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Wünschenswert Teil 2: Absolution

Autor:  june-flower
Vergebung der Sünden ist nicht Gottgegeben.

Warum sonst würde das bloße Lächeln einer Person Leid lindern, das Aussprechen der Worte – „Macht nichts“ – Schuld einfach fortwischen?

Schwer genug ist es, diese Worte auszusprechen. Noch schwerer, die unausgesprochenen Worte zu erhalten, wenn man sich nach ihnen sehnt.
Warum es manchmal solche Kleinigkeiten sind?
Diese winzigen Dinge, die die Welt bedeuten können für einen Menschen. Stattdessen geht man weiter durch die Welt, überflutet mit Eindrücken, und stellt entsetzt fest: es gibt keinen Ort, an dem man sich verstecken kann, keinen Platz, an dem man allein ist, wenn man es wünscht.

Weil man immer wieder eingeholt wird. Weil man niemals allein ist. Weil man nicht vergisst, so sehr man sich es auch wünscht. Die Dinge, die einem Menschen wichtig sind - und dazu gehört, dass man sich nicht mehr schuldig fühlen will - werden so leicht nicht vergessen.
Zumindest nicht von dem Menschen selbst.

Warum habe ich das getan?
Es ist nicht so, dass es mir nun vorgeworfen wird. Es ist vermutlich nicht einmal so, dass man sich noch daran erinnert. Ich bin die Einzige, die darüber noch nachdenkt, die Nachts im Bett liegt und sich fragt, warum es so wichtig war, damals, genau das zu sagen und genau das zu tun und sich nicht darum zu kümmern, was andere dachten.

Warum habe ich nichts getan?
Heute weiß ich: Wenn nicht ich, wer dann. Aber warum wusste ich es damals nicht? Habe ich es nicht wahrgenommen - nicht gefühlt - dass ich die Einzige bin, die etwas tun kann? Warum habe ich mich zurückgelehnt und zugesehen?

Warum konnte ich es nicht besser?
Es geht immer besser, es ist niemals perfekt. Wenn man etwas begonnen hat, bringt man es auch zu Ende. Hätte ich das Schicksal in eine andere Richtung lotsen können? Hätte ich etwas tun können, um das zu verhindern, was geschah?

Erinnert sich überhaupt noch jemand an mich?

Wenn man mich vergisst, so wie ich damals war - wenn sich niemand mehr daran erinnert, welche Fehler ich damals gemacht habe - dann verschwinde ich, schrumpfe zusammen und werde kleiner und kleiner und weiß nicht mehr, wohin mit meinem verblassenden Körper, der langsam durchscheinend wird in der Menge, bis niemand mich mehr wahrnimmt. Bis ich nur noch ein Schatten bin, der da schwebt und sich Fragen stellt.

Und der dann feststellt: Mich gibt es immernoch. Ich bin am Leben. Was kann ich tun?
Die Antwort kommt sofort: Nichts.

Oder: Das waren doch nur Kleinigkeiten. Wenn selbst die anderen es schon vergessen haben, warum klammerst du dich daran? Vergiss es ebenfalls.

Du kannst dir selbst vergeben.

(Nicht, dass ich mich danach besser fühle. Aber es mag ein Anfang sein... Vielleicht probiere ich es irgendwann.)


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