, sagte Harry leise. „Neville ist wichtig. Du darfst ihn nicht töten.“

„Weil er dein Freund ist?“, fragte er und strich ihm beruhigend durchs Haar.

„Wäre es deswegen, würden dir jetzt Bücher und Vasen um die Ohren fliegen, mein Lieber“, sagte er schlicht.
 

„Oh? Und warum geschieht das nicht?“, fragte er interessiert.

„Weil ich weiß, dass du ihn hasst und eifersüchtig auf ihn bist und so sehr ich deine Taten verurteile, das Motiv ist äußerst amüsant.“ Er blickte auf und begegnete seinem fragenden Blick. „Du hast viel von deinem jungen Selbst abgelegt. So bist du beherrschter und zeigst nicht so viele Gefühle, aber er hat geplaudert.“ Er schmunzelte leicht und fuhr ihm sachte über die Wange. „Wer hätte gedacht, dass der böse, dunkle Lord auf jemanden wie Neville Longbottom eifersüchtig sein könnte?“
 

Tom lehnte sich in seine Berührung. „Du scheinst eben die merkwürdigsten Regungen in mir zu wecken, mein kleines, geniales Wunderkind.“

„Ich glaube, ich will gar nicht wissen, welche Regungen du da genau meinst“, meinte er schmunzelnd, ehe er ihn wieder ernst ansah. „Neville Longbottom darf nicht sterben. Unter keinen Umständen. Es hätte fürchterliche Folgen.“

„Wie meinst du das?“, fragte er mit ausdrucksloser Miene, während seine Hand sanft über Harrys Rücken strich. War es normal so ein ernstes Gespräch zu führen, während man Arm in Arm dastand? Irgendwie wagte er es zu bezweifeln, aber es fühlte sich nicht falsch an. Außerdem merkte er, dass ihm Toms Nähe tatsächlich sehr gefehlt hatte. //Ob ich ihm auch gefehlt habe?//
 

Er begann damit, ihm das zu erklären, was er Severus erklärt hatte. Dass Neville ein Schlüssel für den Frieden war, dass alles im Chaos versinken würde, sobald er starb, dass es auch Tom schaden würde...

Der andere hörte ihm aufmerksam zu und führte ihn dabei zu dem Sofa, wo Harry bereits seine Ferien verbracht hatte. Dort zog er ihn auf seinen Schoss und hielt ihn fest. Es war ein schönes, beruhigendes Gefühl, woran man sich gefährlich leicht gewöhnen konnte. Es gab Geborgenheit und Sicherheit. Es wirkte richtig. War es richtig?
 

Seufzend schloss er seine Augen und lehnte seinen Kopf an Toms Schulter, sobald er zu Ende gesprochen hatte. Wenn sie so dasaßen, war es leicht zu vergessen, dass im selben Augenblick Neville im Krankenflügel lag und um sein Überleben kämpfte. Dass sich draußen ein Krieg ankündigte.

Aber am allermeisten konnte er vergessen, dass diese Gefühle, die er für den Mann hegte, das Verderben aller sein könnte.

Er hasste es wirklich, er selbst zu sein.
 

„Ich verstehe deine Argumentation“, sagte Tom schließlich langsam. „Und ich kann ihr folgen, aber ich fürchte, sie kommt zu spät.“

„Was meinst du damit?“

„Der Horkrux hat schon zu viel von Longbottoms Seele in sich aufgezogen. Selbst wenn ich wollte, könnte ich es nicht rückgängig machen. Er ist nicht mehr zu retten.“ Seine Selbstgefälligkeit war eindeutig zu hören. Harry spürte die Wut in sich aufsteigen, schluckte sie aber hinunter. Es würde keinen Sinn haben, mit ihm zu streiten. Wenn er seinen Willen durchsetzen wollte, musste er geschickter vorgehen.
 

„Gibt es wirklich keine Möglichkeit, ihm zu helfen?“, fragte Harry leise. „Wenn man den Horkrux zum Beispiel zerstören würde...“

„Du willst meine Seele zerstören?“, hakte er mit gehobener Braue nach.

„Nein, natürlich nicht. Aber wenn Neville irgendwie gerettet werden kann...“
 

„Bleib heute Nacht bei mir“, sagte Tom plötzlich, was Harry dazu brachte, ihn verdutzt anzusehen.

„Was?“ Das war ein wirklich abrupter Themenwechsel. Was sollte das?

„Bleib die Nacht bei mir“, wiederholte er sanft und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. „Ich habe dich vermisst, ich will dich nicht einfach so wieder gehen lassen.“

„Aber ich habe morgen früh Unterricht“, warf er ein.

„Darüber bin ich mir bewusst. Ich will dich auch nicht von dort fern halten. Ich frage dich nur, die Nacht hier zu verbringen und nicht den morgigen Tag.“
 

Er war nicht überzeugt. „Ich weiß nicht...“

„Ich will nicht mit dir schlafen, Harry. Ich möchte nur, dass du hier bleibst.“ Er strich liebevoll über den Arm des Schülers. „Wer weiß, vielleicht bekomme ich durch deine Anwesenheit noch eine Erleuchtung, wie man Longbottom retten könnte.“

Er verengte die Augen. „Das ist unfair, Tom.“

„Ich weiß, aber ich habe auch nie behauptet, fair zu sein.“ Er vergrub sein Gesicht in Harrys Haar. „Bleib bei mir, nur für eine Nacht.“
 

Harry dachte darüber nach. Jeder mit Menschenverstand würde es nicht tun. Schon allein, weil Tom es nicht verdient hatte, nachdem er Neville – und auch Ginny – solch schlimme Dinge angetan hatte. Aber aus irgendeinen irrationalen Grund konnte er ihm nicht böse sein. War es das, was die Leute als „Liebe macht blind“ bezeichneten?
 

„Ich hasse dich“, flüsterte er und spürte, wie Tom tatsächlich für den Bruchteil einer Sekunde erstarrte. Deshalb löste er sich etwas von ihm und nahm sein Gesicht zwischen seine Hände, um ihn ansehen zu können. „Wenn ich bei dir bin, höre ich auf, rational zu denken und mache Fehler. Du treibst mich noch in dem Wahnsinn.“

Tom gluckste leise und küsste ihn flüchtig. „Dann weißt du ja, wie es mir geht. Kann ich das jetzt als ein 'ja' interpretieren?“

„Ja“, sagte er lächelnd. „Ich bleibe.“
 

Doch nur für eine letzte Nacht, bevor das Schicksal seinen Lauf nehmen wollte.

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Soho, das war es schon wieder.

Das nächste Mal gibt es ein Kapitel, das in etwa so anspruchsvoll wird wie das „The Catalyst“-Kapitel.

Damit ihr euch schon einmal darauf vorbereiten könnt.

Liebste Grüße, Ayako

Time Changed Everything

Ich möchte meiner Beta danken, die sich vor euch anderen durch dieses Kapitel gequält hat. Sie hat gemeint, sie musste es zweimal lesen, um es zu verstehen, was bedeutet, dass es wieder mal etwas... anspruchsvoller ist.

In diesem Kapitel erfahrt ihr, warum die FF so heißt, wie sie heißt und es werden ein paar Hintergründe eröffnet. Macht euch also auf eine Fülle von vielen Informationen gefasst. ;)

Außerdem möchte ich an dieser Stelle allen Kommischreibern des letzten Kapitels danken. 500 Kommis.... wow........ Ihr seid wirklich eine wundervolle Unterstützung, wenn ich mich mal wieder durch ein schwieriges Kapitel quäle. XD

Aber nun viel Spaß mit:

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Time Changed Everything
 

Lieber Harry,
 

ich bin so froh, dass du tatsächlich eine Woche der Ferien zusammen mit Neville und Hermione bei uns verbringen wirst. Auch meine kleine Schwester ist schon ganz aufgeregt, von Fred und George einmal abgesehen. Wobei ich persönlich glaube, dass die beiden sich über dich freuen und Ginny sich über Neville. Ganz ehrlich, ich verstehe nicht, was das soll. Sie kennt ihn doch überhaupt nicht.

Na ja, wir sehen uns dann am Sonntag.
 

Liebe Grüße, Ron
 

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Es war eine stürmische, kalte Winternacht und der Schnee wehte durch das offene Fenster in das Zimmer. Es wurde dabei immer kälter, was ein Hauptgrund dafür sein könnte, dass Harry plötzlich aufwachte. Für einen Moment starrte er den Schnee an und fragte sich, wie das möglich war – in wenigen Wochen waren doch Sommerferien – doch dann hörte er dieses Lied und er wusste, dass er wieder träumte. Es überraschte ihn etwas, immerhin war es bereits seit einigen Monaten nicht mehr passiert, dass er in Toms Manor aufwachte. Nicht im schlafenden Zustand zumindest.
 

Langsam schlüpfte er aus dem Bett, in dem er gelegen hatte. Eingeschlafen war er in seinem Zimmer. Das hier war auch sein Zimmer, aber so, wie es gewesen sein musste, bevor Tom es für ihn hatte herrichten lassen. Ein altes Himmelbett, ein alter Schreibtisch, eine Kommode und Familienporträts, die nichts als leere Hintergründe zeigten. Alles war alt, staubig und tot. Warum?
 

Zitternd tapste er auf das offene Fenster zu und versuchte, es zu schließen, doch es ging nicht und er wurde dadurch nur von der eisigen Kälte getroffen. Von draußen war nicht viel zu erkennen, der Schneesturm war einfach zu stark. Was hatte das zu bedeuten? Warum war hier so ein Wetter?

Bibbernd wandte er sich von dem Fenster ab und kehrte in die Mitte des Raumes zurück. Er trug nichts weiter, als einen dünnen Schlafanzug, den er davor noch nie gesehen hatte. Seine Füße waren nackt. Großartig, genau richtig in diesem Wetter.

Langsam ließ er seinen Blick über die Möbel schweifen, bevor er am Kleiderschrank hängenblieb. Sofort stürzte er darauf zu und öffnete ihn. Er war leer.
 

„Na vielen Dank auch“, murmelte er und rieb sich seine immer kälter werdenden Arme. Da ihm nichts weiter übrig blieb, ging er zum Bett und wollte die Decke zu sich ziehen, um sich damit zu wärmen, aber sie blieb stur darauf liegen und selbst nach einigen Zaubern ließ sie sich nicht bewegen. Dasselbe war mit den Vorhängen.

Großartig, wirklich fantastisch! Wer immer sich das ausgedacht hatte, gehörte gecruciot.

Langsam wandte er seinem Blick der einzigen Tür des Zimmers zu – die, die inzwischen in sein Bad führte, musste später dazugekommen sein, denn er zweifelte nicht daran, dass das hier die Vergangenheit war – und starrte sie finster an. //Wenn du jetzt nicht aufgehst, bin ich beleidigt.//
 

Er ging auf sie zu und drückte die Türklinke herunter. Überraschenderweise ließ sie sich tatsächlich öffnen und einen Augenblick später fand er sich auf dem Korridor wieder, den er inzwischen nur allzu gut kannte. Hier war es schon etwas wärmer, weshalb er bereitwillig dem Lied folgte, das höchstwahrscheinlich wieder von Tom gespielt wurde. Kurz darauf fand er sich auch bereits auf dem Kreuzgang wieder. Der Garten, der von ihm umschlossen wurde, war ebenfalls schneebedeckt, aber der Sturm, der draußen wütete, schien nicht bis hierhin zu reichen.
 

Tom saß wie immer an dem großen Flügel und spielte sein Lied. Einen Moment lang betrachtete Harry ihn, während er sich fragte, ob er seine ältere Ausgabe ebenfalls jemals spielen hören würde. Kurz darauf wandte er sich allerdings von ihm ab und ging weiter. Das hier war heute nicht der Ort, an den er kommen sollte. Tom würde sein Lied alleine weiterspielen müssen.
 

Er folgte einem dunklen Gang und kam schließlich in einen Teil des Hauses, den er davor noch nie gesehen hatte. Es dauerte ein paar Augenblicke, bis er begriff, dass es sich um einen Wintergarten handelte.

Überall standen Pflanzen und auch ein paar kleine Bäumchen. Der Boden bestand aus Fließen und chinesische Lampions erhellten alles. Durch riesige Fensterscheiben konnte man den Schneesturm beobachten, aber hier drin war es beinahe heiß und er blieb erst einmal zufrieden stehen und wärmte sich auf.
 

Sobald er sich wieder wie ein Mensch fühlte, ging er weiter. In der Mitte des Wintergartens gab es eine kleine Sitzecke, bestehend aus mehreren Korbstühlen, -sofas und einem Kaffeetisch. Auf einem der Sofas saß Albus Dumbledore.

Harry ließ sich ihm gegenüber auf einem Stuhl nieder – er war relativ bequem – und bemerkte, dass der Kopf einer jungen Frau auf dem Schoss seines Schulleiters gebettet war. Miras Kopf.

Langsam wurde das alles wirklich unheimlich.
 

„Guten Abend, Harry“, meinte der alte Mann schließlich mit seiner üblichen Fröhlichkeit. „Es ist so schön, dich heute Abend zu sehen.“

Er trug einen blauen Schlafanzug mit gelben Sternen, Monden und Sonnen. Albern und eine Beleidigung für das Auge, mit anderen Worten, perfekt für den Mann geeignet. Was machte er hier?

„Guten Abend, Sir“, entgegnete Harry höflich. „Ich gebe zu, dass ich überrascht bin, Sie zu sehen.“

„Glaub mir, mein Junge, ich bin ebenfalls überrascht. In der Regel ruft sie uns nie zusammen zu sich.“ Er sah liebevoll auf die Frau herab, die in diesem Moment ihre Augen öffnete und ihn böse ansah.

„Natürlich nicht. Ihr beide habt nichts miteinander zu tun, aber heute ist es notwendig, dass ihr beide hier seid.“
 

Langsam richtete sie sich auf und brachte sich in eine sitzende Position, während sie sich an den Mann lehnte. Harry fiel auf, dass sie um einiges älter wirkte, als bei ihrem letzten Treffen. Älter und schwächer. Fast so wie Abraxas zu guter Letzt. Lag sie im sterben?

Als hätte sie seine Frage gehört, sagte Mira: „Meine Existenz neigt sich dem Ende zu und deshalb werde ich nun meine letzte Aufgabe erfüllen.“

„Ah... und was soll das sein?“
 

Sie sah ihn ernst an. „Dafür zu sorgen, dass du die Wahrheit erfährst. Meine Nachfolgerin wird es nicht tun können, da sie damit ihre Position gefährden könnte, aber mir kann es egal sein.“

„Wow, das muss ja eine schockierende Wahrheit sein“, meinte Harry trocken und verschränkte die Arme. „Sollte ich schon einmal meinen Therapeuten anrufen?“

Dumbledore gluckste leise. „So schlimm ist es auch wieder nicht, glaub mir. Allerdings würde ich dir raten, sitzen zu bleiben.“

„Sehr beruhigend“, meinte er. „Sie sind also tatsächlich ein Tempus Amicus.“

Der Mann blinzelte, ehe er langsam nickte. „Das ist korrekt. Wie immer hervorragend kombiniert, Mr. Potter.“
 

//Dir auch vielen Dank, Albus.//

Er hatte schon länger geahnt, dass Albus Dumbledore ein Tempus Amicus war. Die Menschen folgten ihm ein bisschen zu leidenschaftlich, er hatte gewusst, wie er mit Harry umgehen musste und ihm ohne Bedenken den Frieden anvertraut. Das war nicht das Verhalten eines Anführers oder Lords, wie sie in der Regel genannt wurden, sondern das eines TAs.

Allerdings wusste er nicht, was er davon halten sollte. Wie hatte dieser Mann einen Krieg gegen die schwarzmagische Bevölkerung führen können, wenn er einer war? Spürte er nicht den Drang in sich, Frieden zu stiften? Oder war das seine Art von Frieden? Dass alle Schwarzmagier vernichtet wurden und nur noch Weißmagier übrig blieben? Irgendwie war diese Vorstellung unheimlich. Wenn Dumbledore eine solche Fehlentscheidung treffen konnte, was würde dann er selbst erst anrichten?
 

Mira ansehend fragte er: „Was für eine Wahrheit willst du mir mitteilen?“

Sie sah ihn durch müde Augen an. „Die Wahrheit über die Existenz von Menschen wie euch. Über das Schicksal, die Zeit und auch über mich. Du hast ein Recht darauf, sie zu erfahren, denn immerhin war ich es, die dein Leben vollkommen aus den Fugen gebracht hat.“

//Aus den Fugen?// „Was... meinst du damit?“

„Dazu kommen wir später“, meinte sie und machte mit ihrer Hand eine schnelle Bewegung, woraufhin drei Teetassen, eine Teekanne und ein wenig Gebäck erschien. „Bedient euch“, meinte sie. „Und macht es euch gemütlich. Es könnte eine längere Geschichte werden.“
 

Harry wechselte einen Blick mit seinem Schulleiter, ehe er vorsichtig nach seiner Teetasse griff, die sich selbst gefüllt hatte, und daran nippte. Pfefferminztee. Lecker. Auch die beiden anderen bedienten sich und für einen Moment herrschte Stille. Diese wurde jedoch kurz darauf von Mira durchbrochen: „Du hast sicher schon einmal etwas von den Schicksalsspielen gehört, oder?“
 

„Natürlich“, meinte er. „Es kommt immerhin in dieser uralten Legende vor... angeblich sollen die Zeit und das Schicksal vor vielen Jahren Langeweile bei ihrer Arbeit bekommen haben, weshalb sie beschlossen, ein Spiel zu spielen. Bei diesem treten sie immer wieder gegeneinander an und verwenden dabei uns Menschen als Spielfiguren. Soweit ich mich erinnere, war es doch so, dass das Schicksal bestimmte Ereignisse mit seinen Schicksalsfäden spinnt und nun muss die Zeit alles tun, um zu verhindern, dass es so kommt, wie es bestimmt ist. Schafft sie es, hat sie gewonnen, schafft sie es nicht, siegt das Schicksal.“ Er sah von Dumbledore zu Mira. „Ihr wollt mir doch nicht etwa sagen, dass das wirklich so ist?“
 

„Leider ja“, meinte der alte Mann ernst. „Leider, ja, mein lieber Junge.“

Okay, das war jetzt verrückt. Sehr verrückt. Aus diesem Grund trank er noch einen Schluck Tee, um seine Verwirrtheit zu überspielen. Eine alte Legende, die sowohl Lily, als auch Narcissa ihm erzählt hatten, sollte wahr sein? Also wirklich, das wäre ja so, als würden Die Märchen von Beedle dem Barden der Realität entsprechen.

Andererseits lebten sie in einer Welt voller Magie, dort war so etwas vielleicht doch möglich.
 

„Ich weiß, gerade für jemand rationales wie dich, wird das schwer zu verdauen sein“, sagte Mira sanft. „Deshalb werde ich versuchen, es so logisch wie möglich zu erklären.“

„Okay...“ Da war er aber gespannt.
 

„Zuallererst solltest du wissen, dass es nicht einfach nur eine Zeit gibt, die die ganze Welt kontrolliert. Sie hat tatsächlich viele kleine Gehilfinnen, die jeweils ein bestimmtes Gebiet für sie verwalten und überwachen.“

„Lass mich raten, du bist eine von ihnen?“

„Das ist korrekt.“

„Ah schön“, meinte er und lehnte sich in seinem Sessel zurück. „Da weiß ich ja wenigstens schon einmal, auf wessen Seite wir stehen.“

Dumbledore gluckste. „Harry, ein Tempus Amicus steht immer auf der Seite der Zeit. Das ist bereits in dem Namen eingewebt, den man uns gegeben hat.“
 

Mira warf ihnen einen bösen Blick zu. „Kann ich ausreden oder werdet ihr mich jetzt noch tausendmal unterbrechen?“

„Verzeih“, meinte er und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Fahr mit deiner Erläuterung fort. Ich werde einfach so tun, als wäre ich nicht da.“

„Das wäre sehr freundlich“, meinte sie verstimmt und wandte sich wieder Harry zu, der die Interaktion interessiert beobachtet hatte. „Wie gesagt bin ich eine Gehilfin der Zeit. Eine Mira.“

„Ah, das ist also nur ein Titel und nicht dein richtiger Name“, sagte Harry verstehend.

„Das ist wieder korrekt“, sagte sie ernst. „In Wahrheit heiße ich Ariana Dumbledore. Ich bin Albus' jüngere Schwester.“
 

Korrektur. Diese ganze Geschichte war weder verrückt, noch verwirrend. Sie war beängstigend.

„Du bist Ariana Dumbledore? Dieselbe, die damals unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen ist? Mrs. Bagshot hat uns öfter davon erzählt. Angeblich wäre damals Gellert Grindelwald bei euch zu Besuch gewesen.“

„Das stimmt“, sagte sie und ihr Gesichtsausdruck verdüsterte sich. „Es war seine Schuld. Alles. Aber das spielt jetzt keine Rolle. Du fragst dich wahrscheinlich, warum ich eine der Gehilfinnen der Zeit bin, oder?“

„Ich frage mich vielmehr, was die Zeit eigentlich für eine Aufgabe hat“, meinte Harry. „Das Schicksal spinnt die Schicksalsfäden und bestimmt damit, was passieren wird und gibt Lebenswege vor. Doch was macht dann die Zeit?“
 

„Sie gibt Impulse für große Veränderung“, erklärte Ariana bereitwillig. „Während das Schicksal einzelne Leben bestimmt, kümmert die Zeit sich um die einer größeren Gruppe, zum Beispiel eines Landes oder der ganzen Welt. Ich persönlich bin für Europa verantwortlich und achte darauf, dass alles so geschieht, wie die Zeit es für nötig hält. Doch wie du bereits bemerkt hast, bricht eine neue Zeit an und das bedeutet, dass meine Existenz nicht länger nötig ist und ich eine Nachfolgerin bekommen werde.“
 

„Das heißt also, ihr Miras überwacht für die Zeit bestimmte Gebiete und erfüllt ihren Willen?“, fasste Harry zusammen. „Halleluja.“

Albus gluckste. „Ich muss sagen, dass du das um einiges besser aufnimmst, als ich damals.“

„Das hilft mir jetzt wirklich ungemein, Sir“, meinte er sarkastisch und rieb sich die Schläfen. Das alles war mehr als schräg. „Und wie bist du nun zu einer Mira geworden?“

„Indem meine Vorgängerin mich zu ihrer Nachfolgerin erwählte, wodurch Albus automatisch der nächste Tempus Amicus wurde. Es heißt nicht einfach so, dass ihr die Geliebten der Zeit seid. Ein Tempus Amicus wird immer die Person, die eine Mira in ihrem Leben mehr als alles andere geliebt hat oder hätte, wenn ihr Schicksal erfüllt worden wäre.“

„Und wie wurdest du zu einer Mira?“

„Indem ich gestorben bin.“
 

Harry blinzelte. „Okay, ich gebe zu, ich bin verwirrt. Albus – entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie so nenne, Sir – ist doch bereits seit seiner Geburt ein Tempus Amicus, oder?“

„Das ist korrekt.“

„Aber du bist seine jüngere Schwester. Das heißt, deine Eltern haben noch nicht einmal an dich gedacht, als er geboren wurde. Wie kann es also möglich sein?“
 

Er verstand es wirklich nicht. Das alles hier verwirrte ihn ungemein, nicht zuletzt, weil er sich fragte, wer wohl die nächste Mira sein würde. Wer war es, der ihn mehr als alles andere geliebt hätte und ihn damit zu einer Existenz als Tempus Amicus verflucht hatte? Und was hatte Ariana damit gemeint, als sie sagte, dass sie sein ganzes Leben aus den Fugen gebracht hätte?

Er hasste es, wenn er auf seine Fragen keine Antworten finden konnte.
 

Die Mira lächelte jedenfalls. „Es ist ein Zeitparadox, Harry“, sagte sie sanft. „Etwas, das unmöglich erscheint und trotzdem möglich ist. Dadurch, dass ich starb, wurde Albus zu einem Tempus Amicus, nur dass es viele Jahre früher geschah. Du musst wissen, dass das Schicksal ihre Fäden nicht versteckt und deshalb können wir sehen, was es plant. Du warst einer ihrer Schlüsselfiguren und deshalb war es mir ein großes Vergnügen, ihre Pläne zu durchkreuzen.“
 

Schlüsselfigur? Er? Vom Schicksal? „Und... was war nun mein ursprüngliches Schicksal?“

Es war Albus, der ihm antwortete: „Du warst der Junge, der lebt. Der Auserwählte. Derjenige, der Tom töten würde.“

Er... wäre was gewesen?! Das sollte ja wohl ein Witz sein. Er und Tom töten? Nie und nimmer. Nicht Tom, jeden aber nicht Tom.
 

„Momentan mag dir das wahrscheinlich als unmöglich erscheinen“, sagte Albus sanft. „Und ich kann es verstehen. Deine und Toms Seelen sind eng miteinander verbunden. Es hätte nie jemanden gegeben, der euch besser verstanden hätte, als der jeweils andere, selbst wenn das Schicksal sich erfüllt hätte. Doch es gibt einen großen Unterschied. Ursprünglich hätten sich deine Eltern für dich geopfert und hättest elf grauenvolle Jahre bei deinen Verwandten verbracht. Hogwarts wäre das erste Zuhause gewesen, das du je gehabt hättest und deine Familie wären die Weasley und Miss Granger geworden. Du hättest gelernt, Tom zu hassen und niemals erkannt, dass du ihn hättest retten können, wenn du ihm etwas Liebe geben würdest.“
 

„Allerdings sollte man hinzufügen, dass das Schicksal ihm sieben Horkruxe zugedacht hatte“, warf Ariana ein. Harrys Augen weiteten sich. Sieben? Ihm kam schon ein einziger ungeheuerlich vor. Wer kam bitte schön auf die Idee, sieben zu erschaffen?

„Glücklicherweise konnte ich es auf zwei reduzieren“, fuhr sie fort. „Und damit ist seine Seele noch größtenteils intakt. Ich gebe zu, dass es notwendig war, dass er sie erschuf, ansonsten hätte Neville ihn getötet, aber das ist unwesentlich. Du wärst der Auserwählte gewesen, du wärst Neville gewesen, doch indem ich jemanden in deinem Umfeld zu meiner Nachfolgerin machte, wurdest du zum Tempus Amicus und damit wurde es Tom unmöglich, dich zu töten.“
 

Ach und warum? Aber eine andere Frage beschäftigte ihn momentan mehr: „Wer ist denn deine Nachfolgerin?“

„Ich“, sagte eine laute, beinahe schrille Stimme, die trotz allem nicht unangenehm klang. Interessiert drehte er sich um.
 

In seinem ganzen Leben sollte es nur eine Frau geben, die er als schöner, als Narcissa Malfoy bezeichnen würde. Das hier war diese Frau. Feuerrotes Haar, schokoladenbraune Augen, eine selbstbewusste Haltung und dieselbe Kleidung, die auch Ariana trug. Ja, das war jemand, die an der Seite des Auserwählten stehen würde. Aber wer hätte gedacht, dass ausgerechnet sie eine solche Schönheit werden würde?
 

„Ginny“, hauchte er.

Sie lächelte und ging auf ihn zu. „Harry, ich habe lange darauf gewartet, dich wiederzusehen. Ich bin so froh, dass es endlich so weit ist.“

Sie ließ sich neben ihn auf einen anderen Sessel nieder und sah in die Runde. „Ihr könnt nun gehen, Albus, Ariana. Ich übernehme den Rest. Eine neue Zeit wird verlangt. Du bist vorbei.“
 

„Eines Tages, Ginerva, wirst du an meiner Stelle sein und bereuen, wie du jetzt mit mir gesprochen hast“, sagte Ariana und erhob sich langsam, musste aber von Albus gestützt werden, um nicht zu fallen. Sie sah Harry an. „Ich wünsche dir alles Gute. Es war mir eine Ehre, dich kennenzulernen.“

„Mir war es eine Freude“, sagte er lächelnd und sah dabei zu, wie Albus ihr dabei half, aus dem Raum zu laufen. Es war ein rührendes Bild. Die beiden hatten sich wirklich geliebt – als Geschwister verstand sich. Harry vermutete, dass Albus' Interesse an Frauen nur durch sein eigenes für dieses Geschlecht übertroffen wurde.
 

„Und das war es“, meinte Ginny und nahm sich eine Tasse Tee, sobald die beiden verschwunden waren. „Die alte Zeit ist vorbei. Nun bricht unsere an.“

„Sieht so aus“, meinte er schlicht und nippte an seinem eigenen Getränk. Auch wenn sie gut aussah, er mochte sie nicht. Er hatte sie schon damals nicht gemocht, als sie noch am Leben gewesen war. Seiner Meinung nach war sie Neville dafür ein bisschen zu sehr hinterhergelaufen.

„Wusstest du, dass wir geheiratet hätten, wenn das Schicksal erfüllt worden wäre?“, fragte sie plötzlich. Okay, jetzt war sie ihm noch unsympathischer geworden. „Tatsächlich?“

„Ja... ich war schockiert“, gab sie zu. „Neville ja, aber dich? Doch dann habe ich dich über die Jahre beobachtet und gemerkt, dass es richtig so gewesen wäre.“
 

„Ah... toll“, meinte er und sah sie an. //Bitte mach, dass sie nicht in mich verliebt ist. Das hätte mir gerade noch gefehlt.//

Ginny lächelte ihn einfach an. „Aber wir sollten nicht darüber reden, was geschehen wäre, sondern darüber, was geschehen muss.“ Mit einem Mal verschwanden die Teetassen und das Gebäck und sie selbst wurde ernst.

//Die Teestunde ist also vorbei. Jetzt wird es spannend.//
 

„Lass mich raten, die Zeit hat dir Aufgaben gegeben, die ich für euch ausführen darf?“

„Du willst den Frieden, Harry, oder etwa nicht? Ich weiß, wie wir ihn am schnellsten bekommen können.“

„Ja, indem wir uns gegen das Schicksal stellen“, entgegnete er Augen verdrehend. „Ich habe zugehört, Ginerva, und ich werde ehrlich zu dir sein: Es gefällt mir nicht. Sich dem Schicksal widersetzen? Das ist doch Wahnsinn!“

„Keine Sorge“, meinte sie sanft. „Du kannst es tun, ohne dass dir etwas passiert. Die Zeit beschützt dich und nicht einmal das Schicksal wagt es, ihren Schützlingen zu schaden.“

„Sehr beruhigend“, entgegnete er und war dabei ebenso sarkastisch wie bei Albus.
 

Es brachte Ginny zum schmunzeln. „Du bist so stur, aber das ist gut. Als Tempus Amicus musst du es sein. Doch darüber können wir eine andere Nacht sprechen, du musst bald aufwachen oder er wird bemerken, dass du momentan nicht zu wecken bist und vielleicht etwas dummes anstellen.“

„Meinst du Tom?“, fragte er blinzelnd.

„Wen sonst? Ich denke, wir sind uns beide einig, wenn ich sage, dass er mit seinen jetzigen Vorhaben nicht durchkommen darf, oder?“

„Du meinst Neville töten?“
 

„Genau“, stimmte sie ihm zu und sah ihn mit einem durchdringenden Blick an. „Das Schicksal hat bestimmt, dass er sterben soll und Tom diesen Krieg dadurch gewinnt. Allerdings würde das früher oder später zu einer Rebellion führen und alles, was er aufbauen wird, würde zugrunde gehen. Wir müssen das verhindern und das können wir nur, wenn wir Neville retten.“

„Das ist ja schön und gut, aber wie sollen wir das tun?“

Aus irgendeinen Grund brachte sie das zu lachen. „Oh Harry!“, sagte sie amüsiert und tätschelte ihm die Wange. „Du weißt ganz genau, wie du ihn retten kannst und wenn du aufwachst, wirst du auch alles, was du dafür brauchst, in deinem Umhang finden. Aber beeile dich. Auch ich kann dir nicht ewig Zeit geben.“
 

Bevor er fragen konnte, was sie damit meinte, schien alles um ihn zu verschwimmen und er wurde in die Realität zurückgeschleudert. Das letzte, was er sah, war ihr schönes Lächeln, das ihn an das eines Teufels erinnerte.
 

Irgendwie hatte er das Gefühl, dass seine Zukunft äußerst anstrengend werden würde.

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Sind nun alle Klarheiten beseitigt? Schön, dann können wir das Kapitel ja für heute beenden.

Nächstes Mal gibt es dann den großen Showdown von Teil eins... wird Harry Neville retten können? Wie wird er es anstellen? Und was wird es für seine „Beziehung“ mit Tom bedeuten?

Ich wünsche euch eine wundervolle Woche.

Liebste Grüße, Ayako

Runaway

Es ist Montag, meine Lieben und was bedeutet das?

Richtig, Ayako ist in Verzug, dabei hatte ich euch doch das Kapitel schon am WE präsentieren wollen... na ja, egal, dafür kommt es heute.

Ein großes Dankeschön an alle Kommischreiber des letzten Kapitels und natürlich allen voran an meine Beta, die vor euch allen dieses Kapitel gelesen hat.
 

Sowohl auf Animexx, als auch auf Fanfiction.de wurde mir zum letzten Kapitel eine konkrete Frage von fast allen gestellt: Warum ist Ginny die neue Mira, wo sie eigentlich Neville mochte und Harry sie nicht leiden kann?

Ganz einfach weil sie im normalen Schicksal, also in den Büchern, Harry geliebt hätte (wie wir alle wissen... leider). Das heißt, bei der Auswahl der Mira und des TA ist es egal, wie sich ihre Beziehung im neuen, von der Zeit manipulierten Schicksal entwickelt hätte, es geht nur ums Original. Von daher ist sie der einizige Charakter, der für diese Rolle in Frage kommt.
 

Ich hoffe, das ist jetzt etwas klarer... und jetzt viel Spaß beim Lesen!

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Runaway
 

Es war früh am Morgen und alle anderen schliefen wahrscheinlich noch, aber Hermione hatte sich aus dem Gryffindorturm geschlichen, um Neville zu besuchen. Sie machte sich große Sorgen um ihren besten Freund. Er hatte offenbar seine Seele verloren – etwas, das nicht einfach so geschehen konnte – und lag nun in einem Koma. Oder vielleicht bereits im sterben? Was sollte sie tun, wenn ihm etwas geschehen sollte? Er war einer der wenigen Menschen, die sie nicht verabscheuten oder herablassend behandelten. Außerdem war er ihr Freund. Er konnte doch nicht einfach so gehen. Das konnte er ihr nicht antun.

Gut, ihr konnte er es vielleicht antun. Aber doch nicht Harry oder der Zaubererwelt.
 

Hermione war nicht dumm. Sie wusste, dass Neville ein Schlüssel in diesem Krieg war, der kurz davor stand, England zu überrollen. Wenn er starb, waren sie alle verloren. Er musste leben und aus diesem Grund steckte höchstwahrscheinlich der dunkle Lord hinter allem, was passiert war.

Hoffentlich fand Harry einen Weg, ihn zu retten. Das war die einzige Erklärung, die sie für seine plötzliche Flucht aus dem Krankenflügel am Vortag hatte. Er hatte Verbindungen zum dunklen Lord, nicht zuletzt durch seine Adoptivfamilie. Wenn jemand Neville also retten konnte, dann er.

//Ich hoffe, er schafft es. Er muss es schaffen.//
 

Allerdings hatte sie keine Ahnung, wie er es schaffen wollte. Wenn der dunkle Lord sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, würde ihn kaum jemand wie Harry von seinen Plänen abbringen können. Außer natürlich...

Das Gespräch mit Luna fiel ihr wieder ein, damals bei dem Zaubertrankwettbewerb. Hatte sie da nicht angedeutet, dass die beiden eine tiefere Beziehung hatten, als alle glaubten? Wenn sie das dann mit der Tatsache in Verbindung brachte, dass Harry auf einmal mit einem vollkommen Unbekannten zusammen war, eröffneten sich viele neue Möglichkeiten.
 

Es wäre nicht einmal so abwegig. Harry konnte sie sich gut an der Seite eines dunklen Lords vorstellen. Nicht, weil er grausam wäre, sondern weil er Menschen im Zaum halten konnte und einem das Gefühl gab, wichtig zu sein. Recht zu haben. Siegen zu können.

Außerdem ließ er sich nicht einfach so von jemanden unterbuttern. Er leistete Widerstand, er widersprach, er ging seinen eigenen Weg und er war ein Wunderkind.

Er war perfekt für einen dunklen Lord. Ein guter Verbündeter und eine Herausforderung zugleich.

Demnach würde es sie tatsächlich nicht wundern, wenn Thomas Mask in Wahrheit der dunkle Lord wäre.
 

Auf ihrem Weg zum Krankenflügel begegnete Hermione niemandem, aber als sie dort ankam, fand sie Ronald vor, der an Nevilles Bett saß und über ihn zu wachen schien. Verwirrt betrachtete sie dieses Bild. Irgendetwas daran wirkte falsch. Hasste Ronald Neville nicht, da er ihn für den Tod seiner Schwester verantwortlich machte? Hatte er ihn nicht immer verabscheut und ihm das schlimmste an den Hals gewünscht?

Beneidete er ihn nicht eigentlich, weil er so viel mehr war, als er selbst es jemals sein könnte?

Sehr merkwürdig...
 

Langsam trat sie auf ihn zu und sah von ihm auf Neville.

„Seine Lage ist unverändert“, meinte der Rothaarige, ohne aufzublicken. „Er liegt immer noch da und rührt sich nicht. Wir können nichts tun. Nur warten.“

„Und worauf?“, fragte sie. „Dass er stirbt?“

„Nein“, entgegnete er und sah sie an. „Darauf, dass Harry zurückkehrt.“

„Du glaubst also auch, dass er ihn retten kann?“

„Er ist der einzige, der es kann“, sagte Ronald ernst. „Und er wird es tun. Er wird Neville nie und nimmer sterben lassen.“

„Ich hoffe, du hast Recht“, sagte Hermione niedergeschlagen und setzte sich auf einen Stuhl an dem Bett ihres Freundes.
 

Es war schrecklich, ihn so zu sehen. Ihn, den Helden, den Auserwählten, den Erretter.

Er war immer stark gewesen. Nach Ginnys Tod, nach Ronalds Freundschaftskündigung, nach dem Trimagischen Tunier, während Harry kein Wort mit ihnen gesprochen hatte...

Er hatte unbesiegbar gewirkt, aber jetzt kam die Realität und zeigte ihr, dass das nur ein Trugbild gewesen war. Neville war genauso verletzlich wie sie alle. Er hatte es nur zu verstecken gewusst. Ebenso wie sie selbst.

Warum erkannte sie das erst jetzt?
 

Das wirklich grausige war jedoch Rita Krimmkorns Artikel gewesen, der kurze Zeit nach Nevilles Zusammenbruch erschienen war. Sie hatte es so aussehen lassen, als würde der Auserwählte schon seit mehreren Tagen im Krankenflügel liegen und hatte die Schuld auf Professor Dumbledore und Hogwarts geschoben. Dabei konnte er nichts dafür! Es war der dunkle Lord, der hierfür verantwortlich war, nicht Dumbledore.
 

Bevor sie sich weiter darüber ärgern konnte, wurde ihr Gedankengang von Ronalds Stimme unterbrochen: „Du solltest gehen. Ich spüre einen Wutanfall kommen und ich will dir nicht unnötig weh tun.“

Hermiones Augen weiteten sich, ehe sie nickte und eilig aufsprang. Vor einem Jahr waren seine Wutanfälle noch unkontrollierbar und unvorhersehbar gewesen. Inzwischen merkte er es, wenn einer kam und warnte sie rechtzeitig vor. Hatte einer dieser Anfälle einmal begonnen, war er nicht mehr er selbst. Er schrie, schlug und beschoss sie mit Flüchen. Sie hasste diesen Ronald. Aber hinterher war er immer nett und fühlte sich elend. Er war im Grunde ein netter Kerl, der niemanden absichtlich weh tun würde und inzwischen mochte sie ihn auch ganz gerne, aber....
 

Er war nicht Draco.
 

„Wir sehen uns dann später“, sagte sie hastig und verließ beinahe fluchtartig den Raum. Sie wollte unter gar keinen Umständen noch einmal von ihm grün und blau geschlagen werden.

So entfernte sie sich vom Krankenflügel und wurde damit nicht Zeugin dessen, was sich einige Zeit später darin ereignen sollte.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Während er in seinem Traum in eisiger Kälte erwacht war, wurde Harry in der Realität von einer angenehmen Wärme begrüßt. Es war nicht so, dass der Raum besonders aufgeheizt gewesen wäre, es handelte sich vielmehr um eine innere Wärme, die seinen ganzen Körper auszufüllen schien und vor allem von seinem Bauch auszugehen schien.

Unwillkürlich kuschelte er sich mehr an sein Kissen, um noch ein wenig zu dösen, als ihm etwas merkwürdiges auffiel: Sein Kissen bewegte sich. Auf und ab und auf und ab und auf und ab und auf und ab.
 

Sehr eigenartig. Kissen bewegten sich nicht. Und was war da um seinen Körper geschlungen? Gut, da war die Decke, aber auch noch etwas anderes, etwas schwereres. Außerdem fühlte sich sein Kissenbezug seltsam an und er roch nach...

Erschrocken riss er seine Augen auf, womit sofort seine Vermutung bestätigt wurde. Er lag auf Toms Oberkörper. Nicht nur das, er hatte seine Arme um dessen Oberkörper – der glücklicherweise bekleidet war – geschlungen und missbrauchte ihn als Kissen. Tom selbst hielt ihn ebenfalls fest und so wie er es einschätzte, würde es schwer sein, sich von ihm zu befreien.
 

Vorsichtig sah Harry sich um und bemerkte, dass er in seinem Zimmer war. Gut, das bedeutete schon einmal, dass er nicht mitten in der Nacht zu Tom ins Bett geklettert war, denn er war sich sicher, allein eingeschlafen zu sein. Das wiederum bedeutete, dass der Ältere irgendwann zu ihm gekommen war. Warum?

//Komm schon, Harry, das hatten wir doch bereits hinter uns gelassen.//

Okay, die Frage war wirklich dämlich gewesen.
 

Seufzend betrachtete er Toms Gesicht. Im Schlaf war es friedlich und entspannt, ganz anders als seine stets hochkonzentrierte, wache Ausgabe. Außerdem war die Andeutung eines Lächelns auf seinen Lippen zu erkennen und er hatte sich in der Nacht fest an Harry gedrückt und schien ihn tatsächlich als Kuscheltier zu verwenden.

War das jetzt gut oder sollte er sich Sorgen machen?
 

//Du hast ihn als Kissen missbraucht. Das ist nicht besser.//

Ja, gut, aber... war es denn in ihrem Stand der Beziehung schon üblich, gemeinsam ein Bett zu teilen?

//Manchmal weiß ich nicht, ob du einfach nur niedlich, naiv oder absolut bescheuert bist.//

Warum war seine innere Stimme eigentlich nie auf seiner Seite?

//Ich bin auf deiner Seite. Du bist es, der gegen dich arbeitet.//
 

Wie auch immer, es war gar nicht mal so übel, mit ihm neben sich aufzuwachen. Es war sogar recht angenehm und wirkte seltsam beruhigend. Fast so, als...

//Jaja, wir wissen inzwischen alle, dass du in ihn verliebt bist, dich eingeschlossen, Merlin sei Dank. Jetzt kannst du aufhören, deine Gefühle zu analysieren und dich wichtigerem zuwenden. Falls du es vergessen haben solltest, dein bester Freund – nach Felice – liegt im Krankenflügel, da dieser Mann, der dich hier festhält, ihm einen Horkrux auf den Hals gehetzt hat. Wenn du dich nicht beeilst, stirbt er und mit ihm wird alles zugrunde gehen, da das Schicksal dummerweise nicht auf unserer Seite ist.//

Das mochte ja stimmen, aber wie sollte er etwas dagegen unternehmen?

//Ginny meinte, dass die Lösung in der Tasche deines Umhanges sein müsste.//
 

Ginny. Ronald Weasleys kleine Schwester. Sie war damals also gestorben, um eine Mira zu werden, eine Dienerin der Zeit. Ehrlich gesagt kam ihm das alles immer noch mehr als suspekt vor.

Das Schicksal und die Zeit sollten wirklich ein Spiel gegeneinander spielen? Und sie waren alle nichts weiter als ihre Spielfiguren?

Obwohl, das ging noch. Das wirklich erschütternde war eher die Tatsache, dass er, ausgerechnet er, ursprünglich Nevilles Rolle bekommen hätte. Er wäre der Auserwählte gewesen, er wäre der Held gewesen, er hätte Tom getötet und auf seinen Weg dorthin weiß Gott wie viele Menschen in den Tod gerissen.

Darüber hinaus wäre er ausgerechnet mit Ginny Weasley zusammengekommen, die jetzt wohl so etwas wie die Vermittlerin zwischen ihm und der Zeit werden würde.
 

Was würde als nächstes kommen? Fliegende Elefanten?
 

//Das hast du wirklich wunderbar zusammengefasst, Severus würde dir sicher zehn Punkte dafür geben, aber könntest du jetzt endlich zur Sache kommen?//

Könnte seine innere Stimme endlich ihre Klappe halten?
 

Seufzend sah er Tom an und streckte aus einem Impuls heraus seine Hand aus, um damit dessen Wange zu berühren. Natürlich wusste er, wie er Neville retten konnte. Er musste den Horkrux zerstören. Dadurch würde der Seelenanteil seines Freundes wieder in den ursprünglichen Körper zurückkehren und er wäre im Nu wieder fitt. Das Werkzeug dafür, hatte die Zeit ihm wahrscheinlich in die Tasche seines Umhanges gesteckt und sie würde überdies sicher dafür sorgen, dass er ohne Probleme an das Tagebuch herankam. Eigentlich ganz einfach.
 

Das Dumme war nur, dass ihm etwas überhaupt nicht an der ganzen Sache gefiel.

Wenn er den Horkrux zerstörte, würde er damit auch Toms Seele zerstören? Höchstwahrscheinlich.

Er kannte sich zwar nicht wirklich mit dieser Materie aus – es kam ihm überhaupt wie verbotenes Wissen vor, etwas, das für alle Ewigkeit unangetastet hätte bleiben müssen – aber er war dennoch überzeugt, dass die Seelenspaltung ein bestimmtes Ritual brauchte, das offensichtlich nicht rückgängig zu machen war. Zumindest hatte der Tom in dem Tagebuch so etwas angedeutet.

Das hieß, wenn er Neville retten wollte, würde er einen Teil von Tom vernichten müssen.
 

Er hatte gewusst, dass er irgendwann jemanden verraten würde, aber er hätte nie geglaubt, dass es Tom wäre.
 

„Warum hast du das nur getan?“, fragte Harry traurig und strich ihm mit zwei Fingern über das Gesicht des Anderen. „Wolltest du unsterblich werden? Oder waren deine Gefühle unerträglich geworden und das war der einzige Weg, den du gefunden hast?“

Er regte sich leicht im Schlaf, wachte aber nicht auf. Gut so. Momentan würde er ihm wach nur im Weg sein.

Vorsichtig beugte er sich vor und drückte ihm einen flüchtigen Abschiedskuss auf den Mund. Selbstverständlich wäre es besser gewesen, davon abzusehen, es würde das ganze nur noch schwerer machen, aber es musste sein. Er wusste nicht, wann er ihn wiedersehen würde. Ob er ihn wiedersehen würde.
 

Manche Dinge wusste nämlich nicht einmal das Schicksal.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Der Tagebuch-Tom schien es ihm sehr übel zu nehmen, dass er ihn ein wenig manipuliert hatte, um herauszufinden, was mit Neville geschehen war. Zumindest war das seine einzige Erklärung dafür, dass er nicht auf ihn reagierte, als er das schwarze Notizbuch an sich nahm und versuchsweise hineinschrieb.

So hatte er schon einmal ein Problem weniger.
 

Der dunkle Lord hatte es wirklich gut versteckt und mit vielen Schutzzaubern gesichert. Harry brauchte mindestens eine Stunde, um sie zu brechen und befürchtete dabei andauernd, dass er erwischt werden würde, doch er hatte Glück. So kam es, dass er kurze Zeit später in Hogwarts ankam. Es war noch relativ früh, weshalb er auf seinem Weg zum Krankenflügel niemanden begegnete. Er sah nur Hermione eilig in einem Geheimgang verschwinden, als er um eine Ecke bog. Ob sie vor Ronald flüchtete?
 

Diese Theorie verwarf er jedoch wieder, als er diesen im Krankenflügel sitzen sah. Er wirkte entspannt und hatte dem Eingang den Rücken zugedreht. Sein Blick war scheinbar auf Neville gerichtet, aber aus seiner Position konnte Harry das nicht hundertprozentig sagen.

An einem anderen Tag hätte er sich gefragt, was er hier zu suchen hatte, aber nicht heute. Nicht nachdem er erfahren hatte, dass Ginny die neue Mira war.
 

Wenn schon die Zeit Gehilfinnen hatte, wie viele hatten dann die Miras? Es war nur wahrscheinlich, dass es mehrere Menschen gab, mit denen sie Kontakt aufnahmen und ihre Ziele umsetzen wollten. Ronald wäre dafür sicher auch extrem gut geeignet. Jeder wusste, dass er den Tod seiner Schwester sehr schlecht verkraftet hatte. Sie wiederzubekommen, in welcher Form auch immer, musste ihm wie ein Geschenk des Himmels vorkommen und er war bestimmt dazu bereit, ihr den ein oder anderen Wunsch zu erfüllen.

Das Schicksal zu bekämpfen zum Beispiel.
 

Darüber hinaus konnte Harry sich gut vorstellen, dass Ronald sich in dieser Rolle gefiel. Der Bezwinger des Schicksal, der Kämpfer für die Zeit. Heldenhaft, ehrenhaft, mutig. Zu dumm, dass nicht er der Tempus Amicus war, sondern Harry. Kein Wunder, dass er ihn nicht leiden konnte.
 

Schweigend stellte er sich neben ihn und musterte Nevilles blasses Gesicht.

„Er wird es nicht mehr lange machen“, teilte der Weasley ihm mit. „Er ist so gut wie tot.“

„Ich weiß“, sagte Harry leise.

„Weißt du, wie man ihm helfen kann?“

Harry schwieg für einen Moment, ehe er nickte. „Ja.“
 

Langsam holte er das Tagebuch und den Gegenstand, den er in seinem Umhang gefunden hatte, hervor. Dabei handelte es sich um eine kleine Phiole mit einer klaren Flüssigkeit, die Harry für Basiliskengift hielt. Es gab kein Gift, das tödlicher oder zerstörerischer wäre. Ein Tropfen davon genügte, um ein Leben binnen weniger Minuten zu beenden. Offenbar funktionierte es auch mit Horkruxen.
 

Ronald betrachtete die beiden Gegenstände interessiert. „Wir müssen also das Buch zerstören, um ihn zu retten?“

„Genau. Sobald wir es geschafft haben, müsste Nevilles Seele zu ihm zurückkehren und er wird wieder vollkommen gesund sein.“

Der Junge lächelte erleichtert. „Was für ein Glück. Aber wie zerstören wir es?“

„Indem wir ein Messer oder eine Klinge nehmen und sie mit dieser Flüssigkeit tränken“, er deutete auf das Gift. „Allerdings müssen wir aufpassen, dass sie nicht mit unserem Blut in Berührung kommt, weil wir sonst sterben würden. Und Madam Pomfrey darf nichts mitbekommen.“

„Keine Sorge, um die habe ich mich gekümmert“, sagte Ronald ernst. „Sie wird uns nicht stören.“
 

Harry sah ihn an und fragte sich einmal mehr, was das Geheimnis dieses Menschen war. Wie war er so schnell so talentiert geworden? Wieso hatte die Zeit ihn zu einen ihrer Verbündeten gemacht? Warum rettete er Neville trotz allem?

Wer war er eigentlich?

Er hatte gedacht, die Antwort zu kennen, aber wie es aussah, hatte er sich geirrt.
 

Schweigend beobachtete er, wie der Rothaarige ein kleines Messer hervorholte. „Das wird reichen, oder?“

Harry nickte, woraufhin er ihm die Phiole abnahm und vorsichtig etwas von der Flüssigkeit auf die Klinge träufelte. „Ich weiß, dass du ihn liebst“, sagte Ronald leise. „Deshalb werde ich es für dich tun. Bitte halte mich nicht auf.“

„Das habe ich nicht vor“, meinte er und trat ein paar Schritte zurück.
 

Das hier war richtig. Es ging darum, Neville zu retten, alles zu retten und vor allen Dingen, dem Schicksal eins auszuwischen. Ob das der Grund dafür war, warum sich das alles so falsch anfühlte?

Trotzdem sah er nur unbeteiligt zu, als der Rothaarige das Messer hob und es in das Tagebuch stieß.

Die Reaktion war beeindruckend.
 

Ein grässlicher, markerschüttender Schrei ertönte, bei dem sie beide zusammenzuckten. Der Tom aus dem Tagebuch erschien und sah sich gepeinigt um. Kurz sah er so aus, als wolle er sich auf Ronald stürzen, ehe sein Blick auf Harry fiel. Er schien geradezu zu erstarren, während er sich mit einer Hand die Brust hielt. „Du...“, stieß er aus. Sein Gesicht wirkte mehr als erschüttert, als er erkannte, dass er von ihm verraten worden war. „Wie konntest du? Von allen Menschen dieser Welt?“

Hinter ihm strömte eine weiße, gasförmige Substanz aus dem Tagebuch auf Neville zu und schien ihn einzuhüllen. War das seine Seele?
 

Ronald, der sich von seinem Schock wieder erholt hatte, riss das Messer aus dem Buch und stieß noch einmal hinein. „Für Ginny!“, rief er aufgebracht.

Tom schrie wieder auf und fiel hilflos auf die Knie, während sein betrogener Blick auf Harry gerichtet war. „Wir haben dir vertraut!“, kreischte er und jedes seiner Worte fühlte sich wie Hiebe an, die in sein Herz geschlagen wurden. „Wir haben dich geliebt! Wir hätten dir die Welt gegeben! Warum...?“ Er kroch langsam auf Harry zu und griff nach dem Zipfel seines Umhanges, während Ronald hinter ihm wie ein Besessener immer wieder in das Tagebuch stieß. „Warum, Harry?“
 

Angesprochener riss sich von ihm los und stolperte ein paar Schritte rückwärts. Ihm wurde schlecht. Diese Szene fühlte sich wie ein grauenvoller Albtraum an, dem er nicht entkommen konnte.

Merlin, was hatte er getan?

Tom wurde schließlich zu einer durchsichtigen Silhouette und lag wimmernd auf dem Boden. Ein letzte Mal streckte er noch seinen Arm hilfesuchend nach ihm aus, bevor er mit einem gehauchten „Harry...“ verschwand.
 

Der Horkrux war zerstört.
 

Kraftlos ließ er sich auf das nächste Bett sinken und sah zu Ronald hinüber, der inzwischen dazu übergegangen war, das Tagebuch mit seinen eigenen Händen zu zerfetzten. Er wirkte vollkommen wahnsinnig. War es eine gute Idee gewesen, ihn das alles machen zu lassen?

//Ja, denn du hättest es nicht gekonnt. Sieh dich doch an, du kannst jetzt nicht einmal mehr stehen.//

Sein Verstand hatte Recht. Auch, wenn er wusste, dass Neville gerettet werden musste, Toms Seele dafür zu zerstören war bitter und tat weh. Es war fast, als hätte er den Mann getötet, obwohl das Unsinn war. Er lebte noch. Er musste noch leben.

//Und er wird dich umbringen, wenn er dich zwischen seine Finger bekommt.//

Oh ja, das würde er. Das erste Mal in seinem Leben hatte Harry Todesangst und es fühlte sich alles andere als angenehm an.
 

Wenigstens schien Ronald sich wieder zu beruhigen, zumindest ließ er die Reste des Tagebuches mit einem einfachen Incendio verbrennen, ehe er sich erschöpft auf den nächsten Stuhl sinken ließ. Daraufhin herrschte für einige Minuten Stille, ehe sich plötzlich Neville zu rühren begann.

Aus einem Impuls heraus sprang Harry auf.

„Kümmere du dich um ihn“, sagte er zu Ronald.

Dieser starrte ihn verdutzt an, ehe er verstehend nickte. „Mache ich. Bis bald. Ich bin sicher, wir werden uns wiedersehen... So oder so.“

„Ja, das werden wir. Bis bald.“

Damit drehte er sich um und eilte aus den Krankenflügel, während er hörte, wie Neville hinter ihm langsam aufwachte.
 

Er wusste nicht, warum, aber seine Zeit in Hogwarts war vorbei. Er konnte es spüren, heute würde er das Schloss ein für alle Mal verlassen. Im Prinzip hätte er das ohnehin getan. Eigentlich sollte er schon lange eine Klasse überspringen, aber er hatte es immer abgelehnt, wahrscheinlich, um mit Neville in einem Jahrgang zu bleiben. War es sein Schicksalsfaden gewesen, der ihn dazu gebracht hatte oder die Zeit? Er hatte keine Ahnung.
 

Unbehelligt erreichte er den Ravenclawturm, doch dort traf er auf Stephen, der mit den anderen aus ihrem Jahrgang auf den Weg zum Frühstück war. Harry lächelte ihnen zu und meinte, dass er gleich nachkommen würde. Sie glaubten ihn. Es gab keinen Grund, es nicht zu tun.
 

Während er seine Sachen zusammenpackte, begriff er, warum er jetzt gehen musste. Würde er länger bleiben, würde Tom es irgendwie schaffen, ihn zu sich zu locken und ihn höchstwahrscheinlich dafür büßen lassen, dass er seinen Horkrux zerstört hatte. Da die Wut noch frisch sein würde, könnte ihn nichts stoppen und mit etwas Pech würde er wirklich dabei draufgehen. Deshalb war es besser, ihm eine Weile aus dem Weg zu gehen, bis er sich wieder beruhigt hatte.

Die einzige Möglichkeit, das zu tun, wäre jedoch, sich hinter Dumbledores Rücken zu verstecken und das würde er nicht einmal tun, wenn ihm keine andere Wahl blieb.
 

Zu James oder Narcissa konnte er auch nicht. Es würde sie in Gefahr bringen, wenn er sich bei ihnen verkroch und das konnte er nicht verantworten. Dasselbe galt für Neville, Hermione, Remus und Severus. Großbritannien im allgemeinen war keine Option für ihn und somit blieb nur noch ein Ort übrig.
 

Seufzend verkleinerte er seinen Koffer und steckte ihn in seine Tasche, ehe er noch ein letzte Mal seinen Blick durch sein Zimmer schweifen ließ.

„Tja... das war es dann wohl.“
 

Eine halbe Stunde später disapparierte er. Als Schüler würde er nie wieder nach Hogwarts zurückkehren.
 

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Liebe Familie, liebe Freunde, lieber Thomas,
 

verzeiht mein plötzliches Verschwinden und dass ich euch erneut Sorgen bereitet habe.

Das letzte Jahr hat nun endgültig seine Früchte gezeigt und ich musste einfach weg. Weg von euch, weg von England, weg von meinem Leben. Versteht bitte, dass ich es tun muss, sonst werde ich verrückt.

Ich versichere euch, dass ich mich an einen sicheren Ort befinde und dass ich wiederkommen werde, aber bis dahin müsst ihr mir Zeit lassen.

Ich brauche sie.
 

In Liebe,

Harry
 

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Tom zerknüllte das Pergament und drehte sich zu Lucius um, der sich unter den Qualen des Cruciatusfluches auf dem Boden wand. Mit einem Schlenker seines Zauberstabes löste er den Fluch auf. Der Mann ließ sich erleichtert fallen und versuchte, seinen Atem zu beruhigen. Sinnlos. Er war lange noch nicht fertig mit ihm.

Langsam ging er auf ihn zu und kniete sich neben ihn, während er mit einer Hand beinahe zärtlich durch seine Haare strich. „Habe ich das richtig verstanden, dass du ihm die Erlaubnis gegeben hast, Hogwarts zu verlassen?“
 

Er nickte. „J...ja, Mylord.“

„Und habe ich dem zugestimmt?“

Er schluckte. „N...nein, Mylord.“

„Nein...“, wiederholte Tom und tätschelte seine Wange, während die Augen seines Opfers ihn angsterfüllt ansahen. „Dann frage ich mich wirklich, wie es kommt, dass du es ihm dennoch erlaubt hast.“
 

Oh, es war wunderbar jemand so stolzes und starkes wie Lucius Malfoy so gebrochen und furchtsam zu erleben. Wie gerne er doch Harry so sehen würde, zerbrochen, verängstigt, ihm vollkommen ausgeliefert. Er würde ihn nehmen, ihn in alle Einzelteile zerlegen, um ihn danach liebevoll und fürsorglich wieder zusammenzusetzen, sodass nur noch er in seinen Gedanken Platz hatte.

Dieser eigenwillige, wunderschöne Junge mit seinen süßen Lippen und dieser mehr als süchtig machenden Aura. Dieser verlogene, gerissene, hinterhältige Verräter. Aber er war nicht hier und der Grund dafür lag vor seinen Füßen.
 

„Er... er sagte, es sei für seine Ausbildung, Mylord“, erklärte Lucius in einer jämmerlichen Stimmlage. „Er meinte, er würde an einen Ort gehen, wo man ihm beibringen könnte, mit seinen Fähigkeiten als Tempus Amicus umzugehen. Ich glaubte, es sei in Eurem Interesse...“

„Du glaubtest, es sei in meinem Interesse“, wiederholte Tom und gluckste leise. „Oh Lucius, ich muss sagen, ich bin enttäuscht. Du glaubtest also, du wüsstest, was in meinem Kopf vor sich geht? Was ich mir wünschen könnte und was meinen Zielen entspricht?“

Der Blonde schluckte, offenbar hatte er spätestens jetzt erkannt, dass er ein großes Problem hatte.
 

Beinahe spielerisch begann Tom damit, seinen Zauberstab auf der Haut des Todesser entlangfahren zu lassen. „Du hast dich geirrt, Lucius“, hauchte er sanft. „Es war weder mein Wunsch, noch mein Interesse, dass Harry sich von mir entfernt. Er sollte hierbleiben, an meiner Seite und nicht irgendwohin verschwinden, wo wir ihn vielleicht niemals wiederfinden können.“ Er drückte etwas fester mit seinem Zauberstab auf, weshalb Lucius unwillkürlich zusammenzuckte. „Wenn er zu den falschen Leute kommt, könnte ihn das jetzt für immer von uns entfernen. Er könnte zu dem lächerlichen Schluss kommen, Neville Longbottom sei die richtige Seite. Ist es das, was du dir vorgestellt hast?“

„N...nein, Mylord.“
 

„Falsche Antwort. Crucio.“

Tom sonnte sich kurz in seinen Schreien, ehe er den Zauber wieder löste und mit einer Handbewegung die Tür zu dem Raum öffnen ließ. „Schafft ihn mir aus den Augen“, befahl er und sofort kamen Bellatrix und Severus herein, um den Malfoy hinauszutragen. Sobald sie weg waren, griff er nach der nächsten Vase und schleuderte sie an die Wand.
 

Wie konnte er es wagen? Zuerst manipulierte er seinen Seelenteil, dann tat er so, als hätte er ihm vergeben, um gleich am nächsten Tag seinen Horkrux – seine Seele – zu zerstören und spurlos zu verschwinden. Und wofür das alles? Für Neville Longbottom.

Oh, wie er diesen Namen hasste. Ursprünglich hatte er vorgehabt, den Auserwählten entweder durch sein Tagebuch oder mit einem einfachen Avada sterben zu lassen, aber das war jetzt hinfällig geworden. Wenn er jemals an ihn herankommen sollte, würde er ihn in den Wahnsinn foltern, ihn stunden-, tagelang leiden lassen und erst töten, wenn er für einen Moment glaubte, es sei endlich alles vorbei. Er würde für alles bezahlen. Dafür würde er schon sorgen.
 

Wutschnaubend drehte er sich um und ging zu seinem Schreibtisch, wo sein Blick sofort auf das Bild von Harry fiel, das er dort stehen hatte. Vorsichtig – als sei es sein wertvollster Besitz – griff er danach und hob es hoch. Schweigend musterte er seine hübschen Zügen und seine leuchtenden, grünen Augen. Liebevoll fuhr er mit seiner freien Hand darüber. Harry... wenn er ihn fand – und das würde er, selbst wenn er dafür die ganze Welt auseinandernehmen musste – würde er es sich zweimal überlegen, bevor er ihn noch einmal auf eine solche Art und Weise verriet. Oder bevor er noch einmal weglief.
 

Du gehörst mir“, zischte er auf Parsel. „Und du kannst mir nicht entkommen. Egal, wo du bist.

Der Harry auf dem Bild sah ihn unbeeindruckt an. Also stellte er es wieder zur Seite und atmete tief durch. Er musste sich beruhigen. Für das, was nun kommen würde, brauchte er einen klaren Kopf. Seine Rache würde schon noch kommen.

Jetzt gab es aber erst einmal viel zu tun.
 

Ohne den Jungen noch eines Blickes zu würdigen, rauschte er aus dem Raum. Es wurde Zeit für eine Todesservollversammlung.

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Ich bin ziemlich froh, nicht in Harrys Haut zu stecken... *drop* Oder in Lucius'... Übrigens hab ich das Gespräch zwischen den beiden bewusst ausgelassen, falls sich jemand über den Sprung wundern sollte. ;)

Nächstes Mal gibt es noch einen kleinen Epilog.

Bis dahin wünsche ich euch schöne Tage!

Liebste Grüße, eure Ayako

Epilogue: Felice

Danke an alle Leser dieser Fanficiton und ganz besonders an alle Kommischreiber und vor allen anderen meiner Beta Robino. Ohne euch wäre diese Geschichte nie so weit gekommen. *euch alle knuddel*

Momentan arbeite ich an der Fortsetzung von Time Changed Everything, bisher läuft es ganz gut und ich denke, dass ich auch relativ bald mit den Updates beginnen werde... wer dann darüber informiert werden will, muss sich einfach direkt an mich wenden.

Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr auch im zweiten Teil wieder vorbeischaut. <3

Bis dahin wünsche ich aber viel Vergnügen mit dem Ende von TCE.

Liebste Grüße, eure Ayako
 

P.s.: Beim Schreiben hab ich „Your Star“ von Evanescence gehört... es passt ganz gut dazu.

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Epilogue: Felice
 

Es fühlte sich an, als würde sie sterben.
 

Die Schwärze, die sie nun schon seit einer halben Ewigkeit zu umhüllen schien, nahm von Minute zu Minute zu. Ihre Lunge schrie hilflos nach Luft, aber so sehr sie sich auch anstrengte, es kam nichts. Da war nichts. Nur Vakuum. War es das, was man ersticken nannte?

Natürlich hatte sie gewusst, dass es bald passieren würde. Ihr Tod war von dem Moment ihrer zweiten Geburt vorgesehen gewesen. Jeder Tag war ein Geschenk gewesen, etwas, das sie nicht verdient hatte. Allerdings hatte sie gehofft, davor wenigstens noch einmal die Sonne zu sehen. Oder Regulus' Gesicht. Obwohl, war das im Prinzip nicht dasselbe?
 

Vielleicht war es das beste, einfach aufzugeben. Zu sterben. Und nie wieder zu kommen. Damit würde sie vielen Ärger ersparen und alles hätte endlich ein Ende. Sie war doch ohnehin schon seit Jahren tot.

//Aber du hast es Harry versprochen//, sagte eine Stimme tief in ihr. //Du hast ihm versprochen, dass ihr euch wiedersehen würdet.//

Na und? Er war ein Tempus Amicus. Ihm wurde sowieso immer alles Recht gemacht. Da konnte sie ruhig gehen. Es wäre so viel einfacher.

Aber doch so falsch.
 

Darum kämpfte Felice weiterhin verzweifelt gegen den Tod, obwohl er sie bereits mit seinen Armen umschlossen hatte und mit sich zerrte. Sie war verloren, aber sie durfte nicht aufgeben. Nicht jetzt.

Doch sie war so schwach und er so stark. Es gab kein Entrinnen, so sehr sie auch auf ihn einschlug, so sehr sie sich wand, so sehr sie sich wehrte. Es war vorbei.

Warum kam das Ende eigentlich immer viel zu schnell?
 

Plötzlich sah sie ein Licht. Es war nicht das Licht des Todes, das war einladend, hell, freundlich, vertraut, hatte sie es doch bereits gesehen. Nein, es war ein kaltes Licht, ein trostloses Licht, eines, das sie ins Leben zurückbringen konnte. Sofort hörte sie auf, sich gegen den Tod zu wehren und streckte dafür ihre Hände aus. Kurz darauf spürte sie auch schon die bekannte Berührung der Frau, die sie schon das letzte Mal zurückgeholt hatte und schließlich konnte sie auch ihr Gesicht sehen, während sie beide, Hand in Hand, aufwärts schwebten, immer auf das Licht zu und weg von der Dunkelheit, die weiterhin nach ihr greifen wollte.
 

„Das ist das letzte, was ich tun werde“, sagte Ariana Dumbledore sanft. „Noch ist es nicht für dich soweit, mein Kind.“

Im nächsten Moment schlug sie in ihrem Bett in Regulus' Haus ihre Augen auf. Sie fühlte sich fürchterlich und sah wahrscheinlich auch so aus. Ihre Kleidung war durchgeschwitzt, ihr Haar klebte an ihrem Gesicht, ihre Kehle war ausgetrocknet und kurz glaubte sie, ihre Hände nicht mehr bewegen zu können.
 

Etwas desorientiert ließ sie ihren Blick durch den Raum gleiten. Es war Tag, ein Fenster stand offen, die Gardine wippte im Wind hin und her, die Sonne schien, die Blätter auf dem Baum grün – war bereits Sommer? Es war Winter gewesen, als sie das letzte Mal hier gewesen war. Bewusst hier gewesen war.

Die Tür stand offen, irgendwo hörte sie ein Radio und Küchengeräusche, es roch nach Pasta.
 

Hauselfen waren im Haus, Sirius – immer noch Hund – sprang irgendwo unter ihr herum und Regulus... eilte zu ihr. Er hatte bemerkt, dass sich ihr Zustand geändert hatte, er hörte ihre Gedanken, er war besorgt, erleichtert, angsterfüllt, überrascht, hoffnungsvoll... verdammt, was war nur mit ihr geschehen? Und warum konnte sie kein Okklumentik einsetzen?
 

Schritte waren zu hören und im nächsten Moment war er bereits an ihrer Seite und griff nach ihrer Hand. „Felice?“, fragte er ängstlich, so als hätte er Angst, dass er sich alles nur einbildete und sie doch nicht ihre Augen offen hatte.

Sie starrte ihn an. Er sah schrecklich aus. Blass. Augenringe. Unfrisiert. Offenbar war er mit ihr gestorben. Schon eigenartig, was Liebe anrichten konnte. Vorsichtig erwiderte sie seinen Händedruck.

Erleichterung überflutete sein Gesicht und im nächsten Augenblick hatte er sich zu ihr hinuntergebeugt und küsste sie. Es war der Kuss eines Verzweifelten, der geglaubt hatte, die Frau, die er liebte, nie wiederzusehen. In diesem Fall traf das höchstwahrscheinlich zu.

Sie ließ ihn, war zu schwach, um zu erwidern oder abzuwehren. Und so müde. Schrecklich müde.
 

Er löste sich wieder von ihr und nun fielen Tränen auf ihr Gesicht, die an ihren Wangen hinunter glitten, obwohl er es war, der sie vergoss. „Ich dachte, du würdest sterben“, schluchzte er. „Ich dachte, du würdest nie wieder aufwachen.“

Das hatte sie auch geglaubt.
 

Langsam hob sie ihren Arm und wischte mit ihrer Hand die Träne weg, die aus seinem Auge entkommen wollte. „Re...gulus...“, sagte sie leise. Ihr Hals tat weh. Ihre Stimme nicht mehr als ein Hauch. Er hatte es trotzdem gehört und sah aus, als wären Ostern und Weihnachten auf einen Tag gefallen. Ja, Liebe war tatsächlich etwas merkwürdiges. Aber jetzt musste sie ihm erst einmal etwas wichtiges mitteilen und er war zu aufgeregt, um in ihren Gedanken zu lesen.
 

Deshalb schluckte sie, ehe sie mühevoll sagte: „Die Zeit... vorbei.“ Seine Augen weiteten sich. Er verstand. Natürlich. Er war auch ein Empath.

„Neue... Zeit“, fuhr sie fort, während sie spürte, wie die Müdigkeit sie überrollte. Ihre Lider schlossen sich wieder, aber bevor sie in einen Schlaf fiel, der sie wieder gesund machen würde, konnte sie noch zwei Worte aussprechen: „Er kommt.“
 

Und das Spiel ging in die nächste Runde.
 


 

Time Changed Everything – Ende
 

Fortsetzung folgt...



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Von:  Roxi_13
2016-09-11T21:09:13+00:00 11.09.2016 23:09
Ohh wie süß <3
Ich Krieg mich kaum noch ein.
Tom kann ja so goldig sein.
Und dann noch die Umarmung ..... <3 <3 <3 <3
Von:  HerzZehn
2014-03-07T14:03:55+00:00 07.03.2014 15:03
Es ist nicht so, als dass Ron auf einmal sympathisch geworden wäre. Aber zumindest kann man ihn nun besser verstehen und Hermine auch. Ron als Schwarzmagier. Das kommt zwar plötzlich, aber tatsächlich ist es nicht wirklich überraschend. Es erklärt viel und ein bisschen tut er mir schon Leid. Was ich nicht gedacht hätte. Viele Figuren von dir, die man am Anfang hasst, bekommen irgendwann noch die Kurve. Ich bin gespannt, ob das Ron auch schafft. Wieder eine sehr beeindruckende Wendung, es macht Spaß, sowas zu lesen!! :)
Von:  HerzZehn
2014-03-06T08:08:21+00:00 06.03.2014 09:08
Waaah >w< Eigentlich bin ich niemand, der so ein Fangirlgekreisch macht, aber hier ist das meiner Meinung nach durchaus angebracht!!! Die Szene zwischen Tom und Harry sind soo süß! Sie sind immer total geladen vor Anspannung. Es gab ja schon einige von ihnen, trotzdem hast du es bis jetzt durchgezogen, dass sie sich nicht mal geküsst haben, obwohl man die ganze Zeit darauf wartet. Das finde ich ziemlich gut von dir gemacht. Obwohl sie sich anziehend finden, ist der Prozess des Näherkommens zwischen ihnen ein sehr langsamer und vorsichtiger, so wird nicht wie in vielen anderen FFs schon nach wenigen Kapiteln die Erwartungen der Fans erfüllt. Das machst du ziemlich gut.
Dennoch: hoffentlich findet er bald heraus, was seine Lieblingsblume ist!!!

Das mit Neville und dem Tagebuch scheint ja noch interessant zu werden. Auch wenn es etwas dumm von Neville ist, in so ein Ding zu schreiben. Ich bin sehr gespannt, wie sich das noch entwickelt!
Von:  HerzZehn
2014-03-04T22:18:06+00:00 04.03.2014 23:18
Ich war nie ein Fan von dem Paar Hermoine und Draco muss ich sagen. Allerdings wirkt es hier schon ziemlich interessant. Mir tun beide Leid. Ich hoffe für sie, dass Draco Pansy in den Wind schießt (auch wenn sie nichts dafür kann). Außerdem bin ich gespannt, wie ihr gemeinsamer privater Zaubertrankunterricht nun aussieht!
Von:  HerzZehn
2014-03-04T07:38:13+00:00 04.03.2014 08:38
Wahnsinn :) dieses Kapitel enthält meiner Meinung nach die bisher beste Szene zwischen Harry und Tom. Ich mag es, wenn Tom so liebevoll ist. Am Anfang kam mir das immer seltsam vor, aber inzwischen passt es zu ihm. Vieles, was am Anfang komisch erschien, ist nun inzwischen glaubwürdiger und authentischer durch alles, was man bisher erfahren hat. Das gefällt mir sehr gut. Ich bin außerdem gespannt, wer Hermoines Herz geklaut hat und wie es mit Neville und dem Tagebuch weiter geht.
Von:  HerzZehn
2014-03-03T08:59:15+00:00 03.03.2014 09:59
Ich mag Felice. Sie ist so klug und hat Charme. Sie und Regulus sind ein schönes Paar.
Ich hasse James und Lily. Immer mehr. Wie konnten sie das nur tun? Am Anfang war das irgendwie noch ok, weil sie noch leben, aber nun? Narcissa mag ich umso mehr.
Ich mag die sanfte Seite des dunklen Lords. Auch wenn es immer noch etwas seltsam ist, von ihr zu lesen, weil sie nicht ins Bild passt, was man von ihm hat. Trotzdem ist die Szene zwischen ihm und Harry eine der schönsten bisher.
Ich bin sehr gespannt, was es mit dem Geliebten der Zeit auf sich hat.

Von:  HerzZehn
2014-02-25T08:45:04+00:00 25.02.2014 09:45
Es wird immer verwirrender :D man weiß gar nicht, was man von den einzelnen Personen wie Dumbledore halten soll. Ich bin echt gespannt auf seine Erklärung und auch darauf, warum Lilly und James Harry abgegeben haben. So viele verschlungene Pfade!! Ob Harry zurück zu seiner Familie geht?
Ich glaube ja, dass Dumbledore ein bisschen verrückt ist.
Es ist sehr spannend, dauernd festzustellen, dass man nicht wirklich weiß, was gut und böse, was richtig und falsch ist.
Antwort von:  Riafya
26.02.2014 15:47
Auch hier vielen Dank für deine ganzen Kommentare!! *freu*
Es freut mich, dass dich auch diese FF zu fesseln scheint.
Dass man nicht weiß, was gut und böse und richtig und falsch ist, wird mir oft hierzu gesagt und ich gebe zu, dass es vollkommen beabsichtigt ist. Ich persönlich bin der Ansicht, dass es gefährlich ist, allzu schnell in Schwarz und Weiß zu denken, auch wenn es das Leben sicherlich um einiges einfacher macht.
Ich wünsche dir noch viel Spaß beim Weiterlesen (wenn du weiterliest XD) und danke, dass du mich hast an deiner Meinung teilhaben lassen!!! *knuff*
Liebe Grüße, Ria
Von:  HerzZehn
2014-02-24T15:22:19+00:00 24.02.2014 16:22
Wahrscheinlich ist das eine dumme Frage, aber hast du die Abläufe der Geschehnisse geändert? Er war grad im fünften Schuljahr, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, das Trimagische Turnier war in diesem Jahr und jetzt kommt erst die Quidditch-Weltmeisterschaft. Das ist etwas verwirrend :D
Interessant, in welchem Verhältnis die Personen zueinander stehen. Ron gehört überhaupt nicht dazu und insgesamt scheinen sich die verschiedenen Häuser besser zu verstehen. Spannend ist auch deine Version der Schwarz- und Weißmagier. Warum stellt sich Dumbledore dagegen, sie gleichberechtig zu haben? Und Voldemort kämpft für die Gleichberechtigung. Verkehrte Welt.
Von:  HerzZehn
2014-02-24T09:36:53+00:00 24.02.2014 10:36
Ein bisschen merkwürdig ist es schon. Harry mag Dumbledore nicht, Molly auch nicht, dafür aber Narcissa. Das spricht etwas gegen seine Natur, oder?
Remus tut mir Leid. Armer Kerl. Er wäre bestimmt ein guter Ersatzvater geworden. Interessant auf jeden Fall, wie sich alles entwickelt hat bisher!
Von:  HerzZehn
2014-02-24T09:23:08+00:00 24.02.2014 10:23
Seehr interessant :D meine Schwester hat mir von diesem FF erzählt. Ich habe gehofft, dass die Geschichte, wie Foodsteps in the Rain, in einem Paralleluniversum spielt und deine Idee, dass Neville der auserwählte ist und nicht Harry, ist unglaublich spannend. Zumal man sich ja im fünften Buch tatsächlich Gedanken darüber macht, was wäre wenn. Tolle Idee, echt. Ich bin gespannt, wie es weiter geht!


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