Zum Inhalt der Seite

The Monster inside my Veins

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Schießkünste

Nachdem Gin seinen Auftrag vorerst erledigt hatte, fuhr er zurück zum Hauptsitzgebäude der Organisation, wo er seinen Porsche in einer Tiefgarage parkte. Dort fanden viele originelle Fahrzeugmodelle verschiedener Mitglieder ihren Platz. Von seltenen Oldtimern bis hin zu modernen Sportwagen war alles dabei. Auch bei Gins Wagen handelte es sich um einen Oldtimer aus Deutschland, auf welchen er ziemlich stolz war.

Der Silberhaarige schaltete den schnurrenden Motor aus, bevor er sich eine Zigarette ansteckte. Dann lehnte er sich mit geschlossenen Augen zurück, um sich für einen kurzen Moment zu entspannen.

„Schlimmer als ein Psychopath also… Geschlecht und Erscheinungsbild sind ihm gleichgültig… blutleere Körper...“, kreisten seine Gedanken wirr umher. Die ganze Situation klang wie ein schlechter amerikanischer Horrorfilm. Er wusste nicht wirklich, wie er damit umgehen sollte und wie weit Cognacs Warnung ernst zu nehmen war.

„Da fällt mir ein, gestern Abend hatte ich so ein seltsames Gefühl...“, überlegte er in Erinnerung an seinen gestrigen Nachhauseweg, den er ausnahmsweise zu Fuß verrichtet hatte. Er besaß eine wachsame Persönlichkeit, weshalb ihm Verfolger oder derartiges meistens sofort auffielen. Aber gestern hatte er sich zeitweise von jemandem beobachtet gefühlt, jedoch nie eine verdächtige Person entdecken können.

„Oder ich hab‘s mir nur eingebildet, weil ich noch leicht gestresst war wegen einer bestimmten Frau...“ Das war zumindest eine plausible Erklärung.

Da riss er plötzlich wegen eines klopfenden Geräuschs seine Augen auf. Als er aus dem Fahrerfenster schaute, erblickte er doch tatsächlich die andere unsympathische Person des gestrigen Abends. Genervt kurbelte er die Scheibe runter.
 

„Was willst du?“, wurde ihm tonlos zugeschleudert. Rye betrachtete den schlecht gelaunten Mann vor sich und erstickte sein kribbelndes Gefühl, welches sich bei diesem reizvollen Anblick bemerkbar machte.

„Vor zwei Stunden bekam ich einen Anruf von Vermouth. Sie meinte, du würdest mich zur Übungshalle begleiten.“, erklärte der Schwarzhaarige und konnte Gin dabei schon vom Gesicht ablesen, was dieser davon hielt. Jedoch sah er nicht gerade beschäftigt aus, weshalb Rye Hoffnung hatte, er würde vielleicht zustimmen.

„Das hab ich nie gesagt.“, entgegnete Gin allerdings abweisend, was Rye nicht so leicht hinnahm, da er liebend gern ein wenig Zeit mit seinem neuen Partner verbringen wollte.

„Aber mir scheint es, als seist du momentan frei und außerdem sind wir doch jetzt Partner. Da könntest du ruhig ein wenig entgegenkommender sein.“, meinte er leicht sarkastisch. Gin schwieg einfach und nahm noch einen Zug von seiner Zigarette.

„Dabei dachte ich gestern Abend, du willst dich noch vergewissern ob ich unfähig bin oder nicht.“, fügte Rye nach ein paar Sekunden der Stille hinzu. Er hasste es, ignoriert zu werden.
 

„Hm...“, begann der Silberhaarige und überlegte. Das stimmte schon, aber es fiel ihm schwer zu glauben, dass dieser Typ irgendetwas auf dem Kasten hatte.

„Jemand, der nicht mal einen Schluck Alkohol verträgt, wird auch kaum Härteres zu Stande bringen können.“, dachte er fest überzeugt. Zudem litt der Kerl laut Vermouth noch unter Gedächtnisverlust. Selbst wenn er in etwas gut war, dann hatte er es mit hoher Wahrscheinlichkeit sowieso vergessen.

„Was willst du mir denn beweisen?“, fragte er und tat interessiert. Da stahl sich ein freches Grinsen auf den Lippen des Schwarzhaarigen.

„Ich will dir nichts beweisen, ich will dich beeindrucken.“, stieß er selbstgefällig hervor. Gin konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Der Kerl fing an ihn zu amüsieren. Im nächsten Moment öffnete er die Fahrertür und stieg aus dem Wagen.

„Na gut.“, meinte er und schlug die Tür hinter sich zu. „Mal schauen, ob hinter deinen großen Tönen auch Leistungen stecken.“

Tatsächlich hatte er momentan ohnehin nichts zu tun und dem Kerl beim Versagen zuzusehen würde ihn vielleicht auf andere Gedanken bringen.
 

„Sicher.“, erwiderte Rye knapp. Somit hatte er sich seine eigene Falle gebaut. Ob er dort auch reinfallen würde, würde sich zeigen wenn er mit Gin in dieser Übungshalle angekommen war. In Wahrheit hatte er nämlich nicht die geringste Ahnung, ob er in etwas anderem als dem Töten gut genug war, um den Silberhaarigen zufriedenzustellen oder ihn gar zu beeindrucken. Doch darum ging es doch hier, oder nicht? Vermouth hatte ihn mitgenommen, weil er gut darin war, Menschen zu töten. Doch sie wusste nur, dass er tötete, nicht wie er tötete. Er wollte darin gar nicht gut sein… Er versuchte die Bilder der letzten Nacht aus seinem Kopf zu vertreiben. Er war nicht er selbst gewesen. Das hoffte er zumindest…

„Woher wusstest du eigentlich, dass du mich hier finden würdest?“, unterbrach Gins fragende Stimme plötzlich Ryes Gedankengang. Er schaute sich irritiert um, da er nicht realisiert hatte, dass sie bereits ein Stückchen gegangen waren. Jetzt standen sie vor einem Fahrstuhl.

„Das war nur Zufall.“, antwortete er ruhig, obwohl die Frage ihn innerlich verunsicherte.

„Hat er etwas bemerkt…?“, ging es ihm durch den Kopf. Nein, das war unmöglich. Bevor der Silberhaarige weiter nachhaken konnte, wechselte Rye schnell das Thema.

„Ich hab eine Stunde Zeit. Danach geh ich mir eine Wohnung anschauen...“, gab er Bescheid. Als er vor ein paar Stunden mit Vermouth telefoniert hatte, hatte die Frau außerdem noch offenbart, dass sie eine hübsche Wohnung für ihn gefunden hatte. Wahrscheinlich aus Freundlichkeit, da sie wohl der Annahme war, er wäre obdachlos oder so. Was aber nicht stimmte, nur hielt er sich selten in seinem Hotelzimmer auf. Jedoch hatte er dem Angebot erst mal zugestimmt. Vielleicht würde ihm die Wohnung gefallen, denn er hatte ja auch beschlossen, länger hier in Tokio zu bleiben.

„Schön für dich.“, kam es von Gin nur kühl, während sich die Fahrstuhltüren endlich öffneten und die beiden hinein traten. So langsam begann Rye zu merken, dass der Silberhaarige nicht für Alltagsgespräche zu haben war. Dieser tippte inzwischen irgendeine Zahlenkombination auf den Tasten ein, woraufhin ein Piepen ertönte.
 

„Was machst du da?“, fragte Rye verwundert, da dieses Rumgetippe in seinen Augen keinen Sinn ergab. Jetzt leuchteten mehrere Tasten und sie würden die betreffenden Stockwerke hintereinander abfahren.

„Uns nach unten befördern?“, erwiderte Gin erstaunt. Da hörten die Tasten auch wieder auf zu leuchten und der Silberhaarige drückte die UG-Taste. Aber sie waren doch schon im Untergeschoss?

„Also gibt es noch ein Untergeschoss?“, erkundigte er sich, um Klarheit zu erlangen. Gin nickte und meinte: „Die Zahlenkombination hat einen Mechanismus aktiviert, der uns Zugang zum zweiten Untergeschoss gewährt. Wäre doch ungünstig, wenn unberechtigte Personen in die Übungshalle gelangen könnten, nicht wahr?“

Das betonte er so, als würde er mit einem Kleinkind reden. Danach setzte er ein Grinsen auf und fügte belustigt hinzu: „Im Übrigen hättest du dir die Kombination einprägen sollen, falls du mal öfters dort üben willst.“

„Verstehe.“, entgegnete Rye und versuchte dieses herabwürdigende Verhalten zu ignorieren. Sicher doch, er war jetzt ‚der Neue‘ und hatte von vielen Dingen in dieser Organisation noch keine Ahnung und musste sich erst mal richtig einleben, weshalb der Silberhaarige wohl dachte, er könnte so mit ihm umgehen.

„Warts ab...“, dachte Rye übel gesinnt und drehte sich von Gin weg, damit dieser sein finsteres Lächeln nicht sehen konnte.

Als sich die Türen wieder öffneten, war alles dahinter stark abgedunkelt. Man konnte nur einen riesigen, leeren Flur erkennen. Es war so still und für Rye fühlte es sich an, als würde diese Stille eine gewisse Kälte erzeugen und er wusste nicht, ob es sich dabei um die Raumtemperatur oder seine eigene Kälte handelte. Solche großen Gänge kamen ihm bekannt vor...

„Kommst du nun oder hast du es dir anders überlegt?“, holte Gins Stimme ihn plötzlich aus seiner Starre. Er war längst vorausgegangen und legte nun einen Lichtschalter um, woraufhin der Flur schwach erhellt wurde. Rye schüttelte den Kopf, um die vorherigen Gedanken zu vertreiben.

„Entschuldige.“, erwiderte er knapp und ging mit zügigen Schritten an Gin vorbei, ohne ihn dabei anzusehen. Dieser passte sich trotzdem dem Schritttempo des Schwarzhaarigen an.

„Scheint so als sei heute niemand hier. Besser für dich, falls du dich blamieren solltest.“, meinte Gin neckend und schielte unauffällig zum Schwarzhaarigen, welcher noch immer strikt geradeaus blickte.

„Werde ich nicht, keine Sorge.“ Ein Lächeln bildete sich auf Ryes Lippen.
 

Während sie weiter durch den Gang schritten, nutzte Gin die kurze Gelegenheit, um Rye etwas genauer zu betrachten, da dieser ihn gerade sowieso keines Blickes würdigte. Weil die schwarzen, langen Strähnen momentan nicht Ryes Hals verdeckten, konnte Gin dessen Tattoo darauf zum ersten Mal vollständig erkennen.

„0012… was sollen diese Zahlen bedeuten?“, ging es ihm durch den Kopf, auch wenn er Rye diese Frage nie stellen würde. Denn tat er das, dann würde er diesem Typen mehr oder weniger offen zeigen, dass er sich für etwas an ihm interessierte.

Aber vielleicht wusste Vermouth etwas darüber, sie hatte ihn immerhin verhört. Zwar hatte sie Gin nichts weiter verraten, doch diese Frau war mit ihrer Geheimniskrämerei unberechenbar und meistens wusste sie mehr, als sie preisgab. Ein Versuch war es jedenfalls wert.
 

Als sie sich dem Ende des Fluren näherten, wurde der Eingang der großen Halle sichtbar. Dahinter trennte nach ein paar Metern ein langes Geländer aus Eisen den gefliesten Boden von einem tiefen Abgrund. Das Ganze sah aus wie eine Art Schussplattform. Rye staunte nicht schlecht, als er sich umschaute und diese riesige Räumlichkeit auf sich wirken ließ. Er trat bis an das Geländer heran, an welchem er sich mit beiden Händen abstützte und tief in den Abgrund blickte. Dieser Anblick war wirklich verlockend. Er erinnerte ihn an einen dieser Abende, welche er auf dem Dach eines Hochhauses verbracht hatte. Der Abendhimmel hatte in tiefroten Farben geleuchtet, die Luft war leicht feucht gewesen und die Umgebung totenstill. Alles, was zählte, war der Augenblick. Dieser eine Augenblick, in welchem er bis zum Rande des Daches herantrat und seine Augen in die Tiefe starrten. Es war, als hätte ihn diese Tiefe magisch angezogen. Er glaubte dort unten erwartete ihn die lang ersehnte Erlösung, welche ihn in Windeseile ins Jenseits befördern würde. Und weil er dieses grauenvolle Dasein endgültig satt hatte, verweilte er keine Sekunde länger, beugte sich vor, streckte die Arme zur Seite und ließ sich fallen. Seine Haare flatterten im Wind. Er fühlte sich schwerelos, ließ seine Augen geöffnet. Er wollte sehen, wie er starb. Der Tod würde ihn von diesem Fluch befreien und er musste nicht länger ein Monster sein. Er wollte dieses Monster in seinen Venen besiegen. Es töten… sich selbst töten… Doch der Tod wollte ihn einfach nicht in seine Arme schließen. Er spürte, wie der Tod ihn förmlich abwies. Ihn dazu verdammte, weiterzuexistieren. Und so zerbrach zwar das Gestein, auf welchem er aufprallte, doch er selbst trug keine einzige Schramme von dem Sturz davon. Nicht einmal der kleinste Schmerz durchzog seinen Körper. Mit leerem Blick blendete er die Umgebung aus, drehte sich auf den Rücken, blieb dort auf dem kaputten Gestein liegen und sah zum blutroten Himmel hinauf. Ein weiterer erfolgloser Versuch.
 

Da legte sich plötzlich eine warme Hand auf Ryes Schulter.

„Pass auf, sonst fällst du noch.“ Die sarkastische Warnung stammte von niemand anderem als Gin. Als sich der Schwarzhaarige umdrehte, stellte er fest, dass ihm ein Gewehr entgegengehalten wurde.

„Wo hat er das auf einmal her?“, fragte er sich und blinzelte zweimal verwirrt, bevor er die Waffe zögernd annahm. Er analysierte sie genau und betrachtete sie von allen Seiten. Obwohl er sich sicher war, so ein Gewehr noch nie in der Hand gehabt zu haben, so war sie ihm aber nicht vollkommen fremd. Kurz darauf legte er sie zur Probe an und blickte durch das Zielfernrohr.

„Wäre ideal, wenn du da lang zielst.“ Gin deutete in die entgegengesetzte Richtung, wo hinter dem Geländer auf den Leinwänden eine Simulation begann. Rye drehte verwirrt den Kopf. So eine hochmoderne Technologie war ihm total fremd. Hoffentlich würde ihn das nicht beeinträchtigen.

„Wir fangen einfach an, 200 Yards.“, meinte der Silberhaarige und trat mit einem Grinsen im Gesicht zurück, woraufhin Rye nach vorne auf die Plattform trat.

„Wird schon schief gehen.“, dachte er scherzhaft und legte das Gewehr erneut an. Wieder fühlte es sich seltsam vertraut an. Als würde er das nicht zum ersten Mal machen, was er allerdings für völlig absurd hielt. Durch das Zielfernrohr konnte er einen Mann mittleren Alters erkennen, welcher seelenruhig auf einer Parkbank saß und versuchte sich zu entspannen. Ein Profi würde wohl sagen, dass das viel zu einfach wäre. Das einzige Hindernis waren vielleicht ein paar wenige Passanten, die hin und wieder an der Bank vorbeiliefen. Rye zielte auf den Kopf des Mannes. Der Kopf war immer gut, da die Überlebenschance bei diesem Vitalpunkt sehr gering war.

Der Schwarzhaarige zögerte nicht länger und als er sich einigermaßen treffsicher war, drückte er ab. Die Kugel flog in einer geraden Flugbahn, viel zu schnell für das menschliche Auge.

Ryes letzte Zweifel lösten sich in Luft auf, als er das Loch in der Stirn erblickte. Er hatte getroffen. Während er sich zu Gin drehte, versuchte er seine innere Erleichterung zu verbergen. Die Gesichtszüge seines Partners blieben unverändert und er starrte ihn nur schweigend an.

„Kein Lob?“, fragte Rye ironisch, da ihm klar war, dass er keines bekommen würde.

„Zumindest noch nicht.“, dachte er motiviert. Der Treffer hatte ihm irgendwie neuen Ansporn gegeben. Vielleicht würde er den Nächsten auch schaffen.

„Ich bin jemand mit sehr hohen Ansprüchen, solltest du wissen.“, erwiderte Gin tonlos. Im gleichen Moment wechselte die Simulation.

„300 Yards.“, kommentierte er, woraufhin Rye sich wieder umdrehte und durch das Zielfernrohr sah. Es war derselbe Mann, diesmal allerdings aus größerer Entfernung und auf einem Fahrrad unterwegs. Es blieb nicht viel Zeit. Rye zielte wieder auf den Kopf und schoss keine drei Sekunden später. Volltreffer. Das hatte er zwar gehofft, aber nicht erwartet. War das nur Glück?
 

„Warum hat er schon wieder getroffen? Am Anfang hatte es den Anschein, als würde er so ein Scharfschützengewehr das erste Mal in die Hand nehmen...“, dachte Gin verwirrt, auch wenn ihn das etwas verärgerte. Aber noch waren es keine weiten Entfernungen, vielleicht gerade mal für einen Amateur angemessen. Umso mehr hoffte der Silberhaarige, dass der nächste Treffer dem Kerl nicht gelang.

„450 Yards.“, gab er ihm Bescheid und beobachtete, wie Rye allmählich selbstsicherer an das Ganze heranging. Auch der Zeitraum in welchem er zielte und abdrückte verringerte sich nach und nach mehr. Obwohl der Schwierigkeitsgrad immer höher wurde. Wieder getroffen. Gin unterdrückte ein Fluchen. Einerseits war es zwar gut, dass der Kerl anscheinend wenigstens zu etwas zu gebrauchen war, andererseits gönnte er ihm diese Art Erfolg nicht. Wenn das so weiterging, müsste er ihn wirklich noch loben. Und weil er das nicht wollte, ging er gleich zu 700 Yards über.

„700 Yards, wenn du das schaffst, könntest du dich zumindest mit Chianti und Korn messen.“, meinte er herablassend und freute sich ein wenig über den verdutzten Gesichtsausdruck, den er jetzt zugeworfen bekam.

Jedoch eine Beschwerde oder einen bissigen Kommentar ließ Ryes Stolz wohl nicht zu, weshalb er sich einfach wieder wortlos umdrehte und das Gewehr anlegte.

„Mal schauen wie du damit zurechtkommst.“ Gin ging davon aus, dass diese Entfernung nun zu weit war. Doch da täuschte er sich. Die Kugel sauste blitzschnell und verfehlte letztlich ihr Ziel nicht. Na schön, dann war Rye eben so gut wie Chianti und Korn. Das machte ihn noch lange nicht zu etwas besonderem. Aber konnte er auch besser sein? Eine letzte Entfernung wollte Gin dem Schwarzhaarigen noch zumuten.

„800 Yards. Danach bist du entlassen.“, sprach er, woraufhin Rye sich ihm kurz zuwandte.

„Du meinst, danach bin ich gut genug?“, hakte er nach, bevor sich ein siegessicheres Lächeln auf seinen Lippen bildete. Gin ließ die Frage unbeantwortet, denn sonst hätte er sie bejahen müssen. Doch eine Antwort hatte Rye wohl auch nicht erwartet, da er sich einfach wieder umdrehte, um sich dann dem Ziel zu widmen.
 

Obwohl es sich nur um den Bruchteil einer Sekunde handelte, dehnte sich dieser Augenblick für beide zu einer Ewigkeit aus. Rye erstickte den letzten Rest seiner Nervosität. Es gab keinen Grund mehr nervös zu sein. Er war gut. Nein, sogar fast perfekt. Auch wenn er dafür keine Erklärung fand. Der Sieg war zum Greifen nah. Wenn er jetzt traf, hätte er seine Aussage gegenüber Gin wahr gemacht. Und das war alles, was er in diesem Moment wollte. Er wollte Gin beeindrucken. Ihm zeigen, was es hieß, richtig zu schießen. Er wollte ein Lob aus seinem Mund hören.

Nachdem Rye abgedrückt hatte, verlief alles ganz schnell. In hoher Geschwindigkeit durchschnitt die Kugel die Luft, bevor sie das auserwählte Ziel haargenau durchbohrte. Das Opfer sackte zusammen. Innerlich erfreut darüber, blieb der Schwarzhaarige äußerlich jedoch ruhig. Dann trat er von der Plattform und ging festen Schrittes auf Gin zu. Nicht mal jetzt konnte man irgendeine Emotion von seiner Miene ablesen. Kein Stirnrunzeln, kein Mundwinkelzucken, nichts. Gar nichts. Aber Rye durchschaute die Fassade, welche den inneren Stolz des Mannes verbarg. Direkt vor ihm blieb er stehen, woraufhin sich Stille ausbreitete. Rye ließ währenddessen seinen Blick über das Gesicht seines Gegenübers herabwandern. Von den stechend grünen Augen, die von Kaltblütigkeit gezeichnet waren, über die weichen Lippen, denen nach wie vor kein Wort entwich, bis hin zu dem Hals, der auch heute zur Hälfte von einem Rollkragen verdeckt war. Rye übermannte ein unwiderstehliches Bedürfnis, diesen herunterzuziehen. Mit seinen Fingern über das zarte Fleisch darunter zu fahren und ihn dann...

„Ich bin überrascht. Du bist ja doch zu etwas zu gebrauchen.“, meinte Gin plötzlich, sodass Rye erschrocken den Blick hob. Er zog eine Augenbraue nach oben.

„Also das bekommst du doch sicher auch netter hin...“, erwiderte er unschuldig, bevor ein schelmisches Lächeln seine Lippen umspielte. Gin zuckte mit den Schultern und sagte: „Vielleicht. Ich werd‘ dran arbeiten.“

Daraufhin ging er an Rye vorbei in Richtung des großen Flures, von welchem sie gekommen waren.

„Hättest du es denn besser hinbekommen?“, fragte Rye noch. Gin blieb stehen und warf seinen Blick über die Schulter.

„Spielt das eine Rolle? Ich habe nie gesagt, dass ich dich beeindrucken will.“, wich er der Frage geschickt aus und wandte sich mit diesen Worten von seinem Partner ab. Ein Grinsen schlich sich in Ryes Gesicht.

„Aber das hast du bereits.“, sprach er übel gesinnt in Gedanken. Dann begab er sich ebenso zurück zum Fahrstuhl. Hoffentlich würde er es noch pünktlich zu der Verabredung mit Vermouth schaffen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück