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The Monster inside my Veins

von

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Zwei Gesichter

Vor einem riesigen Wohnblock blieb Rye mit großen Augen stehen, bevor er auf sein Handy-Display starrte und sich die SMS von Vermouth nochmal durchlas. Die genannte Adresse stimmte jedenfalls überein. Er musste hier richtig sein. Pünktlich war er auch. Aber im Allgemeinen sah diese Gegend hier in Vergleich zu denen, wo er sich sonst herumtrieb, viel wohlhabender und sauberer aus. Auch der Wohnblock selbst wirkte sehr modern, doch vor allem sah er auch teuer aus. Rye wusste nicht, ob er sich leichte Sorgen machen sollte, denn momentan konnte er sich nicht viel leisten.

Als er sich umsah, fiel ihm auch schon von weitem die Blondine auf, die sich ihm in Schnellschritt auf Stöckelschuhen näherte. Rye nahm seine Sonnenbrille ab und ließ sie in seine Jackentasche gleiten.

„Sorry, es ging nicht schneller. Hier ist es beinahe unmöglich, einen Parkplatz zu finden!“, entschuldigte sich Vermouth als sie vor dem Schwarzhaarigen anhielt.

„Macht doch nichts, ich stehe erst seit zwei Minuten hier.“, erwiderte Rye ruhig und fügte mit Bedenken hinzu: „Aber hast du dir das auch gut überlegt? Ich meine-“

„Nun seh‘ sie dir doch erst mal an!“, unterbrach die Frau ihn jedoch, bevor sie ihn kurz darauf durch den Eingang des Wohnblocks scheuchte.

„Es geht mir nur um den Preis.“, erklärte er, während die beiden durch den Flur liefen und in einen Fahrstuhl stiegen.

„Mach dir darüber keine Gedanken. Ich hab schon drauf geachtet, dass es passt. In ein paar Tagen bekommst du die erste Geldsumme überwiesen.“ Nachdem Vermouth das beteuert hatte, kramte sie etwas aus ihrer Handtasche hervor.

„Bevor ich es vergesse, deine neuen Personalien. Außerdem haben wir dir ein Konto errichtet, damit du natürlich auch Zugriff auf das verdiente Geld hast.“ Sie hielt ihm einen Umschlag entgegen, in welchem sich ein paar Papiere, eine Bankkarte, ein Führerschein und ein Personalausweis befanden.

„Das ist nett, danke...“, entgegnete Rye. Und das meinte er tatsächlich so. Er konnte sich nicht dran erinnern, dass sich jemand mal so um ihn gekümmert hatte, ohne dass er selbst etwas dafür tun musste. Mit diesen Dokumenten besaß er nun eine Identität und musste so zumindest kein Niemand mehr sein.

Er nahm den Umschlag an sich und warf daraufhin einen Blick auf den neuen Personalausweis, welcher wirklich täuschend echt aussah. Als wäre es schon immer seiner gewesen, den er bei sich gehabt hatte.

„Dai Moroboshi...“, las er gedanklich vor. Dieser Name war mit schwarzen Druckbuchstaben auf den Ausweis eingraviert. So würde er jetzt wohl von nun an heißen.

„Alles zu deiner Zufriedenheit?“, erkundigte sich die Blonde neugierig mit einem Lächeln auf den Lippen. Rye nickte.

„Das will ich hoffen. Und pass gut drauf auf, noch einen gibt‘s nicht.“, meinte sie zwinkernd, während der Fahrstuhl im achten Stockwerk angekommen war und sich die Türen öffneten. Beide traten heraus in den Flur.

„Wohnung 819... das war die letzte Tür rechts...“, überlegte Vermouth laut und holte den dazugehörigen Wohnungsschlüssel aus ihrer Tasche. Rye folgte ihr mit langsamen Schritten den Gang entlang. Dabei ließ er seinen Blick über die anderen Wohnungstüren schweifen. Anscheinend waren alle Wohnungen bewohnt, da sich neben jeder Tür ein Namensschild an der Wand befand. Schon mal der erste Nachteil. Das war auch etwas, was er an Hotels nicht ausstehen konnte. Überall diese Menschen. Von nun an würde er wohl gezwungen sein, einen auf netten Nachbar zu mimen und sich unauffällig zu verhalten. Da war es ihm lieber, allein in einer Hütte auf einem einsamen Hügel zu wohnen. Diesen Gedanken empfand er irgendwie als witzig und traurig zugleich. Manchmal quälte ihn die Einsamkeit, jedoch konnte er die Nähe von Menschen um sich herum nicht ertragen.

„Wie ist es eigentlich gelaufen?“, fragte die Blonde plötzlich aus heiterem Himmel heraus. Rye sah sie verwirrt an, bevor er nachhakte: „Wie ist was gelaufen?“

„Du solltest doch mit Gin in der Übungshalle an deinen Schießkünsten arbeiten.“, erklärte sie, woraufhin dem Schwarzhaarigen klar wurde, was sie gemeint hatte.

„Ach so, ja... Mehr als 800 Yards waren nicht drin.“, antwortete er schlicht. Vermouth warf ihm einen verdutzten Blick zu.
 

„Ist das ein Scherz?“, fragte sie erstaunt. Mit so einem grandiosen Ergebnis hatte sie wirklich nicht gerechnet.

„Nein.“, erwiderte Rye kopfschüttelnd. „Ist doch immerhin etwas, zu was ich nützlich bin, sagt Gin zumindest.“, fügte er noch trocken hinzu.

„Klingt, als sei er nicht sonderlich nett zu dir gewesen.“, schlussfolgerte Vermouth aus dieser Aussage. Obwohl das auch zu erwarten war. Wenn Gin mal nett zu jemandem war, dann musste man sich ernste Sorgen machen.

„Nett? Existiert dieses Wort in seinem Wortschatz überhaupt?“, antwortete Rye scherzhaft mit hochgezogener Augenbraue, womit er der Blonden wirklich aus der Seele sprach. Der Satz hätte von ihr stammen können.
 

Rye hörte, wie der Frau ein leises Kichern entwich. Er selbst musste schmunzeln, als ein Gedanke in ihm aufkam: „Selbst wenn nicht, ich werd‘ ihn schon noch dazu bringen, nett zu mir zu sein.“

Und davon war er vollkommen überzeugt. Doch seine Gedanken gingen noch weiter. Er fing an zu überlegen, was er mit dem Silberhaarigen anstellen könnte, wenn dieser nicht bereit war, ihn zu respektieren. Da gab es viele obszöne Möglichkeiten, die ihm gerade spontan einfielen. Aber es war besser, nicht genauer darauf einzugehen. Nicht jetzt und nicht hier. Vor allem nicht, wenn Vermouth seelenruhig neben ihm herlief.

„Mach dir nichts draus. Er war schon immer so, liegt an der Erziehung.“, säuselte sie nebenbei unbekümmert, ahnte jedoch nicht, dass sie damit Ryes Neugier geweckt hatte. Sein Interesse, mehr darüber zu erfahren, stand ihm förmlich ins Gesicht geschrieben, weshalb die Frau wohl beschloss, ein paar Kleinigkeiten preiszugeben: „Als Baby hat man ihn sozusagen direkt vor der Tür des Bosses abgesetzt, woraufhin dieser ihn unter seine Fittiche nahm. Daher kenne ich Gin schon sehr lange.“

„Also seid ihr zwei so was wie Kindheitsfreunde?“, wollte Rye daraufhin wissen und war überrascht über die Eifersucht, die bei dieser Frage plötzlich in ihm zum Vorschein kam. Er vertrieb sie schnell wieder.

Aber Vermouth setzte nur ein geheimnisvolles Lächeln auf, welches der Schwarzhaarige nicht deuten konnte. Schweigend schüttelte sie den Kopf, bevor sie die Wohnungstür aufschloss, vor der beide inzwischen standen.

„Aber das gerade hast du nicht von mir.“, stellte sie in strenger Tonlage klar, während sie in die Wohnung eintraten.

Obwohl es draußen hell war, wirkte der Wohnungsflur wegen der schwarzen Tapete ziemlich dunkel, was Rye wirklich gut gefiel. Bis auf eine Fußmatte und eine bräunlichen Kommode, über welcher ein Wandspiegel hing, war der Flur jedoch leer.

„Ich hoffe, dass dir das nicht zu dunkel ist, man könnte die Tapeten ja auswechseln oder-“

„Nein, das ist schon gut so.“, fiel der Schwarzhaarige Vermouth ins Wort. Dunkle Farben passten ohnehin besser zu ihm. Außerdem würde er sich hier drin sowieso nicht oft aufhalten. Er ging weiter geradeaus und betrat das Wohnzimmer, wo ihm sofort ein moderner Kamin ins Auge fiel, welcher in der Wand eingebaut war. Darüber befand sich ein großer Flachbildfernseher. Rye fuhr mit zwei Fingern über den rauen Stoff des grauen Ecksofas und musterte den tiefen Tisch davor, auf welchem eine Porzellanvase mit roten Rosen stand. Diese passten gut zu den ebenso roten Vorhängen an den zwei großen Fenstern neben dem Kamin. Als Rye seinen Blick weiter durch den Raum schweifen ließ, erblickte er auch ein Bücherregal an der rechten Wand. Dort suchte er sich das ein oder andere Buch aus, um sie kurz durchzublättern. Bei den meisten handelte es sich um irgendwelche weltweit bekannten Romane, Novellen oder Krimis.

„Etwas Interessantes dabei?“, fragte Vermouth und blickte neugierig über Ryes Schulter. „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde...“, las die Blonde den Titel des Buchs, welches Rye gerade in der Hand hielt, laut vor und zog dabei eine Augenbraue nach oben.

„Hab ich schon gelesen. Aber ein zweites Mal schadet ja nicht.“, kommentierte Rye den Blick der Frau schulterzuckend, woraufhin sie verwundert zu ihm aufsah.

„Ach so? Ich weiß zwar, dass es sich hierbei um ein Werk von Robert Louis Stevenson handelt, worin eine Art Identitätsstörung thematisiert wird, aber gelesen hab ich es nicht. Worum geht es denn genau?“, erkundigte sie sich. Der Schwarzhaarige stellte das Buch zurück in das Regal, bevor er begann: „Mit der Identitätsstörung liegst du schon richtig. Diese betrifft den Protagonisten Dr. Henry Jekyll, welcher sein Leben lang gezwungen war, eine düstere, böse Seite in ihm zu unterdrücken. Eines Tages gelingt es ihm jedoch ein Elixier herzustellen, welches das Gute vom Bösen trennen kann. Zur Folge entsteht Mr. Edward Hyde, eine abgespaltene Persönlichkeit in dessen Form Jekyll endlich seine negativen, unterdrückten Neigungen und Gefühle ausleben kann.“

Während Rye sprach, verließ er das Wohnzimmer. Vermouth folgte ihm in den Flur und hörte dabei aufmerksam zu.

„Jekylls Experiment bleibt allerdings nicht ohne Folgen.“, fuhr Rye fort, als er vor dem Wandspiegel stehenblieb. „Mr. Hyde gewinnt zunehmend die Oberhand und kommt immer öfters zum Vorschein. Aus Angst über die Folgen nimmt Jekyll sich letzten Endes das Leben, um zu verhindern, sich eines Tages nicht mehr zurückverwandeln zu können. Er wollte nicht den Rest seines Lebens als das Monster Mr. Hyde verbringen.“

„Verstehe, das klingt wirklich interessant.“, erwiderte Vermouth nur und betrachtete Rye nebenbei skeptisch, dessen Blick voll und ganz auf sein Spiegelbild fixiert war. Da drehte er sich plötzlich weg und sagte fröhlich: „Nicht wahr? Die Handlung war auch bis zum Ende hin fesselnd. Ich frage mich manchmal, ob es sich nicht leichter leben würde, mit zwei Gesichtern.“

Er drückte daraufhin einfach wahllos von irgendeiner Tür die Klinke herunter.

„Was haben wir denn hier...“, murmelte er zu sich selbst, während er die Tür öffnete.

„Das ist das Schlafzimmer.“, antwortete Vermouth hinter ihm, bevor beide den Raum betraten, in welchem es deutlich heller war als in den restlichen Räumlichkeiten der Wohnung. Die Sonne schien direkt durch das große Panoramafenster. Davor standen zwei blau-lila farbige Sessel und rechts daneben ein Schreibtisch. Das Bett war gigantisch. Darin würden problemlos mindestens drei Personen Platz finden. Um die Polsterung zu testen, ließ Rye sich kurz auf die Matratze fallen, die sich dann doch als ziemlich bequem entpuppte. An der Decke über ihm hing zudem noch ein Ventilator, welchen er wohl nie benutzen würde. Genau wie das Bett, in welchem er nie schlafen würde. Oder der Schreibtisch, an dem er nie arbeiten würde. Alles schien so sinnlos und doch diente es als Zweck seiner Tarnung. Wenn er nicht auffallen wollte, dann musste er wenigstens so tun als würde er wie ein normaler Mensch wohnen. Da hörte er plötzlich ein leises Lachen. Kurz darauf bemerkte er, wie sich Vermouth neben ihn auf das Bett setzte. Überrascht richtete sich Rye auf.

„Und ich dachte schon, du seist eingeschlafen.“, säuselte die Frau und warf ihm ein schelmisches Lächeln zu. Er schüttelte den Kopf.

„Nein, aber ich finde das Bett ist viel zu groß für mich.“, gab er schließlich zu, woraufhin die Frau erwiderte: „Betrachte es positiv, du hast ausreichend Platz für deine nächtlichen Besuche.“

Als Rye das hörte, lief ihm ein Schauer über den Rücken.

„Wie kann sie das so einfach sagen, ohne mit der Wimper zu zucken...“, dachte er verdutzt und war sich nicht sicher, ob das ernst gemeint war. Denn eins war klar: Falls er tatsächlich mal nächtlichen Besuch haben würde, dann würde die betreffende Person diese Wohnung nicht mehr lebend verlassen. So endete es immer, wenn er nur annähernd versuchte, sich zu amüsieren. Deshalb brachte er Sex auch direkt mit dem Tod in Verbindung.

„Den es nie geben wird.“, ergänzte er Vermouths Satz.

„Das kauf‘ ich dir nicht ab.“ Die schnippische Antwort von ihr erfolgte schnell, doch Rye ließ sich davon nicht beeinflussen und entgegnete tonlos: „Deine Entscheidung, aber ich rate dir davon ab dich zu vergewissern.“

Obwohl das eindeutig eine Warnung war, so kam es bei Vermouth nicht als solche an. Sie sah ihn herausfordernd an und fragte mit einer aufreizenden Tonlage: „Sonst was?“

Mit so einer Reaktion hatte Rye irgendwie gerechnet. Denn seit seiner ersten Begegnung mit der Blondhaarigen war ihm bereits aufgefallen, dass sie sich eher von Gefahr angezogen fühlte, anstatt sich von dieser fernzuhalten. Sonst wäre er immerhin nie ein Mitglied der Organisation geworden und würde vermutlich noch immer da draußen irgendwo im Nirgendwo herumstreunen.

Mit einem leichten Kopfschütteln und einem gequälten Gesichtsausdruck gab er Vermouth zu verstehen, dass das nicht der richtige Zeitpunkt für solche Gespräche war. Der Frau entwich daraufhin ein Seufzen. Sie verschränkte die Arme und sprach ernst: „Na schön, ein anderes Thema: Samstag Abend halten wir im Westin Hotel mit einer anderen Gruppe ein Meeting ab. Weißt du, wo das ist?“

„In Ebisu?“, erwiderte Rye fragend, obwohl er sich eigentlich ziemlich sicher war, davon schon mal gehört zu haben. Vermouth nickte bestätigend und fuhr fort: „Du kannst dir sicher denken, dass ich dich auch dabei haben will. Meetings gehören zum Alltag unserer Organisation dazu und ich finde, daran solltest du dich schnellstmöglich gewöhnen. Auch wenn der Anlass meiner Meinung nach diesmal albern ist.“

„Inwiefern?“, wollte der Schwarzhaarige wissen, woraufhin Vermouth abfällig erklärte: „Die Typen können mit ihrer Ware auf dem Schwarzmarkt seit geraumer Zeit nicht mehr mithalten, wofür sie uns verantwortlich machen und behaupten, wir würden ihnen die ganzen Käufer wegnehmen. Und da sie nicht einsehen wollen, dass es einfach nur daran liegt, dass unsere Ware qualitativ hochwertiger ist und der Boss einen guten Sinn fürs Geschäft hat, verlangten sie nach einem Treffen, um die Angelegenheiten zu klären. Zugegeben, der Boss hat nur zugestimmt, weil er unnötige Streitigkeiten vermeiden wollte.“

Rye hörte der Rede aufmerksam zu. Dabei fiel ihm auf, dass er dem Boss, welchen Vermouth öfters Mal erwähnte, noch nie begegnet war.

„Vielleicht werde ich am Samstag dieses Vergnügen haben...“, überlegte er. Er würde schon gern das Gesicht der Person sehen, welche so gütig gewesen war ihn in der Organisation aufzunehmen und ihm somit Zuflucht vor Eclipse gewährte.

„Das Gesicht der Person, die laut Vermouths vorherigen Informationen für Gin anscheinend so etwas wie ein Vater ist.“ Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen, bevor er der Blonden eine Frage stellte, deren Antwort ihn eigentlich am meisten interessierte: „Wird Gin auch da sein?“
 

Vermouth warf Rye einen irritierten Blick zu, bevor sie zweimal kurz blinzelte.

„Als ob es das ist, was er zuerst fragt...“, dachte sie ungläubig. Sie hätte mit allen möglichen Fragen gerechnet, aber nicht mit solch einer. Die Frau fing immer mehr an zu begreifen, dass ihr Ratschlag an Rye, er solle seine Zeit nicht mit Gin verschwenden oder sich gar Hoffnungen machen, auf taube Ohren getroffen war. Ryes Interesse war für sie inzwischen mehr als offensichtlich. Nur den Grund dafür verstand sie einfach nicht. Seufzend strich sie ihre blonden Strähnen nach hinten und meinte dabei scherzhaft: „Warum? Du hast dich doch nicht etwa nach so kurzer Zeit schon verliebt?“

Ein schelmisches Lächeln zierte danach ihr Gesicht, welches sie allerdings wieder ablegte, als sie bemerkte, dass der Scherz bei ihrem Gegenüber nicht so ankam, wie er eigentlich sollte. Denn Rye starrte sie nur ausdruckslos an. Kein überraschter Blick, keine abweisende Geste, nicht mal ein kleines Zucken der Gesichtsmuskeln. Gar nichts. Nach einer Weile wiederholte er: „Ver...liebt?“

Das sprach er so aus, als würde er dieses Wort nicht kennen. Ein Fremdwort, von welchem er wohl bisher noch nie Gebrauch gemacht hatte, was wiederum sein folgender Satz bestätigte: „Ich habe noch nie geliebt.“

Obwohl er dies tonlos sagte, überraschten die Worte Vermouth. Auf irgendeine Weise faszinierte dieser Mann sie immer wieder aufs Neue.

„Wahrscheinlich auch besser so. Gefühle machen nur verwundbar und sind zugleich Schwächen, die Feinde sich zu Nutze machen können.“, sagte sie schließlich schulterzuckend. Diesmal erfolgte schnell eine Antwort: „Und wie viele von eurer Organisation haben diesen Satz bereits verinnerlicht?“

„Die Meisten.“, entgegnete sie, erhob sich vom Bett und fügte daraufhin betonend hinzu: „Auch Gin.“

Fast hätte Rye gelacht. Das war immerhin nichts Neues für ihn.
 

„Also: Samstag, 20:00 Uhr im Westin Hotel. Besorg‘ dir bis dahin bitte einen Anzug, falls du noch keinen besitzt.“, listete sie die Informationen des Meetings nochmal zur Erinnerung auf, während sie einen in Stoff eingewickelten Gegenstand aus ihrer Tasche hervorholte und diesen Rye in die Hand drückte. Es war nicht schwer zu erraten, dass es sich um eine Pistole handelte.

„Die wirst du vielleicht brauchen, aber natürlich nur im Ernstfall. Noch Unklarheiten?“, fügte sie hinzu, woraufhin der Schwarzhaarige den Kopf schüttelte. Für ihn war klar, dass er die Waffe selbst in einem „Ernstfall“ nicht benötigen würde.

„Ich will ja nicht auffallen.“, dachte er und hoffte nicht die Kontrolle zu verlieren. Wenn die Lage eskalieren und Blut fließen würde, konnte er jedoch für nichts garantieren.

Als die Frau ihm den Rücken zukehrte, fiel ihm aber noch etwas ein: „Und was ist jetzt mit der Wohnung?“

Er hatte eigentlich beschlossen die Wohnung zu nehmen, jedoch ohne Schlüssel ging das schlecht. Dieser wurde ihm jetzt plötzlich zugeworfen.

„Gehört von nun an dir. Außer, du willst sie nicht?“, kommentierte Vermouth die Geste. Rye betrachtete den Schlüssel in seinen Händen, bevor er seinen Kopf hob und sagte: „Doch.“

„Gut, dann viel Spaß damit. Wir sehen uns Samstag. Sei mir ja pünktlich.“, verabschiedete sie sich und streckte beim letzten Satz mahnend den Zeigefinger nach oben. Danach wandte sie sich endgültig ab.

„Sicher doch.“, erwiderte Rye leise und ließ sich zurück auf das weiche Bett fallen. Seine schwarzen, langen Haarsträhnen lagen breitgefächert um ihn herum auf dem Bett verteilt. Er öffnete zwei Knöpfe seines Hemdes und versuchte sich ein wenig zu entspannen, bevor er die Augen schloss. Das Letzte, was er von Vermouth mitbekam, war das Schließen der Tür.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Alice90
2021-08-04T07:06:22+00:00 04.08.2021 09:06
Ich bin gespannt was für ein Anzug er anhaben wird... Rye ist einfach nur super
Antwort von:  ginakai
04.08.2021 15:27
In der Tat das ist er 😂
Danke für deinen Kommentar <3
Von:  Centranthusalba
2021-08-02T06:18:15+00:00 02.08.2021 08:18
Guten Morgen,
Ich sehe gerade, dass ich das letzte Kapitel gar nicht kommentiert hab.😳 ich find beide super. Ich finds toll, wie Ryes Interesse immer mehr wächst und wie du es mit den Situationen verflechtest. Es wirkt alles sehr, sehr echt. Ich bin schon gespannt darauf, wie er Gins harte Schale knacken will.😏
Ach, und danke für den kleinen literarischen Ausflug. So genau hatte ich das Buch nicht mehr in Erinnerung. 😂
LG
Antwort von:  ginakai
02.08.2021 19:38
Wie immer danke für dein Kommentar 😁
Rye hat schon seine Methoden 😂 und die beiden werden in Zukunft noch viel Zeit miteinander verbringen müssen. Zugegeben ich hab das Buch selbst nie gelesen, mich aber belesen worum es geht xD

Liebe Grüße


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