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Assoziatives Schreiben

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Satz 12 - Das Teufelskind

Er packte sie mit beiden Händen um die Kehle und schüttelte sie wie ein tollwütiger Hund.

„Hör auf!“, schrie er dabei, blickte ihr in ihre leeren Augen, doch sie kicherte weiter. Er wusste nicht was er tun sollte, blickte in seiner Panik nach links und nach rechts, dann wieder in diese abscheulichen leeren Augen. Sein Griff verstärkte sich, doch sie schien es nicht zu stören. Kein Hecheln, kein Flehen und kein Betteln.

Hinter sich knarzte die Tür und auf einmal rissen ihn zwei Hände auf den Boden.

„Werner spinnst du?“, schrie ihn seine Frau an und zerkratzte ihm dabei das Gesicht. Als sie genug gewütet hatte, sprang sie schnell auf und packte ihre Tochter, zog sie an ihre Brust und wog sie sanft umher.

„Keine Angst mein Schatz“, flüsterte sie dabei schnurrend, „Mama ist jetzt hier. Ich werde die Polizei holen, damit er dir nichts mehr tun kann.“

Mit tränenden Augen blickte er vom Boden auf. Sah seine Frau, wie sie den kleinen Teufel hin und her wiegte. Sah sie denn nicht den Schwanz und die Hörner?

Seine Tochter allerdings blickte ihn weiterhin mit ihren toten Augen an und sagte schließlich:

„Siehst du. Ich habe es dir gesagt.“ Sie fing wieder an zu kichern. In diesem Moment stand die Mutter auf und rannte mit ihrer Tochter aus dem Zimmer, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Werner stand auf und wollte hinter her. Wollte seiner Frau erklären was vorgefallen war, doch er hörte nur wie die Tür verriegelt wurden. Irgendetwas wurde verschüttet und ein widerlicher Geruch stieg ihm in die Nase. Dann begann das Knistern und Knacken. Die Tür wurde warm. Feuer!

War es etwa so? Hatte seine Tochter recht gehabt? Er sah sich um. Die Fenster waren verriegelt und dies hier war der fünfte Stock. Viel tun konnte er nicht mehr. Ein Telefon gab es nicht, aber das Kichern des kleinen Monsters blieb ihm in den Ohren.

Mutter und Tochter standen draußen vor dem brennenden Haus. Die Feuerwehr war noch nicht eingetroffen, aber ihre Wohnung brannte bereits voll aus und Werners Schreie waren verklungen. Die anderen Nachbarn versammelten sich um sie herum. Alle waren bestürzt.

„Gabi, wo ist dein Mann?“, fragte eine ältere Nachbarin.

„Er kam nicht mehr raus“, sagte die Mutter monoton, „ich habe nur das Kind retten können. Das Feuer hatte uns abgetrennt.“

„Oh je, die Ärmste steht unter Schock“, flüsterte die Alte einer anderen Frau zu.

Gabi nahm ihre Tochter auf den Arm und flüsterte ihr ins Ohr:

„So, jetzt gibt es nur noch dich und mich, mein Engel. Wir können jetzt tun lassen was wir wollen.“

„Ich weiß“, antwortete ihre Tochter mit tonloser Stimme.

Gabi freute sich diesen Irren endlich losgeworden zu sein, doch eine Sache störte sie noch.

„Engelchen, was meintest du vorhin damit, als du zu Papa gesagt hattest ‚Siehst du, ich habe es dir ja gesagt‘?“

„Ach das“, die Kleine begann wieder zu kichern, „ich hatte Papa erzählt, dass du nie zu Freundinnen Kaffee trinken gegangen warst, sondern dich für andere Männer ausgezogen hast. Ich habe Papa gesagt, dass du dich bei ihm langweilst, aber ihn nicht verlassen wirst, bis du genug Geld zusammen hast. Und ich habe Papa gesagt, dass wenn es soweit ist, bringst du ihn um. War alles wahr.“

Die Mutter ließ entsetzt ihr Kind fallen, das mit dem Kopf auf einem Stein aufschlug und sofort tot war. Doch sie hätte schwören können, dass ihre Tochter während dem Fallen gekichert hatte.

Sonderaktion: Die Hexe vom See

Es gibt einen See. Tief im württembergischen Land. Wo einst Herzog Ludwig herrschte. Überall stehen auch heute noch diese filigranen barocken Gebäude. Einige protzig und überladen, andere fein und von herrlicher Verzierung. Inmitten dieser ludwigsburgerischen Schönheit gibt es einen See. Einst angelegt von dem Herzog um dort seine Ferien zu verbringen. Umringt von uralten hohen Bäumen und geziert mit einem kleinen Lustschloss. Inmitten dieses Sees gibt es eine Insel. Auf dieser steht eine Kapelle. Vom Ufer sieht man manchmal die Glocke, die dort hängt. Betreten darf keiner diese Insel. Angeblich sei sie Naturschutzgebiet. Doch ich weiß es besser. Ja, ich weiß, was sich dort versteckt hält. Hi hi…

Es war einmal vor vielen Jahrhunderten im Herzogtum von Carl Eugen eine Hexe.

„Crunsch, Crunsch… schmeckt das gut“, sie zog gierig die Haut vom leblosen Körper, „lecker.“

Die Hexe zog nachts durch die Dörfer und stahl kleine Kinder, um ihre Haut abzuschälen und diese zu essen.

„Schlürf, schluck… das zergeht auf der Zunge wie Seide.“

Sie war gefürchtet und gejagt, doch keiner erwischte sie. Wenn die Sonne sank, verriegelten die Eltern Fenster und Türen. Schlugen Bretter an den Kamin. Doch die listige Hexe fand immer ein ungeschütztes Haus. Besonders die Kinder der adligen schmeckten gut. Die Haut war zart und nicht mit Hornhaut überzogen.

„Oh, schon alle. Hab‘ aber noch Hunger.“

Wenn sie gegessen hatte, legte sie den Kadaver des Kindes zurück ins Bettchen. Dort fanden die Eltern am nächsten Morgen die Leiche. Die Haut abgezogen, die Haare abgescherrt und die Augen ausgedrückt.

„Augen sind saftig.“

Eines Nachts kam sie so auch in die Stadt Ludwigsburg. Leise tapste sie durch die Straßen, bewunderte die Bauten der Reichen. Schließlich sah sie auch ein offenes Fensterchen. Besorgte sich eine Kiste und kletterte in das Fenster. Drinnen sah sie nur ein altes Großmütterchen liegen. Mit gerümpfter Nase verließ sie das Kämmerchen. Weiter auf der Suche nach leckerer Kinderhaut. Bald schon nahm ihre empfindliche Nase auch den Geruch eines Kindes auf. Er kam aus dem hintersten Zimmer des Flures. Freudig gurrte die Hexe leise und schlich sich leise zu dieser Tür. Dieser herrlich süße Duft zarter Kinderhaut ließ ihr das Wasser im Mund zusammen laufen. Leise knarrte die Tür beim Öffnen. Im Kinderbettchen erblickte sie das junge Mädchen. Die Brust hob und senkte sich regelmäßig. Langes blondes Haar umrahmte das rosa Gesicht. Andächtig näherte sich die Hexe dem Bett und schob langsam das störende Haar beiseite. Die Haare hielten nur den süßen Duft zurück. Jetzt musste es schnell gehen. Sie zog aus ihrer Schürze ein Fläschen, indem eine blaue Flüssigkeit vor sich hin schwabbelte. Noch einmal bog sie sich vor und zog den Geruch des Mädchens ein. Doch halt! Irgendetwas stimmte hier nicht. Dies hier war kein süßer Frühlingsduft. Nein, der Körpergeruch dieses Mädchen war herb und würzig. Kräftig und beißend. Hier lag kein Mädchen! Die Hexe erkannte zu spät die Falle des Herzogs. Der Junge öffnete die Augen und schnellte vor. Die spitze Klinge traf die Hexe in die Brust. Erschrocken trat sie ein paar Schritte zurück. Sodann ging alles schnell.

„Sie stirbt nicht!“, schrie der Bengel, der nun aufsprang und das Licht anzündete. Sein wallendes Haar flog zu Boden und die hässlichen braunen Haare kamen zum Vorschein. Im Licht erkannte die Hexe, woher der süße Duft kam, der das ganze Haus erfüllte. Überall standen Parfümflaschen offen herum und lockten mit ihrem süßen Inhalt. Die Soldaten umzingelten sie. Stachen ihr immer wieder in den Körper und fesselten sie. Der Herzog trat hervor. Auch er duftete wie ein junges Mädchen. So wie der ganze Rest der Schaar.

„Herr! Sie ist nicht tot zu kriegen.“

„Dann müssen wir sie wegschließen. Bringt sie nach Eglosheim.“

Auf der Insel in Mitten des Sees wurde extra eine kleine Kapelle errichtet. Dort brachte man die Kinderfresserin hin. Mit brennenden Fackeln wurde die Hexe dort inmitten der Nacht an die Wand gekettet. Direkte vor ihrem Kopf befand sich die Glocke, welche fünfmal am Tag zum Gebet läutete. Über die Jahre hinweg, wurde die Hexe angeblich wahnsinnig von ihrem Klang. Andere sagen, man höre des Nachts wie die Glocke läutete. Mit dem Kopf schlug die Hexe gegen sie, damit sie endlich wieder ohnmächtig werden würde, denn schlafen konnte sie nicht. Das war der Fluch, den ihr die Priester des Herzogs ausgesprochen hatten.

Was die Priester und auch die Bewohner Eglosheims nicht wussten, war, dass die Arme der Hexe vor lauter Hunger anfingen zu wachsen. Und sie wuchsen durch die Lücken hinaus unter die Wurzeln der Bäume hinein in den See. Dort in der Tiefe harrten sie still aus. Waren manchmal gar schon von allerhand Getier zerfressen, bis wieder im Sommer die Kinder kamen und mit den Ruderbooten auf dem See herumfuhren.

Niemals darfst du dein Kind mit dem Boot dort fahren lassen, denn dann schnellen die Hände der Hexe aus dem Wasser und ziehen das arme Kind in die Tiefe. Dort bleibt es bis es Mitternacht ist und die Hexe es zu sich in den Turm ziehen kann. So hörst du sie wieder:

„Crunsch, Crunsch… schmeckt das gut.“

„Schlürf, schluck… das zergeht auf der Zunge wie Seide.“

„Oh, schon alle. Hab‘ aber noch Hunger.“

Freudig lacht sie dann in die Nacht. Hi hi…

Satz 15 - Glück made by Henry Teufel

Ständig wurde er von Minuten, Stunden, Tagen, Monaten, Jahren, Jahrhunderten und Äonen verfolgt. Er konnte machen, was er wollte. Er rannte, kämpfte und plagte sich ab, doch die Zeit wollte nicht stillstehen. Wieder stand er von dem Spiegel und betrachtete seinen Körper. Suchte nach Falten und Muskelschwund. Sein Körper war ein Prachtexemplar. Durch tägliches Stählern im Fitnessstudio war sein Körper mit Muskeln überwuchert und jede Partie definiert. Sein Gesicht war makellos. Glatt und rein. Doch schon nächste Woche wäre die nächste Ladung fällig. Er sah sie schon. Die ersten Ansätze der Falten, die immer wieder kommen wollten. Wann hatte er erst die letzte Spritze Botox bekommen? Letzten Monat? Letzte Woche? Oder war es gar gestern? Er wusste es nicht mehr. Wollte nur mehr. Wollte der alternden Zeit entrinnen. Die Welt wollte es so. Er hatte sich ihr zu beugen, wenn er in ihr nicht nur leben, sondern in ihrem Glanz baden wollte. Schöne Menschen werden von allen geliebt. Er wollte geliebt werden. Brauchte es so sehr.

Seine Arme strichen über sein Gesicht, weiter nach oben zu seinen Haaren. Die grauen Ansätze kamen auch schon wieder raus. Das musste nachgebessert werden!

Er dreht sich um. Hinter ihm im Bett liegen zwei Frauen. Gruppies vielleicht. Es interessiert ihn nicht. Gestern Nacht hat er sie nur einfach benutzt. Sie himmelten ihn an, er genoss es.

Langsam ging er die Treppe runter. Es war morgen und doch lagen noch einige Teile im Dunkeln. Seine Beine brachten ihn in den Keller, wo sein Trainingsraum lag. Er setzte sich auf das erste Gerät und begann zu heben. Die Anstrengung tat ihm gut. Er spürte förmlich wie sein Körper schöner wurde.

„Riecht meine Nase da Verzweiflung?“

Ein Schatten tritt aus der Dunkelheit hervor. Er ist erschrocken. Steht auf und starrt den Neuankömmling an.

„Keine Angst. Ihr Dienstmädchen hat mich rein gelassen. Ich bin grad eben die Treppe runter gekommen.“

Seine Muskeln entspannen wieder. Jedoch bleibt die Frage offen, was dieser Fremde hier will.

„Sie haben ein Problem. Man sieht es Ihnen gerade zu an. Nennen Sie mich Henry Teufel. Ich habe eine Lösung für Ihr Problem.“

Ein Haustürverkäufer? Immer noch steht er unschlüssig da und weiß nicht so recht, ob er diesem Fremden zuhören oder ihn rausschmeißen lassen soll.

„Sie wollen doch der Zeit entkommen oder besser ausgedrückt für immer jung sein. Ich habe eine Lösung für Sie.“

Eine Lösung. Er steht da, schaut an seiner makellosen und doch alternden Hülle herab. Was, wenn es nur ein teures Modemittel ist, dass nichts bringt?

„Es kostet Sie kein Geld mein Herr und Sie werden weder mit der Einnahme noch irgendetwas anderem konfrontiert.“

Der Fremde holt aus dem Schatten ein leeres Bildnis hervor. Hält es ihm entgegen.

„In diesem Bild kann die Zeit – ihre Zeit – gefangen gehalten werden. Der Preis ist lapidar und Sie werden ihn vielleicht nie zahlen müssen.“

Wie konnte er dies verstehen? Dies hier war eindeutig kein normales Verkaufsgespräch.

„Schon viele haben es getestet und waren vollstens zufrieden damit.“

Und was wäre nun der Preis, den er zu bezahlen hat? Wieso hatte er noch nie etwas von dieser Methode mitbekommen.

„Der Preis ist Ihre Seele, mein Herr. Sobald Sie in diesen Handel einschlagen, müssen Sie dieses Bildnis verdeckt aufbewahren. An dem Tag, an dem Sie das Bild ein zweites Mal ansehen, endet der Handel und Sie müssen bezahlen.“

Der fremde Herr grinste nun.

Seine Seele? Das war alles? Seine Seele hatte er längst verkauft. An Ruhm, Macht und die Massen, die draußen vor seinen Toren standen.

Der Mann hielt ihm nun die Hand entgegen.

„Einverstanden?“

Er ging auf ihn zu und schlug ein. Er hätte bei weitem mehr gezahlt, um immer jung sein zu können.

„Sehr gut mein Herr. Ich werde Sie wieder besuchen, wenn die Bezahlung fällig wird. Bis dahin wünsch ich Ihnen eine schöne Zeit und nicht dem Wahnsinn verfallen.“

Er lachte und verschwand im Dunkeln.

Ständig wurde er von Minuten, Stunden, Tagen, Monaten, Jahren, Jahrhunderten und Äonen verfolgt. Er hätte nie gedacht, dass er dies mal vermissen könnte. Mit Henry Teufel machte man keine Geschäfte, denn sie waren glücklos. Glück und Zeit lieben sich. Ohne das eine, kann man das andere nicht haben. Henry Teufel wusste das.

Satz 16: Höchste Zeit

Höchste Zeit, ihr klar zu machen, dass sie es mit einem echten Mann zu tun hatte.

Er konnte das! Jahrelang hatte er sich unterdrücken lassen. Hatte immer wieder seine Männlichkeit untergraben lassen, aber damit war jetzt Schluss! Er hatte sich verändert. War erwachsener geworden. Man sah es ihm an. Die Zeit hatte ihre Spuren an ihm hinterlassen.

Er war anders. Alle Welt sah es ihm an. Nur sie nicht! Warum nicht? Vielleicht weil sie sich schon so lange, tagtäglich sahen.

Aber damit war nun Schluss! Er würde nun runter gehen und ihr klar machen, dass er nun ein richtiger Mann war. Stark, souverän und selbstständig. Er blickte in den Spiegel. Betrachtete sein Antlitz, das nur so vor Selbstbewusstsein strahlte.

Voller Elan marschierte er die Treppen runter und erblickte sie summend in der Küche.

Breitbeinig stellte er sich in den Türrahmen.

„Ich habe dir etwas zu sagen.“

Sie blickte auf und sah ihn lächelnd an.

„Ich finde, dass ich alt genug bin und deswegen ziehe ich jetzt aus! Ich will mein eigenes Leben führen und endlich auf eigenen Beinen stehen, Mutter. Ich bin lange genug von dir verhätschelnd worden. Die Welt da draußen wartet auf mich!“

So! Er hatte es gesagt. Wartete auf ihre Reaktion ab. Würde sie wütend werden? Gerührt? Stolz?

Sie kräuselte nur die Stirn und sagte schließlich:

„Ich weiß nicht, Dieter. Bist du dafür mit neunundvierzig nicht schon etwas zu alt?“

Satz 17: Das Geheimnis im Meer

Am Morgen, jedesmal, weckte mich ein sonderbarer Lärm, halb Industrie, halb Musik, ein Geräusch, das ich mir nicht erklären konnte, nicht laut, aber rasend wie Grillen, metallisch, monoton, es musste eine Mechanik sein, aber ich erriet sie nicht, und später, wenn wir zum Frühstück ins Dorf gingen, war es verstummt, nichts zu sehen.

Wenn ich die anderen Dorfbewohner fragte, ob sie auch diesen Lärm gehört hätten und was dass nur sein könnte, lautete die Antwort jedes Mal gleich:

„Sei nicht Albern, Christoph. Da ist nichts. Das ist das Rauschen des Meeres.“

Unser kleines Fischerdorf lag direkt am Meer. Versteckt zwischen den Klippen in einer kleinen Bucht. Hinter uns erstreckten sich große Gebirgsketten, sodass wir nur schwer über das Land erreichbar waren. Das Meer war unsere Einnahmequelle. Fische, Muscheln und Algen.

Wir verarbeiteten das, was uns das Meer gab. Mit vierzehn begannen die jungen Buben mit aufs Meer zu fahren und zu fischen. Während die Mädchen begannen das Tauchen zu lernen. Das war das besondere an den Frauen unseres Dorfes. Das Perlentauchen war überall bekannt, aber nur unsere Frauen konnten so lange und so tief tauchen. Manchmal nannten wir Männer sie spaßeshalber ‚unsere kleinen Ariellen‘.

Wieder dieser Lärm. Halb Industrie und halb Musik. Ich blickte zum Fenster hinaus. Es war frühe Dämmerung und doch war wieder dieser Lärm da. Er klang wie quietschende Mechanik und schweißtreibende Arbeit. Er zog mich regelrecht heute Morgen an. Ehe ich mich versah, hatte ich mich schon angezogen und war leise aus dem Haus geschlichen. Meine Beine trugen mich einfach zu diesem Geräusch. Runter ins Dorf und weiter zum Strand. Dort lief ich entlang bis ich an die Klippen kam. Sie waren steil, doch das Geräusch lag direkt dahinter. Also begann ich an den glitschigen Klippen empor zu klettern. Das war etwas, was mir äußerst schwer viel. Ich hatte nie viel übrig fürs Klettern gehabt, lieber war ich in den rauschenden Wellen des Meeres gewesen. Jetzt war ich bereits zerschlissen und verkratzt. Doch meine Hände erreichte endliche die Waagrechte und ich zog mich hoch.

Ich stand erstarrt da und blickte auf das Schauspiel, das sich mir bot. Vor mir eröffneten sich weitere Klippen und das tobende Meer. Doch mittendrin erhob sich machtvoll eine Fabrik aus dem Meer. Ihr heißer Dampf stieg in den Himmel und Nebel überzog das Wasser. Immer wieder gingen irgendwo irgendwelche Klappen auf und Dampf trat raus. Räder drehten sich und Maschinen erklangen im Gleichklang. Was war das für eine Fabrik und wieso wusste ich nichts von ihr, obwohl sie so nah zum Dorf lag?

Lange stand ich da und blickte einfach nur fasziniert die Fabrik an, doch mit den ersten Sonnenstrahlen erloschen die Geräusche in der Fabrik. Ich wollte näher ran und schauen, warum die Fabrik zum Erliegen kam, doch da erblickte ich, wie ein paar Boote die Fabrik verließen. Ich duckte mich und linste verstohlen zu den Booten. Unseren Booten! Das waren Boote aus dem Dorf.

Ich versuchte zu erkennen wer auf den Booten saß. Waren es Männer aus unserem Dorf?

Als sie nahe meiner Klippe vorbei fuhren, erkannte ich auf dem ersten Boot den Dorfältesten. Auch andere Männer aus unserem Dorf waren dabei. Unter ihnen mein Onkel. Was hatte das nur zu bedeuten?

Sollte ich zurück gehen und sie beim Frühstück im Dorf fragen?

Oder sollte ich lieber versuchen, die Wahrheit selbst rauszufinden?

Ich beschloss selbst die Wahrheit herauszufinden. Eine Zeit lang konnte ich auf den Klippen einfach entlang gehen, doch schon bald merkte ich, dass wenn ich in die Fabrik rein wollte, ich die Klippen runter klettern und einen Teil sogar im Meer schwimmen müsste. Also begann ich einen mühsamen Abstieg, bei dem ich meine Schuhe ganz zerriss und mir sogar die Fußsohlen aufritzte. Doch endlich war ich tief genug um ins Meer zu springen. Nun war ich in meinem Element. Das noch kalte Nass umgab mich und ich tauchte nur kurz auf, um Luft zu schnappen. Dann schon tauchte ich tiefer, wo das Wasser nicht so wild war und begann dorthin zu tauchen, wo die Boote rausgekommen waren. Es war schwer die Orientierung zu behalten, da das Wasser schwarz war, sodass ich immer wieder hochtauchen musste. Doch nach einer halben Ewigkeit hatte ich es geschafft. Ich schwamm an den Bug und kletterte empor. Meine Kleidung klebte nass und kalt an mir, doch das störte mich jetzt nicht weiter. Vor mir eröffnete sich ein kleines Tor, das ins Innere der Fabrik führte. Steile Stufen kletterten sich empor. Die Wände und der Boden waren warm. Im Inneren der Fabrik musste also ein Ofen sein. Leise schlich ich mich vorwärts. Hoffentlich war kein Wächter oder ähnliches hier. Doch ich traf niemanden, während ich mich weiter ins Innere der Fabrik wagte. Überall verliefen Rohre, durch die heißer Dampf schoss. Manche waren geflickt, andere nagelneu.

Hier drinnen war es so warm, sodass ich die Kälte meiner Kleidung nicht mehr spürte. Ich kam auch an dem riesigen Ofen vorbei. Er war von allen Seiten verschlossen und kein Fenster war zu sehen. Auch keine Öffnung in die man das Holz oder die Kohle schmeißen konnte.

Die Rohre, die von diesem Ofen weggingen, führten weiter in den nächsten Raum. Neugierig folgte ich ihnen und betrat eine Halle. Hier waren neun Wassertanks aufgestellt, jeder umhüllt mit einem weißen Leinentuch. Ich trat vor den ersten und lass am Boden das Schild: Bylgia, die Woge.

Am nächsten stand: Blodughadda, das blutige Haar.

Doch einer der Namen fiel mir komisch auf: Ruth, die seichte Welle.

Ruth. So hieß meine kleine Schwester, die bei einem Sturm ertrank. Das war das Los, wenn man mit dem Meer zusammenlebte. Manchmal konnte es einfach grausam sein.

Aus den Augenwinkeln nahm ich eine Bewegung wahr. Ich schreckte hoch und sah mich um, doch es war niemand da. Ich spürte, dass ich nicht allein war und plötzlich sah ich die schattenhaften Bewegungen hinter den Leinentüchern. Ich drehte mich um und hob das Tuch sachte hoch, um es dann gleich wieder fallen zu lassen. Ich hatte eine Fischflosse gesehen. Waren in diesen Wassertanks etwa Fische? Ich nahm das Tuch und riss es einfach nun runter von dem Tank.

Mein Schrei musste in der kompletten Fabrik zu hören gewesen sein.

Ihr seidiges Haar umrahmte ihr Gesicht, auf dem immer noch zarte Sommersprosen zu sehen waren. Wie damals… Sie war nackt, nur ihr Haar bedeckte ihren Körper. Sie war älter geworden, doch die schokoladenbraunen Augen waren immer noch dieselben. Diese starrten mich nun verwirrt an.

Ich stand immer noch geschockt dran. Ihr jugendlicher Oberkörper ging ab den Bauch in eine Flosse über. Eine Fischflosse! Genauer gesagt in die Flosse eines Orcas. Hinten schwarz und vorne am Bauch ein weißer Fleck. Langsam kam ich näher und legte die Hände gegen das Glas.

Zaghaft fragte ich nun: „Ruth? Schwester?“

Sie sank auf meine Gesichtshöhe und schaute mich traurig an. Schließlich kam ein zaghaftes Nicken. Ihre Augen wurden rot und sie blickte nun zu den anderen Tanks. Ich verstand und begann nun überall die Tücher zu entfernen. In jedem Tank war ein Mädchen mit Flosse drin. Einige schon erwachsene Frauen, andere noch zarte Mädchen im Kindesalter. Jede hatte eine andere Art von Flosse, doch allesamt hatten sie lange wunderschöne Haare.

Als ich das Tuch von „Drofn, schäumende See“ abzog, schlug diese sofort mit ihren Händen gegen das Glas und schrie in wildem Zorn. Ihre Stimme war beißend hoch und tat in meinen Ohren weh.

In meinem Herzen bildete sich Traurigkeit. Traurigkeit und auch Wut.

Ich wollte diese Mädchen hier befreien. Sie aus dieser Enge herausholen. Verzweifelt blickte ich mich um und suchte nach einer Möglichkeit das Glas zu zersplittern. In einer Ecke standen noch ein paar Ersatzrohre. Eines davon griff ich nun und begann gegen Ruths Tank zu schlagen. Bald schon gab das Glas nach und zersplitterte. Das Wasser verteilte sich auf den Boden. Federleicht glitt sie in meine Arme und ich begann sofort zügig nach draußen zu rennen. Trotz ihres geringen Gewichtes glitt Ruth mir immer wieder aus den Armen. Sie war glitschig wie ein Fisch und zitterte am ganzen Körper. Dennoch schaffte ich es die letzten Stufen der Treppe zu meistern und ließ meine kleine Schwester ins Wasser gleiten. Hinter mir erklangen Signaltöne aus der Fabrik.

Satz 18: Anthropos Raven

Während er zur Straße hinaufkletterte, wo sein grauer Wagen ihn erwartete, ließ er Handgelenke und Ellenbogen in vermeintlich komischer Nachahmung rudimentärer Flügel flattern.

Ein unscheinbarer Chauffeur hielt ihm die Tür auf.

„War die Mission erfolgreich, Sir?“

„Ja, Rupert. Das Ei ist gelegt.“

„Gratulation, Sir.“

„Danke, Rupert.“

Der graue Wagen fuhr los. Nachdenklich blickte Wolfram aus dem Fenster. Schickte noch einen letzten Blick der verlassenen Bauernhofruine, eher er sich seinen geschäftlichen Gedanken widmete. Morgen tagte der Vorstand und wollte mit ihm über den Fortbestand und die Zukunft seines Unternehmens verhandeln. Nun für den Fortbestand hatte er gesorgt. Langfristig würde das Unternehmen versorgt sein. Aber für die nächste Zeit würde er einen Plan brauchen, um sich diese lästigen Parasiten vom Hals zu halten.
 

„Jahrzehntelang haben Sie Ihr Unternehmen versucht als traditionsbewusstes Familienunternehmen zu führen“, erklang die Stimme von William Poissner.

„Jahrhunderte“, murmelte Wolfram leise.

„Aber nun geht es so nicht mehr weiter. Sie müssen sich der neuen Zeit anpassen und eine Aktiengesellschaft gründen. Das Unternehmen braucht das Geld für Investitionen. Zudem sollten Sie Ihr Alter bedenken und die Tatsache, dass Sie keinen Nachfolger haben“, polterte Poissner weiter. Seine Stimme hatte etwas Aufrüttelndes. Sollte sie jedenfalls, aber für Wolfram war sie wie eine Made auf dem Essen. Nun nahm sie etwas Versöhnliches an:

„Wolfram, bitte nimm das nicht persönlich. Du hast dein ganzes Leben in dieses Unternehmen investiert und immer wieder über die Jahre riesige Geldsummen für neue Projekte aufgetrieben. Aber wir stehen vor dem Ende.“

Die leblosen von zahlen gezeichneten Gesichter der weiteren Vorstandsmitglieder blickten Wolfram monoton und abwartend an. Langsam erhob er sich nun.

„Du hast recht William. Es wird Zeit für einen neuen Schritt. Ich stimme der Umwandlung zur Aktien Gesellschaft zu, aber du wirst an dieser Umwandlung nicht beteiligt sein. Desweiteren möchte ich hier verkünden, dass für einen Stammfolger gesorgt ist. Das Unternehmen wird also weiterhin in den Händen meiner Familie bleiben. William Poissner, Sie sind aus der Position des Geschäftsführers enthoben und räumen bitte doch schnellstmöglich Ihr Büro.“

Mehr gab es seiner Ansicht nicht zu sagen. Also begab er sich Richtung Tür, vorbei an den leblosen Vorstandsmitgliedern und dem erstarrten William Poissner.

Dieser fand doch noch seine Sprache, bevor Wolfram den Raum verlassen konnte.

„W… woher hast du auf die Schnelle einen Nachkommen gefunden? Hast du ein uneheliches Kind?“

„Nein, William. Die Mutter ist bei der Geburt gestorben. Aber ich versichere dir, dass er oder sie innerhalb der nächsten fünf Jahre bereit sein wird, meine Nachfolge anzutreten.“

Wolfram zog die Tür hinter sich zu. Er vernahm noch leise William Poissners nachgerufene Frage:

„Er oder sie? Was meinst du damit, Wolfram?“

Rupert stand bereit zu seiner Rechten.

„Wir können dann. Das Meeting ist beendet.“

„Sir, fanden Sie das nicht etwas zu gewagt, derartige Informationen Preis zu geben?“

Sein Chauffeur lief neben ihm her, ohne auch nur ein Geräusch zu machen. Mehr schwebend wie gehend.

„Nein, nein. Diese Idioten haben einen zu beschränkten Intellekt, als das sie dahinter kommen könnten. Nicht mal in deren schlimmsten Alpträumen würden sie auf diese Idee kommen. Mach dir mal keine Sorgen!“

Er klopfte seinem langjährigen Chauffeur und Freund auf die Schulter.

„Da fällt mir ein; du hast dich seit nunmehr dreißig Jahren auch nicht mehr reproduziert. Findest du nicht, dass es mal wieder Zeit wird?“

„Ja Sir, mir fehlt nur ein passendes Weibchen.“

„Nimm‘ dir die nächsten zwei Wochen frei und kümmere dich darum. Wenn ich bald geschlüpft bin, brauche ich nach mindestens einem Jahr einen fitteren Chauffeur.“

Wolfram lachte leise und stieg nun in den Wagen. Rupert nahm auf dem Fahrersitz Platz und startete den Motor.

„Nach Hause, Rupert.“

„Jawohl, Sir.“
 

Irgendwo in einem verregneten Wäldchen hörte eine Frau das Knacken von zerbrechender Schale. Katrin lag da. Hände auf dem Rücken gebunden, Beine fest verschnürt und der Mund geknebelt. Nur das Tuch, das die Augen bedeckte, war herunter gerutscht. Sie sah das riesige Ei neben sich liegen und hörte wie sich darin etwas bewegte. Das Knacken, anfangs noch vom prasselnden Regen, der auf den alten Bauernhof hinabstürzte, überdeckt, wurde nun lauter und energischer.

Katrin fragte sich, welcher Vogel bloß so riesige Eier legte. Es war mindestens einen halben Meter hoch, wenn nicht mehr. Das erste Stück der Schale platzte heraus. Ein schwarzer Schnabel erschien und ein schriller Schrei füllte den Raum. Der Schnabel verschwand wieder im Inneren des Eis, aber nun konnte Katrin sehen, wie ein Auge die Außenwelt besah. Um das Auge waren feine schwarze Federn zu sehen, aber etwas war merkwürdig. Katrin hatte noch nicht herausgefunden, was sie an diesem Auge störte, da erblickte es sie und Katrin sah es. Ein Menschenauge! Das war definitiv ein menschliches Auge. Noch bevor sie den Gedanken zu Ende gedacht hatte, verschwand das Auge und ein dürrer Arm schoss aus dem Loch. Ein mit Haut überzogener menschlicher Arm! Doch die Finger endeten als Spitze Krallen. Und genau diese wurden Katrin in den Bauch gebohrt.

Ihr Schrei war gedämpft durch den Knebel. Die Hand zog sich nach wenigen Sekunden auch wieder zurück ins Ei und ein schlürfen ertönte. Katrin rollte sich schwerfällig weg, was ihr Tränen in die Augen trieb. Blut lief aus ihren Wunden und sie konnte sich nicht befreien. Die Hand schnellte wieder aus dem Ei auf der Suche nach mehr Blut. Doch da war nun nichts mehr wie Luft.

Wieder tauchte das Auge auf und suchte das Zimmer nach Katrin ab. Als es Katrin erblickt hatte, begannen mehr Schalenstücke herauszuplatzen und die Schale zerbrach komplett.
 

Wolfram saß am Kamin mit einer Tasse Tee und der Zeitung. Gedankenverloren nippte er am Tee. Er hatte Katrin an der Universität kennengelernt, an der er ab und zu dozierte. Ein Mädchen, das nicht beachtet wurde und ihm alles geglaubt hatte. Perfekt um als Mutter für seinen Nachkommen zu dienen. Er fragte sich, ob sie schon vollständig aufgefressen war.

Satz 20: Der Fall von Knigazsamok

Die in sich abgeschlossene Turmstadt hatte offenbar ausgedient.

Es war also so weit. Die Mauern würden fallen und das Wissen hinaus in die Welt strömen. Wie viele Jahre hatte der Harlekin die Bücher hier hinter diesen Mauern versteckt? Hatte sie mühsam aus der ganzen Welt zusammen getragen, sortiert, gepflegt und gehortet. Niemand sollte je dieses heilige Wissen entweihen und nun hatten diese Kinder es geschafft. Er hörte wie die Steine grollten und auseinander brachen. Ein Blick durchs Südfenster sagte ihm, dass dort die Mauer gerade brach. Er sah wie bereits hunderte von Büchern dort hinaus fielen. Hinaus zurück in die Welt. Sie schienen geradezu zu fliehen aus dieser Stadt. Die Stadt der Bücher.

Knigazsamok hatte er sie immer liebevoll genannt.

Er ging gerne durch die Straßen, in denen alte Seiten auf dem Boden verstreut lagen. In jedem Haus, egal ob ärmlich oder aristokratisch hatte er Regale gestellt, die bis zur Decke ragten. Jedes dieser Regale war voll mit Büchern, Schriftrollen und Blöcken. Er hatte jedes Wort gesammelt, das auf dieser Welt geschrieben wurde.

Nun war es vorbei.

Er schlurfte die Treppen hinunter. Wusste nicht, was er noch tun könnte. Die Kinder hatten gesiegt.

War es denn besser so? Wieso verließen ihn seine geliebten Bücher nun? War es denn wahr, was die Kinder gesagt hatten? Dass die Bücher nach Hilfe geschrien hatten?

War Harlekin wirklich ein verkorkster alter Geizhals? Ein irrer Vogel?

Dabei hatte er doch seine Bücher immer mit viel Liebe behandelt. Hatte jedes einzelne gelesen. Sein Leben hatte er ihnen gegeben. Wieso dankten sie es ihm auf diese Art?

Die Mauer an der Ostseite brach nun auch.

Die Bücher brachen aus den Häusern heraus. Türen und Fenster platzen vor lauter Druck und die Bücher flogen in Scharen davon. Der Fluch war gebrochen. Knigazsamok konnte die Bücher nicht länger gefangen halten. Wie hatten die Kinder es nur angestellt, dass diese robusten, unüberwindbaren Mauern brachen? Wenigstens das wollte er wissen.

Er setzte seine Kappe auf und sofort überspießen ihn Hahnenfedern. Eiligst flog er an die Nordmauer auf der Suche nach den Kindern. Nach einer Weile fand er sie auch. Sie waren bereits dabei auch diese Seite der Stadt mitsamt dem Turm zu Fall zu bringen. Interessiert umkreiste er das Schauspiel, das sich ihm bot. Und fassungslos stellte er fest, es waren seine Lieblinge, die die Mauer zum Einsturz brachten. Aber tausende Bücher drückten zusammen mit den Kindern gegen die Mauer. Sogar sein geliebter Hamlet war dabei. Dies zu sehen brach ihm das Herz. Es war wahr. Seine Bücher hassten ihn.

Mit einem Mal stürzte er vom Himmel herab und schlug auf dem Boden auf. Die Federn verschwanden wieder und er richtete seinen Körper auf.

„Der Harlekin“, schrie Elisa entsetzt auf. Sofort stellten sich ihre beiden Brüder schützend vor sie.

„Nicht aufhören zu drücken“, schrie Will den Büchern zu, während er und Georg den Harlekin sauer ansahen.

„Es ist vorbei“, schrie Georg und machte eine wegwerfende Bewegung. Langsam kam der Harlekin nun auf die Kinder zu. Diese wichen ängstlich zurück. Zu was er in der Lage war, wussten sie schon zu gut. Doch anstatt die Kinder anzufallen und ihnen seine Tinte einzuflößen, wie er es schon oft getan hatte, ging er an ihnen vorbei und stemmte eine Hand gegen die kalte Stadtmauer.

„Ihr seid frei.“ Mehr sagte er nicht, sondern stemmte sich nun mit dem kompletten Körper gegen die Mauer.

„Wenn wir frei sind, dann öffne doch die Tore“, rief Georg wütend.

„Nur rein, nicht raus“, meinte er Harlekin monoton, „ihr habt den einzigen Weg raus gefunden.“

Nun begann er zu krächzen, während er half seine geliebten Bücher in die Freiheit zurück zu entlassen.

So recht schienen die Kinder ihm noch nicht zu glauben. Elisa als erste setzte sich in Bewegung und stellte sich neben ihn, um nun auch wieder gegen die Mauer zu drücken.

„Diese Mauer ist viel schwerer als alle anderen“, gab sie unter Anstrengungslauten von sich.

„Das ist der Turm“, meinte der Harlekin und ließ auf einmal ab.

„Wir brauchen mehr Hilfe.“

Seinen Hals zum Himmel reckend begann er Ruflaute von sich zu geben. Der Himmel färbte sich schwarz und seine Armada stürzte vom Himmel. Die abertausende Raben – angeführt von Augustus – begannen nun immer wieder in riesigen Wellen gegen die Mauer zu stürzen und diese niederzuzwingen. Langsam, fast kaum bemerkbar gab der mächtige Turm auf und das Fundament begann zu wackeln.

„Auf! Mehr!“, schrie Elisa frohen Mutes und strengte sich noch mehr an.

Schließlich gaben die Mauern nach und auch die Nordseite stürzte ein. Wieder ergossen sich hunderte von Büchern in die Freiheit. Einigen schienen zu singen, so kam es dem Harlekin jeden Falls vor. Aus den Gebäuden brachen die restlichen Bücher heraus und flogen in die Freiheit. Die Mauern von Knigazsamok waren gefallen. Selbst einzelne Seiten wehten davon. Zurück blieb ein verzweifelter Harlekin. Diesem rollten nun die Tränen übers Gesicht.

„Ich war glücklich.“ Mehr sagte er nicht. Der Zauber der Armada erlosch und die Schattenimitate des Raben Augustus verschwanden. Dieser setzte sich nun auf die Schulter seines Herrn. Stupste ihn zärtlich tröstend mit dem Schnabel an.

„Augustus, sorge dafür dass die Kinder heil nach Hause kommen. Das ist der letzte Dienst, den ich verlange.“

Elisa, Will und Georg standen da und beobachteten den verlassenen Harlekin. Beinahe schon überkam sie Mitleid. Dennoch konnten sie nicht vergessen, was er ihnen angetan hatte. Dieses Wesen war zu allem fähig. Augustus schwebte auf sie zu und deutete ihnen zu folgen. Ein langer Heimweg würde sie nun erwarten. Besser sie machten sich gleich auf den Weg.

Der Harlekin selbst schlich zurück in die tote Stadt. Sah in jedes Haus, ob den nicht wenigstens ein Buch bei ihm geblieben war. Nichts! Alles wie ausgestorben.

Gebrochen kippte er in seinem Turmzimmer zusammen. Er war allein.

Doch, was hörte er da? Das Rauschen kannte er ganz genau. Ein zart herber Duft strömte ihm in die Nase.

Konnte das sein? – Ja! Er blickte aus dem Fenster und erkannte Hamlet. Sein kleiner Hamlet schwebte durch die Luft auf das Turmfenster zu und plumpste schlussendlich in seinen Schoss. Der Harlekin strich zart über den filigranen Einband. Er war doch nicht ganz allein.

Ein irres Lachen erklang aus seiner Kehle.

Knigazsamok würde wieder auferstehen.

Verließ der Bücher.

Sonderaktion: Das Weihnachtskind

Einmal im Jahr – das wusste Andi ganz genau – einmal im Jahr kam der Weihnachtsmann zu allen Kindern dieser Welt und brachte ihnen Geschenke. Diese versteckte er in einem Strumpf, der am Kamin hang. Weihnachten war nur noch ein paar Tage entfernt. Der Schnee lag draußen und malte eine weiße Winterlandschaft. Doch Andi hatte bisher noch kein einziges Mal darin getobt noch sich in der weißen Herrlichkeit gewälzt. Seine Mama und auch der Arzt meinten, dass er immer noch zu schwach sei, um hinaus zu gehen. Würden sie dies zulassen, dann würde er wieder tagelang mit Fieber im Bett liegen. Andi wusste, dass die beiden Recht hatten.

Manchmal kam dieses Monster, das in ihm hauste zum Vorschein. Er bekam dann keine Luft, sein Brustkorb drohte zu zerspringen und er sah nichts mehr. Heute war wieder einer dieser Tage, an dem das Monster in ihm wütete. Andi nahm nur noch verschwommen die Stimmen seiner Eltern wahr. Immer wieder wurde ihm schwarz vor Augen, wenn er wieder minutenlang keinen Luftzug machen konnte. Er musste durchhalten. Nur noch ein paar Tage und Weihnachten war da. Er wollte den Weihnachtsmann sehen, Plätzchen essen und Geschenke auspacken. Dafür kämpfte er. Und verlor.
 

„Der nächste, bitte!“

Verwirrt trat Andi vor.

„Herzlich willkommen im Totenreich. Dein Name ist Andreas Berger, acht Jahre alt und Katholik‘. Stimmt das?“

Andi traute seinen Augen nicht recht. Er stand an einem Schalter hinter dem eine Dame saß, deren einer Arm aus Knochen bestand! Ihre Haut war am kompletten Körper modrig und einige Stellen waren gelb unterlaufen. Neben ihr saß eine weitere Dame, die etwas korpulenter schien. Jedenfalls muss sie das mal gewesen sein. Ihre viel zu weiten Klamotten deuteten daraufhin. Das Skelett, das darin saß allerdings nicht. Ihr Kopf war noch da, der mit strohigen Locken umrundet war. Auf ihrer Nase saß eine kleine Brille und auf ihrem Kopf ein rosa Hüttchen. Sie bearbeitete die Schlange neben Andi.

„Hallo! Träumst du?“

Die halbe Leichendame schlug ein paar Mal auf den Tisch vor ihr.

„‘Tschuldigung“, murmelte Andi schnell. Löste sich aus seiner Starre und antwortete: „Ja, das stimmt alles. Ähm-“

„Prima. Na dann, du bist jetzt in nächster Zeit tot. Zu diesem Anlass ist es dir gestattet einen neuen Namen zu wählen und deine Konfession neu zu bestimmen.“

„Konfess- was?“, fragte Andi verwirrt nach.

„Dein Glauben, Kindchen“, rief nun die dickere Dame dazwischen, „du kannst hier im Totenreich neu wählen, an was du genau glaubst. Und glaub’s mir. Ich würde nicht bei den Katholiken bleiben.“

„Wieso nicht?“

„Naja, haben dir deine Eltern nicht erzählt, wo ihr nach dem Tod hinkommt?“

„In den Himmel?“

„Ha ha, ja danach. Aber davor müsst ihr eure Sünden bereuen und kommt ins Fegefeuer.“

Die dicke Dame hatte sich nun komplett auf die Seite der gelben Damen gezwängt und lächelte Andi freundlich an.

„Und zu welchem Glauben soll ich wechseln?“, fragte Andi ängstlich nach. Fegefeuer hörte sich gar nicht gut an.

Die gelbe Dame schubste ihre Kollegin wieder beiseite und antwortete:

„Also zunächst mal gibt es das Christentum, dass sich in evangelisch und katholisch aufspaltet. Dann sind da natürlich die ganzen Sekten, wobei die Zeugen Jehovas bis zur Apokalypse in einen Warteraum müssen, da sich erst dann entscheidet, was mit denen passiert. Die Scientologen streiken immer noch, weil ihre Kreditkarten nicht angenommen werden, die…“

„Ja, ja, ja! Das muss der Junge doch gar nicht wissen. Nenn die fünf großen Glaubensrichtungen. Das reicht!“

„Ganz sicher nicht. Nachher reicht der eine Beschwerde gegen mich ein, wegen unzulänglicher Aufklärung.“

„Helena, er ist ein kleiner Junge. Das du bei jedem Kind diesen Stress abziehen musst.“

„Ich will nur alles richtig machen, Grimhield!“

„Kindchen, es gibt das Christentum, den Buddhismus, den Islam, das Judentum und den Hinduismus. Wähle einfach Christentum evangelisch und alles ist prima.“

„Nichts ist prima“, fauchte die gelbe Helena.

Andi war nun völlig verwirrt. Er war an einem ganz komischen Ort mit zwei toten Damen.

„Ähm, schon okay. Ich nehme das Christentum evangelisch“, murmelte er daher nur leise.

„Hm“, kam nur von Helena, welche sich eine Notiz in ihre Unterlagen machte.

„Und wie willst du von nun an heißen?“

„Andreas Berger.“

„Echt? Keinen neuen Namen? Die meisten wählen ja etwas Cooleres, wenn sie gestorben sind.“

Andi überlegte von neuem.

„Regreb Saerdna.“

„Was ist denn das für ein komischer Name?“ Helena zog eine Augenbraue hoch bis zum Haaransatz.

„Das ist mein Name rückwärts“, antwortete Andi schüchtern.

Neben Helena fing Grimhield an schallend zu lachen: „Genial, Kindchen! Darauf ist auch noch keiner gekommen seit meiner Amtszeit hier.“

„Und glaub mir, die ist schon ganz lange hier“, murmelte Helena leise vorgebeugt zu Andi, „guck mal, die ist schon komplett verwest.“

Zurück an ihren Platz gerutscht, fragte sie nun laut:

„Nun denn, Regreb Saerdna, als was möchtest du denn im Totenreich arbeiten?“

„Hä? Wieso arbeiten, ich bin doch erst acht“, brachte Andi hervor.

„Das hat hier im Totenreich nichts zu bedeuten. Hier arbeitet jeder, dessen Körper arbeitsfähig ist. Also, hast du einen besonderen Wunsch?“

„Ich… ich weiß nicht.“

„Oh nein, nicht noch so einer. Dann erst mal ab mit dir ins Arbeitsamt“ – „Das heißt Amt für Arbeit, meine Liebe.“ – „Das interessiert meinen knochigen Hintern nicht, meine Teuerste. Also ab mit dir ins Arbeitsamt zur Frau Wendelborn. Die kann dir weiter helfen. Hast du noch irgendwelche Fragen?“

Ja, die hatte Andi. Tausende von Fragen. Was wird aus seinen Eltern? Sieht er jemals seine Freunde wieder? Wie soll er es ganz alleine hier unten schaffen? Wo sollte er nun wohnen?

Doch hervor brachte Andi nur eine einzige Frage, die nur ein kleines Kinderherz beschäftigen kann.

„Wird der Weihnachtsmann mich hier unten finden?“

„HA HA HA!“

Die gelbe Helena brach in schallendes Gelächter aus. Auch Grimhield kicherte leicht. Diese beugte sich nun wieder zu ihm rüber und beachtete ihren Kunden gar nicht, als sie ihm antwortete:

„Das hier ist das Reich der Toten, Kindchen. Die Fantasiefiguren der Lebenden haben hierher keinen Zutritt.“

„Oh“, machte Andi traurig. Also würde er nie wieder Weihnachten erleben.

„Jetzt guck nicht so traurig, Kindchen! Wir hier im Totenreich haben auch unsere Bräuche und die sind genauso schön, wenn nicht tausendfach besser, wie jene bei den Lebenden. Wir haben sogar auch eine Art Weihnachtsmann hier unten und wir feiern unser eigenes Weihnachten.“

Andis kleines Gesicht hellte sich schlagartig auf.

„Wirklich?“

„Ja, Kindchen. Allerdings sind die Regeln bei uns hier unten etwas anders. Oben feiert man die Geburt des Christkindes. Hier unten lassen wir es krachen, wenn das Christkind stirbt.“

„Das ist ja eklig!“, platzte es Andi heraus.

„Aber nein, Kindchen. Der Tag, an dem der Herr Jesus stirbt, ist der Tag, wo er zu uns hier ins Totenreich gekommen ist und das feiern wir. Also bis zu unserem Weihnachten ist es noch ein Weilchen hin!“

„Das ist aber genug Getratsche, Grimhield! Schau nur, auf deiner Seite staut sich schon wieder alles. Du bist schon wieder 6453 Leichen im Verzug wegen deiner ewigen Tratscherei!“

Helena schob Grimhield wieder auf ihre Seite und verhakte sich dabei mit ihrer Hand in deren Skelett. Andi schaute immer noch total fasziniert zu, wie die beiden sich versuchten wieder zu enthaken.

Schließlich ließ Helena einfach ihren Knochenarm in Grimhield stecken und wandte sich wieder Andi zu.

„Also Regreb. Wenn du so scharf auf den Weihnachtsmann bist, wieso bewirbst du dich nicht bei ihm? Er sucht bestimmt gerade wieder ein paar fleißige Helfer.“

„Au ja!“ Kinderaugen begannen zu leuchten.

„Na dann, hier dein Ticket. Gleich kommt dein Taxi und sag ihm, er soll mich anrufen, ja?“

Helena reichte ihm das Ticket.

„Dankeschön.“

Schon tippte jemand Andi auf die Schulter.

Andi drehte sich um und zuckte erschrocken zusammen. Vor ihm stand ein Knochengerüst umhüllt von einem schwarzen Mantel. In einer Hand hielt er einen langen – wirklich langen – Stock.

„Hey, du. Hasch du n‘ Taxi bestellt?“

Andi nickte nur leicht erschrocken.

„Dann komm mal mit. I bin d’Hons-Dieta und tausendvierhundertunddreiundsiebzigster Todenfährmo der Charon GmbH. Wo wilsch no?“

„Bring ihn zum Santinator, bitte.“

„Viel Glück, Kindchen.“

Grimhield winkte ihm noch ein Weilchen hinterher.

Andi folgte Hans-Dieter, dem Totenfährmann hinüber zu dessen Gondel.

„Na dänne, stoig mol oin und bittschä ang’schnallt g‘hörsch. Hier golde Toteverkehrsordnungne!“

Andi setze sich in die Gondel und schnallte sich dort mit dem Gurt fest.

„Bindsch dia lieba d‘ Gurt en paar Mll um d‘Bauch. Wird koi schäne Fahrt.“

Noch bevor Andi sich den Gurt ein paar Mal um den Bauch schlingen konnte, legte die Gondel in ohrenbetäubender Geschwindigkeit ab. Andi musste sich am Rand seiner Sitzbank festklammern, um nicht weggefegt zu werden. An ihm raste diese neue Welt vorbei und er nahm nur verschwommene Umrisse war. Schon nach nicht mal fünf Minuten kam die Gondel wieder zum Stehen.

„Soa, mia sind do. Hab‘ noch enen schäne Tog, klener Mo.“

Kaum als Andi aus der Gondel gestiegen war, brauste diese schon wieder davon.

Als Andi sich nun um schaute, stand er am Anfang eines Waldes. Vor ihm eröffnete sich ein kleiner Weg, welcher voller Schilder und Pfeile war, die alle in die selbe Richtung zeigten und alle hatten das selbe drauf stehen: „Santinator: Keep out.“

Hm, was bedeutete denn ‚Keep out‘? Andi kannte das Wort nicht und somit tapste er tapfer los, auf der Suche nach dem Weihnachtsmann.

Tief im dunklen Wald endete der Weg vor einer alten verwahrlosten Hütte. Am Klingelschild stand in schlampiger Schrift ‚Santinator‘ geschrieben. Doch der Klingelknopf war nur eine Attrappe. Ein lebendiger Käfer um genau zu sein. Andi drückte nur leicht drauf und schon öffneten sich die Flügel des kleinen Tieres und er flog summend einmal ums Haus, bevor er sich auf die Dachspitze setzte und ein seine kleinen Kiefer öffneten. Ein ohrenbetäubender Gong ertönte und ließ den Boden und die Bäume um das Häuschen erbeben. Das hervorgerufene Erdbeben war so heftig, dass Andi sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte und auf seinen Hintern plumpste.

„Wer stört da?“, schrie eine bärige Stimme von innen. Schwere Schritte kamen in Richtung Haustür und ein grimmiges Gesicht öffnete Andi die Tür.

Andi stieß erschrocken einen Schrei aus. Vor ihm stand ein riesiger Mann mit schwarzem Bart, Sonnenbrille und Lederklamotten. Den Bierbauch nicht zu vergessen.

„Was willst du, Bengel?“ Er beugte sich zu Andi hinab, um ihn besser begutachten zu können.

„Tschuldigung, aber ich suche den Weihnachtsmann. Ich bin hier für einen Job“-

„Ich bin nicht der Weihnachtsmann!“, schrie der schwarze Mann los, „wieso kapiert ihr Kinder das nicht? Ich – bin – nicht - der – Weihnachtsmann!“

Böse schnaufte er Andi an, diesem rollten nun die Tränen über die Wangen. Er heulte und schniefte umher. Zwischendurch gab er Wortfetzen von sich wie:

„…tut mir leid… wollte nur… Weihnachtsmann… Job…“

Die Tränen kullerten nur so über die roten Bäckchen und ein Kinderschniefen durchbrach den Wald.

„Na na, jetzt sei mal nicht so sensibel“, nun war Santinator doch etwas überfordert. Mit Kindern konnte er nun mal nicht so gut umgehen.

„Jetzt komm, hör auf. Ich hab’s doch nicht so gemeint… Wenn du nicht aufhörst, dann… oh shit…“

Nun kullerten auch dem großen schwarzen Santinator die Tränen über die Wangen und er heulte wie ein Kleinkind.

Andi hatte sich derweil beruhigt und beobachtete den heulenden Riesen.

„Du bist ja doch nett.“

„Ach, halt die Klappe“, schniefte die Heulsuse.

Nun stand Andi auf, klopfte sich den Dreck von der Hose.

„Ich bin Andi und soll herkommen für Arbeit.“

Andi hielt dem großen Weihnachtsmann des Totenreichs seine Hand hin.

Santinator nahm sie zögernd entgegen. Schüttelte sie schnell und wischte sich dann erstmal das Gesicht ab, bevor er aufstand.

„Na dann komm mal mit. Ich zeig dir meine Spielzeugfabrik und deinen neuen Job.“

„Jippie!“

Andi rannte aufgeregt in das kleine wacklige Häuschen hinein. Der schwarze Santa Claus erhob sich schwermütig und blickte dem kleinen hinterher.

„Eigentlich bräuchte ich nur noch einen kleinen Freund, der mich wieder zum Lachen und Weinen bringt. Eine Sache hat er ja schon geschafft.“

Damit folgte er einer kleinen neuen Hoffnung in seine Hütte.

Satz 22: Justine

Sie schluckte und verspürte unglaubliches Mitleid. Vor ihr lag der tote Körper, vor dem sie gerade noch voller Panik geflogen war. Ihr rechtes Bein schmerzte, doch sie spürte es kaum.

„Hör auf ihn so mitleidsvoll anzustarren. Gerade eben hat er noch versucht dich zu fressen.“

Langsam drehte sich ihr Kopf zu Leon. Was war passiert?

Die Ereignisse überschlugen sich in ihrem Kopf. Wieder brachen Tränen aus ihr heraus.

Gestern noch war sie eine ganz normale Sechzehnjährige gewesen.

Gestern schien noch die Sonne.

Gestern war ihr Leben noch nicht für immer zerstört.

Erinnerungen, bestehend aus Bilderfetzen, drangen in ihren Kopf. Im Schatten eines Baumes stand ein fremder Mann. Sein Haar war angegraut, aber seine Haltung, sein Körper, sein Blick, alles strahlte Kraft und Gefahr aus. Sie hatte nur kurz diesen Mann angestarrt.

Ein anderer Fetzen zeigte wie sie vor dem Eiscafé stand und sich zusammen mit ihrer besten Freundin ein Eis holte. Neben ihr erschien ein Schatten und dieser fremde Mann hauchte ihr nur einen Satz ins Ohr:

„Glaubst du, dass es mehr auf dieser Welt gibt?“

Mehr sagte er nicht, sondern ging weiter.

Heute Abend war es dann passiert. Auf dem Heimweg vom Kino wurde sie angegriffen. Von… Ja, von was denn? Es war riesig und grau. Ein komisches Tier ohne geknackst Aber sie konnte nicht auf den aufkommenden Schmerz achten, denn das Etwas, was sie gepackt hatte, kam nun schreiend auf sie zu. Fletschte die Zähne. Von irgendwo her kam eine Stimme:

„Lauf oder es frisst dich.“

Fressen? Sie sollte jetzt sterben?

Ohne weiter nachzudenken sprang sie auf und rannte los. In die nächste Seitengasse.

Weg, bloß weg! Leben! Sie wollte leben!

Hinter sich vernahm sie ein Hecheln und wieder ertönte ein Schrei.

Das Wesen hatte die Verfolgung aufgenommen. Sie blickte nach vorne und versuchte noch schneller zu laufen. Doch vor ihr wurde ihr der Weg versperrt. Dieser komische Mann stand da und bewegte sich keinen Millimeter.

„Laufen Sie weg!“, schrie sie nur.

Aber er bewegte sich trotzdem nicht. War er etwa? Hoffentlich nicht!

Sie überlegte Fieberhaft. Würde er merken, dass sie vorhatte ihm auszuweichen?

Doch, da rief er schon:

„Du musst kämpfen, Justine. Wenn du sie nicht tötest, kriegen sie dich und fressen dich.“

Mit diesen Worten zog er eine Waffe hervor und warf sie Justine zu.

Ein paar Meter vor ihr landeten zwei Köpfe von Mistgabeln! Aber dennoch besser als nichts. Justine griff beim Rennen nach den Waffen und rannte weiter.

„Dreh dich um und kämpfe!“, rief ihr nun der fremde Mann zu, doch Justine dachte gar nicht darin dem Monster in die Arme zu laufen. Weglaufen erschien ihr als intelligentere Lösung, trotz dass sie nun die beiden schweren Mistgabelköpfe bei sich trug.

Als sie an dem Mann vorbei rennen wollte, packte er sie nur, drehte sie mit einem Schwung um und stieß sie in Richtung des Monsters. Dieses sprang sie auch schon an. Sie prallte mit ihrem Rücken hart auf dem Boden auf. Tränen flossen ihr den Wangen herunter. Jetzt würde sie wohl sterben.

Jedoch es passierte nichts! Das Ding lag schwer auf ihr drauf und presste mit seinem Gewicht ihr die Luft aus den Lungen. Aber es bewegte sich nicht. Langsam versuchte sie unter dem Körper hervor zu rutschen. Kaum war sie hervor gekrochen, rutschte sie auch verängstigt gegen die nächste Hauswand. Weit weg von dem Biest. Ihr Atem ging tief.

Schwere Schritte nährten sich ihr. Der fremde Mann trat an das tote Wesen heran und drehte es mit einem Tritt auf den Rücken.

„Gut gemacht“, nuschelte er rau, während er die Mistgabelköpfe aus dem Körper des Wesens zog, „ich bin Leon.“

Justine starte immer noch das Wesen vor ihr an. Es blutete aus den Einstichwunden und seine Augen waren schreckgeweitet, so als hätte es nicht begriffen, was geschehen war. Seine Augen sahen menschlich aus, doch der Rest des Körpers war der eines unbekannten Tieres.

„Jetzt starr das Ding nicht so mitleidsvoll an“, herrschte Leon sie sofort an. Er putzte die Gabeln an einem Tuch sauber und schmiss sie vor Justines Füße.

„Hier, das sind jetzt deine. Für’s nächste Mal.“

WAS?

„Was für ein nächstes Mal?“

„Das nächste Mal, wenn dich wieder ein Dämon angreift?“

„DAS war ein Dämon?“, Justines Augen weiteten sich entsetzt, dann stiegen ihr Tränen in die Augen.

„Nein! Sowas gibt es nicht!“

Justine schüttelte ihren Kopf. Das war alles grad ein böser Alptraum. Solche Wesen gab es nicht.

„Wenn du meinst“, murmelte nur Leon nur, während er ein Fläschen aus seinem Mantel hervor holte und die Flüssigkeit auf dem toten Körper verteilte. Mit seinem Feuerzeug setzte er den Leichnam in Brand. Rauch stieg in den Nachthimmel.

Leon klopfte seinen Mantel ab und stand auf.

„Du solltest die Sai trotzdem behalten. Auch wenn es sowas gibt. Ich komme wieder, wenn der nächste dich angreift.“

Er drehte sich um und wollte in der Dunkelheit der Gasse verschwinden, aber eine Frage hielt ihn auf:

„Wieso greifen sie mich an?“

Justine saß noch immer wie ein Häufchen Elend da. Das Gesicht verdreckt. Die Augen verzweifelt.

„Das frag ich mich auch immer, wenn sie mich angreifen und sonst keinen. Vielleicht weil sie wissen, dass du und ich in der Lage sind, sie zu töten.“

Mit diesen Worten verschwand Leon in der Dunkelheit und ließ eine verzweifelte Justine zurück.

Dabei war gestern doch noch alles in Ordnung.

Satz 23: Das Zeichen

Er genoss seine Konzentration, seine Übersicht und seine Geistesgegenwart, und ab und zu, wenn er auf sich selbst achten konnte, weil der andere am Wort war, meinte er zu spüren, dass nun doch, langsam und unauffällig, eine innere Befreiung durchzuschimmern begann und dass seine neue Wachheit, die, ganz anders als Montag Nacht, jetzt nichts Überdrehtes an sich hatte, in einem Zusammenhang mit dem Entschluss von heute morgen stand.

Er würde keine Angst mehr haben. Er hatte seinen Entschluss immer voller Angst in Frage gestellt. Hatte Angst, dass er die Konsequenzen zu spüren bekam. Aber seit er beschlossen hatte, nichts mehr zu bereuen und zu seinen Entscheidungen zu stehen, konnte er plötzlich frei atmen. Konnte diese Welt genießen. Er biss wieder ein Stück von seinem Hot Dog ab und hörte seinem Gegenüber zu.

Nils war seit Jahren schon an dieser Ecke und verkaufte seine Hotdogs. Wenn man ein bisschen länger bei ihm stand und sich Zeit nahm, dann erzählte er seine Sicht der Dinge und wie er die Welt sah. Es hatte etwas Erfrischendes ihm zuzuhören.

Mephisto atmete ganz tief die Luft ein. Hier am Park roch es herrlich nach frisch gemähtem Gras. Er liebte diese Welt. Hier war der Himmel weit und die Sonne strahlend hell. Lächelnd lauschte er Nils.

„Sag mal Meph, musst du nicht langsam wieder zurück in dein Büro? Deine Mittagspause geht doch sicherlich nicht ewig“, Nils schaute ihn abwartend an.

„Hm, ja Kumpel, ich mach mich mal so langsam auf dem Weg. Bis morgen.“

Mephisto gab Nils die Hand und ging dann leichten Fußes Richtung Innenstadt. Er arbeitete hier in einem Architektenbüro als Assistent. Die letzten Stufen hoch nahm er in einem Satz und öffnete gut gelaunt die Türe zu seinem Zimmer, als er erstarrte.

An seinem Tisch saß mit dem Rücken zu ihm, wartend ein Mann. Er erkannte ihn sofort.

Der Fremde drehte sich nun herum und schaute nach, wer da zur Tür hineingekommen war.

„Oh, hallo mein Sohn. Ich dachte, ich besuch dich mal. Setz dich!“

Seine Stimme klang heißer, fast wie gekratzt. Mephisto ging um den Tisch herum und ließ sich in seinen Drehstuhl sinken.

„Hallo Vater.“

Sie starrten sich eine Weile schweigend an. Luzifer sah sich in seinem Büro um und begutachtete alles sorgfältig.

„Hm, bitte Mephisto hilf mir auf die Sprünge. Ich hab immer noch nicht rausgefunden, warum du weggelaufen bist und dich gerade auf der Erde versteckst.“

Nun war es wohl so weit. Er würde sich seinem Vater stellen müssen und endlich ihm die ganze Wahrheit sagen müssen.

„Ich liebe diese Welt, Vater.“

Schweigen.

„Nun, wenn du es als Liebe ausdrücken willst, mein Sohn. Ich mag diese Welt im Grunde auch, ohne sie hätte unser Dasein wohl keinen Grund. Ist sie doch der Ursprung unserer Existenz, aber deswegen will man doch noch lange nicht in ihr Leben. Oder erfreust du dich an dem ganzen Leid hier?“

Er schien es nicht zu begreifen.

„Nicht solch eine Liebe, Vater. Ich bin hier, weil ich den frischen Duft nach dem Regen liebe, die Musik, Kinderlachen, der Duft von frischem Gebäck und vieles mehr.“

Er war lauter geworden und beugte sich etwas vor, als er diese Worte seinem Vater eindringlich sagte. Mephisto atmete tief. Würde sein Vater es verstanden haben?

Wieder schweigen. Plötzlich sank sein Vater nach hinten an die Stuhllehne.

„Seit wann weißt du das?“

„Seit einigen Jahrhunderten.“

„Was ist mit deinen Sünden?“

„Viele bereue ich seit geraumer Zeit.“

Luzifer schloss die Augen. Da hatte er einiges erlebt und nichts konnte ihn mehr aus der Ruhe bringen. Doch sein eigen Fleisch und Blut schaffte es doch immer wieder.

„Ein Engel.“

Die Worte blieben alleine im Raum stehen. Anscheinend musste der Fürst der Hölle nachdenken. Den Schock erstmal schlucken.

„Mein eigener Sohn ist ein liebenswerter, gefühlsduseliger Engel“, schrie er plötzlich los, „weißt du, was du damit anrichtest!“

„Du warst auch einst einer, Vater!“

„Sind sie weiß?“

Luzifer stürzte über dem Tisch und packte seinen Sohn. Riss ihm das Hemd von den Schultern und legte seine Hand auf den Rücken seines Sohnes. Sofort spießen leicht graue Flügel aus Mephistos Rücken. Luzifer starrte diese Abartigkeit an und wusste nicht mehr weiter. Hilflos sank sein Kopf auf Mephistos Schulter.

„Mein eigener Sohn“, murmelte er nur.

„Vater“, Mephisto selbst klang nun auch verzweifelt.

„Vater, ich kann nicht sagen, dass es mir leid tut. Ich will hier bleiben und in dieser Welt leben.“

Er hoffte, dass sein Vater es verstand. Plötzlich erhob sein Vater sich und ließ von ihm ab.

„Wenn du weiterhin zu mir gehören willst, dann wirst du dir diese abartigen Flügel abreißen. Wo du lebst, ist mir egal. Aber merke dir, solltest du eines Tages frei von Sünden sein, dann bist du weder willkommen noch stehst du dann unter meinem Schutz.“

Mit diesen Worten verließ Luzifer das Büro und die Erde, um zurück zu seinem Thron zu kehren.

Mephisto blieb perplex zurück. Lief ja besser als er erwartet hatte. Was hieß hier besser? Es lief geradezu grandios. Er hatte ja fest damit gerechnet, dass sein Vater ihn zurück in die Hölle zwang und ihn Jahrhunderte lang quälen würde, bis seine Flügel endlich wieder schwarz sein würden.

Vielleicht hatte sein Vater auch nicht das Ausmaß seines Verrats erkannt?!

Erleichtert sank Mephisto zurück in seinen Stuhl, faltete die Hände und begann zu beten.
 

Hatte je jemand dies gesehen oder nur erahnt?

Hatte je ein Prophet dies prophezeit?

Das Undenkbarste war geschehen. Das Zeichen, welches der Herrscher im Himmel niemanden gesagt hatte. Weder Engel noch Dämonen wussten davon.

Gab es denn das? Ein gefallener Dämon, der eines Tages zurück in den Himmel kehren würde?

Dabei rein von jeder Sünder und voller Liebe?!

Dies war das Zeichen, das nicht in der Offenbarung stand. Am Tag des Jüngsten Gerichts würde der sündigste aller Teufel in den Himmel steigen und wieder ein Engel sein.

Satz 28: Schatten

Der eine oder andere würde ihm Glauben schenken, wenn er ihn anspräche, und ihm helfen.

Oder doch nicht? Die Menschen liefen an ihm vorbei, wie graue, tote Statuen. Ihn nicht beachtend.

Er wusste nicht, was er tun sollte. Er blickte hinter sich. Die Schatten kamen näher. Schwebten durch die Mengen. Keiner sah sie. Keiner beachtete sie. Hass in ihren Augen, Wut in der Faust, Freude auf den Lippen kamen sie näher. Er rannte wieder los. Weiter mehr ins Stadtzentrum. Hin, wo Menschenmassen waren, die ihn schützen konnten. Doch keiner beachtete ihn. Warum? Warum beachtete ihn keiner?

Die Menschen hasteten an ihm vorbei. Von einem Laden in den nächsten. Ihren Konsumrausch auslebend.

Er wusste sich nicht mehr zu helfen. Er musste weg. Neben ihm lief eine Geschäftsfrau vorbei. Er packte sie am Arm und sprach sie an.

„Entschuldigen Sie bitte, können Sie mir helfen?“

Die Frau blickte erst verwirrt, dann fragend ihn an.

„Ich werde verfolgt von ihnen.“

Er zeigte hinter sich auf die Schatten.

Die Augen der Frau weiteten sich. Jetzt sah sie die Schatten auch. Sie sah ihn angsterfüllt an, riss sich von ihm los und lief schnell weiter. Rein in den nächsten Konsumtempel.

 

Wieder war er allein. Die grauen Statuen schoben sich an ihm vorbei. Die Schatten grinsten und kamen weiter näher.

 

Er rannte weiter. Runter in die U-Bahn. Vielleicht hatte er Glück und es fuhr gerade eine U-Bahn ab. Vielleicht konnte er noch zwischen die sich schließenden Türen springen und wegfahren. Der Bahnsteig war leer. Es musste eben erst eine U-Bahn abgefahren sein.

Die nächste kam erst in zehn Minuten. Er starrte verzweifelt die Anzeigetafel an. Ein fester Griff umklammerte plötzlich seine Schulter. Schubsend und schlagend, drängten sie ihn in die nächste Ecke. Nach dem ersten festen Schlag entschwanden ihm schon die Sinne. Weitere Schläge und Tritte folgten. Wüste Beschimpfungen und Parolen drängten sich ihm an die Ohren, doch verschwammen zu einer undefinierbaren Geräuschkulisse. Er vernahm nichts mehr. Warum sah in einer so großen Stadt keiner sein Leid? Wieso halft ihm keiner?

Sein Körper schaltete ab.

 

Die Zeitungen berichteten am nächsten Tag.

'Junger Mann asiatischer Herkunft in U-Bahn Station tot aufgefunden.'

'Starb an den inneren Wunden noch am Ort.'

'Polizei vermutet ein Übergriff rechtsradikaler Anhänger.'

 

Ein Foto war von ihm auf die Titelseite gedruckt. Seine Familie hatte für die Zeitungen ein schönes rausgesucht. Daneben prangerte ein aktuelles Foto. Zeigte ihn verschlagen, verquollen, misshandelt.

Maria legte die Zeitung zur Seite. Ihr war schlecht.

Satz:30 - Rue de la Traîtrise

"Was für ein Zufall, dich hatte ich hier zu allerletzt erwartet."

„Hier gibt es Juwelen. Ich bin ein Dieb. Wieso sollte ich nicht hier sein?“

„Die Juwelen sind nicht echt. Das hier ist eine Falle der Polizei und wir zwei sind drauf reingefallen.“

„Merde.“
 

Genau in diesem Moment klappten die Gemälde an den Wänden zur Seite und schwarz vermummte Gestalten sprangen aus den Geheimgängen hervor. In wenigen Sekunden waren die beiden Ganoven umzingelt und bereits in Handschellen gelegt.

Blanc schaute mies drein.

„Mit so einem miesen Trick mich dranzukriegen. Seit wann arbeiten die Zeitungen auf solch eine verlogene Art und Weise mit der Polizei zusammen?“

„Hör auf, dich aufzuregen, Blanc. Das hier ist nur passiert, weil du nicht in der Lage bist, nachzudenken.“

„Darf ich dich dran erinnern, dass du auch hier drin gefesselt sitzt, Eugène und diesmal bin ich gespannt, ob du wieder so schnell ausbrichst.“

„Ach ja, die Handschellen.“

In diesem Moment nahm der Ausbrecherkönig seine Hände nach vorne und übergab dem dabei sitzenden Beamten die Handschellen. Blanc schienen die Augen auszufallen.

„Was?“

„Ich hoffe, dieses Beispiel hat sie überzeugt, Herr Polizeipräsident.“

„In der Tat, Mister Vidocq. Sie scheinen wirklich der Polizei von Nutzen und wir werden die weitere Zusammenarbeit nachher in meinem Büro besprechen.“

„Wie darf ich das verstehen, Eugène?“

Blanc war außer sich vor Wut.

„Arbeitest du jetzt mit der Polizei zusammen?“

„Tut mir leid. Aber ich hab ihnen nur ein Beispiel geliefert wie man auf leichte Art Herr über die Kleinganoven wird. Und leider bist du drauf reingefallen.“

„Reingefallen? Du hast mich reingelegt, Eugène!“

„Kennen Sie diesen Mann persönlich, Mister Vidocq?“

„Wir sind uns nur mal hier und da über den Weg gelaufen, Herr Polizeitpräsident.“

Blanc atmete nur tief ein. Sagte aber nichts mehr bis das Auto hielt.
 

„Kommen Sie bitte gleich mit in mein Büro, Mister Vidocq.“

Der Polizeichef lief voraus. Eugène war schon dabei ihm zu folgen, als er Blanc flüstern hörte:

„Ich kann es ja verstehen, Eugène. Ich kann es verstehen, dass du das Katz und Mausspiel leid bist. Aber deinen ältesten Freund so zu verraten. Das hätte ich nie von dir erwartet. Du hast gewusst, dass ich darauf reinfalle. Du hast es gewusst.“

„Weiter gehen!“, brummte nur einer der Polizeibeamten und schubste Blanc Richtung Polizeigebäude, dass sich dunkel zwischen den anderen Gebäuden hervor quetschte in der Rue de la Traîtrise .



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Von:  Black_Taipan
2011-06-15T19:27:37+00:00 15.06.2011 21:27
Interessant! - Ich mag Geschichten mit Dieben und französischen Namen, da kommt bei mir immer Arsène Lupin in Erinnerung.
Es war nur leider so kurz, dass in meinem Kopf richtig viele Fragen herumbrausen: Was für ein Trick mit der Zeitung? Warum arbeit der eine Dieb mit der Polizei zusammen? Wo findet der Diebstahl statt?
Aber so als Idee/Kurzgeschichte finde ich die Rue sehr gelungen, man kann sich vieles selbst weiterspinnen. :) Hat mir gut gefallen!
Von:  DKelli
2011-05-05T15:05:45+00:00 05.05.2011 17:05
Hallo Naudhiz,

am Anfang wusste ich nicht wirklich, ob du deine Geschichte nicht parodistisch verfasst hast ('ludwigsburgerisch'? *lach*)... Sehr nett der humorvolle Schreibstil verknüpft mit einer gruseligen Sage.
Nachdem der richtige Plot dann wie ein Märchen anfing, war ich verwundert, dass es mehr oder minder schon direkt zum Höhepunkt kam - wer hätte auch ahnen könne, dass das eine Falle ist, schließlich steht normalerweise in Märchen so etwas wie: "Und sie litten unter der Hexe; viele tapfere Krieger haben versucht sie zu fangen, doch sie schien unbesiegbar."
Ich will damit nicht sagen, dass das fehlt, ich finde es sehr spannend so wie du es geschrieben hast^^ Das nimmt der Story das Märchenhafte und macht es realer.
Bis auf das mit den Armen. *lach*
Aber kreative Ideen sind immer Willkommen in Horrorgeschichten~(unexpected plotchange :o)

So im Nachhinein bin ich mir nicht sicher, ob es nun ein (Horror)Märchen sein soll oder einfach nur eine Horrorgeschichte. Bitte um Erleuchtung.^^
Mir hat es sehr gut gefallen - nur weshalb kann man die Hexe nicht töten? o.O

Mach weiter so!
Liebe Grüße,
D'Kelli

P.s.: Nur ein kleiner Rechtschreibfehler: >>Direkte vor ihrem Kopf befand sich die Glocke,<< Ich glaube, den siehst du selbst :)
Von: abgemeldet
2010-08-03T01:02:35+00:00 03.08.2010 03:02
Wow...ich bin geschockt. Zu solch später stunde und kurz vor dem Schlafen sollte man sowas DEFINITIV nicht lesen...aber es hat mich gepackt und ich konnte nicht aufhören, obwohl ich schon nach den ersten Sätzen wusste, dass es nicht gut sein würde O.o

Zuerst dachte ich, dass die Tochter wirklich etwas hat- epilepsie oder so etwas, das den Vater denken lassen könnte, sie sei vom Teufel besessen. Aber da hast du mich ja gründlich an der NAse rumgeführt. Heftig.
Also eigentlich weiß ich bis jetzt nicht wirklich, was du mir mit dieser Geschichte sagen willst oder was nun "wirklich" oder "wahr" ist, aber vielleicht musst du das gar nicht. Wie ein Vorredner von mir schon gesagt hat: es ist wie eine Lagerfeuergeschichte. Und was muss da "wirklich" und "wahr" sein?
Den Vater, den Angreifer, als Opfer darzustellen, schöner Schachzug!

Ich frag mich nur die ganze zeit, wie alt das kind ist...es spricht ja so klar und deutlich, also so gute Sätze, sodass ich annahm, dass es älter sei. Aber die Mutter trägt es ja auch den Arm und als es fällt, ist es sofort tot...ein älteres kind, 12 oder so, kann man zwar auch noch tragen, aber wenn das auf den Boden fällt, ist es nicht zwangsläufig sofort tot...daher....naja das hat mich nur sehr verwundert. Für ein kleinkind ist mir die wörtliche Rede zu "erwachsen"
(und ja das kind ist psychopatisch, aber das hat mich trotzdem gestört^^)

eine....nette geschichte (schön kann ich einfach nicht sagen, nicht bei solch einer geschichte xD); schön gruselig. Gänsehautfaktor pur!

Liebe Grüße
Lichti
Von:  Hatshepsut
2010-05-24T16:50:43+00:00 24.05.2010 18:50
Hey, das war cool. ^^
Hat mich ein wenig an "Das Bildnis des Dorian Gray" erinnert (das ich nie gelesen habe XD).
Ich fand den Namen auch so toll: Henry Teufel. :D
Aber was ist der 15. Satz? Ist der aus einem Buch, oder hast du den in dem Zirkel bekommen? Ich geh mal stalken. ;)

Irgendwie fehlt mir noch son bisschen die Auflösung, ich wüsste gern, ob es nicht doch ein "richtiges" Ende gibt, aber bei dem Charakter ist das wohl kaum möglich. Egal, tolle Story!

LG
H
Von:  Trollfrau
2010-04-17T11:49:20+00:00 17.04.2010 13:49
Sehr schaurig. Ich mag solche Geschichten. Sie erinnern mich immer irgendwie an Stephen King und X-Faktor.
Als WB-Beitrag habe ich mich für dieses Kapitel entschieden.
Ich denke, als Lagerfeuergeschichte kann man diese mit gutem Gewissen gelten lassen. Wenn man in der Nähe einer derartigen Häuslichkeit sitzt. Warum nicht... ;c)
Herzlichen Glückwunsch! Platz 3!
Von:  Varlet
2010-04-05T19:00:32+00:00 05.04.2010 21:00
Es ist schon lange her, dass ich mal was zum Assoziativen Schreiben gelesen hab, irgendwie vermiss ich die Zeit dort, aber naja, das ist ne andere Geschichte.
Also ich finde, dass du wirklich viel aus dem Satz heraus holst, du kannst ihn sehr gut auf die Geschichte anwandeln und hast hinzu kommend noch einen sehr schönen Schreibstil. Eigentlich hat mir alles gefallen und ich weiß nicht, was ich dir dazu schreiben soll *grübel* außer 'mach weiter so und ich freue mich, wenn ich mehr zum AS von dir lesen kann'

Von: abgemeldet
2010-04-05T17:16:29+00:00 05.04.2010 19:16
Huhu.

Also ich muss sagen, dass du dich in dem Jahr wirklich entwickelt hast, was vor allem die Rechtschreibung und Grammatik betrifft. Man merkt eine Entwicklung und das ist definitiv positiv anzumerken. So und nun zu diesem OneShot. Ein schöner OneShot, der aus diesem einen Satz sich heraus entwickelt hatte. An einen Mord habe ich zwar gedacht, aber die Sache mit den Dämonen kam überraschend.
Gut gemacht, mach weiter so.
Lg,
Koike
Von: abgemeldet
2010-04-05T17:08:13+00:00 05.04.2010 19:08
Huhu.
Also ich habe mir gedacht, da ich dich unter den neuen "Lies mich"-Autoren gefunden habe, lese ich mal etwas von dir. Also ich muss sagen, ich war nicht von dieser Geschichte begeistert, wie die anderen Leser. Die Sätze am Anfang sind mir zu abgehackt. "Blickte ihr in die leeren Augen...": Dies ist für mich kein Satz. Da fehlt eindeutig das Personalpronomen. Entweder hätte man das durch ein Kommata mit dem vorherigen Satz verbinden müssen oder einfach das Personalpronomen dazusetzen müssen. Dies kommt leider öfters vor. Aber die Grundidee der Story finde ich nicht schlecht, auch wenn alles etwas kurz und abrupt ist, so ohne Beschreibung.
Also insgesamt: Nicht schlecht, Grundideen sind definitiv vorhanden, aber dennoch ausbaufähig.
Lg,
Koike
Von:  DoctorMcCoy
2010-04-05T16:49:04+00:00 05.04.2010 18:49
Wow, wirklich sehr psychopathisch. Aber eine wirklich coole Geschichte. Genau mein Geschmack^^
Dieses Kind war wirklich sehr unheimlich, besonders konnte ich mir das Kichern richtig gut vorstellen. Und was ist bitte schön unheimlicher, als irgendwelche gestörten Kinder, die ja eigentlich unschuldig und lieb sein sollten.
Gabi tut mir aber irgendwie leid. Ich kann mir gut vorstellen, wenn sie danach in einer Anstalt gelandet ist. Erst bringt sie ihren Mann um und dann erfährt oder glaubt zu erfahren, dass ihr Kind das alles geplant hat und dann tötet sie auch noch ihr Kind. Oh mein Gott, die arme Frau.
Auf jeden Fall eine sehr gelungene Geschichte, die einem Gänsehaut verspricht.
LG Lady_Sharif
Von: abgemeldet
2010-03-21T15:14:21+00:00 21.03.2010 16:14
Boah... dass du sowas aus diesem Satz machst... wow, das war geradezu grandios! =D
Etwas komplett anderes, als ich aus diesem Satz gemacht habe, aber dennoch total cool. =)
Das Einzige, was mir aufgefallen ist: als er diese Worte seinem Vater diese Worte eindringlich sagte.
Aber das war's auch schon, sonst ist deine Geschichte richtig gut geworden. Ich finde, du hättest Mephistos Standpunkt noch etwas deutlicher machen können, vor allem in Hinsicht auf seine Flügel.

Ansonsten top! =)
Max


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