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Alles, was du willst

Ein ganz normaler Männerhaushalt [Kanda x Lavi]
von

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Prolog: Mein Leben ist vorbei

Leicht überarbeit. Die anderen Kapitel werden auch noch in die Mangel genommen.

Mir gefällt der Prolog sowieso nicht. xD
 

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Sonnenschein. Vogelgezwitscher. Schönes Wetter. Der Anschein von Ruhe und Frieden. Und die Erkenntnis, dass mein Leben ab heute so gut wie vorüber ist.

Ein verdammt beschissener Tag!
 

Ich könnte mich köpfen für diesen Mist, auf den ich mich gestern Abend eingelassen habe! Wie konnte ich nur so dumm sein und mit dem Wetteinsatz so weit gehen?! Aber wer ahnt schon, dass ich verliere? Ich meine, ich, Kanda Yū, der jeder Herausforderung gewachsen ist! Ja, verdammt, selbst beim Pokern! Doch ich habe nicht damit gerechnet, dass dieser Kerl so ein undurchschaubares Pokerface aufsetzen kann, sodass es mir gestern schier unmöglich war, auch nur irgendetwas aus ihm herauszukriegen... Und dann dieses ekelhafte Grinsen in seiner Fresse, als ich meine Karten aufgedeckt habe und er sofort gewusst hat, dass er gewinnt... Ich hasse es! Und als dieses scheiß Grinsen noch viel breiter und ekelhafter wurde, als ich meine Niederlage realisiert habe und im selben Moment mein imaginäres Testament machte... Am liebsten würde ich es ihm aus seiner gottverdammten Visage prügeln! Und als er mich mit diesem widerwärtigen, triumphierenden Blick ansah, während er sich mit der Hand durch seine nichtvorhandene Frisur fuhr... und zu allem Übel auch noch sowas sagte wie:

„Tja, Yū-chan... Das nenne ich mal ‚scheiße gelaufen‘!“

...ab da wusste ich, mein Leben ist vorbei.

Und weil bei dieser gottverdammten Wette Stolz, Ehre und jeglicher Beweis innerer Männlichkeit auf dem Spiel steht, so wie es Wetten unter Männern nun einmal an sich haben, blieb mir nichts anderes erspart, als das dumme Spielchen, das er sich da ausgedacht hat, mitzumachen...

Ab heute - eine ganze Woche lang -, sieben unerträglich lange, grauenhafte Tage, in denen ich meine Seele an diesen Baka verkaufe, dem höchstwahrscheinlich haufenweise mieser Ideen kommen werden, mich zu demütigen... mir das Leben, das ja in dieser Zeit eigentlich kein Leben ist, zur Hölle zu machen...
 

Eine Woche lang werde ich, Kanda Yū, Lavis Sklave sein!
 

Wenn das alles vorüber ist, bringe ich ihn um... keinen Zweifel!
 


 

- 【Der Anfang vom Ende】 -
 

1. Befehl: Lass mich bei dir wohnen!

Auch überarbeitet. Dabei fiel mir auf, wie verdammt 'fangirlish' diese FF doch ist... uargh. x __ x
 

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[Tag 1: Montag, 13. August 2009, 07:23Uhr - Ein verabscheuungswürdiger Tag]
 

Er hasste Sonnenschein. Er hasste Vogelgezwitscher. Er hasste schönes Wetter. Er hasste den Anschein von Ruhe und Frieden. Und er hasste die Erkenntnis, dass sein Leben ab heute so gut wie vorbei war.
 

Es war mal wieder einer dieser Tage, die von Grund auf verabscheut gehörten. Zumindest war das der erste Gedanke, der Kanda Yū in den Sinn kam, als er einen Blick aus dem Fenster warf und ekelhaft frische Morgenluft einatmete, die absolut nichts an seinem Problem änderte. Mürrisch stampfte er in die Küche und startete seine verzweifelte Jagd auf irgendetwas Essbares, wobei der Erfolg gänzlich ausblieb. Er hatte ja ahnen können, dass das nicht gut gehen konnte. Seine Eltern waren für eine Woche in Urlaub gefahren, und weil er keinen Bock auf so einen überflüssigen Mist hatte, hatte er darauf bestanden, hier zu bleiben - schließlich hatte er Ferien und demnach rein theoretisch genug Zeit, den Haushalt die wenigen Wochen über alleine zu schmeißen. Tja, Kandalein, falsch gedacht. So einfach ist das nun auch wieder nicht.

Jetzt stand er hier, der zweite Tag allein zu Haus, weder eingekauft noch die Pflanzen gegossen noch die Wäsche gewaschen noch sonst irgendwas gemacht, was er eigentlich schon gestern hätte tun sollen. Männerhaushalte waren prinzipiell dem Untergang geweiht, ja verdammt, und er machte diesem blöden Klischee auch noch alle Ehre. Es war definitiv einer dieser verabscheuungswürdigen Tage.
 

Gerade wollte Kanda eine unbeholfene Suche nach dem Toaster starten, als es auf einmal an der Tür klingelte. Was zur...? Um diese Uhrzeit? Was sollte das eigentlich?

Die Person, die gerade geklingelt hatte, konnte von Glück sagen, dass er rein zufällig so früh aufgestanden war. Nun ja, was heißt ‚von Glück‘? Wenn es nicht gerade der Briefträger oder Ähnliches war, würde er dem Betroffenen gehörig die Meinung geigen. Um eine solche Uhrzeit zu erscheinen, grenzte ja beinahe schon an Ruhestörung.

Genervt lief Kanda zur Haustür und warf einen Blick durch das Guckloch... und eigentlich... ja, eigentlich hätte er schon fast damit rechnen können, wer auf der anderen Seite stand. Und trotzdem kam es unerwartet genug, um sein Blut vor Wut zum Brodeln zu bringen.

Nach kurzem Zögern umfasste er den Griff, riss die Tür buchstäblich auf und keifte sein Gegenüber hemmungslos an:

„Was zur Hölle willst du hier?! Weißt du eigentlich, wie spät es ist? Normale Menschen schlafen um so eine Uhrzeit noch!“

Und statt geschockt über diesen alles andere als freundlichen Empfang zu sein, stand das Opfer - wie erwartet - einfach nur unbekümmert da und setzte sein altbekanntes Grinsen auf, wegen dessen Kanda es schon mehr als nur einmal liebend gern einen Kopf kürzer gemacht hätte.

„Ach Yū-chan, jetzt reg dich nicht so künstlich auf. Hast du etwa unsere kleine Wette vergessen?“ Die Augenbrauen des anderen verkrampften sich.

„Natürlich nicht“, zischte er sofort, „Aber das gibt dir trotzdem nicht das Recht, um halb acht Uhr morgens vor meiner Haustür zu stehen!“

„So?“ Lavi schaute an Yū vorbei in den Flur. „Sind deine Eltern nicht da?“

„Kann dir doch egal sein.“

„...hast du die Wette vergess- “

Seufzend rollte Kanda die Augen. „Jaja, ist ja gut, verdammt! Sie sind seit vorgestern im Urlaub. Für eine Woche oder so.“

„Was, 'ne ganze Woche?!“ Lavi riss die Augen auf. „Oah, dann hast du ja sozusagen sturmfrei!“

Grinsend legte er beide Hände auf Yūs Schultern und schien sich über die errungene Information beinahe so zu freuen, als seien es seine eigenen Eltern, die vor zwei Tagen weggefahren waren. Sofort wich Kanda einen Schritt zurück und sah sein Gegenüber unter schmalen Augen an.

„Ja, und? Hat dich doch nicht zu kümmern. Und jetzt verschwinde, ich hab‘ noch genug zu tun.“

Ohne auf eine Antwort zu warten, trat Kanda einen weiteren Schritt zurück und war im Begriff, die Tür hinter sich zu schließen. Doch Lavi war schneller, indem er seinen Fuß in die Nische schob und Yūs Vorhaben verhinderte.

„Hey, jetzt schließ mich nicht einfach aus! Du weißt doch, Yū-chan... sieben Tage! Die Wette ist ab heute gültig!“

„Na und? Ich scheiß‘ drauf! Such dir irgendwelche anderen sieben Tage aus, momentan hab‘ ich nämlich keine Zeit für so einen kindischen Mist!“

Lavi stemmte seinen gesamten Körper gegen die Tür, doch Kanda sah gar nicht ein, einfach nachzugeben.

„Hattest du nicht gesagt, du nimmst die Wette an? Das war eine Art Versprechen und Versprechen sollte man halten! Oder willst du etwa den Schwanz einziehen?“

Lavi kannte ihn schon sehr lange, um genau zu sein, schon seit ihrer Flegeljahre, weshalb er genau wusste, wie man seinen Kumpel provozieren konnte. Und vor allem der letzte Satz hatte eine gehörige Wirkung getan; mit einem Mal ließ Kanda den Türgriff los und Lavi stolperte in den Flur hinein. Genervt seufzend griff sich Yū an die Schläfen.

„...Na schön. Aber wehe, du kommst mir in die Quere!“
 

Lavi nickte triumphal grinsend, lief mit Yū ins Wohnzimmer und sah sich aufmerksam um.

„Was musst du denn alles machen?“

„Aufräumen. Einkaufen. Mich um die Pflanzen und so einen Mist kümmern. Bügeln, Wäsche waschen, der ganze Scheiß halt.“

„Also zwölf Tage Überlebenstraining?“

„Irgendwie sowas, ja...“

Lavi kratzte sich am Hinterkopf.

„Hm... du kannst sowas doch überhaupt nicht.“

„Ja, ach! Du doch genauso wenig!“

„Ich weiß.“

Grinsend fuhr er sich durchs strubblige Haar.

„Aber ich könnte dir ja trotzdem helfen... Alleine überlebst du nicht mal drei Tage!“

Sofort verwarf Kanda den Vorschlag:

„Che, vergiss es. Ich brauch deine Hilfe nicht!“

Doch damit kam er nicht so einfach durch. Schließlich hatte Lavi ein Druckmittel, das sich gewaschen hatte:

„Dann befehle ich dir halt, dir helfen zu dürfen...“

„W-was?!“ Kandas Augen weiteten sich. „Du hast gar nicht das Recht, mir irgendwas zu befe- ... Ach... verdammt.“

Die Erkenntnis, dass diese gottverdammte Wette genau hier und jetzt gültig war, traf ihn wie einen festen Schlag mitten ins Gesicht. Als sie das Abkommen gemacht hatten, war Yū sich nicht wirklich im Klaren gewesen, auf was er sich in Wahrheit eingelassen hatte. Und jetzt bekam er es von heute auf morgen knallhart und skrupellos zu spüren... Nein, wirklich, wie hatte er nur so verdammt dumm sein können?!

„Tja... Hey, aber du kannst dich glücklich schätzen. Schau, was für ein netter Meister ich bin, ich helfe dir sogar beim Haushalt!“

„...sag nie wieder ‚Meister‘!“

Kandas Augen funkelten erzürnt. So ein dämliches Rollenspiel hatte ihm gerade noch gefehlt. Lavi legte ihm breit grinsend einen Arm um die Schulter und sah ihn stichelnd an.

„Du hast mir überhaupt nichts zu befehlen, Sklave...“

Okay... das-war-zu-viel. Eindeutig... zu viel!

„Hör verdammt nochmal auf mit diesem Quatsch!“, äußerte er sich lautstark und befreite sich aus Lavis ‚halb Umarmung, halb Schwitzkasten‘. Aufgebracht stampfte er durchs Wohnzimmer, griff aus lauter Verzweiflung nach einer Gießkanne und drückte sie Lavi fordernd in die Hand.

„Hier. Du wolltest mir helfen? Gut, dann gieß Blumen oder sowas. Ist mir egal, aber stör mich nicht!“

Lavis einstiges freches Grinsen verwandelte sich in ein warmes, beängstigend freundliches Lächeln.

„Ach, Yū-chan, du bist so niedlich, wenn du dich aufregst!“

„Halts Maul!“
 

Der Abend brach herein und die Sonne war bereits am Horizont verschwunden - genauso wie Kandas Nerven, die - im Gegensatz zur Sonne - auch nicht mehr so schnell wieder aufkreuzen würden. Interessanter Weise war dies aber nicht Lavis Verschulden gewesen. Dieser hatte es tatsächlich den gesamten Tag über geschafft, Yū mit dem dämlichen Rollenspiel und den überflüssigen Befehlen in Ruhe zu lassen und ihm stattdessen mit allen Wegen und Mitteln bei seinen Pflichten zu helfen. Doch dass gerade mal ein einziger Tag in einem Haushalt, der unter Vorrats- Sauberkeits-, Wäsche- und - vor allem - Kochkenntnismangel litt, derartig anstrengend sein konnte, hätten beide nie für möglich gehalten. Jetzt erst wurde ihnen wirklich bewusst, wie wertvoll Eltern und deren Dienstleistungen doch waren...
 

Gerade fochten Lavi und Kanda einen unverwechselbaren Kampf mit der Beschreibung einer Bolognesesauce aus, die auf der Rückseite der Verpackung stand, wobei bisher noch niemand als klarer Sieger hervorgegangen war.

„Da stand doch, sieben Minuten kochen, dann rühren, aber die ist viel zu dickflüssig!“

„Ja, ich seh’s doch, kann ich was daran ändern?!“

„Du hast bestimmt vergessen, die doppelte Menge Wasser rein zu machen.“

„W-was... Doppelte Menge?“

„Yū, hast du das etwa vergessen? Wir kochen doch für zwei, nicht für einen!“

„Ja, aber in der Beschreibung stand nur zweihundertfünfzig Milliliter!“

„Die Beschreibung ist ja auch für nur eine Portion gedacht.“

„Che, erwartest du etwa, dass ich so weit denke?! Wir haben Ferien, verdammt!“

„Dann schütten wir es halt nachträglich rein, das wird schon irgendwie funktionieren.“

„Dann wird sie bestimmt zu dünn!“

„Besser als zu dick.“

„Finde ich nicht.“

„Ach, egal! Kümmer dich lieber mal um die Nudeln, die kochen gleich über!“

„Ach, scheiße, verdammt!“
 

Die Bolognesesaucebeschreibung nach einem halbstündigen Kampf endgültig besiegt und das Resultat bereits ohne Gnade verschlungen, saßen die beiden jungen Männer nun demotiviert am Tisch und starrten auf das benutzte Geschirr.

„Ich will das jetzt nicht abwaschen.“

„Seh‘ ich etwa so aus?“

„Stellen wir es einfach in die Spüle und machen es morgen.“

„Wir werden es morgen auch nicht machen.“

„Dann halt übermorgen.“

„...dann häuft sich immer mehr an und wir haben noch weniger Bock drauf!“

Spätestens jetzt ließ sich für das Klischee eine unabdingbare Gleichung aufstellen:

Männer + Haushalt = no way!
 

Und als ob Kanda es nicht schon hätte erahnen können, würde Lavi die Wette, die sie abgeschlossen hatten, nicht so einfach wieder vergessen. Die ganze Zeit über war - zumindest diesbezüglich - alles einwandfrei und ohne einen nötigen Wutausbruch wegen stumpfsinniger Bemerkungen oder Befehlen verlaufen... bis jetzt.

„Yū-chan?“

„Gewöhn dir doch endlich mal ab, mich so zu nennen!“

„Sorry, das wird nie passieren.“ Grinsend stützte er den Ellbogen auf den Tisch und das Gesicht in die flache Hand. „Sag mal... es wäre doch total aufwändig, wenn ich abends immer gehen und vormittags wiederkommen würde.“

„Wer hat je gesagt, dass du wiederkommst?!“

Nur weil seine Eltern nicht da waren, gab das Lavi noch lange nicht das Recht, sich jeden Tag aufs Neue selbst bei ihm einzuladen.

„Ach komm, ohne mich wärst du total aufgeschmissen.“

Mit dir bin ich noch viel aufgeschmissener!“

„Jaja, stimmt vielleicht, aber jetzt lass mich mal ausreden.“ Lavi machte eine kurze Pause, schien zu überlegen, dann sprach er weiter: „Es wäre doch viel praktischer, wenn ich die Zeit über, in der deine Eltern nicht da sind, einfach hier bleiben würde... Dann könnte ich dir auch immer helfen!“

B-bitte was?! Lavi, dieser verrückte, nervige - wie sich heute teils auch bewiesen hatte -, unfähige Kerl möchte sich bei ihm, Kanda Yū, einfach so für eine Woche einquartieren?! Was für eine hirnrissige Idee war ihm denn da entsprungen?!

„Che, vergiss es! Ich lass dich doch nicht einfach so bei mir wohnen, du spinnst wohl!“

Mit einem typisch schelmischen Grinsen auf den Lippen packte Lavi all seine Geschütze aus und brachte damit zugleich Kandas Geduldsfaden in einen kritischen, reißgefährdeten Zustand.

„Wie war das, Yū? Sieben Tage... hast du dich mir nicht zu widersetzen...?“

Verdammt... Dieser hinterlistige Mistkerl! Anscheinend ging er äußerst sparsam mit seinen Befehlen um, damit sie, wenn er sich mal dazu entschloss, sie zu nutzen, ihre dreifache Wirkung taten.

„Sowas kannst du mir nicht befehlen, bist du bescheuert?!“

„Nein, ich gehe nur unserem Abkommen von gestern nach. Außerdem kann ich dich mit der Wette nur dazu auffordern, mich sieben Tage bei dir wohnen zu lassen. So lang ist das doch gar nicht.“

Vollkommen überzeugt von seinen eigenen Überredungskünsten, setzte er ein selbstbewusstes Lächeln auf, das eigentlich nur so viel sagen konnte wie ,Gib’s auf, du hast sowieso schon verloren!‘. Nein. Jetzt war Kanda sich endgültig sicher, dass es sich hierbei um einen verdammt verabscheuungswürdigen Tag handelte.

„Du verdammter...“

„Du kannst nicht ‚nein‘ sagen. Das befehle ich dir!“

Seine Augenbrauen begannen bereits bedrohlich zu zucken, während das Blut in seiner Halsschlagader wild gegen die Haut pochte... Fuck. Lavi hatte Recht. Er konnte nicht ‚nein‘ sagen. Ihm blieb überhaupt nichts anderes übrig, als diese unbarmherzige Grausamkeit widerstandslos zuzulassen. Wie er ihn hasste... Wie sehr er diesen scheiß Tag doch hasste!

Schließlich rang er sich widerwillig zu den Worten, die ihn mit einem kräftigen Tritt in den tiefsten Abgrund der Hölle befördern würden:
 

„Na schön... Aber nur sieben Tage, keine Sekunde länger!“

„Ay ay, Sir!“
 

Der Untergang stand bevor. Der Untergang namens Lavi, in viel zu greifbarer Nähe, und bald, ja, sehr bald, würde er in seinem eigenen Haus binnen drei Tagen, wenn nicht sogar noch früher, in den endgültigen Wahnsinn getrieben werden. Zumindest würde er - so hoffte er jedenfalls - nachts seine Ruhe vor dem wandelnden Nervenkiller finden. Er hatte ihn ins Wohnzimmer auf die Couch verbannt. Immerhin war Lavi nicht so weit gegangen, ihm zu befehlen, in seinem Bett schlafen zu dürfen - das wäre ja die Höhe gewesen! Außerdem gab es an der Couch nichts auszusetzen, da man sie aufklappen und zu einem ziemlich großen Bett umtransformieren konnte. So weit so gut...
 

Noch eine ganze Weile lag Kanda schlaflos in seinem Zimmer und verfluchte sich im Geiste weiterhin dafür, sich auf diese vermaledeite Wette eingelassen zu haben. Doch nun gab es kein Zurück mehr. Noch sechs weitere, viel zu lange, unerträglich nervige Tage mit Quatschkopf Lavi unter einem Dach. Er hasste es jetzt schon.
 

Aber eigentlich... ja, eigentlich musste er sich, wenn auch widerwillig, eingestehen, dass der heutige Tag, so nervenraubend, unfähigkeitsbestätigend und anstrengend er auch immer gewesen war, Spaß gemacht hatte. Natürlich nicht viel, sondern nur ein bisschen!

Ein ganz kleines bisschen...
 

1. Befehl: Erfüllt!

2. Befehl: Offenbar mir deine Geheimnisse!

So, auch ein bisschen überarbeitet.^^ Ist auch 'ne gute Gelegenheit, die ganzen ellenlangen Vor- und Nachwörter verschwinden zu lassen *g*.
 

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[Tag 2: Dienstag, 14. August 2009, 06:52Uhr - Der absolute Fail-Tag]
 

Nach dem am gestrigen Tag stattgefundenen Chaos hatte er sich eigentlich vorgenommen, heute ein wenig länger zu schlafen, um den heutigen ein klitzekleines bisschen erträglicher zu gestalten. Theorie so weit so gut, doch sah es mit der Praxis leider ein wenig anders aus...
 

„Yū-chan! Aufstehen!“

Der neu errungene Alltag begann ein zweites Mal, nervenabtötende Formen und Farben (und Klänge) anzunehmen. Die Form war ein verdammt bekanntes, grinsendes Gesicht, die Farbe war Feuerrot und der Klang würde seine Ohren noch vor ihm in Rente gehen lassen, wenn nicht, verdammt noch mal, endlich eine Fernbedienung erfunden werden würde, mit der man ihn abschalten konnte. Noch viel schlimmer als die genannten Dinge war allerdings die Tatsache, dass besagte Farben, Formen und Klänge allesamt mit einer einzigen Person fusioniert waren, die sich penetranter Weise über ihn gebeugt hatte und ihn an seinem wohlverdienten Schlaf hinderte.

„Lass mich in Ruhe, verdammt!“, raunte Kanda, schlug die Lider zu und legte sich auf die Seite, obwohl ihm bewusst war, dass solche Gesten nicht ausreichten, um Quatschkopf Lavi effizient abzuwimmeln. Nein, definitiv nicht; wahrscheinlich hatte er gerade alles noch viel schlimmer gemacht.

„Sei nicht so stur, du hast schon lange genug geschlafen!“, quängelte Lavi und meinte sich die Frechheit nehmen zu dürfen, einfach auf Kandas Bett zu klettern und sich über ihn zu knien. Erschrocken über das plötzliche Gewicht, mit der die Matratze belastet wurde, riss Yū die Augen auf und drehte sich auf den Rücken.

„Was zur Hölle soll das?! Geh von meinem Be-...von mir runter!“

Nein, seine Wut derart zum Ausdruck zu bringen, hatte wenig Sinn. Gerade das war es nämlich, was Lavi solchen Spaß bereitete und ihn dazu antrieb, seine Schandtaten fortzuführen.

„Ich bin hier der, der die Befehle erteilt, schon vergessen?“

Um das Übel vollkommen zu machen, beugte er sich noch weiter zu Kandas Gesicht und piekte ihm mit einem frechen Grinsen in die Wange.

Das Schicksal war ein verdammter Mistkerl und die diesjährigen Sommerferien waren dessen kleiner Bruder. Anders konnte er sich sein Pech einfach nicht erklären.

„Du verdammter...“

Blitzschnell ergriff er Lavis Handgelenk und holte nach einem Tritt aus, doch der andere war schneller, konnte sich losreißen und aufspringen, bevor es zu spät war. Lässig verschränkte er die Arme hinter seinem roten Schopf und sagte: „Du bist echt knuffig, Yū-chan!“

Allein für diese Bemerkung hätte Kanda ihm liebend gern den Hals umgedreht, doch fehlten ihm dazu einfach die Nerven, woran Lavi nicht ganz unschuldig war. Stattdessen riss er voller Elan die Decke vom Leib, setzte sich auf die Bettkante und starrte sein Gegenüber finster an.

„Warum bist du schon so früh wach?! Wir haben Ferien!“

„Naja... Ich kann in unbekannter Umgebung nun mal nicht gut schlafen, da wach ich immer so früh auf.“

„Dann geh doch nach Hause“, warf Kanda ein, während er aufstand und die Arme vor der Brust verschränkte. Lavi tapste seinem Kumpel hinterher, welcher mürrisch in Richtung Küche stampfte.

„Ich könnte niemals verantworten, meinen Sklaven einfach allein zu lassen“, neckte er ihn, und bei dem Wort ‚Sklave‘ richteten sich bei Yū jegliche Nackenhaare auf.

„Red keinen Mist.“
 

Der heutige Morgen hatte noch eine Spur beschissener begonnen als der gestrige, was Kanda bis vor wenigen Minuten nicht für möglich gehalten hatte, doch Wunder geschehen nun mal - zumindest die schlechten.

Noch immer schlaftrunken, setzte Kanda seinen Weg fort, blieb planlos vor dem Kühlschrank stehen, öffnete ihn resigniert und erblickte die grausame Wahrheit, die aus nichtvorhandenen Dingen, die eigentlich vorhanden sein sollten, bestand.

„Warst du gestern nicht einkaufen?“, fragte er, und Lavi horchte aufmerksam auf.

„Ja, klar, aber halt nur für gestern. Hätte ich denn mehr einkaufen sollen?“

...von wegen ‚beim Haushalt behilflich sein‘. Die Tatsache, dass er ein verdammt schlechter Hausmann war, konnte er nicht bestreiten, doch dass es tatsächlich jemanden gab, der noch unfähiger war als er in persona, hätte er nun wirklich nicht in Erwägung gezogen.

„Du Idiot! Wenn man Nahrungsmittel einkaufen geht, dann für mehrere Tage, alles andere ist doch totaler Schwachsinn!“

„Ja, ok, hab’s ja kapiert“, winkte Lavi ermüdet ab, „Dann geht halt einer von uns heute nochmal einkaufen, daran soll es ja nicht scheitern.“

„Wenn du gehst, wird es aber wieder scheitern... Ich mach das heute, sonst verhungern wir wegen dir noch!“

Schon mehrmals war Lavi die Idee gekommen, Kanda schlicht und einfach sein dämliches Herumgefluche zu verbieten, doch da er sich sicher war, dass der andere diesem Befehl niemals in seinem oder irgendeinem anderen Leben nachkommen könnte, ließ er es bleiben. Außerdem waren seine individuellen emotionalen Ausbrüche ein Teil von ihm, zugegebenermaßen sogar ein ziemlich lustiger, gar niedlicher Teil, doch würde Lavi ihm das gestehen, wäre er definitiv um zwei Köpfe kürzer, wenn nicht sogar drei.
 

Ohne Frühstück und ein weiteres Wort machte sich Kanda auf in die unergründlichen Tiefen des Einkaufszentrums, während Lavi sich auf das noch immer nichtgemachte Couchbett niederließ und geistesabwesend ins Leere starrte.

Lavi allein zu Haus.

Nein, falsch.

Lavi allein in Kandas Elternhaus. Und verdammt, ohne den achtzehnjährigen Sohn war es totenstill und sterbenslangweilig, und das, obwohl er gerademal seit zehn läppischen Minuten alleine war. Was machte man(n) denn auch schon allein zu Haus? Vor allem in einem fremden Haus? Er hatte immerhin Sommerferien, die Ferien, auf die er das ganze Jahr lang sehnlichst gewartet hatte, und jetzt tat er auch nicht viel mehr als in der Schule - stumpf herumsitzen und geistesabwesend ins Leere starren. Viel lieber wollte er raus, die Wärme, die Sonne, das schöne Wetter, ja, ganz einfach die Tatsache, keine Schule zu haben, genießen, doch praktisch umsetzbar war das mit einem Kerl wie Yū eher weniger. Dieser mochte keine Menschenmassen, keine öffentlichen Veranstaltungen, geschweige denn Partys oder anderweitige Festlichkeiten; er wollte lediglich seine Ruhe haben und - wenn möglich - alleine sein. Dann war er glücklich. Also der ultimative Sommerferien-Fail!

Für einen kurzen Moment zog Lavi in Erwägung, für ein paar Minuten einfach allein nach draußen zu gehen und frische Luft zu inhalieren, doch da fiel ihm ein, dass Yū den Schlüssel dabei hatte - tja, Pech musste man(n) haben.

Seufzend stand er auf, stemmte die Hände in die Taille und musterte das Wohnzimmer. Irgendetwas musste es in diesem großen Haus doch zu tun geben! Und als er kurz, aber intensiv über diese Feststellung nachdachte, kam ihm tatsächlich ein Geistesblitz, der zwar nicht so erfreulich wie ersterer Einfall war, aber dennoch effizient gegen jegliche Langeweile vorging - aufräumen! Ja, das konnte ein so großes Haus wirklich vertragen; mit Sicherheit beherbergte es genug Ecken, die nur so darauf warteten, von ihm entstaubt zu werden. Er selbst war eigentlich ein ungemein unordentlicher Mensch, der sich in bombeneinschlagähnlichem Chaos wohl und geborgen fühlte, doch diese völlig banale Leidenschaft wollte er weder an Kanda noch an dessen vier Wänden auslassen.

Langer Gedankengang, etwas mehr als gar kein Sinn: Ran an die Arbeit!
 

Derweilen schob Yū einen noch immer völlig leeren Einkaufswagen vor sich herum und fragte sich, was für ein unbeschreiblich dämliches Bild er gerade abgäbe. Hoffentlich würde er niemandem begegnen, der ihn kannte - nein, sowas durfte einfach nicht passieren! Mit einem Mal wünschte er sich, doch Lavi zum Einkaufen geschickt zu haben, aber jetzt steckte er mittendrin, zwischen älteren Damen und schwangeren Hausfrauen bis hin zu alleinerziehenden Familienvätern - kurzum: In der ultimativen Hölle.

Demotiviert setzte er seinen ziellosen Weg fort und dachte darüber nach, was er heute überhaupt essen wollte. Und da, ganz plötzlich, wie aus dem Nichts, kam ihm eine Einleuchtung, wie er sie noch nie zuvor gehabt hatte... und einen kurzen Moment später hätte er sich am liebsten gegen die Stirn gehauen, um seinem Unverständnis, weshalb er nicht schon früher darauf gekommen war, den nötigen Ausdruck zu verleihen.

Kurzer Gedankengang, monströser Sinn: Auf ging’s zur Nudelabteilung...
 

Etwa eine Stunde später, nachdem Kanda erleuchtet worden war, war Lavi der selbstbewussten, aber verdienten Meinung, gut vorangekommen zu sein. Zu allererst hatte er sich das Bad vorgenommen, das zusammen mit der Küche am längsten zu säubern gedauert hatte, doch hätte er sich auch nie erträumen lassen, was man in einem optisch vollkommen makellosen Wohnzimmer alles an Ecken und Kanten auffinden konnte, in denen sich Staub abgesetzt hatte. Jetzt hatte er alles zu seiner nötigen Zufriedenheit erledigt... alles, bis auf ein Zimmer - Kandas Zimmer.

Durfte er da überhaupt rein, ohne mit diversen Mordplänen zu rechnen, sofern Kanda es rausbekäme? Wobei... jemand wie Yū hatte sowieso nichts, was er vor der Außenwelt verheimlichen wollte. Lavi zweifelte sogar an den ein oder anderen Pornoheftchen, die grundsätzlich so gut wie jeder nichthomosexuelle Mann unter seinem Bett versteckte, und das, obwohl Kanda seiner Meinung nach einen, an und für sich, eingefleischten Hetero abgab. Nun gut... diese dermaßen sinnlosen Gedankengänge hätte er sich auch sparen können. Mit Sicherheit war nichts Schlimmes dran, ohne die Erlaubnis seines Kumpels reinzugehen und ein wenig sauber zu machen. Und selbst wenn doch: Die Wette stand weiterhin. Wenn hier einer irgendjemandem etwas verbieten konnte, dann ja wohl er!
 

Lavi kannte Kandas Zimmer sehr gut - fast so gut, wie er ihn kannte. Doch bisher hatte er lediglich auf der Bettkante gesessen oder stumpf in der Mitte des Raumes herumgestanden; zum ‚genauer unter die Lupe nehmen‘ war es seit all den Jahren noch nie gekommen - bis jetzt. Mit einem Lappen in der rechten und einem Staubwedel in der linken Hand stürzte sich Lavi ins Gefecht und durfte beim oberflächlichen Putzen feststellen, dass dieses Zimmer von all denen, die er bisher in die Mangel genommen hatte, am saubersten war. Auf Kandas Sinn für Ordnung konnte man wahrlich neidisch sein (natürlich war er das nicht, weil er sich in bombeneinschlagähnlichem Chaos wohl und geborgen fühlte). Und sogar der winzig kleine Hoffnungsschimmer auf alte, vernachlässigte Playboy-Ausgaben unterm Bett wurde nicht erfüllt - alles, was er darunter fand, waren lediglich ein paar unbedeutende Staubkörner, die es der Rede nicht Wert waren. Mehr als ein großes Bett, ein fichtenhölzerner Kleiderschrank und ein Schreibtisch aus demselben Material befand sich auch gar nicht in dem geräumigen Zimmer, weshalb ihm nun nur noch letzteres Möbelstück übrigblieb. Da die Oberfläche bereits blitzeblank war, blieb ihm nichts weiter übrig, als sich den an der Seite angebrachten Schubladen zu widmen, in welchen sich ebenfalls stinknormale Dinge wie Kulis, anderweitige Stifte, Schreibblöcke und sonstige schultaugliche Sachen befanden... in allen Schubladen, bis auf der untersten.
 

Während Lavi einem beflügelndem Zimmergeheimnis auf die Schliche kam, schleppte Kanda zwei bis zum Rand vollgestopfte Einkaufstüten nach Hause, war genervt, weil er in einer überdimensional langen Warteschlange an der Kasse hatte anstehen, sich nerviges Kleinkindgekreische hatte antun müssen und sich hinzukommend fast einen Bruch an dem ganzen Kram hob, den er gerade trug. Allerdings verspürte er auch eine gewisse Vorfreude auf den ganzen Kram, den er gerade trug, wenn dieser gekocht und fertig zubereitet war. Und auf einmal schoss ihm in den Sinn, dass Lavi gerade alleine bei ihm zu Hause war. Hoffentlich hatte dieser dumme Hase nichts angestellt! Wenn er Glück hatte, hatte er sich wegen mangelnder Aufmerksamkeit und aufkommender Langeweile endlich aus dem Staub gemacht und war wieder zurück nach Hause gegangen. Doch irgendwie mochte Kanda diese Prämisse stark bezweifeln.

Wie auch immer. Es war nur noch ein Katzensprung bis nach Hause, und die Tatsache, dass er heute noch keinen Bissen zu sich genommen hatte, trieb ihn dazu an, sich zusätzlich zu beeilen.
 

Die smaragdgrünen Augen standen weit offen und starrten auf das Fundstück, das rein zufällig in Lavis Hände geraten war. Und nein, es war kein Pornoheftchen! Nein, es war etwas völlig anderes... womit er niemals nie auch nur am vagesten gerechnet hatte. Es war...

...verdammt, hatte er da gerade Schritte gehört?!
 

Mühevoll hatte Kanda nach dem Schlüsselbund in seiner Hose gekramt, die Tür aufgeschlossen, die Tüten beim Eintreten in die nächstgelegene Ecke gepfeffert (was ihm gar nicht ähnlich sah - Kanda liebte die Ordnung und die Ordnung liebte ihn. Doch durch die anstrengende Einkaufstour lagen seine Nerven blanker denn je; er konnte das Zeug ja auch noch später an seinen rechtmäßigen Platz räumen) und nach Quatschkopf Lavi Ausschau gehalten, der sich weder im blitzblanken Wohnzimmer noch in der perfekt aufgeräumten Küche noch sonst irgendwo aufhielt, was dem anderen trotz der sich darbietenden Sauberkeit missfiel.

In seinem Zimmer hatte er noch nicht nachgesehen...
 

Hatte er sich das Geräusch etwa nur eingebildet? ...nein, natürlich nicht. Er hörte es wieder. Schritte, die immer lauter wurden und ihm näherkamen. Kanda sollte lieber nicht zu sehen bekommen, welch großen Fisch Lavi da aus der untersten Schublade geangelt hatte, sonst würde er total durchdrehen... oder... auch nicht? Eigentlich... ja, eigentlich war das, was er gefunden hatte, gar nicht so schlimm, weswegen er die Tatsache, dass er es gefunden hatte, vor seinem Kumpel verheimlichen müsste. Außerdem galt die Wette noch weitere sechs Tage, die in jeder noch so misslichen Situation sein letztes Ass im Ärmel war. Warum sich also vor der Wahrheit verstecken? Als er dann auch noch ein „Hey, Lavi, wo steckst du, verdammt?“ aus nächster Nähe vernahm, griff er sich imaginär ans Herz und gab ein „In deinem Zimmer, Yū-chan!“ als Antwort.

Ein freches, breites Lavigrinsen hatte sich auf seine Lippen gelegt.
 

Kandas Augen weiteten sich hasserfüllt. Tatsächlich, dieser Baka befand sich in seinem Zimmer... in seinem Zimmer! Schnellen Schrittes stampfte er in die Richtung, die er ohnehin hatte einschlagen wollen, kam vor der Tür an, riss diese auf und wünschte sich augenblicklich tot umzufallen, als er einen Blick in den Raum und anschließend auf den Gegenstand, der sich in Lavis Händen befand, warf. Doch zu seinem Leidwesen kam es nicht dazu.

„Schau mal, Yū-chan, was ich gefunden hab‘, als ich dabei war, dein Zimmer aufzuräumen!“ Zur Bewahrung jeglicher Unheilssteigerungen hielt Lavi den eingebundenen Gegenstand auch noch hoch und grinste sein Gegenüber verschmitzt an. Nein, verdammt, nein, warum, warum zur Hölle, er hätte alles finden können, wirklich alles, es wäre ihm egal gewesen, aber bitte nicht das!
 

Kandas Wangen begann ein sanfter Rotton zu umschmeicheln. Die Augen weit aufgerissen und die Iris glanzlos auf den Gegenstand gerichtet, stand er in der Tür, wollte etwas sagen, wollte schreien, sich aufregen, einen Aufstand machen, Lavi am Kragen packen und geradewegs aus dem Fenster schmeißen, doch war er zu keinem der wirren Einfälle, die wie grelle Blitze durch sein Nervensystem surrten, auch nur im Geringsten imstande.

Lavis Grinsen verschwand aus seinem Gesicht. War es vielleicht doch ein Fehler gewesen, Yū herzurufen? Eigentlich hatte er mit einem riesen Anschiss und einem anschließenden Rauswurf gerechnet, doch so betroffen hatte er seinen Freund nach all den vergangenen Jahren noch nie gesehen.

„Yū-chan, ist alles in Ordnung?“, fragte er vorsichtig, und irgendwie meinte er zu glauben, dass das Schweigen in Wahrheit eine langsam tickende Zeitbombe war, die jeden Moment die letzte Sekunde anschlagen und mit ihrer Explosion alles mit sich reißen würde.

„...Du... du verdammter... W-warum zur Hölle schnüffelst du in meinem Zimmer rum?!“, presste er mit Mühe heraus. Seine Augenbrauen hatten sich zusammengekrampft, wobei eine davon bedrohlich zu zucken begann. Es brauchte seine Zeit, ehe er seine Gedanken wieder geordnet und sich ein wenig gesammelt hatte.

„Sorry, Yū, ich hab‘ nur etwas aufgeräumt und naja... also... ich finde es toll, dass du es behalten hast! Ich hatte gedacht, du hättest es schon längst weggeschmissen oder in irgendeine staubige Kiste auf dem Dachboden verbannt!“

Seine überflüssigen Rechtfertigungen machten die Situation auch nicht gerade besser. Doch die Unfähigkeit, in den richtigen Momenten einfach mal die Klappe zu halten, war Lavis zweiter Vorname. Und trotzdem verging Kandas Wut langsam aber sicher allmählich. Natürlich bestand noch ein allgemeiner Grundzorn auf die Tatsache, dass sein Kumpel in seinem Zimmer herumgestöbert hatte, aber so peinlich war das, was er da ausgegraben hatte, nun auch wieder nicht. Also, eigentlich doch, aber Wert genug, sich großartig darüber aufzuregen, nicht.

„Jetzt pack das wieder weg und lass uns was zu essen machen, ich leide schon seit heute Morgen unter Nahrungsmangel!“, lenkte Yū ab und rollte entnervt die Augen. Lavi saß schweigend vor ihm. Nach längerem Zögern legte er den Grund für das ganze Spektakel - wenn auch ein wenig widerwillig - zurück in die Schublade und stand auf.

„Hmm, okay. Ich hab‘ auch Hunger, jetzt, wo du’s sagst.“
 

Jetzt war Lavi es, der die Augen aufriss und mit blankem Entsetzen auf Kandas kiloschwere Einkäufe starrte.

„Yū-chan... d-du... willst mir doch nicht etwa weiß machen, dass du nur Sobanudeln gekauft hast?!“

Kanda verschränkte die Arme vor der Brust und setzte mit einem kandatypischen „Che“ zur Antwort an:

„Natürlich nicht, ich hab‘ auch noch Getränke und sowas gekauft, ist doch logisch.“

„...du hast nur Soba gekauft. Hast du wirklich nicht noch irgendwas anderes Essbares mitgebracht?! Das ist doch alles dasselbe!“

„Dasselbe? Quatsch, da ist alles dabei. Zaru Soba, Tororo Soba, Kake Soba, Sinano So- “

“Das ist alles dasselbe!”, bemerkte Lavi geschockt, war im Moment einfach nicht fähig zu begreifen, was Yū angestellt hatte, und griff sich an die Schläfen.

„Das nächste Mal geh‘ ich wieder einkaufen, das ist ein Befehl!“ Er machte eine bedeutsame Pause. „Ach, und... ja, genau, ich befehle dir, in den nächsten sechs Tagen nie wieder irgendwas zu kaufen, in dem das Wort ‚Soba‘ drin enthalten ist!“

„W-was?!“ Eigentlich hätte er ja erahnen können, dass Lavi früher oder später seinen Wettgewinn zum Einsatz bringen würde. „Das ist mein Lieblingsessen, sowas kannst du mir nicht verbieten! Außerdem hab‘ ich so viel eingekauft, dass es locker für drei Tage langt... Wenigstens kaufe ich nicht nur für einen Tag ein!“

„Aber du kaufst für drei Tage ausschließlich dasselbe ein, das ist noch schlimmer!“

„Ich finde es praktisch.“

„Ich finde es eintönig und ungesund.“

„Soba sind nicht ungesund!“

„Wenn man sie jeden Tag isst, dann schon.“

Langsam wurde Kanda die Diskussion zu blöd.

„Wie auch immer, immerhin weiß ich, wie man die zubereitet, dann kann auch beim Kochen nichts schiefgehen. Wenn du was anderes essen willst, geh doch endlich nach Hause, dann reicht mein Einkauf sogar für sechs Tage! Wenn ich noch zusätzlich was anderes kaufe, bin ich ganz schnell pleite.“

Demonstrativ seufzend sank Lavi auf einen Stuhl und lehnte sich zurück. Und nachdem er sich endlich wieder entspannt und einen klaren Gedanken gefasst hatte, fiel ihm ein, dass es da noch eine weitere Sache gab, an der er seinen Wettgewinn benutzen konnte und wollte.

„Ach, Yū-chan? So niedliche Sachen wie die von vorhin sollst du mir nicht verheimlichen... Das ist ein Befehl.“

Wie vom Schlag getroffen, fuhr Kanda herum und blickte verwirrt in das grüne Augenpaar, das ihn voller Überzeugung ansah.

„...ich soll dir also nicht verheimlichen, sowas nicht wegzuschmeißen? Was für ein dämlicher Befehl ist das denn?“

„Naja, ich hatte ernsthaft geglaubt, du würdest es schon lange nicht mehr besitzen.“

Kanda wandte sich ab und überraschte den anderen mit einem völlig kandauntypischen Satz:

„Che, Idiot. Warum sollte ich es auch wegschmeißen? Wäre doch irgendwie... schade drum.“

Lavi musste lächeln.

„Yū-chan, du bist so nied- “

„Ich bin nicht niedlich, verdammt!“
 

Der Tag neigte sich dem Ende zu, die Mägen beider Schüler Querstrich Teilzeithausmänner waren bis zum Anschlag mit Sobanudeln gefüllt, Lavi hatte sich bereits schlafen gelegt und war der felsenfesten Überzeugung, diese Nacht von jeglichen Sorten, die das Sobauniversum zu bieten hatte, in seinen Träumen heimgesucht zu werden. Kanda war ebenso in seinem Zimmer, hatte sich aber noch nicht hingelegt. Stattdessen saß er an seinem Schreibtisch, die unterste Schublade offen, der Inhalt hervorgeholt. Leise aufseufzend blätterte er in diesem herum und mit einem Mal überkam ihn ein Gedanke, der doch tatsächlich die Macht besaß, ihm ein dezentes Lächeln auf die Lippen zu zaubern:
 

Und all das ganze Theater nur wegen eines kleinen, alten Fotoalbums, in dem alle Erlebnisse, die Lavi und er als Kinder zusammen bestritten hatten, festgehalten waren, und das Lavi ihm damals, nachdem er alle Bilder mit so viel Sorgfalt, wie es für einen Chaosphilen wie ihn nur möglich war, eingeklebt und ihm mit einem breiten Grinsen im Gesicht zum sechszehnten Geburtstag geschenkt hatte...
 

Wie lächerlich.

Wie lächerlich, in Erwägung zu ziehen, dass er es weggeschmissen hätte.

Was für ein dämlicher Idiot.
 

Ein dämlicher Idiot, den er furchtbar gern hatte.
 

2. Befehl: Erfüllt!

3. Befehl: Gib dem Kätzchen ein Zuhause!

Auch überarbeitet. Und nein, nicht jede Katze auf Erden ist gänzlich wasserscheu. ;) Viel Spaß~
 

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[Tag 3: Mittwoch, 15. August 2009, 06:29Uhr - Ein Geduldsfaden zum Reißen bringender Tag]
 

Die Gardinen waren nur halbherzig zugezogen worden. Ein hauchdünner Sonnenstrahl schlich sich wie ein listiger Dieb durch die schmale Lücke, die dummerweise direkt gegenüber des Couchbettes lag, hindurch in das Wohnzimmer, auf die Decke, auf das florentinerrote Haar, in die grünen Augen.

Lavi blinzelte schlaftrunken, streckte sich und setzte sich auf. Er konnte von Glück reden, dass er - anders als sein bester Freund - nicht zu den potenziellen Morgenmuffeln gehörte, denn ansonsten hätte er die Augenlider sofort wieder zugeschlagen und sich grummelnd auf die Seite gelegt. Aber weil Lavi der Meinung war, dass der wunderschöne, wärme- und lebensspendende Himmelsstern es nicht verdient hatte, derartig abgewiesen und verachtet zu werden, entschied er sich, um den Kontrast zu Kanda perfekt zu machen, aufzustehen und die Vorhänge ganz aufzuziehen.

Das Wohnzimmer wurde vollkommen in grelles Morgenlicht getränkt. Ein Blick auf die Uhr verriet Lavi ein weiteres Mal, dass es ihm unmöglich war, in fremder Umgebung lange zu schlafen - halb sieben. Und das auch noch in den Ferien. Sündhaft... aber viel dagegen tun konnte er auch nicht (außer sich aus Kandas Haus auszuquartieren, doch diese Freude gönnte er diesem mit Sicherheit nicht). Ein folgendes Magenknurren wies ihn darauf hin, dass er gestern Abend nichts weiter als dieses kalte, langweilige Nudelgericht, auf das Yū so fürchterlich scharf war, gegessen hatte. Das hatte nun wirklich nicht ausgereicht, um seine eigentlichen Essgewohnheiten zufriedenzustellen. In diesem Haus würde er sicherlich noch irgendetwas anderes Essbares vorfinden - was auch immer es sein mochte, es wäre ihm lieber als Soba.
 

Lavi tapste leise in Richtung Küche, in welcher er überraschenderweise noch jemand anderen außer sich selbst vorfand - Yū-chan. Am Esstisch. Und vor seiner Nase das Gericht, das Lavi regelrecht erschaudern ließ.

„...D-du sitzt hier... um halb sieben Uhr morgens... und isst... Soba-Nudeln. Mein Gott, was hast du für einen Saumagen?!“

Bei diesem Anblick vergaß Lavi doch glatt das für ihn übliche ‚Guten Morgen‘, aber etwas anderes fiel ihm im ersten Moment auch nicht zu sagen ein. Die Stäbchen in der Hand haltend und den Mund mit den kalten Nudeln gefüllt, sah Kanda auf und blickte sein Gegenüber teilnahmslos an. Nachdem er den Fraß heruntergeschluckt hatte, entgegnete er:

„Saumagen? Ich weiß nicht, wovon du redest.“

Als hätte er eine solche Antwort bereits erwartet, rollte der andere nur feststellend mit den Augen, lief zum Kühlschrank und kramte darin eine halbvolle Packung Toast hervor.

„Ist zwar mindestens genauso wenig nahrhaft, aber lieber ist es mir trotzdem“, meinte Lavi und schaute dabei mit einem beinahe herablassenden Blick auf die Soba, die auf dem Tisch standen. „Warum bist du überhaupt schon wach?“, fügte er noch hinzu, während er sein Frühstück in den Toaster warf.

„Um zu verhindern, dass du wieder eine deiner Weckaktionen startest. Hab‘ mir extra ‘nen Wecker gestellt.“

Ein Grinsen legte sich bei dem Gedanken an gestern Morgen auf Lavis Lippen.

„Ach, so schlimm war das nun auch wieder nicht. Kein Grund, paranoid zu werden.“

„...du hast dich auf mich gesetzt.“

„Ich hätte mich auch auf dich le-“

„Hättest! Dazu wird‘s niemals kommen!“, unterbrach Kanda ihn barsch, und in seinem müden Kopf machten sich hässliche Bilder von Szenerien, die hoffentlich auf ewig dämliche Hirngespinste bleiben würden, breit, die er dann aber sofort wieder verdrängte.

„Wenn ich die Worte ‚Ich befehle es dir‘ ausspreche, kann es zu allem Möglichen kommen“, widersprach Lavi und ergänzte seine beängstigende Bemerkung mit einem frechen Kichern, das den anderen nur angewidert dreinblicken ließ.

„Che, schlag dir das sofort wieder aus dem Kopf!“, meinte Kanda, allerdings mit einem Hauch Verzweiflung und dem Gedanken, dass Flehen und Betteln bei seinem neuen Mitbewohner herzlich wenig bringen würde.

Mit lautem Scheppern sprang Lavis Frühstück aus dem Toaster hervor und er fischte die beiden Brote mit Fingerspitzen heraus, um sie auf einen Teller zu legen.

„Autsch, heiß!“, reagierte er und schüttelte mit den Händen demonstrativ die Hitze ab.

„Selbst schuld“ war Kandas einziger Kommentar dazu. Ohne darauf zu antworten, setzte Lavi sich zu ihm an den Tisch. Sofort zog ihm wieder der - seines Erachtens nach - unangenehme Geruch der Sobanudelsuppe in die Nase, weshalb er diese abwertend rümpfte.

„Bis auf dieses... Zeug haben wir kaum noch was Essbares. Willst du mir das die nächsten zwei Tage über wirklich zumuten?“

In diesem Satz sah Yū eine erneute Chance, den anderen vom Gehen zu überzeugen.

„Ob ich dir das zumuten will, ist die eine Sache, ob du es willst, die andere. Wenn’s dich stört, dann geh doch einfach nach Hause!“

Lavi horchte auf, dann überlegte er kurz.

„...du hast Recht. Natürlich!“, gab er unterwartet von sich, und auf Yūs Gesicht zeichneten sich verblüffte sowie erfreute Züge.

„Wurde auch langsam mal Zeit, dass du das einsiehst!“, verlieh er seinem Gedanken Ausdruck, aber Lavi schüttelte den Kopf.

„Nein, das meinte ich nicht. Als ob ich dich alleine lassen würde, Yū-chan.“ Er lachte kurz und genoss den teils genervten, teils enttäuschten Blick seines Gegenübers. „Ich dachte, ich geh‘ mal schnell nach Hause und hol‘ ein wenig Geld, dann kann ich auch für mich selbst einkaufen. Und bei der Gelegenheit könnte ich meiner Ma auch gleich mal Bescheid sagen, dass ich bei dir bin und nicht mit sieben Messerstichen irgendwo tot im Dornenbusch rumliege.“

„Macht die sich keine Sorgen?“

„Ach was, seit ich achtzehn bin, sagt sie gar nichts mehr. Aber sicher ist sicher.“

Mit einem eher desinteressierten „Na dann“ widmete Kanda wieder seinen geliebten Zaru Soba, und die restliche Zeit, die beim Frühstücken verging, verlief schnell und schweigend.
 

„Bis gleich! Ach und: Ich befehle dir, mir aufzumachen, wenn ich wiederkomme!“, schloss Lavi das Gespräch ab, bevor er das Haus durch die Eingangstür verließ und Kanda mit der Aufforderung die letzte Idee, die ihn aus diesem Wahnsinn gerettet hätte, raubte.

Entnervt seufzend ließ sich Yū auf dem Couchbett nieder, das Lavi natürlich genauso belassen, wie er es verlassen hatte. Eine Sünde, mit einem solch ordnungsphoben Menschen befreundet zu sein, aber bis vor drei Tagen hatte Yū unter dieser erschreckenden Tatsache noch nicht wirklich leiden müssen. Gelangweilt starrte er auf den schwarzen Bildschirm des nicht angeschalteten Fernsehers, von dem er ohnehin noch nie Gebrauch gemacht hatte - er mochte Fernsehen nicht. Er war der Meinung, dass darin nur verrohender, verblödender Schwachsinn ausgestrahlt wird, von hirnamputierten Realityshows bis hin zu medienverseuchten Nachrichten, und auf diesen Dreck konnte er gekonnt verzichten (und hinzukommend auch noch Strom sparen).

Während er sich die Langeweile, die er vor Lavis Einzug noch mit angenehmer Ruhe assoziiert hatte, in allen Formen und Farben durch den Kopf gehen ließ, fiel ihm auf, dass die Wohnzimmercouch bereits den Geruch seines Kumpels angenommen hatte. Diesen kannte er nur zu gut - leicht süßlich, aber überhaupt nicht aufdringlich oder gar penetrant. Wie reife Himbeeren, nur noch einmal ein bisschen anders - undefinierbar. Eigentlich konnte er Süßes absolut nicht ausstehen, weder Geschmack noch Geruch, doch in dem Fall war es seltsamer Weise eine Ausnahme - er mochte Lavis Duft. Und er wusste nicht, warum. Ob es an der Gewohnheit oder etwas anderem lag, es würde ihm wohl auf ewig ein Rätsel bleiben.

Und als ihm bewusst wurde, über was für einen Mist er sich gerade Gedanken machte, schüttelte er den Kopf, verschwand sofort von Lavis Schlafstätte und brachte das Bett wieder in seine übliche Standardcouchform. Er hatte Unerledigtes noch nie leiden können.
 

Lavi war bereits zu Hause gewesen, hatte seiner Mutter von seiner noch vorhandenen Existenz wissen lassen, war nun mit einer prallgefüllten Tüte voll mit jeglichen essbaren Dingen, die nichts mit Nudeln, insbesondere Soba, zu tun hatten, auf dem Rückweg vom Einkaufszentrum und erfreute sich der Tatsache, dass er die nächsten Tage doch noch etwas Nahrhaftes zwischen die Zähne bekäme.

Allerdings kreuzten sich seine Wege mit einer gewissen Sache, die ihn einige Minuten aufhielt, ihm das Herz regelrecht zerriss, ihn zum Nachdenken, zum Zweifeln brachte, einen Entschluss fassen ließ und Kanda einen baldigen Nervenzusammenbruch sowie Geduldsfadenriss bescheren würde...
 

Nach zwei vergangenen einsamen Stunden klingelte es. Das Klingeln, das Yū zwar nicht wirklich ersehnt, aber dennoch darauf gewartet hatte, und mit einem Mal kam ihm der Gedanke, dass er Lavi auch ohne den Befehl aufgemacht und wieder hereingelassen hätte - so seltsam es ihm auch erschien.

Als Kanda die Tür öffnete, blieb Lavi zunächst draußen stehen, statt sofort hereinzukommen. Unter schuldbewussten Augen sah er seinen Kumpel an, hielt in der linken Hand die Einkaufstüte, während er die rechte hinter seinem Rücken verborgen hatte.

„Äh... Yū-chan... also...“, setzte er zögernd an und suchte verzweifelt nach den richtigen Worten, „Wenn ich dir das befehle... dann musst du mir versprechen, mir nicht böse zu sein... zumindest nicht zu böse... okay?“

Den Hundeblick auf das dunkle Augenpaar gerichtet, schwieg Lavi und wartete die hoffentlich nicht zu negativ ausfallende Antwort seines Gegenübers ab.

„Wenn du schon so ein Theater machst, kann ich dir allerhöchstens versprechen, dass ich dir böse sein werde...“

Eigentlich klar, dass ein solcher Satz käme - als ob man von Griesgram Kanda etwas anderes erwarten könnte. Doch bevor Lavi auf das Gesagte eingehen konnte, ertönte hinter seinem Rücken ein unüberhörbares Miauen. Yū horchte auf und ein Hauch von übler Vorahnung schlich sich in ihn ein. Die dunklen Augen funkelten, als er Lavi musterte.

„Was hast du da hinter deinem Rücken?!“, wollte er wissen. Lavi schluckte, bevor er entgegnete:

„Naja... Welches Tier macht denn ‚miau‘, Yū-chan?“

Eine strohdumme Frage, die nach keinerlei Mühe um Antwort verlangte - das hatte die Rhetorik nun mal so an sich. Kandas Hauch von übler Vorahnung nahm auf einmal erschreckend realistische Züge an. Aufkommender Zorn spiegelte sich in seinem Gesichtsausdruck wider. Hatte sein verrückter Mitbewohner tatsächlich...

Noch bevor Yū seinen erschütternden Gedanken zu Ende denken konnte, hörte er ein weiteres ‚Miau‘ hinter Lavi, und nur wenige Augenblicke später sprang der winzige Übeltäter aus dessen Hand, schlängelte sich geschickt an seinen Beinen vorbei, tapste mit bedachten Schritten durch die offene Tür hindurch ins Haus und streifte dabei das Hosenende Kandas, welcher das Szenario unter schweigendem Entsetzen mitverfolgte. Eine drückende Stille machte sich unter den beiden jungen Männern breit; Lavi starrte nervös zu Boden und wartete darauf, dass Kandas innere Zeitbombe ihre letzte Sekunde anschlagen würde, während der andere darüber nachdachte, was in einem solch verdrängungswürdigen Moment am sinnvollsten war: Implosion oder Explosion.

Wie Lavi sich bereits gedacht hatte, fiel die Entscheidung auf Letzteres:

„W-warum zur Hölle...?! Lavi... Lavi, du hast eine Katze in mein Haus geschleppt! Eine verdammte Katze, ein wandelndes Flohbündel, einen Plagegeist auf vier Beinen, einen stinkenden Streuner, eine KATZE!!! Was hast du dir dabei gedacht? Gehört das etwa auch zu deinem dummen Spielchen, das du seit drei Tagen abziehst?!“

„Beruhig dich erst mal!“, versuchte Lavi ihn zu beschwichtigen, „Ja, eine Katze. Eine kleine, stinknormale, ungefährliche Katze, davon geht die Welt doch nicht unter.“

„Meine Welt schon!“, korrigierte Kanda, wartete dann aber ab, was der andere ihm noch für Grausamkeiten an den Kopf werfen würde.

„Ja, wie auch immer, jetzt hör zu. Ich hab‘ sie auf dem Rückweg in einer Seitengasse sitzen sehen, sie ist vollkommen abgemagert und sieht aus, als wäre sie ausgesetzt worden. Außerdem ist sie noch klein... Ich konnte sie doch nicht einfach ihrem Schicksal überlassen.“

Wenn es eine Sache gab, die Yū an seinem besten Freund neben der ganzen Dinge, die er ohnehin nicht ausstehen konnte, am allerwenigsten ausstehen konnte, dann war es sein viel zu großes Herz. Zumindest jetzt, in Bezug auf dieses Vorkommnis. Und dann auch noch dieser mitleidige Blick, den Lavi aufsetzte, während er über dieses schmutzige Tier sprach... Nein, jetzt wurde ihm endgültig bewusst, dass Geduldsfäden nach spätestens drei Tagen mit Quatschkopf Lavi unter einem Dach ihre Reißfestigkeit verlieren würden.

„Das alles ist mir sowas von egal! Schaff das Vieh raus und bring es bei dir unter, wenn du so großes Mitleid damit hast, aber ich möchte sowas nicht in meiner Bude haben!“

„Hatte ich auch schon in Erwägung gezogen, aber geht leider nicht“, verwarf Lavi den Vorschlag, „Meine Mutter ist allergisch gegen Katzenhaare.“

„Dann bring sie sonst wo hin, mir egal!“

Es hatte keinen Sinn; Kanda war stur wie eh und je. Da blieb Lavi wohl keine andere Möglichkeit, als sein sieben Tage gültiges Ass ein weiteres Mal aus seinem Ärmel zu ziehen, wenn auch mit einer Spur Widerwillen, da ihm klar war, auf welch wolkenkratzerhohe Palme er Yū damit bringen würde.

„Sorry, Yū-chan, aber... ich befehle dir, sie bei dir bleiben zu lassen.“

Und obwohl ihm die Aufforderung ja fast schon leid tat, konnte er den inneren Schweinehund nur mäßig unterdrücken - er setzte ein triumphales Grinsen auf. Kandas altbekannte Wutader, die sich über dem linken Auge auf der Stirn befand, pochte gegen die dünne Haut.

„...du verdammter...“, brachte er teils zischend, teils knurrend hervor; er hasste diese verlorene Wette und noch viel mehr hasste er, dass Lavi sie so schamlos für sich ausnutzte! „Wenn das alles vorbei ist, bringe ich dich um, merk dir das!“, fügte er hinzu, wandte sich ab und lief zurück ins Haus. Lavi blieb eine Weile schweigend in der Tür stehen, ging seinem Kumpel dann aber nach.
 

„Keine Sorge, so viel Arbeit wird sie schon nicht machen. Wenn sie erst mal stubenrein ist, macht sie praktisch überhaupt keinen Aufwand mehr.“

„Stubenrein... verdammt, dieses Vieh ist nicht einmal stubenrein? Und das sagst du mir erst jetzt?! Willst du mich umbringen?!“

Aufgebracht und mit den Nerven im tiefsten Abgrund, den die psychische Hölle zu bieten hatte, lief Kanda im Wohnzimmer auf und ab, die Arme verschränkt, die Augen funkelnd.

„Was dachtest du denn? Dass es auf der Straße Katzenklos gibt?“

„Sehr witzig.“ Yū blieb stehen und hielt nach dem wandelnden Flohteppich Ausschau. „Und wo ist das Vieh? Wehe, sie wetzt ihre Krallen an den Möbeln oder sowas.“

Nach der berechtigten Frage sah auch Lavi sich im Raum um, aber bevor er das kleine Tier erspähen konnte, vernahm er ein Miauen vom anderen Ende des Raumes. Kurz darauf tapste das weiße Kätzchen zielsicher auf einen gewissen, bald in den Wahnsinn getriebenen Jemand zu und machte keine Anstalten, gegen dessen rechtes Bein zu stupsen und leise zu schnurren.

„Nimm sie weg von mir“, forderte Yū seinen Kumpel auf, aber Lavi blieb breit grinsend stehen und sah sich die Szenerie aus nächster Nähe an. Mit ein paar stampfenden Schritten floh Kanda aus der Gefahrenzone, doch das Tier sah überhaupt nicht ein, seinen gerade auserkorenen Spielgefährten einfach entkommen zu lassen; eilig lief es ihm hinterher, und Kanda begann die Welt mit einem mal noch ein kleines bisschen mehr zu hassen.

„Schau, sie mag dich“, stellte Lavi mit widerwärtiger Entzückung fest. Yū war deutlich weniger von dieser Tatsache begeistert.

„Jetzt müssen wir auch noch extra einkaufen gehen... Hättest du nicht ‘nen Goldfisch oder sowas von der Straße aufsammeln können? Nein, es musste natürlich gleich wieder was Großes sein, etwas, das viel Arbeit macht!“

„Jaja, ist schon gut, es tut mir ja leid. Ich übernehm‘ auch die Kosten für alles“, bemühte sich Lavi um tröstende Worte, allerdings mit geringem Erfolg.

„Dann lass mich aber einkaufen gehen, ich hab‘ sicherlich keine Lust darauf, mit dem Vieh hier alleine zu bleiben.“

„Geht in Ordnung“

Lavi nickte. Ohne noch unnötig lange zu zögern, lief Kanda wieder zur Haustür und knallte diese hinter sich zu. Hätte Lavi es nicht noch rechtzeitig auf den Arm genommen, wäre das Kätzchen dem anderen hinterhergelaufen. Quengelndes Mauzen erklang aus dem kleinen Mäulchen, und Lavi kraulte ihm beschwichtigend über den Kopf.

„Keine Sorge, Yū-chan kommt gleich wieder. Bis dahin schauen wir mal, wie wir dein schönes weißes Fell auf Vordermann bringen können!“

Und nach diesen Worten machte er sich auf in Richtung Bad...
 

Missmutig trat Kanda den Nachhauseweg an, vollbepackt mit den nötigsten Dingen, die sein kleiner flauschiger Freund (oder Feind) zum Leben benötigte. Er hasste es jetzt schon... Dieses Mistvieh hatte ihn doch tatsächlich dazu gezwungen, ein nach Hundekuchen stinkendes Tiergeschäft aufzusuchen und sich von den Verkäufern über Katzenklos beraten zu lassen... ja verdammt, richtig gelesen, K-a-t-z-e-n-k-l-o-s! Und als ihm dazu dann auch noch dieses widerwärtige Lied von einem gewissen H. Schneider in den Kopf getrudelt war, war der nahe bevorstehende Untergang vollkommen geworden.
 

Nach eineinhalbstündiger Einkaufstour in der Hölle kam Yū zu Hause an und fummelte ungeschickt die Schlüssel aus der Hosentasche. Als er den Flur betreten und sich umgesehen hatte, war von Lavi und der kleinen Bestie keine Spur. Aber noch bevor er sich darüber aufregen und eine hasserfüllte Suchaktion starten konnte, wurde nach ihm gerufen:

„Yū-chaaaaan~! Bist du’s? Wenn du mich suchst, ich bin grad im Bad und mach‘ das Kätzchen sauber!“

What the fuck...?! Was fiel diesem Baka Usagi überhaupt ein, seine Badewanne für diesen flohverseuchten Wollknäul zu missbrauchen?! Das würde er nicht so einfach auf sich sitzen lassen!

„Schon mal daran gedacht, mich vorher um Erlaubnis zu bitten?“, gab Kanda lautstark zurück, während er zielsicher in Richtung Bad stampfte. Ehe Lavi Antwort geben konnte, hatte Yū auch schon die Tür aufgerissen, die zu seinem Leidwesen nicht abgeschlossen war. Weshalb genau dies zu seinem Leidwesen beitrug, durfte er jetzt, ja, ganz genau hier und jetzt, in Form einer viel zu nackten Tatsache feststellen.

„Und hast du schon mal daran gedacht, vorher anzuklopfen?“, scherzte Lavi mit einem schelmischen Grinsen auf den Lippen und genoss dabei die interessante Wandlung, die Yūs Gesichtszüge binnen weniger Sekunden machten.

Nicht nur das Fellbündel befand sich in der Wanne, sondern zur Steigerung jeglichen Übels noch ein gewisser Jemand, der die Katze unter den Vorderbeinchen umgriffen hatte, um sie über Wasser zu halten. Lavi saß nackt... splitternackt und grinsend in der Badewanne, hatte das grüne Augenpaar stechend genau auf sein Gegenüber gerichtet, und Kanda wusste nicht, ob er schreien oder wegrennen... oder beides tun sollte. Letztendlich fiel die Entscheidung auf keine der drei Optionen, da ihn der autounfallvergleichbare Effekt nur dazu veranlasste, wie angewurzelt stehen zu bleiben und sein Gehirn in Erschaudern und Wahnsinn zugleich kochen zu lassen. Wenn das ein Alptraum war, dann ja wohl der schlimmste, mit dem er in seinem ganzen Leben je konfrontiert worden war (er hatte schon von so manchen Abartigkeiten geträumt, doch von nackten Lavis und weißen Kätzchen war er bisher verschont geblieben).

„...W-warum... warum zur Hölle... badest du... zusammen mit der Katze?!“, stammelte er unbeholfen, „Hieß es nicht, du machst nur die Katze sauber?!“

Lavi ergötzte sich an Kandas entsetztem Blick, doch ließ er auch nicht lange auf Antwort warten:

„Ja, so war der Plan gewesen, doch als ich es versucht habe, hat sie so arg gestrampelt, dass sie meine Klamotten dabei ganz nass gemacht hat. Da dachte ich, so wäre es irgendwie praktischer.“

„...du dachtest? Wenn du denken könntest, hättest du das Vieh erst gar nicht mitgebracht!“, waren Yūs einzigen Worte dazu. Noch immer hatte er sich nicht durchgerungen, endlich den Raum zu verlassen. Schon bald wurde ihm dieser Fehler zum Verhängnis. Ohne jegliche Vorwarnung erhob sich Lavi aus der Wanne, weshalb Kanda gegen seinen Willen noch ein bisschen mehr als nur Lavis nackten Oberkörper dargeboten bekam. Augenblicklich nahmen seine Wangen einen Rotton an. Als er die Scham bemerkte, wandte er sich schnell ab; wütend, betroffen, mit den Nerven am Ende. Als der andere seine Reaktion bemerkte, schmunzelte er und meinte dazu nur:

„Oh, Yū-chan, du bist so eine Pussy.“

Als hätte das Wort ‚Pussy‘ eine Art Schalter in seinem Hirn umgelegt, drehte sich Kanda abrupt um, die Wangen noch immer gerötet.

„Ah ja, und das sagt der Mann, der mit einer Katze badet!“

Wieder erblickte er seinen besten Freund nackt vor sich stehen, doch um die Bewahrung jeglicher Männlichkeit blieb er standhaft und wagte nicht noch einmal, sich umzudrehen. Er bemühte sich stattdessen, den Fokus auf Lavis Gesicht zu beschränken, welcher die Katze grinsend auf dem Boden absetzte und sich - endlich - ein orangenes Tuch um die Hüften schwang. Noch bevor es wegrennen konnte, hatte sich Lavi zum Tier heruntergebeugt und ihm ein kleines Handtuch über den Kopf geworfen, mit dem er es abzutrocknen begann. Kanda beobachtete die Misere schweigend, bis er einen anschließenden Blick in die Badewanne warf und darin lauter weiße Härchen vorfand.

„...diese Katzenhaare verstopfen den Abfluss, schon mal daran gedacht?“

„Klar hab‘ ich daran gedacht, doch dazu gibt es ja dich“, meinte Lavi hinterhältig. „Ich befehle dir, dich darum zu kümmern.“

Yū wären, sofern dies möglich wäre, glatt die Augen aus den Höhlen gefallen.

„W-was?! Das ist doch nicht dein Ernst!“

„Oh, und ob“, entgegnete Lavi, „Das ist doch nur fair. Ich hab‘ die Katze sauber gemacht, jetzt kannst du die Badewanne saubermachen.“
 

Yū hatte sich geirrt.

Diese Welt ist und bleibt gottlos!
 

Der Abfluss war befreit, die Nerven lagen blank, der Abend brach herein und höchsterfreulicher Weise war Lavi auf die Idee gekommen, es nicht mehr beim Nacktsein zu belassen. Demotiviert saß Kanda am Küchentisch und schlang das einzige Heilige, das ihm am heutigen Tage noch geblieben war, aus lauter Frust in sich hinein. Lavi, der ihm gegenüber saß, hatte sich mit zwei ärmlichen Fünf-Minuten-Terrinen zufrieden gegeben, die zwar auch nicht gerade nahrhafter als Soba waren, aber - seiner Meinung nach - doppelt so genießbar und noch viel einfacher zuzubereiten. Ein typischer Männerhaushalt bestand aus billigem Junk-Food, ja verdammt, es war nicht nur ein bescheuertes Vorurteil, sondern die schmerzende Realität.

„Sag mal, Yū... Hast du dir schon überlegt, wie wir unser Findelkind nennen wollen?“

Kanda war verwundert über die Frage, dachte kurz nach und entgegnete dann, im tiefsten Meer des Sarkasmus‘ badend:

„...wie wär’s mit Flohteppich oder vierbeiniger Parasit?“

„Ha-ha, sehr komisch. Nein, im Ernst“, wies Lavi hin und warf einen Blick auf das weiße Kätzchen, das sich über das Katzenfutter im Napf hermachte. Kanda rollte entnervt die Augen.

„Ist mir scheißegal, wie du sie nennst, wenn diese verdammte Wette vorbei ist, verschenk‘ ich sie unseren Nachbarn oder steck‘ sie ins Tierheim. Ganz egal, aber hier wird sie nicht bleiben.“

„Ach was.“ Lavi setzte ein mattes Lächeln auf. „Wenn die Woche vorüber ist, hast du sie so sehr ins Herz geschlossen, dass du sie behalten willst. Darauf wett‘ ich mit dir.“

„Wir wetten nie wieder auf irgendetwas, hörst du?!“

Allein bei dem Gedanken an das grausame Wort ‚Wette‘ richteten sich auf Yūs Rücken jegliche Nackenhaare auf. Lavi beobachtete das kleine Tier weiterhin und watete sein Gehirn nach einem geeigneten Namen ab.

„Hm...“, machte er, und dann kam ihm eine Idee. „Jetzt, nachdem ich sie gewaschen habe, ist ihr Fell schneeweiß... Wie wär’s mit Flöckchen? Wie Schneeflöckchen, nur ohne Schnee!“

„W-Was?! F-Flöckchen? Willst du das arme Tier erniedrigen?!“, war das Einzige, was Kanda dazu einfiel. Es reichte ja schon, dass Lavi seinen Namen immer bis ins Unerträglichste verniedlichte, aber jetzt schien er es allein dabei nicht mehr belassen zu wollen.

„Wenn überhaupt, dann nimm diese ekelhafte Verniedlichung raus! Würde die Katze sprechen können, würde sie bestimmt dasselbe sagen.“

„Aber Flocke klingt so karg... Da fehlt einfach das ‚chen‘, verstehst du?“

„Nein, verstehe ich nicht. Aber wie gesagt, mir egal“, beendete Kanda die Diskussion und beschränkte seine Beachtung einzig und allein auf sein heiß-, nein falsch, kaltgeliebtes Nudelgericht.
 

Der Tag neigte sich dem Ende zu...
 

Kanda lag, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, auf seinem Bett und wartete auf den hoffentlich hereinbrechenden Schlaf - von Müdigkeit war nach dem auslaugenden Tag schließlich an Übermaß vorhanden. Gerade schloss er die Augen und wollte sich auf die herrschende Ruhe einlassen, als die beigemachte Tür auf einmal ein quietschendes Geräusch erklingen ließ und minimal aufzugehen schien. Das Fenster stand offen - der Wind. Logisch, der Wind, an was sollte es auch sonst liegen? Aber er wurde sofort eines Besseren belehrt. Plötzlich spürte er, wie vier kleine Pfoten mit einem Satz auf seinem Oberkörper landeten und sich ein Stück nach oben bis auf seine Brust herantasteten. Er riss die Augen auf und starrte auf den schneeweißen Übeltäter, dessen Umrisse er im matten Dunkel gut genug erkennen konnte.

„Oi, geh von mir runter!“, befehligte er, aber die Katze machte keinerlei Anstalten zu gehorchen. Stattdessen kauerte sie sich zusammen und machte es sich auf ihrem neuen Spielgefährten gemütlich, was diesem deutlich gegen den Strich ging.

„Verdammt, es reicht schon, dass Lavi sich früh morgens auf mich setzt, und jetzt fängst du auch schon damit an! Habt ihr das irgendwie abgesprochen?!“

Er schwieg kurz. Mit einem Mal wurde ihm klar, dass er hier gerade mit einem kleinen Kätzchen redete.

„Ou verdammt... jetzt führ‘ ich schon Selbstgespräche...“

Sein Gesprächspartner mauzte widersprechend. Kanda seufzte entnervt auf.

„Flöckchen ist ein scheiß Name“, murmelte er, „Dieser Baka Usagi hat wirklich kein Talent für sowas.“

Die Müdigkeit traf ihn wie ein Schlag. Seine Lider wurden immer schwerer und er sah keinen Grund darin, sie noch länger oben zu halten. Jetzt lag die Katze nun einmal auf ihm - na und? Pech gehabt. Die würde schon wieder verschwinden, wenn es ihr zu langweilig werden würde.
 

„...wir streichen das ‚chen‘...“, waren seine letzten Worte, bis ihn der Schlaf einholte.
 

3. Befehl: Erfüllt!

4. Befehl: Lass mich bei dir schlafen!

Jetzt ist auch dieses Kapitel leicht überarbeitet. Nun kann ich unbekümmert weiterschreiben. :]
 

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[Tag 4: Donnerstag, 16. August 2009, 07:03Uhr - Ein äußerst kurioser Tag]
 

Es war bei Weitem nichts Neues mehr, dass Kanda Yūs Morgen beschissen begann - vor allem seit Lavis Selbsteinquartierung. Aber dass es dem Schicksal möglich war, das Wort ‚beschissen‘ derart immens zu steigern, erschien selbst demjenigen, der der ganzen Misere stetig zum Opfer fiel, unbegreiflich.

Kanda wurde durch eine angenehme Wärme geweckt, die er über seinem Bauch auf der Decke spürte. Verwirrt darüber setzte er sich auf und warf einen Blick auf besagte Stelle, auf der sich noch immer (oder schon wieder?) ein gewisses Etwas befand - klein und flauschig und eingemummelt und überhaupt nicht laut und nervig -, und irgendwie... ja, irgendwie besaß es doch tatsächlich die Macht, dem eigentlichen Morgenmuffel ein morgendliches Lächeln auf die Lippen zu zaubern.

Flöckchen lag auf ihm. Noch immer. Oder schon wieder. War ja auch egal. Jedenfalls gab das kleine Tier nur ein leises Schnurren von sich und schien sich auf seinem auserkorenen Spielgefährten, der nun als Schlafgefährte zweckentfremdet wurde, pudelwohl zu fühlen. Pudelwohl... Haha, mieser Witz. Dieser widerwärtige Begriff gehörte schon bald der Vergangenheit an.

Ein etwas genauerer Blick verriet Kanda, dass nicht nur die Katze selbst für die ausbreitende Wärme verantwortlich war, sondern hinzukommend etwas völlig anderes, das Yū mit einem Mal dazu brachte, auch diesen Tag - genauso wie die drei vorherigen - bis ins Unermessliche zu verabscheuen: Dieses verdammte Straßenvieh hatte ihm doch tatsächlich aufs Bett gepinkelt! Ihm, Kanda Yū, dem momentanen Herrn im Haus! Gott, es gab wahrlich Dinge, die einfach nicht gerechtfertigt gehörten!

Mit einem angewiderten Satz sprang er aus dem Bett, schnappte nach der Decke und schüttelte diese ohne Rücksicht auf Verluste, welche in dem Fall das Kätzchen repräsentierten, durch. Der Übeltäter fiel dabei zu Boden, konnte aber dank der Reflexe, die ihm die Natur gegeben hatte, auf allen Vieren landen, ehe er die Situation überhaupt begriffen hatte.

„Fuck! Ich hätte ja wissen müssen, dass sowas passiert! Verdammtes Mistvieh, ich hab‘ mich gestern Nachmittag nicht umsonst über eine Stunde von dieser fetten Frau über Katzenklos beraten lassen! Benutz es gefälligst!“

Verständnislos starrte ihn das Tier an und schien nicht einmal zu wissen, worin gerade das Problem lag. Kanda war bereits jetzt mit dem Nerven am Ende - der vierte Tag mit Quatschkopf Lavi inklusive Flohbündel Flöckchen hatte noch nicht einmal richtig begonnen. Es graute ihn jetzt schon, wenn er an den weiteren Verlauf der nächsten Stunden dachte.

„Warum mach‘ ich mir eigentlich die Mühe? Du verstehst mich sowieso nicht. Kein Wunder, dein Aufenthalt hier ist ja auch auf den Mist von diesem Baka Usagi gewachsen.“
 

„Yū-chan, lästerst du über mich?“
 

Erschrocken fuhr Kanda um sich und sah Lavi, der in der Tür stand und den Raum gleich darauf betrat.

„Nein, ich erörtere nur die Tatsachen, Idiot.“

Lavi richtete seinen Blick auf sein Findelkind, wandte sich dann aber wieder seinem Kumpel zu und fragte:

„Warum schreist du eigentlich um die Uhrzeit schon durchs ganze Haus? Wenn ich nicht schon wachgewesen wäre, wäre ich spätestens dadurch aus dem Schlaf gerissen worden.“

„Deshalb!“

Allessagend hielt ihm Kanda die nasse Decke vor die Nase, und blanke Erzürnung spiegelte sich in seinem Gesicht wider. Als Lavi verstand, konnte er sich ein Grinsen nicht unterdrücken und bemerkte nur amüsiert:

„Naja, ich hatte dir doch gesagt, sie ist noch nicht stubenrein.“

„Che, hätte ich gewusst, dass sie auf mir liegt, hätte ich sie sofort runtergescheucht!“

...was gelogen war. Gestern Nacht war ihm Flöckchens Anwesenheit sehr wohl aufgefallen, doch hatte er diese einfach zugelassen, ohne auch nur einmal in Erwägung zu ziehen, die Katze aus dem Bett zu jagen. Aber das wusste Lavi nicht. Und das war auch verdammt gut so!

„Na gut, meinetwegen kümmere ich mich darum. Aber dafür musst du Flöckchen sauber machen. Sie hat schließlich ‘ne ganze Weile in ihrem eigenen... Zeug gelegen.“

„...Sie? Woher willst du wissen, dass es eine Sie ist?“

Wobei... warum fragte er eigentlich? Als ob es ihn interessieren würde. Ob nun Männlein oder Weiblein, fest stand, dass ihm dieses Vieh rotzfrech und rücksichtslos aufs Bett gepinkelt hatte. Und das war nur eines der vielen Argumente dafür, weshalb Kanda noch nie sonderlich viel von Haustieren gehalten hatte.

„Hab‘ ich gestern gesehen, als ich mit ihr baden war.“

„D-Du hast nachgeguckt?!“

„Klar, ist doch wichtig, das zu wissen. Wobei ihr Name auch zu einem Männchen gepasst hätte...“

Yū rollte mit den Augen und bemerkte sarkastisch:

„Ja... zu einem schwulen Männchen.“

„Hattest du gestern nicht noch gesagt, der Name sei dir egal?“, hakte Lavi gespielt interessiert nach und grinste seinen Freund frech an. Als Antwort bekam er allerdings nur ein abweisendes „Che!“ und eine kalte Schulter, die ihm gezeigt wurde. Anschließend stampfte Kanda aus dem Zimmer, dicht gefolgt von dem weißen Kätzchen, das ihm freudig hinterher tapste.

„Mach sie sauber, hörst du? Das ist ein Befehl!“, rief Lavi ihm noch nach, ehe er sich der schmutzigen Bettwäsche zuwandte...
 

„Hör zu, Mistvieh! Wenn du brav bist und still hältst, wird die ganze Sache nur halb so unangenehm, wie sie jetzt vielleicht aussieht. Doch wenn du dich wehrst, wird das hier das schlimmste Katzenerlebnis deines ganzen verdammten Katzenlebens!“

Yū stand mit nichts weiter als Boxershorts und einem verwaschenen T-Shirt im Bad, den Duschkopf in der Hand, die Tür verriegelt, den Flohteppich verängstigt vor sich stehen - jetzt würde er Lavi zeigen, wie man eine Katze auf männliche Art und Weise saubermacht! Als er den Strahl auf das Tier richtete, sah dieses jedoch überhaupt nicht ein, derartige Strapazen über sich ergehen zu lassen, wich geschickt aus und schlängelte sich um Kandas Beine.

„Du willst es also auf die harte Tour?!“

Noch bevor Flöckchen in die nächstgelegene Ecke flüchten konnte, hatte Yū sie am Genick gepackt, hochgehoben und in Augenhöhe vor sich gehalten.

„Daran bist du jetzt selbst schuld...“

Gerade wollte er den Wasserstrahl auf das hilflose Tier richten, da begann dieses urplötzlich, quengelnd zu mauzen und sein Gegenüber aus verzweifelten Augen heraus anzusehen. Yū hielt in seiner Mission inne und starrte das Kätzchen zweifelnd an.

„Hör auf, mich so anzusehen! Dein treudoofer Blick zieht bei mir nicht, okay?!“

Und trotz seiner Worte wagte er es nicht, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Nach mehrfachem Miauen sowie Gewissensbissen und dem Gedanken, dass das Ganze, was er hier gerade veranstaltete, an Tiermisshandlung grenzte, setzte er Flöckchen seufzend ab und beugte sich zu ihr herunter.

„Naja, vielleicht etwas unfair, meine Wut auf Lavi an dir auszulassen...“, gab er schließlich zu, kam sich daraufhin jedoch ziemlich bekloppt vor, bereits so tief gesunken zu sein, sich bei einer Katze wegen seines aufbrausenden Verhaltens zu entschuldigen. Die Schmach, der er sich gerade hingab, dann aber einfach ignorierend, fing er das Wasser mit seiner Hand auf und fuhr statt des Duschstrahles nun mit dieser über das weiße Fell. Das gefiel Flöckchen deutlich besser, da sie stillhielt, sich allerdings noch immer ein Hauch von Skepsis in ihren Augen befand. Die Mission, eine Katze auf männliche Art und Weise zu waschen, war dadurch zwar mehr als nur gescheitert, aber die Hauptsache war, dass das Tier letztendlich sauber wurde...
 

„Du hast sie ja tatsächlich sauberbekommen! Hätte ich dir gar nicht zugetraut, Yū-chan.“

Lavi hob Flöckchen auf den Arm und musterte sie eindringlich.

„Ach, halt die Klappe“, motzte Kanda nur mürrisch, „Hast du das mit meinem Bettzeug wenigstens in Ordnung gebracht?“

„Klar. Ach, und... ich wusste gar nicht, dass du so süße Bettwäsche in deinem Schrank hast.“

Grinsend schielte er zu seinem Kumpel, während in diesem gerade eine Welt nach der anderen zusammenbrach. Mit vorahnungsvoll geweiteten Augen und fehlenden Worten stampfte er in Richtung Zimmer, riss dort angekommen gnadenlos die Tür auf und erblickte die Misere höchstpersönlich, die ihn wie einen verdammten Faustschlag traf - Gott, es musste aber auch wirklich alles schief laufen.

„D-Denk bloß nicht, dass ich diese Bettwäsche jemals ausgesucht hätte! Die hat mir meine Mutter irgendwann mal geschenkt... keine Ahnung, ich dachte, ich hätte sie weggeschmissen... Warum zur Hölle hast du keine andere genommen?!“, versuchte sich Yū zu rechtfertigen, allerdings in dem Wissen, dass keiner seiner Sätze auch nur die geringste Wirkung auf Lavi tat.

„Ach, ich fand, dass sie am besten zu dir passt...“, neckte Lavi ihn mit dem alltäglichen Standardgrinsen, das sich mittlerweile schon äußerst tief in Kandas Gedächtnis eingebrannt hatte.

„Und bevor du auf die Idee kommst, sie zu wechseln“, fügte Lavi zügig hinzu, „...befehle ich dir, sie zu lassen, bis die Woche vorüber ist!“

„Du hast sie doch nicht alle! Unter solchen Umständen kann ich in diesem Bett nie wieder ein Auge zu machen! Wie soll ich da drin denn bitteschön schlafen?!“

Langsam war Yū an seine eigenen Ausraster gewohnt, die wegen Quatschkopf Lavi Gang und Gebe geworden waren. Seit Lavi bei ihm - mehr oder minder - eingezogen war, fühlte sich Kanda mit jedem vergangenen Tag dem Drang nach Selbstmord näher als je zuvor - doch zugleich auch irgendwie lebendiger. Vielleicht auch ein wenig... glücklicher. Aber das wollte er sich selbst natürlich nicht eingestehen.

„Jetzt mach doch wegen den paar bunten Blümchen auf deiner Bettwäsche nicht gleich so einen Aufstand. Ist ja nicht so, dass du es sehen könntest, wenn du dich nachts - ich meine n-a-c-h-t-s, wenn es d-u-n-k-e-l ist - schlafen legst.“

„Na und? Allein der Gedanke zählt. Und überhaupt, hör doch endlich mit diesen scheiß Verniedlichungen auf! Hat dir keiner beigebracht, wie ein erwachsener Mann zu sprechen?! Wenn du ‚Blümchen in irgendeinem Wörterbuch dieser Welt findest, bekommst du 1000 Dollar von mir bar auf die Hand!“

„Dann werd‘ ich mich wohl mal auf die Suche nach diesem Wörterbuch machen müssen“, bemerkte Lavi amüsiert und genoss die vor Wut pochende Ader auf Kandas Stirn - je mehr er sich in solche Kleinigkeiten hineinsteigerte, desto weniger ernstzunehmend wurde er, fand Lavi.
 

Ein Donnerstag, der nicht viel mit sich gebracht hatte, stand kurz vor seinem wöchentlichen Ende. Bis auf den lästigen Haushaltskram, der schlichtweg erledigt werden musste, hatten die beiden jungen Männer nicht viel getrieben. Dabei war vor allem Lavi ganz deutlich bewusst geworden, dass er - selbst, wenn er Kanda dazu überreden könnte, die Ferien endlich auszunutzen und irgendetwas zu unternehmen - gar nicht effizient dazu käme, sich anderen Dingen außer dem Erhalten dieses Hauses zu widmen. Gut, vielleicht gen Abend, aber... irgendwie wollte sein Gewissen auch nicht ganz mitspielen, was sein flauschiges Findelkind anbelangte. Wäre es wirklich ratsam, ein kleines, tollpatschiges und - vor allem - nicht stubenreines Kätzchen alleine in einem großen Haus zu lassen?

Nein, diese Ferien waren bereits seit Lavis Einzug zum Scheitern verurteilt - mit der Spaßbremse Yū ließ sich aber auch wirklich nichts Halbes und nichts Ganzes anfangen. Mehr als Sobarekordverdachtskonsum und das übliche Gezanke, das für die eine oder andere Unterhaltung sorgte, war aus Kanda einfach nicht herauszuholen. Und wenn Lavi mal ganz genau über diesen Zustand nachdachte, kam er immer wieder - ganz egal, wie sehr er es auch zu umgehen versuchte - auf das knappe, dreibuchstabige, in seinem Fall völlig suspekte Wort ‚Ehe‘. Ja, verdammt, E-h-e, zwischen ihm und seinem besten Freund herrschte doch tatsächlich so etwas Ähnliches wie ein Eheverhältnis! Fehlte ja nur noch, dass einer der beiden arbeiten gehen müsste, weil ihnen das Geld ausginge... Aber so weit war es glücklicherweise noch nicht gekommen. Und irgendwie war das Ganze ja auch ungemein lustig. Wenn Lavi Kanda an seiner bizarren Erkenntnis teilhaben ließe, würde dieser wohl endgültig den Verstand verlieren... ausrasten, auf die ganze Wette, die ihnen den Spaß eingebrockt hatte, scheißen und seinen Mitbewohner kompromisslos vor die Tür setzen - mit ein paar liebenswürdigen Worten wie „Verpiss‘ dich, du Spinner!“ oder „Sieh‘ zu, dass du dich hier ja nie wieder blicken lässt, Mistkerl!“ im Anhang, versteht sich.

...ein Rauswurf? Ehestreit? Und dann die Scheidung?!

Okay. Langsam war selbst Lavi durch die ganzen abstrusen Begriffe, die ihm gerade durch den Kopf surrten, verwirrt. Mit einem leisen Seufzer wälzte er sich auf dem Bett, das tagsüber eine Couch war, hin und her, bis ihm auf einmal die kleine Digitaluhr, die auf dem DVD-Player unter dem Fernseher aufleuchtete, ins Augenmerk fiel. Wieder einmal musste er feststellen, dass es schlicht und ergreifend unmöglich für ihn war, in einem anderen Bett als seinem eigenen zu schlafen - knapp drei Uhr morgens. Hatte er sich nicht um kurz nach Zwölf hingelegt? Dieses endlose Wachliegen war einfach unerträglich - so konnte das doch nicht weitergehen!

Ohne sich wirklich im Klaren darüber zu sein, was er tat, befreite er sich aus der Decke, mit der er sich bei seiner kleinen Wälzaktion regelrecht eingewickelt hatte, stand auf und schlurfte müde und verzweifelt und in irgendeiner Art Trance in Richtung Yū-chans Zimmer.
 

Wach. Hellwach, um das Kind beim eigentlichen Namen zu nennen - ganz genau das war Kanda seit sage und schreibe zweieinhalb Stunden. Es bestand keine Hoffnung, jemals einen erholsamen Schlaf zu finden, solange er links und rechts und vorne und hinten und einfach allen Seiten von kunterbunten Blumen umringt war. Er hasste es, hier tatenlos herumzulungern, ohne auch nur einen Finger zu krümmen, um diesem Missrat à la Bettwäsche endlich die Stirn zu bieten.

Voller Mordlust sprang er also auf und nahm sich nicht einmal die Zeit, das Licht im Raum anzuschalten. Das brauchte er ohnehin nicht - sich diese knallbunte Augenvergewaltigung auch noch freiwillig zuzumuten, käme als letztes in Frage. Er nahm sich zuerst das Kopfkissen vor und begann hastig, einen Knopf nach dem anderen zu öffnen. Auf einmal öffnete sich etwas völlig anderes: Die Tür.
 

„Yū-chan, kann ich... M-Moment, was machst du da?!“

Kanda fuhr um sich, als er Lavis Stimme hörte. Aber nachdem er in der Dunkelheit die Silhouette seines Kumpels hatte erkennen können, antwortete er: „Das Blumenparadies in Flammen aufgehen lassen... war zumindest der Plan.“

„Falsch. Du brichst gerade die Regeln. Es war ein Befehl gewesen, die Bettwäsche bis zum Ende der Woche so zu lassen“, korrigierte Lavi, obwohl diesem im Moment ziemlich egal war, ob nun ein Haufen Blümchen oder irgendwelche eintönigen, dunklen Farben Yūs Bett zierten.

„Ich scheiß‘ auf die Regeln. Wegen diesem Mist lieg‘ ich schon seit Ewigkeiten wach!“

Davon konnte Lavi nur ein Lied singen.

„Ich liege so gesehen schon seit Montagnacht wach...“

„Niemand zwingt dich, hierzubleiben“, warf Kanda sofort ein und sandte seinem Gegenüber einen ‚Verschwinde doch einfach‘-Blick zu.

„Nein, das wäre zu einfach“, scherzte Lavi, lief auf seinen Freund zu, entriss ihm das blumenübersäte Kissen und legte es wieder auf seine rechtmäßige Stelle.

„Und das wäre auch zu einfach. Halt dich in Zukunft an meine Befehle, oder willst du deinen Stolz aufs Spiel setzen?“

„Che...“, machte Yū daraufhin. Dann fragte er: „Was willst du hier eigentlich? Nur weil du nicht schlafen kannst, heißt das nicht, dass du mich daran teilhaben lassen musst! Mach die Nacht durch, guck Fernsehen oder so. Ganz egal, aber lass mich wenigstens schlafen!“

Grinsend stellte Lavi fest: „Wow, nachts bist du ja noch grantiger als tagsüber. Hätte nicht gedacht, dass du das noch steigern kannst. Aber...“ Er machte eine kurze Pause. „Ich hatte nicht vorgehabt, dich wachzuhalten.“

„Aha. Und was dann?“

Ach, warum fragte er eigentlich? Als ob er es wissen wollte. Und verdammt, ja - er wollte es wirklich nicht wissen. Das würde ihm gleich klar werden.

„Naja, also eigentlich wollte ich fragen, ob ich...“

Schluckend hielt Lavi inne. Er spielte mit seinen Fingern, während er bedeutsam zögerte und überlegte, ob er es nicht lieber lassen sollte. Aber dann fasste er sich ans Herz und die Worte sausten wie eine Achterbahn über seine Lippen:
 

„Kann ich heute Nacht bei dir schlafen, Yū-chan?“
 

Gut. Jetzt war es raus - das Todesurteil, das Lavi sich soeben selbst gesprochen hatte. Kanda schwieg für einen Moment, wusste nicht, wie er reagieren, was er darauf antworten sollte - damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet.

„...w-was?!“, presste er schließlich heraus und wartete auf eine Antwort.

„Naja... ich weiß nicht, ob es mir hilft, aber im Gegensatz zu deiner Wohnzimmercouch bist du für mich ja etwas... äh... Vertrautes. Und weil ich nur in vertrauter Umgebung schlafen kann, dachte ich, dass du vielleicht die Lösung für mein Problem bist.“

Lavi konnte selbst nicht fassen, was er gerade vor sich hingestammelt hatte. So ein Quatsch aber auch. Klar, Kanda war ihm vertraut. Sehr vertraut sogar, doch war es total absurd, ihn mit seiner vertrauten Schlafstädte zu vergleichen. Aber wie absurd das Ganze tatsächlich war, würde er wohl niemals herausfinden - als ob Yū sich in diesem oder irgendeinem anderen Leben jemals dazu bereiterklären würde, in seinem Bett Platz für jemand anderen außer sich selbst zu machen.

„Che, du spinnst doch!“, bestätigte Kanda Lavis Vermutung, wandte ihm den Rücken zu und legte sich zurück in den kunterbunten Wahnsinn. Er rechnete nicht damit, dass Lavi noch einen letzten Trumpf im Ärmel hatte, den er jederzeit ausspielen konnte. Und er war sadistisch genug, von diesem Gebrauch zu machen.
 

„Weißt du, Yū-chan... eigentlich habe ich dich nur gefragt, um herauszufinden, auf welche Weise du ‚nein‘ sagen würdest. Da du mich aber weder vor die Tür geschmissen noch umgebracht hast, glaube ich, dass meine Chancen gut stehen, das zu machen, ohne dabei draufzugehen...“

So schnell wie der Schlag eines Presslufthammers wurde Kanda von der wohl übelsten Vorahnung, die ihm im Laufe der letzten Tage (oder Jahre) beschert worden war, übermannt. Nein... nein, das würde er nicht wagen... konnte er nicht wagen. ‚Die Hoffnung stirbt zuletzt‘? Pah, als ob! Von wem stammte dieser Satz überhaupt? Die Hoffnung war das erste, das in ihm starb. Und diese Situation war das mit Abstand beste Beispiel dafür.

„Komm, Lavi... lass den Mist!“

Nein. Fürs Betteln und Wimmern war der Zug schon längst abgefahren. Die Worte, die den Untergang Kandas persönlicher Welt hervorrufen würden, lagen Lavi bereits auf der Zunge. Und bevor sie nicht über diese hinweg aus seinem Mund dringen würden, gäbe er keine Ruhe - das stand außer Frage. Nach kurzem Zögern dachte Yū, noch irgendetwas Annehmbares aus seinem Unglück herausholen zu können. Er rückte ein gutes Stück an die Seite und gab damit einen Großteil seines Bettes frei. Als Lavi nur schweigend zusah und nicht zu verstehen schien, erklärte Kanda:

„...wenn du’s befiehlst, ist es noch demütigender...“

Ein triumphales Lächeln breitete sich auf Lavis Gesicht aus, der nun mit vorsichtigen Schritten auf das große Bett zulief. Er hob die kitschig blumige Decke an, um sich hineinzulegen. Neben Yū, seinen besten Freund. Seinen Aus-Versehen-Teilzeit-Ehemann.

Nachdem sich Lavi ein leises „Gute Nacht, Yū-chan“ nicht hatte verkneifen können, waren „Komm bloß nicht auf die Idee, auf meine Hälfte zu rücken!“ Kandas abschließenden Worte, mit denen dieser Tag hoffentlich ein Ende nehmen würde. Und das tat er auch.
 

Es war schon ziemlich seltsam, dass sich Lavis ‚vertraute Umgebung‘-These als vollkommen richtig herausgestellt hatte. Noch seltsamer war allerdings, dass nicht nur er, sondern auch Kanda von dieser These betroffen war.

Sie waren beide eingeschlafen. Ziemlich schnell sogar, ohne ein lästiges, stundenlanges Wachliegen.
 

Durch das offene Fenster konnte man nichts weiter als das Zirpen der einen oder anderen Grille hören. Und tief im Land der Träume versunken, merkte Yū überhaupt nicht, dass ein gewisser Jemand seine einzig aufgestellte Regel brach und es rotzfrech wagte, sich auch der anderen Betthälfte anzunehmen, dabei die Hand auf Kandas Bauch zu legen und sich an seinen Rücken zu schmiegen - völlig unbewusst.

Damit hatte sich die Sache mit dem Eheverhältnis wohl erübrigt.
 

4. Befehl: Erfüllt!

5. Befehl: Lass mich nicht fallen!

Als Entschädigung für die lange Wartezeit ein laaanges Kapitel, in dem viel passiert. : ]

Viel Spaß!
 

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[Tag 5: Freitag, 17. August 2009, 10:43Uhr - Ein abgrundtiefer Tag]
 

Vor lauter Aufregung wegen der Bettwäsche hatte Kanda letzte Nacht völlig vergessen, die Jalousien runterzuziehen. Speziell zu dieser Jahreszeit ein großer Fehler, wie sich jetzt herausstellte. Die Sonne stand schon weit über dem Horizont und schien durch das offene Fenster hindurch direkt in Yūs Gesicht. Die Birke im Vorgarten spendete einen nicht nennenswerten Schatten, der von den Sonnenstrahlen ins Zimmer geworfen wurde und interessante Silhouetten der Äste reflektierte. Kanda verzog das Gesicht und warf instinktiv den Arm über die Brauen, bevor er die Augen öffnete. Das grelle Licht blendete ihn trotz mäßiger Schutzvorkehrung. Schlaftrunken nahm er das Vogelgezwitscher und das Rascheln der Blätter in der leichten Morgenbrise wahr, und wenn es nicht so pisswarm wäre, könnte man glatt meinen, es wäre Frühling.

„Fuck...“

Er runzelte die Stirn und realisierte, dass die bittere Mitte des Sommers herrschte... wobei ihm die letzten Wochen morgens noch nie so warm gewesen war wie heute. Aber darüber nachzudenken, war jetzt viel zu anstrengend. Viel lieber drehte er der Sonne einfach stur den Rücken zu, um noch eine Runde weiterzuschlafen, denn abgesehen von der Hitze war es gerade viel zu gemütlich, um jetzt schon aufzustehen.

...wäre er doch besser von den Strahlen erblindet statt sich umzudrehen und dem größten Schock seines ganzen Lebens gegenüberzusteh-... -liegen:

Lavi. Ihm direkt zugewandt. Schlafend und leise ein- und ausatmend. Nur unbedeutende Zentimeter von seinem Gesicht entfernt. Den Arm um Yūs Taille gelegt. Viel zu nahe an ihn gerückt. Der Untergang der Welt - Kandas Welt - stand unmittelbar bevor. Zweifelsohne.

Yū riss die Augen so brutal auf, als wäre er gerade neben einer verwesten Leiche statt seinem besten Freund aufgewacht (...wobei ihm das ja fast schon lieber gewesen wäre). Ohne der Situation die Chance zu geben, auch nur eine Sekunde länger auf ihn zu wirken, rückte er an den Bettrand und sprang auf. Dabei fiel Lavis Arm, der bis eben noch auf Kandas Taille gelegen hatte, auf die Matratze, und Lavi verkrampfte die noch geschlossenen Lider. Seine Hand zuckte bedrohlich, ebenso wie seine Wimpern, die er auf einmal aufschlug und die grünen Augen preisgab, die desorientiert nach vorn blickten.

Lavi konnte Yūs bloße Knie sehen, und als sein Blick weiter gen Norden wanderte, die verwaschenen Boxershorts, die ehemals schwarz waren. Dann das dunkelblaue T-Shirt, das seinem Kumpel mindestens zwei Nummern zu groß war, links und rechts daneben die geballten Fäuste, angespannt, sodass die Adern auf den Handrücken hervorkamen. Dann den T-Shirt-Saum, die breiten Schultern, den Hals, das Gesicht, und ab da war es aus mit der kleinen Kanda-von-Kopf-bis-Fuß-nur-umgekehrt-Exkursion.

„Du...“

Yū war die letzten vier Tage schon häufiger implodiert als in seinem ganzen Leben; das stand außer Frage. Doch jetzt spürten sowohl er als auch Lavi, wie das Fass gerade überlief und von der bevorstehenden strömenden Flut unterzugehen drohte. Gleich würde es untergehen. Das Fass und noch ein paar andere Dinge. Mitunter die Wette, die seit heute schon ganze fünf Tage gültig war. Die Wette und Lavi. Die Fünf war schon immer seine heimliche Unglückszahl gewesen...
 

„...weißt du was? Raus. Raus, verdammt!“

Lavi sah seinen besten Freund verständnislos an. Verständnislos und ein bisschen dümmlich, obwohl er ganz genau - vielleicht zu genau - verstand, was Kanda ihm sagen wollte.

„Baka, ich hab‘ gesagt, du sollst verschwinden! Ich hab‘ echt keinen Bock mehr auf dich!“

Lavi rang sich endlich zu Worten durch:

„Du kannst mich nicht rausschmeißen, wenn ich dir befeh-“

„Ach, halt bloß deine Fresse! Und komm mir nicht mit deiner scheiß Wette, denn die ist ab jetzt zu Ende, hörst du?!“

Yūs Augen blitzten im Sonnenlicht auf und erinnerten an einen mordlustigen Irren, der es verdammt nochmal ernst meinte.

„Jetzt verpiss dich endlich!“, forderte er Lavi auf, welcher tatsächlich aufstand und stumm an Kanda vorbeilief. Er verließ den Raum, kramte im Wohnzimmer seine sieben Sachen zusammen, ging in den Flur und wurde von Yū, der abwartend in seinem Zimmer stand, beobachtet, wie er die Tür aufriss und wortlos hinter ihr verschwand.

Die Sonnenstrahlen warfen Schattenmuster der Birkenäste auf den Parkettboden. Eine Brise zog durch die Blätter und die Silhouetten führten einen wilden Tanz auf. Kanda stand reglos inmitten des Schattenspiels und wartete auf etwas, von dem er hoffte, dass es geschah. Aber dieses Etwas geschah nicht. Die Schattenmuster tanzten weiter um ihn herum. Er atmete aus und setzte sich auf die Bettkante.

Nichts. Nur das Rascheln der Blätter.
 


 

-:-o-:-
 

Lavi hatte noch immer sein grünes Hemd und die Pyjamahose angehabt, als er nach draußen gestampft war; schließlich hatte sich nicht einmal eine Gelegenheit zum Umziehen geboten. Wenigstens seine Schuhe, die vor der Eingangstür gestanden hatten, hatte er nicht vergessen, und lief jetzt - seine restliche Kleidung unter den Arm geklemmt - in Richtung seinem Zuhause. Auf dem kurzen Weg überfielen ihn immer wieder die Sätze, die Yū ihm entgegen gebrüllt hatte.

‚Halt die Fresse - Die Wette ist zu Ende - Verpiss dich endlich‘-bla bla bla. Nicht zu vergessen: Bla!

Solange Lavi sich diese drei Buchstaben gleich im Anschluss ins Gedächtnis rief, war alles halb so wild. Yū-chan war ausgerastet und ein wenig ausfallend geworden - wie immer, wenn man es mal genau nahm. Das war doch schon längst kein Highlight mehr. Und doch... er hatte die Wette aufgegeben. Yū Kanda, der stolze, unbezwingbare, verdammt japanische Yū Kanda, der seinen Nachnamen japanischer Weise immer vor seinem Vornamen nannte, sofern er Letzteren überhaupt mal nannte... Eigentlich hatte er ihn noch nie genannt. Damit hatte er schon für verdammt viel Verwirrung gesorgt, angefangen auf der Namensliste in der Schule. Dieser Kerl hatte sowieso noch nie alle Tassen im Schrank gehabt. Also, warum sich Gedanken um diesen lächerlichen Vorfall machen? Spätestens heute Abend würde Yū-chan ihn anrufen oder persönlich vorbeikommen und die Wette wieder für gültig erklären, weil er die Demütigung, dieser nicht standgehalten zu haben, nicht länger ertragen könnte. Natürlich, das würde ganz sicher passieren. Zweifellos.

Zu Hause angekommen, warf sich Lavi aufs vertraute Bett, das ihm nicht mehr vertraut vorkam als das Yūs, und wartete auf etwas, von dem er hoffte, dass es geschah. Aber dieses Etwas geschah nicht.
 


 

-:-o-:-
 

Kanda hatte sich derweilen auf die Kante seines ungemachten Bettes gesetzt. Eigentlich liebte er die Ordnung und die Ordnung liebte ihn - aber das interessierte ihn jetzt nicht. Er starrte an die Decke, ausdruckslos und doch erwartungsvoll. Auf Antwort wartend? Abstrus, einzig mit einem stumpfen Blick eine Antwort der Decke seines Zimmers anzufordern.

Ohrenbetäubende Stille schlug auf sein Trommelfell ein.

Vor kurzer Zeit war es noch die lärmende Stimme seines besten Freundes gewesen, die seine Gehörgänge auf magische Weise besänftigte. Kanda seufzte gegen das Schweigen des Raumes an und versuchte das Geschehene Revue passieren zu lassen - erfolglos. Mehr als Lavis stechendgrünes Augenpaar ließ sich in seinen Gedanken nicht aufgreifen, dazu war alles zu schnell gegangen.

-Hatte er das Richtige getan?-

Yū stieß sich von der Bettkante ab und lief mechanisch zu seinem Schreibtisch. Er setzte sich auf seinen Bürostuhl und ertappte sich dabei, wie sein Blick auf die Schubladen zu seiner Linken abschweifte. Als er seinen Arm ausstreckte und den Knauf der untersten Schublade umschloss, war dabei nicht die Rede von bewusstem Handeln, sondern vielmehr von einer Art sanftem Affekt. Zwei Worte, die sich gegenseitig auszuspielen pflegen, aber in dem Fall komplementär fungierten...

- warum zur Hölle fielen ihm gerade so seltsame Fremdwörter ein? Als ob er Ahnung von sowas hätte.

Kanda schüttelte den Kopf und somit die lästigen Begriffe ab, die er irgendwann mal bei Lavi aufgeschnappt hatte, als dieser in eine seiner philosophischen Klugscheißerphasen abgedriftet war. Er zog die Schublade auf und holte das Geschenk zu seinem sechszehnten Geburtstag hervor, das er von seinem besten Freund zwei Jahre zuvor widerwillig angenommen hatte. Er legte es auf dem Schreibtisch ab und schlug es - schätzte er - in der Mitte auf. Als Yū auf das Bild starrte, entwich ihm ein altbekanntes „Che...“, begleitet von einem Lächeln.
 


 

. . . . . . .
 

„Oi, Baka Usagi!“

Kanda saß auf dem höher gelegenen Ast eines Baumes und baumelte mit den Beinen. Sein Grinsen sprudelte vor Selbstsicherheit über. Von oben aus musterte er den roten Schopf, dessen Strähnen sich aller Himmelsrichtungen bemächtigten. Lavi sah auf und sein Gesicht ließ Zweifel sprechen.

„Yū, findest du nicht, dass das ganz schön hoch ist? Komm lieber wieder runter!“

Er musste seine Stimme heben, damit sein Spielgefährte ihn verstand. Kanda sah seinen Freund abschätzig an.

„Che, du hast ja nur keinen Mumm, auch hochzuklettern, gib’s zu!“

„Was?!“

Lavi ballte die Fäuste. Mit Yū-chan Fangen zu spielen, hatte noch nie ein gutes Ende genommen, da dieser Junge sich die unmöglichsten Schlupflöcher und Bäume suchte, um dem anderen zu entkommen. In dem dummen Hasen verbarg sich auch ein Angsthase, den Kanda nur zu gern heraufbeschwor. Lavi mied Gefahren, so gut es ihm möglich war. Er sah keinen Sinn darin, unnötig sein Leben aufs Spiel zu setzen, nur um sich einen Adrenalinkick zu verschaffen, auf dem Yūs freches Grinsen gerade aufbaute.

„Osore Usagi!“, gab Kanda verächtlich ab und Lavi biss die Zähne aufeinander. Dank Yūs zweisprachiger Erziehung bekam Lavi schon seit mehreren Jahren Privatunterricht in Japanisch. Was auch immer ihm das in ferner Zukunft bringen würde, so verstand er gegenwärtig zumindest Yūs Beschimpfungen, um sich darüber aufzuregen.

„Ich bin kein Angsthase!“, stellte Lavi felsenfest klar und ging einen Schritt auf den Baumstamm zu. „Wart‘ nur ab, bis ich oben bin!“

Lavis kleine Hände suchten Halt an der massiven Baumrinde, an der er sich zum nächstgelegenen Ast heraufzog. Herzklopfen machte sich bemerkbar, wurde schneller und geriet aus dem Takt, was Lavi umso mehr dazu bewog, Yū zu zeigen, was in ihm steckte. Dieser hob eine Augenbraue und war sichtlich erstaunt über die Entschlossenheit, die in den grünen Augen aufblitzte. Das war das erste Mal, dass Lavi sich bis zu einem solchen Punkt hatte provozieren lassen. Vorsichtshalber kletterte Kanda noch ein paar Äste weiter nach oben, möglichst nahe an die Spitze der Baumkrone heran und somit möglichst weit von seinem Kumpel entfernt. Lavi kletterte weiter.
 


 

. . . . . . .
 

Das rechte Bein der Pyjamahose hing über dem Wäschekorb, ehe es mitsamt dem grünen Shirt hineingestopft wurde. Lavi fuhr sich durchs strubblige Haar, nachdem er sich umgezogen hatte. Während er auf seinem Heimweg noch optimistisch bezüglich der Auseinandersetzung mit Yū gewesen war, war jetzt durch jedes entledigte Kleidungsstück ein kleines Stück Hoffnung mitentledigt worden. Zurück im Zimmer wusste Lavi nichts mit sich und der Zeit anzufangen. Es war noch nicht mal zwölf Uhr Mittag und der Tag schien jetzt bereits gelaufen zu sein. Als seine Mutter ihn bei seiner Heimkehr gefragt hatte, warum er schon wieder da sei (er hatte eine einwöchige Abwesenheit angekündigt), hatte er nur mit den Schultern gezuckt und mit einem matten Lächeln Antwort gegeben. Mehr als mit einem Lächeln auf eine solche Situation zu antworten, gab es auch nicht an darbietenden Möglichkeiten. Mehr als diese ungewollte Empfindsamkeit gegenüber dem Geschehenen schlichtweg zu ignorieren, blieb nicht.

Die zweite Möglichkeit bestand darin, es nicht zu ignorieren. Lavi wählte die erste Möglichkeit, aber die zweite wählte ihn - und gewann.

Lavi drückte das Gesicht ins Kopfkissen. Am liebsten hätte er es so lange hineingepresst, bis ihm die Luft weggeblieben wäre, aber von Selbstzerstörungsfetischismus hatte er noch nie viel gehalten. Also drehte er seinen Kopf zur Seite und starrte an die blassgrün bestrichene Wand.

Er mochte Grün. Es war die Farbe der Hoffnung. War Blassgrün dann etwa... verblasste Hoffnung? Nein, die Symbolik klang genauso einleuchtend, wie sie bescheuert war.

Er schloss die Augen und legte den Arm vors Gesicht. Die Sonne stand hoch oben am Firmament und sandte grelle Lichtstrahlen durch die Gardinen ins Zimmer. Licht konnte Lavi momentan am wenigsten gebrauchten. Er kniff die Lider fester zu und lauschte seinem Herzschlag. Auffallend laut und unrhythmisch - Adrenalin?

Wegen was?

Hass? Auf wen?

Yū? Sich selbst? Die Gesamtsituation?

Seine Gefüh-
 

Das Telefon klingelte. Lavi hörte Schritte. Seine Mutter ging ran. Einen Augenblick darauf stand sie in seinem Zimmer.

„Lavi, ist für dich.“

Lavis Augen weiteten sich. Er sprang auf und nahm den Hörer entgegen. Seine Mutter ging aus seinem Zimmer und ein Klacken ertönte, als die Tür im Schloss einrastete.
 

„Yū-chan?!“
 


 

. . . . . . .
 

Lavi sah nach unten. Er schluckte. Sofort wandte er den Blick nach oben in Richtung seines Ziels, das abwartend auf einem der höchstgelegenen Äste stand. Die Höhe saß Lavi im Nacken. Trotzdem ermutigte er sich selbst, jetzt weiterzumachen, einzig aus dem Grund, Yūs Anerkennung zu gewinnen und ihm, wenn möglich, die Arroganz aus dem Gesicht zu waschen.

Lavi war nur noch wenige Meter von Kanda entfernt. Die unbedeutenden Äste, die zwischen ihnen lagen, würde er auch noch erklimmen, so viel stand fest.

„Hast es ja ganz schön weit geschafft, Baka Usagi“, stellte Yū fest. Das Grinsen war ihm schon lange vergangen.

„Nenn mich nicht immer so, das ist gemein, Yū!“

Auf Japanisch klang diese Betitelung noch eine Spur gehässiger, meinte Lavi zu glauben.

„Dann hör du endlich auf, mich beim Vornamen zu nennen! Schon mal was von Respekt gehört?“

Lavi rollte mit den Augen.

„Wir wohnen hier nicht in Japan. Außerdem, wer ist denn hier der Respektlose?!“

Recht hatte er mit allem, was er sagte - davon war nicht nur Lavi überzeugt. Dieser hatte mit der Hand den Ast erreicht, auf dem Kanda stand. Als Yū es bemerkte, wich er einen Schritt zurück und wagte den Baumstamm, der zuvor sicheren Halt gespendet hatte, loszulassen. Er lief den breiten Ast nach außen entlang, um Abstand von Lavi zu gewinnen.

„Guck, wie weit ich’s hoch geschafft habe!“

Lavi zog sich auf den Ast und klammerte sich, als seine Füße - mehr oder minder - sicheren Boden fassten, an den Baumstamm. Kanda fand sein Grinsen wieder.

„Na, traust du dich auch, loszulassen?“

Zur Untermauerung seiner Aussage breitete Yū die Arme aus und demonstrierte, wie sicher er ohne die Möglichkeit, sich irgendwo festzuhalten, auf dem Ast stehen konnte. Wieder wagte Lavi einen Blick nach unten - schwindelerregend. Er biss sich auf die Unterlippe und hörte das schnelle Pochen seines Herzens - als wolle es durchbrechen. Als wolle es ihn dazu auffordern, jetzt auf der Stelle durchzubrechen. Um zu Kanda vorzudringen - das war es das Risiko allemal wert!

„Pah, natürlich trau‘ ich mich!“

Die aufkeimende Unsicherheit verbarg Lavi, während er seine Hände von der Baumrinde löste und langsam den Ast entlang balancierte. Mit jedem Schritt, den er tat, ging Kanda einen zurück, bis der Ast immer schmaler wurde, zu schmal, um sicher auf ihm zu stehen. Yū rührte sich nicht - Lavi hatte ihn in die metaphysische Ecke gedrängt. Er hatte das Spiel verloren. Nur unter verkrampften Brauen warf er die Fehdehandschuhe hin.

„Oookay, du hast ja gewonnen. Bist du jetzt zufrieden, Baka?!“
 

Kanda ging einen Schritt auf seinen Freund zu. Dabei brachte er den Ast ins Wackeln. Lavis Fuß rutschte unter ihm weg.

Er fiel.
 

Y ū ! !
 


 

. . . . . . .
 

Kanda schlug das Fotoalbum zu. Lächerlich, jetzt in der Vergangenheit zu schwelgen. Es gab gerade weitaus Wichtigeres und das nannte sich Gegenwart.

Als Yū aufstehen wollte, sprang Flöckchen ihm wie aus dem Nichts auf den Schoß und mauzte fordernd. Kanda hob eine Augenbraue.

„Was ist, Pissnelke?“, gab er desinteressiert von sich. Die Sache mit der Bettwäsche war noch immer nicht verziehen. Flöckchen stupste die Nase gegen Yūs Brust. Aus ihren Augen sprach Hunger der übelsten Sorte. Wieder mauzte sie, diesmal mehr bettelnd als fordernd. Kanda seufzte.

„...Haustiere sind echt nicht mein Ding. Den dummen Hasen hab‘ ich auch vergrault...“

Yū hob das Kätzchen unter den Vorderbeinchen hoch und trug es in die Küche. Nachdem er ihm Futter in den Napf geschüttet hatte, über den es sofort herfiel, setzte er sich an den Küchentisch und beobachtete das Findelkind schweigend beim Fressen.

Lavi hätte ihn wohl ganz schön angeschissen, wenn er erfahren hätte, dass er vergessen hätte, seine geliebte Katze zu füttern. Kanda legte die verschränkten Arme auf den Tisch und bettete sein Kinn darauf. Wie es der Zufall so wollte, schnitt sein Blickfokus das Telefon, das im Akku stand. Er stierte es verächtlich an. Lavi jetzt schon anzurufen war wie ein indirekter Ausspruch von Schwäche. Unfähigkeit. Vielleicht sogar einem Funken Abhängigkeit. Er würde Lavi ganz sicher nicht anrufen.
 

...er hatte den Hörer bereits in die Hand genommen.

Lavis Hausnummer war gespeichert, obwohl das völlig überflüssig war - er konnte sie ohnehin auswendig. Darauf war er angewiesen, seit Lavi sein Handy Ende letzten Jahres in den tiefsten Tiefen der Toilette ertränkt hatte (in Wahrheit war es ihm einfach nur reingefallen). Kanda suchte den Namen Lavi im Telefonbuch. Es dauerte nicht lange, bis er ihn angeklickt und auf den grünen Knopf gedrückt hatte. Seltsamer Weise hatte er keinerlei Zweifel dabei empfunden. Was er gerade tat, fühlte sich unsagbar richtig an. Armselig und richtig - es war gut so.
 

TUT-TUT-TUT-TUT-TUT-TUT-TUT-TUT . . . . . . .

. . .

. .

.

. . . DIE LEITUNG IST DERZEIT BESETZT. VERSUCHEN SIE ES SPÄTER ERNEUT.
 


 

-:-o-:-
 

„...ach, du bist’s, Lenalee.“

»Ja. Warum hast du Kanda vermutet?«

„N-Nicht so wichtig. Was gibt’s?“

»Naja, ich hab‘ dich schon gestern angerufen, aber deine Mutter hat gesagt, du würdest ein paar Tage wegbleiben... und dein Handy ist ja auch futsch. Gut, dass ich’s heute nochmal versucht hab‘. Hast du Lust, was zu machen?«

„Hmm, weiß nicht, bin eigentlich nicht so in Stimmung...“

»Ach was, wir haben Ferien! Komm, jetzt sei nicht so. In der Stadt hat ‘ne neue Bar aufgemacht, die wollte ich mir unbedingt mal ansehen. Wie wär’s?«
 

. . .
 

»Lavi, bist du noch dran?«

„...Ja, bin ich. Sorry, hab‘ nur kurz nachgedacht. Naja, vielleicht tut’s mir ja ganz gut, ein bisschen rauszugehen.“

»Ehrlich? Super, das freut mich! Gut, dann treffen wir uns doch einfach so gegen 20Uhr im Stadtzentrum.«

„Okay. Bis dann.“

»Bis dann!«
 

TUT-TUT-TUT-TUT-TUT. . . . .
 

Lavi legte den Hörer zur Seite.

Der Ausgang des Telefonats fühlte sich irgendwie... unsagbar falsch an. Konsequent und falsch - vielleicht war es in Ordnung so.
 


 

-:-o-:-
 

Kanda stellte den Hörer zurück ins Ladegerät. Eigentlich glaubte er nicht an Schicksal, aber diesmal war ihm der Begriff ziemlich willkommen, um ihn an weiteren Versuchen, Lavi zu erreichen, zu hindern - es hatte wohl nicht sollen sein.

Wahrscheinlich war es sogar richtig gewesen, den anderen nach Hause zu scheuchen. Lavi hatte sowieso nur im Weg gestanden und war zu nichts Nütze gewesen. Warum sich also eine zusätzliche Belastung im Haus halten, wenn doch schon das eine Haustier genug Ärger machte? Yū schielte zu Flöckchen, die unbekümmert weiterfraß. Hasen waren noch anstrengender als Katzen - man mochte es kaum glauben.

Kanda stand auf. Die Stille schmerzte in den Ohren. Er öffnete den Kühlschrank. Soba. Lavi hatte sie nicht gemocht. Yū liebte sie. Er hatte keinen Hunger.
 


 

-:-o-:-
 

Lavi fand sich erst gegen 20:15Uhr am Treffpunkt ein, wo Lenalee bereits auf ihn wartete. Für Lavi war es üblich, mindestens zehn Minuten zu spät zu einer Verabredung zu kommen, das wusste seine Klassenkameradin nur zu gut.

„Man lässt eine Dame nicht warten“, merkte sie nichtsdestotrotz an, musste augenblicklich darauf aber kichern, weil sie von diesen Klischee-Höflichkeiten noch nie viel gehalten hatte.

„Naja, du kennst mich doch.“

Lavi zwang sich ein Lächeln auf die Lippen, das authentisch genug war, um es Lenalee so hinnehmen zu lassen. Sie trug ihr Haar heute offen; es war lang und schimmerte dunkelgrün in der langsam untergehenden Sonne, deren oranges Licht sich aufs Stadtzentrum stahl. Lavi mochte Grün - die Farbe der Hoffnung.

Lenalee packte Lavi abrupt am Handgelenk. „Komm, lass uns gehen.“

„Okay“, erwiderte er und ließ sich von seiner Freundin, die er damals in der zehnten Jahrgangsstufe kennengelernt hatte, durch die Gassen schleifen.
 


 

-:-o-:-
 

Kanda stand vor Lavis Haustür. Er hasste sich. Mehr als alles andere, und das musste bei ihm schon etwas zu bedeuten heißen. Er fühlte sich schwach und elendig und gedemütigt... von sich selbst. Statt es noch einmal mit dem Telefon zu versuchen, war er einfach durch die Tür marschiert und hatte Lavis Zuhause ins Visier genommen. Das war keine Entscheidung, sondern schon wieder so ein... Affekt. Scheiß Fremdwörter. Lavi hatte tatsächlich irgendetwas in ihm kaputt gemacht.

Auf dem Weg überkamen ihn reihenweise Zweifel und Gedankenschübe, die ihm rieten, das Ganze bleiben zu lassen und auf der Stelle wieder umzukehren. Aber er tat nichts davon.

-Scheiß auf die innere Stimme-, hatte er zu sich selbst gesagt, die Gedanken abgeschüttelt und war weitergelaufen.

Und jetzt stand er vor der Haustür, die nicht minder wie eine Barriere auf ihn wirkte. Kanda hob den Arm und klopfte an. Sein Puls schlug Purzelbäume. Er hasste dieses Gefühl, vor allem, weil kein anderer als Quatschkopf Lavi es in ihm hervorrief - und das mit seiner alleinigen Abwesenheit.

Kanda wartete. Er hörte Schritte im Haus, die erst die Treppe nach unten und dann den Flur auf dem Parkettboden entlanggelaufen kamen. Ein knarzendes Geräusch, das sich grässlich anhörte. Yū schluckte die Aufregung runter, aber sie kam sofort wieder nach oben, als sich die Tür einen Spalt breit öffnete. Grüne Augen sahen hindurch und florentinerrotes Haar fiel vor das anmutige Gesicht.
 

„Oh, Yū, du bist’s.“
 


 

-:-o-:-
 

„Sieht doch ganz nett aus hier, oder?“

Lenalee hatte sich mit Lavi an einen Tisch in der Nische der Bar gesetzt und sah sich jetzt aufmerksam um. Der Raum war mit vielen Leuten gefüllt, aber dennoch recht übersichtlich und keinesfalls überfüllt. Lavi schloss die Hand um sein Getränk.

„Wie kam’s, dass du mich angerufen hast?“, wollte er wissen. Lenalee meldete sich nur selten bei ihm. Sie waren zwar Freunde und gingen in eine Klasse, aber sonderlich viel miteinander zu tun hatten sie eigentlich nicht.

„Ach, ich... wollte dich nur mal wieder sehen. Ist das schlimm?“

Ihrer Frage schloss sich ein zuckersüßes Lächeln an. Lenalee war ein wirklich niedliches Mädchen. Sie trug heute einen knielangen Rock und ein elegantes Oberteil mit Rüschen. Die beigen Stiefel hatte sie wohl neu, denn Lavi sah sie zum ersten Mal an ihr. Seltsam, dass er sich belanglose Dinge wie Kleidungsstücke in Erinnerung behielt, aber jeder hatte seine persönlichen Marotten. Lavi sah zu seiner Freundin auf.

„Nein, natürlich nicht. Hab‘ mich nur etwas gewundert.“

Wieder ein Lächeln. Lenalee erwiderte es... gequält. Sie wandte sofort den Blick ab und starrte in die Menschenmenge. Ihre Züge spannten sich an. Lavi betrachtete ihr Gesicht von der Seite und schwieg einen Moment lang, ehe er nachhakte:

„Stimmt irgendwas nicht?“

Lenalee zuckte zusammen, schien sich erschreckt zu haben. Widerwillens wandte sie sich ihrem Freund zu. Betroffenheit zeichnete ihre Augen.

„Nein, ich...“ Sie schluckte. Hielt inne. Umklammerte mit beiden Händen ihr Glas Cuba Libre. „...es ist nur so, dass...“

Lavi wartete geduldig. Weder am Telefon noch im Stadtzentrum war ihm aufgefallen, dass etwas nicht mit Lenalee stimmte. Sie hatte so unbekümmert und glücklich geklungen; mit seiner miesen Stimmung hatte er sich in ihrer freudigen Anwesenheit beinahe unbehaglich gefühlt. Dabei schien es ihr selbst nicht unbedingt besser zu gehen. Frauen waren wohl bessere Schauspieler als Männer... zumindest für den ersten Augenblick.
 

„...mein Freund hat gestern mit mir Schluss gemacht. Lavi, was soll ich bloß machen, ich hab‘ ihn so geliebt und-“
 

Sie unterbrach sich selbst. Sie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen und begann leise zu schluchzen. Lavi kam sich mit einem Mal ziemlich bescheuert vor. Wegen einer dummen Auseinandersetzung mit Yū-chan, die es der Rede allemal nicht wert war, hätte er Lenalee beinahe abgesagt. Sie hingegen hatte mit etwas weitaus Schwierigerem zu kämpfen.

„Lenalee, das... tut mir echt leid.“

Nach diesem Satz kam er sich noch ein Fünkchen bekloppter vor. Fiel ihm denn dazu nichts Besseres zu sagen ein? Als er Lenalee kennengelernt hatte - das war vor etwa zwei Jahren -, war sie bereits mit diesem Jungen zusammen gewesen. Und jetzt war Sense. Ein für allemal. Gab es dafür überhaupt so etwas wie passende Worte?
 

Sie verbarg ihr Gesicht weiterhin. Lavi stand von seinem Platz auf und setzte sich neben sie. Er legte seinen Arm um ihre bebenden Schultern und drückte sie an sich. Vielleicht ersetzten passende Gesten die passenden Worte. Einen Versuch war es zumindest wert.

Lenalee lehnte sich an Lavis Brust und versuchte sich zu beruhigen. Ihre Tränen versiegten nicht, aber irgendwie tat es gut, sich an der Schulter eines Freundes ‚ausheulen‘ zu können. Sie kam sich beinahe egoistisch vor, als ihr klar wurde, dass sie Lavi wahrscheinlich nur deshalb angerufen hatte. Aber das spielte jetzt keine Rolle.

Lavi musste abrupt an Yū denken.
 


 

-:-o-:-
 

Kanda saß bei sich im Wohnzimmer auf dem Couchbett, in dem Lavi drei Nächte lang geschlafen hatte. Als er vorhin bei diesem zu Hause gewesen war, hatte seine Mutter geöffnet und ihm gesagt, ihr Sohn sei vor einer halben Stunde weggegangen. Sie wisse nicht, wohin, er habe nichts gesagt. Danach war Yū enttäuscht nach Hause gegangen und hatte sich dort angekommen eine Portion Zaru Soba in den Magen gequält. Dabei hatte er sich seine Appetitlosigkeit, die seit Lavis Verschwinden währte, nur bestätigen lassen.

Kanda verstand die Welt nicht mehr.

Er hatte doch nur fünf Tage mit diesem dummen Hasen zusammengewohnt und trotzdem schien er ihn zu... vermissen?! Widerliches Wort, fast so widerlich wie die Fremdwörter, die er von Lavi hatte.

Lavi.

Bei keinem müden Gedankengang blieb dieser dämliche Name aus.

Lavi.
 

Lavi Lavi Lavi Lavi Lavi...
 


 

-:-o-:-
 

Als Lenalee sich wieder ein wenig hatte sammeln können, erzählte sie Lavi alles, was geschehen war. Warum ihr Freund Schluss gemacht hatte, wie plötzlich er damit herausgeplatzt kam und wie schrecklich sie sich gefühlt hatte, nachdem er sie weinend in ihrem Zimmer zurückgelassen und die Tür hinter sich geschlossen hatte. Dabei musste Lavi unwiderruflich an die Szene denken, die sich heute Morgen zwischen ihm und Yū-chan zugetragen hatte. Zwar nicht vergleichbar tragisch, aber doch... vergleichbar.

Die Zeit war wie im Fluge verstrichen. Als Lavi einen Blick auf die Uhr, die hinter der Theke an der Wand angebracht war, warf, war es kurz vor Zwölf. Lenalee schlürfte ihren siebten oder achten Cuba Libre in sich rein, als gäbe es kein morgen mehr.

„Wollen wir so langsam gehen? Es ist schon spät.“

Lenalee nickte resigniert, trank ihr Glas aus und Lavi bezahlte für sie beide. Ein bisschen Klischee-Höflichkeit hat schließlich noch keinem geschadet. Als er bemerkte, dass Lenalee ein wenig unsicher auf ihren Beinen stand, legte er einen Arm um ihre Taille und führte sie durch die Straßen der Stadt.

„Oh man, was musst du dich auch so besaufen? Alkohol ist keine Lösung.“

„Kein Alkohol genauso wenig...“, murmelte Lenalee und Lavi stimmte lachend zu.
 

Es dauerte nicht lange, bis Lavi seine Klassenkameradin nach Hause gebracht hatte - sie wohnte nicht weit von der Stadtmitte entfernt. Er ließ von ihr ab.

„So, ab hier solltest du alleine nach Hause finden“, witzelte er, „oder soll ich dir noch den Schlüssel aus der Tasche kramen?“

Lenalee sah verständnislos zu dem anderen auf. Ihre glasigen Augen schauten bittend in die Lavis.

„Willst du... nicht noch mit reinkommen?“

Auf Lavis Gesicht machte sich Verwirrung breit. Was wollte sie damit bitteschön sagen? Er klopfte ihr mit der Hand auf die Schulter und grinste.

„Du solltest lieber deinen Rausch rausschlafen, oder?“

„Ich bin aber nicht müde...“, murmelte sie und drückte ihr Gesicht an Lavis Brust. „Bleib bei mir, Lavi, bitte.“

Sie umarmte ihn und überforderte ihn gleichzeitig mit der Situation, in die sie ihn gerade brachte. Was auch immer diese Bitte implizierte, würde es sein Gewissen nicht mitmachen, diese einfach abzuschlagen. Aber andererseits...
 

„Das geht nicht, Lenalee. Versteh doch.“

Aber sie wollte nicht verstehen. Sie legte ihre Arme um Lavis Hals und stellte sich auf die Zehnspitzen. Sie küsste ihn. Flüchtig und doch voller Leidenschaft. Sie ließ wieder von seinen Lippen ab.
 

„Lass dich einfach fallen...“
 


 

. . . . . . .
 

„Yū, lass los, sonst fallen wir noch beide runter!“

„Ich lass‘ dich nicht fallen, Baka, für wen hältst du mich eigentlich?“

„Für meinen egozentrischen besten Freund.“

Kanda hatte blitzschnell reagieren und Lavi am Handgelenk packen können, ehe er bedeutsame Meter tief gefallen wäre. Dabei wäre er selbst beinahe vom Ast gerutscht, hatte aber gerade so sein Gleichgewicht halten können. Lavi war schwerer, als er aussah.

„Ich hab‘ Angst, Yū!“

Lavi konnte nur noch nach unten auf den weit entfernten Boden schauen, auf den er bald aufzuschlagen drohte, so meinte er.

„Jetzt siehst du wenigstens ein, dass du ein Angsthase bist.“

Kanda fasste Mut und streckte auch die andere Hand nach der seines Freundes aus, um ihn wieder hochziehen zu können; dabei lief er Gefahr, das Gleichgewicht zu verlieren, da er sich somit nicht am Ast festhalten konnte.

„Dann bin ich eben ein Angsthase, na und? Das wäre niemals passiert, wenn du auch einer wärst!“

Damit hatte Lavi recht. Und zugleich ließ er Kanda einsehen, dass er Schuld wäre, wenn sein Kumpel herunterfallen würde. Ein Grund mehr, es nicht zuzulassen. Nicht loszulassen.

„Ich darf aber kein Angsthase sein.“

Lavi traten Tränen in die Augen. Er versuchte erst gar nicht, sie zu unterdrücken. Kanda brachte alle Kraft, die ihm als Achtjähriger gegeben war, auf und zog seinen besten Freund ein Stück nach oben. Lavi packte mit der freien Hand den Ast und hievte sich mit Yūs Hilfe schwerfällig auf den Baum zurück. Er atmete schwer. Die Tränen auf seinen Wangen ignorierte er.
 

„...und warum nicht?“
 

Kanda wischte sich Schweiß von der Stirn. Er grinste gekonnt.
 

„Damit ich dich beschützen kann.“
 


 

. . . . . . .
 

5. Befehl: Erfüllt! (?)
 

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Obwohl ich Lenalee nicht mag, möchte ich eins klarstellen: Sie-ist-keine-Schlampe! Und ich habe mit dem, was sie da macht, nicht beabsichtigt, dass ihr jetzt so über sie denkt. Was sie macht, ist... menschlich. Wenn man einen geliebten Menschen verloren hat, passiert es nun mal, dass man sich nach Liebe und Zuneigung sehnt und dann Dinge macht, die man später wohlmöglich bereut. Es ist nicht gerade vorbildlich, aber billig ist es auch nicht. Ich hoffe, jeder versteht, was ich meine.
 

Ich mag diese FF überhaupt nicht mehr, sie ist so -Fangirlscream!!11- und... okay, ich könnte an der Stelle noch mehr sagen, aber damit vergraul ich wohl nur die Leser. |D Ich hab versucht, den Schreibstil an den alten Kapiteln anzupassen, denn der hat sich bei mir enorm verändert (zum Glück). Ich würde lieber anders schreiben, aber das wirkt... inkonsequent, wenn man die Kapitel in einem Rutsch liest, lol. Ich will sie aber endlich abschließen, deshalb werden die nächsten Kapitel - hoffentlich - recht zügig kommen.
 

Liebe Grüße

Fujouri

6. Befehl: Sei mein Zuhause!

Und noch ein langes Kapitel! Ich wollte mich zwar ranhalten, doch dann bekam ich auf einmal ganz viele Durarara!!-Schreibflashs... (by the way: Guckt/ lest Durarara!! /Werbung) und dann kam die Klausurenphase und dann hatte ich nicht mal mehr die Zeit.^^“ Najo, hier nun aber endlich das vorletzte Chap.

Viel Spaß!
 

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[Tag 6: Samstag, 18. August 2009, 07:09Uhr - Ein erkenntnisreicher Tag]
 

Lavi fuhr mit seinen Zehen über den weichen Teppich, auf dem seine Füße standen. Er starrte zu Boden, gedankenversunken. Er saß auf der Kante eines Bettes, auf dem er nicht sitzen sollte. Darin lag ein Mädchen, das noch immer friedlich schlummerte. Lavi sah zu ihm herüber.

Lenalee.

Er hatte Gewissensbisse. Diese intensivierten sich, als er aufstand und auf die Tür zulief. Er blieb stehen. Er warf noch einen letzten Blick auf den zerbrochenen Menschen, der sich unter der Decke zusammengekauert hatte und leise atmete. Dann öffnete Lavi die Tür, verschwand aus dem Zimmer, aus dem Haus, aus der Gewissenszone. Er fühlte sich nicht besser. Er musste zu Yū, jetzt, auf der Stelle.

Das würde Lenalee auch sagen.
 


 

. . . . .
 

„Lass dich einfach fallen...“
 

Noch ein Kuss. Länger, intensiver. Fesselnder. Lavi verstand die Welt nicht mehr. Lenalee nahm seine Hand, während sie den Schlüssel aus ihrer Tasche kramte und aufschloss. Sie zog Lavi durchs Treppenhaus in ihre Zwei-Zimmer-Wohnung, die sich im Erdgeschoss befand. Lenalee war vor einigen Monaten von zu Hause ausgezogen und lebte jetzt allein. Bis vor wenigen Tagen hatte ihr Freund sozusagen mit ihr zusammengewohnt, täglich bei ihr übernachtet, aber jetzt war nur noch sie zurückgeblieben. Sie und Lavi - sie erhoffte sich Trost.

Als sie Lavi in ihr Schlafzimmer drängte, hätte dieser am liebsten auf seine innere Stimme gehört, die ihm riet, sich sofort loszureißen und zu verschwinden. Aber mit was auch immer diese Sache enden würde, er konnte Lenalee doch nicht einfach allein lassen - aus ihrem Handeln sprach nichts anderes als blanke Verzweiflung.

Lenalee drückte ihren Klassenkameraden rücklings aufs Bett und beugte sich über ihn. Sie vergrub ihre kühlen Hände in seinem Schopf, als sie ihn in einen erneuten leidenschaftlichen Kuss verwickelte, der nach mehr dürstete. Lavi löste seine Lippen. Für was auch immer er sich entscheiden würde, das schlechte Gewissen bliebe bei keiner Option aus.

„Das ist nicht richtig, Lenalee... Komm, das willst du doch selbst nicht...“

Er war zwar ein Mann, aber ein Arschloch war er nicht. Das konnte er weder sich noch seiner Freundin antun. Als sie ihn mit ihren glasigen Augen ansah, musste er augenblicklich an Yū denken.

„Lavi, ich...“ Sie vergrub den Kopf in seinem Nacken. „...ich weiß nicht, was richtig ist...“

Sie stieß heißen Atem gegen seinen Hals aus. Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Lavis Haut wurde mit Tränen benetzt. Das Rinnsal floss die Halsbeuge entlang unter das T-Shirt. Lenalee atmete stoßweise. Ein Schluchzen bahnte sich einen Weg durch ihre Kehle nach draußen. Wo sie sich zuvor noch über Lavi abgestützt hatte, ließen jetzt ihre Kräfte nach und ihre Arme brachen unter ihr zusammen. Sie sank auf Lavi und dieser schloss die Arme um ihren zitternden Körper.

„Ich weiß nicht, was richtig ist, Lavi, bitte... sag mir, was ich tun soll, alles fühlt sich so... verkehrt an...“

Sie sprach leise, kaum verständlich. Verletzt. Nicht nur ihre Stimme war gebrochen.

„Du könntest als erstes aufhören, mich besoffen zu verführen. Das wär‘ doch schon mal ein guter Anfang, oder?“

Die Chancen, dass Humor in einer derartigen Situation das Richtige war, standen 50 zu 50. Lenalee schien für einen Moment gar nicht zu reagieren. Dann krallte sie sich mit ihren Fingern in Lavis Shirt.

„...t-tut mir leid, Lavi, ich mach‘ wirklich nur Ärger...“

Ihr Weinen wurde lauter - sie konnte es nicht mehr verbergen. Lavi stellte sich augenblicklich die Frage, welchen Umfang der Fleck, den Lenalees Tränenfluss auf seinem T-Shirt hinterließ, maß. Er verdrängte den Gedanken wieder.

„Shht, das wird schon wieder. Du machst mir keinen Ärger.“

Notlügen waren die einzigen Lügen mit Legitimierung. Lavi drehte sich mit Lenalee auf die Seite und drückte sie tröstend an sich. Noch ehe ihr klar werden konnte, dass sie sich langsam wieder beruhigte, war sie eingeschlafen.

Lavi schloss die Augen.
 

Yū...
 


 

. . . . .
 

Vielleicht war es falsch gewesen, Lenalee einfach zurückzulassen. Vielleicht würde sie sich schrecklich fühlen, wenn sie ein weiteres Mal alleine in ihrem großen Bett aufwachen würde. Vielleicht würde sie sich an das, was gestern passiert war, nicht mehr erinnern können und die grausamsten Dinge in ihrem Kopf zusammenspinnen.

Vielleicht, vielleicht, vielleicht, vielleicht...

Sicher hatte Yū gestern mindestens einmal bei Lavi zu Hause angerufen. Sicher war er persönlich vorbeigekommen, wenn er mit dem Telefon keinen Erfolg gehabt hatte. Sicher hatte er heute Nacht kein Auge zugetan. Sicher würde er jetzt in seinem Zimmer sitzen und desillusioniert an die Decke starren. Sicher würde er nur an Lavi denken können.

Sicher, sicher, sicher, sicher...
 


 

*
 

An Kandas Tagesablauf hatte sich seit gestern Morgen nicht mehr viel geändert. Er saß in seinem Zimmer und starrte desillusioniert an die Decke. Er konnte an nichts anderes als an diesen Baka Usagi denken.

Was dieser Trottel wohl gerade machte? Zu Hause war er jedenfalls nicht, zumindest gestern Abend nicht; heute hatte Yū sein Glück noch nicht versucht. Wenn er so darüber nachdachte, wusste er gar nicht, was er Lavi am Telefon sagen sollte, würde er ihn endlich erreichen. ‚Hey, Baka, ich bin’s, komm gefälligst wieder zu mir zurück.‘ - ...wie dämlich. Wie dämlich, sich um sowas überhaupt Gedanken zu machen. Wie dämlich, sich diesen Quatschkopf wieder zurückzuwünschen. Eigentlich war doch genau das eingetreten, was Kanda sich seit Lavis erstem ausgesprochenen Befehl gewünscht hatte: Er soll, verdammt noch mal, schleunigst wieder verschwinden!

Lavi war verschwunden. Sogar zwei Tage vor Gültigkeitsende der Wette. Besser könnte es gar nicht werden. Endlich keine dummen Befehle und Meister-Sklave-Rollenspielchen mehr, auf die Yū mehr als liebend gerne verzichten konnte.

Er konnte nicht auf seinen besten Freund verzichten. Hatte er noch nie gekonnt. Und seit der Wette, die er verloren hatte, war diese Abhängigkeit noch viel schlimmer geworden. Jetzt war es schon so weit gekommen, dass er es keinen einzigen Tag mehr ohne Lavi aushielt.

Oder lag das schlichtweg an der Ungewissheit, wo sich der andere befand? Was er gerade trieb, ob er noch sauer auf ihn war? Ob er sich den Kopf auf ähnliche Weise zertrümmerte, wie Kanda es gerade tat?
 

Vielleicht sollte er einen Anruf wagen...
 


 

*
 

Lavi ballte die Hand zur Faust. Er hob sie an, positionierte sie gegenüber der Fläche, gegen die er sie zu schlagen beabsichtigte. Ein tiefer Atemzug. Der Moment schnürte ihm beinahe die Luft ab. Er atmete aus. Ein Presslufthammer drosch unerlässlich auf seinen Brustkorb ein. In Wahrheit war es sein Herz, das sich einfach nicht halten konnte. Es pumpte Blut in Lavis Schläfen, hemmungslos, hämmernd. Brutal. Wahnsinn schmerzte.
 


 

*
 

Kanda hatte das Telefon in die Hand genommen. Gerade hatte er die Nummer seines besten Freundes eingetippt, als er inne hielt und sein Vorhaben von einer Sekunde auf die nächste verwarf. Es fühlte sich falsch an, nachzugeben. Das war nicht er, Kanda Yū, sondern nichts weiter als sein unüberlegt handelndes anderes Ich, der irrationale Kanda Yū, der emotionale, der, der in seinen besten Freund verl-
 


 

*
 

Lavi klopfte an Kandas Haustür. Einmal, zweimal, dreimal im Takt seines Herzschlages, der taktlos aus dem Rhythmus kam.
 


 

*
 

Yū erschrak.
 


 

*
 

Lavi klopfte in Gedanken an Kandas Haustür. Dabei war es nur seine eigene, vor der er gerade stand. Vor lauter Hektik und Kopfzerbrechen und Zuspätkommen hatte er gestern, als er sich mit Lenalee getroffen hatte, glatt seinen Schlüsselbund vergessen. Das war ihm erst aufgefallen, als er vorhin seine Hosentasche danach abgesucht hatte. Als seine Mutter ihm öffnete, atmete er erleichtert aus und realisierte das Gegenwärtige.
 


 

*
 

Das Telefon begann in Kandas Hand zu klingeln. Yūs Augen weiteten sich, als ihn mit einem Mal die Vorahnung, Lavi rufe ihn an, übermannte. Nachdem er auf das Display geschaut hatte, wurde er jedoch eines Besseren belehrt. Seine Pulsfrequenz fiel genauso schnell, wie sie emporgeschossen war. Er nahm den Anruf entgegen.
 

„Was ist, Lenalee?!“, knurrte er in den Hörer, ohne ein Wort der Begrüßung.

»Hey, Kanda. Ich liebe deinen Sinn für Höflichkeit.«

„Beantworte meine Frage.“ Auf dummen Smalltalk mit seiner Klassenkameradin konnte er getrost verzichten.

»Jaja, schon gut. Ich wollte dich fragen, ob du weißt, wo Lavi ist.«

Lavi. Der Name sprach Bände. Kanda ließ mit der Antwort kurz auf sich warten.

„Keine Ahnung, woher soll ich denn wissen, wo der Kerl ist?“

»Naja, vielleicht, weil du sein bester Freund bist?«

„Das eine erklärt nicht das andere.“ Wenn das Gespräch nicht bald eine andere Richtung einschlagen würde, würden sie noch bis morgen am Hörer hängen.

„Warum fragst du überhaupt?“

»Er... war gestern bei mir gewesen. Also, wir waren erst in der Stadt, was trinken, und sind danach zu mir gegangen... glaub‘ ich. Vermutlich hab‘ ich ihn gestern ganz schön gefordert, obwohl er selbst nicht so gut drauf war. Deshalb wollt‘ ich mich noch mal bei ihm entschuldigen. Aber er ist nicht zu Hause. Hab‘ vorhin angerufen.«

„...Aha.“

Dumme Quasselstrippe. Von den vierundzwanzigtausendirgendwas Sätzen war für Kanda nur der eine wichtig, in dem es hieß, Lavi sei nicht zu Hause. Dieser Kerl machte wirklich nichts als Ärger. Und, halt, hatte Lenalee nicht auch gesagt, er schien gestern schlecht drauf gewesen zu sein? War das etwa Yūs Verdienst? Und warum hatte sich der dumme Hase überhaupt mit diesem nervigen Gör getroffen? Und wegen was entschuldigen? Gefordert? Inwiefern? Vielleicht war von den vierundzwanzigtausendirgendwas Sätzen doch jeder einzelne bedeutend.

-Was zur Hölle hast du mit meinem besten Freund gemacht?!- hätte Kanda am liebsten in den Hörer gebrüllt, aber bevor er auf dumme Ideen kommen konnte, hatte Lenalee wieder zu sprechen begonnen:

»Hm, wenn du auch nicht weißt, wo er ist, werd‘ ich wohl warten müssen. Ich versuch‘ ihn einfach nochmal heute Abend anzurufen oder so. Danke, Kanda.«

„Danke für was?“, murrte er, doch da hatte Lenalee schon mit einem abschließenden und schmierig mädchenhaften »Byebye!« aufgelegt.
 

Wo war Lavi nur abgeblieben?
 


 

*
 

Seine Mutter hatte ihm, gleich nachdem er nach Hause gekommen war, gesagt, dass Lenalee vor Kurzem für ihn angerufen hätte. Lavi wollte sie erst zurückrufen, entschied sich dann aber, damit bis heute Abend zu warten. Er brauchte die Zeit, um sich von dem, was gestern zwischen ihm und ihr vorgefallen war, zu distanzieren. Und das war nicht mal der eigentliche Grund. Der eigentliche Grund war... Yū-chan. Yū-chan, der damit eigentlich überhaupt nichts zu tun hatte. Eigentlich. In Wahrheit hatte er sehr wohl etwas damit zu tun. Ob es ihm gefallen würde zu erfahren, dass Lavi mit Lenalee rumgeknutscht hatte? Wenn auch widerwillig, und von irgendeiner Art von Entgegnung konnte man auch nicht sprechen, aber... es war trotzdem passiert. Lavi fühlte sich nicht nur gegenüber Lenalee schuldig.
 

Sollte er zu Yū gehen und beichten?
 


 

*
 

Kanda knallte die Haustür hinter sich zu und stampfte die Straßen des Wohnortes entlang. So konnte das einfach nicht angehen. Erst hatte Lavi sich mit dieser ollen Schnepfe getroffen, anscheinend auch noch die ganze Nacht über einen mit ihr draufgemacht, sie dann aber genauso wie ihn sitzen lassen und war jetzt - mal wieder - spurlos verschwunden. Kanda stellte sich augenblicklich vor, wie gut seine Faust in Lavis Gesicht passen würde.

Laut Lenalee war dieser Baka Usagi nicht zu Hause. Sei’s drum. Dann würde Yū einfach zu ihm nach Hause gehen und dort auf ihn warten - der perfekte Plan, um den anderen keinesfalls wieder entwischen zu lassen.
 

Sein Herz pochte im Takt seiner Schritte. Er lief verdammt schnell.
 


 

*
 

Lavi musste beichten. Nein, nicht nur das: Er musste Yū-chan endlich sehen. Länger würde er es ohne seinen egozentrischen besten Freund nicht mehr aushalten, das bestätigten ihm Kopf und Herz.

Er hatte vorhin erst das Telefon in Betracht gezogen, um sich zumindest anzukündigen. Dann hatte er den Gedanken wieder verworfen - schließlich handelte es sich hier um Yū Kanda. Oder Kanda Yū, wie dieser es japanischer Weise verbessern würde. Bei Personen wie ihm war es besser, geradewegs aufs Ziel loszusteuern, um ihm gar nicht erst die Chance zu geben, dem Konflikt auszuweichen. Man musste ihn Hals über Kopf damit konfrontieren; darin bestand die einzige Hoffnung auf Erfolg. Und genau deshalb hatte Lavi sich auch dafür entschieden, auf der Stelle zu Yū-chan zu gehen - er war sicher zu Hause. Ganz sicher.
 

Lavi bemerkte gar nicht, dass er vielmehr rannte als lief.
 


 

*
 

Kandas Blick war starr geradeaus gerichtet. Er ignorierte alles Umliegende, mitunter sogar eine rote Ampel, die ihn ganz bestimmt nicht davon abhielt, Lavi so schnell wie möglich zu erreichen. An dem schönen Sommertag waren mehr Menschen als üblich unterwegs; sogar im Wohnort, durch den Yū lief, streifte er so manche Schulter, die ihm im Weg war. Aber das war jetzt auch egal. Alles war egal. Alles außer...
 


 

*
 

...die Person, in die Kanda soeben hineingelaufen war.
 

Lavi. ? ? ! !
 

Die jungen Männer rissen in etwa zeitgleich die Augen auf und starrten einander an. Verständnislos. Betroffen. Hilflos. Lavi schluckte die Fassungslosigkeit runter.

„Y-Yū-chan...!“

Kanda wich augenblicklich einen Schritt zurück. Die grünen Augen, in denen sich sein Gesicht reflektierte, sahen auf einmal so fremd und unsagbar schön aus. Smaragdfarben? Die Sonne ließ sie funkeln. Yū öffnete den Mund und suchte seinen Kopf nach Worten ab. Aber er fand keine. Seine Kehle war trocken und er blieb unfähig, die Situation zu entschärfen. Zum Glück kam Lavi ihm entgegen.

„I-Ich, ich war gerade auf dem Weg zu dir und... ist alles in Ordnung, Yū?“

Lavi musterte sein Gesicht. Er begann zu grinsen. Nicht frech, sondern... berührt.

Kanda war rot geworden. Wenn auch nur dezent, aber Lavis aufmerksamen Augen entging nun einmal nichts. Als Kanda sich seiner eigenen Emotionen bewusst wurde, wandte er sich sofort ab.

„Bekommt dir die Hitze nicht, Yū-chan?“, witzelte Lavi, und beide wussten, dass das bei Weitem nicht der Grund war.

„Halt’s Maul, Baka!“, keifte Yū seinen besten Freund an, doch in Wahrheit wünschte er sich, Lavi würde noch ewig weiterreden - wie sehr er diese nervige Stimme doch vermisst hatte. Er verschränkte die Arme und wandte sich dem anderen wieder zu. Nun führte nichts mehr daran vorbei, ein höchstwahrscheinlich peinliches Gespräch in die Gänge zu leiten.

„Deine dumme Freundin hat vorhin angerufen und macht sich Sorgen um dich. Du solltest dich besser mal bei ihr melden, bevor sie sich wieder bei mir ausjammert.“

Lavi zog eine Augenbraue hoch. „Lenalee? Hat dich... angerufen?“

„Hab‘ ich doch eben gesagt, Idiot!“ Lavi wollte etwas sagen, sich rechtfertigen, Lenalees Anruf irgendwie erklären, aber Kanda sprach weiter, ehe er zum Zuge kam. „Mir ist es scheißegal, was du gestern Nacht mit ihr getrieben hast, aber sorg wenigsten dafür, dass deine ganzen Liebschaften am nächsten Tag nicht zu mir angerannt kommen, nur weil du Mist gebaut hast!“

Yū war stocksauer. Ein bisschen auf Lavi, aber vor allem auf sich selbst. Auf sich und dieses verdammt erdrückende Gefühl, das sich in seiner Brust breitmachte, je mehr er seinen eigenen Hypothesen Glauben schenkte. Lavi sollte sich nachts nicht mit irgendwelchen Mädchen treffen. Hätte er ihn nicht aus seinem Haus verbannt, wäre das erst gar nicht passiert. Lavi hätte bei ihm bleiben sollen - die vollen sieben Wetttage, wie ausgemacht war. Und vielleicht noch ein bisschen länger...

„Ich hab‘ nichts mit ihr ge...-trieben, wir waren nur was trinken und...“ Lavi stockte. Lügen waren gerade absolut fehl am Platz. Aber was sollte er auch sagen? -Ich hab‘ mit Lenalee rumgemacht, weil sie mich dazu genötigt hat.- oder -Da lief schon was zwischen uns, aber jetzt bereue ich es!- ...?! Nichts weiter als hohle Phrasen. Lavi griff sich an die Schläfen.

„Lass uns erst mal wieder runterkommen, okay? Da weiterzumachen, wo wir gestern aufgehört haben, bringt’s jetzt auch nicht.“

Kanda musste sich eingestehen, dass Lavi recht hatte. Außerdem wollte er nicht wieder einen Streit anzetteln, sondern diesen vielmehr schlichten. Wie auch immer das Ganze ein Ende nehmen würde, es war an der Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen.

Yū nickte mit einer Spur Betroffenheit in den Augen. Er fuhr sich durchs lange Haar und strich eine Strähne glatt. Er wagte nicht, seinen besten Freund anzusehen, als er ein „Wenn du willst, können wir wieder zu mir gehen...“ murmelte und sich, ohne eine Antwort des anderen abzuwarten, in Bewegung setzte. Lavi schlurfte ihm schweigend hinterher, und das alles fühlte sich ungemein seltsam an... seltsam und richtig.
 


 

*
 

„Warum hast du das Bett so gelassen?“

Mehr als das fiel Lavi nicht zu sagen ein, als er sich in Kandas Wohnzimmer wiederfand und das Couchbett anstarrte, das noch immer einen ziemlich zerwühlten Eindruck machte.

„Keine Ahnung“, antwortete Kanda schulterzuckend, obwohl er das Bett ganz bewusst so gelassen, wie Lavi es verlassen hatte.

„Ganz schön untypisch für Mister Ordnungsphilie“, amüsierte sich Lavi mit einem erzwungenen Kichern, das darauf folgte. Er hasste angespannte Momente wie diesen, doch ihn zu entschärfen, funktionierte in diesem Fall mit keinem trivialen Witz, sondern nur mit einem ernsthaften Gespräch. Kanda ignorierte Lavis Verzweiflungstat und verschränkte mal wieder die Arme vor der Brust. Lavi sah seinen Freund abwartend an.

„Also, hast du irgendwas zu sagen?“, fragte Kanda mit aufgesetzter Monotonie, obwohl ihm selbst so vieles zu sagen einfallen würde, aber all diese Gedanken über die Lippen zu bringen, war eine andere Geschichte.

„Naja, ich...“ Lavi überlegte mühsam. „...du hast mich gestern rausgeschmissen. Und die Wette gekappt. Ich dachte, damit hätte sich der ganze ,Dir-sieben-Tage-lang-auf-die-Nerven-gehen‘-Kram erledigt. Oder holt dich jetzt etwa der Stolz ein und du willst die Wette wieder für gültig erklären?“

„Che! Und wenn es so wäre?“ Es war nicht so. Das wusste Kanda nur zu gut, aber eingestehen konnte er es sich selbst beinahe weniger als Lavi. Andererseits wäre Lavis Vermutung eine nette Ausrede, um der Wahrheit zu entgehen.

- ...war es überhaupt möglich, dieser Wahrheit zu entgehen?

„Dann würde ich dir das nicht glauben“, beantwortete Lavi nicht nur die Frage, die Kanda artikuliert hatte. Dieser biss die Zähne aufeinander und löste die Verschränkung seiner Arme. Er ballte die Hände zu Fäusten und spürte, wie sich darin Schweiß bildete. Er öffnete die Fäuste wieder und glitt mit den Handflächen über die Hosenbeine. Er hasste diese Art von Anspannung - das stellte er in diesem Moment fest, da er sie zuvor noch nie empfunden hatte. Fremdartiges durchbrach die bevorzugte Routine.

- ...war diese Routine überhaupt so vorbildlich, dass es nicht nötig war, ihr eine Brise Abenteuer einzuverleiben?

„Yū? Du sagst ja gar nichts mehr.“ Lavi klang ungeduldig. Kanda sah nachdenklich und verbittert zugleich zu ihm auf.

„Nein, es ist nur...“ Blockade. An der Stelle weiterzusprechen, würde alles zunichte machen. Er musste stoppen. Diesen unerträglichen Irrsinn, der durch seinen Kopf spukte, stoppen! Er durfte nichts weiter sagen, es würde ohnehin nach hinten losgehen. Kanda ließ sich mechanisch aufs Couchbett plumpsen. Er machte sich nicht die Mühe, die langen Haarsträhnen, die ihm bei der Bewegung vors Gesicht gefallen waren, wegzustreichen. Ehe er sich mit der Frage auseinandersetzen konnte, wie er sich am besten aus der Sache rausreden könnte, war Lavi vor ihm in die Hocke gegangen und hatte seine Hände auf Yūs Knie gelegt. Er sah mit seinen grünen Augen treudoof zu ihm auf.

Grün - die Farbe der Hoffnung. Lächerlich. Die Hoffnungslosigkeit kristallisierte sich aus der Gesamtsituation heraus. Andererseits...
 

„Yū-chan, ich bin dir mit Lenalee fremdgegangen. Es war viel harmloser, als es klingen mag, aber es tut mir trotzdem leid. Wirklich!“
 

Kandas Ausdruck spiegelte Fassungslosigkeit. „...Was?!“

Als ihm klar wurde, dass er auf diese Frage, die vielmehr nach einem Ausruf klang, keine Antwort bekommen würde, sprach er bemüht weiter: „Von was zum Teufel redest du? Fremdgehen? Wie willst du mir bitteschön fremdgehen?!“

Das ausschlaggebende Wort ‚Fremdgehen‘ hallte noch eine Weile in seinem Kopf wider, bis Kanda dessen Inhalt verstand. Auf einmal verschwand die Bizarrerie, die zuvor von Lavis Worten ausgegangen war, und wurde mit einem Hagel von Antworten auf das, was sich heute ereignet hatte, ersetzt. Lenalees Anruf. Das hatte sie also mit seinem besten Freund gemacht. Oder er mit ihr. Oder-
 

„Bist du jetzt böse auf mich?“
 

Lavi gab Yū nicht die Gelegenheit, seine vorigen Gedanken zu Ende zu denken, sondern bombardierte ihn sofort mit Stoff für neue. Die Frage überforderte Kanda unübersehbar. Was gab es darauf bitteschön zu antworten? Stand es nicht völlig außer Frage, dass ihm das Ganze scheißegal sein konnte?

- Es war ihm alles andere als egal. Ein zweites Mal am heutigen Tag stellte Kanda sich augenblicklich vor, wie gut seine Faust in Lavis Gesicht passen würde. Er kam zu dem Schluss, dass sie verdammt gut hineinpassen würde. Weil alles verdammt gut passte. Viel zu gut.
 

„Baka, natürlich bin i-“
 

Und weiter kam er nicht. Lavi hatte sich nach oben gestreckt und Kandas Mund mit seinen Lippen versiegelt. Er krallte die Finger in Yūs Hosenbeine und drängte sich näher an ihn heran. Kanda standen die Augen offen, verblüfft, schockiert, verständnislos. Er meinte zu spüren, wie seine Füße taub wurden und das Blut in seinen Adern für den Bruchteil eines Augenblickes gefror. Lawinen von Gedankenfragmenten überfluteten ihn. Vor seinem inneren Auge flimmerten Fetzen von Bildern, undefinierbar, sie waren verzerrt und surreal, genauso wie alles andere, was er gerade um sich herum wahrnahm. Er presste die Lider fest aufeinander, um die Bilder verschwinden zu lassen, aber je mehr er sich gegen sie auflehnte, desto intensiver drängten sie sich ihm auf. Und irgendwann puzzelten sich die Fetzen wie von allein zusammen und ergaben ein Ganzes. Kanda entspannte sich etwas. Er sah nur noch Lavi. Quatschkopf Lavi, mit dem wuschelig roten Schopf und den smaragden Augen, in denen Hoffnung glühte.
 

Lavis Griffe lockerten sich. Er löste sachte seine Lippen und bettete den Kopf in Kandas Halsbeuge. Die Haarspitzen kitzelten Yūs Ohr. Er zuckte kaum merklich zurück. Er behielt die Augen noch eine Weile geschlossen und lauschte Lavis Atmen; es war das Einzige, das den Raum mit Klängen füllte. Kanda hasste es, diesen Moment zu genießen.
 

„Yū-chan?“

„...was?“ Kandas Entgegnung ertönte als leises Keuchen. Er hatte die Augen inzwischen geöffnet und starrte indigniert auf die gegenüberliegende Wand. Er war Lavi dankbar, dass er die Stille brach. Dieses prekäre Schweigen stand beiden nicht sonderlich.

„Die Wette... was ist damit? Ist die noch gültig?“ Kanda überlegte. Er hatte die Wette völlig vergessen - den Grund, weswegen das Ganze zustande gekommen war. Die Antwort ließ kurz auf sich warten. „...ich weiß nicht. Kommt drauf an, was du damit anstellen willst.“

„Was willst du denn, das ich damit anstelle?“

Lavis Fragerei konnte auf Dauer ziemlich an den Nerven nagen. Sein Kopf schmiegte noch immer an Kandas Halsbeuge und der heiße Atem traf auf die empfindsame Stelle. Yū überkam ein sanftes Schaudern. Er hielt seine Antwort für dämlich, bevor er sie kundgegeben hatte: „Befiehl mir, dich wieder einziehen zu lassen.“

Lavi zog eine Augenbraue hoch, während er seinen Kopf von Kanda zurückzog und ihm verwirrt-amüsiert ins Gesicht sah. „Du befiehlst mir, dir einen Befehl zu geben?“

Yū verschränkte sofort die Arme und heuchelte Gleichgültigkeit. Er wandte den Blick ignorant ab und ließ ein „Che!“ verlauten, ehe er sich äußerte:

„Wenn du nicht willst, kannst du’s auch bleiben lassen, ist mir scheißegal! Ich wollte eh schon vom ersten Tag an, dass du wieder nach Hause gehst!“

Lavi grinste verschmitzt. Er liebte es, wenn Yū-chan sich über sich selbst aufregte. Er stand auf und wuschelte Kanda, der noch immer auf dem Couchbett saß, durchs lange Haar, bis einzelne Strähnen nach oben hin abstanden. Yū ließ es sich erstaunlicher Weise gefallen; einzig sein wuterfüllter Blick verriet Abneigung.

„Du bist so knuffig, Yū-chan. Ich wusste gar nicht, dass du so viel Mist reden kannst, wenn du verknallt bist.“

„W-Was?!“, presste Kanda hervor und bemerkte vor Entsetzen nicht einmal die Röte auf seinen Wangen. Er wollte aufschnellen, doch Lavi, dessen Hand noch immer auf Yūs Kopf ruhte, drückte ihn zurück und vergrub seine Finger unter den Haaren.
 

„Ich befehle dir, mich wieder hier einziehen zu lassen. Bis die Zeitspanne der Wette um ist, also noch den gesamten morgigen Tag!“ Er grinste keck. „Verstanden, Sklave?“
 

Kanda pfiff Luft durch die Zähne. Er verzichtete auf einen verächtlichen Kommentar und ließ sich wortlos von Lavi durchs Haar kraulen. Wo er vor wenigen Tagen bei einer solchen Geste noch Demütigung und Abscheu verspürt hatte, empfand er jetzt Wärme und Offenheit. Er hasste es, es nicht zu hassen.

Auf einmal kam Flöckchen angetapst und streifte Lavis Bein. Er interpretierte das als Zeichen, dass sie ihn vermisst hatte. Er nahm das Kätzchen auf den Arm.

„Oh, hab‘ ich dir gefehlt, Flöckchen? Keine Sorge, ich lass‘ dich nicht mehr mit Yū-chan und seinen stinkenden Soba allein, versprochen!“

„Was heißt hier ‚stinkende Soba‘, du Toastfresser?“, bemerkte Kanda harsch und stand jetzt auch auf. Als ihm klar wurde, dass das mehr oder minder ernste Gesprächsthema vor Kurzem sein Ende gefunden hatte, fühlte er sich erleichtert - alles schien wieder beim Alten. Andererseits...

„Was bleibt mir auch anderes übrig, wenn du hier kasernenmäßig Soba lagerst? Wenn ich das Zeug jeden Tag esse, bekomme ich irgendwann Magenbeschwerden.“

Lavi setzte Flöckchen wieder auf dem Boden ab. Er wandte sich Kanda zu, grinsend, wie immer. „Und, Schatz, Lust, ‘ne Nummer zu schieben?“

Yū wären soeben die Augen aus den Höhlen gefallen, sofern er sich in einem schlechten Cartoon befunden hätte. Er öffnete den Mund, aber kein Sterbenswort erklang. Er stockte. Lavis Grinsen wurde noch breiter. Er stupste Kanda mit dem Zeigefinger gegen die Stirn, schien sich daraus einen schlechten Scherz zu machen.

„War doch nur’n Witz, Yū. Ich wollte dein bedeppertes Gesicht sehen.“

Und das tat er auch. Kandas Wangen zierte eine dezente Röte. Ein drittes Mal am heutigen Tag stellte er sich vor, wie gut seine Faust in Lavis Gesicht passen würde. Wieder zog er denselben Schluss. Er unterdrückte ein Lächeln. „Du bist der größte Idiot, den ich kenne, Lavi.“

Es tat gut, seinen Namen auszusprechen. Am liebsten würde er es so oft wie möglich tun. Hintereinander. Eine Endlosschleife starten. Lavilavilavilavilavilavi...
 


 

-:-o-:-
 

Es war spät geworden. Lavi war auf eigene Faust einkaufen gegangen, weil er den sobaverseuchten Haushalt nicht als Nahrungsquelle nutzen konnte. Und erneut verzweifelt auf Toast umzusteigen, hatte er gar nicht eingesehen. Sie hatten beide gegessen und Lavi hatte auf weitere dumme Bemerkungen, die seinen Schatzi eventuell zur Weißglut hätten treiben können, verzichtet. Bis jetzt. Es war ein Fehler seitens Kanda gewesen, sich darauf einzustellen, dass alles wieder beim Alten war.

„Neh, Yū-chan, darf ich heute Nacht wieder bei dir schlafen?“

Kanda wollte gerade in seinem Zimmer verschwinden und hielt jetzt inne. „Du kannst mich mal.“

„Und wenn ich es dir befehle?“ Hartnäckig wie eh und je.

„Darauf scheiß ich!“, herrschte Yū ihn an und wusste, dass Lavi es nicht dabei belassen würde.

„Und wenn ich mich einfach zu dir lege, wenn du eingeschlafen bist?“ Nervig wie eh und je.

„Ich schließ‘ die Tür ab!“ Kanda ließ sich nicht länger aufhalten, verschwand geradewegs in sein Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu. Er schloss nicht ab - das hätte Lavi gehört.

„Ach Yū-chan, jetzt sei doch nicht wieder eingeschnappt!“ Lavi schlich grinsend auf die Tür zu und öffnete sie vorsichtig. Kanda hatte sich bereits entnervt aufs Bett geworfen und besah den anderen mit einem feindlichen Blick. „Hab‘ ich nicht gesagt, du sollst im Wohnzimmer bleiben?!“

Lavi zog einen Schmollmund. „Aber du hast die Tür nicht abgeschlossen. Das hab ich als Einladung interpretiert.“

„Dann bist du verdammt schlecht im Interpretieren. Ich dachte, es sei nicht nötig.“ Lavi zuckte auffällig mit den Schultern. „Dann bist du verdammt schlecht im Denken.“

Nach diesen Worten sprintete er los und sprang zielsicher auf Kanda drauf, ehe dieser auch nur im Entferntesten reagieren konnte. Er umarmte ihn von hinten. „Denkst du, du wirst mich so einfach los? Du bist so naiv, Yū-chan!“

„Verpiss dich, Baka!“, befahl Kanda und wandte sich, sodass er auf dem Rücken unter Lavi lag, der keine Anstalten machte, der Aufforderung nachzugehen. Wenn hier jemand die Befehle gab, dann ja wohl er! Yū versuchte Lavi von sich zu drücken, aber nach wenigen Anläufen gab er nach und fand sich Widerwillens mit der Misere ab. Lavi grinste triumphal. Er beugte sich mit seinem Gesicht zu dem Kandas und hauchte ihm einen flüchtigen Kuss auf den Mund. Viel zu schnell und unerwartet, und Yū ließ es geschehen, ohne es zu erwidern.

„So gesehen muss ich bei dir schlafen, denn drüben im Wohnzimmer würde ich nur wieder wachliegen. Das willst du doch nicht, oder?“

„Nein...“, murmelte Kanda, drehte den Kopf zur Seite und besah den anderen aus den Augenwinkeln. Lavi war ein verdammtes Nervenbündel. Und einen Besuch beim Friseur hatte er auch mal wieder nötig, fiel Kanda abrupt auf, als ein paar rote Strähnen in seinem Gesicht landeten. Er rümpfte die Nase, strich die Haarspitzen weg und schloss die Augen. Er wollte diesen viel zu ereignisreichen Tag endlich hinter sich bringen. Und wenn nun statt Flöckchen sein 1.79 Meter großer bester Freund auf ihm lag, dann war es nun einmal so. Zumindest war dieser stubenrein und würde ihm nicht ins Bett pinkeln. Vermutlich.

Lavi gähnte Yū ganz besonders laut und herzhaft ins Ohr, ehe er auch die Augen schloss, mit der Vermutung, die absolut beste Schlafposition seines Lebens für sich entdeckt zu haben. Kanda war da anderer Meinung. Egal war es ihm trotzdem. Die Hauptsache war, dass Lavi jetzt wieder hier war - zu Hause. Bei ihm.

Wenn möglich, für immer.
 

6. Befehl: Erfüllt!
 

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Tadaa! Kuss-Szene und so. ;D

Das nächste Kapitel wird purer Fanservice und man könnte es eher als den Vorreiter eines Epiloges bezeichnen. Ich könnte es auch weglassen, aber dann hätte ich ja die sieben Wetttage nicht ausgefüllt. |D Deshalb wird es geschrieben, aber eigentlich ist die Geschichte schon ab hier abgeschlossen. Najo...
 

Liebe Grüße

Fujouri

7. Befehl: Erlaub mir, dich zu lieben!

[Tag 7: Sonntag, 19. August 2009, 11:08Uhr - Der letzte Tag (?)]
 

Als Lavi aufwachte, war er allein. Statt dem, den er sich erhofft hatte, umklammerte er die Bettdecke und zerknautschte diese dabei gnadenlos. Er seufzte in den geblümten Stoff. „Yū-chaaaaan~…“

Er schielte zur Digitaluhr, während er die Decke noch fester an sich drückte. Und mit einem Mal verstand er die Welt nicht mehr. Hatte er wirklich so lange geschlafen? Das sah ihm in Anbetracht seines Problems doch gar nicht ähnlich. Trotzdem war es ihm gelungen, nicht nur in fremder Umgebung einzuschlafen, sondern diesen Zustand sogar über die 7:00 Uhr-Grenze aufrecht zu erhalten. Wenn Lavi die Fakten genauer betrachtete, fiel ihm ein, dass es zwei Tage zuvor nicht anders gewesen war. Magie? Vielleicht war Yū-chan der Wächter seines erholsamen Schlafes… - dummer Gedanke.

Lavi rollte sich aus dem Bett und die Schlaftrunkenheit überfiel ihn wie ein Handtaschendieb. Mit tapsigen Schritten quälte er sich über die Türschwelle in den Flur und startete die Suche nach dem Objekt seiner Begierde, das sich allem Anschein nach aus dem Staub gemacht hatte, während er im Land der Träume gewesen war. Besagtes Objekt ließ sich allerdings ohne großartige Schwierigkeiten aufspüren, wofür es sich wohl selbst die Schuld zuschreiben konnte.

„Fuck! Scheiße, verdammt!“

Lavi visierte das Bad an. „Yū-chan, alles in Ordnung?“

Ehe Kanda die Chance zu antworten bekommen hatte, hatte Lavi auch schon die Tür aufgerissen und starrte perplex auf das Szenario, das sich seinen Augen darbot. „…ähm, Yū, ich will ja nicht aufmüpfig sein, aber warum… stehst du im Katzenklo?“

„Che, warum wohl?! Weil es im Weg steht, ist das nicht offensichtlich?! Hättest du Flöckche-, ich meine, diese Katze doch niemals hier angeschleppt! Wer hat das Ding überhaupt hier hingestellt?!“

„Das warst du.“ Lavi rümpfte die Nase und konnte sich mit Biegen und Brechen ein lautes Loslachen verkneifen.

„Jaja, wie auch immer, jetzt verschwinde endlich. Hat dir deine Mutter nicht beigebracht, anzuklopfen, bevor man reinkommt?!“

„Hm, diesen überaus wichtigen Lebensabschnitt scheine ich wohl verdrängt zu haben. Und außerdem“ Lavi breitete die Arme aus, nur um diese sogleich um einen sehr wütenden Kanda zu schließen. „breche ich jede Höflichkeitsregel, um meinem Schatz einen guten Morgen zu wünschen~.“

Katzenscheiße am Fuß und einen peinlichen Idioten am Rest des Körpers kleben zu haben, war wahrscheinlich die bestsellerreifeste Romantikszene seit Titanic. Nicht.

„…LAVI!!!
 


 

*
 

Ein guter Start in einen guten Tag - das war es, was Kanda nun getrost von seinem Tagesplan streichen konnte. Zumindest ersteres, denn der Verlauf der nächsten dreizehn Stunden stand noch in den Sternen - auch wenn Kanda wegen Lavis Anwesenheit in die vermeidenswerte Zukunft zu sehen glaubte. Ein mit Soba gefüllter O-wan zum Frühstück konnte das bevorstehende Unheil zwar nicht wettmachen, aber zumindest für ein wenig Abhilfe sorgen, weswegen Yū sich sogleich sein Leibgericht zubereitete. Lavi verdrehte die Augen. „Mein Gott, frisst du das Zeug immer noch Twenty Four/Seven? Ich frag‘ mich, wie dein Magen das aushält…“

„Du warst nur einen Tag lang weg, denkst du etwa, so schnell ändert sich was? Mein Vorrat hält noch für ‘ne ganze Weile. Also friss du lieber deinen Toast weiter, wenn du schon zu unfähig bist, eine richtige Delikatesse wertzuschätzen.“

Nach seiner Predigt wandte Kanda den Blick ab und zeigte sich ignorant wie eh und je. Lavi blieb für einen Moment reglos stehen, bevor er ergiebig seufzte und seine Aufmerksamkeit auf den Toaster lenkte.

„Ach, übrigens…“ Kanda verzog keine Miene; er lukte lediglich über den O-wan hinweg. „solltest du nicht mal deine Verabredung von vorletzter Nacht anrufen? Sie sehnt sich bestimmt schon nach dir.“

Lavi blinzelte und sah zu Yū herüber. Dann grinste er süffisant. „Höre ich da etwa einen Klang von Eifersucht in deiner Stimme?“

„Che, keinen Meter! Ich wollt’s nur mal erwähnt haben, mehr nicht.“

„Okay, okay. Gut, dass du mich dran erinnerst. Nicht, dass sie sich noch Sorgen macht oder so… Ich hoffe, sie ist nicht sauer auf mich.“

„Und? Kann dir doch egal sein“, raunte Kanda und sog darauf eine einzige Nudel in den Mund. Er beäugte das Muster der Tischdecke auffallend inbrünstig. Lavi meinte ihn erneut ertappt zu haben:

„Ach, Yū-chan, mach dir nicht so viele Gedanken. Du weißt doch, mein Herz schlägt nur für di-“

„Klappe, Baka Usagi!“
 


 

*
 

Lavi musterte die Buchstaben neben der Klingel. ‚Lee‘ ergaben sie als Ganzes, und Lavi versuchte vergeblich, sich die passenden Worte zurechtzulegen. Angerufen hatte er nicht. Auch wenn er es in Erwägung gezogen hatte, sogar kurz davor gewesen war, es dann aber doch hatte bleiben lassen, nachdem ihm zwei ‚TUUUTs‘ aus dem Hörer das Freizeichen verkündet hatten. Telefonische Entschuldigungen schicken sich schließlich nicht. Obwohl die andere Option - die persönliche - weitaus schwieriger zu bewerkstelligen ist.

„…Lavi?“

Lavi zuckte zusammen, als er seinen Namen hörte. Lenalee stand plötzlich vor ihm. Sie trug Boxershorts und ein verwaschenes Shirt, das ihr augenscheinlich drei Nummern zu groß war. Hatte er etwa geklingelt? In Trance…?!

„L-Lenalee, äh, schön dich zu sehen…!“, presste er notgedrungen hervor und blickte in ein deutlich erstauntes Augenpaar.

„Warum stehst du vor der Haustür?“

„Eh, hatte ich nicht geklingelt?“ Lavi kratzte sich am Nasenflügel. Lenalee kicherte.

„Nein, hast du nicht. Ich wollte eben nur die Post reinholen.“ Sie lief an Lavi vorbei zum Briefkasten, schloss ihn auf und entnahm die täglich-lästigen Werbeprospekte für Möbel und Elektronikgeräte, die sie sich sowieso nicht leisten konnte.

„Lenalee, ich…“ Sie wandte sich um, während sie die Prospekte in der Hand zusammenrollte. „wollte mich eigentlich bei dir entschuldigen, weil ich gestern Morgen einfach… naja, die Fliege gemacht hab‘, als du noch geschlafen hast. Also… tut mir leid.“

Lenalee musste lächeln. Sie stellte sich ihrem Klassenkameraden gegenüber und legte eine Hand auf seine Schulter. „Wie süß von dir, dass du extra dafür vorbeigekommen bist. Aber keine Bange, ich war nicht sauer auf dich gewesen. Wegzugehen war schon die richtige Entscheidung gewesen. Eigentlich müsste ich mich bei dir entschuldigen, weil ich dich so vollgesülzt und penetriert habe.“

Sie schmunzelte, als sie an das Geschehene zurückdachte.

„Ach was, war halb so wild. Geht’s dir denn jetzt wieder besser?“

„Ja, könnte man so sagen… denke ich.“ Ein unsicheres Lächeln. Dann stieß sie die Haustür auf und trat beiseite. „Willst du nicht reinkommen? Auf ein paar Schokomuffins? Hab‘ ich sogar selbst gebacken!“

Lavi zog die Augenbraue hoch und besah Lenalee unter skeptisch-scharfem Blick. „Und diese Aussage soll mich jetzt denken lassen, dass die Teile genießbar wären?“

Ehe Lenalee die Backen plustern und Einwände erheben konnte, war Lavi auch schon über die Schwelle getreten und hatte seiner Freundin beim Vorbeigehen einen sanften Klaps gegen den Hinterkopf gegeben.
 


 

*
 

Das Ticken der Uhr war unüberhörbar laut. Das mochte vielleicht daran liegen, dass der Rest des Hauses in eine Totenstille getaucht war, mit der Kanda beim besten Willen nichts anfangen konnte. Genauer gesagt, nicht mehr. Vor einer Woche war Geräuschlosigkeit noch die eigentliche Musik in Yūs empfindsamen Ohren gewesen. Aber sechs Tage Lavi live in action war abhärtender, als ein Spielplatz voll herumkreischender Kleinkinder es je sein könnte. Und Kanda war dankbar dafür, dass es so war.

Was ihm hingegen absolut nicht in den Kram passte, war Lavis spontaner Aufbruch zu Lenalee. Ein simpler Anruf hätte es schließlich auch getan. Aber nein, Lavi musste natürlich gleich in die Vollen gehen und die Sache persönlich klären. Typisch für ihn. Typisch bescheuert.

Kanda starrte die Uhrzeiger an - sie schienen stillzustehen, obwohl das Ticken laut und deutlich zu hören war. Yū seufzte, als ihm klar wurde, warum seine gefühlte Zeit so langsam verstrich. Er stand auf und war im Begriff, einen Abstecher ins Einkaufszentrum zu machen, um den Kühlschrank ein wenig auf Vordermann zu bringen. Immerhin würden seine Eltern morgen wiederkommen, und es machte sie sicher stutzig, ausschließlich Fertigfraß - allem voraus Soba - in der Küche vorzufinden, nachdem sie ihren Sohn gerade mal eine unbedeutende Woche allein gelassen hatten. Ein Image, das es schleunigst umzugestalten galt. Kanda verließ das Haus.
 


 

*
 

WAS, du hast ihn geküsst?! Und, wie hat er reagiert?“

„Hm… so ziemlich gar nicht. Ich glaube, er stand unter Schock.“

Lenalee zupfte energisch ein Stück von ihrem Muffin ab und stopfte es in den Mund, während Lavi dabei war, seine Lovestory der etwas anderen Art zu erzählen. „Wow, und ich wär‘ jede Wette mit dir eingegangen, er würde dir eine reinhauen.“

Lavi lachte verlegen. „Du stellst ihn dir schlimmer vor, als er ist. In Wahrheit ist Yū-chan nämlich der netteste Mensch der Welt, aber das würde er niemals zugeben!“

„Jaa… glaub‘ ich dir aufs Wort!“, warf Lenalee ein und rollte die Augen. Gleich darauf wurde sie wieder ernst. „Dann bin ich ja praktisch schuld, dass ihr euch gestritten habt… Na toll, jetzt ist mir das, was ich mit dir abgezogen habe, noch peinlicher als vorher…“

„Ach was“, beschwichtigte Lavi sie, „wirklich gestritten haben wir uns ja gar nicht. Und im Grunde warst du sogar die Triebfeder dafür gewesen, dass wir uns richtig zusammenraufen konnten. Eigentlich müsste ich dir für deine Betrunkenheit sogar dankbar sein!“

„Dann bedank dich beim Cuba Libre, er wird es sicher zu schätzen wissen.“

Innerlich atmete Lenalee auf. Mal wieder vergegenständlichte Lavi ihr, warum sie so gut mit ihm auskam. Es war diese Besonderheit an ihm, aus jeder noch so ernsten Angelegenheit einen Scherz zu machen. Über alles lachen zu können und die Spannungen praktisch aus der Atmosphäre zu verbannen.
 


 

*
 

Schon das fünfte Mal, seit er das Haus verlassen hatte, holte Kanda sein Handy hervor und prüfte die Uhrzeit. Und jedes Mal, nachdem er das getan hatte, fiel ihm ein, dass es ungemein lächerlich war. Vielleicht war Lavi inzwischen wieder von Lenalee zurück. Vielleicht stand er gerade unter der Dusche, trat beim Rausgehen - ebenso wie er heute Morgen - ins Katzenklo, lachte - anders als er heute Morgen - lauthals darüber und servierte sich daraufhin das wohlmöglich hundertste Toast am jetzigen Tag. Vielleicht zerbrach Yū sich völlig umsonst den Kopf und alles war in bester Ordnung.

Den kleinen Abstecher in die Stadt hatte er umsonst gemacht - erst durch die geschlossenen Geschäfte wurde er daran erinnert, dass heute Sonntag war. Bis auf ein paar Kleinigkeiten, die er in der überteuerten Tankstelle hatte erbeuten können, war er also leer ausgegangen und trat mit einer nicht ganz so vollbepackten Einkaufstüte den Nachhauseweg an. Als er vor der Kreuzung stand, entschloss er sich, geradeaus weiterzulaufen, die Einkaufstasche zu Hause in die Ecke zu pfeffern und Lavi wegen [insert tausend Gründe, die sich quasi von selbst bereitstellten] anzumotzen. Stattessen bog er nach links ab und verfluchte sich in Gedanken bereits für seine waghalsige und hirnverbrannte Entscheidung.
 


 

*
 

„War echt lieb von dir, dass du vorbeigekommen bist“, sagte Lenalee, während sie mit Lavi die Wohnung verließ und die Tür des Treppenhauses öffnete, „Wir können uns diese Ferien ja noch mal treffen, wenn dich das erste Mal nicht allzu sehr abgeschreckt hat.“

„Ich bin psychisch geschädigt, und das bis in alle Ewigkeit“, witzelte Lavi, und sie beide standen nun draußen vor der Haustür.

„Naja… und vorausgesetzt, Kanda hat nichts dagegen.“ Nach dieser Bemerkung zwinkerte sie Lavi schmunzelnd zu. Dieser winkte ab. „Er wird schon nicht dran zugrunde gehen. Solang er seine Soba hat, ist er glücklich.“

Sie standen sich noch einen kurzen Moment gegenüber und schwiegen. Dann sah Lenalee zu Lavi auf, und ehe er sich versah, umarmte sie ihn. „Danke, Lavi…“

„Danke für was?“ Verdutzt tätschelte er ihren Rücken.

„…kann ich nicht benennen. Einfach: Danke.“

Beide überkam ein breites Lächeln. Doch als Lavi über Lenalees Schulter hinwegsah, verging ihm dieser Gesichtsausdruck auf der Stelle wieder.
 

„Oi, Lavi!!“

„Y-Yū-chan…!“
 

Kanda hatte Lenalee augenblicklich am Arm gepackt, von Lavi weggezerrt und sich dazwischengestellt, bevor auch nur einer der beiden registrieren konnte, was gerade geschah. „Hast du vor, heute wieder hier zu übernachten, oder kriegst du deinen Arsch noch in Bewegung und kommst nach Hause?!“

Lavi und Lenalee sahen einander unverwandt an, ehe ersterer sich räusperte: „…bist du extra hierhergelaufen, um mich zurückzuholen?“

„Che, natürlich nicht!“, verneinte Kanda sofort, „Ich war einkaufen... soweit es der Sonntag zugelassen hat.“ Er deutete auf die Einkaufstüte, die er wenige Meter vor der Haustür stehen gelassen hatte. „Naja, und danach bin ich hierhergelaufen, um-“

„-mich zurückzuholen? Gott, bist du vielleicht paranoid! Noch nicht mal einen vollen Tag zusammen und schon hast du Verlustängste.“

„Wir sind nicht zusa- …ach, halt einfach die Klappe!“

„Nö, warum sollte ich? Heute Morgen habe ich dir ja noch vorsichtig versucht klarzumachen, dass du… ähm, eifersüchtig bist. Hättest du mal lieber auf mich gehört.“

„Du denkst aber auch, du seist der Mittelpunkt allen Lebens, was?“

„Nein, nur der Mittelpunkt deines Lebens!“

Lenalee fand sich in der ersten Reihe eines äußerst interessanten Streitgespräches vor, das mit so manchen ihrer Eltern konkurrieren konnte. Sie hielt die Hand vor den Mund, um das Kichern zu verbergen.

„Wie auch immer, jetzt komm mit, oder soll ich die Wette wieder annullieren?“ Nicht nur Lavi wusste, dass Kanda das niemals machen würde. „Außerdem kommen meine Eltern morgen wieder, also wie wär’s wenn du ein bisschen aufräumst? Schließlich bist du für das ganze Chaos verantwortlich!“

„Nur die Ruhe, Yū-chan. Als Chaos würde ich das nicht bezeichnen, es ist lediglich… etwas unordentlich im Wohnzimmer.“

„Nicht nur im Wohnzimmer“, korrigierte Yū sofort. Dann warf er Lenalee einen abschätzenden Blick zu, weswegen sie hastig nach Worten suchte.

„Ähm, Jungs? Also, ich geh‘ dann mal wieder rein und… so. Also viel Spaß noch!“ Sie öffnete die Haustür. „Byebye!“ Und ließ sie hinter sich zufallen.
 


 

*
 

„Du hättest mich ihr wenigstens noch tschüss sagen lassen können.“

Lavi schüttelte eines der Kopfkissen durch, während er auf dem bereits eingeklappten Sofa im Wohnzimmer saß. Kanda wischte derweilen über den vor wenigen Minuten noch voller Müll beladenen Couchtisch. „Sie hat tschüss gesagt, reicht doch.“

Lavi verdrehte die Augen und war kurz davor, es dabei zu belassen. Aber sein Wesen entschied sich dagegen. „…hast du wirklich geglaubt, ich fang‘ was mit Lenalee an? Wir sind nur Freunde, mehr nicht. Das solltest du eigentlich wissen.“

„Ich hab‘ gar nichts gedacht“, sagte Kanda monoton und hoffte, dass das Thema damit abgeschlossen war. Doch Lavi bohrte weiter:

„Wenn du nichts gedacht hast, warum bist du dann extra zu ihr gekommen, um dich zu vergewissern? So viel Mühe machst du dir doch sonst nicht.“

„Nein, ich hab nur- …Könnten wir vielleicht mal über was anderes reden?! Oder noch besser: Die Klappe halten und aufräumen?!“ Kanda begann die Oberfläche des Tisches so kräftig zu schrubben, dass seine Fingerknöchel hervortraten.

„Ist doch nichts Schlimmes dabei, Yū-chan. Ich will nur, dass du es zugibst.“

Kanda verkrampfte die Brauen. „Was zugibst?!“

Lavi knautschte das Kissen in seine rechtmäßige Form und platzierte es am Fußende der Couch. Dann setzte er sich aufrecht hin und starrte Yūs Rücken an. „Na, dass du eifersüchtig warst!“

„Che!“, machte Kanda wie erwartet, „Wie soll ich zugeben, etwas zu sein, das ich nicht bin? Du redest mehr Scheiße als sonst, Lavi.“ Er wagte nicht, sich umzudrehen. Als Lavi eben das klar wurde, stand er auf und umarmte Yū plötzlich von hinten. Dieser riss die Augen weit auf.

„Komm schon, sag es, Yū-chan~“, hauchte Lavi ihm ins Ohr und bettete den Kopf in seinen Nacken.

„Vergiss es!“ Kanda hatte inzwischen mit Wischen aufgehört und den Putzlappen in der geballten Faust zerdrückt. Lavi schmiegte sich an seinen Rücken und sein heißer Atem traf auf die dünne Haut seiner Halsbeuge. Yū hasste sich dafür, noch bevor er es ausgesprochen hatte:

„Ja, verdammt, natürlich war ich eifersüchtig!! Als ich euch beide gesehen hab, hätte ich Lenalee am liebsten umgebracht… und dich auch! Jetzt zufrieden, Baka?!“

Lavi grinste glorios: „Wow, ich hab‘ gedacht, ich muss dir erst befehlen, es zu sagen. Ja, jetzt bin ich zufrieden. Also… fast.“

„Und, was willst du jetzt noch?“, fragte Kanda genervt, machte aber weiterhin keine Anstalten, sich aus der Umarmung zu befreien. Lavi beugte sich über Yūs Schulter und musterte seine Augen. Dann beantwortete er die Frage:

„…nur noch das.“ Er drehte Kandas Kopf zu sich und küsste ihn. Ziemlich intensiv und innig, und Yū wusste nicht so recht, wie ihm zumute war, obwohl er sich eine solche Aktion seitens Lavi eigentlich hätte denken können. Doch ehe Kanda sich entscheiden konnte, ob er es aufhalten oder erwidern sollte, hatte sein Freund die Lippen gelöst und die Arme noch fester um ihn geschlossen. Kanda schluckte.

„Ich hasse dich, Lavi.“

„Das weiß ich doch, Yū-chan. Das weiß ich doch.“

Er grinste. In Wahrheit wusste er etwas völlig anderes. Und Kanda ebenso.
 

Morgen würde der Wettgewinn sein Ende finden. Lavi würde wieder nach Hause gehen und dort seine Mutter statt seinen besten Freund auf die Palme bringen. Yū würde weiterhin den größten Langweiler abgeben, den die Sommerferien zu bieten hatten, das Wetter nicht genießen, die freie Zeit nicht ausnutzen und sich allmählich wieder in sein kandatypisches Leben einpendeln. Die Action von letzter Woche würde der Vergangenheit angehören.

Würde.

…wenn Kanda und Lavi es nicht besser wüssten.
 

- Sie wussten es besser.
 

7. Befehl: Erfüllt!
 

---
 

Hier das allerletzte Kapitel von Anything you want (das ich u.a. im Freibad geschrieben habe XD)! Es kommt nur noch ein reflektierender Epilog in Kandas Sicht und dann kann ich diese FF endlich als "abgeschlossen" markieren. Vielen Dank an alle, die das hier bis zum bitteren Ende mitverfolgt und kommentiert haben. <3 Schaut doch auch mal in meine LavixKanda-OS-Sammlung rein.
 

Fujouri.

Epilog: Mein Leben hat begonnen

Okay, okay, ignoriert meine Ansage im letzten Nachwort - ich hab‘ mich nun doch für Lavis Perspektive entschieden, weil ich dann viel mehr reflektieren kann. Außerdem hat Yū-chan schon den Prolog bekommen & wir wollen ja fair bleiben. |D

Jetzt viel Spaß mit dem letzten Bisschen dieser FF!
 

---
 

Sieben Tage können so kurz sein - vor allem, wenn man sie mit Yū verbringt. Aber es hat Spaß gemacht. Und ich habe es nicht bereut, meinen Wettgewinn so genutzt zu haben. Alles andere wäre ja auch langweilig gewesen.

Yū-chan meinte zwar, ich hätte ihm die schlimmste Woche seines ganzen Lebens bereitet, aber das glaube ich ihm nicht. In Wahrheit ist er sicher froh darüber, dass ich ein wenig Pepp in seine lahmen Sommerferien gebracht hab‘. Außerdem, wenn er es so schrecklich fand, warum hat er mir dann angeboten, noch ein wenig länger zu bleiben? Ständig widerspricht er sich und merkt es nicht mal. Das ist so süß an ihm.
 

Im Übrigen hat er mir sogar - wenn auch widerwillig - Recht geben müssen, was die Sache mit Flöckchen betrifft. Ja, Flöckchen, sie heißt jetzt wirklich so! Yū-chan hat endlich nachgegeben! Jedenfalls wird er sie behalten, und davon musste ich ihn nicht mal überzeugen. Er will es so. Von wegen ‚Ins Tierheim abschieben‘ oder ‚Den Nachbarn schenken‘. So schnell können sich Meinungen ändern. Seine Eltern waren auch nicht abgeneigt, sondern - im Gegenteil - hellauf begeistert von dem neuen Familienmitglied gewesen. Und dass Flöckchen nun dort bleibt, war nur ein Grund mehr gewesen, Yūs Angebot wahrzunehmen und ihm noch ein bisschen länger auf die Nerven zu gehen.
 

Er beschwert sich ständig über meine Unordentlichkeit und dass ich sie auf sein Zimmer projiziert habe. Er ist jedes Mal kurz davor, mir eine reinzuhauen, wenn ich über seine geliebten, ekelhaften Soba herziehe. Ich glaube, am liebsten würde er mir den Fraß kiloweise eintrichtern, nur um mich davon zu überzeugen, dass sie eine ‚wahre Delikatesse‘ sind, die man auch als solche behandeln soll. Er leidet wirklich unter Geschmacksverlust. Er kann es auch nicht abhaben, wenn er morgens an die Zimmerwand gedrängt aufwacht, weil ich circa fünfundachtzig Prozent seines Bettes für mich eingenommen habe. Dass ich ihm im Schlaf die Decke stibitze, sie dann irgendwann auf die Seite trete und meine Arme stattdessen um ihn schlinge. Er hasst es, sich dann nicht mehr bewegen zu können. Oder zu wollen. Er könnte es, aber er will mich nicht aufwecken, meint er im Nachhinein immer. Das sei gegen seine Prinzipien. Nicht gegen seine Prinzipien ist allerdings, die Augenbrauen ganz besonders auffällig zu verkrampfen, wenn ich ihm sage, dass ich mich mit Lenalee treffe. Ich biete ihm ja immer an, mitzukommen, aber mehr als sein „Che!“ kann ich als Antwort natürlich nicht erwarten. Er ist so schwierig.

Doch wenn es etwas gibt, das ihn am meisten aufregt, dann ist es ein Kuss von mir. Ein plötzlicher - ohne Vorwarnung, versteht sich. Mittlerweile hat er sich abgewöhnt, dabei die Augen aufzureißen und den Atem so lange anzuhalten, bis ich aufhöre. Stattdessen schmälert er nur noch die Lider und starrt mich vorwurfsvoll an. Als würde ich gerade einen verdammt großen Fehler begehen. Aber das macht mir nichts aus. Was tatsächlich in ihm vorgeht, weiß ich nur zu gut. Besser als er wahrscheinlich.
 

Sicher wird Yū niemals das erwidern, was er erwidern will, und erst recht wird er niemals das sagen, was ihm schon seit Tagen - Wochen? - auf der Zunge liegt. Er wird weiterhin seine Mauer in Form von verschränkten Armen vor mir errichten, mir eiskalt den Rücken zudrehen, wenn wir uns schlafen legen, und mich spätestens in drei Tagen nach Hause schicken, weil er die Nase voll davon hat, ständig in mein Gesicht sehen und dabei an die Worte denken zu müssen, die er verzweifelt zu umgehen versucht.
 


 

„Ach, Yū-chan… ich liebe dich.“

-

„Schnauze, Baka Usagi!“

- 【Der Beginn Tausender Anfänge】 -
 

---
 

Herzlichen Glückwunsch, ihr seid heil ‘unten’ angekommen. :)

Das ist übrigens die erste etwas längere FF, die ich abgeschlossen habe - schade, dass es keine meiner neueren ist, aber ich bin trotzdem stolz drauf! Den Prolog hatte ich auch Ende Juli geschrieben… 2oo9! Ich habe ein Jahr für 7 Chaps + Pro- und Epilog gebraucht... das sagt vieles über mich aus. -.-

Naja, wayne. Ich will euch nicht weiter belästigen. Bedankt hab‘ ich mich ja schon im letzten Chap. Also hinterlasse ich hier lediglich liebe Grüße und noch viel Spaß mit DGM & KandaxLavi im weiteren Fangirl-Leben. ;)
 

Fujouri



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Kommentare zu dieser Fanfic (76)
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Von: abgemeldet
2015-01-03T12:42:25+00:00 03.01.2015 13:42
Ich muss immer noch wie blöd vor mich her schmunzeln.
Einfach herrlich diese FF zu den beiden.
Ich hab jedes einzelne Kapitel genossen und es war wirklich nie langweilig!
Man konnte sich das ein oder andere super vorstellen und du hast die beiden super getroffen.
Ich kann gar nichts negatives einwerfen, außer vielleicht es hätte mehr sein können?!xD
Wobei von den längen her war es eigentlich super ^^
Am besten hat mir mit unter das Kapi mit Flökchen gefallen, so wie die kleine Vergangenheitsgeschichte + alle anderen eigentlich auch >o<

Ich kann nur sagen es hat echt Spaß gemacht diese FF zu lesen danke <3
Von:  Kuare
2012-10-03T16:00:49+00:00 03.10.2012 18:00
Wow, das Kapitel war wirklich spannend.

Ich finds gut, dass du abwechselnd aus Lavis und Kandas Perspektive geschrieben hast, das hat es wirklich interessant gemacht, vor allem die Szene wo Lavi klopft und Kanda erschrickt und man eigentlich denkt, Lavi steht vor seiner Tür.

Was mir aber negativ auffällt sind die vielen Fremdwörter, die manchmal einfach fehl am Platz wirken und teilweise tatsächlich auch fehl am Platz sind, weil sie laut google an der Stelle manchmal überhaupt keinen Sinn ergeben - oder zumindest nicht in meinem Kopf, weil ich nicht weis wie dus meintest :/

(Z.B.: "Prämisse" oder "digniert")- ich glaub hier gilt echt - weniger ist mehr. (was nicht für die Szenen gilt, wo betont wird das Yu sich da was von Lavi abgekuckt hat - das war irgendwie cool

Ansonsten sehr schöne Story bisher. ^^
Von:  Kuare
2012-10-03T14:33:22+00:00 03.10.2012 16:33
Na, gut das Lavi nicht auf den Mund gefallen ist, aber wenn ich nicht wüsste das es noch ein paar mehr Kapitel gibt, würd ich behaupten, der nächste Morgen wird sein letzter werden xD

P.S.: Ich hab bei all unseren Katzen noch nie erlebt das irgendeine je ins Bett gemacht hätte. Eigentlich sind Katzen von Haus aus stubenrein - sobald sie nur mal das Katzenklo in der Wohnung gesehen haben :/
Von:  Kuare
2012-10-03T14:00:24+00:00 03.10.2012 16:00
NEEEEEEEEEEIN - Du...du...wie kannst du mir das antun ?! O.o
argh *versucht das Katzenklo-Lied aus dem Kopf zu verbannen* -> *scheitert*
Ganz ehrlich...jetzt gerade...hass ich dich wirklich _ _ ''

- aber ich les trotzdem weiter *schnuff*

Von:  Kuare
2012-10-03T13:30:02+00:00 03.10.2012 15:30
Hihi, ich mag deine Art zu schreiben.
Du hast einen guten Sinn für Humor und bei manchen Sachen könnt ich mich echt einfach nur wegschmeissen lol.

Nur der "dumme Hase" kam jetzt an der Stelle grade ein bisschen komisch, aber man weis ja woher es kommt. ;) *mal weiter lesen geht*
Von:  Mismar
2011-04-11T05:05:55+00:00 11.04.2011 07:05
So
Also ich kann nur sagen, ich habe diese Geschichte geliebt, vom Inhalt her und vom Stil natürlich
Ich mochte eigentlich wirklich alles, vor allem fand ich sie toll, weil der Inhalt "einfach" war, also nichts, wo großartig was passiert, um Spannung zu erzeugen, Spannung war so oder so da
Und ab hier hat sich meine Meinung immer noch nicht geändert: Will mehr von dir, nun lese ich die OS~
Von:  Mismar
2011-04-11T05:04:01+00:00 11.04.2011 07:04
Das war wirklich ein süßes Kapitel XD und auch überraschend mit Lee, dass sie so gelassen reagiert hat :´D
Aber es ist auch gut so, dass die am Ende normal wie immer und nicht schwul reagiert haben, weil irgendwie machen das viele, dass die plötzlich ein Charakterumschwung kriegen und voll anders (schwul) vom Verhalten her sind
Von:  Mismar
2011-04-08T15:43:22+00:00 08.04.2011 17:43
Das Kapitel war wahnsinnig goldig, ich liebe es <3 genauso sehr wie alle anderen auch XD
eigentlich kann ich mich nicht mehr äußern, außer, dass du es schaffst eine einfache Handlung so interessant und humorvoll zu gestalten ^^
Von:  Mismar
2011-04-08T15:41:23+00:00 08.04.2011 17:41
Lenalee du schl*** duschlampe ^^
Ne, aber hey, ich glaube so eine Anmerkung muss echt am Rande, wer weiß, was hier für Leser im Netz sind :´D
Finde ich allerdings besser, als wenn so etwas von Allen oder einem anderen männlichen Chara aus passiert wäre, das wäre mir in dem Sinne doch zu schwul gewesen
Ansonsten mochte ich das Kapitel richtig ^^ Besonders die Vergangenheit, deine Story löst in mir dieses Kawaaaaiii-Faktor!! aus XDD
Njo, wollte dir mal ein Fangirlie-Comment an dieser Stelle machen ;D genug gehuldigt, würde ich sagen
Von:  Mismar
2011-04-07T10:02:27+00:00 07.04.2011 12:02
Kanda ist irgendwie total der Freak XD wie der sich aufregen kann, ach, da kann man nichts anderes machen außer zu lachen :´D
Aber irgendwie total niedlich das Ende und tragischer, was hinterher passieren wird (habe ein Stück weitergelesen ._.)
Egal, ich freue mich jedes Mal aufs Neue, diese FF zu lesen, sie gehört absolut zu meinen Favos <3<3<3
*unkonstruktives Comment ever aufschreib*


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