Kapitel 2
Kapitel 2
In London blätterte ein gewisser Brain Conolly einen Stapel Zeitungen durch. Unter anderem fiel ihm auch ein Blatt in die Hände, das erst seit einem Jahr auf dem Markt war und meistens von Skandalen berichtete. Brain Conolly war freier Reporter. Da seine Frau Sheila ein großes Vermögen mit in die Ehe gebraucht hatte, konnte er sich seine Beschäftigung aussuchen, meistens jedenfalls. Er schrieb mal für diese Zeitschrift und mal für jene. Im Augenblick arbeitete er an einem Reisebericht über Südamerika. Er hatte den Kontinent vor einigen Wochen mit seiner Frau bereist, und die Eindrücke waren noch dementsprechend frisch. Wenn Brain nicht schrieb, ging er meistens mit seinem Freund Inspektor Vincent Swan auf Geisterjagd. Sehr zum Ärger seiner jungen Frau Sheila.
Aber sie war für drei Tage verreist. Es ging um eine Filiale, die das Werk das Sheila gehörte das dann in Schweden errichten wollte. Und da zu brauchten die Manager ihr Okay. Brain hatte erst mitfahren wollen, hatte es sich dann aber anders überleget. Brain fühlte sich in seinem mit allem Komfort eingerichteten Haus ziemlich einsam. Außerdem schmeckte ihm das Frühstück längst nicht mehr so gut. Brain nahm einen Schluck Kaffee, verzog das Gesicht und schlug die letzte Seite der Zeitung auf. Sie war fast ausschließlich mit Anzeigen bedruckt. Eine fiel Brain besonders ins Auge. Ein gewisser Victor Ruff pries Horror-Touren nach Rumänien, in das klassische Vampirland, an. Der Reporter las die Anzeige einmal und dann noch ein zweites Mal. "Eigentlich sollte man da mitfahren", murmelte er. Er wusste, dass in letzter Zeit solche Reisen up to date waren. Aber bisher war Ruff der einzige Unternehmer, der nach Rumänien fuhr. Und das klassische Vampirland wollte Brain immer schon mal kennen lernen. Eine Woche würde die Reise dauern, Brain war noch im Zweifel als das Telefon anklingelte. Sheila, seine Frau war am Apparat.
"Es tut mir leid, Brain. Aber ich muss noch einige Tage länger bleiben", teilte sie ihrem Mann mit. "Vor einer Woche bin ich nicht in London". "Ist es denn so wichtig?" "Ja. Du kennst mich, Brain. Ich wäre viel lieber zu Hause". Das war kein leeres Gerede, Sheila meinte es tatsächlich so.
"Gut, dann kann ich ja auch etwas unternehmen". Sofort wurde Sheila misstrauisch.
"Hat dich Vincent in einen Fall verwickelt?? Willst du wieder auf Geisterjagd gehen??"
"Nein, nein, nein", lachte Brain, "so schlimm ist es nicht es ist nur ein Ausflug in so einer Horror-Tour".
Seine Frau blieb misstrauisch. Schließlich stimmte sie doch zu, denn sie wusste das Brain sowieso nicht zu halten war. Die beiden wechselten noch ein paar Worte, und Brain schrieb sich anschließend Mr. Victors Telefonnummer auf. Hoffentlich hat er noch einen Platz frei, dachte er und fing im selben Moment an zu grinsen. "Nee, eigentlich zwei Plätze", sagte Brain zu sich selber. Der Reporter ahnte nicht, dass der Entschluss denn er gefasst hatte, der Beginn eines unheimlichen und haarsträubenden Abenteuers war ...
Jetzt wieder in Rumänien.....
Das Grauen packte Victor wie eine eisige Faust. Er war unfähig einen klaren Gedanken zu fassen, sondern starrte immer zu denn offenen Sarg. Es war ein Prunkstück aus edlem Holz gefertigt und mit weißem, seidigem Stoff ausgeschlagen. Doch das alles nahm Victor nur am Rande wahr. Magisch wurde sein Blick von dem Mann angezogen, der in dem Sarg lag. Richtig konnte Victor nur den völlig haarlosen Schädel erkennen, in dessen Höhlen die Augen wie zwei dunkle Kohlenstücke lagen. Die Finger des Mannes waren lang und dürr. Der Unheimliche hatte die Hände auf seiner Brust gelegt. An einem Finger - Victor konnte nicht genau erkennen, an welchen - steckte ein Ring, in dessen rubinrote Oberfläche ein weißer Totenkopf graviert war. Der Körper des Unheimlichen war eher schmächtig zu nennen. Die Hände des Mannes lösten sich von der Brust und umklammerten zu beiden Seiten die Kanten des Sarges. Der Mann stemmte sich hoch. Victor erkannte, dass er ganz in schwarz gekleidet war. Ein Umhang an den Schultern festgesteckt, verdeckte seinen Rücken.
"Graf Montesi??" ächzte der noch immer schreckensstarre Victor. Der Unheimliche lachte leise und es klang blechern, ohne jedes Gefühl. "Ja, so kannst du mich nennen", lautete seine Antwort. "Für dich bin ich Graf Montesi". Mit geschmeidigen Bewegungen stieg Montesi aus dem Sarg. Geduckt sprang er nach draußen und der Umhang bauschte sich auf wie ein Vorhang. Victor konnte nichts erklären welche Gefühle ihn in diesen Augenblicken beherrschten. War es Angst, Grauen oder Neugierde?? Vielleicht alles zusammen, und Victor spürte von Sekunde zu Sekunde mehr, dass dieser Mann Macht über ihn gewann und seinen Willen ausschaltete. Victor atmete gepresst. Unhörbar waren die Wölfe herangeschlichen, kauerten sich zu beiden Seiten des Grafen nieder.
Die Raubtieraugen funkelten böse. Leises Knurren drang aus den halboffenen Mäulern. Montesi hob die rechte Hand und das Knurren der Wölfe verstimmte. "Du bist also gekommen, um dich in meine Dienste zu begeben", stellte der Graf fest. Victor wollte etwas antworten doch er brauchte nur ein Nicken zustande. Montesi fuhr fort. Seine Stimme war klar und deutlich. "Ich habe mich in dieses Land zurückgezogen um einen ganzen Staat in meine Gewalt zu bekommen. Und dabei wirst du mir helfen, Victor Ruff!!". Der Arm des Grafen schoss vor, und Victor sah wie der Ring an Montesis Finger seine Farbe änderte. Das Rubinrot verschwand und der Totenkopf begann zu strahlen, wurde zu einem Sender der seine Schwingungen in Victors Gehirnzentrum schickte. Victor war geblendet. Er sah nur den Ring und spürte plötzlich das drängende Gefühl in seinem Innern, nur noch diesem Mann zu dienen. Unbeweglich standen sich die beiden verschiedenen Personen gegenüber. Dann - nach Minuten - nahm der Ring wieder sein normales Aussehen an. Victor erwachte wie aus einem Traum. Er war begierig darauf die nächsten Worte seines Meisters zu hören. "Ja", hörte er sich flüstern, "ich werde alles tun. Alles", fügte er noch einmal hinzu. "Ich wusste, dass du mir gehorchen wirst", sagte Montesi.
"Doch nun höre gut zu. Du wirst zurück nach England reisen und dort eine Gruppe zusammenstellen, die in dieses Land fährt. Du führst sie auf mein Schloss. Sie sollen Gäste bei einer Hochzeit sein. Bei der Hochzeit der Vampire. Es wird ein herrliches Fest, und danach gehören die Menschen selbst dem Fürsten der Finsternis. Ich werde sie zu Vampiren machen, aber das ist erst der Anfang. Andere werden folgen und du hast die Aufgabe, sie mir zu bringen. Doch solltest du dich jemals weigern oder irgendjemandem etwas verraten, so ist dein Leben auch verloren. Hast du mich verstanden, Victor Ruff?" "Ja"... "Dann ist es gut. Ich erwarte dich in einer Woche auf meinem Schloss. HIER". Graf Montesi griff unter seine Jacke und holte ein Blatt Papier hervor. "Das Ist der Weg zum Schloss und du wirst einen Bus besorgen und selber fahren". Victor nahm die Zeichnung an sich. Sorgfältig verstaute er sie in seiner Manteltasche. Graf Montesi zog den Umhang fester um seine Schultern. Noch einmal blickte er Victor in die Augen. Dann ging er an ihm vorbei und kletterte wieder in den Leichenwagen. Bevor er die Tür zuzog, sagte er noch einen Satz: "Vergiss nicht, in eine Woche". Dann verschwand Graf Montesi.
Sekunden später setzten sich die beiden Pferde wieder in Bewegung und ihre Hufe klapperten hohl auf dem harten Boden. Doch niemand saß auf dem Kutschbock, um zu lenken. Es war eine gespenstische Fahrt. Der Leichenwagen fuhr um den Galgenbaum herum. Die Rappen schnaubten und warfen wild ihre Köpfe hoch. Dann raste der Wagen an Victors vorbei. Für Augenblicke glaubte er, Graf Montesi Gesicht hinter den zur Seite gezogenen Vorhängen zu erkennen, aber es war doch wohl eine Täuschung. Das Geräusch der Hufe verlor sich in der Nacht. Jetzt erst spürte Victor wieder die Kälte. Eine Gänsehaut hatte seinen Körper überzogen. Ruff atmete schwer. Schweißtropfen rannen an seinem Hals hinab. Böses Knurren schreckte ihn aus seinen Gedanken. Ruff wandte den Kopf. Die Wölfe waren noch da, belauerten ihn und sie glitten auf ihn zu. Rosige Zungen hingen aus den Mäulern, vor denen der Atem als kleine, nie abreißende Wolke stand. Victor setzte sich wieder in Bewegung. Er wollte so schnell wie möglich weg von diesem unheimlichen Ort. Noch einmal warf er dem Galgenbaum einen scheuen, ängstlichen Blick zu. Raben saßen auf den kahlen Ästen.
Totenvögel!!!
Ihr Gekrächze hallte laut durch die Nacht. Die Laute kamen Victor vor wie Hohngelächter. Gelächter, das nur ihm galt. Er ging noch schneller und über drei Kilometer hatte er zurückzulegen. Die Wölfe wichen nicht von der Seite. Nach einigen Minuten wurde der Weg breiter und mündete schließlich in eine schmale, asphaltierte Straße. Eine Seltenheit in dieser Gegend. Laut schlugen Ruffs Absätze auf den Asphalt. Er war heilfroh, als er die Umrisse seines Leihwagens erkannte. Es war ein Wartburg. Victor schloss die Tür auf und setzte sich hinter das Steuer. Die Scheiben beschlugen schnell. Victor wischte eine Stelle blank und starrte nach draußen. Die Wölfe kauerten in einiger Entfernung auf der Straße und sah nur die gelben Raubtieraugen. Victor drehte den Zündschlüssel. In diesem Augenblick verschwanden auch dir Wölfe. Wie Schatten huschten sie zwischen die Felsen. Victor erschien alles wie ein böser Traum. Und doch war es keiner und tief in seinem Gehirn zwang ihn eine unbestimmte Macht, den Befehlen des Grafen zu gehorchen. Graf Montesi!! Ihm hatte er sich verschrieben. Doch Victor Ruff ahnte nichts, dass dieser Mann gar nicht Montesi hieß. Dass er diesen Namen nur angenommen hatte. Das Geschlecht der Montesis war längst ausgestorben.
Der Graf war niemand anders als Dr. Schwarz!!........