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Die Abenteuer von Mr. Bär und Mr. Baguette

von

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Countdown

Mr. Bär wusste, dass dies das Ende war. Denn er ging grundsätzlich davon aus, dass das Ende gekommen war. In diesem Fall lag er richtig. Es war das Ende des letzten Rest seiner Würde.

Er war der Gefangene einer Todesfee die auf Stofftiere stand. Damit hätte keiner rechnen können. Solche Dinge geschahen für gewöhnlich nicht. Und genau das fuchste ihn fürchterlich, denn so wie sein Leben bisher verlaufen war, hätte er es vorhersehen müssen. Er befand in einem Raum voller flauschiger Freunde. Sein Maul war zugenäht, seine Pfoten in dekorativer Verrenkung zusammengebunden. Er trug ein ordinäres Badelaken um die Hüften und reckte unfreiwilliger Weise einen Olivenzweig in die Höhe. Dies war nun schon der 20 Satz Fotos den Steffi die Todesfee von ihm machte. Er hütete sich davor auch nur zu denken, dass es nun nicht mehr schlimmer kommen konnte.
 

Draußen rumpelte es. Der Klang hallte durch leere Schlafzimmer, Kinderstuben und Teesalons, vorbei an alten Ritterrüstungen, verfing sich in ausgefranzten Samtvorhängen und waberte über ungepflegte Fliesenböden. Doch keine Armee voll tapferer oder zumindest gut bezahlter Soldaten war zu seiner Rettung herbeigeeilt, nein, lediglich eine alte Waschmaschine rumpelte und rasselte in der fernen Waschküche als ob draußen die Welt unterginge. Ein knallrosa Blümchenkleid, voll mit weißen Seifenflecken und mit reichlich Rüschen an Saum und Ärmeln klebte an der Innenseite der nassen Waschmaschinenscheibe. Langsam waberte es hin und her und zuckte wie eine Heuschrecke mit Epilepsie, wann immer ein anderes Wäschestück den Saum streifte. Für Mr. Bär war der Weltuntergang bereits gekommen. Er hätte alles dafür gegeben seine aktuelle Situation gegen eine andere zu tauschen. Selbst wenn die Situation die er bekommen konnte eine weitere Fahrt im Ruderboot Kieselstein war, an der Seite von Mr. Baguette. Selbst das war besser.
 

1.
 

Mr. Baguette ahnte nichts von den Unannehmlichkeiten in denen Mr. Bär steckte. Oder er ahnte sie und konnte sie nicht richtig einordnen. Noch immer stand er mitten in der Wohnung des alten Vom Hellsehen der ihm gerade offenbart hatte, dass er im Besitz des Amulettes war, dass ihnen bisher den ganzen Ärger beschert hatte... obwohl sie das Original eigentlich nie zu Gesicht bekommen hatten. Mr. Baguette betrachtete es so aufmerksam wie es ihm und seiner geistigen Kondition möglich war. Es reichte für ein paar Details. Das Amulett hatte in etwa die Größe seiner Handfläche. Ein großer roter Rubin steckte in der Mitte und der Rand war 4mal sichelförmig, aber jedwede weitere Beschreibung oblag nicht Mr. Baguettes Stärke. Er dachte es war insgesamt ganz hübsch, aber es strahlte nicht unbedingt mythische Energien ab. „Was soll isch tun?“ fragte er seine Hand, die das Amulett hielt und schüttelte es ein wenig hin und her. Abgesehen von einem leisen *Pling* passierte nichts.

„Ei, man muss es dem aalle Babsack nur zwischen de Zähne schieben. Wenn er's dann zerbeiße dud, dann hattes sisch ausgesaugt, da brauchsten Staubbeuddel, sonst is er vom Winde verweht, ne... a propos vom Winde, isch war emal im Winder drauße an dem Wasserfall un...“

„Ouwie. verstehe... glaube isch“ unterbrach ihn Mr. Baguette. Sonst war er nicht so unhöflich, aber irgendwie ertrug er diesen Dialekt nicht. „Kann isch es mitnehmen?“

„Wo denkst du hin?? Natürlisch net! Wenn de Dave et in de Krallen krischt, dann Gnade unsch der Godd der Handlung!“ Mr. Baguette schauderte. Er kannte den Gott der Handlung nur zu gut. Er war eine Sie und hatte abstehende Haare und eine viel zu große Nase. Sie hatte sie bereits zu Holly Wood und auf die Insel der singenden Parkzettelautomaten geschickt. Nicht auszudenken was sie ihnen noch antun konnte. Gnade und Käse konnte er wohl nicht erwarten. Ein bisschen hoffnungsvoll wand er den Blick gen Zimmerdecke, doch diese schwieg.

„Aber isch brauche es. Wir müssen den Vampir besiegen und dann können wir weiter nach Käse suchen. Isch glaube wir schaffen es. Du kannst mitkommen und aufpassen!“

„Isch hab det Tal hier so lange net verlasse, ich werde et auch jetzt net tue! Jahrelang bin isch sene Fäng entkomme und nu kommst du da deher und verlangst von mer, dass sich de ganse Insel dem Unnergang weihe! Des ist Sparta! Äh, WAHNSINN!!“ Vom Hellsehen war unter den tausend Schichten seiner Kleidung so rot angelaufen dass er einem Radieschen Konkurrenz machen konnte. Er dampfte förmlich. Mehr noch als die Suppe im Kessel über dem Feuer.

„Ist das nisch ein bisschen... übertrieben?“

„Verflucht NEIN, ist es NICHT!!“

In Mr. Baguettes Kopf ratterte es. Er fragte sich in erster Linie, wie er den alten Mann davon überzeugen konnte, seinem Anliegen nachzugeben. Doch er kam zu keinem Ergebnis. Nun stritt sich seine Moralvorstellung mit seinem Wunsch seinen Freunden zu helfen und etwas Gutes zu tun... sofern ein Vampirmord etwas Gutes war, was ein Teil von ihm auch schwer bezweifelte. Als Moral und Wunsch begannen sich gegenseitig mit ihren Fingernägeln das metaphorische Gesicht zu zerkratzen, kam Mr. Baguette zu dem Schluss, dass er sich das Amulett einfach nur kurz ausleihen würde. Und danach um Erlaubnis fragen. Für ihn war das ein sehr weiter Schritt nach vorn, über die imaginäre Planke. „OH, se'en Sie nur, 'err Vom Ellse'en, Inter I'nen!“ Mr. Baguette deutete aufgeregt hinter den kleinen alten Mann.

„Hä?“ Er drehte sich um sich selbst und stolperte dabei über seinen Schal.

Mr. Baguette nahm im übertragenen Sinne die Beine in die Hand, stürzte los und ab durch die Tür.

„Du BABBSACK!!!!“ schallte es hinter ihm her.

Kaum drei Schritte weiter ging Mr. Baguette auch schon die Puste aus. Doch zum Glück erging es Vom Hellsehen ganz genauso. Er kam aus seiner Hütte gestolpert und warf mit Kleidungsstücken nach Mr. Baguette, die er gerade von seinem Körper schälte. Auch nach drei Mänteln trug er immer noch einen.
 

2.

Es war Mittag. Am Himmel stand eine strahlende Sonne, doch im Sumpf herrschte ein diesiges Zwielicht, eine Mischung aus Nebel und Hafergrütze, in der eine Taschenlampe steckt. Flip Flop holte tief Luft. Dann klopfte er. Hinter ihm gingen Cremé Brühlee, Erdpferd und Dr. Seestern in Deckung. Keine Reaktion. Er klopfte ein weiteres Mal und die Tür sprang knarrend auf und schwang nach innen.

„Uuuuuunheimlich...Klischeehaft“ flüsterte die kleine graue Ratte und warf einen einäugigen Blick ins Innere der Hütte. Düsteres Licht drang durch die Tür und zog seinen Schatten auf die Länge eines ausgewachsenen Yetis. Er schnupperte kurz. Es roch nach Essig, abgebrannten Kerzen, Pferdesalbe und nach alten Leuten. Staub tanzte in der Luft, aufgewirbelt von den hölzernen Regalen, vollgestopft mit Gurkengläsern in denen nicht nur Gurken schwammen. Angewidert schaute Flip Flop in die andere Richtung. „Soll ich dir erklären, was Pferdesalbe ist?“ fragte Dr. Seestern, der neben ihn getreten war.

„Nein, Danke...“ zischte Flip Flop zwischen den Zähnen hervor und hielt sich dann eine Kralle vor die Zähne „Psssst!“

„Offensichtlich ist niemand zu Hause. Sonst hätte man mir längst gehuldigt!“ quäkte Erdpferd aus dem Hintergrund. Cremé Brühlee tappte demonstrativ mit der Pfote auf ihn drauf. Er machte „Pfffffffh.“

Flip Flop trippelte durch die Tür. Seine Pfoten hinterließen kleine Abdrücke auf dem staubig braun-grauen Holzboden. Es sah aus, als wäre seit Jahren niemand mehr in dieser Hütte gewesen. Spielte ihm sein Auge einen Streich? Als er die alte Schleiereule nach dem Amulett gefragt hatte, da war es doch nicht so... verlassen gewesen? Oder etwa doch?

„Willkommen.“

Die Stimme kam aus dem Off. Sie schwang über den Boden wie Tarzan an einer Liane und lies den Staub vibrieren. Flip Flops Fell sträubte sich in alle Himmelsrichtungen und er war kurz davor einfach umzukippen. Er machte ein paar tapsige Schritte zur Seite und holte nochmals tief Luft. Das hätte er lieber lassen sollen, denn es folgte ein lautes Keuchen und Würgen. Er ärgerte sich, das er es nicht hatte kommen sehen.

„So schrecklich ist meine Stimme nun auch wieder nicht. Du kennst sie, warst doch neulich erst hier, nicht?“ Die alte Schleiereule trat aus dem Schatten hinter ihrem großen dunklen Tisch. Ihre Augen funkelten amüsiert und ein klein bisschen... hungrig. Sie war die letzte Hexe in ganz Transblubbien. Da konnte man schon ein bisschen.. komisch werden. Außerdem trug sie eine Kittelschürze mit Blumenmuster.

„Jaaaah. War wohl so...“ keuchte Flip Flop und versuchte den Schrecken aus den Gliedern zu kriegen.

„Auf die Knie mit dir, hässliches Weib! Du stehst dem mächtigsten Wesen des Planeten, ach was sage ich, des Universums gegenüber!!“ donnerte Erdpferd, der sich unter der Hamsterpfote raus und ins Rampenlicht des Augenblicks gedrängt hatte. Aber er war nun mal ziemlich klein.

„Hörst du auch dieses Fiepen?“ fragte die alte Hexe und klemmte die schwieligen Hände hinter die haarigen Ohrmuscheln.

Flip Flop warf einen bösen Blick in Richtung Erdpferd. Es sollte doch bei Nicht-Erfolg seiner Überredungskünste in ihr Ohr kriechen und ihr was vom Pferd... nein, vom Vampir erzählen. Mit ein bisschen Glück hörte sie auf die Stimmen in ihrem Kopf.

„Ähm, ja, das war ich. Fiep Fiep... haha, lustig was. Ich bin eine Ratte.“ Er sagte es mit einem so verlegen schiefen Grinsen, noch schiefer und es wäre auf den Boden gefallen. Dazu schwitze er nervös in seinen Pelz.

„Warst du nicht beim letzten Mal noch ein Vampir?“

„Das ist ne lange und sinnlose Geschichte. Ich wurde so geboren, verwandle mich am Tag in eine Ratte. Hm... das war doch keine lange Geschichte.“

„Das ist interessant. Und selten.“

„Ja, Selten dämlich!“ lachte Erdpferd im Hintergrund.

„Da war es schon wieder, dieses Fiepen...“

„War wieder ich... haha. Was bin ich lustig. Nein, im Ernst, ich kann da nix für.“

„Was führt dich und deine kleinen Freunde hierher? Ein Seestern im Raumanzug und ein Hamster... eine illustre Runde, fürwahr.“

Flip Flop fiel ein Stein vom Herzen. Oder eher ein Kieselstein, so groß war sein Herz in diesem Körper ja nicht. Sie hatte Erdpferd nicht bemerkt. Er drehte sich zu dem Heimchen um und gab ihm das vereinbarte Zeichen in Stellung zu gehen. Erdpferd betrachtete kritisch die riesigen haarigen Ohren der alten Dame und schüttelte den Kopf.

„Entweder in ihr Ohr oder in mein Maul, kapiert?“

Erdpferds Heimcheninstinkte meldeten sich. Auch das war wieder so ein ungewöhnlicher Moment in seinem Leben. Er wusste, er tat besser was die Ratte sagte. Bis sich ihm eine bessere Chance bot.

„Hast du etwas gesagt mein Lieber?“

„Ich muss mir dir sprechen. Es geht um meinen Onkel.“

„Oh ja, so ein reizender Mann. So charmant bösartig, durch und durch. Kann ich etwas für ihn tun?“ Sie rückte ein wenig ihr graues, strähniges Haar zurecht. Ein paar Spinnen fühlten sich gestört und krochen von ihrem Kopf über ihr Gesicht. Sogar Cremé Brühlee zog zischend die Luft ein. Dann begann sie energisch die Spinnen zu zählen, sie konnte einfach nichts dagegen tun.

„Wie soll ich sagen... eher etwas... gegen ihn.“ Flip Flop zog den Kopf ein. Er erwartete eine donnernde Antwort. Diese blieb aus. Insgesamt wurde es sehr ruhig. Nur das Rascheln eines kleinen Heimchens war zu hören, dass sich durch einen Jungel von Ohrenhaaren wühlte. Die alte Schleiereule hob unbewusst die Hand und steckte einen Finger ins Ohr. Erdpferd quietschte entsetzt und kam ein gutes Stück voran. Viel weiter als beabsichtigt. Gedankenverloren zog die Sumpfhexe ihre Hand wieder zurück und schwieg.

„Möchtest du, dass ich es dir erläutere?“ fragte Flip Flop vorsichtig und blieb dabei so nah wie möglich am Boden.

„Ich habe da eine Ahnung, junger Mann. Und wenn ich richtig liege, dann solltest du dich schämen!“

„Erdpferd JETZT!!“

Erdpferd kroch ein Stück zurück und rief so laut er konnte in Richtung Trommelfell: „Ich gehorche jetzt dem Herrscher der Welt, dem großen Erdpferd, dem Einzigartigen!“

„Ich werde dich... ich... ähm... ich gehorche dem Herrscher der Welt... Erdpferd dem Einzigartigen...“

„Gut gemacht, Heimchen!“ rief Flip Flop nach oben.

„Und jetzt zerquetsche ich die dumme Ratte, die dem Herrscher der Welt gedroht hat!!“

„Zerquetsche... Ratte... hat gedroht... Herrscher der Welt...“ Die alte Sumpfhexe murmelte vor sich hin und hob dann ihr fahlweißes, von dicken blauen Adern durchzogenes Bein. Ihr Hausschuh wirbelte ordentlich Staub auf, als sie ihren klumpigen Fuß niedersausen lies. Flip Flop quiekte erschrocken und sprang zur Seite. Da holte sie erneut aus.

„Erdpferd!! Du Mistvieh!! Wehe wenn ich dich erwische, dann fress ich dich mit mit allem drum und dran, verdaue dich, dünge damit ein Feld und esse dann den darauf gewachsenen Salat!!“

„Friss Sprossen!! Der Herrscher der Welt sitzt am längeren Hebel!“ *Stampf Stampf*

Flip Flop war entsetzt. Das das mit dem Hexenflüsterer so gut geklappt hatte, daran war wirklich nicht zu denken. Und nun das noch. Er rannte aus der Hütte und raus in den Sumpf, dicht gefolgt von Dr. Seestern. Die arme Cremé Brühlee wurde geschnappt und in ein Gurkenglas gesteckt. Dieses wanderte in Schleiereules Kittelschürze. Dann trat sie ins Freie und wand sich an das Glas: „Nun, meine Untertan...nin. Es ist nicht so, als ob du mir, dem Herrscher allen Lebens und allen Wohlstandes nicht treu gedieht hättest, aber wir haben uns wohl einfach auseinandergelebt. Aber du darfst Zeuge werden meines großen Triumphs.“ Erdpferds Größenwahn nahm eine neue Dimension an. Er wuchs mit jedem Schritt, denn er in seiner neuen „Behausung“ machte. Hinaus in das letzte Licht des Tages, hinaus an die Macht. Er gab auf der ganzen Insel nur eine Person, die ihm jetzt noch den Rang streitig machen konnte. Er ahnte es. Offenbar war er nicht so dämlich wie bisher angenommen. Und so machte sich das Heimchen im Ohr der Hexe auf den Weg zu einem bestimmtes Schloss. Flip Flop hingegen hatte sich hinter der Tür versteckt und fluchte leise. Jetzt musste er auch noch den Hamster retten. Das war einfach nicht sein Tag. Er beschloss sich selbst in ein Glas zu stecken und nie wieder rauszukommen... wenn die ganze Sache vorbei war.
 

3.

Stanleys Lage hatte sich nicht zum besseren gewendet. Noch immer hockte er auf diesem Baum über dem Fluss. Es mussten einige Stunden vergangen sein, die Sonne stand jetzt schon etwas tiefer, sie würde bald wieder untergehen. Stanley hatte sich so gut es ging unter die Blätter geduckt und versuchte dem UV-Licht ein Schnippchen zu schlagen. Wo immer die Sonnenstrahlen doch seinen Pelz getroffen hatten, war dieser in kleine Stichflammen aufgegangen. Ein nicht sehr hübsches Muster von Brandlöchern überzog sein Fell, aber es ging ihm soweit gut. Das würde schon wieder nachwachsen. Aber er würde es vielleicht nicht mehr erleben, immerhin konnte er hier oben verdursten. Plötzlich hörte er ein leises Trappeln. Er drehte die Ohren und kroch ein wenig in die vermutete Richtung. Ein Sonnenstrahl traf ihn auf der Nase. Es zischte leise. „Aua!!“ rief er und rückte wieder ein Stück zurück. Das Trappeln wurde lauter und lauter, schließlich entwickelte es sich zu einem lauten Tosen. Es klang nach schweren Körpern in alten Stiefeln, nach Säbeln und schlechten Umgangsformen. Da waren sie, tauchten hinter dem Hügel auf und rannten direkt auf ihn zu. Unglaublich, sie hatten es doch noch geschafft.
 

4.

Mr. Bär murrte und knurrte. Steffi pfiff fröhlich eine Melodie die schwer nach Beerdigung klang, aber einen unangebrachten Spaß an der Sache vermittelte. Sie hatte ihm die letzten Kleider ausgezogen und legte nun genüsslich das Rüschenkleid aus der Waschmaschine zurecht. Es würden die letzten Fotos für heute werden. Sie hatte fast den ganzen Tag damit verbracht Mr. Bär in die verschiedensten Kostüme zu stecken und dabei natürlich auch kein Auge zugekriegt. Sie war ziemlich müde, schwankte schon ein bisschen und ihr fielen alle paar Sekunden die Augen zu. Sie wollte dieses Foto unbedingt noch machen. Es war ihr schönstes Kleid und das Foto würde soooo süß werden, es würde so schö.... Steffi war eingeschlafen.

Mr. Bär lies sich auf den Boden fallen und wand sich nach links und nach rechts. Er sah aus wie eine pelzige Raupe mit Orientierungsschwierigkeiten. Langsam und mühselig wand er sich aus seinen Fesseln. Dann suchte er eine Schere um seine Mundwerk wieder benutzen zu können. Das war für ihn im Moment das allerwichtigste. Er hatte eine Menge zu sagen.
 

5.

Nun brach die Dämmerung herein. Die Sonne kroch träge über die hohen kahlen Berge des Teufelstals, das in seiner Optik schwer an einen Hundenapf erinnerte. In einem düsteren Schloss, in einer düsteren Kammer mit wenig düsterem Zeug drin, schob sich hektisch ein schwerer Sargdeckel von der Gruft. Es dröhnte laut durch den leeren Raum, als er auf den steinernen Boden krachte. Davenirus erhob traditionell ohne auch nur einen Muskel zu rühren seinen stämmigen Körper aus dem Sarg. Als seine Füße den Boden trafen klang es ganz ähnlich wie bei dem steinernen Deckel. Die Nacht war also hereingebrochen, ohne dass ihm irgendjemand Scherereien gemacht hatte. Der Tag Schlaf hatte sein Gemüt keineswegs abgekühlt, im Gegenteil, er war guter Dinge seine Pläne in die Tat umzusetzen. Endlich wieder mal ne ordentliche Schreckensherrschaft. Das konnte ganz amüsant werden, auch wenn sie nicht lange dauern würde. Dafür reizte ihn die Versicherungssumme zu sehr. Davon konnte er sich eine Insel für sich alleine kaufen. Er klopfte den Staub von seinem Anzug und stieg die Kellertreppe hinauf. Er durchquerte die Küche, schnappte sich ein Glas Blut aus dem Kühlschrank und stellte sich eindrucksvoll auf den Balkon. Sein Blick wanderte über die Insel, die er gerade dem Untergang weihte. Er wusste nicht, dass er damit die gleichen Gedanken wie sein alter Erzfeind Vom Hellsehen hegte. Nur in die anderer Richtung. Nun, noch ein paar mentale Vorbereitungen und es konnte losgehen.
 

6.

Mr. Bär suchte vergeblich seine eigene Kleidung. Er rannte nun seit 10 Minuten in Unterwäsche durch die Zimmer und wühlte sich durch Steffis private Berge aus Puppenkleidern. Es gab eine Menge Kleidchen und Kostüme, aber seine eigenen Sachen waren einfach nicht auffindbar. Er seufzte genervt. Wollte er in Unterwäsche durch Transblubbien latschen? Nein, sicher nicht. Er hob jedes einzelne Kleidungsstück auf und prüfte es eingehend. Es war nichts dabei, was er anziehen wollte. Gar nichts. Schließlich lief es auf eine gelbe Latzhose mit Sonnenblumenmuster hinaus, die zwischen rosa Rüschenkleidern und Clownskostümen das geringste Übel darstellte. Während er sie anzog biss er sich auf die nicht vorhandenen Lippen. Er verspürte den Drang sich dafür selbst zu verprügeln, aber das würde auch nichts helfen. Doch wehe dem, der eine dumme Bemerkung machte! Grimmig zog er eine zahnlose Grimasse purer Bösartigkeit.
 

Schließlich ging er ein letztes Mal in Steffis „Folterkammer.“ Er öffnete die Kamera und zog den Film heraus. Das trübe Licht der untergehenden Sonne machte sämtliche Aufnahmen unbrauchbar. Er grinste zufrieden und dachte kurz daran, sie mit der Rolle Negative zu erdrosseln. Aber das würde bloß Zeit kosten. Er spuckte ein kleines Stück Watte in ihre Richtung und machte sich auf den Weg nach draußen. Nichts wie runter von der Insel.
 

7.

Mr. Baguette erklomm mühsam die Felswand neben dem Wasserfall. Er hatte sich einen der Mäntel übergezogen und nicht allzu nass zu werden, doch jetzt hing das Ding so schwer wie ein Anker an ihm. Unten stand Vom Hellsehen und fluchte in einem unverständlichen und völlig vermischten Dialekt, der ursprünglich mal an Hessisch erinnern sollte. Mr. Baguette verstand ihn allerdings nicht. Er schaute nach oben und konnte den Rand der Felswand erkennen....so einigermaßen. Es war bereits dunkel geworden, er hatte sehr lange gebraucht um hinaufzuklettern. Seine Kondition war die Kellertreppe runtergestiegen und hatte dort angefangen ein Loch zu graben um sich hineinzusetzen. Seine Herz hämmerte wie ein Presslufthammer und seine Lunge klang bei jedem Einatmen wie eine Babyrassel. Kleine bunte Sterne tanzten vor seinen Augen. Er würde es nicht schaffen. So kurz vorm Ziel würde er abstürzen und das war es dann gewesen. Er begann schon sich auszumalen, welche Käsesorten bei dem Leichenschmaus nach seiner Beerdigung serviert werden würden... sofern es eine Beerdigung gab, als plötzlich eine Hand nach ihm griff. Er wurde am Halstuch gepackt und langsam nach oben gezerrt. Das war keineswegs besonders angenehm. Zu den bunten Sternen gestellten sich noch blaue Blitze.

„Ei, du bist wirklich en dämlische Bub, isch sach's dir!“ Der alte Vom Hellsehen keuchte wie ein Marathonläufer auf der Zielgeraden. Er machte damit Mr. Baguette Konkurrenz. Dessen Sinne waren damit beschäftigt die Sterne und Blitze zu vertreiben, trotzdem gelang ihm eine der cleversten Bemerkungen der ganzen Geschichte: „Wie??“

„Isch dacht, du machst nur'n Spaß. Hast de Treppe wohl echt net gesehe, was?“

„Tre...pp...e...“

„Ei, was glaubste wie isch hier unne mei Brötsche krich? Isch leb a net nur von Luft un Liebe, gelle?“

„Tre...pp...e...“

„Ja is ja gut jetse, lebscht doch noch. Bist zäher als isch gedacht hab. Hast misch net rufe höre, hab dir gesacht, des geht och einfacher. A propos einfacher. Enmal da...“

„Tre...pp..e...“

„Ah und nu her mit dem Amulett, isch glaub, et geht los, du spinnete Depp du!“

Mr. Baguette kehrte aus seinem Pseudo-Delirium zurück. „Nein, das... geht nicht, ich brauche es...*hust*... um meine Freunde vor....*keuch*... Dave zu retten!“ Sein Akzent war noch nicht zurückgekehrt, er versteckte sich unter Atemnot. Ein Teil von ihm sprang bereits wieder auf die Beine und war bereit so schnell zu rennen wie es nur ging. Leider war es der kleinere Teil. Mr. Baguette lag auf dem Bauch und versuchte sich hoch zu stemmen, doch seine Arme waren wie Knetgummi. Er sah aus wie eine Seerobbe und klang auch so ähnlich.

Vom Hellsehen seufzte. „Also gut, isch dreh misch jetzt um und seh nüscht, verstehtste? Aber wenn's net klappt, gelle, dann kenn isch disch net un du misch au net.“ Er drehte sich auf dem Absatz herum und ging die ersten Stufen wieder hinunter. „Und versau's net!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Snu
2011-06-19T22:32:43+00:00 20.06.2011 00:32
Eine Todesfee, die auf Stofftiere steht ist irgendwie witzig. Aber wo bleibt da das Todesfeen-Klischee? XDD

"Kaum drei Schritte weiter ging Mr. Baguette auch schon die Puste aus."
Mr Baguette ist ja eine richtige Sportskanone. XD

"Düsteres Licht drang durch die Tür und zog seinen Schatten auf die Länge eines ausgewachsenen Yetis."
Seit wann wirft Licht Schatten ... ups .. in Transblubblien geht das natürlich. = P

"... , dass sich durch einen Jungel von Ohrenhaaren wühlte. "
Ist ein Jungel noch schlimmer als ein Dschungel oder ein wenig besser?

"Vom Hellsehen seufzte. „Also gut, isch dreh misch jetzt um und seh nüscht, verstehtste? Aber wenn's net klappt, gelle, dann kenn isch disch net un du misch au net.“ Er drehte sich auf dem Absatz herum und ging die ersten Stufen wieder hinunter. „Und versau's net!“"
Vom Hellsehen ist aber sehr schnell umzustimmen. =)


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