Zum Inhalt der Seite

Die Abenteuer von Mr. Bär und Mr. Baguette

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der Stand der Dinge

Die Sonne glitzerte auf dem Meer wie das Nest einer ambitionierten Elster. Mr. Bär und Mr. Baguette, ihres Zeichens die nautische Version von Ernie und Bert, jedoch zumindest zur Hälfte mit besser gepflegten Augenbrauen, saßen an Deck ihres Schiffes namens Kieselstein. Das „Schiff“ wies eine erstaunliche Ähnlichkeit mit einem einfachen Ruderboot auf, was Größe und Komfort anging... und zwei Paddel hingen dröge ins Wasser.
 

„Seit TAGEN habe isch keinen HÜbschen HIntern mehr gesehen“! rief Mr. Baguette und schlug die Hände über seiner Baskenmütze zusammen. Sein langer geringelter Schnurrbart zitterte empört.

„Seit wann interessierst du dich für Hintern“? fragte Mr. Bär gelangweilt. Er wollte die Antwort eigentlich nicht hören.

„Gansss ehrlisch Mr. Bär... im Augenblick würde isch misch sogar für Europäische Gewerkschaften interessieren...“

„So schlimm“?

„Ouwie, Schlimmer... und sieh nur, jetzt ist uns sogar noch der Käse ausgegangen.“
 

3 Tage früher:
 

Mr. Baguette war ein 42 Jahre alter Mann mit Bauchansatz und einem ewig langen Schnurrbart der, gegen jeden Widerstand der Schwerkraft erhaben, sich hin und wieder wie ein Schweineschwänzchen gen Himmel rollte und dabei so manche vorbeigehende Leute mit seinem auf und abwippen hypnotisierte. Mr. Baguette hielt sich für einen waschechten Franzosen und kleidete sich auch dementsprechend. Er sah aus wie ein wandelndes Klischee und die Personifizierung von „politisch unkorrekt.“ Selbst seine Eltern hatten es niemals gewagt ihm zu sagen, dass er eigentlich aus Hessen stammte. Natürlich wusste er es... aber er hatte sich ebenfalls bisher nicht getraut es sich zu sagen. Zurzeit stand er in einer Schlange eines großen Supermarktes, umklammerte einen großen Haufen verschiedenster Käsesorten und betrachtete mit mäßigem Interesse die Leute um sich herum. Vor ihm stand ein junges Mädchen das ein Netzhemd trug, das ihre Bauchspeckfalten so richtig schön zur Geltung brachte. Er fragte sich, ob sich auch bei ihr sich niemand getraut hatte ihr zu sagen, dass sie grässlich aussah. Hinter ihm stand ein älterer Herr, der unaufhörlich vor sich hin murmelte. Mr. Baguette glaubte zwischendurch Worte wie „Misskredit – Bankenkrise – Hihi“ zu hören wollte es aber nicht genauer wissen. Die Leute um ihn herum waren schrecklich uninteressant. Selbst das junge nackte Paar das draußen im Auto sein Unwesen trieb hätte ihn in diesem Moment nicht interessiert. Dafür aber einen älteren Herrn der die langen wirbelnden Haare der junge Frau sah und zu seinem Eheweib sprach: „Sieh mal, da ist ein Hund drin“ und sich näher zur Scheibe beugte.
 

Gleichzeitig, am anderen Ende des Supermarktes, in der Kleintierabteilung, die zwar faktisch nur in Baumärkten vorhanden ist, aber das soll uns jetzt mal nicht stören, da spielte sich in einem Plastikbecher folgendes ab:
 

„Es fehlen dir 4 Stimmen“! sagte ein Heimchen zu einem anderen, das sich überhaupt nicht von ihm unterschied. Weil es eben Heimchen sind. „Das kann nicht sein“!! rief es zurück und hüpfte im zickzack durch den Plastikbecher. Dabei schreckte es all seine Heimchenkollegen auf und der Plastikbecher kippte aus dem Regal. Der Deckel sprang auf und ärgerlich hüpfte „Das kann nicht sein“-Heimchen in die Freiheit. „Das werdet ihr noch büßen!!! Wenn ich erstmal die Welt regiere, dann werdet ihr unbedeutende kleine Hofdiener werden die von Nichts ne Ahnung haben... ach nein, ihr seit ja jetzt schon blööööde“!! Es hüpfte davon.

„Glaubst du es kommt irgendwann zurück“? fragte Heimchen Nr. 2

„Um auch verfüttert zu werden... ne, so bescheuert ist doch keiner“! (Heimchen Nr. 24)

„Wieso wollte es zum König der Plastikschale gekrönt werden“? (Heimchen Nr. 5)

„Gehört wohl zu der Sorte Leute die immer den Bauch gepinselt haben wollen selbst wenn sie ne absolute Hohlfrucht sind.“ (Heimchen Nr. 24)

„Du meinst so wie diese unbegabten Leute bei diesen Fernseh-Sing-Casting-Sendungen“? (Heimchen Nr. 5)

„Wir sind Heimchen, woher wissen wir denn DAVON“?? (Heimchen Nr. 13)
 

Kurz darauf betrat ein gewisser Mr. Bär den Supermarkt. Niemand schien Notiz von ihm zu nehmen. Zumindest nicht aus seiner Perspektive heraus. Wenn man ein

1,75 m großer Teddybär mit dicken Augenbrauen und Matrosenkleidung ist, dann ist man es gewöhnt, dass die Leute nur HINTER einem herstarren. Die Leute vor ihm betrachteten energisch unauffällig die Obstkörbe und sahen teilweise so aus, als ob sie das erste Mal in ihrem Leben eine Kiwi sehen würden. Mr. Bär war davon ziemlich genervt.
 

Mr. Baguette war wieder zu Hause angekommen. Er stellte seine Einkäufe, die tatsächlich ausschließlich aus Käse bestanden, auf den Küchentisch und ging ins Wohnzimmer. Dort in einen Käfig rannte eine Hamsterdame namens „Cremé Brühlee“ in ihrem Rad herum. Sie war so schnell, dass die Scharniere bereits qualmten, aber das verfluchte Ding wollte sich einfach nicht aus seiner Halterung lösen. Panisch glotze Cremé Brühlee nach rechts und links. „10345... eine ungerade Umdrehungszahl... noch eine und noch eine und noch eine... Schnürschuh“ geisterte es durch ihren neurotischen Hamsterverstand.
 

Im Supermarkt hüpfte unterdessen ein Heimchen an Mr. Bär hinauf und kroch in eines seiner flauschiges Ohren. Eigentlich wollte es ja doch noch zu den Anderen zurückkehren, hatte den Weg aber nicht gefunden. Da es aber eh alle anderen Heimchen außer sich selbst blöd fand war das eh unwesentlich.
 

„Oh non, isch habe dein Füüütter vergessen“! Mr. Baguette schaute seine Hamsterdame entschuldigend an, drehte sich um und zog die Tür hinter sich zu. Er eilte die Straße hinunter und traf im Eingangsbereich des Supermarktes... Mr. Bär, der gerade wieder gehen wollte. Sie starrten einander an wie Rehe mitten in der Nacht auf der Fahrbahn ein Auto angestarrt hätten. Sie kannten sich nicht. Sie wussten rein gar nichts voneinander. Der Gott der Handlung hatte es so gewollt und die Luft wurde spürbar kühler.

Ein kurzer Rückblick

„Und so sind wir hIerher gekommen.“ Mr. Baguette lehnte sich mit zufriedener Miene im Boot zurück.

„Du hast überhaupt nicht erzählt wie wir hierher gekommen sind... das letzte was du gesagt hast ist, dass uns der Käse ausgegangen ist... und abgesehen davon hat auch sonst keiner was gesagt“ grummelte Mr. Bär und wand genervt seinen Blick zum Himmel. Es kam aber keine Antwort. „Na schön, muss ich es eben selbst tun... blabla, wir glotzen uns an, du hast mich gezwungen mit zu dir nach Hause zu gehen, ich hab versucht den Hamster zu essen, du hast gesagt du wolltest schon immer den besten Käse der Welt suchen... oder finden und ich hab gesagt das mich das nicht die Bohne interessierst, daraufhin hast du deinen Hamsterkäfig und den Käse eingepackt und mich in den Hafen geschleppt wo du meine teure Designeruhr gegen ein klappriges Ruderboot eingetauscht hast und nun sind wir mitten auf dem Meer uns ist der Käse ausgegangen, ich kann dich immer noch nicht ausstehen und ich habe keine Ahnung warum ich hier bin blablabla.“

„Warum siehst du immer alles so negative mon fräääre? Läschle und der Tag gehÖrt dir“!! Mr. Baguette legte ein Zahnweißlächeln auf, das selbst die Sonne geblendet hätte.

„Wie kann der Tag mir gehören wenn ich nur... lächle? Ich glaube nicht das irgendjemand angerannt kommt und sagt „Hier, nimm ihn, er gehört dir weil du so schöne gerade Beißerchen hast“!

„Mr. Bär... „ Mehr viel ihm nicht ein. Mr. Baguette seufzte und streckte sich einigermaßen gemütlich aus. Neben ihm rotierte Cremé Brühlee immer noch in ihrem Rad. Unterdessen versuchte sie die Wellen zu zählen und wurde dabei fast wahnsinnig weil sie einfach nicht still halten wollten.

*Ich könnte ihn über Bord werfen... jetzt sofort* sprach eine Stimme in Mr. Bär. Und eine andere Stimme antwortete *Und wer rudert dann*?
 

So zog ein weiterer Tag nutzlos an ihnen vorbei. Das Heimchen, das immer noch in Mr. Bärs Ohr hockte und lange genug Zeit gehabt hatte darüber nachzudenken das der angehende Herrscher der Welt auch einen guten stattlichen Namen brauchte, kam zu dem Entschluss sich „Erdpferd“ zu nennen. Aus logischem Grund. Es wollte die Erde regieren und dabei auf einem stattlichen Pferd hocken während seine Untertanen ihm huldigten und seinen Namen in brennenden Lettern an den Himmel schrieben... na, soweit die Theorie. Die Praxis sah jedoch folgendermaßen aus: Es war ein kleines unbedeutendes Heimchen, das im Ohr eines riesigen Teddybärs hockte, der wiederum mit einem total durchgeknallt aussehenden Franzosen und einem hyperaktiven Hamster in einem kleinen Ruderboot saß, das nicht aufgrund seines Aussehens, sondern aufgrund seiner Schwimmqualitäten „Kieselstein“ hieß.

Warum bin ich so fröhlich?

Cremé Brühlee hatte aufhört wie bekloppt in ihrem Rad auf und ab zu rennen. Seit 4 Tagen hatte sie nichts mehr zu fressen bekommen, denn wegen Mr. Bär hatte Mr. Baguette auch kein neues Hamsterfutter gekauft. Es beruhigte sie in gewisser Weise, das es 4 Tage waren, also eine schöne gerade Zahl, aber das Loch in ihrem Magen war sicher nur in der Einzahl vorhanden, denn wann hätte man je jemanden sagen hören: „Lass uns was essen gehen, ich habe mehrerer Löcher im Bauch“? Da klopfte es plötzlich an ihren Käfig. Erschrocken kriegte Cremé Brühlee eine Art nervöse Zuckung und stieß sich den Kopf an ihrem Rad. „Viva la Revolution“ geisterte es durch ihre Nervenstränge. Sie schüttelte den Kopf und sah ein Heimchen. Ein Heimchen... nur eins. Ihr linkes Auge zuckte als sie versuchte sich einzureden, dass, wenn sie alle Körperteile zählte sicher eine gerade Zahl dabei herauskommen würde. „Nieder in den Streusand du plüschige Kreatur, vor dir steht der angehende Herrscher der Welt“! rief eine kleine piepsige Stimme und trat in den Käfig. Schneller als Licht und Schall zusammen hatte die halb verhungerte Cremé Brühlee das Heimchen Erdpferd in ihre Backen geschoben und versuchte zu kauen. Erdpferd sah die Bemühungen der Hamsterdame von einem ganz anderen Standpunkt aus, nämlich dem zwischen ihren Zähnen.
 

Mr. Bär döste in der Zwischenzeit aus reiner Langeweile vor sich hin. Die Sonne stand so nah am Rand des Meeres das er sich gefragt hatte ob Morgen oder Abend war, aber im Grund spielte es keine Rolle. Alles was er sich im Moment wünschen konnte war, das diese sinnlose Reise endlich zu Ende ging. Sein Wunsch wurde erhört. Vor ihnen tauchte eine kastenförmige Insel auf. „Land in Sicht... juuuu.... huuuu“! sagte er in extrem genervten Tonfall. Mr. Baguette blinzelte und guckte über den Rand des Bootes. Bis eben hatte er noch von den verschiedensten Käsesorten geträumt... die alle mit einem schrecklichen hessischen Dialekt auf ihn eingeredet hatten und nun sah er diesen mit Moos bewachsenen Felskasten mitten im Meer und freute sich wie eine Fliege in einem Bierglas. Nämlich nur kurz. Der Felskasten sah nicht aus, als ob Leute drauf leben würden die Käse herstellen. In der Ferne konnte man Hochhäuser erkennen und das war für Kulinarisches aller Art kein gutes Zeichen.
 

Da sie aber trotzdem Vorräte brauchten gingen sie an Land und suchten etwas an dem sie ihr Boot festbinden konnten, aber alles was entfernt dafür in Frage kam war ein hin und her schwingender Parkzettelautomat. Als Mr. Bär näher herantrat begann das Ding zu singen: „Warum bin ich so fröhlich, so fröhlich so fröhlich, bin ausgesprochen fröhlich, so fröhlich war ich niiiiiiiiiieee“!! Mr. Bär lies das Tau fallen und setze dazu an kopfüber zurück ins Boot zu springen. Das war einfach zu schrecklich. Mr. Baguette machte ihm einen Strich durch die Rechnung indem er ihn an seinem T-Shirt festhielt. Mr. Bär landete mit der Schnauze voran im Moos. „Wer wird denn gleisch so üBerreagieren? Na, was hAben wir denn da“? Er wand sich an den Automaten. Eigentlich war so ein singender und sich bewegender Parkzettelautomat recht ungewöhnlich, aber wenn man in der gleichen geistigen Sphäre wie Mr. Baguette lebte wohl doch nicht. „Das hAt doch was... warum bin isch so fröhlisch.... lala.“ Er band das Tau um den Automaten und rieb sich die Hände. “So! Ich finde wir sollten Vorräte hOlen.“

„Wer SO sagt ist noch lange nicht fertig“! antwortete Mr. Bär und spuckte ein paar Krümel Erde aus.

„Ouwie, wir hAben ja noch gar nischt angefangen, dummer Junge“!

„Dummer Junge“???? Etwas in Mr. Bär fing an zu zischen. Er wollte dem Leben von Mr. Baguette ganz allgemein ein Ende setzen, aber etwas hielt ihn doch davon ab... nämlich sein Fuß, der sich im Ankertau verheddert hatte. Wieder landete Mr. Bär auf der (Bären)Schnauze und als er wieder hochkam war Mr. Baguette schon ein gutes Stück vorausgegangen. „Bezahl mich Bezahl mich, ich bin frööööhlich“! flötete eine metallene Stimme hinter ihm. „Näää.“ Mr. Bär stapfte davon und hielt sich die Ohren zu.
 

Die singenden Parkzettelautomaten hatten einen bestimmten Zweck. Als sie aufgestellt wurden dachten die Obersten der Stadt, dass die Bürger viel öfter und mehr Geld in die Automaten werfen würden, wenn diese sie fröhlich stimmten. Aber wie allgemein bekannt ist, haben die Leute, denen die Entscheidungsgewalt obliegt meistens überhaupt keine Ahnung vom echten Leben. Statt besser gelaunt und damit spendabler wurden die Leute immer genervter von den singenden und schwingenden Parkzettelautomaten, was nicht zuletzt auch daran lag, das niemand ein Auto fuhr.
 

Erdpferd hockte immer noch in der Klemme, bzw. in Cremé Brühlee, die mit ihren Kauversuchen nicht allzu viel Erfolg verzeichnen konnte. Erdpferd erinnerte sich an all die viel schlimmeren Situationen die es überstanden hatte... und merkte dass ihm überhaupt Keine einfiel. Welche Schrecken konnte man schon als Heimchen erleben das nicht mal wusste ob es männlichen oder weiblichen Geschlechts war? Es musste einen Ausweg geben... irgendeinen. Dann sah Erdpferd seine Rettung. Einen wackeligen Zahn. Wie Chuck Noris, nur wesentlich kleiner trat Erdpferd mit voller Kraft gegen Cremé Brühlees Fressbrett. Der Zahn machte ein unangenehmes Geräusch und schwang schließlich wie eine Katzenklappe nach oben.
 

„Scheint eine fröhliche Insel zu sein, OH! Quelle belle Laden“! Sie waren ein Weilchen durch eine normal wirkende Stadt gelaufen mit großen und kleinen Läden, Hochhäusern und ein paar übrige gebliebenen Fachwerkbauten und schließlich vor einem Supermarkt gelandet. Mr. Bär verdrehte die Augen und knirschte mit den Zähnen. Überall waren diese singenden Parkzettelautomaten... und nirgendwo waren Autos. Die Menschen an denen sie vorbei gekommen waren trugen größtenteils Ohrenstöpsel und einen extrem verzweifelten Gesichtsausdruck. „Lass uns was zu Essen holen und so schnell wie möglich wieder verschwinden“! Mr. Bär stapfte los.

„Warte! Wie soll isch es sagen wir... ähm... hAst du Geld“?

„Ich dachte du hättest welches“?

„HÄtte isch deine Uhr eintauschen müssen wenn ich Geld hÄtte“?

„Ich dachte du wärst bloß geizig“!

„Sehr witzig mon fräääre“! Mr. Baguette zog schmollend die Unterlippe hoch.

„Und jetzt? Soll ich einen von den Automaten würgen? Vielleicht fällt das etwas Geld raus.“ Mr. Bärs Tatzen knackten erwartungsvoll.

„Isch glaube nischt, danke.“

„Aber ich würde es GERNE tun“!

„No... es muss einen anderen Weg geben... vielleischt könnten wir Geld... verdienen“? Er sah sich suchend um.

„Ähhh... und wie bitte“? Mr. Bär zog einen so zweifelnden Gesichtsausdruck auf das Mr. Baguette kurzzeitig fast nachgegeben hätte... aber eben nur fast.

„Was fehlt dieser Insel“? fragte er schließlich.

„Normalität“?

„No, isch meine etwas praktisches, etwas das wir tun können und für das man uns bezahlt... Ouwie, das ist es, das ist es“! Mr. Baguette hüpfte wie ein Gummiball im Kreis.

„Will ich nicht wissen“! sagte Mr. Bär.

„Na, wir werden singen. Die Leute hier sehen alle sehr unglücklisch aus, wir machen wie fröhlisch“!

„Ich bremse deinen Enthusiasmus nur ungern mit gesundem Menschenverstand, aber ist dir nicht in den Sinn gekommen, dass die Leute wegen der fröhlichen Automaten so genervt sein könnten“?

„Und was schlägst du vor“?
 

Erdpferd hüpfte im Hamsterkäfig auf und ab und zeterte. Dann machte es Klick. Cremé Brühlee war groß. Sehr groß... im Vergleich zu einem Heimchen. Sie war die perfekte Kampfmaschine, denn immerhin hatte sie es geschafft Erdpferd für einen kurzen Moment zu überwältigen. Und durch die Wackelzahntürklappe hatte es nun den idealen Zugang zur Kommandobrücke. Wer würde schon im Mund eines Hamsters die größte Bedrohung für die Menschheit vermuten. „Muahahahahaha“!!! lachte das Heimchen und hopste zwischen Cremé Brühlees Zähnen hindurch. Erdpferd war mit Sicherheit zu 100% Beratungsresistent.
 

Mr. Bär und Mr. Baguette standen vor dem Supermarkt. Mr. Bär zog mit sichtlichem Vergnügen an Mr. Baguettes überlangem Schnurrbart und dieser stieß je nach Intensität und Timing des Ziehens eine Art „Schmerzgesang“ aus, der aus „Au Aua Auaua Aua Aua auuu“! bestand. „Emotionale-Mucke“ nannte Mr. Bär das Ganze. Es sollte der krasse Kontrast zu „Warum bin ich so fröhlich“ werden... und es klappte. Die Leute warfen ihnen tatsächlich Geld vor die Füße... damit sie wieder aufhörten. Da Mr. Bär aber so viel Spaß am Ziehen hatte merkte er nicht, wie die Leute um sie herum von Minute zu Minute aggressiver wurden. Und ganz ehrlich, rotglühende Augen zu übersehen gehört schon zur hohen Kunst der Ignoranz. Die beherrschte Mr. Baguette nicht. „HÖr mal... die Leute sehen nischt AU sehr fröhlisch AUs...“

„Sollen Sie ja auch nicht“!

„Aber hAst du gesehen, da hInten kommen welche mit... Mistgabeln“
 

Die Stimmung war so schlecht, dass noch mehr negative Stimmung positiv gewirkt hätte. Im Hintergrund hörte man in einem kurzen Moment der atemlosen Stille „Warum bin ich so fröhlich so fröhlich so fröhlich“? Dann brach der Sturm los. Mr. Bär schnappte sich das Geld vom Boden und rannte los. Da er vergessen hatte loszulassen zog er Mr. Baguette am Schnurrbart hinter sich her, der dadurch natürlich immer weiter „Au Aua Au“! rief und den aufgebrachten Mob noch wütender machte. Die ersten Dinge flogen hinter ihnen her. MP3-Player, Ziegelsteine, Tomaten und Melonen knallten neben ihnen auf den Boden. Sie beschleunigen ihren Lauf und rannten so querfeld wie möglich durch die Straßen zurück zu ihrem Boot. Eine Woge von Lebensmitteln und anderen nützlichen Gegenständen flog hinter ihnen her und als sie sich vom Ufer abstießen. Panisch bemerkte Mr. Baguette das Kieselstein ja immer noch angebunden war. Es krachte und der Parkzettelautomat klatschte hinter ihnen ins Wasser. Mr. Bär ruderte so schnell, dass sie den Automaten wie beim Wasserski hinter sich herzogen. Sie entfernten sich in Rekordzeit vom Ufer und die Stimmen hinter ihnen wurden leiser... bis auf Eine... „Warum bin ich so fröhlich, so fröhlich so fröhlich... *glucker*

Holly Wood (Teil 1)

Kapitel 4 – Holly Wood (Teil 1)
 

„Sieh es doch mal positiv, wenigstens hAben wir jetzt etwas zu essen.“ Mr. Baguette lächelte Mr. Bär aufmunternd an, vergaß dabei aber, das Mr. Bär gerne besonders miesmutig war. Der Blick zweiter Teddyaugen bohrten sich direkt zwischen Mr. Baguettes Augenbrauen. Ihm in die Augen zu sehen traute er sich nicht. Auch wenn er nicht wusste warum. „Das haben wir jetzt davon!“ sagte er und deutete mit seinen plüschigen Pfoten auf einen singenden Parkzettelautomaten im Boot dem dringend jemand ein neues Lied beibringen sollte. „HÄtte isch ihn ertrinken lassen sollen?“ Mr. Baguette schüttelte den Kopf.

„Es ist ein Automat... der kann nicht ertrinken!!“

„Du meinst er kann schwimmen? Isch dachte immer Metall geht unter...“

„Wer von uns beiden stellt sich jetzt blöd?“

„Bitte, isch verstehe nischt...“

„Ngraarrrahghggnnn.“ So klang es, als eine plüschige Schnauze in eine plüschige Pfote biss. „Warum bin ich so fröhlich, so fröhlich so fröhlich?“ sang es im Hintergrund. Mr. Baguette hielt sich die Ohren zu und grinste. Er hatte nichts gegen den Automaten, aber die Stimme hatte durch das Meerwasser erheblichen Schaden genommen und klang jetzt nach kaputter Spülmaschine. Mr. Bär schwang den Kopf über den Rand des Bootes und tauchte ihn unter Wasser. Es blubberte und man konnte selbst an Bord Worte wie „Verdam... Mis.... Blö... Ar...“ verstehen. Als er den Kopf wieder hob triefte eine satte Ladung Wasser ins Boot und Cremé Brühlee bekam nasse Füße. Sie fiepte empört. „Ah, disch habe isch fast vergessen!! Pardoone moi ma schere!!“ Mr. Baguette nahm die Hamsterdame auf die Hand und hob sie in Augenhöhe. Cremé Brühlee zählte beruhigt zwei Augen. „Du hAst sischer HUnger.“ Er hob ein Stück Brot auf und hielt es ihr vor das kleine Nagetiergesicht. Ein Stück Brot. Cremé Brühlee trippelte nervös mit den Hinterpfoten. In ihr kämpften Hunger und Neurose. Aber keiner von beiden hatte die Chance zu gewinnen. Mr. Baguette brach ein kleineres Stückchen vom Brot ab und hatte somit nun zwei Stückchen auf der Hand liegen. Cremé Brühlee seufzte erleichtert. Zumindest hörte es sich so an. Zwischen ihren Zähnen sah man kurz ein kleines Heimchen. Mr. Baguette bemerkte es und forderte sie auf das was auch immer sofort auszuspucken. Nichts täte die Hamsterdame lieber. Aber Erdpferd hielt sich hartnäckig fest.

„Was is jetzt schon wieder?“ Mr. Bär glotze genervt zu ihnen rüber... wenn man bei der geringen Größe des Bootes von „rüber“ reden könnte.

„Sie scheint etwas zwischen den Zähnen zu hAben...“

„Aha...“ Mr. Bär verdrehte die Augen. Er stand auf, wankte ein paar Schritte (wegen seinem plötzlich viel schwereren „Wasserkopf“) und hob die arme Hamsterdame am Hinterteil hoch. Mr. Baguette starrte die Beiden entsetzt an, doch Mr. Bär fing an sie von oben nach unten zu schütteln. Erdpferd wurde es zwischen den Zähnen sehr unbequem und als die Hamsterdame den Mund nur einen kleinen Spalt öffnete fiel es sehr tief zu Boden. Konnte es diesen Sturz überlebt haben? Für einen Menschen hatte der Abstand zwischen Hamsterzähnen und Holzboden die Höhe eines mehrstöckigen Gebäudes. Erdpferd aber war so leicht, das der Windwiderstand seinen Fall bremste... zumindest ein bisschen. Es knallte mit dem Kopf voran auf und sah Sternchen. Es wusste, eines Tages würde es von echten Stars umgeben sein... die ihm dienen mussten, ihm, dem alleinigen Herrscher der Welt, des Universums und des ganzen Rests, ...der da noch lauern mochte. Mr. Bär trat auf ihn drauf. Cremé Brühlee nutze die Gunst der Stunde und füllte die Leere die Erdpferd hinterlassen hatte mit Brot.

„Oh, das arme Ding!“ sagte Mr. Baguette und beugte sich zu Mr. Bärs Plüschfuß herunter... und das war auch der springende Punkt an der Sache. Plüsch. Erdpferd hatte nun ein paar Fusseln im Mund, aber keinen ernsthaften Schaden erlitten. Es keifte, aber das klang wie ein Fiepen.

„Mistverdammicht!“ sagte Mr. Bär. Und plötzlich krachten sie gegen einen Felsen, der gar kein Felsen war sondern eine Insel, bedeckt mit... Leuchtreklame.
 

„Was ist das schon wieder für ein Schei...?“ fragte Mr. Bär und sah sich unaufmerksam um. Sie hatten das Boot vertäut und waren ein Stückchen über die Insel gewandert. „Und warum hast du DAS DA mitgenommen??“ Er deutet entnervt auf den Parkzettelautomat der sich gerade nicht traute zu singen... Mr. Bär hatte ihm eine leicht entflammbare Dynamitstange in den Münzschlitz geklemmt.

„Wir sollten ihm ein neues suuu Hause suchen... ouwie?“

„Nichts lieber als das, hey, hier wäre doch der perfekte Platz!! Genau hier... wo wir gerade stehen... klar soweit??“ Er wollte gerade dazu ansetzen den Kasten ungespitzt in den Boden zu rammen als ihnen eine sehr bunt gekleidete Frau mittleren Alters entgegen lief. Sie fuchtelte mit den Armen als ob sie einen Schwarm Bienen und Wespen verjagen wollte.

„Was zum Teu...?“ fragte Mr. Bär und wurde von ihr fast über den Haufen gerannt. Sie packte seine Pfote und schüttelte sie so kräftig, das der letzte Rest Meerwasser zu Boden tropfte. „Gestatten, ihr gestattet doch dass ich mich vorstelle, mein Name ist Holly Wood... so wie heilig, nur mit nem L zu viel... haha, nein, was plappere ich schon wieder für einen Unsinn, ich bin Filmemacherin und es freut mich sehr Sie kennen zu lernen Herr....?“ Ihre Lippen schienen nicht mit den Worten zu synchronisieren.

„WO ist der Ausschalter“?? fragte Mr. Bär und musterte Holly Wood von Oben bis unten. War sie wirklich eine Frau? Wollte er das eigentlich wissen?

„Das ist Mr. Bär... „ meinte Mr. Baguette aus dem Hintergrund.

„Ah, wie wunderbar!!! Und wie eingängig der Name doch ist... Mr. Bär... hach ja, die Leute werden Sie lieben, Schätzchen!!“

„Schä...“ Mr. Bär setze an, aber Mr. Baguette hielt ihm die Schnauze zu. „Ähm... ouwie, ein sehr schöner Name, nischt wahr... hehe. Entschuldigen Sie uns kursss madmoiselle?“
 

Inzwischen auf dem Boot. Erdpferd, von Haus aus und wie bereits erwähnt total beratungsresistent kletterte wieder zurück in Cremé Brühlees Hamsterbacken. Von dort aus wollte er diese neue Welt erkunden, die so strahlend hell schien und die sicher bald seinen Namen in leuchtenden Lettern an den Himmel schrieb... oder vielleicht auch einfach auf eine Anzeigentafel. Um die Details konnte er sich später noch kümmern. Das Heimchen tippte auf Cremé Brühlees Wackelzahn. Sie quiekte und preschte los... direkt ins Wasser. Erdpferd hatte urplötzlich das Gefühl in einem organischen U-Boot zu sitzen. Das half ihm nur nicht weiter.
 

„Du musst nischt gleich jeden, der mit dir spricht beleidigen, das bringt uns in Schwierischkeiten!“ mahnte Mr. Baguette den extrem aufgebrachten Mr. Bär.

„Ich hab sie nicht beleidigt... ich WOLLTE ES!!!“

„Beruhige disch mon freree.“

„Garantiert nicht!!!“

„Was muss isch tun, damit du einmal rücksichtsvoll bleibst?“

„Sterben.“

Mr. Baguette guckte ihn entgeistert an. Mr. Bär grinste plötzlich. „Ah, siehst du, jetzt geht’s mir wirklich gleich besser!“

„Alles klar soweit?“ fragte plötzlich eine Stimme hinter ihnen. Es war Holly Wood.

„Wo sind wir hIer?“

„Na, ihr Süßen seit in L.A.!!“ *fuchtel fuchtel*

„Steht das für „Lauter Abnormalitäten“? fragte Mr. Bär und sein linkes Auge zuckte bedrohlich... genau wie seine rechte Faust.

„Aber nicht doch Kleiner, das steht für „Lauter Angeber“ und „Lauwarmer Algenbrei.“ Sie sagte es mit tödlichem Ernst. Aber ihre Lippen grinsten weiter.
 

„Schwimm!!! Schwimm als ob es um MEIN Leben ginge... denn genau das tut es!!!!“ keifte Erdpferd im inneren des sinkenden Hamsters. Cremé Brühlee verdrehte die Augen und sah wunderbar wattige Wolken (in gerader Anzahl) in einem vanillefarbenen Himmel... weil ihr Gehirn an Sauerstoffmangel litt. Dann zog es plötzlich an ihr.
 

In der nächsten Episode erwartet euch:
 

Der neuste Film von Holly Wood. Ein Drama in 53 Akten(schränken). Heinrich die riesige Weinbergschnecke ist verliebt in Gundel, das blase Rotkehlchen. Doch seine Werbung bleibt vergeblich. Hartnäckig weigert sich Gundel Heinrich zu heiraten und mit ihm zusammen Kürbisfratze Junior zu adoptieren, die grenzdebile Halloweendekoration. Und mitten drin Mr. Bär und Mr. Baguette.
 

(PS: Ich bin mir ziemlich, fast... ungefähr sicher, das L.A. keine Insel ist).

Holly Wood - Teil 2 (Schlimmer geht immer)

Kapitel 4: Holly Wood – Teil 2 (denn schlimmer geht immer)
 

Gundel die Vogeldame saß tatenlos auf einem Tisch herum. Sie war gute 1,80 Meter groß und wog weit mehr als sie aussah, aber der Tisch hielt tapfer stand. Musste er auch, sonst hätte man ihn verklagt. Holly Wood rannte hinter einem sehr gelangweilt aussehenden Kameramann hin und her, fuchtelte mit den Armen und stieß Worte wie: „Fant-AS-tisch“ „FabulÖÖs“ „Fanta“ und „Noch einmal mit Gefühl“ in die Atmosphäre die ihr sicher nicht dafür dankte. Gundel plusterte das Gefieder auf und versuchte kokett zu wirken um später vielleicht doch noch eine höhere Gage fordern zu können.
 

Dann kam Heinrichs Auftritt. Er war eine gut 2,5 Meter große Weinbergschnecke und glitt mit einer Eleganz um den Tisch herum die einem Eiskunstläufer Konkurrenz gemacht hätte. Jeder der hinter ihm herlief glitt ebenfalls... nämlich aus.

„Hey... Baby! Willst du mich heiraten“? fragte er betont männlich. Es klang als hätte er Haare auf seinen nicht vorhandenen Zähnen. „Schnitt!! Schnitt!!“ rief Holly Wood aus dem Off. „Mr Bär, das war dein Einsatz!!“

„Ich mach DAS NICHT!!“ rief der zurück.

„Schätzchen, Schätzchen... was brauchst du, hm?“ fragte die Businesstante in Frau Wood.

„Ich brauche EINEN ANSTÄNDIGEN AUTOR DER MICH IN EINE WELT SCHREIBT IN DER ES KEINE LEUTE WIE EUCH GIBT!!!!“ Mr. Bärs Fell sträubte sich dermaßen das es aussah als ob er in die Steckdose gepackt hätte. Und vermutlich würde er das auch tun um dieser Situation zu entkommen... wenn nur irgendwo eine zu sehen wäre.

„Kannst du mit ihm reden“? wand sich Holly Wood an Mr. Baguette der bisher teilnahmslos in die Runde gestarrt und gegrinst hatte.

„Isch weisss nischt, isch glaube nischt, dasss isch was bewegen könnte... aber isch versuchs.“ Er ging zu Mr. Bär rüber und legte ihm den Arm und die Schultern. Mr. Bär sah ihn an wie eine ansteckende Krankheit. „Mon freré, es ist doch so, oui, dasss Leben ist kein Wunschkonsssert und du musst die Rolle spielen die sie dir geben... die ist doch gut!“

„Warst du am Sekt- Buffet?“

„Oui... ssson dreimal, wieso?“

„War nur so ne Frage... das ist doch total bescheuert! Ich soll einen Typen im Bärenkostüm spielen der die ganze Zeit hinter dem Vogel und der Schnecke rum rennt und mit den Armen wedelt und schreit das das Ende der hohen Preise gekommen ist... was hat das mit der beknackten Story zu tun??“ Seine plüschigen Augenbrauen, die für einen Bär generell sehr ungewöhnlich sind, zogen sich so weit zusammen, dass sie in der Mitte seiner Stirn ein kleines Zelt bildeten.

„Isch glaube sie will damit sagen, dassss die Welt su konsumeristischlich geworden ist, non?“

„Oder sie hat einen Werbevertrag. Ich mach das nicht!“

Mr. Baguette drehte sich zu Holly Wood um und zuckte mit dem Schnurrbart.
 

Cremé Brühlee und Erdpferd waren durch ein Abflussrohr angesaugt und in die Kanalisation von L.A. gespült worden. Cremé Brühlee paddelte tapfer um ihr kleines Hamsterleben und Erdpferd hockte in ihrem Mund und schippte hineinlaufendes Wasser heraus. Dann traf sie eine hohe (5 cm) Welle und spülte sie zufällig in ein nicht überflutetes Rohr. Cremé Brühlee schüttelte sich und schnupperte. Da tauchten einige Paar rotglühender Augen auf. Die Hamsterdame kriegte Panik, denn die roten Punkte ergaben keine gerade Zahl. Erdpferd hüfte raus und rief: „Nieder in den Gully ihr unwürdigen Kreaturen, verbeugt euch vor eurem Herrscher!!“

„Warum bin ich so fröhlich, so fröhlich so fröhlich, bin ausgesprochen fröhlich, so fröhlich war ich niiiiiiiie“ sang der Parkzettelautomat dem man ein billiges Bärenkostüm angezogen und die Dynamitstange entfernt hatte.

„Nein nein, es heißt: Hütet euch, die Zeit der niedrigen Preise ist angebrochen.“

“Fröhlich?“

„Ok, einfach noch mal von vorne!“ Holly Wood massierte ihre schmerzenden Schläfen. Es konnte doch nicht sein, dass sich so viel Inkompetenz ausgerechnet um sie herum scharte. Oder doch?

Heinrich erklärte gerade seiner Herzensdame Gundel seine große Zuneigung zu ihren Knopfaugen und schlug ihr vor doch ein Kind zu adoptieren, wenn sie sich Sorgen machte, wie Kinder aus ihrer beider Gene wohl aussehen mochten.

„Warum bin ich so fröhlich so fröhlich so fröhlich, bin ausgesprochen fröhlich, so fröhlich war ich niiiiiiieeee!“

„Neineinein!“ Holly Wood warf ihren Regiestuhl zur Seite und versuchte den Automaten zu erwürgen.

„Fröhlich Fröhlich *krächz*!“

„Hart aber gerecht.“ sagte Mr. Bär und lehnte sich gemütlich zurück um das ganze Szenario zu betrachten. Mr. Baguette der neben ihm saß und machte sich Sorgen um ihren unfreiwilligen Mitreisenden. Aber er traute sich nicht dazwischen zu gehen. Plötzlich schoss der Gullydeckel vor ihren Füßen hoch in die Luft und eine riesige Masse an Ratten die zusammen wie eine einzige gewaltige Ratte aussah strömte über das Set. Holly Wood fiel kreischend in Ohnmacht, der Kameramann wurde gefressen, Gundel die Vogeldame flog einfach davon, Heinrich versuchte sich hinter seinem geschauspielerten Adoptivkind Kübisfratze Junior zu verstecken. Mit einem Schlag wackelte Junior und ein leichtes Glimmen aus seinem inneren lies darauf schließen, dass etwas in seine hohle Birne hineingesprungen war. Richig, Cremé Brühlee und Erdpferd. Das Heimchen sah extrem bleich aus und starrte riesige Löcher in die Luft. Sein Plan sich die Ratten der Kanalisation zu Untertanen zu machen war so was von gründlichst schief gelaufen.
 

So schnell wie sie gekommen waren, so schnell waren sie auch wieder verschwunden. Sie trippelten in Richtung Innenstadt. Es würde für die Bewohner ein interessanter Tag werden.
 

Kürbisfratze Junior lachte total grenzdebil und wackelte dabei hin und her. Die arme Hamsterdame wurde schon seekrank... und das obwohl sie von einem Boot kam. Erdpferd gewann an alter Egostärke zurück. Er hatte nicht versagt, sie hatten Respekt vor ihm gehabt, jawohl. Er hatte die Verfolgungsjagd einfach nur falsch interpretiert. Sie hatten nicht versucht sie zu fressen, nein, sie waren ihm gefolgt um die Menschheit (und alles was es sonst noch so gibt) für ihn zu unterwerfen. Jawollja. So musste es sein. Es gab keinen Zweifel. Erdpferd glühte vor Begeisterung. Cremé Brühlee spukte ihm auf den Kopf. Zweimal. Dann wurde es wieder taghell. Mr. Baguette hob seine Hamsterdame aus dem Kürbiskopf heraus und wischte ihr Fruchtfleisch (oder Gemüsefleisch?) aus dem Fell. „Wo kommst du denn jetsst hEr, ma scheriiii?“
 

Das Set war verwüstet, Holly Wood einem Nervenzusammenbruch erlegen *lag sabbernd auf dem Boden und rief: Preise Preise* und der Kameramann bestand nur noch aus Knochen. Heinrich die Weinbergschnecke erstrahlte zwar immer noch in altem Schleim und Kürbisfratze Junior wirkte mehr als motiviert, aber Vogeldame Gundel war ausgeflogen und es sah nicht so aus, als würde sich in drei weiteren Kapitel noch was ändern. So beschlossen sie (bzw. Mr. Bär und zwar mit nachhaltiger Überzeugungskunst – er zog Mr. Baguette am Schnurrbart hinter sich her – davon zum Boot zurückzukehren. Der Parkzettelautomat blieb einfach stehen und sang unbeeindruckt weiter sein nervtötendes Lied.
 

Erdpferd erwachte. Es war vor lauter Selbstüberzeugung und Größenwahn auf der Stelle ohnmächtig geworden. Quasi vom eigenen Glanz erschlagen. Es war ganz allein. Weit und breit kein Hamster und auch kein durchgeknallter Pseudofranzose oder ein Bär zu sehen. Aber eine große Ratte die ihn aus nur einem Auge musterte.

Erdpferds Selbstüberschätzung hielt dieser Belastung stand. „Bist du gekommen um mein Untertan zu werden, hm?“ Werden wir Erdpferd wohl noch einmal wieder sehen?

Megakurzes Sonderkapitel - Von Bienchen und Blümchen

Mr. Bär und Mr. Baguette saßen in ihrem Boot Kieselstein und ließen gerade L.A. hinter sich. Die Sonne schien, die Möwen kackten im Chor und die Wellen ließen jedem noch so tapferen Seemann das Gesicht grün anlaufen. Kurz, es war wie immer. Nur das Hamsterdame Cremé Brühlee nichts mehr zwischen den Zähnen hatte. Erdpferd war auf der Insel zurückgeblieben. Genau wie der Parkzettelautomat. Dieser wurde übrigens von einem gewissen Andreuuu Loide Weber entdeckt und steht nun vor teilweise zahlendem Publikum auf einer Musical – Bühne.
 

„Es gibt da etwas, dass ich dich schon fragen wollte seit ich dich das erste mal gesehen habe...“ sagte Mr. Bär. Man erkennt es am fehlenden falschen Dialekt.
 

„Schieß los – aber nicht auf mich, mon freré... haha.“
 

„o__0 Ok, also ich weiß nicht wie ich es sagen soll, aber... ähm... du kennst doch die Geschichte mit den Bienchen und Blümchen, nicht wahr? Ich meine, so ungebildet kannst nicht mal du sein.“
 

„Owie, Bienschen und Blümschen, kennt doch jeder Franzos.“
 

„Aha... und ähm... also, du bist eine Biene, ja? Und ich hab das Gefühl, du bevorzugst aber auch die Gesellschaft von anderen... Bienen. Verstehst du?“
 

„Isch bin eine Biene? Oui? Aber jah, isch bevOrsssuge die Gesellschaft vOn hÜBschen Bienen.“ Er grinste andächtig. Mr. Bär fragte sich ob er selbst auch eine Biene war und bekam Gänsehaut. „Ich glaube du hast nicht ganz verstanden worauf ich hinaus wollte...“
 

„Du wolltest wissen ob isch hÜBsche Bienen mag und ja, isch mag hÜBsche Bienen, du nischt?“ Er blickte Mr. Bär verständnislos an.
 

„Aber Frauen sind... Blumen.“
 

„SchÖne Blumen, oui.“
 

„...“
 

„Hm?“
 

„Vergiss es, ich mach mir selbst einen Reim drauf...“

Flip Flop

Die Welt ist eine Irrenanstalt – und wir leiten die Zentrale. Sie schipperten in Kieselstein immer noch über das Meer. Die Erlebnisse mit Holly Wood hatten Mr. Bär und Mr. Baguette nicht nur um ein Heimchen ärmer, sondern auch um eine Erfahrung reicher gemacht... zumindest theoretisch. Mr. Bär schauderte und schüttelte seinen Pelz als er daran zurück dachte. Er schaute nach oben in die Wolken, betrachtete eine ganz besonders buschige und dachte: „Ich seh dich“ Schlimm war in diesem Zusammenhang, dass die Wolke in seinen Gedanken „Ich dich auch“ zurückrief. Schließlich kam ihm jene Frage in den Sinn die das Leben der gesamten menschlichen Bevölkerung von Grund auf erschüttern konnte... wenn Selbige nicht so dermaßen ignorant wäre.

„Sag mal... sind eigentlich die Irren die Verrückten oder sind wir Normalen diejenigen die einen an der Waffel haben“? Er war sich nicht sicher ob er die Frage der richtigen Person stellte. Immerhin sprach er mit Mr. Baguette.

Dieser setzte sich aufrecht hin, sein Schnurrbart zuckte ein bisschen hin und her und er antwortete: „Ääääh...“

„Ich meine, sieh mal, all die bekloppten Leute denen wir schon begegnet sind... bzw. denen wir noch begegnen könnten – was ich weit schlimmer finde – sind die nicht in Wirklichkeit die Normalen und wir sind die Verrückten...?“

Mr. Baguette guckte Mr. Bär an wie einen Käfer... der drei Meter groß war.

„Mr. Bär... die Welt war schon immer ein bisschen verrückt.“ Er vergaß seinen falschen französischen Akzent.

„Nein, Mr. Baguette... nicht ein bisschen, die Welt hat definitiv einen an der Waffel!!“

„Isch bitte disch, woher willst du das wissen?“

„Ich reise mit dir durch die Gegend...“

„Isch verstehe nischt.“ Mr. Baguette legte ehrliches Unverständnis an den Tag.

Mr. Bär atmete tief durch und sagte: „Arrrgh, der Gott der Handlung ist so ein blödes Arschloch!!“

„Dasss musst du mir nischt erzählen... isch habe meine ganses Leben in eine Schrank mit drei Päckchen Knäckebrot verbracht...“ Mr. Baguette seufzte.

Die Unterhaltung nahm eine Wendung die Mr. Bär nicht vorhergesehen hatte. Irritiert fragte er „Hä“? und bereute es keine 2/3 Sekunde später als Mr. Baguette tief Luft holte. „Als isch ein kleiner Junge war, damals mit 36 Jahren, da hAtte isch bereits mein ganses Leben in diese Schrank von die Wand verbracht, ouwie?

„Mit Knäckebrot?“ Mr. Bär zog die Augenbrauen zusammen.

„Ouwie, mit Knäckebrot von die Wasa.“

„Okeeeeeyyyy....“

„Jetst bin isch endlisch nischt mehr in die Schrank, isch hAbe eine Haus und eine HAmster und eine Boot und eine Kumpel mit Pelz.“

„Sag mir, dass ich mir irre, aber wird dein Akzent immer schrecklicher?“ Mr. Bär beschloss das Gespräch sofort zu beenden. „Was hälst du denn als Unbeteiligter von Thema Intelligenz?“

„Hä“? meinte Mr. Baguette verdutzt und aus seinen Kindheitserinnerungen gerissen.

„Dachte ich mir.“ Er lehnte sich zurück uns starrte in die Wolken. Die Wolken starrten zurück. Es war so ein Moment im Leben gekommen, in dem man versuchen sollte wenigstens die Zimmerdecke von den eigenen Problemen zu überzeugen... nur das es keine Zimmerdecke gab. Das machte die Sache viel schwieriger. Mr. Bär dachte angestrengt nach. Sind von der Natur die Irren dazu auserkoren die Welt zu bevölkern und der Wahnsinn der sich Normalität nannte war ansteckend?
 

Unterdessen in einer noch nicht allzu weit entfernten Stadt. Erdpferd das kleine Heimchen starrte zum ersten Mal in seinem Leben unsicher nach oben. Eine (von Erdpferds Sicht aus) riesige Ratte mit nur einem einzigen blutroten Auge starrte auf ihn herunter. Seine Frage ob sie gekommen war um sein Untertan zu werden schwang wie ein riesiges scharfes Pendel dicht über ihnen hin und her und zerteilte Sekunden in Millisekunden purer Atemlosigkeit. Dann sagte die Ratte: „Hi!“ Erdpferd kippte nach hinten und lief blau an. „Hast du dich erschreckt, tut mir leid, das wollte ich nicht!!“ Noch mehr Worte die Erdpferd nicht erwartet hatte... 99% von ihm hatten „Aber natürlich mein Herrscher“ erwartet... und 1% „Haps.“

„Nein, natürlich nicht, den Herrscher der Welt kann niemand erschrecken!!“ sagte ein Teil von Erdpferd der nicht ohnmächtig geworden war... also der weitaus stärkere.

„Du bist der Herrscher der Welt? Das klingt aber aufregend.“ Die Ratte sagte es ganz ohne auch nur einen Hauch von Spott in der Stimme. Die hörte sich übrigens an, als würde man versuchen Alufolie mit einem Stabmixer zerkleinern. Sie passte so gar nicht zu den Worten. Erdpferd war überwältigt von so viel Überzeugungskraft (seiner Selbst.) Er sagte: „Willst du mir nicht helfen von dieser Insel runter zu kommen? Dann springt für dich auch ein Teil der Erde raus.“

„Welcher denn?“

„...Wangerooge?“

„Ist das groß?“

„... RIESIG!“ Aus Heimchen Sicht möchte das sogar stimmen.

„Ok, was soll ich machen“? Die Ratte wackelte mit dem Hintern wie ein junger Welpe dem man ein Leckerli vor die Nase hielt. Erdpferds innere Stimme der Vernunft, üblicherweise gefesselt, geknebelt und in einen Wandschrank mit drei Packen Knäckebrot eingesperrt meldete sich kurz zu Wort. Sie sagte „Umpfh“ Und das wars auch schon. Erdpferd stieg auf den pelzigen Rücken und versuchte ein wenig Smalltalk zu veranstalten: „Ähm... und wie ist dein Name Untertan?“

„Flip Flop.“

„Wieso?“

„Hörst du das wenn ich SO mache?“ Sie bewegte den Schwanz auf und ab.

Es klang nervig, knatschig und irgendwie...pappend. Eindeutig die Art von Geräusch die ein Flip Flop macht wenn jemand versucht damit zu laufen. „Deswegen“ sagte Flip Flop die Ratte. „Ähä... .... .... .... .... .... .... .... .... .... ..... okay.... bring mich zum Hafen!“ bestimmte der Herrscher der Welt.
 

3 Stunden später. Die Dämmerung brach herein und tauchte das Meer in ein sattes Orange. Ein gigantisches Kreuzfahrtschiff tauchte am Horizont auf und kam schnell näher. Mr. Bär und Mr. Baguette glotzen das Schiff an wie ein Hase ein Auto mitten auf der Fahrbahn. Zumindest darin waren sie sich mal einig. Es machte keine anstalten auszuweichen... das wäre aber auch so gewesen, als hätte man von einem Blauwal erwartet einem Guppy Platz zu machen. Eine riesige Welle trieb vor dem Bug her und spülte Kieselstein glücklicherweise 5 Meter zur Seite. Dann machte es „Klonk“ und eine einäugige Ratte landete im Boot. Mr. Bär sprang hektisch zur Seite. Ratten fraßen wirklich alles. Auch Watte. Cremé Brühlee wollte wegen der ungeraden Augenanzahl gerade total durchdrehen als Mr. Baguette sie hochhob und den Neuankömmling und das Heimchen das im Pelz hockte ausgiebig musterte. Als die Sonne unter ging machte es plötzlich „Poff“. Mr. Baguette kippte nach hinten und jemand landete auch noch unsanft auf ihm. Die Ratte war verschwunden. Stattdessen hockte da jetzt ein junger Mann mit grauer Haut, riesiger Brille, schwarzen Haaren, spitzen langen Ohren und genauso spitzen Zähnen. „Hallo zusammen!“ sagte er. Die Stimme klang als könnte man damit ein Brot buttern. „Wer zum Henker bist DU denn?“ fragte Mr. Bär besonders herzlich.

„Ähm...“ sagte Mr. Baguette.

„Ja?“ fragte der Neuankömmling.

„Würde es dir was ausmachen mir RUNTER ZU GEHEN??“ Mr. Baguettes Akzent machte ne Minute Pause.

„Oh, Entschuldigung!“

„Ich weiß ich werde es bereuen überhaupt zu fragen statt dich einfach über Bord zu werfen, aber... woher kommst du und wer bist du... in dieser Reihenfolge... bitte!“ Wenn man mit Worten Holz sägen könnte dann wären sie jetzt gesunken.

„Ich komme von dem Schiff da. Ich hab nur versucht was zu essen zu holen aber die stehen offenbar nicht so auf Fell. Da bin ich über Bord geworfen worden. Mit diesem Heimchen hier, es ist der Herrscher der Welt!“ Er zog Erdpferd aus seinen Haaren. Mr. Bär blieb vollkommen unbeeindruckt. Cremé Brühlee, die Hamsterdame verschluckte sich fast an einem Brotkrümel. Schweiß tropfte aus ihrem Pelz und sie presste die Lippen so fest zusammen das sie ganz weiß wurden... ähm, haben Hamster Lippen?

„Mess amiiie, du siehst aus wie ein... Vampir...Nerd“ sagte Mr. Baguette und strich seiner Hamsterdame über das schweißnasse Fell.

„Stimmt, ich bin einer. Also sowohl als auch. Darf ich mich vorstellen, mein Name ist Nestor Dewalti Horroriwee Fledermausvolk von Überbiss.“

„Aha...“ sagte Mr. Bär.

„Ihr könnt mich Überbiss nennen.“ Er trug ein rosa T-Shirt mit der Aufschrift: „Mein anderes T-Shirt ist schwarz“ und darüber einen klassischen rot/schwarzen Umhang. Mr. Bär fand das sagte einfach alles aus. „Verwandeln sich Vampire nicht üblicherweise in Fledermäuse und schlafen tagsüber in Särgen?“ fragte er genervt.

„Nee, ich hab Platzangst. Und ich... *schnief* nein, ich kann mich nicht in eine Fledermaus verwandeln... alle haben mich ausgelacht *schnief* ich kann nur eine einäugige Ratte... dafür finde ich jederzeit jede Art von Müll.“

„Tooooooollll“ sagte Mr. Bär.

„Danke“ antwortete Überbiss der den Sarkasmus überhört hatte. „So hab ich euch dann auch gefunden als wir von Bord geworfen wurden... ich hab unseren Fall in eure Richtung gelenkt.“ Kein Funken Ironie oder Sarkasmus in der Stimme.

„....#§&%/?“ lies sich Mr. Bär vernehmen. Entweder er hatte seinen Meister gefunden oder der Kerl war wirklich einfach unfassbar.

„Wieso nur ein Auge als Ratte wo du doch jetzt zwei davon hast?“ fragte Mr. Baguette und lugte Überbiss durch die dicke Brille.

„Ich weiß nicht.“ Er zuckte die Schultern.

„Großartig“ meinte Mr. Bär.

Dr. Seestern

Mr. Bär und Mr. Baguette schipperten mit ihrem Boot Kieselstein über das Meer. Es war ein schöner ruhiger Tag und die Sonne schien. An Deck... aus dem das gesamte Boot bestand, herrschte eine Art rege Betriebsamkeit wie man sie normalerweise nur auf Damentoiletten erwartete. Es wurde jedoch nicht in Handtaschen sondern in der Luft rumgewühlt weil es sonst nichts gab womit man das hätte tun können und die Langeweile einem sonst die Hirnzellen schmelzen lies.
 

Mr. Bär hockte soweit außen wie es nur irgendwie möglich war und beobachtete das Ganze mit immer tiefer sinkenden Augenbrauen. Jetzt hatte er nicht nur Mr. Baguette sondern auch einen Vampir-Nerd an der Backe der sich tagsüber in eine einäugige Ratte verwandelte die Geräusche machte wie jemand der mit Flipflops an den Füßen versuchte noch einen bereits abfahrenden Bus zu erreichen. Er musste ihn loswerden. Unter allen Umständen... am besten wurde er sogar alle los. Er richtete sich auf und hielt nach einer Insel Ausschau auf der er die Bekloppten aussetzen konnte. Sie hätten Glück wenn er eine entdecken würde... sonst landeten sie augenblicklich im Meer. Aber was soll man sagen, vor ihnen ragte eine Insel auf die entfernt an eine Art Gummihünchen erinnerte. Ganz oben thronte der felsige Hünchenkopf und war mit Bäumen bewachsen. Ist aber im Grunde egal. Mr. Bär freute sich auf die ihm angemessene Art und Weise. Er holte tief Luft und warf den Anker... ähm, bzw. weil sie keinen hatten warf er Cremé Brühlees Hamsterkäfig. Die arme kleine Hamsterdame kam mit dem Schrecken davon weil Flip Flop sie gerade noch rechtzeitig herauszog. Die pure Nagetiersolidarität.
 

„Wo gehen wir hIn, Mr. Bär?“ fragte Mr. Baguette und sah sich um. Es waren weit und breit Nichts als Bäume zu sehen die den Eindruck erweckten dass sich ein Kamel mit einer Palme gepaart hatte. Sehr tropisch.

„Wir erkunden die Gegend, auf auf!“ rief Mr. Bär enthusiastisch wie nie und niemals wieder und stürmte voran. Er würde die ganze Packasche ganz tief in den Wald hinein locken und dann einfach dort zurücklassen. Er selbst würde ins Boot steigen und davon rudern. Auf nimmer wieder sehen. Dieser Gedanke machte ihn nicht nur sehr sehr glücklich sondern auch völlig unpassend motiviert. Hinter Mr. Bär folgte ihnen Cremé Brühlee die eifrig bemüht war die Bäume, die Blätter und die Steine auf dem Boden zu zählen. Da sie damit in 100 Jahren vermutlich immer noch nicht fertig sein würde gab es auch kein ungerades Ergebnis. „Motschi-Schätzchen“ geisterte ganz kurz und als einziger Gedanke durch ihren verwirrten Geist. Neben ihr her latschte Flip Flop und trug dabei Erdpferd auf seinem Rücken. Das kleine Heimchen lachte hin und wieder völlig unkontrolliert vor sich hin. Jahaha, seine Koalition der Willigen wuchs immer weiter an, bald würde es die Welt regieren *Muahahahahaha* Es war SO nah dran diese Insel hier einzunehmen, denn bisher hatte noch niemand seine Besitzansprüche dementiert. Wie auch? Außer einer Ratte und einem Hamster konnte niemand es verstehen. Als sie besonders tief im Wald angelangt waren ordnete Mr. Bär eine Pause an und verschwand unter dem Vorwand mal ganz schnell die Insel verlassen zu müssen. (*Haha* Natürlich hat das Niemand ernst genommen.)
 

Die Stunden vergingen. Cremé Brühlee, immer noch dabei alles in ihrer Umgebung gründlich abzuzählen, lief dabei hamstermäßig im Kreis herum. Flip Flop lag neben Mr. Baguette der leise „Oh Klaire de la lüüüne“ vor sich hinsang auf einem Felsen und döste. Dann ging die Sonne unter und es machte *Poff* Mr. Baguette kippte vor Schreck vom Felsen runter und Überbiss gleich hinterher. „Oh, tut mir echt leid... schon wieder!“

„Geh einfach nur runter, ok?“ meinte Mr. Baguette akzentfrei.

„Ja... ähm sag mal... ist das normal das es bei Mr. Bär so... lange dauert?“

„Was meinsssd du?“

„Na äh... und überhaupt, *Ich muss mal schnell die Insel verlassen* ist der komischste Ausdruck für *Ich geh mal pinkeln* den ich je gehört habe“ sprach die Weisheit in Überbiss.

„Ah, mes amies, du könntest Rescht hAben, ouwie? Wir sollten surück sum Boot gehen und dort auf ihn warten.“ Mr. Baguette streckte sich uns seinen Schnurrbart und sie stiefelte den Weg zurück den sie gekommen waren. Cremé Brühlee, deren Rolle hier eigentlich eh keinen Sinn macht... genau wie die der anderen Leute, trippelte zählend hinterher.
 

Mr. Bär latschte seit Stunden durch den Wald. Die Sonne war längst untergegangen und so langsam sollten auch die geistig-schwerfälligsten Leute auf die Idee gekommen sein, dass er wohl nicht zurückkommen würde. Er hatte nur noch die Chance das Boot schneller zu erreichen als Mr. Baguette und der restliche Anhang. Seine Hoffnung schwand jedoch mit jeder weiteren Kurve die ihn nicht etwa zur Küste sondern zu noch mehr Bäumen brachten. Die Dunkelheit machte es nicht einfacher. Schließlich landete er in einer Höhle oben auf dem Hünchenkopf. Irgendetwas in seinem Hinterkopf sagte ihm, dass sein Orientierungssinn wohl nicht ganz so gut war wie er bisher gedacht hatte. Andererseits, er hatte ihn nie austesten müssen. Schließlich geriet er in eine Höhle.

„Hallooooo?“ rief er. Jeder der eine Höhle betrat rief „Halloooo.“ (Aber in den meisten Fällen antwortete niemand. Fiese Monster die in Höhlen lebten neigten nicht dazu sich vorzustellen bevor sie einen fraßen.) Mr. Bär ging weiter, betastete hier und da den Felsen und schluckte. Er fühlte sich warm an... und das sollten Felsen nun wirklich nicht tun. Zumindest nicht, wenn sie im Inneren einer Höhle waren. Nichts gegen einen schönen warmen Felsen irgendwo neben einem Wanderweg durch die Berge. „Halloooo?“ probierte er noch einmal. Niemand antwortete (Überraschung), aber er erklang eine art Gluckern. Weiter vorne wurde es heller und es glitzerte an den Wänden. Es sah aus als würde dort Wasser reflektiert werden. Wo Wasser war da gab es vielleicht auch einen zweiten Ausgang... den Weg den er gekommen war würde er wohl nicht mehr zurückfinden. Es war immerhin auch stockfinster.
 

„Ich weiß ja nicht... er hat sich doch garantiert nicht verlaufen. Er ist ein Bär, Bären haben einen ausgezeichneten Orientierungssinn, die finden sogar den Weg über die Alpen.“ Überbiss betrachtete das leere Boot das im Mondschein leise hin und her schwankte.

„Ouwi, isch mach mir langsam Sorgen... vielleischt sollten wir ihn suchen, nes pas?“

„Viel zu dunkel... wir können frühestens morgen bei Sonnenaufgang losgehen.“

„Aber isch dachte du bist ein Vampir? Ihr könnt doch in die Dunkel sehen, nischt?“

„Ähm... es ist mir etwas peinlich, aber... hast du meine Brille bemerkt?“

Mr. Baguette musterte ihn aufmerksam im Dunkeln. Selbst im nur schwachen Mondlicht war das Ding so groß das es eine eigene Postleitzahl verdient hätte.

„Nun ich... ähm... bin nachtblind. So, jetzt ist es raus!“ Überbiss ballte die Hände zu Fäusten zusammen und schlug gegen einen unschuldigen Felsen der neben ihrer Anlegestelle lag (und er war noch warm). Er zerbrach in tausend Stücke.

„Ähm... mes amiiie, es ist nischt so schlimm...“ meinte Mr. Baguette und hob vorsichtshalber Cremé Brühlee aus seiner Reichweite.

„Entschuldige, ich bin nur so frustriert deswegen.“

„Aber aber... isch meine, immerhin kannst du disch in eine Ratte verwandeln, nes pas?“

„Mit nur einem Auge!“ heulte Überbiss. Es war auf der gesamten Insel zu hören.

„Sogar Mr. Möhre macht sich darüber lustig!“

„Wer ischt Mr. Möhre?“ fragte Mr. Baguette und war sich das erste Mal in seinem Leben nicht so sicher ob er die Antwort wissen wollte.

„Mein imaginärer Freund natürlich. Er ist eine 3 Meter große Möhre, hat ein Haifischgebiss und trägt ein Monokel. Er ist very british.“ Überbiss sagte es als sei es das Normalste von der Welt. Mr. Baguette nickte und meinte: „Wie... nett.“
 

Mr. Bär schreckte im Dunkeln auf. Er hatte irgendwas gehört das entfernt nach „Auge“ klang. Es kam von weiter vorne und hallte durch die ganze Höhle. Er ertastete den Weg und erreichte eine kleine Grotte in der das Wasser hellrosa schimmerte. „Ährgs“ sagte Mr. Bär und blickte an den Wänden hoch. Das Wasser warf helles rosa Licht auf die komischerweise türkisfarbenen Wände. Dann gluckerte es. Mr. Bär wich vorsichtig einige Schritte zurück. Der kleine Teich wurde zu einem Whirlpool und es zischte. Dann hopste ein kleiner rosa Seestern aus dem Wasser. Er trug eine Art Raumanzug (natürlich in Seesternform) und einen mit Wasser gefüllten Helm auf dem was man üblicherweise als Kopf identifizieren würde. „Hallo, ich bin Dr. Seestern!“ rief er fröhlich. Mr. Bär kippte nach hinten und landete auf seinem plüschigen Hintern. „Oh, nur nicht so schüchtern, tritt näher und stell mir deine Frage, denn ich bin ALLWISSEND!“ Mr. Bär kroch skeptisch vorwärts und beugte sich noch weiter nach unten. Nun war in Augenhöhe mit dem Stern. „Wo ist hier der Ausgang?“ fragte der Teil von Mr. Bär der sich über die ganze Situation nicht wunderte. „Gleich dahinten. Soll ich dir zeigen wie er funktioniert?“ fragte Dr. Seestern. In seiner Stimme schwang Hoffnung wie eine Stimmgabel hin und her. „Wenn’s sein muss.“ antwortete Mr. Bär und Dr. Seestern trippelte voraus. Auf die Art und Weise hatte Mr. Bär noch nie einen Seestern laufen sehen... aber andererseits... auch noch auf keine andere Art.
 

Erdpferd hockte auf Cremé Brühlee und zog sie an den Ohren. Das spürte sie allerdings nicht so wirklich und ignorierte das Heimchen nach Kräften. Sie zählte die Wellen die an die Küste gespült wurden. 30092, 30093, 30094... Neben ihr hockte Überbiss und starrte den Mond an... und hin und wieder die leere Luft neben ihm. Mr. Baguette seufzte. Da hörten sie plötzlich Schritte.
 

Mr. Bär war Dr. Seestern bis zum Ausgang gefolgt... der recht einfach funktionierte, denn man musste bloß hindurchgehen. Von dort aus hatte nicht mal er sich noch mal verlaufen können weil er direkt dort herauskam wo Überbiss eben noch den Felsen zerschmettert hatte. Mr. Bär schaute sehr unglücklich drein als er die ganze Packasche dort am Strand sitzen sah. Naja, die Hoffnung stirbt halt immer zuletzt. Erdpferd erhob sich triumphierend. Sein Untertan war zu ihm zurückgekehrt, reumütig und auf allen vieren kriechend. Selektive Wahrnehmung ist ne prima Sache, man sieht und hört immer nur das was man will. Mr. Bär stand vollkommen aufrecht, wenn auch tatsächlich etwas zerknirscht (aber aus eben genannten Gründen) und hatte von der Existenz des Heimchens keine Ahnung.
 

„Wer...“ begann Mr. Baguette.

„Was...“ begann Überbiss.

„Ach haltet die Klappe“ sagte Mr. Bär.

Dr. Seestern sprang nach vorn und verneigte sich. „Guten, sehr frühen Morgen meine Herren... und Damen (Cremé Brühlee), darf ich mich vorstellen? (Wartet da eigentlich irgendjemand die Antwort ab?) Ich bin Dr. Seestern.“

„Sehr erfreut, mes amiiii“ antwortete Mr. Baguette und grinste.

„Was zum....“ sagte Überbiss. Jemand der mit 3 Meter großen imaginären Möhren spricht hat gegenüber der Realität meist einen schweren Stand. Abgesehen von Überbiss vielleicht, er hatte entschieden zu viel Realität vor sich. Sie war rosa, sternförmig und hatte einen Doktor-Titel. 3 Meter Möhren waren das eine, solches Zeugs aber ne ganz andere Sache.

„Soll ich dir erklären wie Mondlicht funktioniert?“ fragte Dr. Seestern unvermittelt.

„Äh... WAS?“ fragte Überbiss verwirrt zurück.

„Das ist der Mond“ Er deutete in den Himmel „... der scheint. Das ist Mondlicht“

„Bravo!“ klatschte Mr. Baguette voll aufrichtiger Begeisterung. Mr. Bär schlug ihm mit seiner Plüschpfote auf den Hinterkopf. Vor ihnen ging langsam die Sonne auf.

Transblubbien

„Warum hast du ihn mitgenommen?“ fragte Mr. Bär.

„Wass meinst du mon frere? Er fährt doch son die ganze Zeit mit.“ Mr. Baguette deutete auf Überbiss... bzw. Flip Flop der an der äußersten Ecke des Ruderboots pennte.

„Nein, IHN!“ Mr. Bär fuchtelte in Richtung Dr. Seestern der am anderen Ende des Bootes saß und versuchte Cremé Brühlee zu erklären wie Wellen funktionieren.

„Weil er so unglaublich weise ist.“ Mr. Baguette grinste bedeutungsvoll.

„Er hat gerade versucht deinem Hamster weis zu machen dass Wellen entstehen weil tote Möwen ins Meer fallen!“

„Stimmt es nischt?“

„NEIIIIN!!“

„Wie entstehen Wellen?“

„... Die Fische haben Schluckauf.“

„Ach so.“

„....“
 

2.
 

Stunden vergingen. An „Deck“ (dem großen Ganzen eines Ruderboots) herrschte eine Art geschäftige Stille. Die entsteht immer dann wenn Leute versuchen so beschäftigt auszusehen, dass sie nicht miteinander reden müssen. Die geschäftige Stille ging einzig und allein von Mr. Bär aus. Mr. Baguette, Flip Flop und Dr. Seestern unterhielten sich prächtig, wobei Flip Flop allerdings versuchte, so weit wie möglich, von dem rosa Seestern im Raumanzug entfernt zu sitzen. Sein imaginärer Freund Mr. Möhre hatte ihm dazu geraten und auch sonst waren ihm Sterne einfach unheimlich. Satzfetzen wie „Die Sonne ist eine riesige Taschenlampe“, „Wind entsteht wenn Wolken pupsen“ und „ Bäume sind die Fingernägel der Natur“ schwebten über ihnen hin und her und bedurften keines weiteren Kommentars.

Dr. Seestern war wirklich sehr weise... auf eine vollkommen individuelle Art.
 


 

3.
 

Als schließlich die Sonne unterging und es mal wieder „Poff“ machte, hatten sie eine große Insel erreicht. Sie wirkte im trüben Licht, das noch über den Horizont strahlte, wie eine Art riesige schwarze Festung über der ein lila Himmel hing. Sie hätte einem Gruselfilm entspringen können. Am Ufer wuchsen dornige Büsche aus einem dunkelrotbraunen Boden. Rings herum ragte ein kahler schwarzer Wald auf und es ertönten Geräusche die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen würden... wenn man Blut in den Adern hätte. „Auf auf, wir wollen doch keine Gelegenheit verschenken euch wieder loszuwerden... ähm, eine neue Insel zu erkunden!“ sprach Mr. Bär (ohne Blut), hopste aus dem Boot und band es am erstbesten Baum fest.

„Oh nein...“ flüsterte Überbiss und sah sich unruhig um.

„Schtimmt was nischt?“ fragte Mr. Baguette und sah in die gleiche Richtung. HÜbsches Plätzschen, nes pas? Sieht vielversprechend aus, vielleicht gibt’s hier sogar HÖhlenkäse.“

„Ich war schon mal hier... aber das ist schon lange her.“

„Hm?“

„Mr. Möhre hat mal zu mir gesagt das es mein Schicksal ist irgendwann hierher zurückzukehren... ich wollte ihm nicht glauben.“ Überbiss musterte mit seinen leuchtend roten Vampiraugen nervös den Nachthimmel. Kein Stern zeigte sich, nur ein paar dunkle Wolken.

„Schicksal?“ fragte Mr. Bär von weiter vorne. „Blödsinn! Kommt ihr endlich oder was?“ Er tappte ungeduldig auf den Boden. Da seine Füße aus Plüsch waren juckte das den Boden allerdings nicht die Bohne. Hamsterdame Cremé Brühlee trippelte an ihm vorbei und zählte die Dornen an den Büschen. Das gefiel ihr ausnehmend gut, denn auch die schienen kein Ende zu nehmen. Erdpferd das Heimchen hockte zwischen ihren Backen und versuchte nicht geschluckt zu werden. Die Gegend sah aus als ob sie nur für einen Hinterhalt auf ihn geschaffen worden wäre. Ja, genau, einzig und allein dafür, aber hihi, im Hamstermaul war es sicher... ja, sooo sicher. Cremé Brühlee schluckte kurz. Erdpferd krallte sich an ihrer Zunge fest und blieb bei seiner Meinung.
 


 

4.
 

Sie wanderten eine schmale Böschung hinauf die weiterhin von Dornenbüschen gesäumt war. Hin und wieder prangten am Wegesrand Kloschüsseln vor ihnen auf. Was das zu bedeuten hatte wusste Überbiss nur zu genau. „Die Leute hier sind sehr... abergläubisch. Sie haben allerdings nie verstanden warum ein Kreuz abschreckender wirken soll als eine dreckige Kloschüssel.“

„Tres un-bien!“ Mr. Baguette schüttelte sich. Sein Schnurrbart rollte sich eng zusammen.

„Siehst du, es funktioniert!“

„Das ist ja wohl kein Wunder!“ maulte Mr. Bär und stapfte weiter. An seinem Halstuch hing Dr. Seestern und meinte „Soll ich dir erklären wie Kloschüsseln funktionieren?“

„Ich lass einen Seestern reinfallen, drück die Spülung und hab meine Ruhe?“

„Nein nein, das ist so: das ist ein Teich für ganz kleine Enten den man in seinem Badezimmer haben kann!“

„Wie kommst du auf diesen Mist?“

„Ich hab scharf drüber nachgedacht.“

Mr. Bär packte den armen Seestern und warf ihn so weit er konnte. Dr. Seestern flog über die Bäume und irgendwo weit unten am Strand machte es „Platsch.“

„...“

„Hey ihr beid... äh du eine Turteltaube!“ rief Überbiss ihnen zu „seht ihr das Schloss da oben?“

„Nein, es ist sehr schwer zu sehen, ich meine so einen riesigen schwarzen Klotz übersieht man schon mal leicht!“ rief Mr. Bär zurück.

„Isch seh es nischt!“ Mr. Baguette guckte hektisch in alle möglichen Richtungen. Warum er sich bückte und unter einen Stein blickte bleibt wohl sein Geheimnis.

„Dort oben, das große unheimliche Ding da!“ Überbiss deutete auf das krumme, schiefe Gemäuer am Ende des Weges, natürlich weiter oben auf einem großen Hügel. Rings herum ragten offenbar einige krüppelige schwarze Bäume auf denen kleine gefiederte Tiere hockten. Man hörte sie bis unten. „Huhuuuuhuch!!“

„Ist das normal?“ fragte Mr. Bär.

„Es sind doch nur Eulen, nischt?“ meinte Mr. Baguette achselzuckend.

„Sie haben „Huhuch“ gerufen... „Huch“... merkt ihr eigentlich noch was?“

„Ähääähm... könnten wir weitergehen... bitte?“ fragte Überbiss und stapfte los. Weg vom Schloss.

„Wo willsd du hIn mes amié? Ge`en wir nischt su die Schloss? Isch möschte nach KÄse fragen.“

„Dein Akzent ist schon wieder schlimmer geworden.“ stellte Mr. Bär sachlich fest.

„Unwichtig, unwichtig! Da gibt’s keinen Käse, kommt jetzt endlich!“

„Warum bist du so nervös? Wohnt da etwa deine Mutter? *haha*“

„So ähnlich...“

„Hm?“ mischte sich Mr. Baguette ein. Überbiss hatte stark genuschelt.

„Du willst also wirklich nicht da hoch?“

„Nein.“ Der junge Vampir schüttelte energisch den Kopf.

„Gut, gehen wir. Wir suchen jetzt Käse!“ Mr. Bär stiefelte los. Er war erstaunlich schnell den halben Weg zum Schloss hoch. Mr. Baguette schnappte sich Cremé Brühlee und hechelte hinterher. Sportlichkeit zählte nicht zu seinen Stärken. Überbiss blieb allein zurück. Er sah den beiden nach und wusste nicht was er tun sollte. Seine Beine waren der Ansicht er sollte zurück zum Boot rennen und seine Arme wollten losrudern so schnell sie konnte. Sein Gehirn teile ihre Meinung. Mr. Möhre sah die Sachlage ganz anders. „Geh zum Schloss!“ sagte er und rückte sein Monokel zurecht.
 

5.
 

Das Eingangstor war sehr eindrucksvoll. Riesig und schwarz hob es sich verschnörkelt gen Himmel. Dahinter lag ein großer Hof, ebenso dunkel, aber mit Kies bedeckt und Unkraut bewachsen. Die Eingangstür des Schlosses sah weit entfernt aus und schien irgendwie zu... wabern. „Mir gefällt’s hier“ sagte Mr. Bär entschlossen. Vor allem deshalb weil ihnen Überbiss schon eine Weile lang nicht mehr auf die Nerven gegangen war. Er schlurchte so dermaßen langsam den Hügel rauf, Mr. Bär hatte ihn vor 20, 15, 10 und 5 Minuten an der gleichen Stelle gesehen.

„Gehen wir nischt hinein?“ fragte Mr. Baguette höflich.

„Du gehst vor!“ bestimmte Mr. Bär. „Ich warte auf unseren feigen Freund da.“

„Das überAscht misch jetzt.“

„Mich auch!“
 

6.
 

Mr. Baguette latschte über den Hof und klopfte höflich an die dunkle Eingangstür. Ein bedrohlichen Quietschens erklang mit dem die Tür langsam und knarrend aufsprang und den Blick auf einen dunklen langen Flur preisgab. Allerdings ertönte von Innen ein fröhliches „Hallo, komm nur rein!“ Mr. Baguette lies sich nicht zweimal bitten... vor allem deshalb nicht weil hinter ihm einige paar glühende Augen in den Schatten erschienen waren. Er umklammerte Cremé Brühlee fester als gewöhnlich und folgte dem Flur. Die Hamsterdame quiekte ächzend, wagte aber nicht sich zu bewegen. Sie begann panisch die grauen Backsteine in der Mauer zu zählen. Erdpferd in ihrem Mund klopfte ihr auf die Zähne und tänzelte auf ihrer Zunge hin und her. Es ist allgemein bekannt das Tiere Gefahren schon lange vor den Menschen wahrnehmen... aber Erdpferd gehörte offensichtlich zu einer aussterbenden Spezies.
 

7.
 

„So? Haben wir es auch endlich geschafft?“ fragte draußen Mr. Bär Überbiss, der mit jedem Schritt langsamer geworden war und nun trotzdem vor dem Tor stand.

„Offensichtlich“ maulte er.

„Tolles Ding, na dann können wir ja jetzt auch reingehen.“

„Erinnerst du dich daran, dass ich dir gesagt habe dass ich als Ratte jede Art von Müll aufstöbern kann?“

„Und so hast du uns gefunden... das werd ich wohl nicht mehr vergessen, nein.“ Mr. Bär rollte mit den Augen.

„Nun, auf dieser Insel herrscht immerwährende Nacht... im Klartext, ich kann mich nur Tags und deshalb jetzt nicht in eine Ratte verwandeln und den Müll umgehen!“ Überbiss guckte nervös auf den Boden.

„Meinst du etwa MICH??“ schnauzte ihn Mr. Bär an.

„Nein, ich meine den Müll da drin!“

„Oh, Mr. Baguette? Nun, ok.“

“Nein, doch nicht ihn.”

“Schade. Nun gut, gehen wir!“ Er zog Überbiss an seinem Umhang hinter sich her, durch den Hof und durch die Eingangstür.
 

8.
 

Mr. Baguette ging vorbei an alten Ritterrüstungen, staubigen ausgestopften Tieren und allerlei anderem Krims den man in alten schaurigen Schlössern vermuten würde. Hin und wieder sah er dagegen auch Sachen die ganz sicher nicht hierher gehörten. Ein paar Sportgeräte, ein ausgemusterter Computer von 1995, eine Gitarre und ein paar fröhliche Kinderkritzeleien an den Wänden. Sie stellten meist Kloschüsseln dar, die auf Pfähle gebunden waren. Darüber schien eine lachende Sonne. Schließlich erreichte er einen großen Saal. An den Wänden standen Tische zusammengereiht, abgedeckt und verstaubt. An der Decke hingen zahlreiche Kronleuchter die ein schmutziges Licht auf den dunkelroten Boden und die graubraunen Wände warfen. Am Ende des Saals stand ein großer bronzefarbener Thron auf einer Art Bühne und darauf saß Jemand und las Zeitung.

„Hallo!“ rief Mr. Baguette von unten nach oben. Die Zeitung raschelte und ein paar blutrote Augen blickten darüber hinweg. „Guten Abend“ sagte ein Mund hinter der Zeitung. „Habt ihr ihn mir also zurückgebracht?“

„Exkuise moi? Isch verstehe nischt?“ Mr. Baguette legte den Kopf schief und schaute nach oben.

„Na, meinen Neffen, „Blaah!“ Ich spüre seinen Anwesenheit auf dieser Insel schon seit ein paar Stunden.“ Die Zeitung wurde beiseite gelegt. Hinter ihr kam ein großer und sehr stämmig aussehender Mann zum Vorschein, mit grauer Haut, schwarzem Haar und spitzen Zähnen. Ganz wie Überbiss. Nur tausendmal eindrucksvoller.

„Hallo Onkel Dave“ ertönte dessen Stimme von der Tür her. Mr. Baguette drehte sich erleichtert zu ihm um. Während der Vampir auf dem Thron eindeutig etwas Bedrohliches an sich hatte, hatte Überbiss einfach nur irgendwas. Irgendwas ist nicht sehr erschreckend. Mr. Bär, der hinter ihm durch die Tür kam sah alles recht gelassen und mit der ihm eigenen Genervtheit. Vampire sind für Leute die nur Watte in sich haben kein Grund zur Beunruhigung.

„Du bist also zurückgekommen? Nach all den Jahren... schämst du dich nicht?“ Jedes Wort schnitt eine imaginäre Scheibe Brot ab.

„Es lag nicht in meiner Absicht zurückzukommen.“

„Es sollte dir leidtun das du einfach abgehauen bist!!“

„Nicht die Bohne!“ Seine Knie zitterten als ob unter ihm ein sehr lokales Erdbeben stattfinden würde. Sein Onkel Dave musterte ihn mit einem abschätzigen Blick.

„Nun ja... sei es drum, du bist hier und wirst tun was ich dir aufgetragen habe!“

„Er soll dich rumtragen?“ fragte Mr. Bär in möglichst unschuldigem Tonfall. Die Augenbrauen von Onkel Dave kniffen sich in der Mitte eng zusammen und er räusperte sich umständlich. „Wer wagt es sich hier einzumischen?“

„Ich... offensichtlich.“ antwortete Mr. Bär genervt.

„Sei still“ zischte Überbiss neben ihm.

„Nun Blaaah!, wer sind diese Idioten?“

„Wen meint er?“ flüsterte Mr. Baguette Mr. Bär zu.

„Dich“ flüsterte Mr. Bär zurück.

„Ähm... nein, isch meine mit die „Blaaah!“

„Das äh... sind meine Untergebenen... du weißt schon Onkel, diese Vampirsache mit den Untergebenen... so welche sind das.“ sagte Überbiss entschuldigend.

„Du hattest schon immer einen schrecklichen Geschmack“ sagte sein Onkel Dave, grinste aber schief. Offensichtlich hielt er es Überbiss sehr zu Gute, dass er doch irgendwas vampirisches getan hatte... zumindest angeblich.

„Ich bin KEIN Untergebener!“ keifte Mr. Bär und schüttelte eine Plüschfaust.

„Wer ist Blaaah!? fragte Mr. Baguette.

„Ähähäm....“ meinte Überbiss nervös und schob sich vor Mr. Bär und drückte seine Faust runter. Mr. Bär zog ihm mit der anderen eins über den Schädel. Das machte allerdings nichts (Plüsch halt). „Hört gut zu meine Untertanen... *chrm chrm* Ihr kennt mich unter dem Namen Nestor Dewalti Horroriwee Fledermausvolk von Überbiss. Aber mein richtiger Name ist Blaaah! Mit Ausrufezeichen.“ Er fuchtelte dabei vampirmäßig vor ihren Gesichtern rum.

„Und du hast uns DIESEN NAMEN ANGETAN??“ schrie ihn Mr. Bär an. Blaaah! klappte erschrocken die Ohren runter.

„Mein lieber Neffe... mir scheint, du hast deine Untergebenen überhaupt nicht im Griff. Soll ich mal...“

„NEIN!.... Äääääh, nicht nötig, ich krieg das hin.“ Er wand sich an Mr. Bär und Mr. Baguette und flüsterte: „Ich denke ich bin euch einige Antworten schuldig, aber dafür bleibt keine Zeit. Ich habe von meinem Onkel vor ein paar Jahren eine wichtige Aufgabe übertragen bekommen. Ich sollte das Amulett von Amulett beschaffen... es ist ein ganz wichtiges Vampirutensil, es ermöglicht einem am Tag durch die Gegend zu laufen... na jedenfalls, ich hab es versucht und bin gescheitert... also bin ich abgehauen damit ich keine Strafe bekomme. Ich hab einen falschen Namen angegeben damit man mich nicht aufspüren kann.“

„Punkt 1 – Du hast gerade gesagt du hast keine Zeit für Antworten, hast uns aber gerade deine höchst langweilige Lebensgeschichte erzählt!!

Punkt 2 – Du kannst doch schon tagsüber durch die Gegend laufen!!

Punkt 3 – Was hab ich mit dem Mist zu tun?“

Punkt 4 – Und welche Art von Strafe... etwa Hausarrest und Putzen? Ich möchte sie mir gerne bildlich vorstellen, das wird mich an kalten Winterabenden innerlich schön warm halten.“

„Ganz genau“ antwortete Über... äh Blaaah!

„WAS?“ kreischte Mr. Bär.

„Na, Hausarrest und Putzen... ich bitte dich, kannst du dir was noch Schlimmeres vorstellen? Ganz nebenbei, du bist ein böser Bär, ja das bist du!“

„Mr. Baguette?“

„Oui ma freré?“

„Wir gehen!“ Mr. Bär zog los und zog Mr. Baguette am Schnurrbart hinter sich her. Cremé Brühlee quiekte aufgeregt.

„Wartet!!“ rief ihnen Blaaah! hinterher.

„Tolle Untergebene, lieber Neffe!“ meinte Onkel Dave süffisant.

„Bis spÄter mon amié, wir sehen uns bestimmd mal wieder, nes pas?“ rief ihm Mr. Baguette von der Tür noch zu. Blaaah! stand da wie ein Koffer den man am Bahnsteig vergessen hatte. Verdächtig und explosiv. „Du mieser blöder Bär!! Hau doch ab und lass mich in meinem Elend allein!!!“

„Hab ich doch schon!“ ertönte es fröhlich aus dem Flur.

Blaaah! war mit seinem Onkel allein. Der kam von seinem Thron herunter und legte ihm den Arm um die Schulter. Es war als ob ein schwerer Holzbalken auf ihm landete. „Nun... sprechen wir doch noch mal über dieses Amulett.“
 

9.
 

„Aber was wird nun mit die Blaaah!? Können wir so einfach ge’h’en?

„Mir egal.“ Sie wanderten zurück zum Boot. Naja, bzw. Mr. Bär wanderte und Mr. Baguette trottete einfach hinterher. Irgendwie hatte er erwartet dass die Geschichte jetzt noch weitergehen müsste. Vielleicht hätten sie Übe... Blaaah! dabei helfen sollen das Amulett von Amulett zu finden, sie hätten ein großes Abenteuer erlebt, mit hÜbschen Bienen und tollen Spezialeffekten und mit ganz viel...

„Oh non!“ rief Mr. Baguette.

“Was ist jetzt schon wieder?” Mr. Bärs Augenbrauen rutschten sehr tief hinunter und verliehen seinem Gesicht folgenden Ausdruck: °(--.___--.)°

„Isch hAbe vergessen ihn nach Käse su fragen!! AUA!!! Wofür war DAS denn?“ Mr. Bär hatte ihm einen Stein an den Kopf geschmissen.
 

10.
 

Sie stiegen wieder ins Boot und ruderten los. Cremé Brühlee in ihrem Hamsterkäfig kaute zufrieden auf einem kleinen Heimchen herum das zeterte und keifte. Dr. Seestern, war nach langem Flug im Meer gelandet, schließlich zum Boot zurück gekehrt und hatte es nun davon überzeugt das es wirklich ein Kieselstein war. Das Boot war hin und hergerissen zwischen seiner Identität als Boot, das dafür gebaut war um zu schwimmen und seiner Identität als Kieselstein, der überhaupt nicht schwimmen konnte. Psychologisch betrachtet war das äußerst interessant, äußerte sich aber nur dadurch, dass es nun etwas tiefer im Wasser lag was nicht weiter auffiel.

Abenteuer auf "hoher" See

Abenteuer auf „hoher“ See
 

Mr. Bär und Mr. Baguette ruderten in ihrem Boot über das Meer. Hin und wieder fegten kräftige Windböen über sie hinweg und wackelten am Boot. Hinter ihnen erstreckte sich immer noch die Insel die sie gerade verlassen hatten. Und mit ihr auch Blaah!, der jetzt sicher in Schwierigkeiten steckte. Was Mr. Bär herzlich an seinem Plüschhintern vorbei ging.

„Mr. Bär, isch hAbe nachgedacht...“

„Hat es wehgetan?“

„.... wir sollten sur Insel surück fahren, meinst du nischt?“

„... Nein, das meine ich nicht!“ Mr. Bär schüttelte den Kopf und ruderte demonstrativ ein paar Meter weiter. Mr. Baguette ließ sein Ruder los. Es landete mit einem normalen „Platsch“ im Wasser. Ein unnormales Platsch wäre auch nicht angemessen gewesen. „Was tust du denn da???“ rief Mr. Bär und wusste es ja schon. Er ruderte los und das Boot drehte sich im Kreis. „Verdammt!“

„Ich rudere nischt weiter. Wir kehren um.“ sagte Mr. Baguette und verschränkte die Arme vor der Brust. Wenn er nicht so lächerlich aussehen würde, wäre das fast eindrucksvoll gewesen. Sein Schnurrbart stand spitz und unbestechlich ab.

Mr. Bär grummelte, sah aber ein, dass es sinnlos war darüber zu streiten. Er konnte Mr. Baguette über Bord werfen und würde dann immer noch im Kreis paddeln. Es war aussichtslos.

„Soll ich euch erklären wie Paddel funktionieren?“ fragte der kleine Dr. Seestern.

„Zur Hölle, NEIN!“ keifte Mr. Bär. Aber das ist wie mit der Frage „Darf ich mich setzen und dabei sitzt man schon, ohne das jemand zugestimmt hat.“

„Also Paddel, die kitzeln das Wasser, das schüttelt sich und dabei wird das Boot nach vorne getrieben. Kitzelst du nur an einer Stelle dann geht’s im Kreis rund.“

„Das war das Cleverste, das isch je gehÖrt hAbe!“ rief Mr. Baguette begeistert.

„Das war noch dümmer als die Geschichte mit den Gurken die nur noch gerade sein dürfen um verkauft zu werden. Ach nein, das Gesetz wurde ja wieder geändert“ schloss Mr. Bär „Also los, fahren wir zu der Insel zurück und helfen dem Blödmann.“

Mr. Baguette klatschte begeistert in die Hände. Dann guckte er über den Rand des Bootes. Das Paddel schwamm irgendwo in Richtung offenes Meer. Mr. Baguette guckte ihm nach wie ein Reh auf der Fahrbahn ein herankommendes Paar Scheinwerfer. Das sind bestimmt zwei nebeneinander fahrende Motorräder. Ich bleib einfach in der Mitte sehen und sie fahren an mir vorbei. Der Witz ist wirklich alt.

„Wir hAben da ein Problem... äh mes amié.“ Er deutete auf das davon treibende Paddel. Mr. Bär hob das verbliebene Paddel hoch in die Luft und wollte es Mr. Baguette gerade über den Schädel ziehen als eine plötzliche Windböe ihn umwarf und das Paddel ebenfalls im Wasser landete. „Unausgesprochene Flüche!!“ Mr. Bär tobte über Kieselstein wie eine Gewitter über ein Schwimmbad.

„Kannst du schwimmen?“ fragte Mr. Baguette vorsichtshalber Akzentfrei. Er wollte nicht der letzte Schwimmer im Becken sein, den dann der Blitz trifft.

Mr. Bär glotzte ihn an als ob es die dümmste Frage war, die jemals gestellt wurde. Und vermutlich lag sie in der Hitliste auch direkt hinter: „Kann ich mal deine Handynummer haben“ die per SMS geschickt wurde.

„Sehe ich so aus?“ Mr. Bär zeigte sich in seiner vollen Pracht. Die bestand aus Plüsch, einer gestreiften Hose und einem Halstuch, das über einem langweiligen weißen T-Shirt hing.

„Ähm...“ antwortete Mr. Baguette und Mr. Bär unterband den Rest der Antwort „NEIN. So sehe ich nicht aus. Ich bin aus Plüsch. Ich bin gut darin bis auf den Grund zu sinken und Algen anzusetzen.“

„Isch kann auch nischt schwimmen... das lernt man nischt von Knäckebrot.“

„Bevor wir sterben, werde ich dich essen!“

„Isch dachte, du isst nischt?“

„Ich werde es versuchen!“ Mr. Bär wetze demonstrativ seine nicht vorhandenen Zähne. Mr. Baguette wich ein paar Zentimeter zurück.
 

2.
 

„Was sollen wir jetzt tun mon freré? Isch sehe keinen Ausweg.“ Er seufzte resignierend.

„Ich sag es nur ungern, aber ich auch nicht. Mit den Händen paddeln wird bei der Strömung nichts nutzen.“

„Ich hab eine Idee!“ rief Dr. Seestern.

„Klappe!“ keifte Mr. Bär zurück.

„Isch hÖre!“ meinte Mr. Baguette und hielt sich demonstrativ die Hände hinter die Ohren. Er sah aus, als wolle er mit ihnen wegfliegen. Dr. Seestern warf sich in die Brust und sagte laut und deutlich: „Wie wäre es, wenn ihr eure Kleidung zusammennäht. Dadurch bekommt ihr ein Segel und der Wind treibt euch zur Insel zurück!“ Dann atmete er tief durch. Das war das Merkwürdigste, das er jemals gesagt hatte. Mr. Bär glotzte ihn an. Dann glotzte er Mr. Baguette an. Dann Cremé Brühlee die an der Spitze des Ruderbootes ohne Ruder lag und leise vor sich hin schnarchte.

„Kommt nicht in Frage!!“ sagte er und meinte es so.

„Willst du lieber versuchen mich zu essen?“ fragte Mr. Baguette akzentfrei und leicht verärgert. Dieser Bär konnte wirklich ein richtiger Miesepeter sein.

„Wir können es drauf ankommen lassen!“ antwortete er gereizt.

„Isch nischt.“ Mr. Baguette zog seinen Pullover, das Halstuch und die Hose aus. Mr. Bär guckte energisch interessiert in eine andere Richtung. So wie die Leute auf Bahnhöfen wenn sie sahen das Jemand anderes verprügelt wurde. „Es reischt nischt“ hörte er Mr. Baguette sagen. Mr. Bär überwand seinen inneren Schweinehund und gab ihm ein Leckerli. Er zog sein Halstuch aus und reichte es Mr. Baguette ohne hinzusehen. „Immer noch nischt.“ Mr. Bär grummelte und kniff die Augenbrauen soweit zusammen, dass es knirschte. Dann zog er das T-Shirt und die Hose aus und reichte sie rüber.

„Danke mon amié... jetzt fehlt nur noch....“ sagte ein zuversichtlicher Mr. Baguette in Unterwäsche.

„Die Unterhose kriegst du nicht!!!“ kreischte Mr. Bär.

„Ähm, die will isch auch nischt, Mr. Bär. Wirklich nischt!! *hust* Aber isch brauche eine Faden...“ Er sah sich suchend um, entdeckte aber nur einen schlafenden Hamster, einen Seestern im Taucheranzug und einen mannsgroßen Teddybären in einer weißen Unterhose. Sein Blick wanderte an Mr. Bär lang. Mr. Bär bemerkte es, drehte sich genervt um und keifte: „Glotz mich gefälligst nicht so an!“ Ein Glitzern stand in Mr. Baguettes Augen und er streckte die Hand nach Mr. Bär aus. Der wiederum verpasste ihm eins mit beiden Fäusten. Was nicht gerade wehtat. „Deine Naht... sie... das ist ein Faden... den brauch ich!“ murmelte Mr. Baguette dessen Gesicht gerade nähere Bekanntschaft mit dem Holzboden von Kieselstein gemacht hatte.

„WAS?“ kreischte Mr. Bär fast hysterisch.

„Zum NÄhen, Mr. Bär, für das Segel, nes pas?“ Er richtete sich wieder auf und rieb sich die Nase.

„Von mir werden keine Teile verwendet, kapiert??“ Mr. Bär war außer sich vor Wut. Das hier war der bisherige Gipfel ihres bekloppten Abenteuers und es war schrecklicher denn je. Wären sie doch bei den Vampiren geblieben. Mistverflucht.

„Je schneller isch das Segel genÄht habe, desto schneller können wir unsere Sachen wieder anziehen, nischt?“ antwortete Mr. Baguette mit einem freundlichen Lächeln.

„Worauf warten wir noch?“ rief Mr. Bär übergeschnappt und löste den Faden der seinen Bauch in der Mitte zusammenhielt. Etwas Watte fiel auf den Holzboden. Was für andere eine lebensgefährliche, wenn nicht tödliche Verletzung gewesen wäre, ist für einen Teddybär... nun ja, ein Ärgernis. Mehr nicht. Mr. Bär beugte sich nach unten um die Watte wieder aufzusammeln. Dabei fiel noch mehr Watte raus.

„Isch hElfe dir gleich mon amié, warte noch einen Moment!“ flötete Mr. Baguette fröhlich und zog eine Nähnadel aus seiner Baskenmütze.

Mr. Bär wollte sich nicht fragen was die Nadel dort tat. Er wollte es nicht wissen.
 

3.
 

Der Plan des kleinen Dr. Seestern ging auf. Das Segel brachte sie sicher zurück an Land. Dort trennten sie es wieder auf und Mr. Baguette nähte auch noch den Bauch des rumkeifenden Mr. Bär wieder zu. Er sah jetzt etwas schief aus, aber zumindest blieb die Watte wo sie hingehörte.

„Wir sollten suerst su Blaah! gehen und dann überlegen was wir wegen die Paddel unternehmen, was sagst du?“

„Ich sag heute gar nichts mehr!“ antwortete Mr. Bär und strafte seine Worte damit Lügen. Dann trottete er Mr. Baguette hinterher. Zurück im Schloss war Blaah! bereits weg.

Sonderkapitel: Das Amulett von Amulett (Ein Vampir-Nerd on tour)

1.
 

Einen Tag früher. Mr. Bär und Mr. Baguette hatten gerade das Schloss verlassen. Blaah! stand am einem der zugigen Burgfenster und schaute ihnen enttäuscht nach. Der Mond stand über den kahlen Bäumen und beleuchtete den Weg auf diese spezifische unheimliche Art und Weise. Kennt man ja, die Äste sehen aus wie Klauen die nach Einem greifen. Hier griffen sie ins Leere. Mr. Bär war so schnell weg gewesen, dass man nur noch den Staub tanzen sehen konnte. Blaah! seufzte und wendete sich seinem Onkel zu, der aus dem Nichts hinter ihm aufgetaucht war. Nun, Onkel Dave war ein Vampir Güteklasse A, quasi aus Freilandhaltung. Er beherrschte all die netten Tricks die Blaah! so gar nicht drauf hatte. Aber zumindest war darauf gefasst gewesen. „Es kann losgehen, was soll ich machen?“ Er lies es so teenagermäßig entnervt klingen, das sein Onkel tadelnd eine Augenbraue hob. „Sir!“ setzte er zackig hinterher.

„Du gehst nach Nimmermoor und befragst dort die alte Schleiereule wo sich das Amulett von Amulett befindet. Dann holst du es.“

„Nimmermoor? Das ist doch 5 Nachtreisen entfernt!“

Onkel Dave seufzte „Nein lieber Neffe, Nimmermoor liegt gleich über die Straße, sieht du die Hütte da?“ Er deutete auf dem Fenster zu einem Bretterverschlag der entfernt die Umrisse einer windschiefen Hütte hatte.

„Du hast doch immer erzählt, Transblubbien wäre ein so riesiges, dunkles und altes Land... jetzt bin ich schwer enttäuscht.“

„Es war einmal ein riesiges, dunkles und altes Land... Naja, dunkel und alt ist es auch immer noch, aber seit der großen Flut vor ein paar Jahren ist hier alles etwas eingelaufen.“ Onkel Dave formte die Hände zu Klauen. „Und nun mach das du loskommst, ich hab nicht die ganze Nacht Zeit.“

„Du bist unsterblich... du hast für alles ne ganze Nacht Zeit und noch länger.“

Onkel Dave blickte ihn kritisch an und Blaah! beschloss dass es besser für ihn war sich ganz schnell auf den Weg zu machen. Am Besten gestern schon.
 

2.
 

Der Weg nach Nimmermoor war kalt und feucht. Wie es sich für ein richtiges Moor gehörte, auch wenn es nur so groß wie ein halbes Fußballfeld war. Der wabernde Nebel verlieh der ganzen Atmosphäre von dunklem Lila und tiefschwarzen Schatten sowie den vom hellen Mondschein beleuchteten knorrigen Bäumen, den letzen Grusel-Schliff. Blaah! war davon mehr als gelangweilt. Seine Flip Flops blieben dauernd im Matsch stecken und seine von Natur aus eiskalten Füße wurden wenn möglich noch kälter. Hinter ihm stapfte Mr. Möhre durch das Moor. Oder besser gesagt ein paar Zentimeter darüber. Es gehörte sich nicht für eine very british Möhre durch den Morast zu waten. Das hätte sie ihren Zauber gekostet... und davon besaß sie ohnehin recht wenig. Ein Monokel konnte nicht über das Haifischgebiss hinwegtäuschen. „Dieses Wetter lässt meinen Tee kalt werden“ bemerkte er ohne dabei auch nur aufzublicken.

„Kannst du nicht mal bis zehn zählen, damit ich eine halbe Stunde Ruhe vor dir hab?“ Blaah! war seit dem Verlust seiner einzigen beiden echten Freunde (zumindest hatte er sie dafür gehalten), ziemlich am Boden zerstört.

„Ich entspringe deinen Gedanken, junger Freund.“

„Dann mögen meine Gedanken endlich mal die Klappe halten!“ Er stapfte energischer voran, der imaginäre Mr. Möhre folgte ihm in kurzem Abstand und schlürfte seinen Tee. Wer sich je vorgestellt hat wie eine überdimensionale Karotte mit Haifischgebiss aussieht, die eine Tasse Tee schlürft und dabei missbilligend das Gesicht verzieht, weil dieser nicht mehr allzu wohl temperiert ist, der ist hier klar im Vorteil.
 

Die Hütte zu erreichen war nicht allzu schwierig gewesen. Blaah!s Füße waren mit einer dicken Schlammschicht überzogen, die Flip Flops kaum noch zu sehen. Er öffnete die Tür und trat ein. Dabei achtete er besonders darauf, diese Mr. Möhre direkt vor der nicht vorhandenen Nase zuzuschlagen.

„Hallo? Ist hier jemand?“ Er war sich des Klischees dieser Frage durchaus bewusst. Gleich würde jemand hinter oder vor ihm auftauchen und „Buuuh!“ oder was ähnlich Dämliches rufen. Er war darauf vorbereitet. Ein Schatten tauchte hinter ihm auf und raschelte unheilvoll. Blaah! gähnte. „Was kann ich für dich tun, junger Vampir?“ fragte eine Stimme die dem rascheln alter Zeitungen klang. Wieso die Zeitungen dabei alt sein mussten war nicht bekannt. „Ja. Ich wüsste gerne wo ich das Amulett von Amulett finden kann.“ Blaah! hielt sich nicht mit den Regeln dieser Art von Situationen auf. Eigentlich hätte er jetzt fragen müssen woher die Stimme kam (von dem Schatten, woher denn sonst) und wer denn da sei (die Schleiereule, die Bewohnerin des Hauses). Der Schatten materialisierte sich auf höchst spektakuläre Weise. Erst legte er sich an die Wand, dann trat daraus eine alte Frau hervor, die starke Ähnlichkeit mit Spidermans Mutter hatte. Sie war knochig, hatte lange Gliedmaßen die ein paar Gelenke zu viel haben schienen und war mit Spinnweben bedeckt. Hin und wieder krabbelte ein kleines oder größeres Exemplar über ihr Haar und Gesicht. Ihre Kleidung war schon vor dreihundert Jahren nicht mehr trendy gewesen. Klar. Sie waren in Transblubbien. Hier sahen alle Leute mehr oder weniger so aus. Außer die Bauern die die Mistgabeln schwangen und arme unschuldige Typen in Windmühlen trieben um sie in Brand zu setzen. Die sahen aus wie Bauern.

„Du kommst vom Schloss, nicht wahr?“ fragte sie heiser.

„Gleich über die Straße.“

„Und du willst wissen wo sich das Amulett von Amulett befindet?“

„Ja doch.“

„Gut, ich werde es dir sagen.“

„Tun Sie das.“

„Ja.“

„....“

„....“

Blaah! räusperte sich unerhört laut. Die alte Schleiereule zuckte zusammen. Sie war gerade kurz eingenickt. Eine Spinne war in ihr linkes Nasenloch gekrochen und nicht wieder herausgekommen, wie Blaah! zu seinem Unmut feststellen musste. Das war etwas, das er sicher nicht hatte sehen wollen.

„Das Amulett von Amulett befindet sich im höchsten Turm der mächtigsten Burg im Teufelstal, gleich hinter Haralds Sportladen.“

„Ähm... Okey?“

„Er führt auch Sportbekleidung.“

„Gut zu wissen.“

„Nicht wahr.“

„Ja.“
 

Blaah! machte, dass er wegkam. Draußen stieß er imaginär mit Mr. Möhre zusammen der imaginären Tee verschüttete. Blaah! bildete sich ein, dass seine Einbildungskraft endlich mal nachlassen müsste.
 

3.
 

Zurück im Schloss stapfte Blaah! in sein altes Zimmer. Der Tag würde jeden Moment anbrechen und Onkel Dave lag sicher schon im Sarg. War auch besser so, dann hatte Blaah! zumindest die Möglichkeit erst noch die matschigen Abdrücke in der Küche zu beseitigen. Er wusch sich die Füße in einem alten verrosteten Waschbecken und zog die muffigen Vorhänge zu. Dann lies er sich aufs Bett fallen. Es quietschte bedenklich und direkt neben seinem Gesicht schoss eine Sprungfeder mit messerscharfer Kante hervor. Blaah! seufzte. Da er es ablehnte in einem Sarg zu schlafen wie seine Artgenossen, musste er eben mit dem Vorlieb nehmen was gerade da war. Und das war ein möglicherweise tödliches Bett. Doch seine Verwandlung in eine Tag-Ratte verkleinerte die Angriffsfläche um ein vielfaches. Er rollte sich zusammen und summte „Mary had a little lamb“ vor sich hin, bis er einschlief.
 

Als er aufwachte war es bereits wieder dunkel und eine weitere aus dem Bett geschossene Sprungfeder piekste ihn unangenehm in den Rücken. Was ihn aber wirklich geweckt hatte war das Brüllen seines Onkels. Im Halbschlaf verstand sein Gehirn die Signale nicht. Ein paar Sekunden später hatte es kapiert was gerade passierte. Er hatte verschlafen und den Matsch nicht weggewischt. So ein Mist! Statt sich seinem Onkel zu stellen schwang er sich lieber aus dem Fenster. Er fiel ein paar Meter tief und landete leichtfüßig auf dem Dach. War doch nicht so schlecht untot zu sein. Es war wie mit den Katzen. Man landete immer auf den Füßen. Außer es war zu wenig Weg zwischen Kopf und Boden. Er sah noch mal kurz nach oben und kletterte dann schnell die uralte Regenrinne herunter. Wenn er das Amulett gefunden hatte würde sein Onkel vielleicht auf den Hausarrest verzichten.
 

4.
 

Unterdessen betraten Mr. Bär und Mr. Baguette erneut das Schloss. Sie hatten gerade ihr Abenteuer auf „hoher“ See und ohne Paddel heil überstanden. Mr. Baguette war hier um Blaah! zu helfen. Mr. Bär war einfach nur hier. Sie gelangten über den Flur zurück in den großen Saal mit dem bronzefarbenen Thron. Diesmal war er leer. „Tja, er ist nicht hier, gehen wir!“ meinte Mr. Bär munter und drehte sich auf dem Absatz herum.

„hAllo?“ rief Mr. Baguette. „Ist hIer jemand?“ Er war sich des Klischees nicht bewusst. Und prompt wirkte es. Ein mysteriöser Schatten mit den Umrissen von Dave dem Vampir erschienen an der Wand und eine Klauenartige Hand griff nach seiner Schulter. Mr. Baguette riss die Augen auf und sah für 2 Sekunden so aus als hätte er in eine Steckdose gefasst. Dann drehte er sich langsam um. „Oh... äh... Bonsoire Misiööö!“ Er lächelte krampfhaft und sein Schnurrbart wackelte nervös.

„Habe ich Sie erschreckt? Oh, das tut mir leid.“ Es klang nach dem Gegenteil.

„Hähäh... nischt im Geringsten, nischt wahr?“ Er stieß Mr. Bär in die nicht vorhandenen Rippen. „Nö, sowieso nicht.“ antworte dieser.

„Das... freut mich.“ sagte Onkel Dave und machte eine einladende Geste in Richtung Thron. Davor standen jetzt ein paar Holzkisten. „Setzen Sie sich doch.“

„Zu freundlisch, aber wir sind nur auf der Suche nach ihre Neffe, Blaah!“

Mr. Bär schüttelte den Kopf. Nicht wegen der Kiste. Er fand er war nicht auf der Suche.

„Oh, das bin ich ebenfalls. Sie müssten sehen war er mit meiner Küche gemacht hat, der verzogene Bengel!“ Vampir Dave bleckte die Zähne und stieß eine Art Knurren aus, das etwas, ganz tief in Mr. Baguettes Unterbewusstsein zum Klingeln brachte. Er trat ein paar Schritte zurück. „Nun jah, danke für ihre Gastfreundschaft, aber wenn er nicht hier ist, dann sollten wie Sie nicht länger belästigen. Einen schönen Tag noch... ähm Nacht meine ich!!!“ meinte Mr. Baguette akzentfrei und schob sich an Mr. Bär vorbei rückwärts durch den Raum. Mr. Bär grinste ihn und den Vampir abwechselnd an. Er hatte einen Heidenspaß daran. Mr. Baguette starrte ihn böse an und biss sich auf die Unterlippe während der weiter rückwärts lief und hinter sich nach möglichen Hindernissen tastete.

„Ich bin mir sicher, mein Neffe hat sich bereits auf den Weg gemacht um das Amulett von Amulett zu finden. Das ist seine Aufgabe. Leider weiß ich nicht, wo es sich befindet.“ (In der Tat hätte er einfach nur die alte Schleiereule fragen müssen, aber seit sie mal versucht hatte mit ihm zu flirten traute er sich nicht mehr in ihre Nähe)

„W...Wir werden ihn s...sicher auch so finden... stimmt’s Mr. Bär?“

„Wenn’s nach mir geht nicht!“ grunzte er.

„Also Mr. Bär! Schämst du dich nicht für deine negative Einstellung?“

„Nicht im Geringsten.“

Sie wanderten zurück durch den Flur, nur schneller als auf dem Hinweg. Mr. Baguette hatte es sehr eilig das Schloss zu verlassen.
 

5.
 

Blaah! wanderte einsam durch Transblubbien. Nicht einmal Mr. Möhre leistete ihm Gesellschaft. Der Weg war von den omnipräsenten Dornenranken gesäumt aus dem Pfähle mit dreckigen Kloschüsseln ragten. Sie leuchteten schmuztig-weiß im fahlen Mondlicht. Blaah! lief ein Schauer über den Rücken. Er hatte schon ein gutes Stück des Weges hinter sich gebracht (was daran lag, das die Wege nicht mehr allzu lang waren), allerdings hatte er keine Ahnung ob er auch in die richtige Richtung ging. Er folgte zwar sonst seiner Müll-Findenden Nase, aber hier waren ihm die Kloschüsseln mehr als hinderlich. Er fragte sich, warum er in all den Jahren die er früher in Transblubbien lebte niemals einen ausgedehnten Spaziergang gemacht oder mal eine Karte gelesen hatte. Plötzlich raschelte es hinter ihm. Na klar, dachte er, ist ja mal wieder typisch. Was würde jetzt kommen? Eine flatternde Eule und direkt hinterher irgendein struntzdummer Killer mit Eishockeymaske? Vielleicht auch eine Fledermaus und wenn man sich wieder beruhigt hatte, folgte ein blutrünstiger Werwolf? Nun, er wurde nicht enttäuscht. Aus dem dornigen Gebüsch sprang ein Wolf. Blaah! kippte nach hinten und landete auf dem verlängerten Rückrad. Zu wissen das etwas kommt das einen erschrecken wird hilft nicht immer. Der Wolf schüttelte sich die Dornen aus dem Pelz. Dann schnüffelte er in der Luft rum, drehte sich eine Runde um sich selbst und versuchte sich in den Schwanz zu beißen. Ob er sich wohl freuen würde, sollte er es schaffen? Dann sagte er unvermittelt: „Hi!“
 

Blaah! blieb sitzen. Er war viel zu baff um aufstehen zu können. Er hatte Wölfe noch nie ausstehen können. Sie waren die natürlichen Feinde der Vampire. So wollte es das Gesetz der Geschichte. Zwar sagte man einigen seiner Artgenossen nach, dass sie sich in Wölfe verwandeln konnten, aber Blaah! als einäugige Ratte hatte das nie nachvollziehen können. „Ähm... hallo.“ sagte er und rutschte ein Stück zurück.

„Oh, entschuldige, ich wollte dir keine Angst machen!“ rief der Wolf. Es klang durchaus ernst gemeint, aber seine Zähne blitzen dabei zwischen seinen Lefzen.

„Du bist ein Vampir, hab ich Recht?“

*Ok, das wars.* Blaah!s Gedanken rasten. *Er wird mich fressen und die Geschichte ist zu Ende. Dabei hat sie so nett angefangen.* „Ähm... j...ja. Ich glaub schon.“

„Du glaubst es? Haha, du bist ja ein komischer Vogel! Mein Name ist Stanley.“

„Du bist ein Werwolf, nicht wahr?“ Er war sich der Sache fast sicher, aber warum irgendwelche Zweifel stehen lassen?

„Ich wünschte ich wäre einer... „ Stanley senkte den Kopf. Sein hellgraues Fell schimmerte übernatürlich im Mondlicht und seine Ohren hingen traurig hinunter. Jede tierliebe Frau wäre auf der Stelle dahin geschmolzen wie ein Schneemann im Solarium. Blaah! war keine tierliebe Frau. Er war ein Nerd. Und ein Vampir. Er hatte einen Ruf zu verlieren. Glaubte er jedenfalls. „Versteh ich nicht.“

„Hast du dich je gefragt was mit einem Werwolf passiert der von einem Vampir gebissen wird?“ Stanley stellte die Ohren auf. Blaah! schüttelte den Kopf. Normalerweise war es eher umgekehrt. Und dann passierte nichts. Ein Vampir war Untot, sein Körper konnte sich nicht noch mal verändern. Ein Werwolf hingegen war auch nach der Verwandlung noch am Leben.

„Ich hab mich das auch nicht gefragt. Bis vor ein paar Wochen.“ Er sträubte das Fell und konzentrierte sich. Da wuchsen zwei kleine Fledermausflügel aus seinem Rücken. Seine Reißzähne wurden deutlich länger.

„Jetzt bin ich ein untoter Vampirwerwolf. Dumm gelaufen.“ Er schniefte.

„Das ist.... Interessant.“ urteilte Blaah! vorsichtig. Was war schlimmer als ein Werwolf? Ein Vampirwerwolf. Das hatte er noch nie gehört, aber es konnte gar nicht anders sein. Stanley richtete sich auf die Hinterläufe auf und knurrte leise. Dann verwandelte sich sein Wolfkörper in den eines Menschen. Wenn man von dem ganzen Fell mal absah, dass ihn immer noch vom Hals abwärts bedeckte. Kleidung trug er logischerweise nicht, aber das war eh nicht nötig. Die Haut im Gesicht und an den Armen war dunkelgrau wie das von Blaah!s Onkels Dave. Auf seinem Kopf thronten ein paar plüschige Ohren. Stanley war rund 10 Zentimeter kleiner als Blaah!, das schien ihm aber nichts auszumachen. Normalerweise, so erinnerte sich der Vampir an seine ersten Unterrichtsstunden in „Kunde pelziger Kreaturen“ waren ein Werwolf, der kleiner war als eine andere anwesende Person aufgrund eines stark ausgeprägten Minderwertigkeitskomplexes, der manchmal auftrat, wenn ein Chihuahua bei der Genmutation eine Rolle gespielt hatten, förmlich dazu verdammt, dieser Person an die Kehle zu springen. Unbewusst rieb sich Blaah! den Hals. Und der lange Verschachtelte Satz brannte ihm in der Hirnrinde.

„Hahaha! Hast du das auch gelesen? Mit dem Minderwertigkeitskomplex?“ Stanley lachte herzlich und seine Ohren zuckten.

„Äh... hähä!“ Blaah! lachte humorlos und verlegen zurück.

„Meine Mama hat immer gesagt, es kommt nicht auf die Größe an.“

„Du hast ne komische Mutter.“ stellte Blaah! trocken fest und schlug sich die Hände vor den Mund.

„Ist schon ok. Ich lauf eh lieber als Wolf rum, ich dachte mir nur, ich stell mich so noch mal offiziell vor. Mein Name ist Stanley Fur, ich komme aus Teufelstal.
 

Soviel Zufall konnte nicht normal sein. Blaah! sah vor seinem geistigen Auge schon den Film laufen. Er würde Stanley bitten ihn nach Teufelstal zu begleiten, er würde das Amulett suchen, ein paar Bauern würden sie mit Mistgabeln verfolgen, Stanley würde ihn am Ende doch noch fressen und sein Onkel Dave hätte gut lachen weil Stanley ihm das Amulett bringt und er dann am Tag durch die Gegend wandeln kann. Denn in Wirklichkeit wurde Stanley von Onkel Dave gebissen und ist seit dem sein treuer Diener. Hat man alles schon mal gesehen. Vermutlich wurde das Amulett auch noch von einem Monster bewacht? Vielleicht von einer Fledermausbestie? Vielleicht auch von Etwas mit Schuppen? Das konnte man nie so genau wissen. Und nicht zu vergessen, Onkel Dave würde am Ende den Bauern am helllichten Tage das Blut aussaugen. *Gähn*
 

„Ist irgendwas? Dein Blick ist plötzlich irgendwie glasig geworden..“ Stanley hatte sich zurück in einen Wolf verwandelt und schabte mit den Pfoten.

„Nein, nichts. Alles bestens. Kannst du mich nach Teufelstal bringen?“

Sonderkapitel: Das Amulett von Amulett (ein Vampirnerd on tour) - Part 2

Part 2
 

Stanley erwies sich als hervorragender Spurenleser. Naja, wen wunderte es? Er fand den Weg nach Teufelstal schneller als jedes Navigationsgerät. Ein Bonuspunkt war auch sicherlich, dass es nur geradeaus ging und er auch noch dort wohnte. Blaah! trottete gelangweilt neben dem Vampirwerwolf her und betrachtete wen möglich noch gelangweilter die Landschaft. Viel sehen konnte er aufgrund seiner Nachtblindheit zwar nicht, aber der Mond tauchte zumindest die wichtigsten Aspekte der Gegend in ein mattes Licht. Satte dunkelgrüne Wiesen wechselten sich mit einer kargen Felslandschaft ab... und dass innerhalb von nur fünf Minuten Fußweg. 2 Stunden vor Sonnenaufgang wurde der Weg schließlich leicht abschüssig und gab den Blick auf ein großes Tal frei, das von drei Seiten von Bergen umgeben war. Es sah aus wie ein riesiger Hundenapf über dem ein fahler Mond hing. „Wir sind da.“ bemerkte Stanley überflüssigerweise.

„Offensichtlich.“ Blaah! sah sich aufmerksam um. Wo waren die wütenden Bauern? Sie waren ein fester Bestandteil seines inneren Films und er fing an nervös zu werden. Abweichungen von bereits zehntausendmal beschrittenen Story-Pfaden waren gar nicht gut. Abweichungen gaben fiesen Dingen die Möglichkeit zu passieren und all sein Wissen über blöde Horrorfilme wäre mit einem Schlage nutzlos. Da tauchte der erste Bauer auf. Er sah nicht unbedingt erfreut aus. Blaah! seufzte erleichtert. Alles war gut. Darauf war er vorbereitet. Er war immerhin nicht umsonst in Transblubbien aufgewachsen. Er kannte die Regeln. Hinter dem Bauer würden noch 20 weitere Bauern auftauchen. Mit Mistgabeln und Fackeln. Wenn er selbst einfach stehen bleiben würde, dann würden die Bauern nicht mehr weiter wissen.

„Servus!“ rief Blaah! und schlug enthusiastisch die Haken zusammen. Da er kein festes Schuhwerk trug tat es ziemlich weh. Der Bauer starrte ihn geistlos an. Dann tauchten hinter ihm 19 weitere Bauern auf. Man konnte nicht immer richtig liegen. Sie schwangen Mistgabeln und Fackeln. Stanley klemmte ängstlich den Schwanz zwischen die Beine. Seine Krallen schabten unruhig über den kargen Boden.

„Ganz locker. Du weißt doch sicher wie das läuft?“ fragte Blaah! seinen Reisegefährten.

„Jaaahh... schon... ähm, aber... seit ich von einem Vampir gebissen wurde... ähm, ich bin hier nicht mehr so sonderlich beliebt.“ Er zog in dem Versuch zu lächeln die Lefzen hoch und seine Zähne funkelten im Mondlicht. Die Bauern blieben stehen.

„Du kannst unmöglich noch unbeliebter sein als vorher... du warst ein Werwolf. Bauern hassen Werwölfe!“

„Hm... ja das stimmt.“

„Also?“

„Also was?“

„Also wie kannst du noch unbeliebter sein als vorher??“ Blaah! verlor langsam die Geduld. Er wollte die Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen. Bald würde die Sonne aufgehen und als Ratte... nun, Bauern fürchteten sich nicht vor Ratten.

„Naja... Seit ich ein Vampirwerwolf bin kann ich mich einfach nicht mehr entscheiden ob ich die Leute nun fressen oder bloß aussaugen soll. Das macht sie nervös.“ Er versuchte ein Achselzucken. Dabei hoben seine Vorderpfoten vom Boden ab. Hopp.

„DAS ist das Problem?“ Blaah! starrte ihn ungläubig an.

„Findest du das schlimm?“

„Nein. Schön das wir mal drüber geredet haben.“

„Was soll das denn heißen?“

„Das soll heißen, schön das wir mal drüber geredet haben.“

„Ich glaub dir das irgendwie nicht.“

„Waruuuum nicht??“ Blaah! schlug sich mit der Faust gegen die Stirn. Die Bauern standen immer noch da rum und rührten sich nicht vom Fleck. Irgendwas lief hier nicht so wie sie es gewohnt waren. Das Monster kreischte, sie rannten hinter ihm her. Es versteckte sich in einer Windmühle und die steckten sie in Brand. Alles andere war neumodischer Firlefanz.

„Die Betonung war so komisch!“ Stanley seufzte.
 

2.
 

Auf der anderen Seite von Transblubbien, einige Stunden früher, hatten Mr. Bär und Mr. Baguette gerade das Schloss verlassen.

„Oh no, isch hAbe ihn schon wieder nisch nach Käse gefragt!“ rief Mr. Baguette und sein Schnurrbart kringelte sich verärgert.

„Willst du noch mal reingehen? Hier, nimm die hier mit!“ rief Mr. Bär erschreckend fröhlich und überreichte Mr. Baguette eine Flasche mit Steaksoße.

„Wo hAst du die plötzlich hEr?“ Mr. Baguette verstand den Wink mit dem Zaunpfahl offensichtlich nicht.

„Von da drüben.“ Mr. Bär seufzte enttäuscht als Mr. Baguette die Richtung einschlug auf die er gerade gedeutet hatte anstatt zurück ins Schloss zu gehen. Hätte ja klappen können. Mit Steaksoße hätte selbst ein Typ wie Mr. Baguette an Geschmack gewonnen. Dieser kramte unterdessen schon in einem Stapel von Zeugs, dass die Müllabfuhr vor ein paar Jahren schon vergessen hatte. Dann zog er ein postkartengroßes Stück Pappe hervor. Darauf war ein hässlicher alter Mann abgebildet und drunter hatte jemand krakelig „Depp“ geschrieben. Er warf es achtlos beiseite, stand auf und klopfte sich den Staub von der Hose. „Nischts drin was auf Blaah! hinweist... oder sonst irgenwie interessant wäre.“

„Hast du das etwa erwartet?? Neiiiin, vielleicht wäre ja sogar das Amulett drin gewesen das unser blöder Nerd suchen soll und dann wäre er nach Tagen vergeblicher Suche zurückgekehrt und hätte festgestellt das wir es haben und wir hätten alle herzlich darüber gelacht und... ARGH nein!!! Hältst du die Autorin dieser Geschichte wirklich für so einfallsreich? Vergiss es doch!“ Mr. Bär rieb sich die Falte zwischen seinen Augenbrauen.

„HÄtte doch sein können, nes pas?“ Mr. Baguette zuckte mit den Schultern. „Vielleischt fragen wir mal da drüben nach.“ Er zeigte auf eine zugige Bretterhütte. Die war so uneinladend, da hätte auch mit großen leuchtenden Buchstaben „Geh weg oder ich werde dich fressen“ draufstehen können. Mr. Baguette bemerkte das natürlich nicht. Mr. Bär fragte sich, was er der Autorin getan hatte um DAS ALLES zu verdienen.
 

Mr. Baguette klopfte höflich an die Tür. Diese sprang knarrend auf. „Hallo? Ist da jemand?“ Er tastete sich vorwärts in die Dunkelheit. Mr. Bär war kurz versucht die Tür hinter ihm zuzuschlagen und zu verriegeln. Leider war da kein Riegel. Er trat ebenfalls ein. Plötzlich fackelten zwei Kerzen auf einem Tisch hell auf und ein Schatten kroch über die Wand. Mr. Baguette prallte erschrocken zurück und stieß ein Glas mit grün eingelegten Dingen von einem Regal. Es zerbrach klirrend auf dem steinernen Fußboden und Mr. Baguette zog rasch die Füße weg. Da wurde aus dem Schatten auf einmal eine alte Frau die... nicht allzu gut aussah. Mr. Bär gähnte gelangweilt. „Meine GURKEN!!!“ kreischte sie. Mr. Baguette schaute auf den Boden. Tatsächlich, die grün eingelegten Dinge waren bloß Gurken. „Ähm, pardone moi Mademoiselle.“ Er nahm seine rote Baskenmütze ab und knetete sie verlegen in den Händen. Die alte Frau mustere die beiden Eindringlinge argwöhnisch und zeterte dabei weiter vor sich hin. Dann schlug sie mit ihren langen Fingern auf den Tisch. Dabei fielen ihr ein paar Spinnen aus den Haaren. Eine blieb an einem langen Barthaar an ihrem Kinn hängen. So sehr sie es auch wollten, Mr. Bär und Mr. Baguette konnten einfach nicht wegsehen. Dann begann Mr. Baguette wieder zu sprechen. Langsam und vorsichtig, die Augen weiter auf das Barthaar gerichtet. „Ähm... wir... suchen... einen Freund von uns... sein Name... ist Blaah!“ Sein Akzent war der Situation gewichen.

„Ah, warum habt ihr das nicht gleich gesagt?“ Die Alte lachte keckernd und schlug die Hände zusammen. „Der war vor gestern hier.“

„Oh, das ist großartisch. Wo ist er hIn gegangen?“

„Er ist auf dem Weg zum höchsten Turm der mächtigsten Burg im Teufelstal, gleich hinter Haralds Sportladen.“

„Äh, wunderbar. Oui.“

„Er führt auch Sportbekleidung.“

„Interessant.“

„Ja.“

„...“

„...“

„WIR GEHEN!!“ schnaubte Mr. Bär. Bisher hatte er ruhig in einer Ecke gestanden aber nun war sein minimaler Vorrat an Geduld gänzlich aufgebraucht.

„Ihr glaubt doch nicht, ich würde euch gehen lassen? Ihr habt meine Gurken zerstört! Die wollte ich noch essen!!“

„Wer ist wir? Mach’s gut!“ Mr. Bär klopfte Mr. Baguette zum Abschied auf die Schulter. Mr. Baguette schluckte. „Mögen Sie Steaksoße, ma cherie?“

Ein grün-rosa Licht erfüllte den Raum. Die Alte begann einen Singsang, der stark an „Ach wie gut das niemand weiß, das ich Rumpelstilzchen heiß“ erinnerte. Mr. Bär und Mr. Baguette wurden von einer glitzernden Wolke eingehüllt.
 

Als sie wieder erwachten, fanden sie sich auf dem Müllhaufen wieder.

„Das ist nur DEINE Schuld!!“ keifte Mr. Bär. Sein Schädel fühlte sich an als ob er in einer Waschmaschine gesteckt hätte. Die Welt drehte sich weiter während er schon im Wäschekorb lag. Mr. Baguette ging es auch nicht besser. „Tut mir wirklisch leid mes ami.“ Er seufzte und versuchte sich aufzusetzen. Was ihm nicht gelang. Irgendwie fühlte sich sein Körper komisch an. So kompakt. Da er nicht an sich selbst herunterschauen konnte kam er aber nicht darauf was nicht stimmte. Mr. Bär bemerkte es nun ebenfalls. Seine Laune wurde dadurch sicher nicht besser.
 

3.
 

Blaah! hatte geplant einfach zwischen den Bauern hindurchzugehen. Damit würden sie nie im Leben rechnen. Es passte nicht ins Bild. Leider waren die Bauern ziemlich traditionsbewusst.

„Du bist echt gut zu Fuß!“ rief ihm Stanley zu und seine lange Zunge flatterte aus seinem Maul heraus wie eine Fahne im Wind.

„Du aber auch!“ rief Blaah! zurück und beschleunigte noch etwas mehr. Er konnte mit seinen Flip Flops erstaunlich schnell rennen. Hinter ihnen flitzten 20 Bauern her die ihre Mistgabeln schwangen und „Tötet die Bestien!“ riefen.

„Da vorne ist eine Windmühle, wir sollten uns darin verstecken!“ rief Stanley laut genug damit es auch die Bauern hören konnten. Warum sollte man auch Dinge verändern, die seit Jahrhunderten prima funktionierten?

„Das halte ich für keine so tolle Idee!“ rief Blaah! zurück und bog plötzlich links ab. Er schlitterte um die Kurve wie ein Rennwagen und rannte zwischen zwei Bauernhöfen hindurch. Die Bauern blieben verwirrt stehen. Stanley folgte ihm dich auf. „Ich mag Visionäre!“ kicherte er.

„Ich mag Leute die an Traditionen festhalten. Man kommt gut mit ihnen zurecht.“ antwortete Blaah!, hielt an und sah sich um. Die Bauern konnten ihn und Stanley immer noch gut sehen und leicht einholen. Aber sie blieben stehen. Das war gegen die Spielregeln gewesen. Mit solchen Leuten wollten sie nichts mehr zu tun haben. „Das war echt toll, diese Linkskurve, so unerwartet!“ Stanley wedelte aufgeregt mit dem Schwanz. Aus seinem Rücken wuchsen zwei kleine Fledermausschwingen, die fröhlich mit im Takt wippten.

„Ich brauch was zu trinken... ernsthaft!“ Blaah! lies sich mit dem Hintern zuerst auf den Boden fallen. Der dachte nicht daran auch nur ein bisschen weicher zu sein als hartes Felsgestein. „Au.“

Stanley nickte mit dem Kopf und verwandelte sich in einen Wolfsmenschen. „Gehen wir, ich kenn hier ne Eins A Quelle.“

„Wehe es ist eine schöne blonde Jungfrau deren Vater im Zimmer nebenan schläft. Die Sonne geht bald auf.“ Blaah! rührte sich keinen Zentimeter vom Fleck.

„Nö. Es ist ein Laden wo’s leckeren Tomatensaft gibt.“

„Sehr visionär.“ Blaah! nickte und stand mühsam auf.

Stanley grinste bis über beide Ohren. Das Grinsen war etwas breiter als nett gewesen wäre. Aber das lag wohl in der Natur der Sache.
 

4.
 

Die Hamsterdame Cremé Brühlee tapste durch Transblubbien. Mr. Baguette hatte sie angewiesen zusammen mit Dr. Seestern im Boot zu warten. Leider neigten Hamster nicht dazu auf Menschen zu hören. Und momentan hörte sie nur ein kleines Heimchen, das auf ihrer Zunge hockte und irrsinnig lachte. Das musste geübt werden. Keine gute Weltherrschaft ohne irres Lachen. Cremé Brühlee zählte die Kiesel auf ihrem Weg ohne Ziel und die Dornenranken am Wegesrand. „2098 2099...“ *sniff sniff* Sie hob die Nase und witterte. Zwar war sie kein Hund, aber ihr Geruchsinn war immer noch übermenschlich. Weil sie ein Hamster war. „Schnurrbart“ geisterte durch ihren neurotischen Verstand. Erdpferd das Heimchen bemerkte den Richtungswechsel. Da er ihn nicht angeordnet hatte musste er zwangsläufig völlig falsch sein. „Hey, Untertan!! Hab ich gesagt du sollst in diese Richtung laufen? Hab ich das? Nein das habe ich nicht! Dreh um!! Ich sagte du sollst umdrehen!! SOFORT!!“ Nichts passierte. „Ähm... nein, warte, ich habe es mir anders überlegt. Geh einfach weiter. Genau. Geh einfach weiter in diese Richtung die ich soeben gewählt habe. Muahahahahaihehihihihiheeehhehehe.“ Cremé Brühlee schnüffelte weiter. „3044 3045 3046...Schnurrbart, DA!“ Sie beschleunigte Schritt und Zähltempo und erreichte einen Berg von Müll. Oben drauf lagen zwei kleine rundliche Puppen die aussahen wie Schnurrbart und Augenbraue. „HAllo mein Mädschen!“ rief Mr. Baguette fröhlich. Cremé Brühlee quietschte fröhlich. „ 3067...3068“
 

5.
 

Der „Saftladen“ lag direkt hinter einem Friedhof über dessen Boden ein dicker weißer Nebel kroch. Nein, wie originell. Glücklicherweise gab es in Transblubbien keine Geister mehr. Die hatten sich alle aus Angst vor den Hexen in andere Länder zerstreut. Im Grunde wäre das aber auch kein Problem gewesen, aber sie hatten die Angewohnheit mit ihrem Kettenrasseln anständigen Leuten, die einfach nur über den Friedhof gehen wollten, gehörig auf die Nerven zu gehen. Blaah! latschte unenthusiastisch und mit hängenden Schultern durch das Eingangstor. Wie lange war es her, dass er etwas zu trinken hatte? Sicher schon eine Woche. Der übernatürliche Sprint hatte ihn gerade die letzten Reserven gekostet. Er war wie ein Kamel das es doch nicht mehr zur Oase geschafft hatte. Stanley hingegen legte einen Enthusiasmus an den Tag der seinesgleichen suchte. Er hopste über Grabsteine, schnüffelte an den vereinzelt stehenden Bäumen und heulte ein paar mal spaßeshalber den Mond an. Sie latschten zwischen den Gräbern hindurch und nichts passierte. „Da vorne, wir sind gleich da!“ Stanley rannte ein Stück voraus und dann wieder zurück. Laut alten Überlieferungen waren Werwölfe blutrünstige Killermaschinen, groß, eindrucksvoll, mit scharfen Krallen und stechendem Blick. Irgendwo tief in Stanleys Wolfs-Genen musste ein Hund stecken.
 

Vor ihnen tauchte aus dem Nebel eine Art Supermarkt auf. Wenn man das Wort etwas großzügiger definierte. Es war ein Bauernhof mit einem großen, kerzenerleuchteten Schild am Eingang. „Aldl-Lidi“ stand drauf. *Wir sind über einen Friedhof gewandert und nichts ist passiert... wieso nicht? Welchen Sinn hatte das?* fragte sich Blaah! dehydrierter Verstand gerade noch. Dann klappten seine Knie ein und seine Stirn landete auf dem Kiesweg. „Autsch!“ sagte er. Stanley drehte sich zu ihm um und konnte ein Grinsen nicht unterdrücken.

„Ähm, ich geh mal Saft kaufen. Bleib einfach... wo du bist.“

„Das werde ich wohl.“

„Nicht weggehen.“

„Seh ich so aus??“ Er fing an Mr. Bär ein klein bisschen besser zu verstehen. Diesen Vollidioten!
 

Kurz vor Sonnenaufgang waren Blaah!s Probleme behoben... oder zumindest die, die nicht therapiert werden müssten. Der Tomatensaft hatte zwar sein Verfallsdatum wohl schon letztes Jahr erreicht, aber er war zumindest rot gewesen. Das ist der entscheidende Faktor. Rot und ein bisschen dickflüssig. Ob Blut oder Tomatensaft spielte dabei keine Rolle, abgesehen davon das Blut viel besser schmeckte. Dafür war es auch schwerer zu bekommen. Einmal war in Transblubbien eine große Blutspendeaktion durchgeführt worden. Wer hätte ahnen können, dass man dort Keins bekommt?

„Und, wie ist es?“ fragte Stanley und nahm seine Wolfsgestalt wieder an. Er wedelte mit dem Schwanz die Kieselsteine durch die Luft. Um sie herum prasselte es.

„Soweit so gut...“ murmelte Blaah!, wedelte ein paar Steinchen weg und stellte die Flasche beiseite. „Hör auf damit!“ maulte er den Vampirwerwolf an. Dann blickte er zum Horizont wo sich gerade die Sonne über ein paar kahle Berge schob.

„Ich muss dir noch was sagen, ich...*Poff*... verwandle mich am Tag.“ quiekte Flip Flop. Stanley reagierte ausgesprochen erwachsen auf seinen Anblick: „Muahhahahahahahahahahahahaha *luftholen* hahahahahahahahahahahahahaha!!“

„Nein, wie witzig.“ kommentierte es die einäugige Ratte.

„Du... Entschuldige... du siehst einfach so... lächerlich aus... ah, Moment, hab mich gleich wieder im Griff.“ Er schüttelte sich immer noch in stillem Lachen und grinste von einem Ohr zum anderen. Wolfs- und Vampirzähne blitzen im Licht der aufgehenden Sonne orange-rot. Vielleicht lag das aber auch am Saft. Flip Flops Ratteninstinkte kauerten sich bei dem Anblick zu einem pelzigen Ball zusammen.
 

6.
 

Cremé Brühlee freute sich ihres Hamsterlebens. Sie hatte nicht nur unglaublich viele Dinge die sie zählen konnte, nein, sie hatte auch ihr Herrchen wieder gefunden. Sie hatte zwar nicht gesucht, aber das Ergebnis zählte. Außerdem war jetzt einer dieser glücklichen Momente gekommen in dem sie noch nicht wusste, das „Herrchen“ nicht immer automatisch auch „Futter“ bedeutete. Mr. Baguette sowie Mr. Bär waren von der alten Schleiereule in Puppen verwandelt und dann auf den Müll geworfen worden. So lagen sie nun bewegungsunfähig zwischen lauter nutzlosen Dingen und Cremé Brühlee trippelte zwischen ihnen herum und fiepte. Erdpferd hingegen keifte. Plötzlich hörten sie ein lautes Rauschen, wie von riesigen Schwingen. Die Bäume in der Umgebung beugten sich unter einem gewaltigen Luftzug. Im Licht der Morgensonne blitzten einige bedenklich scharfe Krallen direkt über ihnen auf. Zwei Sekunden später befanden sich die Hamsterdame, das Heimchen sowie die zwei Puppen hoch in der Luft.

„Iiiiiiiiiiiiihhhhh!!!“ rief Mr. Baguette. „Oh mon diööö, was ist das?“

„Das ist unser Ende, du Vollpfosten!“ antworte Mr. Bär. „Zuerst wird es deinen blöden Hamster fressen und dann vielleicht dich oder mich. Mit ein bisschen Glück hebt es mich bis zum Nachtisch auf. Dann kann ich wenigstens noch was Schönes vor dem Ende sehen.“

„Waaas? Nischt meine liebe HAmsterlein!!

Sie flogen dahin.
 

7.
 

Flip Flop und Stanley schliefen unter ein paar schiefen Grabsteinen. Stanley hatte sich soweit in den Schatten zurückgezogen, dass die Sonne seinem nun untoten Pelz nichts anhaben konnte. Als Flip Flop erwachte stand die Sonne nur noch knapp über den kahlen Bäumen. Gleich würde es dunkel werden. Er gähnte ausgiebig und versuchte sich zu strecken. Was ihm nicht möglich war. Er spürte wie etwas Nasses und Klebriges in seinen Pelz sickerte und ein paar Druckstellen wo keine sein sollten. Er drehte sich um so gut es ging und kreischte panisch. Er litt seit je her unter Platzangst und nun steckte er im Maul eines Wolfes fest, das nicht gerade geräumig war. „Stanley!!! Stanley!!! Spuck mich sofort aus!!!“

Der Vampirwerwolf wachte blinzelnd auf und rollte sich auf die Seite.

„Moch mümff münmumen.* (*noch fünf Minuten)

„Nein!! Keine Fünf Minuten!! Spuck mich aus!! SOFORT!!!“ Er zappelte wie ein Regenwurm am Haken.

„Waffn loff?“* (Was’n los?) brachte Stanley mit seinem vollen Maul hervor. Dann schmeckte seine Zunge den Rattenpelz. Er spuckte Flip Flop im hohen Bogen aus. „Buäh, iiiiihhh!!! Ratte!!!“ er versuchte sich mit dem Pfoten die Zunge auszuwringen.

„Was soll ich denn da sagen??“ keifte ihn Flip Flop an der von oben bis unten voll gesabbert war. Er versuchte sich zu schütteln aber der Speichel war einfach zu klebrig.

„Tut mir echt leid, das muss so ne Instinktsache sein. Du weißt schon. Klein, pelzig, hat sich bewegt. Schnapp!“ Manchmal Schlaffresse ich auch.

„ ... „ Speichel rann auf den Boden und bildete kleine Pfützen. Flip Flop sah genau so aus wie man es sich jetzt vorstellen würde.

„Es tut mir wirklich aufrichtig leid!“ Stanley versuchte mit aller Gewalt ein Schadenfrohes Grinsen zu unterdrücken.

„Ich gehe.“ bestimmte Flip Flop in sehr sachlichem Ton und stakste davon. Sein würdevoller Abgang wurde von zahlreichen Spuckefäden arg gedämpft. Sie hielten ihn am Boden fest. „Verfluchte Werwolfspuke! Kann man Tapeten mit an die Wand kleben!“ Da ging die Sonne unter und es machte wie immer *Poff* Statt einer einäugigen Ratte saß da nun Vampirnerd Blaah! in voller Lebensgröße... und mit Haaren voll Sabber.

„Ich geh vor!“ rief Stanley und sprang los.

„Warum hab ich nicht einfach den Stubenarrest in Kauf genommen? Und wieso ist diese Reise bloß so viele Seiten lang?“

Sonderkapitel: Das Amulett von Amulett (ein Vamiprnerd on Tour) - Part 3 Finale oh oh Finale OhohOhoh

Part 3
 

Mr. Bär und Mr. Baguette sowie Cremé Brühlee und Erdpferd segelten von Klauen getragen über Transblubbien, das gerade in der aufgehenden Sonne seine ganze mystische Kraft eingebüßt hatte. (Richtig erkannt, es war noch bevor Flip Flop und Stanley auf dem Friedhof übertagen mussten.)

„Müssen wir jetzt sterben?“ fragte Mr. Baguette vollkommen akzentfrei. Er fand das irgendwie unfair.

„Was dich angeht, hoffe ich es!! Nur wegen dir bin ich überhaupt hier! Ich frage mich wie es dazu gekommen ist...“ Mr. Bär war versucht sich gegen den Kopf zu hämmern. Aber er konnte sich schließlich nicht bewegen.

„Isch hAbe disch im Supermarkt getroffen, schon vergessen ma frere?“

„Das versuch ich jedenfalls... NEIN, nicht nötig das du die Geschichte noch mal aufwärmst. Sie ergibt sowieso keinerlei Sinn.“

„Ich hAbe doch gar nichts gesagt.“

„Aber du wolltest es!“

„Noo. Isch dachte an meine liebe Hamsterdame hIer. Sie wird doch dann eine Waise sein.“ Creme Brühlee fiepte bei dem Wort Hamster. Sie besaß eine Spur von Selbsterkenntnis.

„Sie wird zuerst gefressen.“ sagte Mr. Bär und meinte es auch so. Er erinnerte sich auch dumpf daran, genau das schon mal gesagt zu haben.

Sie folgen höher und höher hinauf. Die Sonne wärmte die Luft auf und es hätte ein ganz wundervoller Morgen sein können. Unter anderen Bedingungen, an einem anderen Ort. Schließlich setzte das Ding mit den Krallen zur Landung an.

„Na toll, Endstation Hoffnung. Ade du blöde Welt.“
 

2.
 

Am nächsten Abend. Ja, wir sind wieder in die Gegenwart zurückgekehrt. Blaah! und Stanley marschierten ins Teufelstal. Bzw. Blaah! lief ganz normal und Stanley rannte vor, stoppte, drehte sich im Kreis, rannte zurück und wiederholte es. Dann lief er plötzlich ruhig neben dem Vampir her. „Mir fällt da gerade was ganz Wichtiges ein!“

„Und das wäre?“ Blaah! war immer noch missmutig, wegen all der Spucke.

„Du hast mir nie gesagt wie du heißt!!“ Stanley bellte aufgeregt und wedelte mit dem Schwanz. Wo war der coole Werwolf aus den Legenden? Der lag zu Hause vor dem Kamin und pennte.

„Ähm...“

„Komm schon, sag es doch!“

„Ich heiße Nestor Dewalti Horroriwee Fledermausvolk von Überbiss.“

Stanley schaute ihn prüfend an. Blaah! schaute unauffällig in eine andere Richtung.

„Weißt du... ich kannte mal einen Nestor Dewalti Horroriwee Fledermausvolk von Überbiss... der war ein...“ Stanley schnupperte geheimnisvoll. Das sah echt interessant aus.

„Jah, schon gut. Ich heiße Blaah!, OKAY??“ Er wurde rot unter seiner grauen Haut.

„Blaah!??? *hahaha* Was für ein bescheuerter Name ist DAS denn?? Wie die Vampire in den Cartoons? Blaah! Blaah! Sie machen ihre Hände zu Klauen! *Hahaha!!“ Stanley rollte über den Boden.

„Jetzt krieg dich mal wieder ein, ja? Der Name ist blöd, geb ich zu. Aber deiner ist doch fast genauso dämlich!“

„Was ist denn an Stanley auszusetzen?“

„Bitte? Welcher Transblubbier heißt schon Stanley?“

„Mein Papa war Amerikaner.“ Er hob stolz den Kopf.

„Ein Gebäckstück?“

„Nein, ein Mann aus Amerika.“

„Von diesem Land hab ich noch nie was gehört.“ Blaah! kramte in der Weltkarte in seinem Kopf. Sie bestand nur aus wenigen Teilen.

„Ist ja auch kein Wunder... Blaah! *hahahaderNameistderHithaha* Das ist gaaaanz weit weg.“ Stanley streckte noch stolzer die Brust raus. Sah zumindest unter all dem Fell so aus. Vielleicht war sein Papa auch ein irischer Hirtenhund. Jedenfalls konnte man hier wirklich zwei Teenager unter sich beobachten. Wenn man das denn wollte.

„Können wir jetzt weitergehen?“ Blaah! seufzte genervt. Diese Geschichte nahm echt überhaupt kein Ende mehr.

„Klar doch... Blaahahahaha!“
 

Nach einer halben Stunde Fußmarsch hatten sie das einst riesige Teufelstal durchquert. Ihnen waren weder Bauern noch sonst jemand begegnet. Das war generell kein gutes Zeichen. Das Gesetz der Geschichte wollte es, dass hier sicher niemand mehr lebte, weil es ein ganz furchtbares Monster gab. Und das lebte natürlich im höchsten Turm der mächtigsten Burg. Aha, da war ja auch Haralds Sportladen. Blaah! blickte am Laden vorbei und sah die mächtige Burg. Entgegen seiner Erwartung war die nicht eingelaufen. Sie war majestätisch. Eine Festung die ihres Gleichen suchte. Groß genug für 10 Drachen. Stanley tauchte hinter ihm auf und duckte sich. „Als ich noch klein war, hab ich immer einen ganz weiten Bogen um die Burg gemacht. Und ich würde es dir auch jetzt raten.“ Er winselte leise.

„Meine Güte, wie kann jemand mit so scharfen Zähnen nur so ein feiges Huhn sein?“

„Ich bin nicht feige!!“ Der eingeklemmte Schweif zwischen den Hinterbeinen strafte seine Aussage Lügen.

„Ist ja nicht so dass ich da reingehen WILL... aber es ist auch nicht so als ob ich die Wahl hätte... Onkel Dave ist da sehr streng.“ Blaah! schauderte bei dem Gedanken.

„Dave? Der Vampirfürst Dave?“

„Du kennst ihn?“ Blaah!s Vampirsensoren klingelten (leider funktionierten sie nicht so gut wie der Spinnensinn von Spiderman ;)

„Ähm nein, nicht persönlich. Aber ich hab schreckliche Geschichten über ihn gehört.“

„Ja.“ meinte Blaah! „Er verhängt einfach so Stubenarrest und Internetverbot. Es ist ein Graus, dass sag ich dir.“

„Internetverbot?? Das ist ja noch viel SCHRECKLICHER als ich es mir vorgestellt habe!!“ Stanley legte sich flach auf den Boden und schlug die Pfoten über dem Kopf zusammen. Der Vampirnerd betrachtete ihn eine Minute lang. Dann zwei Minuten und schließlich fünf Minuten lang. „Du willst dich doch jetzt nicht dünne machen, oder?“ fragte er schließlich.

„Ich warte seit fünf Minuten darauf, dass du was sagst!“ Er klang nervös.

*Ächz* „Ich geh jetzt da rein, hol das blöde Amulett und Pasta mit Tomatansoße.“ Blaah! latschte entschlossen los. Stanley blickte ihm entschlossen hinterher. Dann setzte sich der Hund im Wolf durch. „Warte auf mich!!“
 

3.
 

Das Schloss war von Nahem betrachtet sogar noch größer. Mr. Möhre tauchte neben Blaah! und Stanley auf. „Guten Tag.“ sagte er. „Verschwinde!“ antwortete Blaah!

„Ich dachte du wolltest dass ich mitkomme?“ meinte Stanley beleidigt.

„Ich hab auch nicht dich gemeint sondern ihn.“ Er deutete auf leere Luft.

„Ähm... geht’s dir gut? Du redest mit der Luft.“

„Ich rede NICHT mit der Luft sondern mit Mr. Möhre, meinem imaginären Freund.“

Stanley guckte wie ein Auto. „Okeeeeey...“ Er wich einen Schritt zur Seite aus „ICH geh vor!!“ Er war schneller durch das Tor als ein Auto es gekonnt hätte und hinterließ eine Staubwolke.

*Hust* Blaah! starrte ihm nach. Wieso reagierten alle Leute so komisch auf Mr. Möhre?? Ja gut, er war ne gruselige Mega-Möhre mit Haifischgebiss, aber sie waren hier in Transblubbien. Es gab Schlimmeres.
 

Zusammen durchquerten sie unzählige Gänge und Türen. Dieses Schloss war so verdammt groß, wer hier die Toilette suchte war verloren. Aber es kann mit Fug und Recht daran gezweifelt werden, dass es überhaupt eine gab. Kennt jemand Monster die auf’s Klo gehen?

„Kann ich mich noch anders entscheiden?“ fragte Stanley der überraschend nah am Boden herlief.

„Du hast gesagt du gehst vor, also bitte!“

„Woher soll ich wissen wo das Amulett ist, hä?“

„Ich dachte du bist so ein toller Spurenleser.“

„Dafür müsste ich erstmal wissen wie das Ding riecht, nicht??“ Stanley schüttelte den Wolfskopf.

Blaah! seufzte. „Auch gut, machen wir halt alle Türen auf. Hab ja auch sonst nix zu tun.“ Das stimmte.
 

Die nächsten 20 Türen enthielten wahlweise Staub, Spinnen, Ratten, Bücher und ein Krokodil mit einer tickenden Uhr im Rachen. Hin und wieder entdeckten sie kleine Schatullen mit Schmuck darin. Blaah! steckte ein paar Stücke ein.

„Ist das nicht Diebstahl?“ wollte Stanley wissen und zog prüfend die Augenbrauen hoch. „Nicht direkt. Ist mehr eine Art Schatzsuche hier.“ antwortete Blaah! und schnappte sich noch ein paar Broschen. Mr. Möhre bestand darauf. Aber er wollte ihn nicht noch mal erwähnen. Mr. Möhre führte einen recht aufwendigen Lebensstil und der musste ja irgendwie finanziert werden. Schließlich erreichten sie eine schmale steinerne Wendeltreppe. „Na klar, im höchsten Turm... da hätten wir ja jetzt auch mal schneller draufkommen können.“ meinte Blaah! mit leicht genervtem Gesichtausdruck und blick nach oben.

„Wär zumindest schön gewesen bevor mich das Krokodil in den Schweif gebissen hat.“ murrte Stanley.

„Willst du wieder vorgehen?“

„Ähm nein, ich geb dir Deckung, ok?“

„Feiges Huhn.“

„Gar nicht wahr!!“

„Bogbogbogbog *Hühnergeräusche*!“
 

4.
 

Sie waren im höchsten Turm des mächtigsten Schlosses, hinter Haralds Sportladen gelandet. Mr. Bär und Mr. Baguette lagen auf einem riesigen Haufen weichem Zeugs. „Das war jetzt SO klar, dass wir hier landen würden. Die Autorin dieser Geschichte hat aber auch so gar keine Überraschungen mehr zu bieten.“ stellte er sachlich fest. Cremé Brühlee hoppelte hamstermäßig über den weichen Haufen und fiepte. Das große grauschwarze Ding mit den riesigen Flügeln beachtete sie nicht weiter. Es machte sich an einem Kochtopf zu schaffen. „Der Hamster zuerst.“ rief Mr. Bär.

„Nooo!!“ rief Mr. Baguette dazwischen. Ihm kamen langsam ernsthafte Zweifel an der Beziehung zwischen dem Bären und der Hamsterdame. Sie hatte ja auch schon so unglücklich angefangen als Mr. Bär versucht hatte sie zu essen. Mr. Baguette war damals gerade noch eingeschritten. Cremé Brühlee hätte ihm womöglich ein Loch durch die Bauchdecke genagt und so was sah einfach blöd aus. Als er seinen Gedanken weiter nachhängen wollte klapperte es plötzlich auf der Treppe. Da erschien Blaah! im Turm. Er sah aus als hätte ihn jemand gefressen und wieder ausgespuckt. Hinter ihm trottete ein hundeartiger Wolf her und versuchte sich unsichtbar zu machen. Mr. Baguette war in der glücklichen Position sie genau sehen zu können. (Mr. Bär lag mit dem Gesicht in Richtung Kochtopf) „Huhuuuu!! Blaah!“ rief er. Blaah! drehte erschrocken den Kopf hin und her. „Hast du das auch gehört?“ fragte er Stanley. Der nickte kurz. „Mr. Baguette?“ fragte Blaah! in den Turm hinein. „Ooooooh!!! Gäste!!“ antwortete ein schwarzer Schemen. Stanley fiel in Ohnmacht. Blaah! wäre vor Schreck fast über ihn gestolpert und die Treppe rückwärts runtergefallen. Der Schemen packte ihn am Handgelenk.
 

5.
 

„Oooooh! Ich hoffe ich hab dir nicht weh getan!“ rief die unbekannte Stimme und stellte Blaah! fest auf die Beine. Er starrte sie ungläubig an. DAS war das Monster? Ernsthaft?? Sie war ein Banshee, eine Todesfee. Die gab es in Transblubbien im Duzend billiger. Sie hatte große schwarze Schwingen und einen etwas ausgemergelten Körper. Ihr Gesicht war zwar nicht hübsch, aber auch nicht überdurchschnittlich Bäh! Und sie trug das Amulett von Amulett um den Hals.

„Ähm, nein.“ antwortete Blaah! überrascht.

„Und dein Freund da?“ Sie deutete auf Stanley.

„Ach, der simuliert bloß.“ murrte der Vampirnerd. Wie sollte er bloß an das Amulett kommen? Dann fiel sein Blick auf Cremé Brühlee. „Hey, Hamstercremé, wie kommt du denn hierher?“ Er nahm sie auf die Hand und kraulte sie hinter den Ohren. Sie fiepte fröhlich. Musste das schön sein ein so unbedarftes Geschöpf zu sein. Egal was kommt, sie nahm es einfach hin.

„Ouwie, sie kam mit unsss.“ sagte erneut Mr. Baguettes Stimme.

„Immer wenn man denkt, dass es nicht noch schlimmer werden kann...“ maulte die Stimme von Mr. Bär. Blaah!s Miene verfinstere sich. „Wo bist du, dämlicher Bär?“

„Hier unten du noch dämlicherer Eckzahn!“ Der Vampir beugte sich zu der Stimme hinunter. Da lagen sie. Zwei kleine Puppen die exakt aussahen wie ne aufgequollene Version seiner ehemaligen Reisebegleiter. „Ihr seit PUPPEN!“ rief er. Dann betrachtete er den Stapel genauer. Da waren so viele kleine Plüschtiere, es war zum au der Haut fahren. „Gefallen sie dir?“ fragte die Banshee plötzlich hinter ihm.

„Das sind Freunde von mir... naja, bzw. zwei von denen.“ erklärte Blaah!. Er kraulte immer noch Cremé Brühlee die in der Zwischenzeit die Steine an der Wand zählte.

„Ich hab noch nie Plüschpuppen gehabt die so realistisch geklungen haben. Es klingt fast, als ob sie wirklich antworten würden.“

„Sie antworten ja auch wirklich!“ meinte Blaah! in einem Tonfall von dem er hoffte, er würde überzeugend klingen. Banshees neigten dazu ein wenig schwer von Begriff zu sein.

„Da war eine alte Dame in einer HÜtte, ouwi? Isch hAbe ihre Gurke kaputt gemacht unn sie hat unss in Püppen verwandelt... nes pas mon amie?“ Mr. Bär grunzte bestätigend... oder missmutig. Klingt bei ihm beides gleich.

„Ihr wart bei der Schleiereule?? Warum um alles in der Welt??“ Blaah! blickte sie ungläubig über seine großen Brillengläser an.

„Na, wir mussten disch doch suchen, nes pas?“ Mr. Baguette hätte freundlich gelächelt... aber das tat seine Puppenform ohnehin schon.

Blaah! schniefte leise. „Echt wahr? Oh, das ist so nett von euch... ich weiß gar nicht was ich sagen soll.“

„Also ich wüsste da was...Wie wäre es mit: Tut mir echt leid, dass ihr wegen mir jetzt in der Sch...“

„Also bitte Mr. Bär!!“ (Mr. Baguette)

„... eiße sitzt. Ich hab mit der Suche nach dir übrigens nichts zu tun. So.“ Mr. Bär hätte sich am liebsten noch weiter abgewendet. Aber wie bereits zur Genüge festgestellt, dass ging einfach nicht.

„Kannst du meine HAmster vor die riesige Monster retten?“ fragte Mr. Baguette hoffnungsvoll.

„Welches Mons... ach so, sie da. Sie ist nicht riesig.“

„Ouwie, sie ist. Und du auch, ma freré.“

Blaah! sah sich zu der Banshee um. Sie hatte ihre Schwingen kokett um ihren mageren Körper geschlungen und sah damit nicht mehr ganz so ätzend aus. Sie lächelte ihm zu. Das hätte sie aber lieber nicht tun sollen. Sie sah dabei aus wie ein Krokodil, dass eine Gnu erspäht hatte. Mit fast ebenso vielen Zähnen.

Mr. Möhre, der sich bisher dezent im Hintergrund gehalten hatte trat nun direkt neben den jungen Vampirnerd und flüsterte: „Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt zu verschwinden. Denk an den Schmuck in deinen Taschen. Glaubst du unsere Gastgeberin wäre begeistert, wenn sie merkt das du sie beklaust?“

Blaah! starrte ungläubig in die Luft und rief: „Du wolltest das Zeug doch unbedingt haben!!“

„Na super. Jetzt ist sein Versand endgültig über den Jorden gegangen. Mach’s gut Verstand, schreib mal ne Postkarte wenn du im Nirvana angekommen bis. Ich warte dann solange hier bis jemand anders kommt und uns vor dem Monster rettet.“ sagte Mr. Bär in einem sehr ernsten Tonfall.

(...)

(...)

(...)

„Welches Zeugs?“ fragte die Banshee.
 

6.
 

Im nächsten Moment sah man Blaah! durch die Gänge des Schlosses hetzen. Vergiss das dämliche Amulett! Er hatte sich die Puppen und den Hamster geschnappt und war davongerannt so schnell es seine FlipFlops erlaubten. Und das war verdammt schnell. Die Banshee hatte ihm mit leerem Blick hinterher gesehen und sich nicht bewegt. Nach fünf Minuten ging ihr ein Licht auf. Der Typ klaute ihre Stofftiere!! Sie war eine leidenschaftliche Sammlerin und die Sprachausgabe dieser beiden Exemplare war der absolute Hit. Sie konnte ihm das unmöglich durchgehen lassen.
 

Wo blieb in dieser Geschichte eigentlich Erdpferd? Nun, das kleine Heimchen war von Cremé Brühlee gesprungen als sie im Turm angekommen waren und hatte sich locker in Szene gesetzt. Was eigentlich totaler Nonsens war, da er so klein war, das ihn das riesige geflügelte Ding sowieso nicht bemerkt hätte. Dann hatte er plötzlich einen Entschluss gefasst. Ganz Erdpferd mäßig halt. Das Monster würde sein erster richtiger Untertan. Jawohl! Mit ihr an seiner Seite wäre er nicht mehr aufzuhalten. *bitte fügt hier eine schaurige größenwahnsinnige Lache ein* Das bedeutet, dass Erdpferd in ihr Ohr gekrochen war und ihr nun die ganze Zeit seine Pläne hinein flüsterte. Bisher schien davon aber noch nichts beim Gehirn angekommen zu sein. So hing Erdpferd im Ohr der Banshee, die wiederum Blaah! verfolgte, der Mr. Bär, Mr. Baguette sowie Cremé Brühlee mit sich herumschleppte.
 

Im Turm erwachte in der Zwischenzeit Stanley. Als er feststellte wo er sich befand wollte er gerade in Panik verfallen, als sein Blick auf den großen Haufen niedlicher Plüschtiere fiel. Er hatte nämlich Angst selbst eins zu werden, wenn er das große böse Monster traf. Vom Monster war allerdings nichts zu sehen. Dafür witterte er einen Hauch von Käse und Knäckebrot in der Luft. Da Blaah! nirgends zu sehen ging er der Fährte nach, immer darauf lauschend, ob nicht doch das Monster um die nächste Ecke sprang. So streifte er durch die Gänge des riesigen Schlosses und kam dem Knächebrotkäse immer näher. Drei weitere Gerüche mischten sich noch darunter. Einer war FlipFlops, einer Kleintierstreu und einer Pessimismus. Roch wie ne abgefahrene Party.
 

Blaah! hatte in der Zwischenzeit noch mal ordentlich an Tempo zugelegt und nur kurz angehalten um ein Amulett einzustecken, dass dem der Banshee ausgesprochen ähnlich sah. Der Unterschied würde sich nicht auffallen. Als er so durch die Gänge beschleunigte traf ihn etwas mit voller Wucht in den Rücken. Blaah! legte sich der Länge nach auf die Schnauze. „Gefuuuunden!“ bellte Stanley fröhlich.

„RUNTER VON MIR!!!“ schimpfte Blaah!. Stanleys Pfoten tänzelten auf seinem Rücken vor und zurück.

„Ouwie, jetsst siehst du mal, wir mir das immer ging...“ merkte Mr. Baguette an. Der hatte genau wie Mr. Bär noch weniger Glück gehabt. Sie lagen nämlich noch weiter unten. „Mmphvfmkerfkmmmmm“ hörte man Mr. Bär.

„Hab ich dich erwischt du Plüschtierdieb!“ Die Banshee war um die Ecke gerauscht, starrte ihn böse an und war bereit ihm Mr. Bär und Mr. Baguette wieder abzunehmen. Cremé Brühlee sprang auf und biss sie in eine ihrer Zehen. Das lenkte die Banshee kurzzeitig ab. Cremé Brühlee zählte schon mal ab, wie viele kleine Zahnabdrücke sie hinterlassen würde. Das Ergebnis war nicht befriedigend.

„Du verstehst das völlig falsch!!“ Blaah! drehte sich um und Stanley stolperte von ihm runter. „Das sind keine Plüschtiere. Die alte Schleiereule hat sie bloß in welche verwandelt.“

Die Banshee starrte ihn und die kleine Hamsterdame einen Moment ratlos an. Und dann noch einen. Schließlich legte sie den Kopf schräg und meinte: Wieso hast du das nicht gleich gesagt? Ich hab irgendwo oben einen Gegentrank.... kannst du den Hamster nehmen? Es fängt an weh zu tun.“
 

7.
 

„Aber wenn ich euch zurück verwandle, dann hab ich gar keine neuen Plüschtiere mehr... das wäre doch schade!“

„Ah, ma cherié, isch werde dir eine Plüschtier nÄhEn, wie du noch keins hAttest.“

„Na das glaube ich gerne“ kommentierte das Mr. Bär.
 

Und so kam das dann. Mr. Bär und Mr. Baguette wurden zurückverwandelt und Mr. Baguette verbrachte mehrere Stunden damit etwas zusammenzunähen das aussah wie ein Autounfall aus Plüsch. Die Banshee zeigte sich ausgesprochen begeistert. Dann hörte sie eine leise Stimme in ihrem Ohr. „Bist du meine innere Stimme?“ fragte sie. Die Kieselstein-Crew starrte sie nur dumpf an.

„Ähm... nein, ich bin der angehende Herrscher der Welt, der mächtige Erdpferd!“

„Sowas... meine innere Stimme heißt also Erdpferd. Was für ein seltsamer Name.“

„Gnnn... Nein, du dummes Monster. Ich bin ein Heimchen, ich sitz in deinem OHR!“

Die Banshee pulte kurz darin. Erdpferd wich ihrem Finger so gut es ging aus. Dann knackte es leicht. „Verflucht!“ knurrte es.

„Und was willst du mir sagen, meine innere Stimme?“ fragte die Banshee weiter.

Erdpferd gab auf. Er kannte Leute wie sie. Er war auch so jemand.

„Ich, deine innere Stimme, befehle dir mich über die Welt zu fliegen und alle Völker der Erde zu unterjochen. Ein Ring sie zu knechten... äh nein, warte, ein Heimchen sie zu knechten, sie alle zu trimmen, ins Dunkel zu sperren und zusammen zu binden! Genau.“

In ihrem Kopf ratterte es langsam. Dann sagte sie „OK“ und zuckte mit den knochigen Schultern. Warum der eigenen inneren Stimme widersprechen?

„Isch hAbe vergessen disch nach deinem Namen zu fragen, ma Cherié.“ meinte Mr. Baguette höflich und unauffällig ihren offenbar inneren Dialog beendend.

„.....“

„Ja?“

„Steffi.“

„Du heißt STEFFI??“ platzte es aus Stanley heraus. Er lachte. „Steffi die Todesfee!!“

„Bevor wir hier alle über die dämlichen Namen von anderen Leuten reden, können wir endlich gehen?“ fragte Mr. Bär ungeduldig und stand schon in der Tür.

„Ihr wollt schon weg? Wie schade, ich hätte da noch ein paar andere Tränke, die...“

„Nein, wirklich, vielen Dank!“ meinte Blaah! höflich und schob sich an Mr. Bär vorbei. Er hatte ja immer noch die ganzen Klunker in der Tasche. Nach dem richtigen Amulett wollte er Steffi aber trotzdem nicht fragen. Onkel Dave würde sicher den Unterschied sehr bald bemerken, aber bis dahin wollte er Transblubbien schon wieder weit hinter sich gelassen haben.
 

8.
 

Sie spazierten bis Tagesanbruch durch Transblubbien. Stanley bat darum einen netten schattigen Platz zu suchen und Blaah! machte sich darauf gefasst noch mal von seinem neuen Vampirwerwolfkumpel ausgelacht zu werden, da er die Rattengestalt wieder annehmen würde. Als die Sonne aber über die kahlen Bäume kroch passierte nichts dergleichen. Stattdessen begann das Amulett rot zu glühen und ein bisschen zu pulsieren.

„Bau Ouwie!! Was ist passiert?“

„Ich... fasse es ja nicht. Ich hab das echte Amulett gefunden! Wieso hatte sie es im Schloss liegen gelassen??“ Blaah! hüpfte ne Runde durch die Morgensonne.

„Na toll...“ meinte Mr. Bär und drehte ihnen den Rücken zu.

„Vielleicht hat sie es auch nicht gewusst?“ meinte Stanley. Blaah! rechnete damit, dass er aufsprang, sich das Amulett schnappte und damit zu Onkel Dave rannte. Die Theorie vom Vampir gebissenen Werwolfdiener lies ihm ach wie vor keine Ruhe. Aber Stanley dachte nicht daran sich auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Statt dessen gähnte er herzhaft. *Naja* dachte Blaah! *vielleicht erst, wenn die Sonne wieder untergeht.*
 

Nichts dergleichen geschah. Als sie fast das Schloss von Onkel Dave erreicht hatten meldete sich plötzlich Mr. Baguette akzentfrei zu Wort. „Bist du sicher dass es klug ist einem solchen Mann etwas so Wertvolles anzuvertrauen?“ Das gehört zu den cleversten Dingen die Mr. Baguette je gesagt hatte und vielleicht je sagen würde.

„Ich bekomme Stubenarrest und Internetverbot wenn ich es ihm nicht bringe.“ antwortete Blaah! niedergeschlagen. Dann warf er es in den Fluss. „Das werde ich noch bitter bereuen.“ So sahen sie wie das Amulett von Amulett flussabwärts schwamm. Erstaunlich für ein so schweres Ding. Wohin mochte seine Reise es führen? All die Mühe war völlig umsonst gewesen. Stanley schubste ihn aufmunternd an. „Dir macht es nichts aus?“ fragte der Vampirnerd.

„Wieso sollte es? Stanley machte ein verdutztes Gesicht. Mit all dem Fell sah das recht erstaunlich aus.

„Ich dachte eigentlich du würdest mich jetzt töten und das Amulett zu Onkel Dave bringen.“ Die Geschichte konnte doch nicht einfach so zu Ende gehen... oder doch? Das wär ja mal zu schön.

„Pah, warum sollte ich was so schräges machen?“

„Du wurdest doch von Onkel Dave gebissen, oder? Das macht dich zu seinem Diener.“

„Also erstens mal, nein, wie kommst du darauf? Das war irgend so ne Tussi die mich im Dunkeln wohl verwechselt hat.“ Er zuckte die Wolfsschultern. „Außerdem steh ich auf Innovation.“

„Verstehe.“ Blaah! guckte ihn schräg an und wand sich Mr. Bär und Mr. Baguette zu. „Würdet ihr mich wieder an Bord aufnehmen?“ Er rückte verlegen seine Brille zurecht.

„Ouwie!!“

„NEIN!!“
 

Ende des Sonderkapitels – Na endlich!!

Die Flucht nach vorn

So standen sie da, und das letzte „NEIN“ von Mr. Bär hing in der Luft wie ein kleiner Vogel... kurz bevor er feststellt, dass zum Fliegen auch das Bewegen der Flügel gehört. Mit einem dumpfen, aber in Wirklichkeit natürlich unhörbaren Aufprall, landete das Nein auf dem Boden der Tatsachen.

„Nun sei doch nischt so.“ meinte Mr. Baguette und tätschelte nebenbei Stanley die pelzigen Ohren. Stanley wedelte fröhlich mit dem noch pelzigeren Schweif. Er hätte wirklich ein Hund werden können, aber die Natur hatte ihn als Werwolf vorgesehen. Noch dazu als Vampirwerwolf... auch wenn das sicher nicht vorgesehen war.

„Wir sollten ihn auch mitnehmen, nischt?“ fragte Mr. Baguette und deutete auf Stanley der nun mit den Pfoten im Dreck scharrte und sabbernd aufblickte. Er hatte gehofft, sie würden ihn mitnehmen. Mr. Bär verschlug es für eine zehntelsekunde die Sprache. Aber nicht länger. „Wie soll das werden? Wenn er ein Vampir ist, dann kann er am Tag nicht in die Sonne gehen. Und wir rudern über’s offene Meer. In einem RUDERBOOT. Ohne Deckel drüber, klar soweit?“ Mr. Bär war kurz davor wütenden Schaum vor’m Mund zu kriegen. Er hatte keinen Bock darauf Stanley mit sich rumzuschleppen. Ebenso wenig wie er Bock auf den Hamster, das Heimchen, den Seestern, den Nerd und den falschen Franzosen hatte. Sein Leben war mal so gut gewesen. So normal wie es einem als menschengroßer Teddybär eben ergehen konnte. Und dann war alles aus den Fugen geraten. Das ganze entwickelte sich in die Parodie einer Parodie. Ein Plagiat eines Plagiats. Mit Käse. Es war ein Alptraum.

„Ganz ruisch mon freré, wir finden da schon eine Lösung. Ist aber nett, dass du dir Gedanken gemacht hAst, ouwie.“ Mr. Baguette legte sein bestes Perlweislächeln an den Tag und es strahlte förmlich in die Runde.

„Ich mach mir keine GEDANKEN!!“ keifte Mr. Bär zurück und hielt kurz inne „... Moment, das war jetzt so nicht ganz richtig.“ Zu spät

„Ich wusste schon immer, dass du nicht denkst!!“ lachte Blaah! und ignorierte die rotglühenden Bärenaugen, die ihn gnadenlos fixierten. Stanley warf sich auf den Rücken und strampelte mit seinen Wolfsbeinen in der Luft herum. Dabei machte produzierte seine Schnauze einige Laute, die schwer nach wieherdem Pferd klangen. Mr. Baguette hingegen verstand diesen plötzlichen Ausbruch an Heiterkeit nicht. Mr. Bär sprang los, packte Blaah! am Hals und versuchte ihn zu erwürgen. Zu seinem Pech kamen da gleich zwei ungünstige Faktoren zusammen. 1. Der Vampirnerd war unsterblich. 2. Plüsch ist keine ernstzunehmende Bedrohung. Trotzdem dauerte der Spaß rund 15 Minuten.
 

2.
 

„Mal im Ernst, das ist wirklich ein Problem. Wir können Stanley nicht mitnehmen. Nicht in diesem Boot.“ sagte Blaah! und musterte Kieselstein ausgiebig... als ob es da viel zu sehen gegeben hätte.

„Wir sind keine Selbsthilfegruppe für Untote, um das mal klarzustellen.“ wandte sich Mr. Bär an Mr. Baguette. „Warum nischt?“ bekam er als Antwort. Mr. Bär drehte sich in die andere Richtung und starrte die kleine Cremé Brühlee an, die neben Dr. Seestern saß und seine kleinen Hubbel zählte, die den Körper des Seesterns bedeckten. Da sie noch zu keinem Ergebnis gekommen war, sah sie ganz ruhig aus. Mr. Bär dachte kurz daran, dass ihm nur noch die Möglichkeit blieb einen Hamster und ein Meeresgetier von seinem Standpunkt zu überzeugen. Von Erdpferd wusste er ja nichts. Und selbst wenn, meint ihr, das hätte einen Unterschied gemacht? Nein, das war alles zu schrecklich, zu unerträglich zu... seltsam. Mr. Bär beschloss die Insel zu verlassen. Ganz alleine.

„Ich hab da so ne Idee. Hm... ach nein, vielleicht ist sie doof...“ erklärte er und wartete theatralisch auf den Moment in dem die anderen „Oh nein, die ist sicher ganz toll, erzähl mal“ sagen würden. Nach 10 Minuten schweigen war dieser Moment immer noch nicht gekommen. Eigentlich hätte er es wissen müssen. „... wir bauen ein neues Boot. Schnell schnell, wir sollten Holz sammeln, solange es noch Nacht ist... sonst müssen wir auf die Hilfe von den zwei Vollpfost... ähm, von Blaah! und Stanley verzichten. Na los, geht in den Wald und sammelt Holz. Ich nehme Kieselstein auseinander, die Bretter werden wir brauchen.“

......

.....

.....

... Nichts passierte. Ein Schnurrbart zuckte leise vor sich hin. Eine Strohballen rollte vorbei (um das Klischee zu bedienen.) „WAS DENN?“

„Die Sache kommt mir faul vor.“ meinte Blaah! und musterte Mr. Bärs steinerne... plüschweiche Miene.

„Wisst ihr wie Bretter entstehen? Das passiert wenn ein Baum auf die Autobahn läuft...“

*243 Iiiiiiiiiks... ungerade ungerade... 244... puh *fiep**

„Wuff?“

“Mon amiiiéee, das ist wundervOll...“

„HAUT JETZT AB UND SAMMELT HOLZ; HIMMEL UND HÖLLE NOCHMAL!!!“

Mr. Bär sah mit seinen rotglühenden Augen aus wie eine besonders böse Version eines Horrorfilm-Püppchens... ähm, Verzeihung, eines Teddybärs. „Chuckys Teddy“, Teil 345 der Reihe. Seine Arme hoben sich wie die eines berühmten Cartoon-Seemannes auf Landgang und niemand hätte sich gewundert, wenn plötzlich ein riesiger Holzhammer in seinen Pfoten aufgetaucht wäre. Wer bei klarem Verstand war machte sich auf in den Wald. Mr. Baguette sowie Cremé Brühlee blieben wo sie waren. Mr. Bärs Stimme nahm eine gefährliche Tonlage an. Süßlich.

„Wartet ihr auf eine Extraeinladung?“ säuselte er und klimperte mit seinen buschigen Augenbrauen. Wimpern hatte er ja keine.

„Oh, mon diööö, du hAst gemeint, wir sollen Holz sammeln?“

„Aber nein, wie kommst du darauf? Bleib doch hier und ruh dich aus. Soll ich dir ne Limo holen?“ *süßlich*

„Also wenn du...“

„GEEEEEEEEHHHHH HOLZ SAMMELN!!!“

„Ach so, verstehe. Isch bin schon weg, isch sammle so viel HOlz, das ich einen Baum bauen könnte.“ Er verabschiede sich ins Unterholz.
 

Mr. Bär erholte sich von seinem inneren Vulkan. Er brodelte noch, aber das konnte warten. Bald war er auf hoher See und dort würde er einfach ersatzweise ein paar Fische ersticken. Das sollte doch möglich sein. Er ging zum Ufer und schob Kieselstein vorsichtig ins Wasser. Das Boot schaukelte leicht in der Strömung, aber es sollte nicht zu schwer sein allein von der Insel zu kommen. Er stieg vorsichtig ein, setze sich in die Mitte und nahm beide Ruder zur Hand. Dann paddelte er langsam drauf los. Möglichst geräuschlos, schließlich sollten sie keinen Verdacht schöpfen. Aus dem Wald hörte man es laut knacken.
 

3.
 

„Ich hab bloß die paar Zweige gefunden. Für einen so krank aussehenden Wald sind die Bäume scheinbar erstaunlich gesund.“ Blaah! warf seine Ausbeute auf den Boden. Ein paar dünne Äste rollten über den Boden.

„Mmm mmm mmmmm’m mmmm mmmmm mmmmmm mmm.“ erklärte Stanley mit einem dicken Ast im Maul. Das Ding war fast doppelt so lang wie er selbst und offenbar hatte er ihn nicht genau in der Mitte gepackt. Sein Kopf tendierte nach links unten. Mit einem *plchwf* lies er ihn los. „Bei mir sieht’s auch nicht besser aus. Das reicht wohl nicht?“

„Daraus könnten wir nicht mal ein Mobile bauen...“ meinte Blaah! und schaute zum Ufer. Dort sah er weit weniger als da sein müsste. „Bei STAR TREK!! Kieselstein ist weg!!“

„Belle, ein schöner Reim mon amiee.“ rief Mr. Baguette der mit einem Arm voll Zweige zurückkam. Das würde nicht für einen Baum reichen.

„Ich mein’s aber ernst, unser Boot ist weg... und der dämliche Bär auch.“ Blaah! kniete am Ufer und inspizierte die Fußabdrücke. Oder wenigstens tat er so als ob. Davon hatte er nämlich keine Ahnung.

„Oh noo, was ist wenn Mr. Bär und das Boot entführt wurden??“ Mr. Baguettes Schnurrbart stand gerade ab und surrte wie zwei Antennen unter Strom. Stanley schnüffelte über Blaah!s Finger, die immer noch über den Boden tasteten hinweg und trat ihm auf die Hand. „HEY!!“

„Oh, *hihi* tschuldige. Ist eindeutig der Bär gewesen. Sonst war niemand hier.“

„Das ist ja wohl offensichtlich gewesen.“ meinte Blaah! und betrachtete die nicht sehr hübschen kleinen Krallenabdrücke auf seinem Handrücken.

„Aber warum ist er weggefahren? Er wollte doch das Boot zerlegen.“ Mr. Baguette kratze sich ratlos am Kopf.

„Er HASST uns. Ist dir das noch nicht aufgefallen?“ Blaah! stand auf und klopfte sich den Staub von den Knien. Dabei stellt er einen möglichst grimmigen Ausdruck zur Schau.

„Oh nononoo, mon amie, du missverstehst ihn. Isch glaube nischt, dass er uns nischt leiden kann, er ist doch freiwillig... ehm, er ist doch hier.“

„Nein, ist er eben nicht. Er ist weggefahren und hat uns in Transblubbien sitzen lassen. Was wenn Onkel Dave uns findet? Ich will keinen Hausarrest kriegen!!“

„Oh mon diööö...“ Mr. Baguette legt einen recht verzweifelten Gesichtsausdruck an den Tag und schüttelte den Kopf. „Isch auch nischt.“

„Och keine Angst, du wirst bloß gefressen.“ meinte Stanley aufmunternd. „Nun guck doch nicht so entsetzt. Pass auf, ich könnte ja schon mal anfangen, das ist gar nicht so schlimm...“ Er meinte das echt ernst. Und nett. Mr. Baguette lehnte dankend ab.
 

4.
 

Mr. Bär war schon ein gutes Stück vorangekommen. Die Strömung machte ihm zwar mehr zu schaffen als es vom Ufer aus den Anschein gehabt hatte, aber es ging. Er legte sich ordentlich ins Zeug und ruderte kräftig. Er blickte auf zum Sternenhimmel über dem Meer. Diese Ruhe, dieser Frieden. Niemand störte ihn, niemand konnte ihn zurückhalten. Er war auf dem besten Weg zurück nach Hause. Der Gedanke an seine langweilige Bude mit der spärlichen Einrichtung ließ ihn noch mal einen ordentlichen Zacken schneller werden. Dann fiepte es plötzlich hinter ihm. Mr. Bär erstarrte mitten in der Bewegung. Hätte er Haut wäre es ihm jetzt kalt den Rücken runter gelaufen. Langsam drehte er sich um. Dann starrte er ins Gesicht einer kleinen Hamsterdame. Sie schien ihn anzugrinsen. Zwischen ihren Zähnen hockte ein kleines grünes Viech. Es mochte in Heimchen sein, aber Mr. Bär war nie gut in Biologie gewesen. Es schien in ihrem Mund auf und ab zu hüpfen und der Hamster machte allerlei Maulverrenkungen, wohl um es hinunterzuschlucken. Aber es gelang ihr nicht. Währendessen glotze sie den Bären immer noch mit strahlenden Nagetieraugen an. Mr. Bär starrte stumm zurück. Dann gewann er seine Fassung wieder. Es war nur der dämliche Hamster. Kein Problem. Er packte Cremé Brühlee am Nacken und hielt sie sich vors Gesicht. „Kannst du schwimmen?“ fragte er und schwenkte sie über den Rand des Bootes. Cremé Brühlee fiepte unsicher.

„Irgendwelche letzten Worte?“
 

5.

„Da bin ich wieder!“ rief Dr. Seestern, als er aus dem Wald spazierte. Er schleppte ein kleines Stück Wurzel hinter sich her. Er sah einen geknickten Franzosen, einen ratlosen Werwolfvampir und einen Nerd der vor sich hinschimpfte. „Soll ich euch erklären was hier los ist?“ fragte er und blickte nach oben.

„Aber das weißt du doch gar nisch.“ meinte Mr. Baguette sanftmütig, als ob er mit einem kleinen Kind sprechen würde. Er war nicht in der Stimmung für solche Dinge. Dr. Seestern warf sich in die Brust und atmete tief ein.... und wieder aus. Ihm fiel nichts ein, was er hätte sagen können. Er blickte sich um. „Wo ist denn Cremé Brühlee?“ fragte er schließlich. Leute die auf gleicher Augenhöhe sind wie man selbst, die vermisst man wohl leichter.

„Meine Hamsterdame?“ Mr. Baguette blickte sich suchend um. „Cremé Brühlee?? Wo bist duuu?“

„Vielleicht hat der Bär sie mitgenommen? So ein leckeres kleines Ding...“ mutmaßte Stanley. Mr. Baguette starrte ihn an, als ob der Werwolfvampir das personifizierte Ende der Welt wäre. Stanley fühlte sich plötzlich sehr unbehaglich. „Hab ich was Falsches gesagt?“

„Wir sollten aufbrechen, meint ihr nicht?“ sagte Blaah!.

„Und wie bitte?“ Stanley ließ die Ohren hängen.

„Wir bauen uns ein Boot.“

Auftritt der Geisterpiratten

Auftritt der Geisterpiratten
 

1.

Mr. Bär hielt Hamsterdame Cremé Brühlee sowie ihren kleinen grünen Mitreisenden noch immer über den Rand des Bootes. Sie zappelte aufgeregt, denn ihre Nagetierinstinkte sagten ihr, dass hier gerade etwas ganz furchtbar schief lief. Mr. Bär grinste und lies ihren pelzigen kleinen Nacken los. Cremé Brühlee verschwand mit einem leisen Platsch in den Wellen. „Soweit so gut!“ sagte Mr. Bär zu sich selbst und der Welt im Allgemeinen und wollte erneut die Ruder packen, als ein Schatten über Boot Kieselstein fiel. Mr. Bär und seine Umgebung wurden in einem unheimlichen Gelbton angestrahlt, der schwer radioaktiv wirkte. Er blickte über die Schulter und sah eine riesige schwere Eisenkette, die ins Meer hing und rasselnde Geräusche von sich gab. Ganz unten dran hing ein ziemlich nasser und ziemlich um Luft ringender Hamster.... mit was Grünem zwischen den Zähnen. Die arme kleine Cremé Brühlee hatte wirklich schon ihr ganzes Leben nochmal vor ihren Augen vorbeilaufen sehen. Sie wurde geboren, begann Dinge zu zählen, saß in einem hübschen Käfig und wurde gefüttert, dann hockte ein Heimchen zwischen ihren Zähnen und schließlich machte es Platsch. Hätte sie sprechen können, wäre ihr sicher ein passender Kommentar rausgerutscht. Mr. Bär starrte abwechselnd sie und das Ding an, an dem die riesige Kette hing. Es war gigantisch, ein riesiges Schiff, halb verfallen und moderig, umhüllt von diesem gelben Licht, das wie das Wasser in einem Schwimmbecken mit zu vielen inkontinenten Leuten drin, hin und herschwabbte. Mr. Bär schluckte einen Fussel runter. Irgendwie kam ihm das gerade sehr ungelegen.
 

2.

An Land starrte Mr. Baguette hinaus aufs Meer. Er entdeckte einen gelblichen Schein, weit draußen und schon etwas abseits seines Blickfeldes.

„Das sind die Geisterpiratten“ hauchte Stanley mit einer nie gekannten Spur von Ehrfurcht in der Stimme.

„Ich dachte die sind nur eine Legende.“ wandte sich ihm Blaah! kurz zu und fixierte dann ebenfalls das Licht.

„Du warst wohl länger nicht mehr hier? Seit einigen Jahren tauchen die Piratten immer mal wieder hier auf und plündern den ein oder anderen Sumpf... meistens haben sie kein Glück und dort wo sie an Land gehen ist kein Dorf. Wenn sie doch mal in Eines kommen, dann entführen sie die Hälfte der Bewohner. Es ist schrecklich, uns Landleuten bleibt dort kaum was zu beißen übrig.“ Sein Pelz stellte sich gänsehautmäßig auf.

„Piratten? Meinsst du Piraten, no?“ fragte Mr. Baguette und wandte sich ab.

„Nein, Pi-RATTEN. Geisterpiratten. Sie sind riesige, untote Nagetiere, laufen auf zwei Beinen wie die Menschen, aber sie sehen aus wie Ratten.“

„Igitt!!“ rief Mr. Baguette. Ihm lief ein kalter Schauer über den Rücken „Wa’um gibt es in diese Land nur so viele schrecklische Dinge??“ Blaah! und Stanley schauten ihn böse an. „Oh no, nischt ihr, mon amies!!“ Er hob entschuldigend die Hände.

„Wenn sie untot sind, müsste es dann nicht eher Piraten-Zombie-Ratten heißen?“ fragte Blaah! und nahm die Brille ab. Er wischte sie an seinem Umhang ab.

„Das wär ja mal voll die Initiative!... klingt aber total blöd.“ meinte Stanley und hüpfte zurück zu ihren Holzvorräten. „Was tun wir jetzt genau?“

„Wie ich schon sagte...“ der Vampirnerd setzte seine Brille wieder auf. Die Gläser funkelten effektvoll im Mondlicht „... wir bauen uns ein Boot.“

„Hm... isch glaube nischt, dass dieses HOls hIer reichen wird...“ Mr. Baguette betrachtete den kümmerlichen Haufen Äste, auf dem ein kleiner Seestern hockte.

„Die benutzen wir auch nicht. Onkel Dave ist früher oft mit mir raus aufs Meer gefahren.... einmal hat er mich über Bord geschubst und gesagt: LERN ENDLICH SCHWIMMEN JUNGE... ähm... wo war ich?“ Er guckte etwas irritiert in die Landschaft.

„Bei dem Boot?“

„Ja richtig. In der Nähe des Schlosses gibt es einen Zugang zum Meer. Dort steht eine alte Hütte. Mit ein bisschen Glück befindet sich das Boot immer noch darin. Ein paar Umbauarbeiten und wir sollten starten können.“

„Du bist ein Genie!!“ rief Stanley und hüpfte um ihn herum.

„... No. Isch gehE nischt zurück zu diese Schloss. Isch werde gefressen, gans sischer.“ Mr. Baguette war stehen geblieben und starrte die beiden Untoten an. Er wollte nicht untot werden... oder tot. Irgendjemand musste doch noch Cremé Brühlee retten.

„Ich will auch keinen Hausarrest kriegen...“ begann Blaah!, wurde jedoch jäh unterbrochen. „HAusarrest ist nischt das gleiche wie gefressen werden!!“

„Äh...“

Stanley klappte die Ohren an. Dieser lächerlich aussehende Mann mit dem absurden Schnurrbart hatte da echt einen Standpunkt. Das hätte er nicht für möglich gehalten. „Wenn ich mal was sagen darf...“

„Ouwie?“

„Blaah! und ich werden gehen und das Boot holen. Wir fahren damit um das Kap herum und treffen dich hier am Ausgangspunkt wieder.“

Blaah! starrte den Vampirwerwolf ungläubig an. Der nahm nun seine annähernd menschliche Form an. „Das kriegen wir hin.“

„Ähm... ja. Sicher.“ antwortete der Vampirnerd unschlüssig.

„Merci.“ sagte Mr. Baguette „Komm Dr. Seestern. Du solltest mit mir warten.“

„Weißt du wie warten funktioniert?“

„Sag’s mir, mon amie.“

„Man macht einfach nichts und dann kommt was.“

„Belle!“ Sie zogen davon.
 

3.

„Aye aye aye, was haben wir denn hier gefischt? Ein... Dings.“

„Ich bin kein Dings du dreckige RATTE!“ keifte Mr. Bär. Er saß an Deck des Schiffes und war verschnürt wie ein Päckchen zu Weihnachten, nur weit weniger festlich. Die Bemerkung brachte ihm zusätzlich einen Knebel aus einem fleckigen alten Tuch ein. Er schimpfte nun vor sich hin, aber man verstand die Worte nicht. War vielleicht auch besser so.

Plötzlich setzten sich die Piratten um ihn herum in Bewegung. Sie bildeten eine Gasse und senkten ihre grauhaarigen Häupter. Ein riesiges Exemplar schob sich auf Mr. Bär zu. Unter seinen Stiefeln knirschte der morsche Boden bedenklich, aber wie durch ein Wunder hielten die Planken ihm stand. „Kapitän!“ rief einer der Anwesenden. Die Piratte senkte den Kopf bis zu Mr. Bär hinunter. Der verzog aufgrund des schlechten Atems das Gesicht. Der Kapitän der Pirattenbande war wirklich ein beeindruckendes Exemplar. Er trug eine graue Stoffhose, die in schwarzen Stiefeln endete. Sein Oberkörper, wenn man das bei dieser Anatomie so nennen wollte, war mit einem vergilbten weißen Hemd bekleidet. Über seinen Schultern hing ein schwerer dunkelgrauer Mantel mit zahlreichen Löchern drin. Auf der Schulter hockte ihm ausgerechnet Cremé Brühlee. Sie fiepte aufgeregt. Erdpferd im inneren ihrer Backen keifte was das Zeug hielt. Was er wollte war offensichtlich. Aber das würde er wohl nicht bekommen.

„Ist das der.... die... das Dings, das dich über Bord eures Schiffes geworfen hat?“ fragte er mit donnernder Stimme. Seine langen spitzen Zähne blitzen gelblich im Schein des Geisterschiffes. Cremé Brühlee war sich nicht sicher was sie antworten sollte. Ein Wort von ihr und Mr. Bär würde nie wieder einen Sonnenaufgang sehen... oder sonst was. Nagetiere verstanden sich untereinander. Ein grimmiger kleiner Teil in ihr wollte sehen was ihre neuen Freunde wohl mit dem räudigen Bär machen würden. Ein anderer Teil fühlte sich irgendwie verpflichtet ne edlere Gesinnung an den Tag zu legen als er. Oooh, ach wenn sie doch wenigstens etwas zählen könnte, aber dafür war keine Zeit. 1 Haar, 2 Haare, 3 Haare 4 Haare...

„Was ist?“ fragte der untote Pirattenkapitän. Cremé Brühlees Blick schweifte in andere Sphären ab.
 

4.

„Was meinst du, Dr. Seestern? Wenn isch diese Äste hIer susammenbinde, ob die wohl hAlten?“ Mr. Baguette zog prüfend an dem Seil, das er gerade gefunden hatte.

„Warum willst du das wissen? Ich meine... willst du wissen wie das funktioniert?“

„No, merci. Isch kann hIer nisch länger warten, isch muss meine HAmster doch retten, no?“

„Aber Blaah! und der Wolftyp kommen doch jede Sekunde zurück?“

„Vielleischt. Aber vielleischt ist das Boot auch nischt mehr dort... isch habe wirklisch keine Zeit mehR su verlieren.“ Er band das Seil um ein paar der Äste. Da raschelte es plötzlich hinter ihm. Ein paar schwere Schritte kamen näher. Erschrocken drehte er sich um.

„Guten Abend. Oder eher Gute Nacht. Wir haben uns schon einmal gesehen, nicht wahr?“ Die eindrucksvolle Gestalt von Onkel Dave schob sich aus dem Schatten. Mr. Baguette wäre einen Schritt zurück gewichen... wenn da nicht schon das Meer gewesen wäre. Dieser Typ hatte für einen Zweibeiner entschieden zu lange Zähne.

„Ach jahh... du bist einer der Untergebenen meines Neffens. Du warst mit diesem vorlauten Bären in meinem Schloss.“ Er kaute die Worte wie ein Stück Fleisch. Langsam und kräftig.

„Ouwie?“ fragte Mr. Baguette vorsichtig.

„Wo ist er?“

„Isch verstehe nischt...“

„Wo ist Blaah? Ich habe ihn mit einem Auftrag aus dem Schloss geschickt und er sollte ihn längst erfüllt haben.“ Onkel Daves Augen erglühten in einem pulsierenden Rot. „Sagt dir... das Amulett von Amulett irgendwas?“

„Oh.“ Das war alles was Mr. Baguette sagte. Vor seinen geistigen Augen sah er das schwere, wohl aber trotzdem ausgesprochen leichte Ding gerade noch einmal den Fluss hinabtreiben.

„Ich kann aus deinem Blut lesen, weißt du?“ erklärte Onkel Dave in einem herrlich unpassend heiterem Tonfall und trat einen Schritt näher.

Blaah!s Geheimnis

Kapitel 11 – Blaah!s Geheimnis
 

Etwas früher:

(also im Vergleich zur letzten Szene des vorhergegangenen Kapitels)
 

Blaah! und Stanley marschierten über einen ausgesprochen ungepflegten kleinen Küstenabschnitt. Er war mit allerlei Dornenranken überwuchert und große graue Steine steckten im Sand. Dies hier war der einzige Teil von ganz Transblubbien der so eine Art Strand aufwies... und die Bevölkerung war mächtig stolz auf diese Ausgeburt der Ungepflegtheit. Trotzdem hielt sich außer Blaah! und Stanley niemand dort auf...ganz abgesehen davon, dass es mitten in der Nacht war.

„Sag mal... seit wann geht hier eigentlich die Sonne wieder auf? Ich dachte noch in meinem Sonderkapitel stand irgendwo geschrieben, hier herrscht ewige Nacht?“ Blaah! begutachtete den Sternenklaren Himmel... zwischen dicken dunkelgrauen Wolken. Es war ihm die ganze Zeit schon so komisch vorgekommen, aber nun drängte sich die Frage förmlich auf. Sie mussten nämlich noch möglichst innerhalb der nächsten Stunden so weit wie möglich wegkommen.

„Erst seit ein paar Jahren. Als die große Flut kam sind einige der höchsten Berge abgebrochen. Jetzt scheint die Sonne wieder drüber. Sie hat aber etwas länger gebraucht bevor sie den Mut dazu fand“ antwortete Stanley und rannte ein kleines Stück voraus. Und wieder zurück. Obwohl er in halbmenschlicher Gestalt war, hatte der hyperaktive Wolf in ihm immer noch das Kommando. Blaah! gab es auf davon genervt zu sein. Hatte eh keinen Sinn. Als sie um die nächste Düne bogen, sahen sie vor sich besagte Hütte, in der sich das Boot befinden sollte. Sie war nicht zu übersehen, denn sie war pechschwarz angemalt. und schimmerte in dem bisschen Mondlicht, das zwischen den Wolken hervorsickerte. „Klassisch.“ sagte Stanley.

„Tja, dann kommt jetzt der Moment der Wahrheit. Hoffentlich ist das Ding immer noch drin. Sonst hat es sich mit abendlichem Internetsurfen und Stargate – Conventions am Wochenende.“ Blaah! trat an die Tür.

„Dein Onkel ist echt so streng, was?“

„Kannst du laut sagen.“

„Und einen strengen Geruch hat er auch.“

„Ja... ähm wie? Woher weißt du das?“

„Ich hab ihn vorhin gewittert. Als wir losgelaufen sind.“

„Wieso hast du nichts gesagt??“

„Ich dachte, er geht zuerst zum Ankerplatz. Und dort ist nur noch Mr. Baguette. Der kann von ihm doch keinen Hausarrest kriegen.“

„Hm ja, das stimmt schon... aber wir sollten uns vielleicht doch ein bisschen beeilen.“ Blaah! rüttelte am Türschloss. Es lies sich davon nicht beeindrucken. Kein bisschen. „Hätte ich mir ja denken können, schöner Mist.“

„Lass mich mal sehen *beiß* Aua!! Ja, ist ziemlich fest.“

„Hättest du es mit deinem Wolfsgebiss versucht hätte ich es ja vielleicht noch verstanden.“ Blaah! schüttelte den Kopf und wies auf Stanleys untätige Menschen-Hände. Stanley betrachtete sie ebenfalls und lies seine Finger ein bisschen wackeln. Ja, die sahen ganz brauchbar aus. Er hatte sie schon länger nicht mehr benutzt, weil ihm die Wolfsgestalt ja lieber war, aber einen Versuch war’s wert. Stanley legte beide Hände fest um das Türschloss und... es bröselte zu Staub. Knarrend sprang die Tür auf. Blaah! hüpfte erschrocken ein paar Zentimeter zurück. Er selbst konnte mit der bloßen Faust Felsen zertrümmern... aber ein massives transblubbisches Eisenschloss zwischen den Fingern zermahlen... nein, das war eine beunruhigende Fähigkeit seitens des Vampirwerwolfmischlings. „Na, das war ja einfach“ sagte er.

„Ähm... jaaah. Das hätte ich sicher auch gekonnt... aber ich hab mir vorhin erst die Hände eingecremt, du weißt ja wie das ist.“ Blaah! wischte sich demonstrativ die Hände an sein T-Shirt.

„Klar doch“ antwortete Stanley und grinste mit seinen scharfen Wolfsbeißerchen mit verlängerten Eckzähnen. Blaah! fragte sich wohin das alles führen sollte. Dann fiel ihm das Boot wieder ein. Mr. Möhre war aus dem Schatten getreten und zeigte darauf. In der anderen Hand hielt er eine Porzellantasse mit dampfendem Tee.

„Cooles Teil!!“ rief Stanley und verfiel kurz in die Wolfsgestalt. Er wedelte aufgeregt mit dem Schwanz und hüpfte hin und her. Er sah aus, als hätte man ihm einen Gummiknochen vor die Nase gehalten.

„Echt? Ich find die Teetasse ziemlich hässlich.“ Blaah! musterte das weiß-rosa-tassenförmige Unglück.

„Hä? Was denn für ne Tasse, ich meine doch das Boot!!“ Stanley switschte zurück ins Halbmenschliche. Er trat durch die Tür und musterte ihr neues schwimmendes Gefährt mit einer Mischung aus Staunen und Eifersucht. Wer konnte sich denn so ein riesiges Teil leisten? Na klar, der Vampirfürst. Seine Familie konnte sich früher nicht mal Flöhe leisten.

„Los, komm schon, wir haben nicht so viel Zeit!“ rief Blaah! ihm zu. Er war bereits an Bord geklettert und hatte den Schlüssel unter der Fußmatte hervorgeholt. Die lag direkt unter dem Steuerrad. Das Schiff war groß, jedenfalls im Vergleich zu Kieselstein. Es wies ein Deck, ein Dach und eine verschließbare Kajüte auf. Es war außerdem motorisiert. Leider war es auch tiefschwarz angemalt und hatte das Bild eines Vampirgebisses auf der Seite. Daneben stand der Name: Graf Bluttrinker.
 

2.

Jetzt:

Mr. Baguette sah sich gezwungen zu improvisieren. Onkel Dave hatte schlagende Argumente... in seiner Kauleiste. Sie waren lang, weiß wie Perlen und spitz wie Nadeln. Der falsche Franzose sagte einfach das erstbeste was ihm einfiel: „Wir haben das Amulett in den Fluss geworfen.“ Onkel Dave erstarrte mitten in der Bewegung. Mr. Baguette biss sich auf die Zunge. Nicht nur sein Akzent, auch sein Rest von gesundem Menschenverstand war gerade flöten gegangen. Er wünschte, er hätte von dem Knäckebrot in seinem Wohnschrank mehr gelernt, als nur die verschiedenen Getreidesorten. Lügen wäre ganz nett gewesen. Ja, Lügen konnte einem das Leben manchmal erleichtern.... liebe Kinder da draußen vor den Bildschirmen. Nicht lügen. Das ist falsch! So. Mr. Baguette grinste schief. „Darf ich nochmal anfangen?“ fragte er. Onkel Dave gewann seine Fassung wieder. Sie war eigentlich nie weg gewesen, sie hatte nur für eine Millisekunde Pause gemacht.

„Ihr habt WAAAAAAS??“ Es klang wie der Glockenschlag der Kirche zur eigenen Beerdigung. Vor seinem geistigen Auge sah sich Mr. Baguette im Sarg liegen. Zusammen mit vier verschiedenen Käsesorten. Tröstlich... aber so endgültig. Er drehte sich auf der Stelle um, schnappte Dr. Seestern und rannte was das Zeug hielt. Leider gab es nur eine mögliche Richtung, nämlich ins Wasser. Der Vampirfürst starrte ihm hinterher, ging drei Schritte und blieb am Ufer stehen. Vampire können nicht schwimmen. Aber sie können fliegen. Gerade als Mr. Baguette das Wasser im wahrsten Sinne des Wortes bis zum Hals stand, tauchten Blaah! und Stanley auf. Sie kurvten mit einem affen... oder besser Motorbootzahn um die Ecke und Stanley schnappte sich im vorbeifahren Mr. Baguette. Der hätte angesichts der Wolfszähne fast einen Herzinfarkt gekriegt, aber zumindest war er in Sicherheit.... oder... auch nicht. Onkel Dave stand am Ufer und verwandelte sich *Poff* in eine riesige Fledermaus mit einer Flügelspannweite von guten 4 Metern. Mit einem einzigen Schlag seiner Schwingen war er bereits in der Luft und nach zwei weiteren Schlägen war die Hälfte der Distanz zwischen ihm und „Graf Bluttrinker“ gnadenlos eingeschmolzen. Blaah! riss das Steuer herum und Onkel Dave traf eine salzige Welle transblubbischer Gewässers. Er schüttelte sich und strauchelte leicht in der Luft, wurde dadurch aber nur noch schneller, denn er war jetzt stinksauer. Das fand auch Stanley, der die Nase in die Luft hob und witterte. Dann nahm sein feiner Geruchsinn noch etwas wahr. „Fahr nach links!“ rief er und wedelte mit der Pfote in der Luft herum.

„Wieso?“ schrie ihm Blaah! über das Rauschen des Wassers und den Fahrwind hinweg zu.

„Ich wittere einen Bären. Und einen Hamster.“

„Na großartig, da fahr ich doch nach rechts!“

„No, bitte fahr nach links mon ami!!“ Mr. Baguette stand neben Blaah! und starrte nach links. Dort tauchte hinter einer Landzunge ein ungesundes gelbes Leuchten auf. Widerwillig steuerte Blaah! darauf zu. Er war ziemlich erstaunt darüber, wie viel Fahrpraxis der Umgang mit einem Computerrennspiel und passendem Lenkrad einem verleihen konnte. Andererseits... so schwer war das nun auch wieder nicht. Vor ihnen tauchte das riesige Schiff der Piratten auf. Dr. Seestern hüpfte auf Graf Bluttrinker herum als ob es kein Morgen gäbe. Er freute sich wie ein Schneekönig (warum auch immer sich ein solcher freuen sollte) über all die neuen Eindrücke. Geschwindigkeit, Gefahr, Fahrtwind... es war traumhaft. Es gab so viel zu erklären. Leider wollte ihm gerade niemand zuhören. Als er hinter sich blickte, entdeckte er eine riesige Fledermaus im Sturzflug. Onkel Dave war fast so schnell wie das Boot und er würde sie gleich eingeholt haben. Es gab keine Fluchtmöglichkeit mehr, nur noch das fremde Schiff. Stanley kläffte Onkel Dave böse an, doch der lies sich davon nicht beeindrucken. Statt dessen wurde er noch ein bisschen schneller. Er verletzte damit definitiv alle biologischen Gesetze. Eine Fledermaus und sei sie noch so groß, durfte einfach nicht so schnell wie ein Motorboot sein. Das war total unfair.
 

3.

Sie näherten sich mit rasender Geschwindigkeit dem Schiff der Piratten. Blaah! drehte das Steuerrad scharf nach rechts. Es war nicht die eleganteste Art zu bremsen. Aber er kannte keine andere. Sie knallten mit der linken Außenwand an den Rumpf des Schiffes. Es tat einen Schlag als ob jemand mit einem Blecheimer gegen ein Stahltor schlägt. „Das war ja ABGEFAHREN!!“ rief Stanley und grinste.

„Jaja, hab ich toll hingekriegt. Komm jetzt Junge, bei FUSS!“ schrie ihn Blaah! an, der bereits begonnen hatte an der Ankerkette des Pirattenschiffes hochzuklettern. Unter ihm bemühte sich Mr. Baguette Dr. Seestern unter seiner Baskenmütze unterzubringen, damit er nicht verloren geht. „Weißt du wie bremsen funktioniert?“ fragte der kleine rosa Stern.

„So nischt.“ Das wusste auch Mr. Baguette.

Bevor der Dr. Seestern etwas erwidern konnte war er unter einer Lage roten Stoffes verschwunden. Mr. Baguette beeilte sich hinter Blaah! an Bord zu kommen, aber wie bereits erwähnt, Sportlichkeit zählte nicht zu seinen Stärken. Blaah! zog ihn am Halstuch Richtung Deck während Stanley unten sein Wolfsgebiss zu einem schadenfrohen Grinsen entblößte. Das war ein Motivationsschub der nur noch vom näher kommenden Onkel Dave getoppt wurde. Mr. Baguette zog sich mühsam an der schweren Ankerkette nach Oben und war wohl der Letzte der gedacht hätte, das er es bis an Bord schaffen würde. Stanley war immer noch an Deck von Graf Bluttrinker und nahm halbmenschliche Gestalt an. Da wurde es auf einmal noch dunkler als es ohnehin schon war. Onkel Daves Fledermauskörper hatte seinen Schatten auf das Motorboot geworfen. Er biss wütend nach dem Werwolfvampir und hätte ihn auch fast erwischt. Stanley duckte sich und schnappte erschrocken nach Luft. Onkel Dave setzte zu einem weiteren Versuch an. Stanley warf der monströsen Fledermaus die Fußmatte zwischen die Zähne und rannte los. Er war erst die Hälfte der Kette hochgeklettert, als Onkel Dave die fusselige und recht anhängliche Matte abgeschüttelt hatte. Stanley hatte nun keine Chance, zwei lange Fledermauszähne bohrten sich in seinen Arm. Der Werwolfvampir jaulte auf und lies mit einer Hand die Kette los. Er versuchte mit den Füßen Halt zu finden... nur waren die Wolfspfoten und hatten keine Zehen die das gekonnt hätten. Onkel Dave war direkt hinter ihm und seine Flügel peitschten ihm bis ins Gesicht. Stanleys Miene verfinsterte sich. Er knurrte, ballte die Faust und schlug so fest er konnte zu. Es klang wie eine auf dem Asphalt platzende Wassermelone. Onkel Dave keifte nun seinerseits, taumelte aber rückwärts und fiel auf das Deck von Graf Bluttrinker. Stanley klammerte sich fest und zog sich langsam weiter hoch. Sein Arm tat höllisch weh und er konnte ja nur mit den Armen klettern. *Gleich fall ich auch runter* dachte er, als ihm jemand die Hand reichte. Blaah! war ein Stück zurückgeklettert und Mr. Baguette hielt ihn am Umhang fest. Stanley griff dankbar zu.

„Ich denke mal, damit sind wir quitt.“

„Heißt das, du willst mir den Tomatensaft nicht bezahlen?“ fragte Stanley und lachte.
 

4.

„Mon diöö, isch denke nischt, der kommt so schnell wieder, nes pas?“ Mr. Baguette schaute hinunter auf der schwarze Motorboot mit der genauso schwarzen Riesenfledermaus drauf.

„Das will ich mal nicht hoffen. Andererseits, wie kommen wir jetzt hier weg? Dieses Schiff sieht nicht so aus, als ob es noch segeln könnte.“ Blaah! wandte sich um und entdeckte eine Gruppe riesiger Ratten. Die waren ihm in der Eile eben noch nicht aufgefallen. In ihrer Mitte hockte ein verschnürtes pelziges Knäuel, Mr. Bär. Blaah! lachte herzlich darüber. Stanley lachte mit, obwohl er nicht genau wusste worum es ging. Mr. Baguette hatte ihm ein Pflaster mit Zootiermotiv auf den Arm geklebt. Da er bereits ein Mischling war, waren keine weiteren Konsequenzen zu befürchten.

Was die riesigen Nagetiere betraf, die sich ihnen nun schnellen Schrittes näherten, war das nicht so sicher.

„hAllo Madame e Misiöes, viel’en Dank für ihre Gastfreundschaft“ sagte Mr. Baguette und trat ein paar Schritte auf die Piratten zu. Ein Säbel unter seinem Kinn lies ihn seine Absichten sehr schnell ändern. „Wer seit ihr, Dreckspack? Was tut ihr auf diesem unserem Schiff?“ fragte eine große und räudig aussehende Ratte in grauenhaft orangefarbenen Hosen.

„... wir kommen in Frieden?! Dies sind die Abenteuer des neuen Schiffes Graf Bluttrinker und seiner Crew...“ Blaah! war ausgesprochen guter Laune. Alle anderen aber nicht. „Schweig still Ratte!“

„Wer ist hier bitte ne Ratte?? Hast du mal in den Spiegel geschaut?“ fragte Blaah! immer noch gut gelaunt zurück.

„Na DU! Oder hast DU keinen Spiegel?“ antwortete orangefarbene Hose. Damit verschwand die Gute Laune die durch den gefesselten Mr. Bär aufgekommen war. Blaah! schaute an sich herunter und entdeckte Pfoten. Und Fell. Er hatte sich zurück in Flip Flop verwandelt und nur nichts gemerkt, weil er statt zu stehen nun auf der Reling hockte. „Argh!! Was soll das, die Sonne ist doch noch gar nicht aufgegangen!!“ Er fand das extrem unfair von der Welt.

Plötzlich fiel ein Schatten auf das Deck. Onkel Dave war wieder da. Mit einem *Poff* nahm er seine Vampirgestalt wieder an. Auf seinem Gesicht lag ein ausgesprochen zufriedener Ausdruck... obwohl es ziemlich eingedätscht war. „Erwischt.“ sagte er und packte Flip Flop im Genick. Er strampelte so stark er konnte, aber gegen diesen eisernen Griff hatte er keine Chance. „Nun mein lieber Neffe... ich habe damals deiner Mutter versprochen immer gut auf dich aufzupassen. Aber ich denke,... das hat sich nun erledigt.“ Er hob die freie Hand und zeigte ein paar unangenehm lange Fingernägel, die im Licht des Geisterschiffes gelb funkelten.

„Davenirus!!!!“ donnerte es. Das Echo prallte von den Holzwänden ab und vibrierte in der Luft wie ein nervöser Bienenschwarm... was eigentlich vollkommen unmöglich war. Onkel Dave hielt inne und blickte herablassend in Richtung der Stimme.

„Kapitän Reißzahn... welch unerfreulicher Anblick. Wie lange mag das her sein?“

„Wer ist denn dieser Davenirus?“ fragte Mr. Baguette Stanley, der zuckte aber bloß die Schultern.

„Na, das ist der Name von meinem Onkel. Das war mir bloß immer zu lang, daher Onkel Dave.“ antwortete Flip Flop und zappelte noch ein bisschen mehr. Der Kapitän der Geisterpiratten trat vor und schnappte sich die kleine Ratte. Davenirus leistete ihm keinen Widerstand. Statt dessen lächelte er hochnäsig.

Der Kapitän hob Flip Flop direkt vor sein Gesicht. Ein seltsam seliger Ausdruck lag darauf, als hätte er lange auf etwas gewartet. Der Ruf der Piratten war furchtbar, Flip Flop erwartete das Schlimmste... nur das nicht. „Mein Sohn!“ sagte der Kapitän „Ich freue mich so dich endlich kennen zu lernen!“

Die Alternative

Die Alternative
 

1.

„Luke ich bin dein Vater.“ Der Satz stand in der Luft, gewann rasch an Gewicht und knallte tonnenschwer durch das Deck. Im übertragenen Sinne natürlich. Vor allem, weil das nicht wirklich gesagt worden war. Flip Flop starrte Kapitän Reißzahn an wie eine Eule. Mit weit aufgerissenen Augen. „... ich heiße nicht Luke... sagte er.

Der Pirattenkapitän legte den Kopf schief und seine Schnurrhaare zitterten leicht. „Das hab ich doch auch gar nicht gesagt... ähm, oder doch?“ antwortete er.

„Ich dachte ich hätte das verstanden................ SOHN???“ Flip Flop kippte nach hinten und verdrehte die Augen.

„Hoppla! Jaaah, das kommt vielleicht etwas überraschend, nicht?“ lachte Reißzahn und schüttelte seinen Rattenjungen. „Es ist über 150 Jahre her, dass ich dich und deine Mutter zum letzten Mal gesehen habe. Ich wollte immer mal wieder nach euch sehen, aber irgendwie haben wir beim Plündern nie das richtige Dorf erwischt.“

„Diese Insel ist aber auch waaaaaahnsinnig groß.“ nuschelte Flip Flop und sah Sternchen.

„Nicht wahr? Und unser Navigator ist schrecklich unfähig. Nun sei es drum, jetzt sind wir beide hier. Und wie es scheint, sind wir zur rechten Zeit am rechten Ort.“ Die riesige Ratte fixierte Onkel Dave mit einem so finsteren Blick, dass sich die Dunkelheit vor Schreck unterm Bett versteckt hätte. Davenirus wiederum lies sich nicht die Bohne beeindrucken. Er beobachtete anscheinend interessiert seine Fingernägel. „Ist was?“ lies er sich schließlich vernehmen.

„Du wolltest meinen Sohn doch nicht etwa töten, oder??“ Mit der Schärfe in der Stimme hätte man ein mexikanisches Chilligericht würzen können.

„Aber nicht doch. Ich hätte ihm bloß die Haut abgezogen. Das hat er sich eigentlich verdient. Und dann hätte ich seine Freunde gefressen.“

Flip Flop quietschte entsetzt.

„Du hast doch sicher nichts dagegen, wenn ich mir diese Querulanten hier nehme und das Schiff verlasse? Deinen Rattenjungen kannst du von mir aus behalten.“

Mr. Baguette und Stanley standen direkt vor ihm und schluckten. Mr. Bär, immer noch gefesselt und geknebelt, verdrehte genervt die Augen. Bitte, soll der Typ es doch versuchen.

„Ja, die kannst du von mir aus haben. Ich brauche niemanden mehr für meine Crew, abgesehen davon, dass der eine nicht mal nen Pelz hat.“

„Das kannst du nicht machen!! Das sind meine Freunde!“ Flip Flop erwachte schlagartig aus seinem Überraschungskoma und sprang auf und ab wie ein wütender Gummiball. Boing Boing.

„Diese Typen? Findest du das nicht ein bisschen schräg?“ Der Pirattenkapitän musterte die Anwesenden. Ein dicker falscher Franzose der nach Knäckebrot roch, ein gefesselter Bär mit fiesen Augenbrauen, ein sabbernder Werwolf, ein kleiner rosa Seestern im Raumanzug und ein hübscher Hamster. Oh, dieses Hamstergesicht, es war fast so schön wie das von Blaah!s Mutter. Nur kleiner. Und haariger.

„Du hast einen komischen Geschmack mein Junge.“

„Genau wie meine Mutter.“ Flip Flop blickte ärgerlich in die Augen seines Rattenvaters.

„*Haha* Aber du bist genauso bissig wie dein alter Herr!!“

Mr. Bär verdrehte im Hintergrund so sehr die Augen, dass sie ins Innere seines Schädels blicken konnten. Viel gab’s da allerdings nicht zu sehen. Diese ganzen Verwandtschaftsbeziehungen waren ihm schon immer ein Dorn im Auge gewesen. Wenn es nach ihm ginge, dann wäre die ganze Welt ein Waisenhaus in dem sich niemand ausstehen konnte. Was wäre das so schön. Glücklicherweise ginge es nicht nach ihm. Kapitän Reißzahn lachte immer noch schallend und verkündete, dass sie ab sofort doch ein paar neue Crewmitglieder hatten.

„Nein! Wir wollen bloß wieder von der Insel runter, das ist alles!“ rief Flip Flop „... und ich will meine Vampirgestalt zurück!!“ setzte er trotzig hinterher. Er hasste es eine Ratte zu sein, das nervte.

„Solange du auf diesem Schiff bist, wirst du eine Ratte bleiben!“ lies sich Davenirus vernehmen. Keiner hatte ihn gefragt, aber plötzlich hören ihm alle zu. Es war sowieso taktisch unklug ihn aus den Augen zu lassen.

„Du verstehst es wohl nicht, was lieber Neffe? Die Atmosphäre des Schiffes, dieser gelbe Nebel, der ähnelt in seiner Zusammensetzung dem ordinären Tageslicht. Du bist eine niedere Kreatur bei Tageslicht und auf diesem Schiff wirst du für immer so bleiben!“ Er lachte dröhnend. Die Schadenfreude hätte Flip Flop ihm nur zu gerne aus dem Gesicht gewischt. Aber das schien egal in welcher Form nicht möglich. Sein Onkel Dave war nun mal einer der ganz alten und mächtigen Vampire. Und er war keineswegs so taktvoll wie die Typen in den aktuell sehr weit verbreiteten Romanen. Er war einfach ein fieser Typ. Aus Überzeugung womöglich. „Wenn du noch einmal einen Fuß auf transblubbischen Grund setzt, dann...“ Weiter musste er gar nicht sprechen. Jeder an Bord hatte genau verstanden was er meinte. Außer Mr. Baguette und Stanley. Die trauten sich aber nicht irgendwas zu sagen. Flip Flop zischte verärgert auf der Hand seines Vaters, der wiederum die andere Hand drohend die Faust hob.

„Wenn du es wagst meinem Sohn auch nur ein Schnurrhaar zu krümmen, dann..."

Auch er brauchte den Satz nicht zu beenden.

„Du hast 150 Jahre lang das Dorf in dem meine Schwester lebte nicht gefunden und glaubst, du könntest mich innerhalb von einer Nacht ausfindig machen? Du bist ein Verlierer, ein Irrtum der Evolution und du hast kein Geld für ein Navigationsgerät.“ Onkel Dave blickte vom Kapitän Reißzahn in die Runde. Er begann bei Flip Flop und endete bei Mr. Baguette. „Solltet ihr es dennoch wagen, die Insel wieder zu betreten... ich finde euch.“ Mit diesen Worten verwandelte er sich zurück in die riesige Fledermaus und sprang von Bord. Mr. Baguette, Stanley und der Pirattenkapitän rannten zur Reling und starrten ihm hinterher. Sie sahen wie er auf dem Boot „Graf Bluttrinker“ landete und beherzt in die Ölleitung biss. Dann flog er mit imposanten Flügelschlägen davon.
 

2.
 

Flip Flop hockte auf der Brüstung des Schiffes und starrte verärgert hinunter. Dieser Bastard von Onkel! Wenn sie nicht innerhalb der nächsten 10 Minuten mit dem Boot zurück an Land fuhren, war das Benzin alle. Wenn sie warteten bis sein Vater mal wieder an Land plündern wollte, dass konnte JAHRE dauern... selbst wenn er den Entschluss sofort fasste. Jahrelang in der Rattengestalt? Nein, dass ging auf keine Kuhhaut.

„Oh mon diöö, was tuen wir jetzt?“ fragte Mr. Baguette und schlug die Hände überm Kopf zusammen. „Das gibt doch eine Ölpest vor der Küste, oh noo, die armen Fische!“

Stanley starrte ihn an. Dann schaute er zum Boot. Eine winzige Menge gelber Brühe ergoss sich ins Meer. Es sah aus, als hätte jemand hineingepinkelt.

“Das reicht doch nicht für eine Ölpest. Das reicht um ein paar Pommes zu frittieren!“ meinte er und lachte schief.

*Wenn die Fische schon ölig sind, dann braucht man sie nur noch zu braten.* dachte Mr. Bär. Sprechen konnte er ja immer noch nicht.

Dr. Seestern, der sich bisher dezent im Hintergrund gehalten hatte, meinte: „Wollt ihr wissen wie Ölpest funktioniert? Da bohrt jemand ein Loch in den Boden und da kommt dann doppelt so viel Öl raus, wie diejenigen zugeben wollen. Das ist dann echt die Pest.“

„Wirklisch??“

„Hallo?? Darum geht es nicht! Wenn wir nicht schleunigst ins Boot steigen und an Land fahren, dann müssen wir vielleicht jahrelang hierbleiben!“ rief Flip Flop und rannte überdreht hin und her. Stanleys Kopf folgte seinen Bewegungen und... schnappte zu. „Muldige, Meflex!“ sagte er mit vollem Mund und spukte die kleine Ratte wieder aus. Die Pirattenkapitän schlug ihm mit der flachen Hand auf den Hinterkopf.

„Aua, wofür war DIE denn??“ winselte der Werwolfvampir und verwandelte sich in seine halbmenschliche Gestalt um sich an den Hinterkopf greifen zu können. Er ertastete eine dicke Beule.

„Wenn du noch einmal versuchst meinem Sohn zu fressen, dann...!!!“

„Ich wollte ihn nicht fressen, das war bloß ein Reflex!! Klein, pelzig, ist gerannt... Haps!“ verteidigte er sich.

„Ich geb dir gleich HAPS!“ rief Reißzahn.

„Oh no, nischt streiten, ouwie? Wir sind doch alle s’ivilisierte PersOnen, nes pas?“ Er blickte sich um. Er sah sehr viele riesige haarige Ratten, die ihn angeiferten als wäre er ein Stück Putenfilet... Er hielt sich nämlich nicht für ein Stück Schweinebraten. „Wir sollten darÜber abstimmen, ob wir das Schiff verlassen, nischt? Es ist swar sehr gastfreundlisch hIer, aber wir wollen diese hErzlische AtmosphEre doch nischt überstrapazieren, nes pas?“ Er sah sich auf einem Teller liegen. Garniert mich etwas Sauerkraut. Wie unfranzösisch! Stanley nickte eifrig... und kriegte Kopfschmerzen.

Mr. Bär im Hintergrund murmelte so laut wie eine Waschmaschine in vollem Gange. Mr. Baguette ging vorsichtig durch die Pirattencrew und entfernte den Knebel seines fusseligen „Freundes.“

„Oh, ihr wollt euch also aussaugen und fressen lassen? Ich bin dabei!“ rief er unangebracht motiviert und wand sich dabei immer noch in seinen Fesseln. Mr. Baguette beeilte sich ihn loszubinden. Als Mr. Bär seine Bewegungsfreiheit zurück erlangt hatte, schwang er sich nicht sehr stilvoll, aber schnell über die Reling. Da er aus Plüsch war, machte ihm der Aufprall auf Graf Bluttrinker nichts weiter aus.

„Kommt schon, ihr lahmen Socken! Wir wollen doch nicht zu spät zu eurer Beerdigung kommen, das Öl reicht nicht mehr lange!!“

„Warum hast du ihn freigelassen??“ fragte Flip Flop und starrte Mr. Baguette an, der zweifelnd nach unten schaute. „Glaubst du, er mag uns wirklisch nischt?“ Er zog eine Augenbraue nach oben.

„Nein, ich bin davon überzeugt!!“

Zurück zur Insel

1.

Das Schicksal wartet auf niemanden. So heißt es jedenfalls. Das Schicksal war also offensichtlich ein Busfahrer. Und dieser Busfahrer hieß: „Wir bleiben auf dem Schiff oder wir stellen uns dem bösen Obervampir wenn wir je wieder Transblubbien verlassen wollen.“ Der Name hätte sicher nicht auf sein Namenschildchen gepasst.
 

Flip Flop und Mr. Baguette starrten Mr. Bär an, der unten auf dem Boot hin und her lief und heftig gestikulierte. Dabei rief er immer wieder fröhlich: „Leichenschmaus!!“ oder „French Toast!“ was sehr unsozial von ihm war. Flip Flop zerbrach sich derweil den kleinen Rattenkopf über die Frage, welches Übel schlimmer war. Auf dem Schiff seines Vaters zu bleiben bedeutete für ihn in seiner Rattengestalt leben zu müssen. Mr. Baguette wurde wahrscheinlich früher oder später aufgefressen. Stanley sah er bereits als Bettvorleger und Dr. Seestern würde wahrscheinlich bald als exotischer Mitternachtssnack enden. Und die Hamsterdame würde womöglich seine neue Mutter. Sein Rattenvater starrte sie unentwegt mit großen, leuchtenden Augen an. Flip Flops Fell sträubte sich. Zu spät zum Zögern. Er sprang mit einem Satz von Bord und landete kopfüber auf der dicken Ankerkette, an der sie sich hinaufgezogen hatten. Rasch trippelte er hinunter und landete an Deck von Graf Bluttrinker. „Kommt schon!“ rief er nach oben. Mr. Baguette spürte Rattensabber im Genick. Eines der Crewmitglieder hatte angefangen ihn zu beschnüffeln und murmelte dabei etwas das klang wie „Kräuterbutter.“ Eine weitere Motivation brauchte Mr. Baguette nicht. Er war noch schneller von Bord als Flip Flop und hangelte sich zwar ungeschickt, aber zügig hinunter. Auf seiner Baskenmütze hockte Dr. Seestern und betrachtete interessiert die haarigen Köpfe über ihnen. Einer davon sprang plötzlich los und fiel an Mr. Baguette vorbei. „Stanley?“ rief Blaah! unten und kam nicht mehr dazu „Du Idiot, was machst du?!“ zu rufen, denn so ein freier Fall dauert ja nicht so lange. Der Werwolfvampir hätte sich ernsthaft die Knochen brechen können... landete aber ausgesprochen weich. Auf Mr. Bär.

„Stanley!! Wieso bist du gesprungen?? Hast du sie nicht mehr alle??“

„Mmmpf...mhm...memm...“ nuschelte er zur Antwort und spukte braunweißes Fell. Cremé Brühlee. „Doch, ich hab sogar noch mehr“ konnte man diesmal verstehen.

„Du HUND!!!“ donnerte es von oben herab. Der Pirattenkapitän war an die Reling gerannt und schwang drohend die Fäuste über dem Kopf.

„Klein, pelzig, ist gerannt...“ Stanley schabte sich mit den Pfoten über die Zunge. „Schmeckt gar nicht nach einer Süßspeise!“

„Oh mon diö, isch hAbe disch vergessen!! Wie kann isch das je wieDer gut machen??“ Mr. Baguette sammelte seine Hamsterdame ein und streichelte ihr nasses, klebriges Fell. Ihre Augen rotierten auf eine ungesunde Art und Weise und in verschiedene Richtungen. Aber sie hatte ein seliges, traumatisiertes Grinsen auf ihren vermutlich nicht vorhandenen Lippen. Zwischen ihren Zähnen hockte etwas Grünes mit Fühlern... und schimpfte. Mr. Baguette bemerkte es zu Erdpferds Glück nicht. Er war zu sehr damit beschäftigt Entschuldigungen auf Halb-bis-gar-nicht-Französisch runterzuleihern. Er sah dabei sehr überzeugend aus, fand zumindest Cremé Brühlee. Abgesehen davon war ihr Hamsterhirn nicht dafür konstruiert worden, lange verärgert zu sein... oder sich an das zu erinnern, was dieses Gefühl gerechtfertigt hätte.
 

2.

Blaah! schaute wieder nach oben. Er holte tief Luft und rief: „....Vater? Würdest du uns helfen mit Onkel Dave fertig zu werden?“ Der Satz klang bei weitem nicht so eindrucksvoll wie er es sich für den Auftakt zum zweiten Unterkapitel gewünscht hätte... aber was sollte er machen?

„Gerne mein Junge... wenn ich dafür die holde Maid zum Weibe nehmen darf.“ Er schaute runter in Richtung Mr. Baguette. Dem lief ein eiskalter Schauer über den Rücken... Eiszapfen bildeten sich in seinen Nasenlöchern. Blaah! verdrehte die Augen. „Wir sind hier nicht in einem billigen Ritterfilm!!!“ Dann stieß er Mr. Baguette an. „Er meint den Hamster, nicht dich!!!“

„Isch weisss....das ist ja das Problem!!!“ Er klang leicht hysterisch. „Niemals kriegt der meine kleine Cremé Brühlee, diese ungewaschene Ratte!!“ Er vergaß kurzzeitig seinen falschen Akzent... und seine gute Kinderstube, vermittelt von einigen Packen Knäckebrot.

„Nun?“ fragte Kapitän Reißzahn lauernd.

„NIEMA*mpfh*!!!“ schrie Mr. Baguette nach oben, als Blaah! ihm schnell die Hand vor den Mund schlug. „Klar doch Vater, kein Problem!!“ Er wand sich an den falschen Franzosen: „Schon gut, wir tun nur so... bis uns was eingefallen ist.“

„A propos „FALLEN“ ertönte eine dumpfe Stimme aus dem Hintergrund. Es war Mr. Bär... irgendwo unter Stanley, der sich immer noch nicht von ihm herunterbequemt hatte. Er war einfach so weich und warm und... eine kuschelige Hundedecke mit Bärenschnauze. Stanley war eindeutig in der besseren Position und Mr. Bär hatte keine Chance hochzukommen.

„Stanley?“ fragte Blaah! in einem liebenswerten Tonfall.

„Ja?... Soll ich runter gehen?“ Er klang etwas traurig.

„Ach was, ich wollte dir gratulieren, bleib ruhig noch ne Weile liegen.“ Blaah! grinste schief zu Mr. Bär hinunter. Der fletschte seine nicht vorhandenen Zähne.

Plötzlich heulte der Motor von Graf Bluttrinker auf und das Boot setzte sich etwas ratternd in Bewegung. Dr. Seestern hatte als einziger das Zeitproblem nicht aus den Augen verloren...und das Boot gestartet. Sehr erstaunlich.

„Boote funktionieren so: Sie sind verzaubert und können auf dem Wasser laufen, wenn man sie mit Orangensaft füttert.“ verkündete er wissend. Sein kurzer Moment an echtem Einsatzvermögen war offensichtlich vorbei.

„Alles klar. Folgt uns einfach mit dem Schiff!!“ rief Blaah! nach oben und deutete dabei motivierend auf Cremé Brühlee. Mr. Baguette drehte sich ruckartig um und zeigte dem Pirattenschiff seine nicht sehr eindrucksvolle kalte Schulter. Kapitän nahm die stille Herausforderung an. Das Herz des Hamsters!
 

3.
 

Das unheimlich gelb leuchtende Schiff folgte ihnen genau fünf Minuten. Blaah! war durchaus optimistisch, dass sich Leute, wenn sie jemandem nur stur folgen, sich nicht verfahren konnten. Er hatte falsch gedacht. Kurz bevor sie die Küste erreicht hatten, drehte das Schiff plötzlich ab und verschwand in einer unheimlich klischeehaften Nebelwand. „Was für Idioten!“ rief Stanley und lachte.

„Das ist nicht komisch!“ keifte der Vampirnerd neben ihm. „Was sollen wir denn tun, so ganz allein? Oh, Hallo Onkel, du hast uns die Nummer mit dem Amulett doch nicht etwa krumm genommen? Doch? Ich hab Hausarrest und du saugst meinen Freunden das Blut aus? Naja, ich schätze ich hab echt Mist gebaut, bitte, wir haben es verdient. Was? Du meinst, so wichtig war es auch wieder nicht und wir sollten die Sache vergessen? Du lädst uns zu einem Eisbecher ein? Nein, wie nett von dir Onkel!“ Blaah! holte tief Luft. Sein Gesicht war schon leicht blau geworden.

„Glaubst du, so wird das laufen? Ich nehme Schokoeis mit Sahne!“ Stanley wedelte fröhlich mit dem Schwanz. Unter ihm zog Mr. Bär irre Fratzen puren Hasses. Er versuchte immer wieder dem Werwolfvampir in die Vorderläufe zu beißen, aber es war, als ob man jemanden mit Wattebäuschchen knuffen würde. Erst als sie an Land anlegten verlor Mr. Bär endlich reichlich an Gewicht. Haariges, sabberndes Gewicht.
 

„Wohin sollen wir gehen? Isch denke, wir vergessen die Sache und verlassen die Insel“ meinte Mr. Baguette, als sie wieder festen Boden erreicht hatten. Ihnen blieb noch eine Stunde bis Sonnenaufgang.

„Wir brauchen dafür aber Öl... du Depp!“ keifte ihn Mr. Bär an, der gerade versuchte Stanley zu erwürgen. Der lachte aber bloß.

„Sieht wirklich nicht so aus, als ob wir damit noch weit kommen würden...“ Blaah! betrachtete Graf Bluttrinker, der immer noch Treibstoff verlor. Inzwischen tröpfelte es aber bloß noch.

„Was ist denn mit dem anderen Boot?“ fragte Dr. Seestern. Alle drehten sich überrascht zu ihm herum. Er hockte wieder auf Mr. Baguettes Baskenmütze und schien sich dort schon mal häuslich einzurichten.

„Kieselstein? Isch glaube, das ist verloren gegangen als Mr. Bär... den Ausflug gemacht hat.“

„Die Ratten haben das Boot an Bord gehoben und in den Laderaum gebracht.“ erläuterte Mr. Bär und guckte genervt.

„Was?? Wieso hast du uns das nicht gesagt? Das hätte alles geändert!!“ schrie ihn Blaah! an.

„Hätte euch das geholfen?“

„JAAA!!!“

„Siehst du Nerd, deshalb habe ich es nicht getan.“ Mr. Bär grinste in sich hinein. Oh, er war heute wieder ganz besonders mies drauf.

„Wir sitzen also hIer fest. Entweder, wir bekOmmen Kieselstein ssurück von diese Hamster-entführenden Ratten-Piraten-Leuten oder wir mÜssen unss Öl für die Motorboot besorgen. Rischtig?“ Mr. Baguettes Schnurrbart zuckte hoch und runter als er darüber nachdachte. „WIr könnten in eine von die Dörfer nachfragen.“

„Das ist das mit Abstand cleverste das du jemals gesagt hast... und es war trotzdem furchtbar offensichtlich“ antwortete Mr. Bär und rümpfte die Nase.
 

4.

„Warum hast du die Zähne gebleckt als du nach Öl gefragt hast, hä???“ rief Blaah! Stanley zu, der neben ihm rannte. Hinter ihnen spurteten Mr. Bär und Mr. Baguette her, verfolgt von einer Horde Bauern mit Mistgabeln und Fackeln.

„Das war *keuch* eine sehr spontane Idee!“

„Ein Fall von spontanem *keuchÜ Hirn-Kurzschluss??“

„Da... vorne... Mühle...!“ rief Mr. Baguette und deutete auf einen kleinen Hügel links von ihnen.

„Das ist ne ganz schlechte Idee!“ rief Blaah! und hatte bereits die Tür erreicht. Er fluchte leise. Manchmal nützte ihm sein Horrofilmklischee-Wissen überhaupt nichts. Die Dynamik der Situation hatte sie in diese Zwick“Mühle“ gebracht und nun sah es bitter aus. Mr. Bär rannte als letzter rein und schlug die Tür so fest zu wie er nur konnte. Draußen konnte man hören wie Leute gegen die Tür rannten und nach hinten fielen. Sie ließen sich alle zu Boden fallen und holten tief Luft. Dann husteten sie. Eine Mühle mit ihrer Feinstaubbelastung war kein geeigneter Rastplatz. Über ihnen hörten sie etwas laut rascheln. Stanley sprang auf und knurrte. Dann hörten sie jemanden „Ach, ihr seit das?!“ sagen. Eine Etage über ihnen hockte Steffi die Banshee im Stroh und blinzelte lieblich.

Erdpferd, unten in Cremé Brühlees Backen zuckte zusammen. Er hatte vor kurzem versucht die Todesfee dazu zu bringen in seinem Befehl Angst und Schrecken über die Welt zu bringen. Jetzt fühlte es selbst nur noch Angst und Schrecken wenn es an Steffis Begriffsstutzigkeit und unhygienischen Zustände in ihrem Ohr. Gut das es da raus war. Etwas Speichel tropfte ihm auf die Fühler. Immer noch besser so.

„Sehr erfreut disch wieder su sehen mon scherrie.“ Mr. Baguette verneigte sich höflich.

„Was willst du denn hier du Schabracke?“ fragte Mr. Bär und Blaah““ kam zu spät um ihn davon abzuhalten. Steffi überhörte entweder die Beleidigung oder fasste sie nicht als solche auf. „Ich machte nur meine wöchentliche Runde. Setze mich auf Hausdächer, heule das den Dorfleuten das Blut in den Adern gefriert... na, ganz normal halt und ihr?“

„Riecht ihr das auch?“ fragte Stanley und klemmte den Schwanz zwischen die Hinterläufe während er langsam von in die Mitte der Mühle zurückwich.

„Es riecht nach... RAUCH!!!“ Blaah! sprang auf und blickte hektisch nach links und rechts. Die Wände begannen rot zu glühen. Die Bauern hatten die Mühle in Brand gesetzt.

„War ja klar...“

Deal or no Deal

Deal or no Deal
 

Der dunkle Himmel sah aus als würde er zur Erde hin bröseln. Aus mattem grau wurde ein lebhaftes rot-gelb, dass sich über den Horizont zog und einen schönen Sonnentag verkündete. An einer Stelle Transblubbiens war es hingegen schon sehr viel rot-gelber als für eine Morgendämmerung notwendig gewesen wäre. An dieser Stelle stand eine brennende Mühle. Es knackte laut und Funken stoben empor, tanzten im Wind und setzen sich in die Baumkronen wo sie leuchtende Blüten trieben. Es sah insgesamt ganz hübsch aus, aber nur wenn man mindestens 20 Meter entfernt stand. Dieses Vergnügen hatten Mr. Bär, Mr. Baguette und ihre transblubbischen Bekanntschaften nicht. Sie hockten in der Mühle und es wurde von Minute zu Minute immer heißer. Das Stroh über ihnen hatte längst Feuer gefangen und rieselte wie brennender Schnee auf sie herunter. Mr. Bär klatschte versuchsweise auf einige Funken ein, doch das führte nur zur Brandlöchern in seinen Pfoten. Mr. Baguette hörte es leise rauschen. Er ging drei Schritte zur Wand und tauchte seine Baskenmütze ins Wasser. Dann schlug er sie mehrmals auf Mr. Bärs schwelenden Pelz. Kleine Rauchfahnen stiegen von ihm auf. Ein „Danke“ hörte Mr. Baguette nicht. „Ich hab Angst!!“ heulte Stanley hinter ihnen und rannte panisch im Kreis. Blaah! verpasste ihm eine harte Kopfnuss. „Reiß dich mal zusammen, wir schaffen das schon!“

„ACH?? Wie kommst du zu dieser Einsicht? Nein, warte, ich glaub ich weiß es. Das ist gar kein Feuer stimmt's, das ist ZUCKERWATTE! Deshalb bist du so OPTIMISTISCH!!“ schrie ihn Mr. Bär an und deutete auf das brennende Dach und die brennenden Wände.

„Nein Mr. Bär, ich bin deshalb so optimistisch, weil ich weiß, dass Watte schneller brennt als Fleisch.“

„Oh no, schtreitet eusch nischt, das ist nischt der rischtige Moment!“ Mr. Baguette stellte sich schnell zwischen sie und sein Schnurrbart bildete einen natürlichen Schutzwall. Wasser tropfte ihm auf die Nase.

„Woher hast du das Wasser??“ rief Blaah! und deutete auf die Mütze.

„Da hInten ist eine kleine Stück Fluss, unter dem Mühlrad.“

Blaah!, Stanley und Mr. Bär starrten ihn entgeistert an.

„Isch dachte, das wäre nischt so wischtig.“

„Nein. Warum auch? Aber ich bin froh, dass du die Funken in meinem Pelz nicht mit deinem Scheiß gelöscht hast.“ Mr. Bär sah ehrlich ein bisschen erleichtert aus.

„Oui, sumindest nischt nur.“

„Hallo?? Und wie entkommen wir??“ Stanley rieb sich mit den Pfoten über seinen immer noch schmerzenden Schädel. Er winselte leise und drückte sich so flach auf den Boden das er einer Fußmatte Konkurrenz machen könnte.

„Ähm...“ antwortete Blaah! sehr souverän und schaute sich suchend um und entdeckte besagten kleinen Spalt. Er kniete nieder und versuchte ein paar der Bodenbretter rauszuziehen... vergeblich.

„Stanley? Kannst du mir helfen?“

„Wir werden alle sterben!! Das ist nicht sehr innovativ!!“ kam die Antwort.

„Wir werden alle leben, das ist es doch! Kannst du die Bretter rausziehen?

Stanleys haariger Wolfsleib schob sich so dicht über den Boden das er dabei die Bretter polierte und eine staubfreie Bahn hinterlies. Auf den Rücken gedreht wäre er mit der Nummer Limbokönig geworden. Er hockte sich neben Blaah!, nahm halbmenschliche Form an, spannte die Muskeln und zog so fest er konnte. Die Bretter gaben nach und es platschte als einige davon ins Wasser fielen und hinaus trieben. Dann krachte es gewaltig und ein Stück der Decke stürzte ein und blockierte den eben frei gewordenen Weg.

„Bockmist!“ schnaubte Mr. Bär.

„Was ist?“ rief Steffi von oben. Sie drehten alle den Kopf. Die Banshee hatten sie komplett vergessen. Sie hockte im Feuer und es schien ihr nicht das geringste auszumachen. Sie wackelte ein bisschen mit den Zehen, als ob sie sich wärmen wollte.

„Oh mon dieö, tut dassss denn nischt weh?“ fragte Mr. Baguette nach oben und nahm seine Mütze zwischen die Hände. Sein Schnurrbart stand beeindruckt und vor allem beunruhigt nach oben und wippte ein wenig.

„Ach was, danke der Nachfrage.“ Steffi schüttelte ihre ledernen Schwingen und trippelte ein Stück zu dem Loch hin, dass durch das einstürzende Dach entstanden war. „Dann macht's mal gut, man sieht sich... oder … naja, eher nicht.“ Sie zuckte eindrucksvoll mit knochigen Schultern. „Na denn, Tschö mit ö.“

„Warte!!“ rief Blaah!

„Was ist?“

„Kannst du uns nicht helfen?“ rief Stanley und stellte sich auf die Hinterpfoten und schenkte ihr einen Dackelblick.

„Könnte schon... was bekomme ich dafür?“ Sie schaute nach unten und fixierte Mr. Bär, der ihren Blick stoisch erwiderte. Blaah! bemerkte es und antwortete: „Du bekommst den Teddy.“

„GEHT'S NOCH???“ schrie ihn Mr. Bär an und versuchte ihm eine zu knallen. Was angesichts der plüschigen Fäuste nicht möglich war.1)

„Hm... geht klar!“ rief Steffi und sprang zwischen sie.

„Oh no, das geht doch nischt. Der arme Mr. Bär.“ flüsterte Mr. Baguette Blaah! zu.

„Wir tun doch nur so als ob, das geht schon klar.“ flüsterte der zurück.

„Wie bei meine HAmster und deine Vater?“

„Genau!“

„Finde isch nischt rischtig!“ Sein Schnurrbart ringelte sich in aufrichtiger Missbilligung, auch wenn das alles anderer als eindrucksvoll aussah.

„Was nun? Haben wir eine Abmachung? Euer Pelz gegen seinen. Oh, er wird sich gut in meiner Sammlung machen!“ In Steffis Augen leuchtete echter Sammlerstolz. In Mr. Bärs Augen leuchtete hingegen blanker Hass.

„Deal!“ rief Stanley und hüpfte nach vorne. „Ich zuerst!!!... ähm, bitte?“

Steffi landete auf Stanleys Rücken und bohrte ihre langen ungepflegten Krallen in sein armes Hinterteil, dann zog sie so fest sie konnte, schlug mit den Schwingen und beide verschwanden durch das brennende Loch in der Decke. Man hörte noch ein langezogenes Jaulen und dann erstmal nichts mehr.

„Ähm....“ sagte Blaah!.

„Eh...“ sagte Mr. Baguette.

„Kacke“ sagte Mr. Bär.

Dann kehrte Steffi zurück.

„Der nächste Bitte!“ flötete sie möglichst schrecklich und jagte Mr. Baguette damit einen eiskalten Schauer nicht nur über den Rücken sondern auch durch sämtliche Haarspitzen. Er schob Mr. Bär ein Stück nach vorne.

„Was? Vergiss es, ich verbrenne lieber als mich von der da angrabbeln zu lassen!“

„Oh, nicht so schüchtern mein plüschiges Prachtstück!“ Steffi packte Mr. Bär an den Ohren und flog mit ihm ebenfalls durch die Decke. Und wieder passierte nichts weiter. Nur länger.

„Glaubst du, sie kommt nischt surück?“

„Hm, sie hat was sie wollte.“ Blaah! zuckte mit den Schultern. Die Sonne ging auf und sein Gehirn stellte sich bereits auf den Rattenmodus um. Ratten denken nicht so viel über ihr Schicksal nach, sie folgen einfach der Masse. Mit einem *Poff* verschwand Blaah! Zurück blieb Flip Flop.

„Ah, isch hAtte noch so viel vor mit meine Leben. Isch wollte doch noch den besten Käse finden... und essen. Das ist nischt fair. Kaum bin isch aus die Kleiderschrank mit die Knäckebrot raus, schon werde isch selbst ein Toast.“ Mr. Baguette seufzte leise.

„Ähm...“ Flip Flop viel nichts dazu ein. Seine Ratteninstinkte witterten einen kleinen Spalt in der Wand, aus dem frische Luft pfiff. Wenn er sich ganz klein machte, konnte er vielleicht hindurchschlüpfen und entkommen. Doch ein Teil von ihm fand allein die Überlegung schon total ungerecht. Nein, er konnte Mr. Baguette nicht hier lassen.

„Hier.“ Mr. Baguette zog Cremé Brühlee aus seiner einen Tasche, Dr. Seestern aus der anderen.“ „Ihr seid so klein, ihr könnt sischer entkommen, nischt?“ Er sah echt hoffnungsvoll aus. Flip Flop schlug sein Auge nieder und fixierte verlegen den Boden. Unwillkürlich wanderte sein Blick zu der winzigen Überlebenschance in der Wand. Mr. Baguette bemerkte es und grinste.

„Wunderbar! Los geht’s!“ Er hob Flip Flop auf und kniete sich vor den kleinen Spalt. Dann schob er zuerst Cremé Brühlee und Dr. Seestern hindurch. „Soll ich dir erklären wie Feuer funktioniert?“ tönte es von draußen. Gefolgt von einem lauten Krachen. Ein weiterer Teil des Daches stürzte prassend hinunter und verfehlte Mr. Baguette nur um Haaresbreite. Er hob Flip Flop in Augenhöhe. „Bitte schau, ob du Mr. Bär nischt befreien kannst. Isch denke nischt, dass er es verdient hat als Plüschtier einer Todesfee su enden. Und lass nischt su, dass deine Vater meine arme Cremé Brühlee hEiratet!!“ Dann stopfte er Flip Flop schnell durch den kleinen Spalt, bevor dieser widersprechen konnte. Es war etwas mehr Mühe nötig, aber letztlich landete die Ratte draußen im Gras und kullerte ein Stück den Hügel herunter. Als er aufblickte, sah er einen schönen Sonnenaufgang in einem Himmel voller kleiner Wattewölkchen. Irgendwie war das der Situation nicht angemessen.2) Dann hörte Flip Flop es ein drittes Mal krachen. Er drehte sich um und sah den Rest der Mühle von oben nach unten zusammenbrechen. Es knackte und splitterte während sich eine große Wolke aus glühenden Strohstückchen und Aschepartikeln in den Himmel schraubte.
 

Fußnoten:

1) Das konnte auch einer der Gründe sein, warum Mr. Bär so furchtbar schlecht drauf war. Er war zumindest körperlich irgendwie nie in der Lage, seinen Standpunkt zu verdeutlichen.
 

2) Sie erforderte entschieden mehr Nacht, peitschenden Wind und ein paar Blitze die über den Himmel zucken.

Vom Hellsehen

Mr. Baguette war froh. Sein geliebter Hamster und seine Freunde waren in Sicherheit. Zumindest weit mehr als er selbst, aber das war in diesem Moment nicht allzu schwierig zu bewerkstelligen. Lieber in den Klauen einer Banshee als in einer brennenden Mühle. Plötzlich knackte es ein drittes Mal, diesmal viel lauter als die beiden Male vorher und Mr. Baguette sah wie sich der Rest des Daches und sämtliche Mauern gleichzeitig auf ihn zubewegten. Er schloss die Augen und dachte an Käse. Camembert, Brie... In just jenem Moment in dem ihn ein brennender Balken treffen würde, klappte unter ihm der Boden weg. Das Gewicht der Mühle, jetzt nicht mehr verteilt auf Wände und Decke, krachte mit aller Gewalt durch die Bodendielen. Es platschte laut und zischte als brennendes Holz auf kaltes Wasser traf. Die Mühle war nicht nur an einem Fluss erbaut worden, nein, sie führte quer über ihn drüber. All das bemerkte Mr. Baguette zwar nicht, aber es rettete ihm den Schnurrbart.1 Mit mehr Glück als Verstand ruderte er ein paar mal mit den Armen und wurde so jeweils um ein paar Zentimeter von dicken, herabstürzenden Holzbalken verfehlt. Dann zog ihn die Strömung Flussabwärts. Er packte seine Mütze, hielt sie mit beiden Händen fest auf den Kopf gepresst und rief „Oh mon DIÖÖÖÖ!“ als es schnell bergab ging.

Über ihm zog ein hübscher Himmel voller kleiner Wölkchen vorbei. Schwer zu glauben dass sie bis eben noch in solchen Schwierigkeiten gesteckt hatten. Mr. Baguette fand, die Sache entwickelte sich ganz gut. Allerdings wusste er auch noch nichts vom Wasserfall.
 

Flip Flop hockte immer noch im Gras und starrte zu den brennenden Überresten hinauf. Er schniefte kurz. Er hatte Mr. Baguette echt gemocht. Ganz im Gegensatz zu Mr. Bär. Und jetzt war er allein mit dem. Fast. „Warum musste er das auch sagen? Der Hamster ist kein Problem, aber ausgerechnet der Bär!“ Er kräuselte die Schnurrhaare und wandte sich Cremé Brühlee zu. Die hockte fiepend neben ihm und schaute noch verwirrter aus als sonst. Abwechselnd taxierte ihr Hamsterblick den brennenden Bretterhaufen und einen leeren Platz neben ihr. Weiter oben auf dem Hügel ließen die Dorfbewohner ihre Mistgabeln und Fackeln sinken und hoben die Bierkrüge, die zur Feier des Tages herbeigeschafft worden waren. Die lärmende Menge schob sich zurück in Richtung Tal. Flip Flop schaute ihnen unschlüssig nach. Was sollte er nun tun? Als Ratte konnte er nicht viel ausrichten. Und wenn er wartete bis es dunkel wurde hatte er immer noch das Problem mit Onkel Dave. Im Augenblick legte er nicht einmal Wert darauf Stanley zu suchen. Er brauchte nun wirklich nicht auch noch einen Wolf der dauernd aus reinem Reflex nach ihm schnappte. Es gab nur noch eine einzige Person die er nun um Hilfe bitten konnte. Und das behagte ihm ganz und gar nicht.
 

Mr. Bär segelte durch die Luft. Der Wind in seinem Pelz lies ihn ziemlich fluffig aussehen, die Fliegen zwischen seinen nicht-vorhandenen Zähnen verliehen ihm allerdings den Charme eines Stofftieres, dass 20 Jahre lang unter einer Parkbank gelegen hatte. Dieser Eindruck wurde von seinem Gesichtsausdruck noch unterstützt. „Heda Mopsgesicht! Lass mich sofort runter!!“

Steffi schaute in seine Richtung und lächelte wie ein alter Putzlumpen mit scharfen Zähnen. „Ach was, ich habe große Pläne mit dir.“

„Das kannst du nicht machen!! Die Spinner sind alle immer noch in der Mühle und die BRENNT!!“

„Und?“

„Ich will DAS SEHEN!!“ Mr. Bär wand sich hin und her, aber da hätte er auch versuchen können aus einem Schraubstock zu entkommen. Für ihre knochige Statur konnte die Banshee verflucht fest zupacken.
 

Stanley hockte auf einem Baum und schaute unschlüssig nach unten. Die Banshee hatte ihn gleich nachdem sie ihn aus der Mühle gezogen hatte losgelassen. Er war sich noch nicht so sicher, ob es nun Glück oder Pech war, dass er nicht zu Boden gestürzt war. Immerhin war er ein Wolf und kein Affe. Er hatte nie Ambitionen verspürt klettern zu lernen. Außerdem spukte ihm noch immer dieser eine Satz seines Großvaters im Kopf herum: „Runter kommen sie alle!“ Ein eder, der sich vor ihnen auf einem Baum geflüchtet hatte, war früher oder später doch runtergefallen. Stanley hörte ein lautes Rauschen und Platschen. Er reckte den Kopf noch ein bisschen weiter vor, gerade so viel, wie ihm seine Angst vor dem Aufprall gestattete. Er sah unter sich den Fluss. In ihm trieben ein ein paar glimmende Stücke von Holzbalken. Er überlegte kurz, ob es sich lohnte doch zu springen, aber baden hatte er auch noch nie leiden können. Außerdem war da noch der Wasserfall, keine drei Meilen Flussabwärts. Ein ohrenbetäubendes Krachen riss ihn jäh aus seinen Gedanken. Hinter ihm, nur ein kleines Stück bergauf stürzte die Mühle in sich zusammen. „Wow, gut das ich schon draußen bin.“ dachte er. Entfernt hörte er ein „Oh mon Diööööö“ im Wind. Er schaute wieder nach unten und entdeckte Mr. Baguette, der gerade an ihm vorbei trieb. „Hallo! Kannst du mich hier runterholen?“ rief Stanley.

„Ah, Bonjour!“ rief Mr. Baguette. „Exküse moi, aber es sieht so aus, als muss isch weiter! Adiöööööö!!“

2.

Als die Sonne bereits hoch am Himmel stand, hatte Flip Flop sein Ziel erreicht. Es hatte länger gedauert, als er gehofft hatte. Immerhin musste er Cremé Brühlee mitschleppen, die alle Nase lang stehen blieb um Kiefernadeln auf dem Boden zu zählen. Und sie änderte auch recht oft die Laufrichtung. Es war als ob ihr jemand von innen gegen die Zähne klopfen würde. So klang es jedenfalls. Flip Flop hatte auch öfter das Gefühl eine quitschige Stimme zu hören die irgendwelche Befehle von sich gab. Es erinnerte ihn an ein gewisses Heimchen, dass vor nicht allzu langer Zeit sein „Gast“ gewesen war. „Mach mal den Mund auf.“

Cremé Brühlee schaute ihn stumpfsinnig an. Flip Flop seufzte. Dann packte er der armen Hamsterdame so tief ins Maul, dass seine Pfote fast am anderen Ende wieder rausgekommen wäre. Dachte jedenfalls Cremé Brühlee. Zwischen Zahlen und noch mehr Zahlen. Schließlich zog er ein kleines Heimchen hervor. Er hatte es an den Fühlern erwischt und es schimpfte als ob es drei Meter groß wäre. „Du wagst es den angehenden Herrscher der Welt so rüde an den unantastbaren Fühlern zu packen! Du Wurm! Du Ratte!! Ich werde dich Moores lehren du Sohn einer Radkappe!“

„Aha.“ sagte Flip Flop und musterte seine Entdeckung ausgiebig. Neben ihm stand Dr. Seestern und lächelte. „Soll ich dir erklären dir erklären wie Heimchen funktionieren?“

„Äh, ein andermal vielleicht.“

„Bist du sicher, ich weiß das nämlich weil...“

„Ganz sicher.“

Dr. Seestern verzog beleidigt die Lippen, kriegte sich aber sofort wieder ein. Sein Wesen war nicht dazu geschaffen länger als zwei Sekunden zu schmollen.

„Du bist es, nicht? Das Heimchen das ich in L.A. getroffen habe.“

„Wenn schon, dann habe ICH dich getroffen. Und ich erinnere mich nicht an jeden unbedeutenden kleinen Wicht, der eins mein Untertan war. So viele waren es schon.“

„Jaaaah, klar.“ Flip Flop schüttelte den Kopf und im Affekt auch das Heimchen. Erdpferds Protest ging einfach unter. „Im Grunde hab ich für sowas jetzt keine Zeit.“ Er setzte dazu an, Erdpferd bis ins nächste Gebüsch zu werfen, auf dass Cremé Brühlee ein wenig schneller geradeaus gehen mochte, jedoch hielt in irgendetwas davon ab. Irgendetwas war Erdpferd selbst, der sich mit seinen Fühlern an Flip Flops Pfote krallte.

„Hm... kannst du nützlich sein?“

„Nützlich? NÜTZLICH??? Du Produkt einer Teewurst, wie redest du mit mir, dem Herrscher allen Lebens?? Ich bin das nützlichste Lebewesen auf der ganzen Welt, ich bin so nützlich, ich nütze nur mir selbst. Alles andere wäre auch kompletter Schwachsinn.“

„Aha. Du kannst Milch geben? Oder Eier legen? Nein, warte... dich kann man fressen?“

„Ich bin kein niederes Säugetier so wie du!!“

„Ich kann dich aufessen. Du schmeckst bestimmt nicht schlechter als der Müll den ich sonst so finde.“ Flip Flop hob Erdpferd über seinen Kopf und sperrte das Maul auf.

„Warte!! Der kleine Rest an Überlebensinstinkt, der tief in den Zellen des Heimchens schlummerte erwachte mit einen Glockenschlag. „Friss mich nicht, ich kann helfen!“

„Wobei? Du kannst meinen Magen füllen, das würde helfen.“

„Ich weiß von deiner Mission!“

„Woher? Ach, du hast uns also gehört.“

„Du willst den großen Stoffsack retten. Auch er war einst mein Untertan.“ Erdpferds Gedächtnis kramte all die Informationen heraus, die es in seinem mentalen Schrank unter *Hat nichts mit mir zu tun, ist unwichtig* abgelegt hatte. Diese klemmende Schublade wurde durch den Anblick scharfer Rattenzähne urplötzlich geöffnet.

„Mr. Bär? Nein, eigentlich will ich ihn nicht retten. Aber ich hab das Gefühl, dass bin ich Mr. Baguette schuldig.“

„Wem?“

„Dem Typ mit dem Schnurrbart.“

„Ach ja. Kein Untertan. Kein Interesse.“

„Du kannst also helfen?“

„Ich? Der Herrscher allen... ähm, ja.“

„Wie?“ Flip Flop setze Erdpferd auf dem Boden ab und neigte den Kopf zu ihm runter. Erdpferd bemerkte nervös wie in dieses kleine rote Auge fixierte wie einen Imbiss.

„Ich.... ich.... also.... ich weiß es noch nicht.“

„Mahlzeit!“ flötete Flip Flop und schnappte zu. Erdpferd entging einem tragischen Ende nur um Haaresbreite.

„Ich kann es heraus finden! Ob du mich jetzt frisst oder später, was spielt das für eine Rolle für dich?“ Der Heimchenverstand arbeitete wirklich auf Hochtouren. Noch ein bisschen mehr und er hätte die Erdumlaufbahn verlassen um in andere Sphären abzudriften. Ihm wurde schon ganz schwindelig.

„Hm...“ Flip Flop überlegte. Was konnte er mit einem Heimchen anfangen? Es war klein genug um in ihr Ohr zu kriechen. Ob das was brachte? Hörte sie auf die Stimmen in ihrem Kopf? „Also gut, ich nehme dich mit. Du kannst dich gleich beweisen, wir sind schon fast da.“ Er schaute sich um und entdeckte im hellen Licht des Nachmittags die Hütte im Sumpf. Weißer Nebel waberte umher und kümmerte sich nicht um physikalische Gegebenheiten. Das Sonnenlicht, das auf den Nebel traf wurde trübe und stumpf.

„Wenn wir da drin sind, fasst ja nichts an. Besonders nicht die Gurkengläser!“

Ach, wem sagte er das? Einem neurotischen Hamster, einem größenwahnsinnigen Heimchen und einem Seestern der ihm sicher gleich erklären wollte, wie Gurken funktionieren. Das alles konnte nur mächtig schief gehen. Eine Hexe verhandelt doch nicht mit einer Ratte. In diesem Moment wünschte er, er hätte Stanley doch mitgenommen. Kurz nachdem die Mühle zusammengebrochen war, hatte er sich auf den Weg gemacht und war dabei auch an jenem Baum vorbei gekommen, auf dem der arme Werwolfvampir hockte und winselte wie ein Hund vor der Tür einer Metzgerei.
 

„Hey, Kumpel! Was freu ich mich dich zu sehen! Kannst du mir runterhelfen?“ Er setzte einen herzerweichenden Dackelblick auf. Der zog allerdings nur bei Frauen mittleren Alters.

„Ich wüsste nicht wie.“ Flip Flop hatte die kleinen pelzigen Schultern gezuckt. Jetzt hatte er ihn ja doch gefunden, ganz ohne Suchen. Aber er konnte ihm wohl tatsächlich nicht weiter helfen. „Kannst du nicht runterklettern?“

„Seh ich so aus?“

„Wie wär's wenn du dich mal in deine Menschenform bequemst. Mit Händen.“

„Ah, ich rutsche sicher ab! Kannst du nicht Mr. Baguette holen. Er kann mich bestimmt auffangen.“

„Stanley, ich muss dir was sagen... Mr. Baguette ist tot. Weißt du, vorhin als die Mühle...“

Stanley meint daraufhin: „Ich hab ihn doch gerade noch gesehen!“

„Ja, es kam so plötzlich.“

„Nein, ich meine er ist noch am Leben.“

„Ach, er wird immer ein französisch eingerichtetes Café in unseren Herzen haben.“ Flip Flop seufzte.

„Du verstehst nicht was ich meine, er...“

„Ja, solange wir an ihn denken, lebt er weiter.

„Aber... ah, vergiss es, ich sag's dir später. Und jetzt?“

„Tut mir leid Stanley, in dieser Gestalt werde ich dir kaum helfen können. Ich kann auch nicht warten bis die Sonne untergeht, denk an Onkel Dave.“

„Was hast du denn vor?“

„Ich bin mir noch nicht sicher. Ich denke ich werde einer älteren Dame einen Besuch abstatten.“

„Du lässt mich hier allein für ein Kaffeekränzchen?“

„Ganz so ist das nun auch wieder nicht. Sei nicht sauer, komm nach wenn du's runter geschafft hast, ich bitte dich. Du findest uns im Sumpf.“
 

Ja, so war das mit Stanley. Offenbar hatte er es bisher nicht einrichten können.
 

3.

Unterdessen amüsierte man sich im Schloss der Banshee prächtig. Wobei „man“ nur Steffi war. Mr. Bär hatte keinerlei Spaß. Das war nichts Neues, hatte aber eine ganz neue Dimension erreicht. Die passte ihm so gar nicht in den Kram.

„Du siehst so süüüüß aus!“ Steffi hüpfte um Mr. Bär herum wie eine Dreijährige um ein Hundebaby. Sie hielt eine Kamera in den Klauen und knipste so wahllos wie ein Stalker vor offenem Fenster. Mr. Bär trug eine hellgelbe Latzhose mit Blümchenmuster auf der Brusttasche sowie auf den beiden Taschen am Gesäß. Dazu trug er ein rosa T-Shirt mit kleinen Rüschen dran. Steffi hatte ihm noch dazu einen Strohhut mit Plastiksonnenblume dran aufgesetzt und ihm eine kleine blaue Gießkanne an die Pfote gebunden. Er sah wie die Altkleidersammlung in Barbie-Stadt. Jede Faser seines Selbst strebte danach sich aufzulösen in einem möglichst ekelhaften Schleim. Leider neigten Teddybären nicht dazu eine derartige Fähigkeit mitzubringen. Er versuchte es auch mit spontaner Selbstentzündung, aber das konnten wohl nur Organismen die aus Proteinen bestanden. Er dachte zurück an die Mühle und fühlte blanken Neid auf das Ende der anderen. Zu allem Überfluss konnte er seine Gefühle nicht einmal in Worte kleiden. Nicht, dass es ihm an dazu gehörigen Worten gefehlt hätte, nein, Steffi hatte ihm in weiser Voraussicht (und nach zahlreichen Schimpf -Triaden) den Mund zugenähnt. Für Mr. Bär eine mehr als unwillkommene Erfahrung.
 

„Oh, die Fotos werden so gut! Als nächstes zieh ich dir das Matrosenkleidchen an“!

Mr. Bärs Augen sprühten nur so vor Hass. Seine Innere Stimme brüllte Dinge in seinen Watteschädel, die einen Teufel hätten erröten lassen. Steffi hingegen lächelte bloß selig. Endlich hatte sie etwas, mit dem sie einen Beitrag für ihren Lieblingskalender leisten konnte. *12 Monate voll bäriger Spaß.* Es war die Art von Kalender, die für Leute produziert wurden, die glaubten ihre Stofftiere würden nachts lebendig werden... und ihnen bei der Gartenarbeit helfen.
 

4.

Als Mr. Baguette die Augen aufschlug sah er zuerst nur einen schwach leuchtenden Schein, der sich kurz darauf als hell prasselndes Feuer entpuppte. Ruckartig schoss sein Oberkörper hoch, doch sein Kopf kollidierte schmerzhaft mit einem sehr massiven Stück Holz. Er sank stöhnend zurück. Leichte Schläge auf den Denkvermögen erhöhen eben den Hinterkopf. Das Feuer im Kamin blieb davon natürlich völlig unbeeindruckt. Mr. Baguette lag im unteren Teil eines Hochbettes das aussah, als ob es einem geistesgestörten Kind gehören würde. Kleine Wimpel mit Knoblauchmotiv hingen daran und jemand hatte eine Superheldenfigur die schwer nach Batman aussah an die Zimmerwand gepinselt. Allerdings war sie von einem großen roten Kreis umrandet und dick durchgestrichen. Darunter stand in krakeliger Schrift: „Vampirfreunde NEIN DANKE!“ Mr. Baguette fragte sich gerade, wie er nun in diese Lage gekommen war. Das letzte an das er sich erinnerte war ein sehr lautes Rauschen gewesen.

„Ei gudde, biste wach? Kommt net oft vor, des Leudde en Sturz de Wasserfall nunner so gut überstehe. Oh, du west aber schon no wer de bist, ne? Des wär ja jetzt sonst'n schöne käs, wie in so ner billischen Soap, oh je, du hast den Gedächtnis verlore, du arme Kerl. Isch werd disch natürlich hesche und pflesche – damit du mir den ganzes Erbe überschreibe dust, denn schpäter wirste du disch erinnern das du so'n schteinreiche Babbsack, äh, isch mein Graf bist und du wirste es mir zu Gude halde, dass isch mich um disch gekümmert hab, obwohl isch natüüüüürlich kene Peil hatte wer du bist- denkste jedenfalls. Hahah. Ähm... wo war isch? Des dud mer leid, bei dumm Gesabbel. Isch krisch nur so selten Besuch, da überschlag isch mich manchmal. Es is einfach net so befriedischend mit de Topfpflanzen zu babbeln. Wobei dat denen ja wirklich gud tun soll, isch meine, det liest man doch so, ne? Mei Tulpe Charlotta hat mer bisher aber noch nie geantwortet. Haha, neee, das wäre auch verrückt. Obwohl isch'er so viel Pflesche angedeihe lasse, nur das Beste für de hübsche Charlotta, teurer Dünger aus Diamantenstaub un so... oh weh, ich tue es schon wieder, ne? In einem Sessel vor dem Feuer saß ein kleiner alter Mann. Er trug enorm viele Lagen Kleidung übereinander und hatte sich gleich drei verschiedenfarbige Schals um den Hals gebunden. Außer seinem Gesicht und seinen Händen, die einen Becher mit dampfender Flüssigkeit hielten, war von seiner Haut nichts zu sehen. Er lächelte etwas geistesabwesend, schien aber ansonsten noch recht fit zu sein.

„Ähm... wo bin isch hIer?“ Mr. Baguette stand vorsichtig auf und behielt die Decke des Hochbettes dabei misstrauisch im Auge. Sie könnte ihn ja jederzeit wieder anfallen. Langsam und voller Bedacht stellte er zuerst die Füße auf den Teppich und beäugte dabei weiterhin das Holz über ihm. Mit einem schnellen Ruck stand er auf, drehte sich um und sagte: „HAH!!“ zum Bett. Plötzlich hatte er das Gefühl nicht ganz auf der Höhe zu sein.

„Ei, du bist hier im Walpurgistal. Im Westende Transblubbiens. Schöne Geschend, wenn ma blind is. Isch leb hier nu schon seit fufzisch Jahren. Seit isch den Wasserfall nunnergefalle bin, nach meim Kampf!! Ich sach dir, des waren Zeiten, isch hatte wirklisch a Mission. Isch war so knapp devor se zu erfülle un dann...“

„Seit 50 Jahren?? Oh mon diöö..!“

„Des kannste glaube. Isch erinnere misch net gern daran zurück, weißt de... obwohl, willst de de Geschischt hören? Also, es war emal vor langer Zeit, da war isch noch en junge Bursch, schtattlisch, voller Saft un Kraft, isch war so gut in allem, isch hätte...“

„Verseiung, aber, isch würde gerne wissen, wer Sie sind... in kursen Worten Silvoupläis. Isch muss gleisch gehen... oh mon diö, das war unhÖflisch von mir. Aber isch muss doch Mr. Bär retten.“

„Mr. Bär? Det klingt komisch. Ich bin de Herr von Hellsehen. Vielleicht hast de schon emal von mir gehört?“

„Bedaure.“ Mr. Baguette sah den geknickten Blick des alten Mannes und korrigierte sich noch schnell: „Aber isch komme nischt von hIer. Nischt mal ansatzweise.“

„Nun, isch bin ne lokale Berühmtheit,einmal da...hm, isch lege auch de Tarotkarten. Willste wisse was de Zukunft bringt?“

„Ähm, isch danke Ihnen sehr für alles, aber isch muss jetzt wirklisch gehen.“ Mr. Baguettes Schnurrbart tastete sich schon mal Richtung Ausgang.

„Ach, de junge Leud von heud, ham ed immer so eilisch. Isch weiß noch, damals als isch jung war...“

Mr. Baguette seufzte leise. Sein Alter war zweistellig, begann mit einer 4 und endete mit einer 2. Das ist definitiv nicht mehr jung.

„...da war isch'n sehr erfolgreischer Jäscher. Wambire hab isch gejagt und vernischtet, wo immer isch se gekrischt hab. Nur Enen, den konnt isch net kleinkrische...“

Mr. Baguettes Aufmerksamkeit, normalerweise in einen Schrank mit Knäckebrot gesperrt, schnellte nach vorne, durch die Schranktür und machte Männchen. „Vampirjäger?“

„Ei ja, mein beste Tache. Hab 200 für jedn Schtaubbeudel gekriescht. Bis der Babbsack, der „Dave“ hier ufftauchte. Des hat ma men ganse schöne Erfolchssträhne kaputt gemacht.

„Was ist passiert?“

„Ey, isch war net stark nuch. Der hat misch damals arch durch de Mangel gedreht. Ne komische Redewendung, dursch de Mangel gedreht. Wär mir dat wirklisch passiert, isch würde heud wohl anners ausschaun... ganz platt und ausgequetscht...“

„Sie hAben mit Blaah!s Onkel gekämpft?“ Mr. Baguette war schwer beeindruckt.

„Was is ein Blaah!? Klingt wie ne Krankheit. Oh, warum biste hier im Krankenhuus? Ach, isch hab Blaah! Hm, isch wa damals wirklisch in Top-Form, isch hatte alles bedacht... nur nich, dass er misch am Tage angreifen würd, de feige Hund.“

„?? Isch dachte das sei nischt möglisch?“

„Dacht isch auch min Kamerad. Nu, er truch so'n Amulett um de Hals. Et machte, dass er sisch am Tach auch so beweche kann wie mir. Des Amulett von Amulett.“

Mr. Baguette ging langsam ein Licht auf. Ganz langsam.

„Isch konnt es ihm damals im Kampf entreiße, isch stürzte in de Fluss, des Amulett mit mir. Isch hatt gehofft, er würd zu Staub zerfalle, aber so enfach war det dann wohl doch net. Er hat'n bisschen angefange zu qualme um denn schnell de Rückzuck anzutrete. Aber er is noch immer da drauße. Schreiben se jedenfalls de lokalen Boulevardblätter. Es war men größter Triumph ihm des Amulett weg zu grapsche, aber gleichschzeitig mene bitterste Niederlache, denn isch konnt trotzdem net gewinne. Ach jeeeh.

„Wir hAben das Amulett gefunden.“ sagte Mr. Baguette und dachte kurz zurück. „Dann fiel es in den Fluss.“

„Ne, des kann net sein. Des Amulett hat dieses Haus noch nie verlasse, genausowenisch wie isch. Wenn de Dave schpitz krischt, des isch am Lewe bin und des Amulett noch bei mir in den Bude, net auszudenke!!“ Vom Hellsehen strafte seine ganze Erscheinung. Er sah ein bisschen aus wie ein Gockel auf einem Misthaufen... der plötzlich in sich zusammenfällt. „Es muss hier irschendwo sein!“ Er ging durch die Hütte, murmelte und schnaufte und griff schließlich in eine Dose auf der „Cookies“ stand. Dann förderte seine Hand neben einigen Krümeln auch ein leuchtend rotes Amulett zu Tage. Es sah dem Exemplar aus Steffis Turm unheimlich ähnlich.

„Eine... Fälschung!“ rief Mr. Baguette.

„Du hast wohl'n Rad ab?! Des Schnuggelsche is so escht wie mene Nasenhaare!“

„Oh, nischt dieses Amulett. Welches wir gefunden hAtten... es war nischt echt!“
 

5.

Im Schloss von Onkel Dave ging es in der Zwischenzeit nicht sehr feierlich zu. Stinksauer brütet er in seinem Sarg vor sich hin. Sein Gemüt war so hitzig, man hätte auf dem Sargdeckel Spiegeleier braten können. Er hatte die Schnauze voll von allem was in Transblubbien kreuchte und fleuchte, vor allem von seinem Neffen und dessen haarigen Vater. Es wurde endlich Zeit für eine richtige Schreckensherrschaft. Bei Anbruch der Nacht würde er sie alle vom Angesicht der Erde tilgen. Er hatte einen Plan, er hatte ein Motiv, er hatte die MACHT. Und er hatte schon vor ein paar Jahren Transblubbien für ein hohes Sümmchen versichern lassen. Vernichtung und Geld verdienen. Schönes Ding.
 

1. Die Fußnote: Es rettete ihm nicht nur den Schnurrbart sondern auch das Leben.

Countdown

Mr. Bär wusste, dass dies das Ende war. Denn er ging grundsätzlich davon aus, dass das Ende gekommen war. In diesem Fall lag er richtig. Es war das Ende des letzten Rest seiner Würde.

Er war der Gefangene einer Todesfee die auf Stofftiere stand. Damit hätte keiner rechnen können. Solche Dinge geschahen für gewöhnlich nicht. Und genau das fuchste ihn fürchterlich, denn so wie sein Leben bisher verlaufen war, hätte er es vorhersehen müssen. Er befand in einem Raum voller flauschiger Freunde. Sein Maul war zugenäht, seine Pfoten in dekorativer Verrenkung zusammengebunden. Er trug ein ordinäres Badelaken um die Hüften und reckte unfreiwilliger Weise einen Olivenzweig in die Höhe. Dies war nun schon der 20 Satz Fotos den Steffi die Todesfee von ihm machte. Er hütete sich davor auch nur zu denken, dass es nun nicht mehr schlimmer kommen konnte.
 

Draußen rumpelte es. Der Klang hallte durch leere Schlafzimmer, Kinderstuben und Teesalons, vorbei an alten Ritterrüstungen, verfing sich in ausgefranzten Samtvorhängen und waberte über ungepflegte Fliesenböden. Doch keine Armee voll tapferer oder zumindest gut bezahlter Soldaten war zu seiner Rettung herbeigeeilt, nein, lediglich eine alte Waschmaschine rumpelte und rasselte in der fernen Waschküche als ob draußen die Welt unterginge. Ein knallrosa Blümchenkleid, voll mit weißen Seifenflecken und mit reichlich Rüschen an Saum und Ärmeln klebte an der Innenseite der nassen Waschmaschinenscheibe. Langsam waberte es hin und her und zuckte wie eine Heuschrecke mit Epilepsie, wann immer ein anderes Wäschestück den Saum streifte. Für Mr. Bär war der Weltuntergang bereits gekommen. Er hätte alles dafür gegeben seine aktuelle Situation gegen eine andere zu tauschen. Selbst wenn die Situation die er bekommen konnte eine weitere Fahrt im Ruderboot Kieselstein war, an der Seite von Mr. Baguette. Selbst das war besser.
 

1.
 

Mr. Baguette ahnte nichts von den Unannehmlichkeiten in denen Mr. Bär steckte. Oder er ahnte sie und konnte sie nicht richtig einordnen. Noch immer stand er mitten in der Wohnung des alten Vom Hellsehen der ihm gerade offenbart hatte, dass er im Besitz des Amulettes war, dass ihnen bisher den ganzen Ärger beschert hatte... obwohl sie das Original eigentlich nie zu Gesicht bekommen hatten. Mr. Baguette betrachtete es so aufmerksam wie es ihm und seiner geistigen Kondition möglich war. Es reichte für ein paar Details. Das Amulett hatte in etwa die Größe seiner Handfläche. Ein großer roter Rubin steckte in der Mitte und der Rand war 4mal sichelförmig, aber jedwede weitere Beschreibung oblag nicht Mr. Baguettes Stärke. Er dachte es war insgesamt ganz hübsch, aber es strahlte nicht unbedingt mythische Energien ab. „Was soll isch tun?“ fragte er seine Hand, die das Amulett hielt und schüttelte es ein wenig hin und her. Abgesehen von einem leisen *Pling* passierte nichts.

„Ei, man muss es dem aalle Babsack nur zwischen de Zähne schieben. Wenn er's dann zerbeiße dud, dann hattes sisch ausgesaugt, da brauchsten Staubbeuddel, sonst is er vom Winde verweht, ne... a propos vom Winde, isch war emal im Winder drauße an dem Wasserfall un...“

„Ouwie. verstehe... glaube isch“ unterbrach ihn Mr. Baguette. Sonst war er nicht so unhöflich, aber irgendwie ertrug er diesen Dialekt nicht. „Kann isch es mitnehmen?“

„Wo denkst du hin?? Natürlisch net! Wenn de Dave et in de Krallen krischt, dann Gnade unsch der Godd der Handlung!“ Mr. Baguette schauderte. Er kannte den Gott der Handlung nur zu gut. Er war eine Sie und hatte abstehende Haare und eine viel zu große Nase. Sie hatte sie bereits zu Holly Wood und auf die Insel der singenden Parkzettelautomaten geschickt. Nicht auszudenken was sie ihnen noch antun konnte. Gnade und Käse konnte er wohl nicht erwarten. Ein bisschen hoffnungsvoll wand er den Blick gen Zimmerdecke, doch diese schwieg.

„Aber isch brauche es. Wir müssen den Vampir besiegen und dann können wir weiter nach Käse suchen. Isch glaube wir schaffen es. Du kannst mitkommen und aufpassen!“

„Isch hab det Tal hier so lange net verlasse, ich werde et auch jetzt net tue! Jahrelang bin isch sene Fäng entkomme und nu kommst du da deher und verlangst von mer, dass sich de ganse Insel dem Unnergang weihe! Des ist Sparta! Äh, WAHNSINN!!“ Vom Hellsehen war unter den tausend Schichten seiner Kleidung so rot angelaufen dass er einem Radieschen Konkurrenz machen konnte. Er dampfte förmlich. Mehr noch als die Suppe im Kessel über dem Feuer.

„Ist das nisch ein bisschen... übertrieben?“

„Verflucht NEIN, ist es NICHT!!“

In Mr. Baguettes Kopf ratterte es. Er fragte sich in erster Linie, wie er den alten Mann davon überzeugen konnte, seinem Anliegen nachzugeben. Doch er kam zu keinem Ergebnis. Nun stritt sich seine Moralvorstellung mit seinem Wunsch seinen Freunden zu helfen und etwas Gutes zu tun... sofern ein Vampirmord etwas Gutes war, was ein Teil von ihm auch schwer bezweifelte. Als Moral und Wunsch begannen sich gegenseitig mit ihren Fingernägeln das metaphorische Gesicht zu zerkratzen, kam Mr. Baguette zu dem Schluss, dass er sich das Amulett einfach nur kurz ausleihen würde. Und danach um Erlaubnis fragen. Für ihn war das ein sehr weiter Schritt nach vorn, über die imaginäre Planke. „OH, se'en Sie nur, 'err Vom Ellse'en, Inter I'nen!“ Mr. Baguette deutete aufgeregt hinter den kleinen alten Mann.

„Hä?“ Er drehte sich um sich selbst und stolperte dabei über seinen Schal.

Mr. Baguette nahm im übertragenen Sinne die Beine in die Hand, stürzte los und ab durch die Tür.

„Du BABBSACK!!!!“ schallte es hinter ihm her.

Kaum drei Schritte weiter ging Mr. Baguette auch schon die Puste aus. Doch zum Glück erging es Vom Hellsehen ganz genauso. Er kam aus seiner Hütte gestolpert und warf mit Kleidungsstücken nach Mr. Baguette, die er gerade von seinem Körper schälte. Auch nach drei Mänteln trug er immer noch einen.
 

2.

Es war Mittag. Am Himmel stand eine strahlende Sonne, doch im Sumpf herrschte ein diesiges Zwielicht, eine Mischung aus Nebel und Hafergrütze, in der eine Taschenlampe steckt. Flip Flop holte tief Luft. Dann klopfte er. Hinter ihm gingen Cremé Brühlee, Erdpferd und Dr. Seestern in Deckung. Keine Reaktion. Er klopfte ein weiteres Mal und die Tür sprang knarrend auf und schwang nach innen.

„Uuuuuunheimlich...Klischeehaft“ flüsterte die kleine graue Ratte und warf einen einäugigen Blick ins Innere der Hütte. Düsteres Licht drang durch die Tür und zog seinen Schatten auf die Länge eines ausgewachsenen Yetis. Er schnupperte kurz. Es roch nach Essig, abgebrannten Kerzen, Pferdesalbe und nach alten Leuten. Staub tanzte in der Luft, aufgewirbelt von den hölzernen Regalen, vollgestopft mit Gurkengläsern in denen nicht nur Gurken schwammen. Angewidert schaute Flip Flop in die andere Richtung. „Soll ich dir erklären, was Pferdesalbe ist?“ fragte Dr. Seestern, der neben ihn getreten war.

„Nein, Danke...“ zischte Flip Flop zwischen den Zähnen hervor und hielt sich dann eine Kralle vor die Zähne „Psssst!“

„Offensichtlich ist niemand zu Hause. Sonst hätte man mir längst gehuldigt!“ quäkte Erdpferd aus dem Hintergrund. Cremé Brühlee tappte demonstrativ mit der Pfote auf ihn drauf. Er machte „Pfffffffh.“

Flip Flop trippelte durch die Tür. Seine Pfoten hinterließen kleine Abdrücke auf dem staubig braun-grauen Holzboden. Es sah aus, als wäre seit Jahren niemand mehr in dieser Hütte gewesen. Spielte ihm sein Auge einen Streich? Als er die alte Schleiereule nach dem Amulett gefragt hatte, da war es doch nicht so... verlassen gewesen? Oder etwa doch?

„Willkommen.“

Die Stimme kam aus dem Off. Sie schwang über den Boden wie Tarzan an einer Liane und lies den Staub vibrieren. Flip Flops Fell sträubte sich in alle Himmelsrichtungen und er war kurz davor einfach umzukippen. Er machte ein paar tapsige Schritte zur Seite und holte nochmals tief Luft. Das hätte er lieber lassen sollen, denn es folgte ein lautes Keuchen und Würgen. Er ärgerte sich, das er es nicht hatte kommen sehen.

„So schrecklich ist meine Stimme nun auch wieder nicht. Du kennst sie, warst doch neulich erst hier, nicht?“ Die alte Schleiereule trat aus dem Schatten hinter ihrem großen dunklen Tisch. Ihre Augen funkelten amüsiert und ein klein bisschen... hungrig. Sie war die letzte Hexe in ganz Transblubbien. Da konnte man schon ein bisschen.. komisch werden. Außerdem trug sie eine Kittelschürze mit Blumenmuster.

„Jaaaah. War wohl so...“ keuchte Flip Flop und versuchte den Schrecken aus den Gliedern zu kriegen.

„Auf die Knie mit dir, hässliches Weib! Du stehst dem mächtigsten Wesen des Planeten, ach was sage ich, des Universums gegenüber!!“ donnerte Erdpferd, der sich unter der Hamsterpfote raus und ins Rampenlicht des Augenblicks gedrängt hatte. Aber er war nun mal ziemlich klein.

„Hörst du auch dieses Fiepen?“ fragte die alte Hexe und klemmte die schwieligen Hände hinter die haarigen Ohrmuscheln.

Flip Flop warf einen bösen Blick in Richtung Erdpferd. Es sollte doch bei Nicht-Erfolg seiner Überredungskünste in ihr Ohr kriechen und ihr was vom Pferd... nein, vom Vampir erzählen. Mit ein bisschen Glück hörte sie auf die Stimmen in ihrem Kopf.

„Ähm, ja, das war ich. Fiep Fiep... haha, lustig was. Ich bin eine Ratte.“ Er sagte es mit einem so verlegen schiefen Grinsen, noch schiefer und es wäre auf den Boden gefallen. Dazu schwitze er nervös in seinen Pelz.

„Warst du nicht beim letzten Mal noch ein Vampir?“

„Das ist ne lange und sinnlose Geschichte. Ich wurde so geboren, verwandle mich am Tag in eine Ratte. Hm... das war doch keine lange Geschichte.“

„Das ist interessant. Und selten.“

„Ja, Selten dämlich!“ lachte Erdpferd im Hintergrund.

„Da war es schon wieder, dieses Fiepen...“

„War wieder ich... haha. Was bin ich lustig. Nein, im Ernst, ich kann da nix für.“

„Was führt dich und deine kleinen Freunde hierher? Ein Seestern im Raumanzug und ein Hamster... eine illustre Runde, fürwahr.“

Flip Flop fiel ein Stein vom Herzen. Oder eher ein Kieselstein, so groß war sein Herz in diesem Körper ja nicht. Sie hatte Erdpferd nicht bemerkt. Er drehte sich zu dem Heimchen um und gab ihm das vereinbarte Zeichen in Stellung zu gehen. Erdpferd betrachtete kritisch die riesigen haarigen Ohren der alten Dame und schüttelte den Kopf.

„Entweder in ihr Ohr oder in mein Maul, kapiert?“

Erdpferds Heimcheninstinkte meldeten sich. Auch das war wieder so ein ungewöhnlicher Moment in seinem Leben. Er wusste, er tat besser was die Ratte sagte. Bis sich ihm eine bessere Chance bot.

„Hast du etwas gesagt mein Lieber?“

„Ich muss mir dir sprechen. Es geht um meinen Onkel.“

„Oh ja, so ein reizender Mann. So charmant bösartig, durch und durch. Kann ich etwas für ihn tun?“ Sie rückte ein wenig ihr graues, strähniges Haar zurecht. Ein paar Spinnen fühlten sich gestört und krochen von ihrem Kopf über ihr Gesicht. Sogar Cremé Brühlee zog zischend die Luft ein. Dann begann sie energisch die Spinnen zu zählen, sie konnte einfach nichts dagegen tun.

„Wie soll ich sagen... eher etwas... gegen ihn.“ Flip Flop zog den Kopf ein. Er erwartete eine donnernde Antwort. Diese blieb aus. Insgesamt wurde es sehr ruhig. Nur das Rascheln eines kleinen Heimchens war zu hören, dass sich durch einen Jungel von Ohrenhaaren wühlte. Die alte Schleiereule hob unbewusst die Hand und steckte einen Finger ins Ohr. Erdpferd quietschte entsetzt und kam ein gutes Stück voran. Viel weiter als beabsichtigt. Gedankenverloren zog die Sumpfhexe ihre Hand wieder zurück und schwieg.

„Möchtest du, dass ich es dir erläutere?“ fragte Flip Flop vorsichtig und blieb dabei so nah wie möglich am Boden.

„Ich habe da eine Ahnung, junger Mann. Und wenn ich richtig liege, dann solltest du dich schämen!“

„Erdpferd JETZT!!“

Erdpferd kroch ein Stück zurück und rief so laut er konnte in Richtung Trommelfell: „Ich gehorche jetzt dem Herrscher der Welt, dem großen Erdpferd, dem Einzigartigen!“

„Ich werde dich... ich... ähm... ich gehorche dem Herrscher der Welt... Erdpferd dem Einzigartigen...“

„Gut gemacht, Heimchen!“ rief Flip Flop nach oben.

„Und jetzt zerquetsche ich die dumme Ratte, die dem Herrscher der Welt gedroht hat!!“

„Zerquetsche... Ratte... hat gedroht... Herrscher der Welt...“ Die alte Sumpfhexe murmelte vor sich hin und hob dann ihr fahlweißes, von dicken blauen Adern durchzogenes Bein. Ihr Hausschuh wirbelte ordentlich Staub auf, als sie ihren klumpigen Fuß niedersausen lies. Flip Flop quiekte erschrocken und sprang zur Seite. Da holte sie erneut aus.

„Erdpferd!! Du Mistvieh!! Wehe wenn ich dich erwische, dann fress ich dich mit mit allem drum und dran, verdaue dich, dünge damit ein Feld und esse dann den darauf gewachsenen Salat!!“

„Friss Sprossen!! Der Herrscher der Welt sitzt am längeren Hebel!“ *Stampf Stampf*

Flip Flop war entsetzt. Das das mit dem Hexenflüsterer so gut geklappt hatte, daran war wirklich nicht zu denken. Und nun das noch. Er rannte aus der Hütte und raus in den Sumpf, dicht gefolgt von Dr. Seestern. Die arme Cremé Brühlee wurde geschnappt und in ein Gurkenglas gesteckt. Dieses wanderte in Schleiereules Kittelschürze. Dann trat sie ins Freie und wand sich an das Glas: „Nun, meine Untertan...nin. Es ist nicht so, als ob du mir, dem Herrscher allen Lebens und allen Wohlstandes nicht treu gedieht hättest, aber wir haben uns wohl einfach auseinandergelebt. Aber du darfst Zeuge werden meines großen Triumphs.“ Erdpferds Größenwahn nahm eine neue Dimension an. Er wuchs mit jedem Schritt, denn er in seiner neuen „Behausung“ machte. Hinaus in das letzte Licht des Tages, hinaus an die Macht. Er gab auf der ganzen Insel nur eine Person, die ihm jetzt noch den Rang streitig machen konnte. Er ahnte es. Offenbar war er nicht so dämlich wie bisher angenommen. Und so machte sich das Heimchen im Ohr der Hexe auf den Weg zu einem bestimmtes Schloss. Flip Flop hingegen hatte sich hinter der Tür versteckt und fluchte leise. Jetzt musste er auch noch den Hamster retten. Das war einfach nicht sein Tag. Er beschloss sich selbst in ein Glas zu stecken und nie wieder rauszukommen... wenn die ganze Sache vorbei war.
 

3.

Stanleys Lage hatte sich nicht zum besseren gewendet. Noch immer hockte er auf diesem Baum über dem Fluss. Es mussten einige Stunden vergangen sein, die Sonne stand jetzt schon etwas tiefer, sie würde bald wieder untergehen. Stanley hatte sich so gut es ging unter die Blätter geduckt und versuchte dem UV-Licht ein Schnippchen zu schlagen. Wo immer die Sonnenstrahlen doch seinen Pelz getroffen hatten, war dieser in kleine Stichflammen aufgegangen. Ein nicht sehr hübsches Muster von Brandlöchern überzog sein Fell, aber es ging ihm soweit gut. Das würde schon wieder nachwachsen. Aber er würde es vielleicht nicht mehr erleben, immerhin konnte er hier oben verdursten. Plötzlich hörte er ein leises Trappeln. Er drehte die Ohren und kroch ein wenig in die vermutete Richtung. Ein Sonnenstrahl traf ihn auf der Nase. Es zischte leise. „Aua!!“ rief er und rückte wieder ein Stück zurück. Das Trappeln wurde lauter und lauter, schließlich entwickelte es sich zu einem lauten Tosen. Es klang nach schweren Körpern in alten Stiefeln, nach Säbeln und schlechten Umgangsformen. Da waren sie, tauchten hinter dem Hügel auf und rannten direkt auf ihn zu. Unglaublich, sie hatten es doch noch geschafft.
 

4.

Mr. Bär murrte und knurrte. Steffi pfiff fröhlich eine Melodie die schwer nach Beerdigung klang, aber einen unangebrachten Spaß an der Sache vermittelte. Sie hatte ihm die letzten Kleider ausgezogen und legte nun genüsslich das Rüschenkleid aus der Waschmaschine zurecht. Es würden die letzten Fotos für heute werden. Sie hatte fast den ganzen Tag damit verbracht Mr. Bär in die verschiedensten Kostüme zu stecken und dabei natürlich auch kein Auge zugekriegt. Sie war ziemlich müde, schwankte schon ein bisschen und ihr fielen alle paar Sekunden die Augen zu. Sie wollte dieses Foto unbedingt noch machen. Es war ihr schönstes Kleid und das Foto würde soooo süß werden, es würde so schö.... Steffi war eingeschlafen.

Mr. Bär lies sich auf den Boden fallen und wand sich nach links und nach rechts. Er sah aus wie eine pelzige Raupe mit Orientierungsschwierigkeiten. Langsam und mühselig wand er sich aus seinen Fesseln. Dann suchte er eine Schere um seine Mundwerk wieder benutzen zu können. Das war für ihn im Moment das allerwichtigste. Er hatte eine Menge zu sagen.
 

5.

Nun brach die Dämmerung herein. Die Sonne kroch träge über die hohen kahlen Berge des Teufelstals, das in seiner Optik schwer an einen Hundenapf erinnerte. In einem düsteren Schloss, in einer düsteren Kammer mit wenig düsterem Zeug drin, schob sich hektisch ein schwerer Sargdeckel von der Gruft. Es dröhnte laut durch den leeren Raum, als er auf den steinernen Boden krachte. Davenirus erhob traditionell ohne auch nur einen Muskel zu rühren seinen stämmigen Körper aus dem Sarg. Als seine Füße den Boden trafen klang es ganz ähnlich wie bei dem steinernen Deckel. Die Nacht war also hereingebrochen, ohne dass ihm irgendjemand Scherereien gemacht hatte. Der Tag Schlaf hatte sein Gemüt keineswegs abgekühlt, im Gegenteil, er war guter Dinge seine Pläne in die Tat umzusetzen. Endlich wieder mal ne ordentliche Schreckensherrschaft. Das konnte ganz amüsant werden, auch wenn sie nicht lange dauern würde. Dafür reizte ihn die Versicherungssumme zu sehr. Davon konnte er sich eine Insel für sich alleine kaufen. Er klopfte den Staub von seinem Anzug und stieg die Kellertreppe hinauf. Er durchquerte die Küche, schnappte sich ein Glas Blut aus dem Kühlschrank und stellte sich eindrucksvoll auf den Balkon. Sein Blick wanderte über die Insel, die er gerade dem Untergang weihte. Er wusste nicht, dass er damit die gleichen Gedanken wie sein alter Erzfeind Vom Hellsehen hegte. Nur in die anderer Richtung. Nun, noch ein paar mentale Vorbereitungen und es konnte losgehen.
 

6.

Mr. Bär suchte vergeblich seine eigene Kleidung. Er rannte nun seit 10 Minuten in Unterwäsche durch die Zimmer und wühlte sich durch Steffis private Berge aus Puppenkleidern. Es gab eine Menge Kleidchen und Kostüme, aber seine eigenen Sachen waren einfach nicht auffindbar. Er seufzte genervt. Wollte er in Unterwäsche durch Transblubbien latschen? Nein, sicher nicht. Er hob jedes einzelne Kleidungsstück auf und prüfte es eingehend. Es war nichts dabei, was er anziehen wollte. Gar nichts. Schließlich lief es auf eine gelbe Latzhose mit Sonnenblumenmuster hinaus, die zwischen rosa Rüschenkleidern und Clownskostümen das geringste Übel darstellte. Während er sie anzog biss er sich auf die nicht vorhandenen Lippen. Er verspürte den Drang sich dafür selbst zu verprügeln, aber das würde auch nichts helfen. Doch wehe dem, der eine dumme Bemerkung machte! Grimmig zog er eine zahnlose Grimasse purer Bösartigkeit.
 

Schließlich ging er ein letztes Mal in Steffis „Folterkammer.“ Er öffnete die Kamera und zog den Film heraus. Das trübe Licht der untergehenden Sonne machte sämtliche Aufnahmen unbrauchbar. Er grinste zufrieden und dachte kurz daran, sie mit der Rolle Negative zu erdrosseln. Aber das würde bloß Zeit kosten. Er spuckte ein kleines Stück Watte in ihre Richtung und machte sich auf den Weg nach draußen. Nichts wie runter von der Insel.
 

7.

Mr. Baguette erklomm mühsam die Felswand neben dem Wasserfall. Er hatte sich einen der Mäntel übergezogen und nicht allzu nass zu werden, doch jetzt hing das Ding so schwer wie ein Anker an ihm. Unten stand Vom Hellsehen und fluchte in einem unverständlichen und völlig vermischten Dialekt, der ursprünglich mal an Hessisch erinnern sollte. Mr. Baguette verstand ihn allerdings nicht. Er schaute nach oben und konnte den Rand der Felswand erkennen....so einigermaßen. Es war bereits dunkel geworden, er hatte sehr lange gebraucht um hinaufzuklettern. Seine Kondition war die Kellertreppe runtergestiegen und hatte dort angefangen ein Loch zu graben um sich hineinzusetzen. Seine Herz hämmerte wie ein Presslufthammer und seine Lunge klang bei jedem Einatmen wie eine Babyrassel. Kleine bunte Sterne tanzten vor seinen Augen. Er würde es nicht schaffen. So kurz vorm Ziel würde er abstürzen und das war es dann gewesen. Er begann schon sich auszumalen, welche Käsesorten bei dem Leichenschmaus nach seiner Beerdigung serviert werden würden... sofern es eine Beerdigung gab, als plötzlich eine Hand nach ihm griff. Er wurde am Halstuch gepackt und langsam nach oben gezerrt. Das war keineswegs besonders angenehm. Zu den bunten Sternen gestellten sich noch blaue Blitze.

„Ei, du bist wirklich en dämlische Bub, isch sach's dir!“ Der alte Vom Hellsehen keuchte wie ein Marathonläufer auf der Zielgeraden. Er machte damit Mr. Baguette Konkurrenz. Dessen Sinne waren damit beschäftigt die Sterne und Blitze zu vertreiben, trotzdem gelang ihm eine der cleversten Bemerkungen der ganzen Geschichte: „Wie??“

„Isch dacht, du machst nur'n Spaß. Hast de Treppe wohl echt net gesehe, was?“

„Tre...pp...e...“

„Ei, was glaubste wie isch hier unne mei Brötsche krich? Isch leb a net nur von Luft un Liebe, gelle?“

„Tre...pp...e...“

„Ja is ja gut jetse, lebscht doch noch. Bist zäher als isch gedacht hab. Hast misch net rufe höre, hab dir gesacht, des geht och einfacher. A propos einfacher. Enmal da...“

„Tre...pp..e...“

„Ah und nu her mit dem Amulett, isch glaub, et geht los, du spinnete Depp du!“

Mr. Baguette kehrte aus seinem Pseudo-Delirium zurück. „Nein, das... geht nicht, ich brauche es...*hust*... um meine Freunde vor....*keuch*... Dave zu retten!“ Sein Akzent war noch nicht zurückgekehrt, er versteckte sich unter Atemnot. Ein Teil von ihm sprang bereits wieder auf die Beine und war bereit so schnell zu rennen wie es nur ging. Leider war es der kleinere Teil. Mr. Baguette lag auf dem Bauch und versuchte sich hoch zu stemmen, doch seine Arme waren wie Knetgummi. Er sah aus wie eine Seerobbe und klang auch so ähnlich.

Vom Hellsehen seufzte. „Also gut, isch dreh misch jetzt um und seh nüscht, verstehtste? Aber wenn's net klappt, gelle, dann kenn isch disch net un du misch au net.“ Er drehte sich auf dem Absatz herum und ging die ersten Stufen wieder hinunter. „Und versau's net!“

Final Vampire

Kapitel 16 – Final Vampire
 

Das letzte Abendrot sickerte am Horizont hinunter wie Erdbeermarmelade von einem schief gehaltenen Butterbrot rutscht und tauchte das mächtige steinerne Schloss in blutrotes Licht. Dunkelheit zog über den Himmel und die ersten Sterne waren zu erkennen, schwach glommen sie im dunklen Blau. Es war der perfekte Abend, die perfekte Stimmung, der perfekte Ort. Hier würde sich alles entscheiden. Ach, es hätte so schön sein können, wenn dies eine ernsthafte Geschichte wäre.

Unterhalb des Schlosses stand die Schleiereule mit Erdpferd in ihrem Ohr. Sie blickte nach oben, lies ihre trüben grauen Augen über die steinerne Fassade wandern, über die letzten sichtbaren Details brachialer Baukunst und schließlich über das Gesicht des Obervampirs, der mit straff gespanntem Oberkörper auf der Brüstung seines Balkons lehnte und einen angespannt lässigen Eindruck machte. Er bemerkte sie nicht, richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf den Horizont. Es schien, als blicke er durch die Hügel hindurch auf die benachbarten Dörfer. In seinen Augen glühte eine grimmige Vorfreude.
 

Blaah! rannte so schnell er konnte. Mit seinen Flip Flops an den Füßen legte er ein enormes Tempo vor, immerhin musste er den Vorsprung den Erdpferd in seiner neuen mobilen „Festung“ hatte ausgleichen, jetzt da er wieder zwei Beine statt vier Pfoten hatte. Dr. Seestern klammerten sich an seinen Haaren fest und setzte hin und wieder zu einer genial/doofen Bemerkung an, die der Wind jedoch verschluckte. Da Transblubbien so klein war, hatte Blaah! Schleiereules Spur einfach und schnell verfolgen können. Nun sah er sie vor dem Schloss stehen, tatenlos und irgendwie entrückt. Er blieb stehen und sondierte die Lage. Er war sicher, dass Erdpferd sich gerade an sich selbst dumm und dämlich berauscht hatte, in vollkommener Siegessicherheit. Blaah! war mehr als erstaunt darüber, dass Erdpferd sofort erkannt hatte, dass die einzige Person die ihm nun noch das Wasser reichen konnte Onkel Dave war. Schleiereule hatte nicht umsonst als einzige Hexe so lange überdauert. Nun duckte sich Blaah! ins nicht ganz so hohe Gras und hoffte, noch eine Weile übersehen zu werden.

„Sieht verdammt übel aus.“ meinte Dr. Seestern als er die Szenerie überblickte. „Soll ich dir erklären was gleich passiert? Also...“

„Danke nein.“ Blaah! wusste genau, was da kommen würde. Ein schreckliches Ende... vor allem für ihn. Das war wie bei Alien vs. Predatöör... oder so. Die Menschen sind die Dummen. Er war der Mensch. Obwohl er sich seines vampirischen Naturells natürlich immer noch bewusst war. Und seines Rattischen erst recht. Die Ratte in ihm wollte rennen. Und pinkeln. Und das gleichzeitig. Blaah!'s Verstand wollte nichts dergleichen. Er wollte sehen was zu retten war. Cremé Brühlee steckte in der geblümten Kittelschürzentasche der alten Sumpfhexe. Das war echt blöd gelaufen.
 

Mr. Bär irrte durch Transblubbien. Seine knallgelbe Latzhose färbte sich im letzten Licht des Tages orangerot und gefiel ihm dadurch auch nicht besser. Er hätte längst das Ufer erreichen müssen. Die Stelle war ihm soweit egal, es musste nur Bäume geben damit er sich ein Floß bauen konnte. Das er kein Werkzeug bei sich führte war erstmal zweitrangig. Doch er erreichte ohnehin einfach kein Ufer. Dabei war die verfluchte Insel so dermaßen kompakt, das grenzte doch an eine Verschwörung des Gottes der Handlung. Als er grimmig durch ein paar Bäume stiefelte, sah er vor sich einen großen steinernen Klotz. „FUCK!!“ fluchte er „Ich bin im Kreis gelaufen!“ Er ging vorsichtig ein paar Schritte näher. Das letzte was er wollte, war eine bestimmte Todesfee zu wecken. Vor dem Schloss stand eine unheimlich alte Frau. Und sie kam ihm auch noch unangenehm bekannt vor. Er war die dämliche Trulla die ihn und Mr. Baguette in Puppen verwandelt hatte!! Mr. Bär sah sich suchend um und entdeckte auf dem Boden einen dicken schweren Ast. Das würde ein Spaß werden, ja? Als er nach rechts blickte entdeckte er eine geduckte Gestalt im Gras, die sich nach ein paar mal blinzeln als Blaah! herausstellte. Ein weiterer Blick in die Runde und von Mr. Baguette war nichts zu sehen. Er seufzte erleichtert. Plötzlich raschelte es hinter ihm. Genervt drehte sich Mr. Bär um. Und er behielt recht. „War ja klar.“

„MR. BÄR!! Isch freue misch disch zu se'en, ge't es dir gut?“

„Jetzt nicht mehr.“ Mr. Bär drehte sich demonstrativ in die andere Richtung und tat so als sei er schwer beschäftigt. Mr. Baguette ignorierte die offensiven Feindseligkeiten. Er ging einmal um Mr. Bär herum. „At Blaa'! disch befreien kÖnnen? Das ist großartisch!“

„Ne, der hat keinen Beitrag geleistet.“ Mr. Bär drehte sich wieder um. Noch ein paar mal mehr und er hätte ausgesehen wie ein plüschiger Brummkreisel.

„Du ast disch selbst befrei'en können?“ Mr. Baguette machte große Augen.

„Ich bin schon groß, weißt du!“ Mr. Bär schüttelte genervt den Kopf. „Wo kommst du überhaupt her... und wie siehst du aus? Total bescheuert!“ (Sprach der Bär in der gelben Latzhose mit Sonnenblumenmotiv). Mr. Baguette schaute fragend an sich herunter. Er trug einen großen braunen Hut, einen langen roten Schal und einen schweren Ledermantel der aussah, als hätte er mehrere Kriege so halbwegs überstanden. Die getrockneten rotbraunen Flecken waren höchst suspekt, aber er hatte die Kleidung von Vom Hellsehen und der meinte, die würde er unbedingt brauchen, sofern er auch nur ansatzweise was auf Etikette legen würde. Mr. Baguette hatte keine Ahnung was Etikette war, aber so etwas abzulehnen empfand er als zu unhöflich.
 

2.
 

Dave schaute in die illustre Runde. Natürlich war ihm nicht entgangen, dass sein Neffe ein paar Meter weiter im Gras hockte und versuchte so auszusehen, als ob er ein harmloses Kaninchen wäre. Ein 1,90 Meter Kaninchen mit grauer Haut, rosa T-Shirt und schwarzem Umhang. Dave schüttelte den Kopf. Er hätte dem Jungen vielleicht doch mal das ein oder andere beibringen sollen. Nun ja, kein Grund sich jetzt darüber zu ärgern. Es hatte sich eh bald erledigt. Er wand den Blick geradeaus und betrachtete die alte Schleiereule. Sie war stets ein großer Fan von ihm gewesen, einmal war sie sogar mit Autogrammkarten in seinem Schloss erschienen. Ob sie von seien Plänen gehört hatte und sich ihm anschließen wollte? Das erschien ihm gar nicht so schlecht. Nachdem sie alles Leben auf der Insel vernichtet hatten, konnte er sie immer noch erledigen. Nach ein paar weiteren Autogrammkarten natürlich. Er liebte seine Unterschrift. Als er den Kopf ein wenig hob sah er etwas helles zwischen den Bäumen hinter der alten Sumpfhexe leuchten. Seine Vampiraugen identifizierten einen Bär in einer Latzhose. Sonst war nichts zu sehen. Mr. Baguette war durch den dunklen Mantel ausgesprochen gut getarnt.

„Ich kann dich SEHEN!“ donnerte er nach unten. Blaah! zuckte zusammen, versuchte aber weiter so zu tun, als mümmle er an einem Grashalm. „Ja DICH, BÄR in GELBER LATZHOSE!“ Mr. Bär fluchte ausgiebig. Dann trat er zwischen den Bäumen hervor. Kurz war er versucht Mr. Baguette hinter sich herzuschleifen, aber irgendetwas sagte ihm, dass das zwar spaßig, aber nicht allzu klug war.

„WAS IST??“ rief er nach oben. „KANN MAN HIER NICHT MAL NE RUNDE IN DEN WALD KACKEN, OHNE DASS EINEM JEMAND DABEI ZUGUCKT?“

Davenius rümpfte die Nase. Diesen Wald würde er umgehen. Mr. Baguette riss erschrocken die Augen auf und stand stocksteif da um ja nicht versehentlich in was reinzutreten. Er verstand nicht, worauf Mr. Bär da hinaus wollte.

Hey du Depp, steh auf, bevor noch jemand auf dich drauf tritt. Ich zum Beispiel.“ Mr. Bär war ein Stück zur Seite gelaufen, stand nun über Blaah! und bearbeitete dessen Kopf mit seinem plüschigen Fuß. „Hör doch auf! Er sieht mich sonst noch!!“ Blaah! packte energisch zu und zerrte Mr. Bär zu Boden.

„Ich sehe dich längst mein lieber Neffe! Hör auf Karnickel zu spielen und setzt dich in Bewegung. Ich will dir da mal was erzählen.“ Davenius blickte gönnerhaft auf die beiden hinunter. „Oh und schaff mir den ekligen Bär hierher.“

„Ich hab NIX mit der Sache zu tun. Ich bin schon weg. Tschüss, war blöd bei euch. Bis nirgendwann!“ Mr. Bär richtete sich kerzengerade auf und stiefelte in militärischem Stechschritt davon. Blaah! packte ihn bei seinen Hosenträgern.

„Nimm's mir nicht zu übel, Blöd-Bär. Aber ich seh's nicht ein, dass du hier davon kommen sollst!“

„Ach, aber den falschen Franzosen, den behelligt hier keiner, was??“

„Mr. Baguette ist tot. Tut mir leid... dir aber wohl nicht.“

„Ach tot? Schön wärs. Aber ich glaub nicht, das Geister so blöde Klamotten tragen.“

„Was meinst du damit??“ Blaah! hatte Mr. Bärs Ohr gepackt und zog nun beim Flüstern so stark daran, dass es fast abriss.

„Hörst du wohl auf damit!! Ich meine, er steht da drüben zwischen den Bäumen. Mit einem hässlichen Mantel an.“

„Ist das... wahr??“

„Nein, alles gelogen. Und wenn du mich jetzt nicht sofort loslässt, dann schwör ich dir, ich stopf dir meinen Kopf ins Maul bis du dran erstickst! Und es wird mir gefallen!“

Davenius starrte die beiden böse an. Am frühen Abend war sein Gehör immer so schlecht, Abenddämmerungstaubheit kurz nach dem Aufstehen. Er konnte kein Wort verstehen, aber Blaah! war noch keinen Schritt näher gekommen und das fuchste ihn. Er holte tief Luft, spannte die Schultern und donnerte: „RUUUUUUHEEEE!!!“ in der Hoffnung ein Gespräch zu unterbrechen. Dann schwang er seinen massiven Körper auf die Brüstung des Balkons und darüber hinaus. Er fiel wie ein Stein nach unten und verdränge beim Aufprall ein ordentliches Stück Boden. Er hinterließ einen spinnennetzförmigen Abdruck auf der harten Erde, klopfte sich demonstrativ und unnötigerweise imaginären Staub von seinen Anzug und blickte gelassen in die Runde. Blaah! und Mr. Bär hörten auf sich gegenseitig anzukeifen. Erdpferd blickte aus Schleiereules Ohr hinaus und betrachtete den kleinen Ausschnitt seines Rivalen, den er erkennen konnte. Der Ausschnitt war schwarz und breit. Wie ein Autoreifen. Oder eine Dunkelkammer. Er kroch zurück und rüstete sich für die FINALE SCHLACHT. Er sah sich selbst in einer goldenen Rüstung strahlend wie die Sonne über den Fürst der Finsternis triumphieren, die dummen Bauern zu seinen Füßen ihm huldigend und Geschenke bringend.
 

Blaah! trottete los. Er hatte nicht unbedingt das Bedürfnis sich etwas anzuhören, dass Onkel Dave ihm zu sagen hatte. Mr. Bär hingegen hatte das Bedürfnis überhaupt nichts zu tun oder zu hören, aber auf ihn wurde wie immer keine Rücksicht genommen. Naja, notfalls konnte ihn der falsche Franzose retten. Er grinste grimmig. Als ob er das wirklich glauben würde.
 

„Meine liebste Schleiereule, war führt dich zu mir in dieser wunderschönen Nacht?“ Davenius hatte ihre alte, faltige und aderige Hand ergriffen und ignorierte gekonnt die Hautschüppchen, die ihr vom ganzen Körper rieselten. Sowas musste man aushalten... vorerst. Die alte Sumpfhexe antwortete nicht. Sie konnte es nicht, da ihr Gehirn, wie bei allen Hexen, ausgerechnet über das Trommelfell gesteuert wurde und dort nun ein Heimchen saß. Und Erdpferd antwortete nicht, da es sich in seinem eigenen Glanz sonnte und gar nichts mitkriegte. Dave wandte sich von ihr ab und richtete seine Aufmerksamkeit auf seinen nerdigen Neffen. Der blickte an ihm vorbei in die Tasche der geblümten Kittelschürze. Darin lag ein Glas mit einem Hamster drin, dem bald die Luft ausgehen würde. Dann horchte er auf. Plötzlich war ein Trampeln zu vernehmen, es kam schnell näher und hörte sich nach einer ganzen Armee an... und irgendwie auch ungewaschen, obgleich man das eigentlich nicht hören konnte.

„Was ist?“ fragte Dave und lauschte. Aber es war, als würde er auf seinen eigenen Ohren sitzen. Doch das Getrampel wurde nun so laut, dass auch er es hören konnte... und sehen. Hinter dem nächsten Hügel tauchten finstere Gestalten auf. Sie waren groß, haarig und absolut ungepflegt. Es waren die Geisterpiratten, angeführt von Blaahs! Vater Kapitän Reißzahn. Stanley lief ihnen direkt voraus und machte dabei Luftsprünge wie ein junger Welpe... der sich für ein Fohlen hielt. „Hier lang, Hier lang!“ rief er. Stanley hatte es geschafft die Piratten einmal durch ganz Transblubbien zu lotsen, nachdem sie ihn vom Baum runter geholt hatten... indem sie diesen einfach umrannten. Für Stanley eine unschöne Erfahrung. Doch es war umso anstrengender gewesen, die Piratten zu führen. Nicht nur, dass sie am falschen Ende der Insel angelegt hatten (es grenzte an ein Wunder, dass sie Transblubbien überhaupt gefunden hatten), nein, wenn er sie nicht permanent im Auge behielt und ihnen so dicht voraus lief, dass sie ihm auf den Schwanz treten konnten, dann verirrten sie sich.
 

3.
 

„Das ist wahrlich eine Überraschung. Aber eine unerfreuliche. Guten Abend Reißzahn. Immer noch so haarig wie beim letzten Mal.“

Blaah!s Vater musterte zuerst seinen Sohn. Dieser schien unverletzt zu sein, aber er hatte einen Seestern auf dem Kopf sitzen. Dann richtete er sich an den Obervampir: „Guten Abend Dave, hässliches Graugesicht. Immer noch so abscheulich wie beim letzten Mal.“

„Oh, vielen Dank für das Kompliment.“

„Das war keins.“

„Ich weiß. Du Ratte.“

„Arschloch!“

„HEY!! So läuft das aber nicht!“ rief Blaah! und stellte sich neben seinen Vater.

„Was meinst du mein Junge?“

„So geht das nicht. Im Film stehen sich Protagonist und Antagonist gegenüber und... oh Moment, ich glaube die beleidigen sich dann doch. Manchmal. Oder zumindest der Antagonist den Protagonist... ähm... ok, ja... macht ruhig weiter und so...“

„Ist alles in Ordnung mit dir mein Junge?“ Das große Rattengesicht wirkte ehrlich besorgt.

„Ach, Ich hatte viel Stress in letzter Zeit.“

„Bald ist alles vorbei. Dann machen wir einen Segeltörn, ja?“

„Ok... Vater.“

Davenius betrachtete die Szene und rollte mit den Augen. Dann packte er Kapitän Reißzahn an der Gurgel. „Wie rührend. Da wird mir gleich so warm ums tote Herz... ach nein, das ist sicher nur der aufsteigende Brechreiz! Es liegt mir ja fern euch irgendwelche Umstände zu machen, aber ich möchte euch trotzdem etwas erzählen. Meine fiesen Pläne. Das gehört sich doch so, nicht wahr lieber Neffe?“

Blaah! nickte kurz. Dave ließ Reißzahns Kehle los. Dieser reagierte mit einem verächtlichen Schnauben. Mr. Bär, der die ganze Szenerie bisher stillschweigend beobachtet hatte, ärgerte sich nun über sich selbst. Er hätte die Zeit nutzen können um abzuhauen. Nun war er teil der Aufmerksamkeit, denn der fiese Vampir schaute in die Runde. Die ganze Entwicklung hatte Mr. Bär ziemlich überrascht. Es schien alles zusammenzulaufen, fast jeder blödsinnige Handlungsstrang machte nun wenigstens ansatzweise Sinn. Mr. Baguette hielt sich unterdessen immer noch im Schatten der Bäume verborgen. Er schien nicht bemerkt worden zu sein. Ob die Kleidung der Grund dafür war? In seiner Hand lag das Amulett von Amulett. Das Original.
 

4.
 

„Es ist eine Geschichte vom Ende der Welt. Aber wir beginnen bescheiden, vom Ende dieser Insel. Und es ist eine Geschichte von einer furchtbaren Familientragödie, die heute Nacht ein neues Kapitel erhält.“ Davenius stand im Kreise seiner liebsten... Feinde und genoss deren ungeteilte Aufmerksamkeit. Jedenfalls wirkte es so. Mr. Bär guckte durch ihn hindurch und dachte an all die schönen Sachen, die er zu Beginn ihrer Reise zurückgelassen hatte. Die Stille, die Einsamkeit... im wären fast ein paar Tränen in die Augen gestiegen... wenn er denn weinen könnte. Davenius holte nun weit mit den Armen aus.

„Vor 117 Jahren, Transblubbien war noch ein mächtiges, großes Reich, da traf meine liebste Schwester am Strand eine große hässliche Ratte.“

„Das war ich *Höhö*“ Reißzahn stupste seinen Sohn sachte in die Rippen.

„Ach... wirklich?“ meinte Blaah! und wünschte sich für einen ganz kleinen Moment doch eine Vollwaise zu sein. Für etwa eine 10tel Sekunde.

„Die große hässliche Ratte war auf Beutezug gewesen, ihre Mannschaft hatte sie jedoch beim Ablegen auf der Insel vergessen. Denn sie war ein unwichtiger Matrose, zu dieser Zeit.“

„Dann hab ich den amtierenden Kapitän gefressen und wurde selbst einer!“

„Hör auf mich zu UNTERBRECHEN! Wir können das hier auch abkürzen und ich mach euch gleich zur Schnecke. Ich versuche lediglich die Tradition zu bewahren!“

„Schon gut, alter Blutsaftsack!“ Reißzahn kniff die Augen zusammen und schloss demonstrativ das Maul.

„Gut. Sie traf also die dämliche große hässliche Ratte...“ Er hielt noch kurz inne um die Reaktion zu genießen. Sowohl Blaah! als auch Reißzahn bissen sich auf die Lippen. „Und es war... *würgegeräusch* LIEBE auf den ersten Blick. Nun, meine Schwester hatte seit jeher einen beschissenen Geschmack. Ein Jahr später erblickte eine mickrige kleine Ratte das Licht der Welt... und ein mickriger kleiner Vampir den Vollmond über den Bäumen. Am Tage eine Ratte, in der Nacht ein Vampir. Du warst schon bei deiner Geburt total peinlich.“

Blaah! biss sich immer noch auf die Lippen. Ein paar Blutstropfen liefen ihm am Kinn herab. Dave delektierte sich an dem Anblick und lächelte. Dann setzte er erneut an.

„Die Familienehre zerstört, unser edles Blut verwaschen. Meine Schwester hat sich schänden lassen von einem dreckigen Biest und ein Balg geboren, dass des Namens unserer Familie niemals würdig sein konnte. Ich musste etwas tun. Als die Ratte zu seinesgleichen zurückkehrte um von seinen Pflichten befreit zu werden für immer auf der Insel zu bleiben, da bat ich die Schleiereule um einen kleinen Gefallen. Sie nutze einen Zauber, verfluchte ihn und damit das ganze Schiff, auf das sie niemals wieder finden würden, wonach sie suchen. Er kehrte nie zurück... bis heute.“

„Du mieser Bastard!“ Reißzahn sprang vor und schlug mit seinen scharfen Krallen in Richtung Davenius Gesicht. Dieser blockte locker ab. „Nanana! Wer wird denn gleich so ungehalten sein! Willst du das Ende hören oder nicht?“ Seine Stimme nahm einen unheimlich liebenswerten Tonfall an. Stanley, der immer noch vor den Piratten stand, erschrak dermaßen, dass er nun versuchte ein Loch zu buddeln um sich hineinzulegen.

„Ich will das hören!“ sagte Blaah!. Sämtliche hellgraue Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Kapitän Reißzahn zog widerwillig seine Hand zurück.

„Gut gut. Nachdem er fort war, habe ich sie getötet. Hab ihr den Hals umgedreht. Und nun machte ich gleich das Selbe mit dir, „liebster Neffe.“ Daves Lächeln wurde so breit, dass es fast bis an die Ohren reichte. „Und dann töte ich alle Bewohner dieser Insel, einschließlich aller Ratten die sich gerade hier versammelt haben. Sehr passend, da muss ich nicht extra raus auf die See. Mit ein bisschen Glück finde ich dann noch das Amulett von Amulett. Da würde der Spaß kein Ende nehmen.“
 

5.
 

„Du hast sie getötet. Deine eigene Schwester.“ Blaah!s Stimme hatte jeden Ausdruck verloren, sie klang dumpf und hohl.

„Tja, sie hat sich mit dem Falschen eingelassen. Schade drum, sie war so ein hübsches Ding, die Zierde des Schlosses.“ Dave zuckte die Achseln.

Die Piratten knurrten laut, Stanley hingegen winselte wie ein getretener Hund. Er lag halb mit Erde bedeckt auf dem Boden und hatte die Pfoten über dem Kopf zusammengeschlagen. Mr. Bär stand nun neben ihm und regte sich nicht. Sein Gesichtsausdruck war wie immer. Dr. Seestern hockte nach wie vor auf Blaah!s Kopf und schwieg.
 

Ein paar Meter weiter weg stand Mr. Baguette noch immer zwischen den Bäumen. Er verfolgte angestrengt die Szene, aber so sehr er sich auch bemühte, er konnte nichts hören. Der Wind wehte zwar in seine Richtung, aber die Worte schien er nicht mit sich zu tragen. Er fragte sich, was sie wohl zu besprechen hatten. Es sah ziemlich ernst aus. Das Amulett in seiner Hand hatte leicht angefangen zu zittern und es schien von innen heraus ein wenig zu leuchten. Offenbar spürte es die Anwesenheit des Vampirs. Das konnte selbst Mr. Baguette erraten.
 

Nun herrschte Stille. Davenius blickte in die Runde, sah grimmige Gesichter und ein paar sehr buschige Augenbrauen. Der Wind wehte durch seinen Umhang und verlieh der ganzen Szene etwas ausgesprochen episches. In den Bäumen raschelte es und eine Krähe stieß gen Himmel empor. Dies war das unabgesprochene Zeichen.

Kapitän Reißzahn preschte nach vorne und schlug erneut nach Dave, der ihm jedoch einfach auswich. Die anderen Geisterpiratten setzen sich nun ebenfalls in Bewegung, trampelten los und wären fast über Stanley gestolpert, der gerade noch aufsprang um sich vor den vielen haarigen Pfoten zu retten.
 

6.
 

Davenius war umringt von Piratten. Sie alle schlugen, traten und bissen nach ihm, doch er schien ihnen mühelos auszuweichen, gerade so, als ob sie sich in Zeitlupe bewegen würden. Blaah! war von seinem Vater zur Seite gestoßen worden und verfolgte den ungleichen Kampf nun aus ein paar Schritten Entfernung. Stanley jaulte und sprang nervös hin und her. Der Wolf in ihm wollte handeln, wollte zubeißen und sich ein schönes Stück Fleisch holen, der Vampir in ihm wollte sich hingegen aus der ganzen Sache raushalten und sein gesunder Menschenverstand wollte rennen so schnell es ging. Da er sich nicht mit sich selbst einigen konnte sprang er los, sauste zwischen den Piratten hindurch und biss mit aller Kraft in Onkel Daves linke Wade. Der hatte das Fellknäuel nicht kommen sehen und versuchte nun Stanley abzuschütteln, doch dieser hatte sich so festgebissen, als wolle er nie wieder loslassen. Plötzlich erschien Dr. Seestern auf Davenius Kopf. Er klammerte sich an seinen Haaren fest und rief so laut er konnte: „Soll ich dir erklären wie eine Infektion funktioniert? Das ist wie mit Konfekt, nur tut's weh und kommt von einem Wolfsbiss!“ Davenius riss die Arme hoch und schlug nach seinem eigenen Kopf, doch Dr. Seestern war viel geschickter, als man ihm zutrauen würde. Er tänzelte zwischen Daves Schlägen hin und her und quatschte den Vampir dabei um Kopf und Kragen.

Die Piratten bekamen nun ihre Chance, schlugen härter zu, schnappten noch energischer nach Dave und für einen Moment sah es aus, als hätte sich das Blatt zu ihren Gunsten gewendet.

Zwischen den Bäumen tauchte Mr. Baguette auf. Das Amulett hielt er nun in beiden Händen, es glühte in einem hellen rot und pulsierte wie ein Herzschlag. Es sah ein bisschen so aus, als würde es ihn hinter sich her zerren.

„Mr. Baguette! Hat der Bär doch nicht gelogen!“ Blaah! lief ein paar Schritte auf ihn zu, das gleißende Licht stach ihm jedoch in die Augen und er musste stehen bleiben und sich abwenden. „Was ist DAS??“

„Das ist das Amulett von Amulett, nes pas?“ Mr. Baguette hielt das Ding vor sich wie eine Taschenlampe. Dies bescherte ihm auch die Aufmerksamkeit von Davenius.

„DAS AMULETT!!!“ kreischte er und versuchte sich loszureißen, doch viele haarige Hände und spitze Zähne hielten ihn nach wie vor in Schach.

„Weißt du, was du damit tun musst?“ fragte Blaah! und hielt sich die Hand vor die Augen. Er hatte das Gefühl, dass ihm das Licht einen fiesen Sonnenbrand verpasste.

„Ouwie. Aber...“

„Das ist großartig! Los!!“ Blaah! packte Mr. Baguette am Schal und zog in mitten hinein ins Getümmel. Mr. Baguette wollte stehen bleiben, doch Blaah! schien das gar nicht zu bemerken. Er schob sich durch die Piratten, wich dem ein oder anderen verirrten Biss aus und hielt Mr. Baguettes Schal dabei weiter fest umklammert. Der konnte sich nun über ein paar Bisswunden freuen, aber er kam immerhin noch in einem Stück zum Kern des Problems. Er stand nun vor Davenius, der von ein paar Piratten und Stanley zurück gehalten wurde, während Dr. Seestern an seinen Haaren zog. Blanke Mordlust stand in Daves Augen. Mr. Baguette schluckte und hob die Hände. Das Amulett schien immer heißer und schwerer zu werden. Das anfängliche Pulsieren glich nun der Wucht eines Presslufthammers. Das Licht hatte fast die Intensität der Sonne erreicht und es begann Davenius die Haut vom Gesicht zu schälen. Dieser schrie wütend auf und versuchte sich loszureißen, aber es gelang ihm nicht.

„Worauf um alles in der Welt wartest du??“ schrie Blaah! Mr. Baguette an.

„Ich kann das nicht!“ Mr. Baguettes Akzent versteckte sich unter einer dicken Sicht Selbsterkenntnis. Vampir oder nicht. Davenius war ein Lebewesen (irgendwie) und das Amulett würde ihn töten. Das konnte Mr. Baguette einfach nicht tun, egal um wen es sich da handelte und um was es hier ging. Er ließ die Hände sinken, das Amulett fiel zu Boden und erlosch.

Davenius lachte laut auf und bleckte die Zähne. Mit einer enormen Kraftanstrengung riss er sich los und fegte mit einem Schlag nicht nur die Piratten und Stanley, sondern auch Mr. Baguette und Blaah! von den Füßen.

„Na, das ist ja ganz toll.“ nuschelte Blaah!, als er sich mühsam wieder aufrappelte. Mr. Baguette sah einiges an Sternchen vor seinen Augen tanzen und empfand das als Déjà vu. So herrlich französisch. Auch wenn er sich nicht sicher war, dass die Rechtschreibung stimmte. “Pardone moi“ flüsterte er.

“Meh!” Blaah! wollte gerade aufstehen, als ihm ein paar kalkweiße Beine mit blauen Adern den Blick versperrten. Er traute sich kaum nach oben zu sehen, immerhin trug die alte Dame einen Rock unter ihrer Schürze. So schloss er die Augen, hob den Kopf und öffnete sie wieder. Er blickte in ein fieses Hexengesicht. “Ach, sind wir wieder aus unserer Trance erwacht, ja? Das wird immer besser hier.”

“Höret zu dem Herrscher der Welt, ich töte die Ratte die jetzt keine mehr ist, denn ich bin Erdpferd, der unaussprechlich Geniale, der Schöpfer des Universums, ich bin der SONNENGOTT, der... “ Man hörte es leise quitschen. Ein durchbrennendes Heimchenhirn. Blaah! kam da eine Idee. Und er fand sie total erniedrigend. „Oh Herrscher allen... Dings und... Zeugs, edler Erdpferd, der du unser aller König sein wirst... ähm, bist... und so... siehst du den großen bösen Vampir da drüben?“ Blaah! deutete vage in Richtung Davenius, der gerade eine Menge Piratten aus dem Weg räumte. Es war kein besonders schöner Anblick. Der einzige Grund aus dem er und Mr. Baguette noch lebten war wohl die simple Tatsache, das sein Onkel sie nicht für ganz voll nahm. Erdpferd im Ohr der alten Sumpfhexe hörte seinen Namen in Zusammenhang mit dem Wort „Herrscher.“ Es klingelte bei ihm Sturm. „Ganz Recht, ich bin euer Herrscher.“

„Aber nicht mehr lange. Der Vampir macht dich fertig und dann war's das mit dem Heimchenleben.“

„NIEMAND rührt den großen Erdpferd an, den Herrscher über alles Leben, die Säulen der Erde, die Tore der Welt!“ Die Augen der Schleiereule verrieten die Hektik, die in ihrem Trommelfell ausgebrochen war. Ihr Blick wanderte unstet von links nach rechts, hoch und runter und auch ein paar mal nach innen. Dann setzte sie sich grobmotorig in Bewegung.
 

7.
 

Davenius hatte seine helle Freude. In seiner linken Faust hielt er das Amulett von Amulett. Es war kalt und glatt und schadete ihm kein bisschen. Es hatte wieder begonnen zu pulsieren und leuchtete auch ein bisschen, nun aber in einem dunklen, kühlen blau. Er freute sich jetzt regelrecht auf den Sonnenaufgang. Die Bauern würden ganz schön Augen machen, so kurz vor ihrem Tod. Mit der rechten Hand wehrte er die Piratten ab, er durchstieß ihre haarigen Hälse mit seinen diamantharten Fingernägeln. Zu seinen Füßen lag bereits über ein Dutzend haarige Körper, die nicht mal mehr mit den Schnurrhaaren zuckten. Zischen ihnen sprang Stanley hin und her. Nun da er Blut geleckt hatte, gab es kein Halten mehr, Dave war nur nicht unbedingt der passende Gegner. Gerade noch sah Stanley den finalen Schlag kommen, als dieser plötzlich stoppte. Davenius hielt mitten in der Bewegung inne, denn ein paar alte schwielige Hände waren auf ihn gerichtet, an deren Fingerspitzen leichte Funken sprühten. Ein wenig verunsichert ignorierte Dave den armen Werwolfvampir und richtete seine volle Aufmerksamkeit auf die alte Schleiereule. War sie nun gekommen um ihn zu unterstützen oder nicht? Stanleys Restverstand meldete sich, er nutze die Gunst der Stunde und rannte davon.

„Ich bin der Herrscher der Welt, Erdpferd der Große!“ donnerte das kleine Heimchen durch den Mund einer heiseren Hexe. Es klang als ob jemand in einen Haufen Herbstlaub stolpert.

„Das ist mir neu“ antworte Dave so neutral wie irgendmöglich. Was sollte der Blödsinn? Er war nicht zu solchen Späßen aufgelegt, er hatte schließlich Wichtigeres zu tun.

„VERWANDEL IHN IN EINE PUPPE!!“ schrie Dr. Seestern. Er hockte immer noch auf Daves Kopf, der hatte ihn total vergessen.

„Fürwahr mein spitzköpfiger Untertan, eine treffliche Idee!“ Erdpferds Schmalziger-Sprech-Stil trieb neue Blüten der Unerträglichkeit. Die Schleiereule sprang mit wehender Kleidung vor, das Glas in ihrer Schürzentasche fiel zu Boden und zerbrach. Hamsterdame Cremé Brühlee japste nach Luft. Erdpferd achtete nicht auf sie. Mehr Funken sprühten von den Fingerspitzen der alten Hexe, sie begannen zu schimmern, sirrten in der Abendluft wie tausend Glühwürmchen und trafen Davenius genau zwischen die Augen. Ein gleißendes Licht, ähnlich einem Blitz hüllte ihn ein und es machte das obligatorische „Poff“, dass in einer solchen Situation zu erwarten war. Eine kleine runde Dave-Puppe plumpste zu Boden. Blaah! jubelte, Mr. Baguette lächelte erleichtert, Dr. Seestern, der mit der Puppe zu Boden gefallen war tanzte nun um sie herum und Cremé Brühlee knabberte sie ein bisschen an. Mr. Bär stand wie die ganze Zeit schon abseits des Geschehens und verdrehte hin und wieder die Augen.

„Das war nun wahrlich kein Problem für euren neuen GOTT!“ Erdpferd erwartete Beifall und er bekam ihn auch. Stanley hüpfte vor ihm hin und her, wedelte mit dem Schwanz und bellte aufgeregt. Das war so innovativ gewesen!! Grandios, Grandios!

„Und nun zu euch. Ihr habt mich nie so behandelt, wie ich es verdient habe! Und das kann ich euch nicht vergeben!“ Die alte Schleiereule richtete ihren Blick auf Mr. Baguette. „DU hast mich IGNORIERT! Das war sehr ungebührlich von dir, also warum nicht bei dir beginnen? Siehst du, DU genießt die Aufmerksamkeit des Herrschers!“ Die Hexe hob die Hände und erneut sprühten Funken von ihren Fingerspitzen. Mr. Baguette stand still wie eine Topfpflanze. Er verstand überhaupt nicht, was die alte Frau da von ihm wollte. Wieso ignoriert? Da sprang sie erneut einen Schritt vor, kniff die Augen zusammen und... schrie auf. Aus ihrem rechten Pantoffel ragte ihr großer Zeh heraus und genau in diesen hatte sich Cremé Brühlee nun verbissen. Der Zauber schoss von ihren Händen, aber sie traf nicht Mr. Baguette sondern das auf dem Boden liegende Amulett von Amulett. Der leuchtende Strahl prallte ab, sauste zurück und traf die alte Hexe. Sie verschwand in einer großen glitzernden Wolke. Zurück blieb eine kleine runde Puppe. Cremé Brühlee ließ los und trappelte ein paar Schritte hin und her. Dann knarzte etwas zwischen ihren Zähnen. Erdpferd war in seine alte Festung zurück gekehrt.
 

8.
 

„Soweit haben wir alles noch ganz gut überstanden, nicht?“ Blaah! war sich nicht so sicher, aber er lebte noch, genau wie sein Vater, Stanley, Mr. Baguette und alle anderen die man namentlich kannte. Eigentlich ein guter Schnitt. Inzwischen hatten sie ein ordentliches Feuer entzündet und ein paar Tüten Marshmallows ausgepackt, die offenbar seit Jahren auf einen derartigen Einsatz warteten. Kapitän Reißzahn nickte. Er hatte einen Arm um seinen Sohn gelegt und wirkte genau wie die Art von stolzem Papa, die er immer hatte sein wollen. Neben ihnen saßen Mr. Bär und Mr. Baguette. Mr. Bär war damit beschäftigt mit einem geborgten Taschenmesser ein paar unhygienische Verbände aus Vom Hellsehens altem Schal zu schneiden. Mit diesen versorgte er Mr. Baguettes Bisswunden. Er hoffte dabei auf eine fiese Infektion, aber da konnte er wohl lange warten. Mr. Baguette erfreute sich ausgesprochen guter Gesundheit. In der Hand hielt er die beiden schräg aussehenden Puppen. Neben ihm lag Stanley und lies sich von Cremé Brühlee die Flöhe im Fell zählen (und fressen), während Dr. Seestern ihm erklärte, wie Parasiten funktionieren. Insgesamt ein herrlich friedliches Finale... wenn dann nicht noch Steffi aufgetaucht wäre. Obwohl sie keiner gerufen hatte, erschien sie kreischend wie das personifizierte Armageddon am Horizont. Als sie landete, spuckte ihr Mr. Bär vor die Füße. Ein Klümpchen Watte rollte zwischen ihren Klauen hindurch zu Boden.

„Süüüüß!!“ rief sie. Dann besann sie sich ihrer eigentlichen Intention zurück.

„Ihr habt mir den Bär gestohlen! Wir hatten eine Abmachung!“ Aus ihrer Stimme sprach ehrliche Empörung.

„Die Abmachung was, dass du uns aus der brennenden Mühle rettest! Das hast du nicht!“

„Oh nein, die Abmachung war, dass ich euch helfe. Und das habe ich. Ich hab den Bär gerettet.“

„Das hat uns überhaupt nicht geholfen“ stellte Blaah! sachlich fest.

„Ist nicht mein Problem. Her mit dem Bär!“

„Non! Ier wird niemand verkauft!“ Mr. Baguettes Schnurrbart kringelte sich empört.

Zu diesem Thema fiel Kapitän Reißzahn auch noch etwas ein: „Aber ich bekomme die wunderschöne Cremé Brühlee zur Frau. Sieh nur Blaah!, sie ist so schön wie deine Mutter!“

„NON! Nur ÜbEr meine Leische!!“ Mr. Baguette baute sich vor dem Pirattenkapitain zu voller Größe auf. Es sah aus, als ob ein Mops vor einem Schäferhund Männchen macht.

„Lässt sich machen!“ flötete Mr. Bär. Dann blickte er zu Steffi und schwieg lieber.

...

...

„Wie hat meine Mutter denn bitte ausgesehen???“
 

9.
 

„Wir haben hier ein ernsthaftes Problem!“ Steffi war nicht gewillt auch nur einen Millimeter von ihrem Standpunkt abzurücken. Sie wollte Mr. Bär. Reißzahn hingegen war ebenso unnachgiebig, denn er vertrat die Auffassung, das sein Junge nun mal eine Mutter brauchte. Die Situation war festgefahren.

„Wie wäre es mit einem Ersatz?“ Die Stimme gehörte Dr. Seestern.

„Was?“ Alle Blicke richteten sich auf ihn.

„Na, sieh mal, wir haben zwei Puppen mit denen wir ohnehin nichts anfangen können.“ Er deutete auf Davenius und Schleiereule, die Mr. Baguette immer noch gedankenverloren in den Händen hielt und dabei ordentlich zerknautschte. „Ouwie! Das ist es! Wir geben dir die beiden Puppen und du verzischtest auf Mr. Bär. Swei sum Preis von einem, nischt?“

„Hm...“ Steffi nahm ihm die beiden ab und betrachtet sie ausgiebig im Schein des Lagerfeuers. „Nicht schlecht... ich nehme sie. Nur... das reicht nicht, bedaure! Aber wenn...“

„Aber WAAAS???“ keifte Mr. Bär.

„Ich sehe da ein wunderschönes pelziges Gesicht. So struppig und rau. Ich könnte Stunden damit verbringen es zu bürsten!“ Steffis Gesichtsausdruck wandelte sich von energisch zu verzückt...oder verrückt? Sie betrachtete den Pirattenkapitän mit den Augen einer Plüschtiersammlerin. Blaah! schlug sich die Handkante gegen die Stirn.

„Oh, wie charmant. Und darf ich Ihnen sagen, dass Sie ein ganz reizendes Gesicht haben. So lieblich... sieh nur Blaah!, sie ist genauso hübsch wie deine Mutter.“ Reißzahns Blick wurde weich wie Vanilleeis in der Sonne.

„Also er gegen mich und die Ledervisage gegen den Hamster, versteh ich das richtig, ja?“ Mr. Bär hämmerte mit seiner plüschigen Faust auf Mr. Baguette ein. Er musste einfach irgendwas tun, sonst würde er vor lauter schwachsinniger Handlung noch platzen. Aber wie wir bereits wissen ist Mr. Bärs Schlagkraft auch nicht der Rede wert.

„Wie zur HÖLLE hat meine Mutter ausgesehen??????“

Epilog

Epilog
 

Mr. Bär und Mr. Baguette standen am Ufer. Das Meerwasser schwappte vor ihren Füßen und schlug sachte gegen den Rumpf ihres kleinen Ruderbootes. Die Geisterpiratten hatten ihnen Kieselstein zurück gebracht. Seit ihrem Sieg über Davenius waren zwei Tage vergangen. Nun war es früh am morgen und das Licht sickerte noch etwas trübe über den Horizont.

„Und ihr seit sicher, dass ihr schon gehen wollt? Die Hochzeit ist erst in einer Woche, wir würden uns freuen, wenn ihr bis dahin unsere Gäste bleibt.“ Flip Flop hockte auf Mr. Baguettes Schulter und blickte übers Meer. Große Aufgaben erwarteten ihn, jetzt, da er das Oberhaupt der Familie war. Nur Bauern tyrannisieren stand nicht auf seiner Agenda.

„Ne, ich will hier endlich weg. Ich halte das keinen Tag länger mit euch aus“! Mr. Bär schob das Boot ein paar Zentimeter weiter ins Wasser uns sprang hinein. Cremé Brühlee machte ihm erschrocken Platz.

„Ich werd dich auch nicht vermissen du Mottensack!“ antworte die kleine Ratte und sprang herunter.

„Bei eusch ist alles klar, non?“

„Ja, alles gut. Ich glaub nicht, dass ich mich so schnell daran gewöhnen werde, dass ich jetzt ne Todesfee als Mutter habe, aber Vater macht einen wirklich glücklichen Eindruck. Und wenn ich total genervt bin, dann geh ich mit Stanley einfach ein paar Kühe umschubsen. A propos, ich soll euch sagen, dass er euch ganz doll vermissen wird, dass er von Sonne aber erstmal für eine ganze Weile genug hat. Daher ist er nicht persönlich gekommen.“

„Ouwie, isch verste'e. Sag i'm, wir vermissen i'n auch.“

„Ich nicht. Kommst du jetzt endlich?? Ich würd dich gerne hier lassen, aber noch lieber würd ich dich irgendwo aussetzen, wo's nicht so nett ist!“

Mr. Baguette lachte, gab dem Boot einen Schubs und watete ihm hinterher ins Wasser. Dann stieg er ein und ergriff eins der Paddel. „Auf ein Neu'es, nes pas?!“
 

Ende des ersten Teils.

Nach dem Epilog noch was hinterher

Mr. Bär und Mr. Baguette segelten über das Meer (das sich leider nicht dagegen wehren konnte). Vor ein paar Tagen waren sie in Transblubbien aufgebrochen und hatten eine Menge neuer Freunde zurückgelassen. Zumindest aus der Sicht von Mr. Baguette. Mr. Bär würde den klugscheißerischen Seestern, die halbe Ratte und den Hundejungen ganz sicher nicht vermissen, schon gar nicht, wenn er immer noch die Gesellschaft von Mr. Baguette und seinem dämlichen neurotischen Hamster ertragen musste. Er hoffte bald eine weitere Insel zu erreichen, seine Mitreisenden auszusetzen und sich selbst abzusetzen. Doch seine Hoffnung schwand mit jedem neuen Tag und der neuste Sonnenaufgang stimmte ihn auch nicht gerade optimistischer. Als er sich blinzelnd umblickte und den Tag verfluchte, da entdeckte er doch noch Land. Am Himmel darüber stand ein wunderschöner Regenbogen der mehr Farben beinhaltete, als notwendig gewesen wäre. Zu den üblichen Verdächtigen gesellte sich noch Glitzer-Rosa, Diamant-Glanz, Smaragd-Schimmer und Blaue Lagune. Es war derber Anblick. Zusammen mit den rosa Watte-Wölkchen und den funkelnden Schmetterlingen, die das ganze Szenario überzogen, hätten sie auch direkt in der Ramsch-Ecke eines Deko-Ladens gelandet sein können. Das war so gar nicht das, was sich Mr. Bär unter einer anständigen Insel vorstellte. Er verdrehte seine Knopfaugen so weit, dass er in sich hineinblicken konnte. Der Anblick von Watte in Dunkelheit getaucht gefiel ihm und beruhigte seine Nerven.
 

„Ooooooh, quell belle Anblick!!“ Mr. Baguette verdrehte ebenfalls die Augen, aber sie gingen mehr Richtung allgemeine Glückseeligkeit. Er ließ den Blick über grüne Wiesen, blaue Berge und einen leicht pinkfarbenen Himmel schweifen. Ihr Boot schaukelte unterdessen noch ein bisschen über die Wellen und lief schließlich in flachem Wasser auf Grund. Mr. Baguette sprang von Bord und suchte nach einer Stelle, an der er Kieselstein festbinden konnte, abgesehen von weitläufigem Strand war aber nichts zu sehen. Allerdings war das auch nicht notwendig, das Boot schien keinerlei Anstalten zu machen, sich je wieder aus dem warmen, weichen Sand zu lösen. Und Mr. Bär ebenfalls nicht. Seine Augen waren in ihre normale Position zurückgeschnellt und er versuchte verzweifelt nichts von seiner Umgebung mitzubekommen. Wo auch immer sie hier gelandet waren, es konnte kein gutes Ende nehmen... für ihn. Mr. Baguette zuckte mit den Schultern, überließ Boot Kieselstein sich selbst und ging langsam Richtung Strand. Das warme Wasser um seine Füße war so klar, dass er kleine Glitzersteinchen sehen konnte, die sich unter dem weichen Sand versteckten. Hamsterdame Cremé Brühlee hockte auf seiner Schulter und versuchte die Sandkörner zu zählen, was sie ganz dusselig machte.
 

Interessiert schaute Mr. Baguette sich um. Der Sandstrand ging direkt in eine saftige grüne Wiese über. Schmetterlinge flogen umher und es roch überall nach Zuckerwatte. Das war eine nette Abwechslung. Die Zeit in Transblubbien hatte zweifellos auch ihre Reize gehabt, aber hier war eine Art Himmel auf Erden. Zumindest wenn man die gleichen Maßstäbe wie Mr. Baguette anlegte.
 

Unterdessen kam Mr. Bär stöhnend zum Strand gelaufen, vor lauter Geglitzer hatte er es mit der Wasseroberfläche nicht mehr ausgehalten. Nun hatten sich seine plüschigen Füße mit Wasser vollgesogen und es klatschte bei jeden seiner Schritte, als ob man einen Müllbeutel mir Pudding gefüllt und dann auf den Boden geworfen hätte. Er verdrehte wieder die Augen, so sehr, das Mr. Baguette schon beim Anblick schwindelig wurde. Mr. Bär litt Höllenqualen angesichts so viel harmonisch/kitschiger Ausstrahlung. Als nächstes würden bunte Pferde um die Ecke galoppieren und kleine fette Putten würden dazu Harfe spielen.
 

Was das betraf, hatte sich Mr. Bär geirrt. Es erschienen keine kleinen fetten Putten und auch keine bunten Pferde. Es waren bunte Ponys mit Horn auf der Stirn und Flügelchen am Rücken. Davon abgesehen waren sie auch noch mit Glitzer überzogen.. Sie lachten und kicherten und prusteten und husteten... nein, fotzelten und protzelten und gackerten und ackterten und... Wir entschuldigen uns und bitten Sie um einem Moment Geduld. Wir haben eine technische Störung. Das Gehirn der Autorin wird in wenigen Minuten wieder verfügbar sein.
 

„WTFFF??“1 schrie Mr. Bär und seine Augen wurden groß wie Servierteller. Er war umringt von kleinen bunten Ponys, die alle wie die Irren lachten und ihn mit ihren riesigen Augen anstarrten, als ob sie ihn für ein gewaltiges Schokoladenbonbon halten würden. „GEHT WEEEEG!!!“

„Oh aber wir liiiiiieben neue Freunde und wir heißen sie in unserer Heimat herzlich willkommen!!“ rief eines der Ponys. Es war pink und hatte eine grüne Mähne. Irks!

„Merci bokuuu“ sagte Mr. Baguette und schüttelte einem gelben Pony mit roter Mähne den rechten Vorderhuf. Es kicherte und grinste etwas debil, schien sich sonst aber einfach nur gut zu amüsieren.
 

Mr. Bär war das alles schon von Anfang an zu blöd. „Wir GEHEN!! Nein warte, ICH GEHE.“ Mr. Bär drehte sich auf dem Absatz herum und schlurchte zurück ins Wasser. Eines der Ponys galoppierte ihm hinterher und umrundete ihn wie ein Brummkreisel. Dann blieb es stehen und versperrte ihm den Weg. Mr. Bär holte tief Luft und keifte: „Sowas wie dich fresse ich zum Frühstück! Also mach den Weg frei oder ich vergesse mich!“

„Oooh, aber wir haben uns so gefreut euch kennen zu lernen. Bleibt doch noch ein Weilchen und leistet uns beim Essen Gesellschaft.“ Das blaue Pony mit den gelben Haaren, das Mr. Bär im Wege stand schaute ihn Erwartungsvoll an. Oder zumindest vermutete Mr. Bär das.

„Heu und Stroh, ja?“ witzelte er und guckte dabei rüber zu Mr. Baguette, der den Witz aber entweder nicht verstanden oder nicht gehört hatte2. Immerhin wurde er bereits von einer ganzen Horde Ponys umringt und bequatscht. Mr. Baguette lächelte dabei und versuchte alle Fragen so gut er eben konnte zu beantworten. Und die Ponys wollten viele Dinge wissen. Wo waren Mr. Bär und Mr. Baguette hergekommen? Wann hatten sie zuletzt was gegessen? Und wann zuletzt geduscht?3
 

Nachdem sie ihren Gastgebern eine Weile gefolgt waren (mehr oder weniger freiwillig), kamen sie durch ein kleines Dorf aus weißen Hütten. Über allem hinweg ragte ein Palast auf. Er war weiß und funkelte in der angenehm warmen Sonne, ganz ähnlich wie die Häuser und die Glitzersteine am Strand. Um den Palast herum tollten eine Menge Ponys herum, Cremé Brühlee hatte inzwischen an die 200 Stück gezählt, alle in unterschiedlichen Farben, aber alle mit diesem irren Lachen, das auf sie eigentlich keinen besonders freundlichen Eindruck machte. Allerdings nahm Cremé Brühlee das ohnehin einfach nur so zur Kenntnis. Wenn man ein so kleines Tier war wie sie selbst, dann misstraute man ohnehin allem, was größer war. Und das umfasste so ziemlich den ganzen Rest der ganze Welt. Trotzdem, irgendwas war faul an der Sache und das lag nicht nur an dem komischen Geschmack in ihrem Mund, den sie einfach nicht loswerden konnte.
 

Mr. Bär und Mr. Baguette wurden in den Palast geleitet und zumindest Mr. Baguette versuchte sich die Wände und Decken genauer anzuschauen. Sie waren wunderbar verschnörkelt und zeigten allerlei geflügelte und gehörnte Ponys bei ihren alltäglichen Arbeiten, bei Festen und... was war das? Eines der Ornamente zeigte etwas, das so gar nicht zum Rest passen wollte, aber bevor Mr. Baguette es genauer unter die Lupe nehmen konnte, waren sie bereits ein gutes Stück weiter voran geschoben worden. Er schloss seine „Analyse“ mit dem wohlwollenden Urteil, dass es sich um grandiose Handwerkskunst handelte... noch dazu für ein Volk aus Ponys, das über keine Daumen verfügte.
 

Im nächsten Raum wurden sie nicht nur von einer weiteren Menge an kleinen bunten Vierbeinern erwartete, sondern sahen sich auch einem gewaltigen Thron gegenüber. Er bestand aus sehr vielen zusammengeschmiedeten Schwertern mit rosa Plastikgriffen. Ansonsten sah aber doch recht eindrucksvoll aus. Darauf saß das fetteste Pony das Mr. Bär jemals gesehen hatte.4 Im Gegensatz zu seiner sehr bunten und ihm offenbar untergebenen MEUTE, war es komplett schwarz. Nur seine Augen schimmerten hellblau aus seinem aufgedunsenen Schädel und seine winzigen schwarzen Flügelchen funkelten ein wenige im gleichen Ton. Mr. Bär schoss unausweichlich durch den Kopf, dass eigentlich nur die „Bad Guys“ immer schwarzhaarig waren. Als es dann noch anfing mit ihnen zu sprechen, waren sämtliche Zweifel aus dem Weg geräumt. Es klang als ob ein Sargdeckel die Kellertreppe runterfällt und dabei eine Katze platwalzt.

„Seit uns aufs herzlichste Willkommen im sagenhaften Reich der...“ Weiter kam es nicht, es keuchte kurz und eine Fliege schoss aus seinem Mund. Unbehelligt flog sie ihrer Wege nur um vom nächstbesten Schweif getroffen zu werden. „Chrm chrm... wo war ich... Ah ja, Willkommen im sagenhaften Reich der...“ Wieder unterbrach es sich und keuchte. Die anderen Ponys im Saal wirkten kein Stück nervös. Sie schienen diese Rede in genau dieser Art öfter zu hören. Auch Mr. Baguette schien sich partout nichts bei diesem grotesken Anblick zu denken. Was Mr. Bär aber auch nicht weiter wunderte. Seine Gedanken wollten sich gerade mit schlimmen Dingen beschäftigen, da wurden sie von der Sargdeckel-Stimme unterbrochen, die einen weiteren Anlauf nahm. Angesichts ihres massigen Körpers wäre sie aber ohnehin nicht über die Hürde gekommen. Das schien das fette schwarze Pony nun auch einzusehen und entschuldigte sich für die fehlende Rede. Sie seien aber herzlich eingeladen ihre Fragen beim Essen zu stellen. Bei dem Wort „Essen“ glommen nicht nur seine Augen sondern auch sein kleines Horn auf der Stirn. Die anderen Ponys machten ebenfalls einen unangemessen Erwartungsvoll-gierigen Eindruck. Plötzlich hörte Mr. Bär ein Klacken neben seinen Füßen. Als er hinunterschaute entdeckte er einen... Zahn. Einen menschlichen Zahn. Langsam hob er den Kopf und betrachtete die Decke. Sie war weiß und glitzerte wie die Steinchen am Strand. Genau wie draußen zeigten die Ornamente Ponys bei verschiedenen Aktivitäten. Sie tanzten, sie lachten, sie sammelten... Zähne. Mr. Bär schluckte nicht vorhandenen Speichel runter. Konnte dies der Ort sein? Jener Ort auf den er so lange5 gewartet hatte? Der Ort an dem er Mr. Baguette für immer loswerden konnte? Mr. Bärs Augen begannen zu schimmern.
 

Mr. Baguette sah sich erneut von einer bunten Heerschar umringt. Alle quaselten wild durcheinander und bleckten ihre blanken Gebisse in ausgelassener Freude... das fand jetzt selbst Mr. Baguette etwas seltsam. Wie jeder gute Franzose, zumindest glaubte er das, erfreute er sich an einer guten Mahlzeit, doch diese bunten Gesellen schienen doch ein bisschen zu übertreiben. Es kam ihm fast so vor, als ob sie schon Lange nichts mehr zu beißen bekommen hätten. Vor allem das schwarze Pony wirkte trotz seiner Fettleibigkeit ziemlich ausgehungert. Was mochte es wohl geben? Konnte er angesichts ihrer Gastgeber auf Käse hoffen? Plötzlich rempelte ihn Mr. Bär an. Das war von ihm keinesfalls beabsichtigt, denn immerhin konnte Mr. Baguette nun ganz genau sehen, was er in seiner Pfote hielt. Einen menschlichen Zahn. „Oh, pardone Mone Ami, aber wo aste du diese Sahn gefunden?“

„Ehrm...“ antwortete Mr. Bär „Das ist... meiner... gerade ausgefallen. Tja.... wie dem auch sei, ich muss noch mal kurz an die frische Luft...“ Er versuchte sich aus der Masse an Vierbeinern zu befreien, doch Hufe, Flügel und Hörnchen hielten ihn in eisernem Griff. Überall schallte Gelächter und der Trupp bewegte sich zielstrebig in Richtung des nächsten Raumes. Des Speisezimmers, wie Mr. Bär und Mr. Baguette vermuteten6.
 

Mr. Bär fühlte wie ihm die Luft knapp wurde.... natürlich im übertragenen Sinn, denn für gewöhnlich war es nicht nötig, dass er atmete. Sobald sie den Raum betraten würde vielleicht auch Mr. Baguette erkennen was hier vor sich ging. Bis dahin musste er sich selbst dringen verdünnisiert haben. Abgesehen davon befürchtete Mr. Bär, dass bei der bunten Pest vielleicht auch auf Plüsch auf dem Speisezettel stand, immerhin waren sie Ponys und wenn man den Geschichten aus dem Streichelzoo glauben durfte, dann fraßen die doch alles.7 Hektisch schaute er sich um. Sie waren von allen Seiten eingekesselt, ganz hinten folgte ihnen das fette schwarze Pony wie ein Schatten aus der Hölle. Mr. Bär hatte nur eine Chance dem Ganzen zu entgehen. Und er würde sie nutzen.

„ICH VERURSACHE ZAAAAAAAHNSTEEEEEEEIIIIIIINNNNN!!!!!!!“ Es hallte durch den Raum, prallte von den Wänden ab und verursachte ein Echo. „ZAHNSTEIIIIN Zahnstein zahnstein...“ Alle Augen drehten sich zu ihm herum. Dann kam Bewegung in die Menge. Plötzlich hatten es alle Ponys sehr eilig von Mr. Bär wegzukommen, ihre Blicke sprachen Bände. Also hatte er richtig gelegen, diese Viecher fraßen Leute die auf ihre Insel kamen und bauten sich aus den Zähnen ihre Häuser. Nun brach das große Chaos aus, Ponys galoppierten und flogen über Mr. Bär und Mr. Baguette hinweg. Cremé Brühlee hatte alle Mühe sich festzuhalten und gleichzeitig 678 haarige bunte Körper zu zählen, die versuchten sich gegenseitig zu überholen sowie Fenster und Türen verstopften.
 

Als sich der Staub legte, kam Mr. Bär langsam wieder auf die Beine. Er ächzte wie ein altes Tür- Scharnier in einem Geisterhaus. Als er sich gerade abklopfte hörte er ein leises Fiepen. Es kam von Cremé Brühlee. Sie hing direkt über ihm an einem Kronleuchter aus Zähnen. Offenbar hatte Mr. Baguette sie hinaufgeworfen, in der Hoffnung sie könnte dort nicht zertrampelt werden. Von besagtem falschen Franzosen fehlte dagegen jede Spur. Mr. Bär spürte einen Ruck durch seinen Kopf gehen. Ob das wohl Zufriedenheit war? Er wusste nicht genau, wie die sich anfühlte. Aber er war fest entschlossen es herauszufinden. Schnellen Schrittes verließ er den Palast. Weit und breit waren keine bunten Gestalten mehr zu sehen, der ganze Weg bis zum Strand war frei. Unter Orientierungsproblemen würde er diesmal auch nicht leiden müssen, er konnte Kieselstein schon aus der Ferne sehen.
 

Am Stand angekommen war Mr. Bär so glücklich wie schon lange nicht mehr. Kein Mr. Baguette, kein neurotischer Hamster, kein Heimchen8 kein... er erstarrte. Das Boot war nicht so verlassen, wie es gewirkt hatte. Ein fröhlicher falscher Franzose saß darin und zwirbelte mit den Fingern in seinem lächerlichen Schnurrbart herum. „WAS ZUR HÖLLE MACHST DU HIER??? DU SOLLTEST PLATTGETRETEN SEIN!!!“ Mr. Bär bebte vor Wut. Sein Fell sträubte sich in alle Himmelsrichtungen und zitterte wie Grashalme während eines Sturms. Mr. Baguette schaute ihn verständnislos an. Dann erhellte sich seine Miene. „A, isch bine susamme mit die Pferdschen nach drauße getragen worden. Sie sine bis ier er glaufe. Da sieste du, sie verstecke sisch vor dir.“ Mr. Baguette deutete auf den Waldrand zu ihrer linken. Enorm viele Augenpaare waren waren schreckgeweitet auf sie gerichtet. „Die arme Pferdschen...“

„Arme Pferdchen??? Die wollten uns FRESSEN!!! Hast du nicht gesehen, dass der ganze Palast aus Zähnen gemacht war? Und hier...“ Mr. Bär fischte mit der Pfote ins Wasser. „Noch mehr Zähne!“ Mr. Baguette betrachte die kleinen weißen Beißerchen auf Mr. Bärs braunem Fell. Es dauerte ein paar Sekunden bis er verstand. „Bist du sischer, isch meine...“

„JA, Himmel ARSCHUND WOLKENBRUCH, so sicher war ich mir in meinem ganzen Leben noch nicht!!!“

„O, isch abe Cremé Brühlee im Palast surücklassen müssen. Isch ge'e sie 'olen.“

Mr. Bär dämmerte es. „Oh, sehr gute Idee. Ich bewache solange das Boot.“ Kaum hatte er es ausgesprochen, lief ihm ein Schauer über den Rücken. Es fiepte leise.

„Cremé Brühlee!!! Isch abe mir solsche Sorge um disch gemacht!“

Mr. Bär seufze tief und innig. Auf seinem Rücken hockte der Hamster und spähte ihm über die Schulter. Der Ruck der vorhin durch seinen Kopf gegangen war, war dann doch keine Zufriedenheit gewesen.
 

Als Mr. Baguette das Boot zurück ins tiefere Wasser schob, trauten sich die Ponys langsam wieder aus ihrem Versteck. Als es nur noch ein kleiner Fleck am Horizont war, traten sie endgültig hervor und flatterten zurück zum Palast. Das fette schwarze Pony hatte sich unter seinem Thron versteckt und hing nun fest. Es schaute sehr unglücklich drein. Ein blaues und ein lila Pony versuchten derweil es zu befreien. „Was haben wir nur falsch... chrm chrm... gemacht? Es ist so lange her, das wir Gäste hatten... vielleicht waren wir zu überschwänglich? *hust* Wir haben extra das große Käsebuffett aufgebaut. Das gab es schon seit Jahre nicht mehr... “ Die beiden anderen Ponys begannen ein bisschen zu sabbern „Kääääseeee...“ Sie strengten sich noch einmal richtig an und mit einem *Plop* war das schwarze Pony rausgeflutscht. Sichtlich erschöpft aber zufrieden schaute es sich in der Runde seiner Untertanten um. „Was sagt ihr, sollen wir *ächz* trotzdem feiern??“ Die Ponys jubelten Beifall „JAAAAAH ZAHNFEEE!!!“

„Und wir essen den Käse ganz alleine auf!!“

„HURRAAA ZAAAAHNFEEE!!!“
 

Mr. Baguette blinzelte. Er hatte plötzlich das ungute Gefühl etwas sehr Wichtiges in seinem Leben verpasst zu haben.

Mr. Bär, Mr. Baguette und die Königin der Knochen

Mr. Bär, Mr. Baguette und die Königin der Knochen
 

Das Meer lag ruhig und still vor ihnen, keine Welle brach sich an ihrem Boot. Doch langsam glitt es voran und so gelangten Mr. Bär und Mr. Baguette in Richtung einer neuen Insel. Auf den ersten Blick wirkte sie rund wie ein blankpolierter Kieselstein, bei genauerer Betrachtung war sie von Kratern und Rissen durchzogen und machte den Eindruck, als hätte man sie schon eine ganze Weile völlig verkommen lassen.
 

Gelber Nebel waberte über den Rand und sickerte ins Meer, was ihm eine giftige grüne Farbe rund um die Klippen verlieh.

„Land in Sischt, perfekt!“ rief Mr. Baguette und warf einen großen Stein ins Wasser, den sie anstelle eines Ankers mit sich herumschleppten. Mr. Bär hockte mies gelaunt im Boot und hätte am liebsten Mr. Baguette als Anker benutzt.

„Du willst mir nicht ernsthaft erzählen, dass wir diesen verkraterten Scheißhaufen von Insel betreten sollen, oder? Du bist verrückt!“ knurrte Mr. Bär wütend in sich hinein und rüber zu Mr. Baguette. Beides gleichzeitig.

„Warum nischt mon amie? Es scheint mir eine söne Ort su sein um eine kleine Rast su machen und ein paar Vorräte su sammeln.“

„Vorräte? Was denn, tote Eichhörnchen und giftige Frösche? Danach sieht es hier nämlich aus!“

Mr. Baguette ignorierte den Einwand und stieg über den Rand des Bootes. Als seine Beine ins Wasser rutschten begann es leise zu zischen.

„Oooouuuuhh!! Das brennt ja!!“ Mr. Baguette rannte los und wedelte dabei sinnlos mit den Armen.

„Was habe ich gerade gesagt? GIFTIG!“

„Du ast Frösche gesagt. Nischt giftiges Wasser!“ Mr. Baguette war an Land gegangen und betrachtete seine Hosenbeine. Sie hatten einige Löcher und an manchen Stellen stieg ein dünner Rauchfaden auf.

„Kommst du nischt?“ fragte er Mr. Bär. Der schaute ihn an, als ob Mr. Baguette gesagt hätte „Komm, trink eine Fasche Gift mit mir.“

„Bist du WAHNSINNIG??? Ein Schritt in diese stinkende Brühe und ich bestehe nur noch aus Watte und Stoffetzen!! Ah, das hättest du wohl gerne!“

„No, das ätte isch nischt gerne Mr. Bär. Isch überlege mir etwas.“

„Oho, das wäre ja ganz was Neues. Der fette falsche Franzose überlegt sich was.“

Mr. Baguette schaute ihn grummelig an und sah sich dann um. Außer zerfressenen Steinen und gelbem Nebel schien es nichts zu geben, dass ihm helfen könnte, Mr. Bär unbeschadet an Land zu bringen. Aber er konnte ihn auch nicht einfach im Boot lassen. Genaugenommen konnte er auch das Boot nicht dort lassen, es begann bereits leise zu zischen und zu brodeln. Mr. Baguette zog tief Luft ein, sein Schnurrbart kräuselte sich empört über die eigene Courage und mit ein paar schnellen Schritten stiefelte er erneut ins Wasser und zog das Boot. Die Säure setzte nicht nur seiner Hose zu, aber Mr. Baguette versuchte es zu ignorieren. Als er Mr. Bär und das Boot an Land geschafft hatte sackte er erschöpft zu Boden. „Isch glaube, du attest rescht. Ir werden wir nischts finden, dass uns elfen könnte auf unserer Reise.“ Er zupfte an seinen Hosenbeinen, die kaum mehr waren als Fetzen. Die Haut darunter war rot und juckte, aber sie war immerhin noch dran. Mr. Baguette hatte geradezu unverschämtes Glück.

„Toll, danke für die Erkenntnis. Und warum hast du mich dann an Land geholt? Wir hätten direkt wieder losfahren sollen!“ Mr. Bär setzte sich neben Mr. Baguette und strafte ihn mit bösen Blicken ob seiner Unfähigkeit oder einfach so, weil es eben Mr. Bär war. Mr. Baguette deutete auf das Boot. Der Boden war schon leicht porös geworden und es knisterte im Holz.

„Wir müssen versuchen das Boot su reparieren, sonst kommen wir nischt weit damit.“

„Großartig, einfach GROSSARTIG!!“ Mr. Bär stand auf. „Gut, dann lass uns mal Holz sammeln. Ich sehe da hinten ein paar Bäume.“

Mr. Bär stapfte los und versuchte dabei dem Nebel, der sich dick und gelb wie Sirup über den Boden zog möglichst auszuweichen. Das war ein unmögliches unterfangen und er hatte das Gefühl, dass ihm das Zeug etwas im Fell kribbelte. Wie Flöhe. Gelbe, nebelartige, fette Flöhe.

„Isch glaube der Nebel ist ebenfalls giftisch. Mon diöö, was für eine schlimme Sache!“

„Meinst du das ernst? Verdammte Scheiße, mein schöner Pelz!!“ Mr. Bär sprang im Dreieck und versucht möglichst wenig Kontakt zum Boden zu halten, was angesichts fundamentaler Prinzipien der Physik kaum umzusetzen war. Schwerkraft war ein blöder Sack.

„Nischt so schlimm wie das Wasser. Beruhige disch bitte.“

„Beruhigen?? Diese Insel frisst uns auf!!!“

„Aber nischt sofort!“

„Soll mich der Scheiß nun etwa beruhigen??!?“ Mr. Bär stand kurz vorm Explodieren. Wenn seine Füße Raketenantrieb hätten, dann wäre er inzwischen zum Mars geflogen. Mit Raketenantrieb wäre er allerdings auch nicht in dieser Lage sondern würde im wahrsten Sinne des Wortes über den Dingen schweben. „Verdammter Mist!“
 

Sie stapften eine Weile über die karge Landschaft, tiefe Krater durchzogen den Boden, es schien fast so, als hätte der Nebel tiefe Rillen in den Stein gezogen, über den sie nun liefen. Das war sogar sehr wahrscheinlich. Schließlich näherten sie sich den vermeintlichen Bäumen.

„Das sind keine Bäume“ stellte Mr. Bär sachlich fest.

„D...Da... Das sind KNOCHEN!“ Mr. Baguettes Schnurrbart stellte sich steil nach oben und zitterte wie eine Gitarrensaite.

„Und?“

„Da... Das waren sicher einmal Menschen!“ Mr. Baguette deutete auf ein paar Schädel, aus denen Knochen wie Äste wuchsen. Vermutlich steckten die Knochen eher in den leeren Augenhöhlen, aber das Bild passte.

„Du bist echt leicht zu erschüttern, weißt du das eigentlich? Eine weitere deiner nervigen Eigenschaften.“ Mr. Bär blieb völlig unbeeindruckt, bis... „VERFLUCHT NOCHMAL, mit Knochen lässt sich das verschissene Boot nicht reparieren!!“

„Da.. Das ist nischt unser einsiges Problem!“ Mr. Baguette zittere und deutete auf eine Höhle in ein paar Metern Entfernung. Heraus traten einige Skelette, die mobilere Version der artistisch beeindruckenden, jedoch ästhetisch abstoßenden Bäume.

„Wa... Was sollen wir jetzt tun?“ Mr. Baguette versuchte sich hinter Mr. Bär zu verstecken. Dieser trat einen Schritt zur Seite. Mr. Baguette plumpste wie ein Kartoffelsack zu Boden und schnellte hoch wie eine Sprungfeder. Der gelbe Nebel biss in seine Fingespitzen.

„Wir machen einfach das, was du sonst immer vorschlägst. Lass uns Hallo sagen!“ Mr. Bär verzog die Schnauze zu einem bösartigen Grinsen und trat einen Schritt vor. „HAAAALLLOOO KNOCHENKÖPPE!“

„Tu das nischt!!“

„HAAAAALLOOOOOO, FINDET IHR ES HIER AUCH SO SCHEISSE WIE ICH??“

„Mr. Bär, hör doch bitte auf! Sie werden noch wütend auf uns!“ Mr. Baguette vergaß seinen falschen Akzent.
 

Die Skelette näherten sich ihnen weiter und hielten schließlich an. Sie musterten die beiden Besucher mit aufmerksamem Blick. Wobei man das nur vermuten konnte, immerhin hatten sie keine Augen. Dafür trugen Sie bunte Gewänder, die jedoch in Fetzen von ihren... Knochen hingen. Auch eine Auswirkung des Nebels. Mr. Baguette schauderte.
 

„Seit gegrüßt Fremde! Wir haben schon so lange keine Besucher mehr gehabt!“

„Ihr seit noch nicht lange hier, man sieht es euch an!“

Es sollte vermutlich wie eine freundliche Begrüßung klingen, aber es hatte mehr von einer Grabesrede.
 

„Wir sollten Sie zur Königin bringen!“

„Ja, zur Königin!“

„Neues Fleisch!!“
 

Mr. Baguette zuckte zusammen und sah sich suchend um. Er wusste nicht wonach er suchte, aber sein Unterbewusstsein dachte an „Notausgangsschild.“ Um ihn herum gab es aber nur steinigen Boden, Knochenbäume, Skelette und den allumfassenden Nebel. Als Knochenhände nach ihm griffen lies er sich nach vorne in Richtung der Höhle schubsen. Man könnte in diesem Zusammenhang von sanfter Gewalt sprechen, aber er hatte nie verstanden, dass das denn heißen soll. Entweder man war sanft oder es gab Gewalt.
 

Auf dem Weg in die Höhle sah sich Mr. Bär aufmerksam um. Er sondierte die Lage und prüfte seine Optionen. Eine erstaunliche Leistung für ein Gehirn, dass aus Watte besteht. Es gab nur einen Eingang durch den sie gerade kamen, die Wände waren niedrig und an den Wänden hingen überall Kerzen anstelle von Fackeln, die gerade genug Licht gaben, damit man nicht über die eigenen Füße stolperte. Als sie den Gang verließen kamen sie in eine gigantische Höhle mit Wänden so hoch wie Industrieschornsteine, überzogen mit tausenden von Kerzen. Alles lag in schummrigem Licht und überall tummelten sich Skelette, große und kleine. Sie saßen auf Bänken und an Tischen, sie gingen arbeiten nach, tauschten Kerzen aus, setzten Knochen zusammen und über allem thronte die Königin auf einem Gebilde aus porösem Kalkstein. Mr. Bär war erstaunt, dass es kein Knochen-Thron war. Er registrierte ein feines Rinnsal, dass durch den Kalk schimmerte.
 

„Was tut ihr alle hier?“ fragte Mr. Bär das Skelett zu seiner Linken. Es war recht groß und trug einen alten Zylinder auf dem Schädel.

„Wir sind“ antwortete es.

„Was soll das heißen, ihr seid? Was seid ihr?“

„Existent.“

„Hm...“ Mr. Bär dachte kurz nach. „Willst du sagen ihr lebt, oder ihr existiert? Meiner Erfahrung nach ist das ein großer Unterschied.

Das Skelett sah ihn stumm an. Auch ihre anderen Begleiter schwiegen.
 

Die Königin war wie zu erwarten ebenfalls ein Skelett, eine dürre Gestalt mit bleichen Knochen, die im Licht der Kerzen gelb schimmerten. Sie trug ein rotes Kleid aus feiner Seide, das völlig frei von Säureflecken und Löchern war. Auf Ihrem Schädel erhob sich ein zartes Geflecht aus goldenem Draht in das Diamanten, Rubine und Smaragde eingeflochten waren. Mr. Bärs Augen schimmerten beim Anblick vor Gier. Er hatte sich nie viel aus Geld und Gold gemacht, aber er hatte das Gefühl, dass die olle Knochentante ihm einen ausgesprochen angenehmen Lebensabend finanzieren konnte. Auf einer kleinen Insel. Ganz allein. Ohne Mr. Baguette. Während er so darüber nachdachte und gedanklich in die Ferne schweifte sprach Mr. Baguette aus, was jeder denken würde: „Wie ist es möglich dass ihr...“

Die Königin ergriff das Wort: „Schweigt! Ich kann die Frage in euren Augen sehen. Wie ist es nur möglich, dass wir so existieren? So wieder die Natur?

Dieses Land war schon immer lebensfeindlich, es gab nur wenig fruchtbaren Boden den wir bestellen konnten, wenige Quellen aus denen wir Wasser schöpften. Und dann, vor einigen Jahren, kroch der Nebel aus den Bergen. Er schälte die Rinde von den Bäumen, er vergiftete den Boden und er fraß das Fleisch von den Knochen meiner Untertanen. Nun sind wir hier, Gefangene unter der Erde. Nur meine Magie hält sie alle am Leben.“

Die Königin seufzte tief. Es war ein dunkler, kehliger Laut der ohne Hoffnung schien.

Mr. Baguette schauderte. Er hatte mehr gehört, als er Jemals wissen wollte. Er fühlte eine wirre Mischung aus Mitgefühl und Furcht, ordentlich gewürzt mit einer Portion Ekel.

Mr. Bär war ins hier und jetzt zurückgekehrt und antworte auf seine höchst eigene, mitfühlende Art: „Aha. Danke für deine Lebensgeschichte, nach der ich nicht gefragt hatte. Du brauchst wohl noch ein paar Übungsstunden im Augen-Lesen.“

Mr. Baguette sah ihn schockiert an, die Königin aber lächelte nur stumm. Genau genommen grinste Sie, immerhin hatte sie keine Lippen über Ihren Zähnen, aber man hatte das Gefühl, dass es ein Lächeln sein sollte. „Der kleine Bär ist ungehalten.“

„Bitte nehmen Sie es ihm nicht übel, er ist normalerweise nicht... nun, er ist normalerweise immer so, aber er meint es nicht böse“ sagte Mr. Baguette und rieb sich nervös den Hinterkopf.

„Doch, das tue ich!“

„Tust du nicht!“

„Doch!“

„GENUG!!!“ Die Stimme der Königin donnerte durch den unterirdischen Thronsaal und kam als Echo zurück „NUG“ „UG“ „Ug „ug“ „ug“

„Na, da laus mich doch der Affe!“ rief Mr. Bär und Mr. Baguette schlug ihm schnell die Hand vor die Schnauze.

„Mir scheint, der haarige kleine Herr Bär will mich verhöhnen!“

„Nein, ganz gewiss nicht. Er ist nur... er ist... er leidet an... wie heißt diese Krankheit bei der man ständig böse Dinge sagt?“

„Ehrlichkeit“ antwortet Mr. Bär.
 

„Nun sieh dir nur an wo wir gelandet sind!“ Mr. Baguette drehte ein paar Runden in einem sehr engen Kreis, denn beide steckten im Kerker. Die Gitterstäbe bestanden pikanterweise aus Knochen. Der Eimer Wasser in der Ecke ebenfalls. Und auf dem Boden lag Stroh.

„Warum liegt denn da Str...“ begann Mr. Bär und Mr. Baguette stieß einen tiefen Ton aus, der so gar nicht nach ihm sondern mehr nach einer jaulenden Katze klang. „Wir sind Gefangene auf einem zerfurchten Felsen in einem Kerker aus Knochen, in einer Höhle bewohnt von Knochen, regiert von Knochen, umringt aus Bäumen aus Knochen und eingehüllt in fleischfressenden Nebel! Ist dir das eigentlich klar??“ Mr. Baguette hatte seinen falschen Akzent in eine Schublade gesteckt und diese ganz fest in den Schrank gedonnert.

„Ist mir aufgefallen. Und es ist allein deine Schuld!“ Mr. Bär grummelte vor sich hin. Der falsche Franzose hatte sie doch in diese Lage gebracht, nicht wahr? Er wollte ja unbedingt einen Landausflug machen.

„Meine Schuld? Ich wollte doch nur... nein... du hast recht.“

„Äh... WAS?“

„Du hast recht. Ich hätte nicht an Land gehen sollen. Es ist meine Schuld und ich hätte dich nicht vor der Königin sprechen lassen dürfen. Ich weiß ja wie du so bist.“

„Ganz recht da... moment! Ist das jetzt ein Schuldgeständnis oder eine versteckte Anschuldigung?“ Mr. Bär räusperte sich laut.

„Ich... was?“

„Vergiss es. Ich bringe uns jetzt hier raus. Es ist schlimm genug mit dir in einem Boot zu sitzen, aber in einer Zelle? NEIN DANKE!!“

„Mr. Bär...“

„Ich habe einen Plan. Siehst du den Eimer?“

„Er besteht aus... Knochen.“

„Und Knochen kann man brechen. Dann werden sie spitz und wir können die Gitterstäbe aus dem Boden herausgraben.“

„Aber... der Boden besteht aus massivem Stein.“

„Ahnungslos wie immer du fetter Vollidiot. Das ist Kalkstein! Der ist so weich, meine Oma könnte den ohne Zähne zerkauen!“

„Du hast eine Oma?“

„Ggggggnnnnnnnn!!! Zertrümmer den Eimer, nun MACH SCHON!!“
 

Es hatte ein paar Stunden gedauert, aber sie waren recht erfolgreich der Zelle entkommen. Mr. Bär hatte recht gehabt, der Kalkstein hatte ihren Bemühungen um Freiheit nicht lange standhalten können. Da die Zellen oberhalb des Thronsaales angebracht waren konnten Mr. Bär und Mr. Baguette nun alles von oben überschauen ohne selbst gesehen zu werden.

„Wie ich es mir gedacht habe! Siehst du den Thron auf dem die Knochenkönigin sitzt? Er besteht ebenfalls aus Kalkstein“ Mr. Bär robbte etwas vorwärts um genauer hinzusehen.

„Und das heißt...?“

„Ich habe vorhin etwas bemerkt als wir vor ihr standen. Einen gelben Schimmer im Stein.“

„Könnte es das Kerzenlicht gewesen sein?“

„Nein, es war etwas anderes, es sah aus wie der Nebel, nur flüssiger.“

„Worauf willst du hinaus Mr. Bär?“

„Ich wette mit dir um all die Fussel in meinem nicht vorhandenen Bauchnabel, dass es die Königin ist, die den Nebel erschaffen hat!“

Mr. Baguette zog überrascht die Luft ein „Bist du sicher?“

„Überleg doch mal selbst... ja gut, ich weiß, dass fällt dir schwer... warum sind sie alle hier?“

Mr. Baguette blickte über den Thronsaal. Skelette wohin das Auge reichte. Skelette und Kerzen.

„Sie leben hier.“

„Das meinte ich nicht. Warum sind sie HIER? Du weißt was die Königin gesagt hat, das Land war auch schon vor dem Nebel lebensfeindlich! Warum haben sie es nicht verlassen?“

„...“

„Denk mal scharf nach Mr. Baguette, warum wohl?“

„Ich weiß es nicht... vielleicht... weil sie Skelette wurden?“

„BINGO, ein Fleiß-Sternchen für den Vollidioten. Weil Sie Skelette wurden. Die Königin hat ihre Untertanen vom Nebel fressen lassen und sie so an sich gebunden! Mit ihrer Magie erhält sie alle am Leben. Wobei Leben nicht das richtige Wort ist. Sie existieren. Ich glaube ihre Seelen stecken in Wahrheit in den Kerzen.“

„Wie konnte sie ihrem Volk so etwas nur antun?“ Mr. Baguette sickerten Tränen des Unglaubens in die Augenwinkel.

„Kein Herrscher ohne Untertanen, keine Macht ohne Machtlosigkeit.“ Mr. Bär grinste grimmig „Ich hätte nicht gedacht, dass wir einmal an einen solchen Ort kommen würden.“

„Ich hätte es mir auch nicht gewünscht. Wenn wir nicht fliehen können... dann werden wir so wie sie.“ Mr. Baguette schauderte.

„Ganz recht! Aber denk nochmal nach. Wenn wir die Königin töten...“

„WAS?? NEIN!!!“ Mr. Baguettes Schnurrbart rollte sich empört nach oben.

„Wir haben keine Wahl!! Sie erzeugt den Nebel! Wir können nur entkommen, wenn wir die Insel davon befreien!“

„Das... Das kann ich nicht...“ Mr. Baguette sackte in sich zusammen und schien ein paar Zentimeter kleiner zu werden.

„Überlass das mir!“ Mr. Bär rieb entschlossen die Pfoten aneinander. Er sah sich um und entdecke einen Riss im Stein. Er verlief einmal quer über die Decke und endete so praktisch über dem Thron, dass der Gott der Handlung selbst ihn erschaffen haben könnte.

„Wenn ich den Riss hier erweitern kann, dann müsste sich der Effekt bis zur Decke ausbreiten und die herabfallenden Steine werden die Königin unter sich begraben. Verdammt schade um die schöne Krone.“ Mr. Bär nahm einen der angespitzten Knochen mit denen sie aus der Zelle entkommen waren und setzte ihn an.

„Nein!! Das kannst du nicht machen, du wirst sie alle umbringen!!“ Mr. Baguette versuchte ihn aufzuhalten, aber Mr. Bär trat nur locker einen Schritt zur Seite.

„Sei kein IDIOT!! EINMAL IN DEINEM LEBEN, SEI KEIN IDIOT!!! Siehst du das denn nicht... sie sind bereits alle tot. Und ich meine nicht, dass sie nur aus Knochen bestehen“ Mr. Bär machte eine ausholende Geste „SIEH SIE DIR AN!!!“

Mr. Baguette lies den Blick nach unten schweifen. Er sah Skelette die an Tischen und auf Bänken saßen, solche die Kerzen austauschten... genau wie zu dem Zeitpunkt, an dem sie die Höhle betreten hatten. Ganz genauso. Sie verharrten auf Ihren Positionen als wären sie dort festgewachsen. Bis auf wenige, die sich durch den Raum bewegten war alles still. Kein Laut kam herauf, keine Stimmen die miteinander sprachen, kein Lachen, kein Weinen, so viele Wesen dort unten und es schien kein Leben darin zu sein. Mr. Baguette seufzte. Er konnte das nicht beenden, aber Mr. Bär konnte es. Mr. Baguette hörte ein lautes Krachen, blickte zur Decke und sah die Felsen in die Tiefe stürzen. Dann wurde alles dunkel.
 

„Es ist erstaunlich wie wir es bis zum Eingang geschafft haben. Mit einem Holztisch zur Reparatur des Bootes.“ Mr. Bär stand am Rande der Höhle, unter den Arm geklemmt einen halben Tisch.

„Du hast es wirklich getan...“ Mr. Baguette stand hinter ihm und hielt die andere Hälfte des Tisches hoch. Draußen herrschte ein graues Wetter vor, der Nebel war nur noch ein Hauch der bald vollständig verschwunden sein wird.

„Natürlich, es war unsere einzige Chance.“

„Du hast sie alle...“

„Jetzt hör mir mal ganz genau zu! Du hast es selbst gesehen, sie waren nicht am Leben! Was nicht lebt kann man nicht töten!!“

„...aber...“

„Es war auch für mich ein beschissener Tag, alles klar?“ Mr. Bär packte den Tisch etwas höher und stiefelte los.

„Ja“ Mr. Baguette beeilte sich Schritt zu halten. Er würde es sicher nicht vergessen können, aber er verstand nun Mr. Bär ein wenig besser. Und er gab ihm Recht. Existenz und Leben sind nicht das selbe. Sie würden ihr Boot reparieren und sich wieder auf die Reise machen. Vielleicht zu einem etwas erfreulicheren Ort.

„Oh no, isch abe vergessen su fragen, ob sie Käse aben!!“

„GOTT NEIN, warum hast du den falschen Akzent wieder ausgepackt! Ich habe genau gehört, dass du ihn nicht brauchst!!!“

„Doch, isch brauche i'n sehr wo'l. Isch fü'le misch damit me'r... lebendig.“

„Du bist und bleibst ein Vollidiot, weißt du das eigentlich?“

„Ouwie, aber isch bin glüklisch damit.“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (42)
[1] [2] [3] [4] [5]
/ 5

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Snu
2011-08-30T12:48:59+00:00 30.08.2011 14:48
Ende des ersten Teils.
Dann freue ich mich mal auf den zweiten. =)
Von:  Snu
2011-08-30T12:46:06+00:00 30.08.2011 14:46
„WAS IST??“ rief er nach oben. „KANN MAN HIER NICHT MAL NE RUNDE IN DEN WALD KACKEN, OHNE DASS EINEM JEMAND DABEI ZUGUCKT?“
Tolle Ausrede XD

Die alte Sumpfhexe antwortete nicht. Sie konnte es nicht, da ihr Gehirn, wie bei allen Hexen, ausgerechnet über das Trommelfell gesteuert wurde ...
*lol* Da wäre sie bei einem Rattenfänger ja ganz vorn dabei. XD Die Idee finde ich interessant. Darf sie da eigentlich Musik hören ... oder gibt es so etwas auf Transblubblien nicht (außer Horrorklänge ohne Singstimme)?

„Vor 117 Jahren, Transblubbien war noch ....
Wie alt werden Piratten eigentlich?
Von:  Snu
2011-06-19T22:32:43+00:00 20.06.2011 00:32
Eine Todesfee, die auf Stofftiere steht ist irgendwie witzig. Aber wo bleibt da das Todesfeen-Klischee? XDD

"Kaum drei Schritte weiter ging Mr. Baguette auch schon die Puste aus."
Mr Baguette ist ja eine richtige Sportskanone. XD

"Düsteres Licht drang durch die Tür und zog seinen Schatten auf die Länge eines ausgewachsenen Yetis."
Seit wann wirft Licht Schatten ... ups .. in Transblubblien geht das natürlich. = P

"... , dass sich durch einen Jungel von Ohrenhaaren wühlte. "
Ist ein Jungel noch schlimmer als ein Dschungel oder ein wenig besser?

"Vom Hellsehen seufzte. „Also gut, isch dreh misch jetzt um und seh nüscht, verstehtste? Aber wenn's net klappt, gelle, dann kenn isch disch net un du misch au net.“ Er drehte sich auf dem Absatz herum und ging die ersten Stufen wieder hinunter. „Und versau's net!“"
Vom Hellsehen ist aber sehr schnell umzustimmen. =)
Von:  Snu
2011-02-02T22:37:57+00:00 02.02.2011 23:37
"Weiter oben auf dem Hügel ließen die Dorfbewohner ihre Mistgabeln und Fackeln sinken und hoben die Bierkrüge, die zur Feier des Tages herbeigeschafft worden waren."
Die Dorfbewohner sind aber SEHR mobil (inkl. Bier & Co). O.o

"Ein eder, der sich vor ihnen auf einem Baum geflüchtet hatte, ..."
Was ist ein "eder"? Oder meinst du jeder und deine Tastatur wurde von deiner Kreativität angesteckt?

"... angehenden Herrscher der Welt so rüde an den unantastbaren Fühlern zu packen! Du Wurm! Du Ratte!!"
Ach, nein. Überbiss ist keine Ratte, das ist ein Maulwurf. XDDD

"Sein Gemüt war so hitzig, man hätte auf dem Sargdeckel Spiegeleier braten können."
Und warum tut das dann niemand? Wäre doch praktisch, eine Pfanne und dann die Eier und los gehts! XDD





Von: abgemeldet
2010-12-12T17:19:02+00:00 12.12.2010 18:19
Hahaha wie geil XD
Hab gerade meine FavoListe geräumt und nach neuem Inhalt für sie gesucht und was finde ich hier XDXDX

Genial die Story, ich hab mich jetzt schon nicht mehr eingekriegt XD
Der Hamster hahahah wie kommt man denn auf sowas Krankes XDXX

Geile Story
Von:  Aster
2010-12-12T11:34:40+00:00 12.12.2010 12:34
Oh mein Gott O__O
Mister Baguette! Warum nur!! TAT
Die Geschichte nimmt ja tragische Formen an O__O
(Auch wenn ich mal nicht annehme, dass ihm echt was passiert ist...)
Na ja, über mangelnde Spannung kann ich mich jetzt jedenfalls nicht mehr beschweren :3
Sehr gut ^^
Von:  Snu
2010-07-26T20:40:42+00:00 26.07.2010 22:40
"Die Wände begannen rot zu glühen. Die Bauern hatten die Mühle in Brand gesetzt.

„War ja klar...“"
Das war jetzt wirklich SEHR klar. ^^
Von:  Snu
2010-07-26T20:27:01+00:00 26.07.2010 22:27
"... beschäftigt Entschuldigungen auf Halb-bis-gar-nicht-Französisch runterzuleihern"
Die neue Sprache XDD


"Oh, Hallo Onkel, du hast uns die Nummer mit dem Amulett doch nicht etwa krumm genommen? Doch? "
Damit du den normalen Film-Klischees treu bleibst, oder?


"Er versuchte immer wieder dem Werwolfvampir in die Vorderläufe zu beißen, aber es war, als ob man jemanden mit Wattebäuschchen knuffen würde."
*lol* ein beißender Teddy-Bär. XDDD Muhahahahah
Von:  Snu
2010-05-29T22:02:06+00:00 30.05.2010 00:02
"Ich wollte immer mal wieder nach euch sehen, aber irgendwie haben wir beim Plündern nie das richtige Dorf erwischt." Hahaha, sehr witzig. XDDD

"„Genau wie meine Mutter.“ Flip Flop blickte ärgerlich in die Augen seines Rattenvaters."
Irgendwie habe ich hier einen Satz erwartet wie: ...ärgerlich in die Augen seines Raben... äh Rattenvaters.

"Dave war nun mal einer der ganz alten und mächtigen Vampire. Und er war keineswegs so taktvoll wie die Typen in den aktuell sehr weit verbreiteten Romanen."
Jaja, diese weit verbreiteten Romane ... IMMER total wahrheitsgemäß. XD

Von:  Snu
2010-03-27T00:12:24+00:00 27.03.2010 01:12
"„Mein Sohn!“ sagte der Kapitän „Ich freue mich so dich endlich kennen zu lernen!“"
Welch interessante Wendung ... *interessier*


Zurück