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Amnesia

SasoXDei
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Danke für eure Kommentare :) Es freut mich, dass sich doch der eine oder andere für meine Ff interessiert :D
Viel Spaß mit dem zweiten Kappi

bye
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Vorwort zu diesem Kapitel:
So ihr Lieben, viel Spaß beim Lesen :)

bye
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Ihr Lieben,
es geht weiter mit Amnesia :) Spoiler: Deidara hat Spaß dabei mit seinem Lehm herumzumatschen und es kehrt ENDLICH eine Erinnerung zu ihm zurück. Wurde ja auch mal Zeit :D Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen :)

bye
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich würde mich an dieser Stelle gerne bei meinen Lesern und Kommi-Schreibern bedanken :) Es freut mich, dass die Ff so gut bei euch ankommt :)
In diesem Kappi gibt es wieder etwas Bewegung: Itachi muss los und auch Sasori & Deidara werden sich auf den Weg machen ;) Nächstes Mal wird es dann besonders spannend und man erfährt etwas über Deis Bruder ;)
Viel Spaß beim Lesen

bye
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Ihr Lieben,
in diesem Kappi erfahrt ihr endlich, was mit Deidaras Bruder geschehen ist. Und Sasori gibt sich untypisch verständnisvoll... :D
Ach, lest einfach selbst ;)
Viel Spaß mit dem Kappi :)

bye
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Tut mir leid, dass ihr so lange auf das neue Kappi warten musstet T-T
Mein Laptop hat den Geist aufgegeben, deswegen musste ich einen neuen kaufen. Der war leider eine Verbrauchertäuschung, deswegen musste ich den zurückschicken und wieder einen anderen kaufen :(
Jetzt stehe ich aber wieder bereit mit neuem Laptop, drei Wochen Urlaub und einem erwartungsfreudigen Kribbeln in den Fingern :D
Viel Spaß beim Lesen des Kappis!

bye
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Dieses Mal gibt es sogar ein bisschen Action ;) Selten genug für eine Ff von mir *g*
Aber wenn unser neunmalkluger Sasori unbedingt darauf besteht den riesigen Lehmvogel in die Luft zu jagen, muss er sich auch nicht wundern, wenn durch den Lärm Feinde auf sie aufmerksam werden, oder? *facepalm*
Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen ;)

bye
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Sasori & Deidara finden endlich heraus, was los ist ;) Und sie gehen zusammen einkaufen :D
Viel Spaß beim Lesen :)

bye
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Deidara erfährt die eine oder andere Hintegrund-Info über Itachi ;)
Viel Spaß beim Lesen :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Deidara schluckt das Gegengift und erhält endlich sein Gedächtnis zurück :D
Viel Spaß beim Lesen!

bye
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Vorwort zu diesem Kapitel:
So, das letzte Kapitel von Amnesia :) Deidara & Sasori finden endlich zueinander. Wurde ja auch mal Zeit ;)

Mir hat es sehr viel Spaß gemacht diese Ff zu schreiben und ich hoffe, dass ihr beim Lesen mindestens ebenso viel Spaß hattet. Vielen Dank für alle Kommentare!

bye
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Verletzt

„Deidara!“

Sasori hatte keine Zeit, um sich über seine untypisch emotionale Reaktion zu wundern. Ohne wertvolle Sekunden zu verschwenden, ließ er Hirokus skorpionähnlichen Schwanz nach vorne schnellen, um den bewusstlosen Körper seines Partners in der Luft aufzufangen. Es gelang ihm gerade eben noch zu verhindern, dass Deidara mit voller Wucht auf den felsigen Untergrund aufschlug.

Sasori seufzte erleichtert auf und ließ seinen Blick flüchtig über Deidaras Körper schweifen: Das Gör war ohnmächtig; frisches, helles Blut floss aus einer Wunde am Hinterkopf etwas oberhalb des rechten Ohrs. Viel Blut, stellte Sasori fest. Er würde sich schnellstmöglich darum kümmern müssen, wenn er nicht wollte, dass Deidara verblutete.

Aber zuerst musste er diesen Kampf zu Ende bringen. Geübten Blickes scannte Sasori die Umgebung ab. Als er niemanden in der Nähe ausmachen konnte, nutzte er die günstige Gelegenheit, um Hiroku zu öffnen und aus der geräumigen Puppe herauszutreten. An seiner Stelle legte er Deidara hinein, ehe er den Körper wieder verschloss. Sicher hätte Sasori seine Gegner auch aus Hiroku heraus töten können. Doch auf diese Weise musste er sich während des Kampfes keine Gedanken um die Sicherheit seines jungen Partners machen.

Sasori holte eine Schriftrolle hervor und beschwor die Marionette des Sandaime Kazekagen. Vielleicht etwas übertrieben für die drei Ninja, die ihnen aufgelauert hatten und denen es bloß aufgrund des Überraschungseffekts gelungen war, seinen unaufmerksamen Partner kampfunfähig zu machen; aber die Erinnerung an Deidaras blutverklebtes Haar, gebot Sasori Eile.

Es gelang ihm den Kampf innerhalb weniger Minuten zu beenden.

Nachdem er sich vergewissert hatte, dass alle Mitglieder des Trios tot waren, suchte Sasori den Himmel nach Deidaras Vogel ab. Das Gör hatte von dort oben aus nach Feinden Ausschau halten wollen. Hatte ja toll funktioniert. Stattdessen war er von dem Angriff der drei Ninja überrascht worden. Einer war ihm zu nahe gekommen und hatte ihm mit einer Waffe, die Sasori nicht richtig hatte erkennen können -vielleicht eine Art Schlagring?-, ausgeknockt. Deidara, bei dem es sich ebenso wie bei Sasori um alles Andere als einen Nahkämpfer handelte, hatte den Angriff nicht parieren können und war prompt von seinem Vogel gesegelt.

Was für ein Idiot, dachte Sasori und schüttelte den Kopf.

Er hatte Deidaras „Kunstwerk“, das noch immer durch die Lüfte schwebte, ausfindig gemacht. Gekonnt zog Sasori es mittels seiner Chakrafäden heran. Er flog nicht gerne (und er konnte den Vogel bei weitem nicht so gut kontrollieren wie sein Partner), doch anbetracht der Tatsache, dass Deidara am Kopf verletzt worden war, sah er sich dazu gezwungen mit dieses Art des Transports vorlieb zu nehmen. Immerhin durfte er keine Zeit verschwenden.

Sasori befreite den noch immer bewusstlosen Deidara aus Hiroku und ließ sich mit ihm gemeinsam auf den Rücken des großen Vogels nieder.

Während des Fluges warf Sasori einen genaueren Blick auf die blutende Wunde am Hinterkopf seines jungen Partners. Verdammt, das Balg schien es wirklich ungünstig erwischt zu haben. Inzwischen hatten sich viele Strähnen des ansonsten hellblonden Haars durch das Blut rot gefärbt. Deidara hatte viel Blut verloren.

Bei Sasori handelte es sich um keinen Arzt, doch es gelang ihm die Blutung notdürftig zu stillen. Sie mussten so schnell wie möglich das Hauptquartier ihrer Organisation erreichen. Der Marionettenspieler wusste, dass sich Kakuzu dort aufhielt; sicher würde er Deidara besser behandeln können.
 

Während Kakuzu sich um Deidara kümmerte, tat Sasori etwas, was er eigentlich niemals freiwillig tat: Er wartete.

Nicht direkt vor der Türe des Krankenzimmers, in das er seinen Partner getragen hatte; das wäre zu auffällig gewesen. Stattdessen hielt er sich im Gemeinschaftsraum ihres Hauptquartiers auf und tat so als würde er ein Buch lesen. Normalerweise war Sasori nur selten außerhalb seiner privaten Räumlichkeiten, die er sich leider Gottes mit diesem idiotischen und lauten Gör von Partner teilen musste, anzutreffen. Da er seinen Körper in eine Puppe verwandelt hatte, brauchte er weder zu essen noch zu trinken. Und anstatt seine freie Zeit mit Zeitschriften lesen oder fernsehen zu verplempern, arbeitete er lieber in seiner Werkstatt an seinen Kunstwerken.

Doch heute hatte Sasori es nicht über sich gebracht einfach in sein Zimmer zu verschwinden, nachdem er Deidara abgeliefert hatte. Natürlich machte er sich keine Sorgen um ihn. Unsinn. Er wollte lediglich wissen, wie es nun weitergehen würde. Ob Deidara sich wieder erholte oder ob er an seiner Kopfverletzung starb.

Vielleicht würde er wochenlang sein Bewusstsein nicht wiedererlangen. Das wäre fast zu schön, um wahr zu sein. Sasori wagte kaum darauf zu hoffen. Zwei oder drei Wochen ohne das nervige, störende Geplapper seines jungen Partners... Normalerweise hatte er nur dann Ruhe vor dem Balg, wenn es schlief. Und zu seinem Bedauern brauchte Deidara nicht viel Schlaf. Meistens war er schon um fünf oder sechs Uhr morgens wach und brachte ihn mit seiner idiotischen Art auf die Palme.

Ein paar Wochen ohne Diskussionen über Deidaras vermeintliche „Kunst“, ohne die Stimme seines Partners, die freudig „Katsu!“ rief, ohne Explosionen. Das wäre wie Urlaub. Und den hatte er sich redlich verdient, fand Sasori. Immerhin war es anstrengend genug, ständig dieses aufsässige Kind mit sich herumschleifen zu müssen.

„Hallo, Sasori-san.“ Es war eine ruhige und kühle Stimme, die ihn aus seinen Gedanken riss. „Wie ungewöhnlich, dich hier anzutreffen.“

Sasori blickte von seinen Buch (das er nicht wirklich gelesen hatte) auf und schaute in das blasse Gesicht von Uchiha Itachi. Er hatte gar nicht gewusst, dass sich auch Itachi und Kisame zurzeit im Hauptquartier befanden. „Das könnte ich ebenso gut zu dir sagen“, entgegnete er. „Es ist ungewöhnlich, dass sich so viele Mitglieder von Akatsuki gleichzeitig hier aufhalten.“ Eigentlich waren sie ständig unterwegs. Nur selten trafen sich die Zweierteams in ihrer Unterkunft.

„Kisame und ich sind gestern zurückgekehrt“, erklärte ihm Itachi. „Und brechen in ein paar Tagen wieder auf.“

Also nur ein kurzer Zwischenstopp, dachte Sasori. Unauffällig ließ er den Blick über Itachi huschen. Viel lieber wäre er mit dem Uchiha in einem Team. Er war ruhig, besonnen und höflich. Also im Grunde das genaue Gegenteil von Deidara. Warum hatte er das Pech, dass er seine Zeit stattdessen mit diesem dummen Gör verbringen musste? Itachi hätte sich bestimmt auch nicht so leicht von einem Gegner überraschen und ausknocken lassen.

Der Uchiha öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch wurde von Kakuzu, der just in diesem Moment den Gemeinschaftsraum betrat, unterbrochen. „Deidara wird sich wieder erholen“, erklärte er Sasori, während er seine blutverschmierten Hände mit einem Tuch säuberte. „Ich habe seine Wunde genäht und seinen Blutverlust mit Konserven ausgeglichen.“

Sasori legte das Buch zurzeite. „Ist er bei Bewusstsein?“, wollte er wissen.

Kakuzu schüttelte den Kopf. „Verletzungen am Kopf sind immer riskant. Ich wollte vermeiden, dass er während der Operation aufwacht und habe ihn deshalb narkotisiert.“ Er warf einen kurzen Blick auf die Uhr, die an der Wand neben dem Bücherregal hing. Es war gerade erst acht Uhr morgens. Sasori und Deidara hatten den Schutz der Dämmerung für sich nutzen wollen, um ungesehen von ihrer Mission zurückzukehren. Wie man sehen konnte, hatte das prima funktioniert. „Ich gehe davon aus, dass er morgen Vormittag wieder aufwachen wird“, erklärte ihm Kakuzu.

Seine zwei Wochen Urlaub konnte der Marionettenspieler sich also abschminken. Schade. Er hätte sich nicht so sehr beeilen sollen, um Deidara ins Hauptquartier zu bringen und versorgen zu lassen. Vielleicht hätte er mehr Zeit herausschlagen können. Nun, sich im Nachhinein zu ärgern würde auch nichts bringen.

Wenigstens hatte er einen Tag Ruhe vor dem Gör. Das war besser als nichts. Sasori würde die wertvolle Zeit nutzen, um ganz ungestört an seinen Puppen zu arbeiten.
 

Zum x-ten Mal wischte Sasori mit einem Tuch über den dunklen Blutfleck, der im Innenfutter seiner liebsten Marionette Hiroku zu sehen war. Er hatte schon drei verschiedene Reinigungsmittel ausprobiert, doch der große Fleck war bloß verblasst, nicht ganz verschwunden.

Verärgert aufseufzend legte Sasori den Lappen zur Seite. Er konnte nicht in Worte fassen wie sehr ihn dieser Fleck störte. Natürlich könnte man argumentieren, dass ihn sowieso niemand sehen würde, denn er befand sich nicht an der Außenseite der Puppe. Doch Sasori sah ihn. Er wusste, dass er da war. Und das reichte aus, um ihm seine Laune zu verderben.

Seine Puppen waren Kunst. Sie sollten ewige, unzerstörbare Schönheit darstellen. Perfektion. Dieser Blutfleck -auch wenn er sich nur am Innenfutter befand- verschandelte sein wunderbares Kunstwerk. Es war wie ein kleiner Soßenfleck auf einem Gemälde.

Nun, es war seine eigene Schuld. Immerhin hatte er eigenhändig den bewusstlosen Deidara dort hingelegt, wohlwissend, dass ihm das Blut aus der Kopfwunde strömte. Aber welche Wahl hatte er denn gehabt?

Er konnte Deidara nicht ungeschützt mitten auf dem Kampfplatz liegen lassen. Pain hätte ihm die Hölle heißt gemacht, wenn das Gör unter seiner Obhut gestorben wäre. Der Leader duldete keine Illoyalität innerhalb der Organisation. Und leider hatte dieser ihm von Anfang an klar gemacht, dass er für seinen jüngeren Partner verantwortlich war.

Zu Beginn hatte Sasori das auch nachvollziehen können. Deidara war tatsächlich noch ein halbes Kind gewesen, als er zwangsrekrutiert wurde. Wie alt war er da noch gleich? Fünfzehn? Sechzehn?

Doch das war nun über drei Jahre her. Inzwischen war das Balg neunzehn Jahre alt und man sollte meinen, dass es auf sich selbst aufpassen könnte. Nun ja, die gestrige Aktion hatte wohl das Gegenteil bewiesen. Wäre Sasori nicht eingeschritten, wäre sein junger Partner sicher gestorben. Wenn nicht schon durch den Sturz aus großer Höhe, dann spätestens durch die Hand der drei feindlichen Ninja.

Sasori gab den Versuch auf Hiroku zu säubern. Es würde ihm wohl nichts Anderes übrigbleiben als das hochwertige Innenfutter komplett auszutauschen. Wie ärgerlich. Im Grunde war das nichts als eine unnötige Zeitverschwendung. Hätte er doch bloß Uchiha Itachi als Partner gehabt. Der war so ganz anders als Deidara.

Unwillig warf Sasori einen Blick hinüber zu dem Bett, in dem Deidara seit Stunden lag und seelenruhig schlief. Nur... - Deidara schlief nicht mehr. Verwundert zog Sasori die Augenbrauen zusammen. Wann war das Gör denn aufgewacht? Obwohl er sich gleich neben dem Bett seines Partners befand, hatte er gar nicht mitgekriegt, dass Deidara aufgewacht war und sich aufgerichtet hatte.

Das war sehr untypisch. Normalerweise begann Deidara loszuplappern und ihm auf den Geist zu gehen, kaum dass er die Augen aufgeschlagen hatte. Vielleicht ist er noch benebelt von dem Narkosemittel, überlegte sich Sasori.

„Warum sagst du denn keinen Ton?!“, fuhr er das Balg unfreundlich an. Da hatte er Hiroku schon extra in ihr Schlafzimmer geholt, um auf Deidara achtgeben zu können, während dieser sich erholte. Aber sein Partner machte sich nicht einmal die Mühe Bescheid zu geben, wenn er das Bewusstsein wiedererlangte. Wirklich unhöflich. Aber es war für ihn ja keine neue Information, dass der Rotzlöffel in seiner Kindheit keine Erziehung genossen hatte. „Und wie lang bist du schon wach?“

„Ä-ähm, Verzeihung“, sagte Deidara mit leiser Stimme und senkte den Blick. „Ich bin schon seit einer halben Stunde wach, aber ich wollte Euch nicht bei Eurer Arbeit stören, un.“

Sasori warf seinem Partner einen entgeisterten Blick zu. Hatte er sich das gerade eben womöglich eingebildet? Wenn es sich bei Sasori nicht um eine Puppe handeln würde, hätte er seine Sinne angezweifelt. Was war denn plötzlich mit Deidara los?

Stumm erhob Sasori sich vom Boden und ging zu seinem Partner hinüber. Deidara gab kein einziges Wort von sich und blickte ihn verunsichert aus seinen großen, azurblauen Augen heraus an.

Vielleicht eine Folge seiner Kopfverletzung, dachte Sasori, und ließ seinen Blick zu der Narbe hinter dem rechten Ohr seines Partners schweifen. Überraschenderweise handelte es sich bloß um eine kleine Narbe; sie war mit vier Stichen genäht worden. Kakuzu hatte nur ein kleines Stück der langen, blonden Haarpracht wegrasieren müssen, um die Wunde zu behandeln.

„Kannst du dich daran erinnern, was passiert ist?“, fragte Sasori mit ruhiger Stimme.

„Nein“, antwortete Deidara. Das war's. Er sagte nur „Nein“, nichts weiter.

„Du bist gestern von feindlichen Ninja angegriffen worden“, erklärte er ihm. „Sie erwischten dich am Kopf. Du hast viel Blut verloren.“

Darauf erwiderte Deidara nichts. Das Schweigen seines Partners ließ Sasori ungeduldig werden. So kannte er das Gör gar nicht.

Deidara ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Er betrachtete stumm den Kleiderschrank, den Schreibtisch, Hiroku, Sasoris Bett (das im Grunde nie benutzt wurde), die Badezimmertüre...

„Kakuzu hat dich wieder zusammengeflickt“, erklärte Sasori ihm, als er bemerkte, dass bei Deidara nichts klingelte. Doch auch die Erwähnung des anderen Mitglieds ihrer Organisation entlockte Deidara keine Reaktion. Er wirkte vollkommen regungslos. Fast wie eine Puppe, schoss es Sasori auf einmal durch den Kopf.

„Verdammt!“ Allmählich kam er sich für blöd verkauft vor. Was war bloß los mit dem Balg, dass es sich auf einmal so seltsam verhielt? „Fällt dir gar nichts ein, was du dazu zu sagen hast?“ Seine Stimme klang ein wenig schärfer als beabsichtigt.

„E-es ist mir gestattet zu sprechen?“, hakte Deidara verwundert nach.

„Wieso solltest du nicht sprechen dürfen?“, entgegnete Sasori ungeduldig. „Sonst hält dich ja auch nichts davon ab.“

„Darf ich auch etwas fragen?“, wollte Deidara wissen. Er sprach mit ganz leiser Stimme.

„Von mir aus.“

„Wer seid Ihr?“, fragte sein Partner ihn. „Und wo bin ich hier?“

Bedrängt

„Sag mal, hältst du mich für einen Idioten?!“, fuhr Sasori das blöde Gör an. Dieses Spielchen, das Deidara mit ihm trieb, war in seinen Augen nichts als Zeitverschwendung. Er hatte keine Lust für blöd verkauft zu werden, wenn es doch so viel Dringendes zu erledigen gab. Material für das neue Innenfutter von Hiroku zu besorgen zum Beispiel.

Aber das war mal wieder typisch für Deidara. Er dachte nur daran sich zu amüsieren; für ernstere Angelegenheiten hatte er nichts übrig.

„Nein, natürlich nicht“, sagte Deidara eingeschüchtert. Er erhob sich hastig vom Bett (seine Bewegungen waren ungelenk, fiel Sasori auf, vielleicht Nachwirkungen vom Narkosemittel) und verbeugte sich vor seinem Gegenüber. „Bitte verzeiht mir. Es ist nicht meine Absicht Euch auf den Arm zu nehmen, un. Ich habe wirklich keine Ahnung, wo ich bin und wer Ihr seid, un.“

Sasori musste zweimal zwinkern. Hatte Deidara sich gerade eben bei ihm entschuldigt und sich sogar vor ihm verbeugt? Der Deidara, den er kannte, hätte höchstens Konter gegeben und dann einen unsinnigen Streit vom Zaun gebrochen.

Irgendetwas stimmte hier nicht. Allmählich begann Sasori den Worten seines Partners Glauben zu schenken.

„Man nennt mich Akasuna no Sasori“, sagte er schließlich, nicht ohne sich dabei reichlich dämlich vorzukommen. Schließlich stellte er sich gerade jemandem vor mit dem er seit über drei Jahren fast täglich Kontakt hatte. „Und wir befinden uns im Hauptquartier unserer Organisation.“

Erneut ließ Deidara den Blick durch das Zimmer gleiten als hätte er sich nicht schon hunderte Male hier aufgehalten. Er zögerte kurz, bevor er sich zu eine weiteren Frage durchrang: „Ich möchte nicht unhöflich erscheinen, Sasori-san, aber das hier ist nicht das Hauptquartier der Bakuha Butai, un.“

Bakuha Butai, wiederholte Sasori in Gedanken. Er hatte diesen Namen schon einmal irgendwo gelesen oder gehört. War das nicht eine Einheit aus Iwagakure, die sich auf Anschläge mit Sprengstoff spezialisiert hatte? Ja, genau. Pain hatte ihm damals, als sie Deidara rekrutiert hatten, davon erzählt. Deidara war Mitglied in dieser Einheit gewesen, ehe er sein Dorf Iwagakure verlassen hatte und zum Nuke-nin geworden war.

„Zuerst einmal: Ich bin es gewohnt von dir mit Sasori no Danna angesprochen zu werden.“ Eigentlich hatte er kein Recht auf diese respektvolle Anrede zu bestehen, denn damals war es Deidaras Idee gewesen ihn so anzusprechen. Doch Sasori hatte sich in den letzten Jahren so sehr daran gewöhnt, dass es ihm seltsam vorkam, wenn sein Partner ihn bloß Sasori-san nannte.

Zu seiner Überraschung verbeugte Deidara sich erneut und erwiderte höflich: „Verzeihung, Sasori no Danna.“

„Und zweitens bist du schon seit Jahren kein Mitglied der Bakuha Butai mehr“, fuhr er ungerührt fort. „Du bist hier bei Akatsuki. Und ich bin dein Partner.“

„Akatsuki?“ Deidara zog eine Augenbraue hoch. Es war klar, dass er davon noch nie zuvor gehört hatte.

Der Marionettenspieler seufzte leise. Ihm ging diese ganze Sache jetzt schon gehörig auf die Nerven. „Ich habe dir doch erzählt, dass du dir gestern eine Verletzung am Kopf zugezogen hast“, meinte er schließlich. „Womöglich bist du deswegen ein bisschen durcheinander. Du solltest etwas essen und trinken. Vielleicht musst du nur etwas in den Magen bekommen, damit du wieder zu dir findest.“

Jedenfalls hoffte Sasori darauf. Diese ruhige, höfliche und gehorsame Version von Deidara war ihm ein wenig unheimlich. So kannte er seinen Partner überhaupt nicht.

„Komm, ich zeige dir die Küche.“ Es überraschte Sasori nicht, als Deidara ihm mit gesenktem Blick und ohne jegliche Widerworte folgte. Was war bloß los mit dem Bengel?
 

„Bedien dich“, forderte Sasori seinen Partner auf, als sie die Küche erreichten. Sie war sogar halbwegs sauber. Ein Wunder, wenn man bedachte, dass sich Hidan zurzeit im Hauptquartier aufhielt. Er plünderte zu gerne den Kühlschrank und die Küchenschränke, nur um anschließend ein Schlachtfeld zu hinterlassen. Es hatte bereits genug Tage gegeben an denen Sasori froh darum gewesen war, dass er als Puppe weder zu essen noch zu trinken brauchte.

„Möchtet Ihr auch etwas, Sasori no Danna?“, riss ihn Deidaras ungewohnt leise und demütig klingende Stimme aus den Gedanken. Sein jüngerer Partner stand vor dem Herd; in der Hand hielt er eine Teekanne, in der anderen eine Packung Tee.

Deidara war sich also auch nicht dessen bewusst, dass es sich bei ihm um eine Puppe handelte. Sasori schüttelte den Kopf. „Nein, danke.“ Er ließ sich auf einen Stuhl am Esstisch nieder und schaute Deidara dabei zu, wie er sich stumm und leise Tee und eine kleine Mahlzeit bestehend aus Fleisch und Gemüse zubereitete.

Während Deidara ohne ein Wort zu verlieren am Tisch saß, ohne zu trödeln aß und trank, dachte Sasori darüber nach, ob er Kakuzu aufsuchen sollte. Es handelte sich bei ihm zwar nicht um einen „echten“ Arzt, aber immerhin hatte er Deidaras Kopfwunde behandelt. Vielleicht hatte er eine Ahnung, was hier los sein könnte.

Als Deidara mit seiner Mahlzeit fertig war, trug er unaufgefordert sein Geschirr und Besteck zur Spüle und reinigte sorgfältig alles, was er benutzt hatte. Anschließend trocknete er jedes Teil mit einem sauberen Tuch und räumte es dorthin zurück, wo er es hergenommen hatte.

Wirklich eigenartig, dachte Sasori. Nicht dass es ihn stören würde, dass der Rotzlöffel einmal die Klappe hielt und sich wie ein vernünftiger Mensch aufführte... Es war nur so... ungewohnt... Das hier war nicht der Deidara, den Sasori vor drei Jahren kennengelernt hatte. Man könnte meinen, es wäre heute eine völlig andere Person im Bett seines Partners aufgewacht.

Nicht nur Deidaras Verhalten kam ihm seltsam vor. Auch sein Äußeres. Normalerweise trug das Gör einen Teil seiner Haare zu einem hohen Zopf. Deidara war ein eitler junger Mann und brachte morgens manchmal eine halbe Stunde damit zu seine Frisur herzurichten. Doch nun hing ihm seine blonde Mähne ohne Haarband bis fast zur Hüfte hinunter.
 

Gerade wollte Sasori ihn dazu auffordern mit ihm gemeinsam Kakuzu aufzusuchen, als dessen weitaus weniger kompetente Partner die Küche betrat. Sasori konnte Hidan nicht viel abgewinnen: Er war laut, aufdringlich und vulgär. Man konnte es kaum glauben, doch er war sogar noch schlimmer als Deidara. Also: der normale Deidara. Nicht diese höfliche und zurückhaltende Variante, die heute ihm gegenüber am Küchentisch saß.

„Na Dei-chan“, flötete er breit grinsend und ließ sich, ohne dass ihn jemand dazu eingeladen hätte, auf den Stuhl gleich rechts neben dem Blondschopf nieder. „Ich habe von Kakuzu gehört, dass dir ordentlich eins übergezogen wurde.“ Nun entdeckte er auch die Narbe hinter Deidaras rechtem Ohr. Ungebeten streckte er die Hand aus und schob ein paar Haarsträhnen zur Seite, um einen besseren Blick auf die Verletzung zu bekommen. „Lass mal sehen.“

Deidara verzog unwillig das Gesicht, als Hidan begann in seinem Haar herumzufummeln, doch er gab kein einziges Widerwort von sich. Stumm erduldete er die Berührung des -in seinen Augen- fremden Mannes. Sasori wartete darauf, dass sein Partner Hidan wütend zurechtweisen würde, doch nichts geschah.

Es war ihm völlig unbegreiflich. Deidara ließ widerstandslos zu, dass Hidan nah zu ihm heranrückte und neugierig die aus vier Stichen bestehende Narbe begutachtete. Als er auch noch mit dem Daumen über das frisch vernähte Gewebe fahren wollte, griff Sasori schließlich ein.

„Hidan, lass ihn in Ruhe!“, wies er den aufdringlichen Idioten in einem strengen Ton zurecht.

Tatsächlich ließ Hidan von Deidara ab. Doch der neugierige Ausdruck war aus seinen Augen nicht verschwunden. „Was ist denn mit dir los?“, wollte er an Deidara gewandt wissen. Offenbar kam ihm das seltsames Verhalten des Iwa-Nin ebenso dubios vor wie Sasori. „Bist du immer noch bekifft von dem Zeug, das Kakuzu dir gegeben hat oder was?“

„Wo ist Kakuzu eigentlich?“, fragte Sasori, ehe Deidara die Gelegenheit dazu bekam auf Hidans unverschämte Fragen zu antworten. „Ist er hier?“

„Wieso willst du das wissen?“, gab Hidan schulterzuckend zurück.

Sasori warf Hidan einen genervten Blick zu. Er beneidete Kakuzu wirklich kein Stück um dessen nervigen Partner. Er selbst glaubte ja manchmal schon mit Deidara an der Seite verrückt zu werden. Da wollte er sich gar nicht ausmalen wie schlimm es mit diesem hirnrissigen Idioten sein musste.

„Beantworte einfach die Frage“, gab Sasori kühl zurück. Er hatte keine Lust sich auf Hidans dumme Spielchen einzulassen.

„Er ist heute Morgen losgezogen, um ein Kopfgeld zu kassieren“, antwortete Hidan schließlich. Er schien zu spüren, dass Sasori in keiner Laune war, um sich mit ihm auseinanderzusetzen. „Nur ein kleiner Fisch. Meinte, heute Abend wäre er wieder da.“

Dann würde er sich also noch einige Stunden gedulden mussen. Das passte Sasori gar nicht. Er hasste es zu warten. Doch offenbar blieb ihm keine andere Wahl. Nun, er würde die Zeit nutzen, um sich mit seinen Puppen zu beschäftigen.
 

Doch erneut wurden seine Pläne durchkreuzt. Wieder öffnete sich die Küchentüre; diesmal traten Kisame und Itachi ein. Stimmt ja; die beiden hielten sich zurzeit auch im Hauptquartier auf. Sasori verzog unwillig das Gesicht. Er verspürte überhaupt keine Lust sich nun auch noch mit diesen beiden auseinanderzusetzen. Es hatte schon seinen Grund, dass er die Gemeinschaftsräume ihres Hauptquartiers normalerweise mied.

„Das ist ja 'ne richtige, kleine Versammlung hier“, fasste Hidan Sasoris Unmut grinsend in Worte zusammen. „Was ist? Hat jemand Bock 'ne Runde Karten zu spielen? Oder seid ihr nur hier, um Deidara zu begaffen?“

„Man wird ja wohl Interesse zeigen dürfen, wenn man hört, dass ein Mitglied schwer verletzt wurde, oder nicht?“, gab Kisame spöttisch zurück. „Außerdem hast du im Kartenspiel sowieso keine Chance gegen mich.“

„Das glaubst auch nur du!“, konterte Hidan sofort mit einem beleidigten Gesichtsausdruck. „Außerdem ist Blondie nicht schwer verletzt worden. Guck, es ist nur eine kleine Wunde.“ Ungeniert deutete er mit dem Finger auf die kleine, kahl rasierte Stelle hinter Deidaras Ohr. Während die beiden sich in einer hitzigen Diskussion verfingen, musterte der Uchiha Deidara, der mit gesenktem Blick da saß und so tat als bekäme er von der Situation um ihn herum gar nichts mit.

„Darf ich mich setzen?“, fragte Itachi höflich.

Deidara schaute verunsichert zu Sasori hinüber. Erst als dieser nickte, antwortete er beinahe im Flüsterton: „Natürlich.“

Eigentlich hatte Sasori vorgehabt sich aus allem herauszuhalten. Doch als er in Deidaras überfordertes Gesicht sah, beschloss er doch einzugreifen. Immerhin handelte es sich um seinen Partner. Auch wenn er sich streng betrachtete durch seine eigene Unaufmerksamkeit in diese Situation gebracht hatte, fühlte Sasori sich ihm gegenüber zur Loyalität verpflichtet.

„Deidara“, sagte er, „das ist Uchiha Itachi. Er ist auch in Akatsuki und der Partner von Hoshigaki Kisame.“

Seine Worte sorgten augenblicklich dafür, dass absolute Stille in der Küche herrschte. Hidan und Kisame hörten auf zu diskutieren und alle Blicke waren auf Deidara gerichtet. Es war Hidan, der als Erster wieder zu sich fand und das Schweigen durchbrach: „Sagt mal, habt ihr noch alle Latten am Zaun? Was ist denn jetzt los?“

„Ich dachte es mir schon“, sagte Itachi. Seine Miene blieb wie immer so gut wie ausdruckslos. „Er hat sein Gedächtnis verloren, nicht wahr? Mir fiel sofort auf, dass er mich nicht mit dem selben hasserfüllten Blick wie sonst anschaut.“

Sasori sah keinen Sinn darin Lügenmärchen aufzutischen. Der Rest von Akatsuki hätte die Wahrheit sowieso früher oder später herausgefunden. Wozu sollte er sich also die Mühe machen Deidaras Gedächtnisverlust zu verschweigen? „Das Letzte, woran er sich erinnern kann, ist die Bakuha Butai. Das ist die Sprengstoffeinheit gewesen, der er in Iwagakure angehörte“, erklärte er mit neutraler Stimme.

„Aber das ist doch nicht das einzige, was bei ihm verkehrt läuft, oder?“, mischte sich Kisame ein. „Er verhält sich sonderbar. So still. Das ist doch nicht unser Deidara.“

Sasori zuckte mit den Schultern. „Heute Abend kehrt Kakuzu zurück. Er hat Deidara verarztet und wird wissen, was mit ihm los ist. Morgen hat dieser Spuk bestimmt schon wieder ein Ende.“

Darüber hinaus sah er keinen Sinn darin dieses Gespräch fortzuführen. Keiner von ihnen war ein Fachmann, also konnten sie nichts als spekulieren. Und dafür hatte Sasori weder Zeit noch Nerven übrig. Es wäre viel klüger den angebrochenen Tag zu nutzen, um Material für Hirokus neues Innenfutter zu beschaffen.

Doch selbstverständlich sah Hidan, dieser nichtsnutzige Idiot, die Sache anders. „Wieso redet er nicht?“, hakte er neugierig nach. „Normalerweise plappert er doch wie ein Wasserfall.“

„Stimmt“, pflichtete Kisame ihm bei. „Er hat bisher kaum einen Ton von sich gegeben.“

„Man muss ihn fragen“, erklärte Sasori unwillig. Eigentlich hatte er keine Lust auf dieses Gespräch.

„Wie? Man muss ihn fragen?“ Hidan schien nicht zu begreifen, worauf Sasori hinauswollte.

„Im Gegensatz zu dir ist diese Version von Deidara sehr gut erzogen worden“, gab er genervt von sich. „Er spricht nur, wenn er etwas gefragt wird.“

„Und du bist dir sicher, dass das wirklich Deidara ist? Und nicht... Ich weiß nicht... Irgendein Spion, der sich bloß als Deidara ausgibt?“

Sasori rollte mit den Augen. Seine Geduld mit diesem Idioten war endgültig am Ende. Sicher hatte Kakuzu ihn nur deswegen nicht schon längst umgebracht, weil es schlicht unmöglich war. „Schluss mit diesem Unfug“, sagte er und erhob sich. „Komm, Deidara. Wir gehen auf unser Zimmer, bis Kakuzu zurückkehrt. Es hat keinen Sinn sich mit einem Dummkopf wie Hidan auseinanderzusetzen.“

„Ja, Sasori no Danna“, antwortete Deidara gehorsam und stand ebenfalls auf. Mit gesenktem Blick wollte er seinem Partner folgen. Sasori nahm an, dass auch er froh war dieser unangenehmen Situation endlich entrinnen zu können. Zwar hatte Deidara sich nicht beschwert, aber man konnte sich denken, dass es angenehmeres gab als von fremden Menschen begafft zu werden wie ein Affe im Zoo.

Doch Hidan hielt ihm am Handgelenk zurück. „Zeig uns deine Münder“, verlangte er plötzlich und zerrte an Deidaras Arm.

„Lass ihn los, Hidan.“ Sasori wollte gerade eingreifen, als Hidan im letzten Moment doch noch von Deidara abließ.

„Er soll uns seine Münder zeigen“, verlangte er allerdings unbeirrt. „Wenn er der echte Deidara ist, dann hat er seine Münder.“

„Das ist keine schlechte Idee“, stimmte ihm Kisame zu. „Seine Münder sind sein Kekkei Genkai, oder nicht? Ein Doppelgänger könnte sie nicht so einfach nachstellen. Auf diese Weise können wir sicher gehen, dass es sich nicht um einen Spion handelt. Seine Münder wären der Beweis.“

„Er ist kein Doppelgänger“, meinte Sasori. „Wie kommt ihr auf diesen Blödsinn?“

„Deidara“, bat nun auch Kisame, jedoch ein wenig freundlicher als Hidan, „zeig uns deine Münder.“ Auffordernd blickte er dem Iwa-Nin ins Gesicht.

„Was denn für Münder?“, fragte dieser perplex. Er schien gar nicht zu begreifen, was die Anderen von ihm wollten.

„Seht ihr!“, rief Hidan. „Er ist ein Spion, der sich eingeschleust hat!“

„Deidara-san.“ Diesmal war es Itachi, der Deidara ansprach. Seine Stimme klang ruhig und höflich. „Bitte zeig uns deine Handflächen.“

„Meine... Handflächen?“, wiederholte Deidara irritiert, doch tat wie ihm geheißen. Mit einem verunsicherten Ausdruck auf dem Gesicht hob er beide Hände auf Brusthöhe.

Die beiden lippenlosen Münder, die bisher fest verschlossen gewesen waren, öffneten sich. Sie ließen ihre Zungen heraushängen und ihre Zähne aufblitzen.

Deidaras Gesicht wurde leichenblass. Er öffnete den Mund (den Mund in seinem Gesicht), um zu schreien, doch es kam kein einziger Ton heraus. Völlig entsetzt betrachtete er die beiden sich bewegenden Münder in seinen Handinnenflächen. Er schien nicht begreifen zu können, was er da sah.

Seine Iris drehte sich nach hinten. Sasori, der ahnte, was passieren würde, fing Deidaras ohnmächtigen Körper ab, eher er auf dem Küchenboden aufschlug.

„Na prima!“, herrschte er Hidan, Kisame und Itachi an. „Seht, was ihr verdammten Idioten angerichtet habt! Jetzt ist er schon wieder ohnmächtig!“

„Er hätte die Münder früher oder später sowieso entdeckt“, verteidigte Kisame sich schulterzuckend.

„Wieso ist er eigentlich so ausgetickt?“, wollte Hidan wissen. Diesen Mistkerl schien kein schlechtes Gewissen zu plagen. „Ich meine, er hat seine Münder doch von Geburt an. Eigentlich müsste er den Anblick doch gewöhnt sein.“

„Offenbar nicht“, meinte Kisame.

„Womöglich doch kein Kekkei Genkai“, mutmaßte Itachi, „sondern ein verbotenes Jutsu, das er sich erst später angeeignet hat.“

„Ich bringe ihn in unser Zimmer“, meinte Sasori, der die Nase nun endgültig voll hatte. Er war mit Deidara hierher gekommen, damit sein Partner etwas aß und trank. Nun hing er bewusstlos in seinen Armen. Es kam wirklich nichts Gutes dabei heraus, wenn man sich in den Gemeinschaftsräumen ihrer Hauptquartiers herumtrieb. „Schickt Kakuzu vorbei, wenn er wieder da ist.“

Mit diesen Worten legte er sich Deidara über die Schulter und verließ die Küche, ohne die restlichen Mitglieder von Akatsuki auch nur eines Blickes zu würdigen. Verdammte Idioten.
 

bye

sb

Verwirrt

Behutsam legte Sasori Deidaras bewusstlosen Körper auf sein Bett ab und drehte den Kopf so, dass er nicht auf seiner Wunde lag, die ja erst gestern Morgen genäht worden war. Mit einem unwilligen Gesichtsausdruck musterte er die vier Stiche lange Narbe hinter dem rechten Ohr seines Partners. Die Verletzung wirkte unscheinbar, harmlos. Fast jeder Ninja hatte in seinem Leben schon schlimmere Verletzungen erlitten.

Kaum zu glauben, dass dieser Schlag gegen den Kopf so viel in Deidaras Gehirn durcheinandergebracht hatte. (Und eigentlich war Sasori davon ausgegangen, dass es zwischen den Ohren des jungen „Künstlers“ nicht viel gab, was beschädigt werden könnte.)

Hoffentlich fand Deidara bald wieder zu sich. Natürlich empfand Sasori es als angenehm, dass sein idiotischer Partner wenigstens einmal die Klappe hielt und nur sprach, wenn er gefragt wurde, und sich auch dann sehr höflich ausdrückte.

Doch die Reaktion Deidaras auf die Münder in seinen Händen hatte bewiesen, dass dieser keine Ahnung mehr von seinen einzigartigen Jutsus hatte. Er befand sich also auf dem Niveau eines durchschnittlichen Ninjas. Deidaras Wert als Mitglied von Akatsuki lag in seinen besonderen Fähigkeiten; ohne seinen explosiven Lehm war er als Partner für Sasori nutzlos.

Nun, vielleicht hatte sich ja alle Verbindungen, die in Deidaras Kopf durcheinander gebracht worden waren, wieder gerade gerückt, wenn er das nächste Mal aufwachte. Jedenfalls hoffte Sasori darauf.

Er beschloss die Zeit des Wartens sinnvoll zu nutzen und machte sich vorsichtig daran Hirokus beschädigtes Innenfutter aus dem Korpus der Puppe zu lösen.
 

Deidara blinzelte müde. Er fühlte sich als hätte er am Vorabend zu viel Sake getrunken. Zwar wusste er nicht aus erster Hand was ein Kater war (er hatte noch niemals ein Glas Alkohol angerührt, das war verboten), doch genug Erwachsene hatten ihm davon berichtet wie man sich am nächsten Morgen fühlte. Sein Schädel schmerzte und es war ihm als hätte man Watte in seine Ohren hineingestopft. Außerdem war er ganz müde und schlapp.

Als er einigermaßen zu sich gefunden hatte, ließ Deidara seinen Blick vorsichtig durch den Raum schweifen. Er befand sich in dem selben Zimmer, in dem er auch schon zuvor aufgewacht war. Und wieder saß Sasori neben seinem Bett auf dem Teppich und arbeitete an seiner großen, unheimlich aussehenden Puppe. Inzwischen hatte Deidara sich zusammengereimt, dass es sich bei ihm um einen Marionettenspieler handelte. Er glaubte schon einmal gehört zu haben, dass es Ninja gab, die im Kampf Puppen als Waffen einsetzten.

Deidara erinnerte sich daran, dass Sasori ihn das letzte Mal wütend ausgeschimpft hatte, weil er nicht Bescheid gegeben hatte, dass er aufgewacht war. Diesen Fehler wollte er kein zweites Mal machen.

„Sasori no Danna?“, gab er also mit leiser Stimme von sich.

Der rothaarige Marionettenspieler drehte sich zu ihm. Sofort lief es Deidara eiskalt den Rücken hinunter. Sasoris Gesichtsausdruck war ebenso leer und kühl wie der seiner angsteinflößenden Puppe. Er hatte nicht viel über diesen Mann in Erfahrung bringen können, doch eines war ihm klar: Mit Sasori war nicht gut Kirschen essen. Und deshalb wollte Deidara vermeiden sich Ärger mit ihm einzuhandeln.

„Endlich bist du wieder bei Bewusstsein“, erwiderte Sasori. Er klang ungeduldig und angenervt. „Und bist du nun wieder der alte Deidara?“

Deidara legte den Kopf schief. Er verstand nicht so ganz, worauf sein Gegenüber hinauswollte. „Verzeiht mir, Sasori no Danna“, sagte er schließlich mit gesenktem Blick, „aber was meint Ihr damit?“

Er konnte hören, dass Sasori sich mit der flachen Hand gegen die Stirn schlug und aufseufzte. „Also nicht“, meinte er und warf Deidara einen vorwurfsvollen Blick zu.

Sofort begann er sich schuldig zu fühlen. Was hatte er denn falsch gemacht? Um ehrlich zu sein, verstand Deidara überhaupt nicht was los war. Wo er sich hier befand und in welcher Beziehung er zu Sasori stand. Der Marionettenspieler bestand darauf, dass er ihn mit „Danna“ anredete und hatte sich als sein Partner vorgestellt. War er sein Lehrmeister, sein Mentor?

Und was war mit den anderen Leuten, die er dazu noch kennengelernt hatte? Unmut breitete sich in seiner Magengegend aus, als er sich an Hidan, diesen aufdringlichen Typen, erinnerte. Der einzige, den Deidara noch ganz angenehm gefunden hatte, war Uchiha Itachi gewesen.

Plötzlich bewegte Sasori sich in Richtung Türe. „Ich werde Kakuzu holen“, erklärte er Deidara, der es angesichts der miesen Laune seines Dannas nicht gewagt hätte zu fragen wohin dieser ging. „Er weiß bestimmt Rat. Warte hier solange auf mich. Und...“ Er warf Deidara einen besonders abschätzigen Blick zu, „... also wenn du mal musst oder so. Hier drüben ist das Bad.“ Er deutete auf die zweite Türe, die von ihrem Zimmer abzweigte.

„Ja, Sasori no Danna.“

Kaum hatte Sasori den Raum verlassen, huschte Deidara hinüber ins Badezimmer. Er wusste nicht, ob Sasori Gedanken lesen konnte, doch er musste tatsächlich ganz dringend zur Toilette. Anschließend wusch er sich die Hände (die beiden gruseligen Münder blieben zum Glück fest verschlossen) und warf anschließend einen Blick in den Spiegel, der über dem Waschbecken hing.

Deidaras Herz setzte für einen Moment aus, nur um dann doppelt so schnell weiterzuschlagen, als er sich selbst im Spiegel betrachtete. Er sah so … ungewohnt aus. Anders. Sein Haar war viel zu lang. Sein Gesicht zu schmal. Was war nur geschehen?

Weil er spürte, dass seine Knie nachzugeben drohten, ließ Deidara sich auf dem heruntergeklappten Toilettensitz nieder. Ganz langsam, Stück für Stück, ließ er die Ereignisse der letzten Stunden Revue passieren. Allmählich setzten sich die einzelnen Puzzlestück zu einem Gesamtbild zusammen.

Offenbar hatte er sein Gedächtnis verloren. Er war nicht länger ein Mitglied der Bakuha Butai. Stattdessen war er nun bei Akatsuki und dieser unheimliche Sasori war sein Partner.

Ungeduldiges Klopfen an der Türe ließ Deidara aus seinen Gedanken aufschrecken. „Beeil dich, Deidara“, hörte er die unerbittliche Stimme seines Dannas sagen. „Kakuzu ist hier.“
 

Reichlich ungeduldig beobachtete Sasori Kakuzu, der seinen jüngeren Partner untersuchte. Er schaute sich noch einmal die Wunde an Deidaras Hinterkopf an und stellte ihm außerdem einige Fragen, die ihm zögerlich und mit leiser Stimme beantwortet wurden.

Es verging nicht viel Zeit, ehe Sasori es nicht länger aushielt und Kakuzu anherrschte: „Was ist nun? Wann wird er wieder der Alte sein?“

Seinem Geschmack nach ging dieses blöde Spiel bereits lang genug. Er wollte endlich seinen alten Partner zurückhaben, anstatt seine wertvolle Zeit mit dieser nutzlosen Version von Deidara zu verplempern.

Doch Kakuzu zuckte bloß mit den Schultern. „Offenbar hat der Schlag, den er bekommen hat, sein Langzeitgedächtnis beeinträchtigt. Er hat eine Amnesie erlitten und keine Erinnerungen mehr an die letzten, hm, ich würde sagen vier bis fünf Jahre seines Lebens.“

„Soweit waren wir vorher schon“, giftete Sasori und warf Deidara einen anklagenden Blick zu. Ihm war zwar klar, dass das Balg im Grunde nichts für diese unangenehme Situation konnte... doch verdammt, wenn er besser aufgepasst hätte, wäre es gar nicht erst so weit gekommen. Wieso konnte Deidara eigentlich nichts als ihm auf den Zeiger zu gehen? „Und was machen wir da jetzt?!“

„Nichts“, antwortete Kakuzu und zuckte gelassen mit den Schultern.

„Nichts? Nichts?“, wiederholte Sasori fassungslos die Worte des ältesten Mitglieds ihrer Organisation. „Was soll das heißen: nichts?!“

„Es gibt kein Heilmittel für Amnesie“, erklärte ihm Kakuzu mit ruhiger Stimme. „Ich kann ihm nichts verabreichen, was sein Gedächtnis wieder herstellen würde.“

„Bedeutete das, dass er … für immer so bleiben wird?“ Sasori wusste selbst nicht genau wieso, doch diese Vorstellung entsetzte ihn. Vielleicht lag es an all den nervtötenden Problemen, die diese Perspektive für ihn bedeuten würde. Als wäre Deidara unter normalen Umständen nicht schon Belastung genug.

Zum Glück schüttelte Kakuzu den Kopf. „Ich gehe davon aus, dass er seine Erinnerungen nach und nach zurückerhalten wird. Am besten verhalten wir uns alle ganz normal. Deidaras Gedächtnis wird sich mit der Zeit selbst wieder herstellen.“

Das waren ja wirklich fantastische Aussichten. Wirklich prima. Erneut warf Sasori seinem Partner einen tödlichen Blick zu, unter dem dieser zusammenzuckte. Als ihm das auffiel, wandte Sasori das Gesicht ab. Es ist nicht seine Schuld, versuchte er sich ins Gedächtnis zu rufen. Zumindest nicht die Schuld dieses Deidaras. Er sollte sich darum bemühen sich nicht zu abweisend zu verhalten und alles daran setzen die Erinnerungen des Balgs wieder aufzufrischen.
 

Während Kakuzu im Raum anwesend war, hatte Deidara von selbst keinen einzigen Ton von sich gegeben. Er hatte nur dann gesprochen, wenn er etwas gefragt worden war, und ansonsten den Blick demütig auf den Boden gerichtet.

Als der große und furchteinflößende Nuke-nin verschwunden war, bat sein jüngerer Partner ihn schließlich mit leiser Stimme: „Ich würde mich gerne frisch machen, un. Darf ich das Bad benutzen, Sasori no Danna?“

Sasori zog die Augenbrauen zusammen. Er hatte sich noch immer nicht an Deidaras seltsame Verhaltensweisen gewöhnt.

Der Deidara, den er kannte, wäre nie im Leben auf die Idee gekommen für die Benutzung des Badezimmers um Erlaubnis zu fragen. Ganz im Gegenteil: Oft genug blockierte das Gör das Bad stundenlang, um sich zurechtzumachen, und beschwerte sich lauthals, wenn Sasori es benutzen wollte, um sich zu waschen. Unzählige Male hatten sie sich deswegen schon gestritten, sei es hier im Hauptquartier oder in einer Unterkunft, während sie gemeinsam auf Mission waren.

„Natürlich“, sagte Sasori. „Und du brauchst mich nicht jedes Mal zu fragen. Hier darfst du dich frei bewegen. Auch die Küche und der Gemeinschaftsraum stehen dir zur Verfügung.“

„Danke“, erwiderte Deidara und verbeugte sich leicht. Er wollte sich gerade auf den Weg hinüber ins Bad machen, als er noch einmal innehielt und nach kurzem Zögern fragte: „Habt Ihr eine Schere, die ich mir bitte ausleihen könnte, Sasori no Danna?“

„Eine Schere?“ Sasori warf dem Blondschopf einen misstrauischen Blick zu. „Wozu brauchst du denn eine Schere?“

„Ich möchte mir die Haare kurz schneiden, un“, antwortete die merkwürdige, jüngere Version seines Partners.

„Nein!“, erwiderte Sasori sofort mit energischer Stimme. „Das erlaube ich dir nicht.“ Er wusste selbst nicht genau wieso er das sagte. Eigentlich könnte ihm die Sache ja völlig schnuppe sein. Sollte sich Deidara doch die langen Haare abschneiden -was kümmerte es ihn?

„Aber ich sehe mit dieser Frisur aus wie ein Mädchen, un.“ Es war das erste Mal, dass der höfliche und zurückhaltende Deidara Widerworte gab. Offenbar lag ihm dieses Thema sehr am Herzen. „Eigentlich trage ich mein Haar kurz, un.“

Sasori schüttelte den Kopf. „Schon als Akatsuki dich vor drei Jahren rekrutierte, hast du dein Haar lang getragen.“

„Es stört“, versuchte ihn Deidara zu überreden. „Mir hängen die langen Haarsträhnen ins Gesicht. Bitte lasst sie mich abschneiden, Sasori no Danna!“

„Ich verbiete es dir.“ Sasori blieb hart. „Bald wirst du dein Gedächtnis wiedererlangt haben. Und ich habe keine Lust mir vom richtigen Deidara vorhalten zu lassen, dass ich sein heiß und innig geliebtes Haar verschandelt habe. Und nun ist Schluss mit diesem Gejammere! Ich möchte es mir nicht länger anhören. Bind dir deine Haare halt zu einem Zopf!“

Man spürte sehr deutlich, dass Deidara mit der Entscheidung seines Dannas nicht zufrieden war, doch er trollte sich mit vorgeschobener Unterlippe ins Bad. Als er nach nur zwanzig Minuten (für das Gör war das eine wirklich ungewöhnlich kurze Zeit) wieder hervorkam, stellte Sasori zufrieden fest, dass die lange Mähne seines Partners nicht angerührt worden war.
 

bye

sb

Losgeschickt

Noch am selben Abend wurde Sasori in Pains Büro beordert. Das überraschte ihn nicht; sicher hatte der Leader längst gehört, was mit Deidara geschehen war, und wünschte sich Informationen aus erster Hand.

Pain stand am Fenster und beobachtete den Regen, der auf die Erde hinabfiel; erst als Sasori sich räusperte, drehte er sich um.

„Ich kann mir denken, wieso ich hier bin, Leader-sama“, meinte Sasori, der keinen Sinn darin sah um den heißen Brei herumzureden. Er war ein Freund von deutlichen, knappen Worten. Alles andere war bloß eine Zeitverschwendung. „Deidara wurde am Kopf verwundet und hat daher offenbar einen Gedächtnisverlust erlitten. Laut Kakuzu wird sich das Problem aber von selbst wieder lösen. Ich nehme an, dass er nur ein bisschen Zeit braucht, um zu sich zu sammeln.“

Pain hörte aufmerksam zu ohne ihn zu unterbrechen. Schließlich fragte er mit ruhiger Stimme: „Wie genau ist das passiert? Hat man euch aufgelauert?“

Sasori nickte „Wir waren auf dem Rückweg unserer Mission, als uns plötzlich drei Ninja angeriffen. Sie haben Deidara auf seinem Vogel attackiert und sofort ausgeknockt.“

„Waren die Angreifer Shinobi? Aus welchem Dorf stammten sie? Oder waren es etwa Kopfgeldjäger?“

„Das weiß ich nicht“, antwortete Sasori wahrheitsgemäß und zuckte mit den Schultern. Er hatte nicht auf die Stirnbänder geachtet. Dazu war auch keine Zeit geblieben; immerhin musste er drei Gegner ausschalten und gleichzeitig auf Deidara achtgeben. „Es ging alles sehr schnell. Aber keine Sorge: Ich habe alle getötet.“

„Und nicht einmal dann hast du dir die Mühe gemacht sie dir genauer anzuschauen?“

Allmählich wurde Sasori zornig. „Mein Partner hatte sich eine schwere Kopfverletzung zugezogen“, erklärte er Pain mit verärgerter Stimme, „er war ohne Bewusstsein und blutete wie ein abgestochenes Schwein. In dieser Situation hatte ich keine Zeit zu verschwenden. Oder wäre es dir lieber gewesen, wenn das Gör verblutet wäre?“

Seine Worte schienen Pain zu beschwichtigen. „Ich wundere mich nur“, sagte er. „Offensichtlich war dieser Überraschungsangriff gut geplant. Es war sehr klug Deidara von oben zu attackieren. Wenn er mit seinem Vogel fliegt, richtete er den Blick natürlich nach unten und ist blind für Angriffe aus der Luft.“

Derselbe Gedanke war Sasori auch schon gekommen. Er nickte langsam. „Ich weiß, was dir in den Sinn kommt, Leader-sama. Aber ich kann dir nicht sagen, wer diese Leute gewesen sind und was sie von uns wollten.“

„Ihre Leichen werden uns Aufschluss geben. Vielleicht liegen sie dort noch.“, mutmaßte Pain. „Ich möchte, dass du mit Deidara an den Ort des Geschehens zurückkehrst und nachsiehst.“

„Mit Deidara?“ Sasori zog skeptisch eine Augenbraue hoch. „Leader-sama, das halte ich für keine gute Idee. Er ist absolut nicht kampffähig. Als er heute einen Blick auf die Münder in seinen Händen geworfen hat, hat er sich so sehr erschrocken, dass er ohnmächtig geworden ist. Ich gehe allein. Das Balg ist nichts als eine Belastung.“

„Geht zu zweit“, befahl Pain ihm. Seine Stimme klang streng; es war klar, dass er keinen weiteren Widerspruch duldete. „Akatsuki agiert in Zweierteams.“ Dann fügte er ein wenig versöhnlicher hinzu: „Und wer weiß... Womöglich hilft es Deidaras Gedächtnis auf die Sprünge, wenn er an den Kampfplatz zurückkehrt.“
 

Unzufrieden kehrte Sasori zurück in das Zimmer, das er sich leider mit seinem idiotischen Partner teilen musste.

Pain verlangte, dass sie beide sofort aufbrachen. „Je eher die Leichen geborgen werden, desto besser.“

Das sah natürlich auch der Marionettenspieler ein. Doch er hatte herzlich wenig Lust darauf sich gemeinsam mit Deidara auf Mission zu begeben. Das Gör war durcheinander, verletzt und konnte seine Explosions-Justus nicht anwenden. Mit anderen Worten: Er würde komplett nutzlos und ihm bloß ein Klotz am Bein sein.

Deidara hielt sich nicht in ihrem Zimmer auf. Mit aufeinander gepressten Zähnen machte Sasori sich auf die Suche nach seinem nutzlosen Partner. Hoffentlich lief er dabei nicht Hidan, diesem Idioten, über den Weg. Es behagte Sasori wirklich gar nicht, dass sich so viele Mitglieder von Akatsuki gleichzeitig hier aufhielten. Sich mit einem komisch verhaltenden Deidara abzugeben war schon anstrengend genug - er hatte wirklich keine Lust darauf sich auch noch mit den anderen Exzentrikerin ihrer Organisation abzugeben.

Schließlich fand er den Blondschopf im Gemeinschaftsraum auf dem Sofa sitzen. Hinter ihm kniete Itachi, der die lange (inzwischen getrocknete) Mähne seines Partners sorgsam bürstete.

„Was zur Hölle ist denn hier los?!“

Die Szene war dermaßen absurd, dass Sasori in seiner Bewegung innehielt und einen entgeisterten Blick auf Deidara und den Uchiha warf. Es war das erste Mal, dass er die beiden so friedlich miteinander erlebte; eigentlich hasste Deidara Itachi nämlich auf's Äußerste.

„Itachi-kun war so freundlich und bot mir an meine Haare zu einem Zopf zu binden, un“, erklärte Deidara ihm als handelte es sich um das normalste der Welt.

Sasori schloss für einen kurzen Moment seine Augen und seufzte leise. „Beeilt euch“, meinte er schließlich und wedelte ungeduldig mit der Hand. „Deidara und ich haben eine Mission aufgetragen bekommen.“

Itachi ließ verwundert die Haarbürste sinken. „Ihr beide?“, hakte er nach. „Hältst du es wirklich für eine gute Idee Deidara in seinem jetzigen Zustand mit auf eine Mission zu nehmen?“

Sasori zuckte mit den Schultern. „Ich habe mich bereits dagegen ausgesprochen“, erklärte er dem Uchiha, der behutsam Deidaras Deckhaar abtrennte und stramm zog, „aber der Leader ist davon nicht abzubringen. Er meinte, es könnte ihm guttun zu dem Ort zurückzukehren, an dem die ganze Sache angefangen hat.“

Itachi legte ein Haarband um Deidaras Zopf und knotete es fest zu. „So, das hätten wir, Deidara-kun.“

Er griff nach dem Spiegel, der auf dem Couchtisch bereit lag und hielt ihn Deidara vor die Nase. Sasori war mit Itachis Arbeit zufrieden: Das Balg sah endlich wieder ganz normal aus mit seinem halben Pony und dem hoch sitzenden Zopf. Deidara allerdings schien die Sache anders zu sehen.

„Gefällt es dir nicht?“, fragte Itachi, der zu spüren schien, dass etwas nicht in Ordnung war.

„Doch“, antwortete Deidara, „vielen Dank, Itachi-kun.“ Allerdings klang seine Stimme dabei so unwillig, dass selbst Sasori, der wahrlich kein Meister im Lesen von menschlichen Emotionen war, merkte, dass er nicht ganz die Wahrheit sagte. „Es ist nur... Ich sehe aus wie mein Bruder, un.“

„Dein Bruder?“ Sasori hatte gar nicht gewusst, dass das sein Partner noch einen Bruder hatte. Darüber hatte Deidara nie ein Wort verloren. Er wollte sich gar nicht ausmalen wie anstrengend zwei Bälger dieser Sorte sein mussten. Ihm war ja eines schon oft zu viel.

Deidara nickte. „Er trägt sein Haar immer ganz genau so“, erklärte er und drehte den Kopf hin und her, um sich von allen Seiten betrachten zu können.

„Wie auch immer...“ Sasori winkte ungeduldig ab. „Seid ihr jetzt fertig mit eurem Frisör-Spiel? Deidara, ich gebe dir fünf Minuten, um deinen Mantel anzulegen und alles nötige für unsere Mission einzupacken.“

Fast erwartete Sasori, dass sein junger Partner einen Aufstand veranstalten würde. Ihn anmaulte und verärgert erklärte, dass er mindestens eine halbe Stunde bräuchte, um sich fertig zu machen. Das hätte jedenfalls der Deidara, mit dem er seit drei Jahren zusammenarbeitete, getan.

Doch seine jüngere, offensichtlich deutlich gehorsamere Version nickte nur stumm, verbeugte sich kurz sowohl vor Sasori als auch Itachi, und machte sich dann eilig auf den Weg in ihr gemeinsames Zimmer, um schnell alles einzupacken.

Der Uchiha warf Deidara einen undefinierbaren Blick hinterher, ehe er mit leiser Stimme sagte: „Gib gut auf ihn Acht, Sasori-san. Während dieser Mission bist du für ihn verantwortlich.“

Sasori zog eine Augenbraue hoch. „Ich übernehme für niemanden die Verantwortung“, erwiderte er und blickte den anderen Nuke-nin scharf an. „Der Bengel muss gefälligst auf sich selbst aufpassen.“

„Er ist noch ein Kind“, widersprach Itachi ihm kopfschüttelnd.

„Er ist neunzehn Jahre alt.“

„Als wir ihn damals fanden, in diesem Tempel, und ihn zwangen sich uns anzuschließen, war er fünfzehn. Deidara hat offensichtlich keinerlei Erinnerungen an dieses Ereignis und an alles, was danach kam. Demnach ist dieser Deidara also jünger. Außerdem ist er völlig durcheinander. Als dein Partner ist es deine Aufgabe Rücksicht auf ihn zu nehmen und ihn zu beschützen, falls ihr angegriffen werdet, Sasori-san.“

„Ph“, machte Sasori, doch er musste zugeben, dass der Uchiha einige gute Argumente vorgebracht hatte.
 

Skeptisch musterte er Deidara, der stumm und unauffällig hinter ihm hertrottete. Sein junger Partner gab ein wirklich seltsames Bild ab: Mit seiner gewohnten Frisur und dem schwarz-roten Akatsuki-Mantel sah er aus wie immer, doch seine Verhaltensweisen wollten überhaupt nicht zu dem sonst so lauten und quirligen Blondschopf passen. Es kam Sasori so vor als hätte er den Körper mit einem anderen Menschen getauscht.

Sie waren erst ein paar Schritte gegangen, als der Marionettenspieler stehen blieb und sich zu seinem Partner umdrehte. Deidara tat es ihm gleich. Wie immer ohne ein Wort von sich zu geben.

„Hör mir gut zu“, sagte Sasori mit ruhiger, aber eindringlicher Stimme. Er hatte beschlossen sofort reinen Tisch zu machen. Das war wahrscheinlich das Beste. „Was ich dir jetzt sage, werde ich nicht wiederholen. Also präge es dir gut ein.“

Deidara hob den Blick. Zwei azurblaue Augen schauten Sasori teils verunsichert, teils neugierig an.

„Wir brechen nun zu unserer Mission auf. Es ist völlig ungewiss, was uns an unserem Zielort sowie auf dem Weg dorthin erwarten wird. Möglicherweisen lauern uns Ninja auf. Bleib also wachsam.“ Sasori machte eine kurze Pause, blickte dem halben Kind, das da vor ihm stand, ins Gesicht und fuhr dann fort: „Ich erwarte von dir, dass du dich aus jeglichen Kämpfen heraushältst. Wenn du einen Feind bemerkst oder dir irgendetwas Anderes auffällt, gibst du mir sofort Bescheid. Dann gehst du hinter mir in Deckung und hältst dich versteckt, bis die Gefahr vorüber ist. Hast du das verstanden?“

„Ja, Sasori no Danna.“

„Sehr gut.“ Zufrieden machte Sasori sich daran ihren Weg fortzusetzen. „In deinem momentanen Zustand bist du nichts als Ballast. Im Kampf bist du ohne deine besonderen Fähigkeiten völlig wertlos. Halte dich also aus allem raus und komm mir nicht in die Quere.“

„Ja, Sasori no Danna.“ Deidaras leise Stimme war kaum zu hören, ebenso wie die leisen Schritte, mit denen er seinem Danna folgte.
 

Es war später Abend gewesen, als sie zu ihrer Mission aufbrachen. Dunkelheit und Stille legten sich über die beiden Gestalten, die ohne miteinander zu sprechen Wälder und Graslandschaften durchquerten. Deidara gab während ihres mehrstündigen Marsches keinen einzigen Ton von sich. Das einzige, was Sasori vernehmen konnte, war das Zirpen der Grillen im Gras und das Rascheln der Blätter in den Bäumen.

Eigentlich müsste der Marionettenspieler diese Situation genießen. Er liebte die Ruhe. Wie oft hatte er dem nervigen Gör anordnen müssen endlich seine Klappe zu halten? Ohne Unterlass hatte Deidara auf ihn eingeredet, sich mit ihm gestritten, seine irrsinnigen Vorstellungen von Kunst zum Besten gegeben. Nun endlich hatte er eine Version seines Partners bei sich, die sich ganz ohne Aufforderung still und zurückhaltend verhielt. Sasori sollte sich freuen. Doch seltsamerweise gelang ihm das nicht. Je länger sie beide ohne irgendein Wort miteinander zu wechseln durch die Landschaft wanderten, desto unwohler fühlte Sasori sich. Fast als würde ihm das ununterbrochene Gebrabbel seines Partners fehlen. Hatte er sich mit den Jahren so sehr daran gewöhnt?

Unauffällig warf er einen Blick hinüber zu dem jungen Blondschopf, der nun schon seit Stunden im Abstand von zwei Schritten hinter ihm herlief. Deidaras Gesicht war ausdruckslos. Seine Augen, die normalerweise hell strahlten, wirkten blass und unglücklich.

„Bist du erschöpft?“ Ohne darüber nachzudenken waren die Worte über Sasoris Lippen gekommen.

Er könnte sich selbst ins Gesicht schlagen für sein idiotisches Verhalten. Da hielt Deidara wenigstens einmal während einer Mission die Klappe und nun war er derjenige, der ein Gespräch startete. Es war untypisch für Sasori sich so unsinnig zu benehmen und das ärgerte ihn. Normalerweise war Deidara der Idiot in ihrem Team.

„Ein wenig“, hörte er diesen zögerlich antworten.

„Wir machen hier eine kurze Rast“, entschied Sasori und blieb stehen. Sie befanden sich am Rande einer größeren Baumgruppe. „In einer Viertelstunde geht die Sonne auf, dann werden wir unseren Weg fortsetzen. Du kannst die Gelegenheit nutzen, um dich auszuruhen und etwas zu essen.“

Deidara nickte stumm und ließ sich auf dem Boden nieder. Er holte aus seiner Tasche ein paar Proteinriegel hervor. Es handelte sich um synthetische Nahrungsmittel; hergestellt in irgendwelchen Laboren, um Ninja während ihrer Missionen bestmöglich mit Energie zu versorgen. Als Sasori vor vielen Jahren noch ein Mensch gewesen war und Nahrung zu sich nehmen musste, hatte es solche Produkte noch nicht gegeben.

Er beneidete seinen Partner nicht; diese Riegel schmeckten scheußlich. Jedenfalls hatte Deidara ihm das mal mitgeteilt (ungebeten natürlich). Das Balg hasste dieses Zeug und nahm als Reiseproviant lieber Tofu oder getrocknetes Fleisch mit.

Nun, offenbar hatte der Schlag, den Deidara auf den Kopf bekommen hatte, nicht nur sein Gedächtnis, sondern auch seinen Geschmackssinn durcheinandergebracht. Jedenfalls aß diese Version ohne sich zu beschweren drei der fünf Riegel auf, die er eingepackt hatte. Seltsam. Aber vielleicht war es auch einfach der Hunger, der Deidara dazu verleitete.

Eine Weile lang saßen sie beide einfach so da und hingen ihren Gedanken nach. Die ersten Sonnenstrahlen waren am Horizont zu sehen und vertrieben die Dunkelheit. Sasori wollte gerade seinen Partner anweisen sich für den Rest ihrer Route bereit zu machen, als dieser sich ganz von allein erhob.

„Ich gehe kurz ins Gebüsch, Sasori no Danna“, meinte Deidara ohne ihm ins Gesicht zu sehen.

Sasori nickte bloß. Er selbst war zwar schon lange kein Mensch mehr, doch natürlich war ihm klar, dass sein Partner sich hin und wieder erleichtern musste.
 

Deidara brauchte lange. Nachdem etwa zehn Minuten vergangen waren, wurde Sasori misstrauisch. Er wägte ab, ob er im Gebüsch nach seinem jungen Partner suchen sollte. Doch der Gedanke Deidara beim pinkeln oder scheißen zu erwischen, hielt ihn zurück.

Einmal, das war vor etwa einem Jahr gewesen, war so etwas mal passiert. Sasori hatte einige seltene Blumen entdeckt, die er als Zutat für ein wirksames Gift gut gebrauchen konnte. Ohne sich Gedanken zu machen hatte er nach weiteren Blumen Ausschau gehalten und war dabei immer weiter gelaufen. Bis er irgendwann praktisch über Deidara gestolpert war. Mann, das war eine unangenehme Situation gewesen. Sasori konnte sich noch gut daran erinnern wie wütend das Gör ihn daraufhin angeschrieen hatte. Als wäre es Absicht gewesen.

Sasori ließ weitere fünf Minuten verstreichen. Inzwischen stand die Sonne bereits am Himmel. Unwillig seufzend erhob er sich schließlich. Es führte wohl doch kein Weg daran vorbei; er würde sich auf die Suche nach seinem jungen Partner machen müssen.

„Deidara?“, rief Sasori, während er sich in die Richtung aufmachte, in die Deidara verschwunden war. „Deidara, bist du hier irgendwo?“ Er wollte dem Balg genug Zeit geben sich seine Hose hochzuziehen. Es bestand ja immer noch die Möglichkeit, dass ihn einfach bloß Verdauungsbeschwerden plagten.

Doch von Deidara kam keine Antwort. Mit zusammengezogenen Augenbrauen ließ Sasori seinen Blick über die Umgebung schweifen. Nirgendwo war ein Fitzelchen schwarz-roter Mantel oder blondes Haar zu erkennen.

Ohne dass Sasori dagegen etwas unternehmen könnte, begann er sich Sorgen zu machen. War Deidara etwas zugestoßen? Zwar hatte er keine feindlichen Ninja in der Nähe bemerkt, doch das musste nichts heißen. Beim letzten Mal waren sie beide schließlich auch überrascht worden.

Sasori schloss seine Augen, um sich besser konzentrieren zu können, und versuchte das ihm vertraute Chakra seines Partners aufzuspüren. Deidara befand sich etwa drei Kilometer von ihm entfernt - und machte sich schnellen Schrittes daran die Entfernung immer größer werden zu lassen.

Ohne unnötige Zeit zu verschwenden setzte der Marionettenspieler zur Verfolgung an. Ein fremdes Chakra hatte er nicht bemerkt. Deidara war nicht entführt oder in einen Kampf verwickelt worden - er lief vor ihm davon.
 

bye

sb

Gefangen

Dieses verdammte Kind, dachte Sasori wutentbrannt, während er seinen Partner rasch einholte. Was dachte sich Deidara bloß dabei einfach abzuhauen? Und er glaubte doch wohl nicht ernsthaft, dass ihm seine Flucht gelingen würde?

Sasori spürte, dass sich sein Partner ganz in der Nähe befand. Er reduzierte unnötige Geräusche auf ein Minimun und hielt Augen und Ohren offen. Da vorne! Zwischen ein paar Bäumen hatte er blondes Haar aufblitzen sehen.

Rasch stellte Sasori einige Chakrafäden her, schlang sie um Deidaras Beine und brachten diesen somit zu Fall. Unsanft schlug das Balg auf dem erdigen Waldboden auf.

„Was...? Wer?“ Deidara versuchte sich wieder aufzurichten, doch der Marionettenspieler hatte die Chakrafäden so fest um seine beiden Beine geschnürrt, dass es ihm so gut wie unmöglich war.

Sasori trat aus dem Schatten der umliegenden Bäume hervor. Er musterte seinen Partner emotionslos, doch Deidara blickte ihn aus seinen azurblauen Augen heraus giftig an. Wenn Blickte töten könnten... Das Gör wirkte wie eine aufgescheuchte Klapperschlange.

„Sag mir nicht, du hast ehrlich geglaubt, dass du einfach abhauen könntest? Ich wundere mich, Deidara. Dabei hast du dich doch bisher so demütig und gehorsam verhalten.“

„Lasst mich los!“, knurrte Deidara. Er versuchte sich aus den Chakrafäden herauszuwinden, doch natürlich schaffte er das nicht.

„Was war dein Ziel?“, fragte Sasori, dem es nicht gelang den Blick von seinem wütenden Partner abzuwenden. Dieser Deidara erinnerte ihn schon viel mehr an den lauten Idioten, den er kannte.

„Ich werde zurück nach Iwagakure gehen, un“, erklärte er ihm schließlich schnippisch. Inzwischen hatte er es aufgegeben sich aus Sasoris Fängen befreien zu wollen.

„Nach Iwagakure? Wieso das?“ Irritiert zog Sasori eine Augenbraue hoch. Für ihn ergaben Deidaras Worte überhaupt keinen Sinn. Drehte dieser jetzt völlig durch?

„Was ist das für eine bescheuerte Frage?!“, fuhr sein Partner ihn an. „Ich bin ein Shinobi aus Iwagakure. Und ich werde in mein Heimatdorf zurückkehren, un.“

„Du bist ein Nuke-nin“, widersprach ihm Sasori. „Man wird alles daran setzen dich zu töten, wenn du dich auch nur in die Nähe von Iwa wagst.“

Doch Deidara schüttelte den Kopf. „Ich bin Akatsuki nicht freiwillig beigetreten, un. Ich wurde gezwungen. Mein Dorf wird mich wieder aufnehmen, wenn ich erkläre, was geschehen ist, un.“

„Erinnerst du dich an deinen Beitritt?“, wollte Sasori neugierig wissen. Hatte Deidara etwa einen Teil seines verlorenen Gedächtnisses wiedererlangt?

„Ich habe gehört wie Itachi davon gesprochen hat, un“, erklärte er jedoch. „Ich wurde zwangsrekrutiert. Dass ich hier gelandet bin, ist also nicht meine Schuld, un. Iwagakure wird mir vergeben.“

„Dass du Akatsuki beigetreten bist, ist über drei Jahre her“, sprach Sasori mit ruhiger Stimme. Er näherte sich seinem Partner und ging schließlich neben diesem in die Hocke. „Du hast dich längst mit deinem Schicksal abgefunden und im Auftrag von Akatsuki schon viele Missionen durchgeführt. Iwagakure wird dich nicht wieder aufnehmen, nachdem du gekleidet in deinen Aktatsuki-Mantel zahllose Menschen getötet und Gebäude in die Luft gejagt hast. Es gibt keinen Ort, an den du zurückkehren könntest, Deidara.“

Seine Worte schienen in dem Blondschopf etwas auszulösen. Deidara kniff die Augen zusammen und begann zu schluchzen. Oh nein, dachte Sasori entsetzt. Das Kind würde jetzt wohl nicht anfangen zu heulen, oder?

Doch seine schlimmste Befürchtung bewahrheitete sich: Deidara presste sich zwar beide Handballen fest auf die Augen, aber er konnte trotzdem nicht verhindern, dass er in Tränen ausbrach.

Sasori hatte keine Ahnung, was er jetzt tun sollte. Nie zuvor hatte er seinen Partner weinend erlebt. Nicht einmal wenn Deidara verletzt oder in einer echt brenzligen Situation war, hatte er jemals auch nur eine einzige Träne vergossen. Eigentlich handelte es sich bei ihm um einen wirklich taffen Kerl, der hart im nehmen war.

Plötzlich wurde Sasori klar, dass es nicht sein Partner Deidara war, der da vor ihm auf den Boden saß und heulte. Sondern ein Kind, vielleicht dreizehn oder vierzehn Jahre alt, dessen Leben sich in seinen Augen von einem auf den anderen Tag um einhundertachtzig Grad gedreht hatte.

„Im Grunde ist das aber nicht die Schuld von Akatsuki“, meinte Sasori mit unbeholfen klingender Stimme. „Du hattest Iwagakure bereits den Rücken gekehrt, als wir dich aufgriffen. Es war deine eigene Entscheidung dein Dorf zu verlassen und ein Leben als Nuke-nin zu führen.“

Ob das nun die richtigen Worte gewesen waren, um das Balg zu trösten? Nun, Sasori war nicht sonderlich gut in solchen Dingen. War es schon zu seiner Zeit als Mensch nicht wirklich gewesen und nun als Puppe erst recht nicht.

Nichtsdestotrotz hielt Deidara inne und sah zu ihm auf. Seine normalerweise so hübschen Augen waren nun rot und tränennass. Sein Blick war verunsichert. Er schien nicht zu wissen, ob er Sasoris Worten Glauben schenken sollte oder nicht. „Nein“, hauchte er schließlich und heulte weiter. „Das würde ich niemals tun, un. Ich bin ein Shinobi aus Iwagakure...“

Allmählich wurde es Sasori zu viel. Er konnte Verständnis dafür aufbringen, dass diese Situation für Deidara nicht leicht zu verkraften war. Doch er hatte weder Zeit noch Lust sich weiterhin mit einem aufgelösten Kind herumzuschlagen. Bald würde sein Partner sein Gedächtnis sowieso zurückerlangen und damit wäre die Sache beendet.

„Jetzt reiß dich mal zusammen!“, herrschte er das Balg streng an. „Der Deidara, den ich kenne, ist nicht so eine furchtbare Heulsuse.“

Tatsächlich schien Deidara sich wieder zu sammeln. Er wischte sich mit dem Ärmel seines schwarzen Mantels über die nassen Augen und atmetete mehrmals tief ein und aus.

„Ganz egal, was du davon hältst: Du bist nicht länger Shinobi im Dienste von Iwagakure. Sondern ein Nuke-nin und mein Partner in der Organisation Akatsuki.“ Sasori hielt kurz inne und warf dem Gör einen eindringlichen Blick zu. „Ich werde jetzt die Fäden um deine Beine lösen, Deidara. Und ich erwarte von dir, dass wir ohne weitere Zwischenfälle unsere Mission fortsetzen können. Hast du mich verstanden?“

„Ja... Sasori no Danna.“ Deidara erhob sich von der Erde und klopfte sich den Dreck von seinem Mantel. Er schniefte zweimal mit der Nase, ehe er sich daran machte seinem Partner zu folgen.
 

Es dauerte nicht lange, bis sie ihren Zielort erreichten.

Auf dem Weg dorthin war Deidara wieder in sein übliches Muster zurückgefallen und schweigend hinter dem Marionettenspieler hergetrottet. Das hatte Sasori mehr geärgert als er zugeben wollte. Fast hatte er darauf gehofft, dass Deidara sich nach seinem nervlichen Break-down endlich wieder normal verhalten würde. Also so wie der Deidara, den er kannte.

Doch diesen Gefallen tat sein Partner ihm nicht. Offenbar war noch keine einzige Erinnerung zu ihm zurückgekehrt. Nun, hoffentlich würde sich das ändern, wenn sie beide an den Ort zurückkehrten, an dem alles angefangen hatte. Vielleicht hatte Pain nicht ganz Unrecht und es würde Deidara auf die Sprünge helfen, wenn er mit ihrem gestrigen Kampfplatz konfrontiert wurde.

Zu seinem Unmut musste Sasori feststellen, dass die Leichen der drei Ninja, die er mithilfe seiner Marionette des Sandaime Kazekage besiegt hatte, sich nicht mehr an Ort und Stelle befanden. Die Körper der beiden Männer und der Frau waren verschwunden. Verdammt. Der Kampf war doch noch gar nicht so lange her. Offensichtlich waren ein paar schnelle Oi-nin am Werk gewesen.

„Genau hier sind wir angegriffen worden, als wir von unserer letzten Mission ins Hauptquartier zurückgekehrt sind“, erklärte Sasori seinem Partner und wartete gespannt darauf, ob irgendwelche Erinnerungen zurückkehren würden. Doch in Deidaras Gesicht regte sich nichts. Er ließ seinen Blick scheu über die Blutflecken am Erdboden und an den Bäumen und Sträuchern schweifen.

„Du hast dich oben in der Luft auf deinem Vogel befunden“, fuhr Sasori fort und hoffte auf eine Reaktion.

„Auf meinem Vogel?“, hakte Deidara irritiert nach. „Was denn für ein Vogel, Sasori no Danna?“

„Du kannst Vögel aus Lehm herstellen.“ Sasori kam sich ziemlich dämlich dabei vor seinem Partner seine eigenen Techniken zu erklären. „Du gibst den Mündern in deinen Händen Lehm zu kauen und sie formen daraus Tiere. In der Regel lässt du sie dann explodieren. Die Vögel nutzen wir aber meistens zur Fortbewegung.“

„Dafür sind sie also da“, gab Deidara interessiert von sich. Er hob seine Hände an und betrachtete teils neugierig, teils eingeschüchtert die darin eingelassenen Münder. „Ich hatte mich schon gefragt, wozu sie gut sind, un.“

„Wie auch immer.“ Sasori wollte allmählich zum Punkt kommen. „Jedenfalls wurden wir in den frühen Morgenstunden angegriffen. Oder besser ausgedrückt: Du wurdest angegriffen. Dieses Team wusste offenbar gut über uns Bescheid. Sie haben dich von oben attackiert und mit einem Schlag ausgeknockt, sodass du von deinem Vogel gesegelt bist. Hätte ich dich nicht mit Hirokus Schwanz aufgefangen, wäre das wohl dein Ende gewesen.“

„Hiroku?“ In Deidaras Gesicht stand eine Frage geschrieben.

„Meine Lieblingspuppe“, erklärte ihm Sasori. „Du hast sie schon gesehen. Sie steht in unseren Zimmer. Normalerweise halte ich mich während unserer Missionen in Hirokus Innerem auf.“

„Und warum seid Ihr dann dieses Mal ohne Hiroku unterwegs, Sasori no Danna?“

„Ich musste Hirokus Innenfutter entfernen“, meinte er und warf dabei seinem Partner einen verärgerten Blick zu. „Während des Kampfes habe ich deinen bewusstlosen Körper in Hiroku hineingelegt. Und das Blut aus deiner Kopfwunde hat das schöne Innenfutter beschmutzt. Deswegen muss es ausgewechselt werden.“

„Du bist also derjenige gewesen, der mich gerettet hat, Sasori no Danna?“ Deidaras verdutztes Gesicht überraschte Sasori.

„Natürlich“, herrschte er das Balg an.

„Aber wir sind doch beide Nuke-nin, oder nicht? Gesetzlose Verbrechner.“

„Akatsuki agiert in Zweierteams“, erklärte Sasori ihm. „Und ich habe es dir nun schon mehrfach erklärt: Wir beide sind Partner. Selbstverständlich habe ich dich also gerettet und in Sicherheit gebracht.“

Seine Worte zeigten Wirkung. Deidara stellte keine dämlichen Fragen mehr, sondern blickte sich nun mehr interessiert um. „Es sind bereits Oi-nin hier gewesen und haben die Leichen mitgenommen, un“, stellte er fest.

Blitzmerker, dachte Sasori. „Das ist mir auch schon aufgefallen. Schade. Wir haben also keine Chance mehr herauszufinden, wer unsere Angreifer waren.“ Und damit war diese ganze verdammte Mission nichts als eine Zeitverschwendung, fügte er in Gedanken hinzu.
 

bye

sb

Gelangweilt

Deidara ging ihm ganz schrecklich auf die Nerven.

Nun, das tat er eigentlich fast immer. Er war eben ein lauter, idiotischer Bengel, der von wahrer Kunst nicht den Hauch einer Ahnung hatte.

Dieser Deidara war zwar ganz anders: stumm und ohne sich zu rühren beobachtete er seinen Danna dabei wie er seine Marionette des Sandaime Kazekagen reparierte (das Gelenk eines kleinen Fingers war beschädigt). Er hätte es niemals für möglich gehalten, doch seine Art nervte Sasori sogar noch mehr als die des alten Deidaras.

„Hast du nicht irgendetwas zu tun?!“, herrschte er das Gör unvermittelt an, als er die Situation nicht länger aushielt. Er ließ von der Hand seiner Puppe ab und warf Deidara einen verärgerten Blick zu.

„W-was soll ich denn tun, Sasori no Danna?“, fragte dieser ihn erschrocken.

„Was du möchtest“, antwortete Sasori schulterzuckend. „Wir haben zurzeit keine Mission aufgetragen bekommen. Also tu und lass, was auch immer du möchtest. Du hast im Grunde also Freizeit. Es gibt keinen Grund die ganze Zeit an mir zu heften wie ein Schatten.“

„Freizeit?“ Deidara wirkte perplex. „Aber muss ich denn nicht vorher irgendwelche Aufgaben erfüllen? Ich habe gar nicht geputzt oder aufgeräumt oder etwas für Euch erledigt...“

„Du bist nicht Akatsukis Sklave“, unterbrach Sasori ihn. „Es ist nicht deine Pflicht hier jemand Anderem hinterherzuräumen. Wenn Pain uns eine Mission zuteilt, erfüllen wir sie. Was du den Rest der Zeit tust, ist dir selbst überlassen.“

„Ich habe keine Pflichten außer meine Missionen?“ Deidara schien gar nicht fassen zu können, was sein Partner ihm da erklärte. „Ich bin frei?“

Allmählich begann Sasori sich zu wundern. „Ist das denn in Iwagakure anders gewesen?“ Noch nie zuvor hatte er das Balg nach seiner Zeit in Iwagakure gefragt. Er beantwortete schließlich auch nicht gerne Fragen zu seiner Kindheit in Sunagakure. Doch vielleicht würde ihm Deidaras Verhalten weniger Rätsel aufgeben, wenn er etwas mehr über dessen Vergangenheit erfuhr.

„Es ging sehr streng zu, un“, gab Deidara zögerlich zu. „Besonders in der Bakuha Butai. Wir durften nicht sprechen ohne gefragt worden zu sein und mussten alles tun, was die Älteren uns sagten, un. Jeden Tag wurde hart trainiert und nach dem Training mussten wir unsere Unterkunft putzen, un. Nirgendwo durfte ein Staubkorn liegen, sonst wurden wir bestraft, un. “

Gar keine schlechte Sache, schoss es Sasori durch den Kopf, als ihm einfiel wie oft Hidan ihre Küche schon als Schlachtfeld hinterlassen hatte. Dem verrückten Jashinisten hätte eine solche Erziehung sicher gutgetan.

„Und das hast du mitgemacht?“ Sasori konnte sich Deidara, der nach einem harten Training noch zusätzlich demütig den Holzboden schrubbte, gar nicht vorstellen. Dafür war das Gör viel zu eitel und aufbrausend. Viel lieber verbrachte er seine Zeit damit an seiner sogenannten „Kunst“ zu arbeiten.

„Natürlich“, antwortete Deidara mit großen Augen. „Es ist doch meine Pflicht als Shinobi gewesen, un.“

Pflicht, Pflicht, Pflicht, hallte es in Sasoris Kopf nach. Hatte Deidaras Leben damals aus nicht als Verpflichtungen bestanden? Er schüttelte den Kopf.

„Du bist kein Shinobi mehr, sondern ein Nuke-nin“, meinte er. „Und das bedeutet, dass du frei bist.“ Sasori hielt kurz inne und warf dem Blondschopf einen eindringlichen Blick zu. „Deine Bindung zu Akatsuki ausgenommen, natürlich. Ich warne dich, Deidara: Du darfst nicht noch einmal versuchen wegzulaufen. Sonst bleibt mir keine andere Wahl als es Pain zu melden.“

„Der Anführer weiß noch nichts von meinem Fluchtversuch?“ Deidara schaute ihn aus zwei azurblauen Augen heraus erstaunt an.

„Und er wird von mir auch niemals davon erfahren“, erklärte Sasori, „vorausgesetzt es passiert nicht noch einmal.“

Deidara nickte. „Keine Sorge“, meinte er mit undefinierbar klingender Stimme, „Ihr habt es doch selbst gesagt, Sasori no Danna: Es gibt keinen anderen Ort mehr, an den ich gehen könnte, un.“
 

Deidara schlich auf Zehenspitzen durch das Hauptquartier. Er wollte es vermeiden den anderen Mitgliedern von Akatsuki über den Weg zu laufen. Bis auf Itachi waren sie ihm alle unheimlich.

Zum Glück wirkten die Küche und der Gemeinschaftsraum verlassen. Deidara seufzte erleichtert auf und ließ den Blick über seine Umgebung schweifen. Was sollte er jetzt tun? Fernsehen, Zeitschriften lesen? Oder sich etwas zu essen zuzubereiten?

Er konnte es noch immer kaum fassen, was sein Danna ihm eben erklärt hatte. Er durfte tatsächlich tun und lassen, was er wollte. Unglaublich. Deidara wusste mit seiner neu gewonnenen Freiheit gar nichts anzufangen.

Er war ein hartes und strenges Leben gewöhnt, das durch Pflichten und Verbote gekennzeichnet war.

Als er noch Mitglied bei der Bakuha Butai gewesen war, wäre es nicht möglich gewesen sich einfach am Kühlschrank zu bedienen. Es gab feste Essenszeiten und wer da nicht anwesend war, hatte eben Pech gehabt. Einmal war er nach einer besonders harten Trainingseinheit zusammengebrochen. Als es ihm wieder besser ging, war das Mittagessen schon vorüber und er hatte bis zum Abend mit seinem knurrenden Magen aushalten müssen.

Angesichts dieser Erinnerung beschloss Deidara kurzerhand einen Blick in den Kühlschrank zu werfen. Er holte eine Packung Schokoladenpudding hervor und begann diesen auf dem Sofa genüsslich zu verspeisen.

Deidara konnte sich gar nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal etwas so Leckeres in die Finger bekommen hatte. In der Bakuha Butai hatte man sie ganz oft dazu gezwungen diese widerwärtigen Protein-Riegel zu essen.

Sein Leben als Nuke-nin gefiel Deidara mit jedem Löffel Pudding besser.

Bestimmt ist das alles hier bloß ein Traum, dachte er und setzte einen wehmütigen Gesichtsausdruck auf. Ja, etwas Anderes war überhaupt nicht möglich. Niemals würde Deidara Iwagakure den Rücken kehren. Nicht einmal in seinen allerdunkelsten Momenten war ihm diese Möglichkeit jemals in den Sinn gekommen.

Er war Deidara, ein Shinobi aus Iwagakure und Mitglied der Sprengstoffeinheit Bakuha Butai. So wie auch sein älterer Bruder. Es war ihre Pflicht ihrem Dorf zu dienen. Das war ihr Schicksal.
 

Schon eine halbe Stunde, nachdem das Balg ihr gemeinsames Zimmer verlassen hatte, kehrte es zurück. Offenbar wusste Deidara mit seiner neu gewonnenen Freizeit nicht allzu viel anzufangen. Nun, anbetracht der Tatsache wie sein Leben bisher ausgesehen hatte, war das wohl auch kein großes Wunder.

Sasori musterte unauffällig den Blondschopf, der sich stumm auf seinem Bett niederließ.

Wirklich seltsam, dachte er, wie anders Deidara früher gewesen war. Ruhig, zurückhaltend, demütig, eingeschüchtert. Was war bloß geschehen, dass sein Partner sich in kurzer Zeit so extrem verändert hatte?

Als sie Deidara damals in diesem verlassenen Tempel aufgriffen, war er fünfzehn Jahre alt und schon ein echtes Biest gewesen. Er hatte kein Interesse an ihrer Organisation, sondern wollte sich lieber seiner albernen „Kunst“ widmen. Hätte Itachi ihn nicht besiegt, hätten sie das Gör niemals dazu bekommen Akatsuki beizutreten. Viel zu viel bedeutete ihm seine persönliche Freiheit.

Er musste irgendetwas Einschneidendes erlebt haben. Ein Ereignis, das Deidara so extrem erschüttert hatte, dass er beschloss seinem Heimatdorf den Rücken zu kehren.

„Sasori no Danna?“ Es war Deidaras Stimmte, die Sasori aus seinen Gedanken riss. „Wieso habe ich Iwagakure eigentlich verlassen?“

Konnte der Blondschopf Gedanken lesen? Sasori zuckte mit den Schultern. „Das weiß ich nicht“, antwortete er wahrheitsgemäß. „Ich habe dich nie danach gefragt.“ Er hielt kurz inne, ehe er hinzufügte: „Aber ich kann mich daran erinnern, dass dein Dorf versucht hat dich zurückzubekommen. Zu Beginn hatten wir echte Probleme mit Iwa-nins, die uns ständig auflauerten.“

Mehr als einmal hatte er seinen jüngeren Partner aus den Fängen der Gegner befreien müssen. Iwagakure hatte alles daran gesetzt, um Deidara zurückzuholen. Da hatte er so richtig verstanden, wieso Pain ihm die Verantwortung für das Kind aufgedrückt hatte. Ohne Sasori, der ein wachsames Auge auf Deidara hatte, wäre dieser längst nach Iwagakure zurückgeschleppt worden.

„Sasori no Danna?“

„Was ist denn noch?“ Sasoris Stimme klang viel sanfter als er es eigentlich geplant hatte. Er gestand es sich nur ungern ein, doch die Fragen des Balgs störten ihn kaum. Eher im Gegenteil: Sie erinnerten ihn an seinen Partner, an dessen Gesellschaft er sich in den letzten Jahren so sehr gewöhnt hatte. Sasori hätte es niemals für möglich gehalten, doch Deidaras nervige und neugierige Art fehlte ihm mit der Zeit immer mehr. Hoffentlich würde er seine fehlenden Erinnerungen bald zurückerhalten.

„Was mache ich, wenn ich frei habe?“, fragte ihn sein Partner. „Also, ich meine, der normale Deidara. Der Deidara, der sein Gedächtnis nicht verloren hat, un. Was macht er in seiner Freizeit?“

„Das ist leicht zu beantworten“, meinte Sasori. „Meistens hast du dich mit deiner Kunst beschäftigt.“

„Kunst?“ Deidara sprach das Wort aus als hätte er es nie zuvor in den Mund genommen. Er warf seinem Danna einen ungläubigen, beinahe verächtlichen Blick zu.

„Ja, Kunst“, bestätigte Sasori kopfnickend. „Ursprünglich hast du dich geweigert Akatsuki beizutreten, weil du dich lieber deiner Kunst widmen wolltest. Die Kunst ist im Grunde dein Lebensinhalt.“

„Ich dachte Akatsuki ist mein Lebensinhalt.“

„Akatsuki hält dich am Leben“, erklärte er dem Bengel mit verärgerter Stimme. „Du erfüllst die Missionen, die Pain dir aufträgt, und im Gegensatz dafür schützt dich die Organisation. Doch die Kunst, das ist es, wofür man erst am Leben bleiben möchte.“

Doch seine Erklärung schien nicht bis in das Gehirn des idiotischen Balgs durchzudringen. „Kunst“, meinte Deidara kopfschüttelnd, „das ist doch bloß kindische Zeitverschwendung.“

„Die Kunst, die du praktiziert hast, mit Sicherheit“, spottete Sasori. Er wartete darauf, dass sein Partner ihm widersprach, so wie er ihm immer widersprach, doch er wartete vergebens. Enttäuscht seufzte der Marionettenspieler auf. Er hatte sich auf eine rege Diskussion über sein Lieblingsthema mit Deidara gefreut. Doch das Gör schien noch keinen Sinn für Kunst entwickelt zu haben.

„Komm mit“, meinte er plötzlich und ließ von seiner Marionette ab. Um den Sandaime Kazekagen konnte er sich auch später kümmern. „Schau mal, da drüben liegen Taschen, die mit Lehm gefüllt sind. Nimm sie mit. Wir gehen nach draußen und ich erkläre dir deine Kunst.“

„Okay.“ Deidara wirkte nicht ganz überzeugt, doch er wagte es nicht Widerworte zu geben. Also schnallte er sich die beiden Taschen, auf die Sasori gezeigt hatte, um die Hüften und folgte diesem nach draußen an die frische Luft.
 

bye

sb

Begeistert

Es war ein schöner Tag. Die Sonne stand hoch am Himmel und eine angenehme, sanfte Briese ließ die Blätter an den Bäumen rascheln. Sie hatten wirklich Glück, dass es nicht regnete wie so oft.

Sasori bedeutete Deidara mit einer Handbewegung ihm zu folgen und führte ihn ein Stück durch das Umland. Er hatte keine Ahnung wie geschickt sich das Kind im Umgang mit dem explosiven Lehm anstellen würde und er hatte keine Lust darauf, dass Deidara ausversehen ihr Hauptquartier in die Luft jagte. Ein gebührender Sicherheitsabstand würde wohl kaum schaden.

Nach einem etwa zehnmütigen Marsch zu Fuß hatten sie schließlich eine geeignete Stelle erreicht: Eine große, gut überschaubare Lichtung mit felsigen Untergrund. Hier würde Deidara mit seinen Explosionen nicht allzu viel Schaden anrichten können.

„Was soll ich denn jetzt tun, Sasori no Danna?“, fragte ihn sein Partner. Es war klar, dass er überhaupt keinen Schimmer hatte wie er normalerweise mit seiner „Kunst“ umging. Völlig ratlos blickte er zu seinem Danna hinüber.

„Wir probieren für den Anfang die C1-Technik aus; das ist sehr simpel. Gib einem der Münder in deinen Händen etwas Lehm zu kauen“, wies Sasori ihn an und deutete auf die mitgebrachten Taschen. „Dann formst du daraus eine Figur und lässt sie anschließend hochgehen.“

Deidara warf ihm einen skeptischen Blick zu, doch traute sich nicht ihm zu widersprechen. Stattdessen tat er wie ihm geheißen und steckte seine rechte Hand in eine der Taschen an seiner Hüfte. Der Mund verschlang gierig eine große Portion Lehm und kaute ausgiebig darauf herum, ehe er das Ergebnis in Deidaras Hand spuckte.

„Und das soll Kunst sein, Sasori no Danna?“, fragte das Balg mit zusammengezogenen Augenbrauen und betrachtete eher angewidert den vollgesabberten Klumpen in seiner Hand.

„Nein, natürlich nicht“, erwiderte Sasori hastig. „Normalerweise formst du hübsche Figuren. Meistens Tiere. Versuch doch einmal eine Schlange oder einen Schmetterling zu formen. Das gehört eigentlich zu deinen leichtesten Übungen.“

Deidara wirkte nicht ganz überzeugt, doch gab der Sache noch eine Chance. Er schloss seine Augen und atmete tief ein und aus, eher er noch einmal mit der Hand in seine rechte Tasche griff. Dieses Mal spuckte der Mund einen Schmetterling aus - zwar dermaßen deformiert, dass er sich kaum in der Luft halten konnte, aber besser als nichts.

„Und jetzt detonieren lassen“, wies Sasori seinen jüngeren Partner an.

Deidara nickte, formte schnell die entsprechenden Fingerzeichen und rief „Katsu!“. Der hässliche Schmetterling verabschiedete sich von seinem Dasein in dieser Welt mit einem winzigen Feuerwerk.

„Wow!“ Deidara wirkte begeistert. Das helle Funkeln, das Sasori so sehr vermisst hatte, war für einen kurzen Moment in seine blauen Augen zurückgekehrt. „Habt Ihr das gesehen, Sasori no Danna? Er ist mit einem lauten Knall verschwunden, un!“

Endlich klang er wieder wie der Deidara, den er kannte.

„Das ist das, was du als Kunst bezeichnest“, erklärte ihm der Marionettenspieler. „Dieser kurze Moment der Explosion. Das Feuerwerk, der Knall - das entspricht deiner Vorstellung von Kunst.“

„Es ist wunderschön!“, hauchte Deidara verzückt. „Bitte, Sasori no Danna, darf ich noch mehr Figuren herstellen?“

„Tu dir keinen Zwang an“, erwiderte Sasori zufrieden. Es freute ihn, dass sein Partner seine „Kunst“ wieder für sich entdeckt hatte. Zurück im Hauptquartier würde er ihn darüber aufklären, dass Kunst ganz sicher kein vergänglicher Moment war, sondern ewige Schönheit. Doch diese Lektion hob Sasori sich für später auf. Jetzt gerade gönnte er Deidara die Freude an seinen kleinen Kunstwerken.
 

Gerade wollte Sasori seinem Partner Bescheid geben, dass es an der Zeit war sich auf den Rückweg zu machen, als dieser plötzlich in seiner Bewegung innehielt und wie gebannt auf seine Handinnenflächen starrte. Die beiden Münder streckten keck ihre Zungen heraus; ihre Mundwinkel hatten sie weit nach oben gezogen. Es wirkte fast als würden sie ihren Meister angrinsen.

„Deidara?“ Sasoris Stimme klang vorsichtig und aufmerksam. Was war los? Eben noch hatte Deidara wild eine Lehmfigur nach der anderen hergestellt und sie in die Luft gejagt, doch jetzt wirkte er als wäre in Trance. „Deidara?“ Nun versuchte er es etwas lauter.

„Ich erinnere mich wieder“, flüsterte sein Partner ohne den Blick von den Mündern in seinen Händen abzuwenden. Er wirkte völlig neben der Spur, sprach sogar ohne seinen typischen Sprachfehler. „Ich erinnere mich an den Tag, an dem ich Iwagakure verließ. In der Nacht zuvor habe ich mich heimlich in den heiligen Schrein geschlichen. Dort wurde eine Schriftrolle mit einem verbotenen Jutsu aufbewahrt. Ich wendete es an und mein Körper brannte wie Feuer, sodass ich das Bewusstsein verlor. Und als ich wieder aufgewacht bin, hatte ich meine zusätzlichen Münder. Die Sonne ging gerade auf, als ich die Dorfmauer passierte.“ Deidara ließ seine Hände sinken und schaute stattdessen zu Sasori hinüber. Sein Blick war undefinierbar. „Ihr habt recht gehabt, Sasori no Danna: Es war mein eigener Wille Iwagakure zu verlassen.“

„Natürlich habe ich recht gehabt“, gab Sasori barsch zurück. Es ärgerte ihn, dass das Balg offenbar nur eine einzige Erinnerung wiedererlangt hatte. Für einen kurzen Moment hatte er darauf gehofft, dass Deidaras Gedächtnis endlich wieder vollständig war. Nun, man konnte nicht alles haben. Hoffentlich würden nach und nach auch die anderen Erinnerungen zurückkehren.

„Aber wieso habe ich mich dazu entschlossen Nuke-nin zu werden?“ Deidaras Stimme klang verzweifelt. Hilfesuchend wandte er sich zu seinem Danna um. „Ich war immer ein treuer Shinobi, un. Was hat mich dazu bewegt meinem Dorf den Rücken zu kehren?“

Sasori zuckte mit den Schultern. „Das weiß ich nicht“, erwiderte er. „Das weißt nur du.“

Er hielt kurz inne, eher er hinzufügte: „Komm jetzt, Deidara. Wir gehen zurück zum Hauptquartier. Du solltest etwas essen.“

„Ja, Sasori no Danna.“ Völlig geistesabwesend trottete Deidara hinter seinem Partner her. Er wirkte ganz in sich gekehrt: Als würde er sein Inneres verzweifelt nach Antworten durchwühlen.
 

In der Küche des Hauptquartiers trafen sie auf den Uchiha. Er saß am Tisch; vor ihm stand eine dampfende Tasse Tee, in der Hand hielt er einen Holzspieß mit Dango. Sasori wusste, dass Itachi eine echte Schwäche für die süßen Reiskugeln hatte.

„Hallo, Sasori-san, Deidara-kun“, begrüßte er die beiden Neuankömmlinge mit ruhiger, gelassener Stimme.

„Itachi-kun, hallo, schön dich zu sehen, un“, erwiderte Deidara gut gelaunt. Dann wandte er sich an seinen Partner: „Möchtet Ihr auch etwas essen, Sasori no Danna? Ich kann wirklich gutes Oden no Bakudan zubereiten, un.“

„Nein danke“, gab Sasori zurück, ließ sich allerdings auf dem Stuhl gegenüber von Itachi nieder.

„Und was ist mit dir, Itachi-kun?“

„Danke, Deidara, sehr freundlich von dir, aber ich habe schon“, antwortete Itachi höflich und deutete auf sein Dango. Als der Blondschopf sich in der Küche ans Werk machte, wandte er sich an Sasori: „Er hat sein Gedächtnis also immer noch nicht wiedererlangt?“

„Langsam wird es“, erwiderte dieser. „Heute kam eine Erinnerung zurück. Er weiß jetzt wieder von dem Tag, an dem er Iwagakure verließ. Er hat mir auch erzählt, dass die Münder in seinen Händen von einem verbotenen Jutsu herrühren, dass er damals angewendet hat. Demnach handelt es sich nicht um ein Kekkei Genkai wie wir zuerst vermutet haben.“

Itachi nickte bedächtig und warf einen kurzen Seitenblick auf Deidara, der gerade heißes Wasser aufsetzte. „Also setzen sich die Puzzleteile, die verschütt gegangen sind, allmählich wieder zu einem Bild zusammen.“

Sasori legte den Kopf schief. „Warum klingst du so wehmütig, Itachi-san? Diese Version von Deidara ist wertlos. Es gelang ihm heute kaum auch nur die einfachsten seiner Techniken anzuwenden. Je eher er seine Erinnerungen zurückerhält, desto besser. Oder siehst du das anders?“

Der Uchiha seufzte leise. „Nein, natürlich nicht. Mir ist klar, dass du recht hast, Sasori-san. Es ist nur... Es ist ganz angenehm nicht mit hasserfüllten Blicken gespickt zu werden, wenn Deidara den Raum betritt.“

„Verstehe.“ Sasori konnte nachvollziehen, worum es Itachi ging. „Du glaubst, dass er dich nicht mehr mögen wird, wenn er sein Gedächtnis zurückbekommt.“

„Ich bin derjenige gewesen, der ihn damals besiegt hat“, flüsterte Itachi. „Wegen mir musste er gegen seinen Willen Akatsuki beitreten. Sobald er sich daran wieder erinnern kann, wird auch seine Wut auf mich zurückkehren.“

Sasori zuckte mit den Schultern. „Das ist gut möglich. Aber du solltest die ganze Sache aus einer weniger egoistischen Perspektive betrachten, Itachi-san. Es ist besser, wenn Deidara wieder ganz der Alte ist.“

„Das ist mir klar“, lenkte Itachi ein. „Ich weiß, was du meinst, Sasori-san: Diese jüngere Version von Deidara wirkt unglücklich. Er benimmt sich so zurückhaltend. Als wäre er eingeschüchtert. Wahrscheinlich ist es wirklich besser für ihn, wenn er so schnell wie möglich wieder er selbst wird.“ Doch Sasori entging nicht der bittere Unterton, der in der Stimme des Uchiha mitschwang.

Deidara war fertig mit der Zubereitung seines Essens. Oden no Bakudan, sein Leibgericht. Das wusste Sasori, weil sich das Balg dieses Gericht fast immer bestellte, wenn sie Rast in einer Gaststätte machten.

„Guten Appetit, Deidara-kun“, wünschte Itachi ihm. „Das sieht wirklich gut aus.“

„Danke, Itachi-kun“, erwiderte Deidara und machte sich eilig daran seine Mahlzeit zu verschlingen. Das Training mit seinem Partner hatte ihn offenbar hungrig gemacht.
 

Nachdem Deidara sein Geschirr gespült und die Küche aufgeräumt hatte, kehrten sie beide in ihr Zimmer zurück. Sasori plante sich wieder um seine Marionette des Sandaime Kazekagen zu kümmern; er musste immer noch das kaputte Fingerglied reparieren. Deidara könnte sich in der Zwischenzeit ja ausruhen. Sicher war das Kind müde von ihrem Ausflug.

Doch natürlich machte sein Partner ihm einen Strich durch die Richtung.

„Sasori no Danna?“, hörte er Deidara fragen. Er saß auf seinem Bett und warf ihm einen neugierigen Blick zu. „Warum esst und trinkt Ihr niemals etwas?“

Sasori ließ von seiner Marionette ab und warf dem Balg einen abschätzenden Blick zu. Offensichtlich war Deidara nicht klar, dass es sich bei ihm selbst ebenfalls um eine Puppe handelte und er deswegen keine Nahrung zu sich nehmen musste. Sollte er ihm die Wahrheit offenbaren?

Als Deidara nach seinem Eintritt bei Akatsuki Sasoris Puppenkörper das erste Mal gesehen hatte, war ihm vor Schreck die Lehmfigur, an der er gerade arbeitete, aus den Händen gefallen. Er hatte gar nicht fassen können, was er da sah. Nun, kein Wunder, immerhin gab es ein Meisterwerk wie seinen vollendeten Körper nicht jeden Tag zu sehen.

Sasori kam zu dem Schluss, dass sein junger Partner sich in letzter Zeit bereits mit mehr als genug bösen Überraschungen hatte arrangieren müssen. Da würde er ihm nicht mehr als nötig zumuten. Er entschied sich dafür Deidara die Wahrheit nicht zu offenbaren. Das Balg würde bald sowieso wieder all seine Erinnerungen zurückerhalten. Es gab also wirklich keinen Grund, um ihn noch einmal einen Schreck einzujagen.

„Das geht dich nichts an, Gör“, antwortete er darum mit abweisender Stimme. „Und jetzt lass mich in Ruhe an meiner Marionette arbeiten. Ich habe heute bereits mehr als genug meiner wertvollen Zeit mir dir verschwendet.“

Aus dem Augenwinkel heraus konnte er beobachten, dass Deidara betreten den Blick senkte. „Verzeihung, Sasori no Danna“, murmelte er mit leiser Stimme, ehe er sich hinlegte und endlich den Mund hielt.

Sehnsüchtig

Am nächsten Morgen verabschiedete sich Itachi von ihm. Er und sein furchteinflößend wirkender Partner Hoshigaki Kisame mussten zu einer neuen Mission aufbrechen.

Deidara nippte an seinem Tee und warf Itachi, der ihm gegenüber am Küchentisch saß, einen wehmütigen Blick zu. Er war sich sicher, dass der Uchiha ihm fehlen würde. Zwar kannte er ihn noch nicht sonderlich gut, doch was er bisher mitbekommen hatte, gefiel ihm. Itachi war ruhig, besonnen, respektvoll und höflich. Er erinnerte Deidara sehr an seinen älteren Bruder.

Es dauerte nicht lange, bis Itachi sein Frühstück beendet hatte. Elegant erhob er sich von seinem Stuhl und ging mit seinem Geschirr hinüber zur Spüle.

„Ich wünschte, du müsstest nicht gehen, un“, murmelte Deidara niedergeschlagen, während Itachi Wasser in das Becken laufen ließ.

„Die Mission wird voraussichtlich nur zwei Wochen dauern“, erwiderte Itachi ohne sich von der Spüle abzuwenden. „Und du bist ja nicht alleine hier.“

„Das ist ja das Problem, un“, erklärte Deidara, dessen Wangen sich prompt rot verfärbten. Er hatte nicht erwartet, dass Itachi seine geflüsterten Worte mitbekommen würde. „Du bist der einzige, mit dem ich mich hier gut verstehe, un.“

Offenbar hatte er irgendetwas Falsches gesagt, denn er bemerkte wie sich Itachis Schultern anspannten. Doch ehe er zu einer Entschuldigung ansetzen konnte, meinte Itachi mit überraschend sanft klingender Stimme: „Ich kann verstehen, dass dir die Anderen nicht geheuer sind. Vor allem Hidan. Aber vergiss nicht, dass Sasori auch noch da ist.“

Deidara senkte den Blick. „Ich glaube nicht, dass er mich sonderlich gerne mag, un“, fasste er schließlich seine Befürchtung in Worte. „Er ist immer nur genervt von mir, un. Ich mache ihm nichts als Umstände, un.“

„Sasori ist keine einfache Person“, gab Itachi zu. Er griff nach einem Geschirrtuch. „Aber ich finde, dass er sich mit dir sehr viel Mühe gibt. Man spürt, dass du ihm viel bedeutest. Auch wenn er das niemals laut aussprechen würde.“

Vielleicht hatte Itachi damit nicht ganz Unrecht. Immerhin hatte sein Danna ihm seinen Fluchtversuch verziehen und nichts an den Anführer gepetzt. Und er hatte ihm gezeigt wie man seinen Lehm einsetzte. Das hätte er nicht tun müssen. Trotzdem wusste Deidara nicht so wirklich wie er Sasori einschätzen sollte.

Plötzlich öffnete sich die Küchentüre und Kisame steckte seinen unheimlichen, hai-ähnlichen Kopf durch den Türrahmen. „Itachi-san“, meinte er, „seid Ihr soweit? Wir sollten langsam aufbrechen.“

„Ich komme gleich“, erwiderte Itachi und räumte seinen Teller zurück in den Schrank.

Kisame warf einen flüchtigen, neugierigen Blick auf Deidara, ehe die Türe wieder geschlossen wurde.

„Ich muss mich jetzt auf den Weg machen“, meinte Itachi und blieb vor Deidara stehen. Seine Stimme klang ruhig und zugewandt. Wie immer, wenn er mit ihm sprach. „Zwei Wochen hältst du sicher durch. Lass dir nichts von Hidan gefallen und nimm Sasori seine unfreundliche Art nicht übel. Und übe weiter deine Kampftechniken. Ich kann mir vorstellen, dass mehr Erinnerungen zu dir zurückkehren werden, wenn du trainierst. Taktile und motorische Reize können Bereiche deines Gehirns aktivieren, die ansonsten unerreicht bleiben würden.“

Itachis Worte sollten ihn aufbauen, das war Deidara klar, doch der Abschied fiel ihm trotzdem schwer. Warum konnte der Anführer nicht Kakuzu und Hidan aussenden? Ihm würde Itachi wirklich fehlen.

„Eine Sache noch, Itachi-kun!“ Deidara hielt den Uchiha auf, der sich in Richtung Küchentüre aufmachen wollte.

Itachi stoppte in seiner Bewegung und warf ihm stumm einen fragenden Blick zu.

Deidara leckte sich über die Lippen. „Ich habe mitgekriegt, dass du dabei gewesen bist, als ich damals gezwungen wurde Akatsuki beizutreten, un. Was ich dich fragen möchte... War ich allein? Also in diesem Tempel, in dem ihr mich aufgegriffen habt? Es war keiner bei mir?“

Itachi wirkte überrascht. Mit dieser Frage schien er nicht gerechnet zu haben. Schließlich nickte er. „Niemand war bei dir.“

Deidara senkte den Blick. In einem Anflug von Verzweiflung beschloss er alles auf eine Karte zu setzen und bohrte weiter nach: „Weißt du, ich habe nämlich einen Bruder, un. Einen älteren Bruder. Und ich wüsste so gerne, was mit ihm geschehen ist, un.“

„Ich kann dir nicht helfen“, antwortete der Uchiha, der plötzlich sehr reserviert wirkte. „Du warst mutterseelenallein, als wir dich fanden. Und über einen Bruder hast du in meiner Gegenwart nie ein Wort verloren. Wenn du mich nun entschuldigen würdest, Deidara-kun. Ich möchte Kisame nicht zu lange warten lassen.“

Er nickte ihm noch einmal zu, ehe er hastig und mit angespannten Schultern die Küche verließ. Deidara seufzte leise auf und umklammerte unglücklich seine Teetasse.

Wie kam es, dass weder Sasori noch Itachi jemals von seinem Bruder gehört hatten? Er hätte Leuten, die er schon seit Jahren kannte, sicher das eine oder andere Mal von ihm erzählt.

Es war zum Mäuse melken.

Deidara erhob sich und kippte den restlichen Tee ins Spülbecken. Er wünschte sich so sehr sich erinnern zu können. Wieso hatte er Iwagakure den Rücken gekehrt? Dass er dazu fähig wäre sein Heimatdorf zu verlassen, hätte Deidara sich nie im Leben ausgemalt. Ebenso wie sein Bruder war er Iwagakure stets treu ergeben gewesen. So waren sie beide erzogen worden, seitdem sie laufen und sprechen konnten. Und was war mit seinem Bruder geschehen? Lebte er immer noch in Iwa? Oder war er genauso wie er ein Nuke-nin geworden?

Deidara durchforstete sein Gehirn, suchte verzweifelt nach Antworten, doch die Erinnerungen in seinem Kopf wollten ihm jedes Mal entgleiten, gerade wenn er sie zu fassen bekam.

Frustriert verließ er die Küche und kehrte in sein Zimmer zurück.
 

Sasori spürte sofort, dass mit dem Balg etwas nicht in Ordnung war. Deidara ließ sich, nachdem er seinen Danna lediglich mit einem matten Kopfnicken gegrüßt hatte, auf sein Bett fallen und vergrub sein Gesicht im Kissen. Selbst für die jüngere Version seines Partners war dieses Verhalten sonderbar.

„Deidara?“ Bedächtig durchquerte der Marionettenspieler den Raum und blieb neben dem Bett des Balgs stehen. Was sollte er jetzt tun? Sasori war nicht gerade ein Experte, was zwischenmenschliche Interaktionen anging. Er beschloss sich auf die Bettkante zu setzen; das konnte wohl kaum verkehrt sein.

„Ihr müsst Eure Zeit nicht mit mir verschwenden, Sasori no Danna“, hörte er eine traurig klingende Stimme leise murmeln.

„Ist schon gut“, erwiderte Sasori zu seiner eigenen Überraschung. „Was ist denn passiert?“ Er widerstand dem Wunsch über das hellblonde Haar seines Partners zu streicheln. War das Gör vielleicht Hidan über den Weg gelaufen? Sasori konnte sich gut vorstellen, dass dieses Zusammentreffen alles andere als schön verlaufen war.

Doch Deidara schüttelte den Kopf. „Eigentlich ist gar nichts passiert, un“, sagte er und richtete sich vorsichtig in seinem Bett auf. Zwei azurblaue Augen warfen Sasori einen frustrierten Blick zu.

„Und wo ist dann das Problem?“, wollte Sasori mit zusammengezogenen Augenbrauen wissen. Für ihn sprach das Balg in Rätseln; etwas, was der Marionettenspieler überhaupt nicht ausstehen konnte.

„Genau das ist das Problem, un!“, erklärte ihm Deidara mit verzweifelter Stimme. „Inzwischen ist so viel Zeit vergangen und ich habe mein Gedächtnis immer noch nicht zurückbekommen, un! Ich will wissen, wieso ich Iwagakure verlassen habe, un. Und was aus meinem Bruder geworden ist. Ich verstehe einfach nicht, wieso niemand hier von ihm gehört hat, un. Es ist furchtbar... hier zu sein ohne irgendetwas zu wissen...“

„Das verstehe ich“, sagte Sasori, weil ihm spontan keine bessere Erwiderung einfiel. Es verging ein Augenblick, ehe im klar wurde, dass er auch wirklich meinte, was er eben gesagt hatte. Zwar handelte es sich bei ihm von Haus aus um keine sonderlich empathische Person, doch er konnte nachvollziehen wie schlimm diese Situation für Deidara sein musste. Aufzuwachen an einem völlig fremden Ort, ohne Erinnerung an die letzten Jahren, mit einem jähzornigen Partner an seiner Seite... Das war sicher alles andere als leicht. Geschockt stellte Sasori fest, dass er für seinen Partner so etwas wie Mitleid empfand.

„Es wird alles wieder wie früher werden“, versprach er Deidara und bemühte sich um einen tröstlich klingenden Tonfall. „Bald kehren auch deine restlichen Erinnerungen wieder zurück. Und dann werden sich die einzelnen Puzzleteile zu einem Bild zusammenfügen.“ „Bisher habe ich mich bloß an eine einzige Sache erinnern können, un“, murmelte Deidara. „Wer weiß, wie lange es dauern wird, bis ich all meine Erinnerungen wieder zurück bekommen habe...?“

„Vielleicht müssen wir deinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen“, schlug Sasori vor. „Als du gestern mit deinem Lehm gearbeitet hast, ist etwas wieder zu dir zurückgekommen, oder nicht? Daran können wir ansetzen.“

„So etwas in der Art hat Itachi heute Morgen auch gesagt, un“, meinte Deidara, der nun nicht mehr ganz so niedergeschlagen wirkte. Er hielt für einen kurzen Moment inne, ehe er plötzlich sagte: „Dieser Tempel... Dieser Tempel, in dem Ihr und Itachi mich vor drei Jahren gefunden habt, un. Ist der sehr weit weg?“

„Wenn es dir gelingt mit deiner C1-Technik einen Vogel für die Fortbewegung zu erschaffen, könnten wir ihn in etwa zwei Tagen erreichen“, antwortete Sasori ihm wahrheitsgemäß. „Aber was hast du dort vor?“

„In diesem Tempel hat alles angefangen, nicht wahr, Sasori no Danna?“, erklärte ihm Deidara. „Vielleicht kehren noch mehr Erinnerungen zu mir zurück, wenn ich dorthin gehe, un.“

Das war keine allzu schlechte Idee, musste Sasori anerkennen. Vielleicht würde es dem Gör wirklich weiterhelfen noch einmal an diesen Ort zurückzukehren. „Einen Versuch ist es wert“, entschied er schließlich. „Und ich werde Pain fragen, ob es in der Nähe des Tempels für uns etwas zu tun gibt. Dann ist die lange Reise im Zweifelsfall wenigstens keine Zeitverschwendung gewesen.“

Das Balg warf ihm einen verwunderten Blick zu. „Ihr wollt mich begleiten, Sasori no Danna?“

Sasori nickte. „Es ist zu gefährlich für dich, wenn du dich allein auf den Weg machst“, erklärte er ihm. Er könnte es sich nicht verzeihen, wenn Deidara etwas zustieß. Jedenfalls nicht bei dem Durcheinander, das zurzeit im Kopf seines Partners herrschte. „Wir können nicht ausschließen, dass ein neuer Trupp Ninja losgeschickt wurde, um zu beenden, was die Anderen angefangen haben. In deinem jetzigen Zustand hättest du im Kampf keine Chance.“

Deidara musterte ihn mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck. Es verging ein Moment, ehe er schließlich zögerlich lächelte. Es war das erste Mal, dass Deidara -dieser Deidara- ihn anlächelte. „Danke, Sasori no Danna.“

„Du brauchst dir darauf nichts einzubilden.“ Sasori wandte demonstrativ den Kopf ab. Das Balg sollte bloß nicht meinen es könnte sich bei ihm einschleimen. „Ich möchte nur endlich meinen alten Partner zurückbekommen. Der ist im Gegensatz zu dir wenigstens ein fähiger Ninja und zu irgendetwas zu gebrauchen. Und jetzt los: Pack deine Sachen, während ich mit Pain spreche. Ich hasse es ineffizient zu arbeiten.“

Das Lächeln auf Deidaras Lippen gefror, doch er nickte, verbeugte sich leicht und machte sich daran Proviant und Waffen für ihre Reise zusammenzusuchen.
 

bye

sb

Verstanden

Sasori brach noch am selben Tag gemeinsam mit Deidara auf.

Pain hatte ihm von einer wertvollen Schriftrolle erzählt, die in der Nähe des Tempels in einem alten Schrein aufbewahrt wurde. Damit ihre mehrtägige Reise nicht vollkommen umsonst war, falls der Besuch des Tempels sich als Reinfall herausstellen sollte, würde Sasori diese im Auftrag von Akatsuki in seine Gewalt bringen. Er konnte nämlich nichts weniger ausstehen als Zeitverschwendung.

Seinem unfähigen Partner gelang es beim vierten Versuch einen halbwegs passablen Vogel aus Lehm zu erschaffen. Es war ein ziemlich mickriges und ausgesprochen hässliches Vieh, doch ihnen blieb wohl keine andere Wahl als damit vorlieb zu nehmen.

Da Sasori ärgerlicherweise immer noch nicht dazu gekommen war Hirokus Innenfutter auszutauschen, nahm er in seiner normalen Gestalt auf dem Rücken des Vogels Platz. Es war eng und unbequem. Wahrscheinlich hätte seine Lieblingsmarionette dort nicht einmal hingepasst.

„Ich hoffe wirklich, dass du dein Gedächtnis bald wieder zurückbekommst“, beschwerte er sich. „Normalerweise beherrschst du die C1-Technik vel besser. Ich glaube, das ist der hässlichste Vogel, den du jemals geformt hast.“

„Warum ist es wichtig, ob er hübsch oder hässlich aussieht?“, entgegnete Deidara und warf ihm einen fragenden Blick zu. „Meine Lehmfiguren sind Waffen im Kampf, un. Sie müssen nicht schön aussehen - sie müssen nur ihren Zweck erfüllen, un.“

Deidara stieg hinter ihm auf den Rücken des Vogels. Es gab wirklich nur sehr wenig Platz und sein jüngerer Partner hatte keine Wahl als sich eng an Sasoris Rücken zu pressen. Normalerweise saß Deidara vorne (schließlich steuerte eigentlich er den Vogel), doch dazu schien das Gör nicht in der Lage zu sein. Also erschuf kurzerhand Sasori einige Chakra-Fäden und machte sich daran den Vogel in Bewegung zu setzen.

„Deine Lehmfiguren sind Kunstwerke“, erklärte Sasori dem Balg mit verärgerter Stimme. „Natürlich spielt ihre Ästhetik eine Rolle!“ Er wusste selbst nicht genau wieso, doch er konnte es nicht einfach hinnehmen, dass Deidara so abfällig von seiner Kunst sprach. Normalerweise verteidigte sein Partner seine explosiven Lehmfiguren aufs Äußerste.

„Aber sie werden doch am Ende sowieso in die Luft gejagt, oder nicht?“, hakte Deidara nach. „Also ist es doch völlig egal, ob sie vorher schön aussehen oder nicht, un.“ Er schien nicht so recht zu begreifen, worauf sein Danna hinauswollte.

Sasori seufzte leise. Er ließ seinen Blick nach unten über die Bäume, die immer kleiner wurden und immer unwirklicher erschienen, schweifen. Er sortierte seine Gedanken, ehe er dem dummen Balg schließlich erklärte: „Deine Kunst ist der winzige Moment der Explosion. Man betrachtet ein schönes Objekt, das von einer auf die andere Sekunde von dieser Welt für immer verschwindet. Ich denke, es geht um die Gefühle, die der Betrachter während der Explosion empfindet. Um Bedauern. Aber auch um die Wertschätzung der Figur, die sich mit einem lauten Knall verabschiedet. Der Betrachter soll ein Gespür für den Wert der Vergänglichkeit bekommen. Für ein hässliches, unförmiges Objekt würde man im Moment der Explosion nicht so viel empfinden. Deswegen legst du bei deinen Techniken auch Wert auf Ästhetik.“

Sasori drehte sich um und blickte Deidara ins Gesicht. Der Blondschopf hatte seine Augenbrauen nachdenklich zusammengezogen. Nach einer Weile begann er zögerlich zu nicken. „Also geht es darum etwas zu opfern?“, meinte er schließlich mit leiser Stimme. „Etwas Schönes zu erschaffen und es dann im Augenblick der Detonation zu opfern, um etwas noch viel Wundervolleres zu erschaffen? Der hübsche Schmetterling, der gehen muss, um Platz für ein strahlendes Feuerwerk zu machen?“

„Vielleicht“, gab Sasori schulterzuckend zurück. Um ehrlich zu sein, war es das erste Mal, dass er sich ehrlich Gedanken um die Kunst seines jüngeren Partners gemacht hatte. Im Grunde hielt er nur sehr wenig von der Lehmkotze, die der Idiot für Kunst hielt. Meistens verbrachte er seine Zeit damit Deidara darüber zu belehren, dass wahre Kunst das genaue Gegenteil von Vergänglichkeit war: ewige, vollkommene Schönheit. So wie seine wunderbaren Marionetten.

„Das ist schrecklich, un“, hörte er Deidara flüstern. Als er sich umdrehte, stellte er fest, dass das Balg einen leidenden, beinahe schon angewiderten Gesichtsausdruck aufgesetzte hatte.

„Was meinst du?“

„Etwas Schönes zu opfern, un... Eine Lehmfigur in die Luft zu jagen für ein Feuerwerk... Für einen lauten Knall, un... Das muss so schwer sein: Etwas, was man mit seinen eigenen Händen erschaffen hat, einfach zu zerstören, un. Das ist doch Wahnsinn, un!“

Sasori, der niemals auf die Idee käme eine seiner hübschen Marionetten im Namen der Kunst explodieren zu lassen, nickte verständnisvoll. „Es kostet sicher Überwindung. Aber ich denke, auch das ist Bestandteil deiner Kunst. Es geht um die Schönheit der Vergänglichkeit. Man muss etwas Altes gehen lassen, um Raum für etwas Neues zu schaffen.“

Hinter Deidaras Augen bewegte sich plötzlich etwas. Das Balg griff sich mit beiden Händen an den Kopf und starrte Sasori entgeistert an. Der Marionettenspieler brauchte einen Moment, um zu begreifen, was vor sich ging. Eine Erinnerung! Eine Erinnerung kehrte zu Deidara zurück. Endlich!

„Woran erinnerst du dich wieder?“, fragte er seinen Partner ungeduldig. „Bist du jetzt endlich wieder der Alte? Deidara? Deidara, antworte mir!“

Doch Deidara schüttelte den Kopf. Seine Augen und sein Mund waren weit aufgerissen. Er gab keinen Ton von sich. Ehe er schließlich laut zu schluchzen und zu zappeln begann als hätte er einen Anfall. Völlig unkontrolliert brach Deidara in Tränen aus.

„Verdammt! Beruhige dich, Deidara!“ Sasori hatte Schwierigkeiten den Vogel unter Kontrolle zu behalten. Sein Partner schluchzte und zuckte ohne Unterlass. Was war denn auf einmal los? Er verstand überhaupt nicht, was vor sich ging. Hatte das Gör nun komplett den Verstand verloren?

Deidara zog die Knie zu sich heran und legte seine Arme um die Beine. Noch immer weinte er verzweifelt.

„Deidara, du musst dich festhalten!“ Er streckte eine Hand nach seinem Partner aus. Oh nein! Sasori sah die Situation kommen, doch es gab nichts was er tun könnte, um sie zu verhindern. Seine Fingerspitzen streiften Deidaras Mantel, doch konnten ihn nicht greifen, als der Blondschopf vom Rücken des Vogels abrutschte und in die Tiefe stürzte.

Diesmal war es nicht Hirokus skorpionähnlicher Schwanz, der seinen Partner auffing. Sondern das lange Seil, das er in den Bauchraum seines Puppenkörpes eingearbeitet hatte. Das Seil schlang sich um Deidaras Fußgelenk, fing diesen in der Luft ab und zog ihn zurück auf den Vogel.

Verdammt, das war knapp gewesen. Sasori wusste, dass sich in seiner Bauchhöhle nichts als das Seil befand, doch trotzdem konnte er heiße Wut darin brodeln spüren. „Du verdammter Idiot!“, herrschte er seinen Partner an. „Du nichtsnutziger, unaufmerksamer, dämlicher Trottel! Du machst mir nichts als Umstände! Kannst du denn nicht besser aufpassen!?“

Deidara hatte aufgehört zu weinen. Stattdessen starrten seine tränennassen Augen entsetzt auf das Seil, das aus Sasoris Inneres ragte und immer noch um sein Bein geschlungen war.

„W-was ist das? Was bist du?“, brachte Deidara mit zitternder Stimme hervor und löste hastig das Seil um seinen Knöchel.

„Das ist jetzt unwichtig“, erwiderte Sasori, dessen Wut allmählich wieder verrauchte. Im Grunde hatte er sich bloß erschreckt. Surrend rollte er das Seil wieder auf und ließ es unter seinem Mantel verschwinden. „Was ist mit dir? Woran hast du dich erinnert?“ Jedenfalls war nicht alles wieder zu Deidara zurückgekehrt, stellte er enttäuscht fest. Denn dann wäre ihm ja klar, dass es sich bei seinem Partner um eine Marionette handelte.

Deidara wischte sich mit seinem Mantelärmel über die nassen Augen. „Ich möchte darüber nicht reden, un“, sagte er und senkte den Blick.

„Du wärst gerade eben in deinen Tod gestürzt, wenn ich dich nicht aufgefangen hätte“, redetete der Marionettenspieler auf das Balg ein. Schon wieder, fügte er stumm hinzu. „Ich finde, ich habe das Recht zu erfahren, was gerade eben passiert ist.“
 

Weil er vermeiden wollte, dass es noch einmal zu einen Unfall kam, ließ Sasori den Vogel zu Boden segeln. Er wählte für ihre Landung eine kleine Lichtung im Wald unter ihnen aus. Deidara stieg mit wackeligen Beinen vom Rücken des Lehmfigur und ließ sich an Ort und Stelle erschöpft zwischen ein paar Pilzen und Blumen nieder. Offenbar war er mit seinen Nerven völlig am Ende.

„Also.“ Sasori ließ nicht locker. Er kniete sich neben das Gör ins Gras.

„Ich hab mich wieder an meinen Bruder erinnert, un“, flüsterte Deidara schließlich. Er schien zu begreifen, dass er anders aus dieser Situation nicht herauskommen würde.

„Und?“ Es nervte Sasori gewaltig, dass er seinem Partner jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen musste. Sonst plapperte das Balg doch auch immer wie ein Wasserfall! „Was ist mit deinem Bruder?“

„Er... Er ist tot...“ Deidaras Stimme zitterte, als er diese Worte aussprach. Mit vor Entsetzen weit aufgerissenen, tränennassen Augen musterte er seinen Danna.

Sasori wusste darauf nichts zu erwidern. Er blickte in das verzweifelte Gesicht seines jungen Partners und brachte kein Wort heraus. Trotzdem gelang es ihm nicht sich abzuwenden. Er, der Meister der Marionetten, war in seinen Bewegungen wie erstarrt.

Deidara zog die Knie zu sich heran und schlang die Arme um seine Oberschenkel und brach erneut in Tränen aus. Hilflos und einsam weinte er um seinen Bruder.

Dieses Bild löste etwas in Sasori aus. Plötzlich war er derjenige, zu dem eine Erinnerung zurückkehrte: Er sah vor seinem inneren Auge wie seine Großmutter Chiyo ihm erklärte, dass seine Eltern auf einer Mission von einem Ninja aus Konohagakure getötet worden waren. Erst am späten Abend, als er alleine in seinem Bett lag, war die volle Härte dieser Worte bis zu ihm durchgedrungen: Er würde seine geliebte Mutter und seinen Vater niemals wiedersehen. Sie waren für immer von dieser Welt verschwunden. Damals hatte er sich genauso klein gemacht wie Deidara es jetzt gerade tat. Er wusste noch ganz genau wie er sich gefühlt hatte.

„Es tut mir so leid, Deidara“, sagte Sasori. Er rückte so nah wie möglich an seinen Partner heran und legte beide Arme um ihn. Deidara ließ von seinen Knien ab und drückte sich stattdessen gegen die Brust seines Dannas. „Ich weiß, wie du dich in diesem Moment fühlst. Es ist schrecklich so plötzlich vom Tod eines geliebten Menschen überrollt zu werden. Genauso erging es mir, als mir meine Großmutter erzählte, dass meine Eltern beide auf einer Mission getötet wurden. Es gibt nichts Schlimmeres auf dieser Welt.“ Er löste eine Hand, um tröstend über Deidaras blondes Haar zu streicheln.

„Er ist nicht bei einer Mission gestorben, un“, hörte er Deidara leise schluchzen. Noch immer war seine Wange fest an die Brust seines Partners gedrückt. Überrascht stellte Sasori fest, dass ihm dieser Umstand nichts ausmachte. „Ich erinnere mich... dass ich nach ihm sehen wollte, un. Er ist nicht zum Frühstück aufgetaucht... was wirklich untypisch für ihn ist, un. Also habe ich ihn gesucht... und gefunden habe ich ihn erhängt in seinem Zimmer, un.“

Sasori konnte sich nicht vorstellen, wieso ein Mensch sich freiwillig für den Tod entscheiden sollte. Er hatte, um dem eigenen Ende zu entgehen, bereits im Teenageralter seinen Körper in eine Puppe umgebaut. Auf diese Weise wäre er niemals dazu gezwungen von dieser Welt Abschied zu nehmen. So wie seine Eltern es getan und ihrem einzigen Kind damit unsägliches Leid zugefügt hatten.

Allmählich beruhigte Deidara sich wieder. Er war immer noch erschüttert von der Erkenntnis, dass sein geliebter Bruder sich bereits vor Jahren das Leben genommen hatte, doch wenigstens konnte er aufstehen und weinte nicht mehr ununterbrochen.

Schweren Herzens beschloss Sasori ihn wieder auf den Rücken des Vogels zu setzen. Ihm war nicht wohl dabei sich mit einem aufgelösten Deidara allzu lange im Gebiet des Feindes aufzuhalten. Sie wussten nicht, wer sich in ihrer Nähe aufhielt. Es war sicherer die Reise fortzusetzen.

„Wenn du mir etwas über deinen Bruder erzählen möchtest“, sagte Sasori, während er mit seinen Chakra-Fäden den Vogel steuerte, „dann würde ich dir zuhören, weißt du. Ich würde nicht mir dir schimpfen, dass es eine Zeitverschwendung ist. Nur damit du Bescheid weißt.“

Sasori rechnete schon nicht mehr damit eine Antwort zu bekommen, als Deidara schließlich ein leises „Danke, Sasori no Danna“ in seinen Rücken nuschelte.
 

bye

sb

Unerwartet

Fast den gesamten restlichen Flug über hüllte Deidara sich in Schweigen.

Sasori schoss der Gedanke durch den Kopf, dass er sich selbst eigentlich für verrückt erklären müsste. Denn wieder merkte er, dass ihm das pausenlose Geplappere seines Partners fehlte. Es war vollkommen unlogisch, im Grunde wirklich hirnrissig: Immerhin hatte er Jahre damit zugebracht das dämliche Balg zur Ruhe zu ermahnen und sich einmal eine Reise ohne idiotisches Geschwätz gewünscht. Doch nun saß Deidara hinter ihm auf den Rücken des Vogels, den Körper aufgrund des Platzmangels eng an ihn gepresst, doch er verhielt sich so still und regungslos, dass dort genausogut auch eine seiner Marionetten sitzen könnte.

Sasori konnte es kaum erwarten, bis Deidara sein Gedächtnis endlich wieder zurückerlangt hatte. Hoffentlich würde sich der Besuch des Tempels nicht als Reinfall entpuppen. Detailreich malte der Puppenspieler sich aus wie sie beide die Treppe zum Altarraum emporstiegen und Deidara mit jeder Treppenstufe auch eine Erinnerung zurückerhielt. Und wenn sie oben angekommen waren, wäre das depressive Kind, das gerade hinter ihm saß, verschwunden. Stattdessen bekäme er seinen dämlichen, lustigen, redseligen Partner wieder. Ein Lächeln schlich sich auf Sasoris Lippen, als er sich vorstellte wie sie beide auf dem Rückflug stundenlang über Kunst streiten und diskutieren würden.
 

„Sieh mal, da unten!“

Es war nicht Deidara, sondern Sasori, der diese Worte aussprach. Viele Meter unter ihnen, am Hang eines Berges, einsam und abgeschieden von der restlichen Zivilisation, konnte er die Umrisse des Tempelgebäudes ausmachen. Zielsicher steuerte er den Vogel darauf zu und landete schließlich auf dem Vorplatz der Anlage.

Alles sah noch genauso aus wie Sasori es in Erinnerung hatte. Es handelte sich um einen verlassenen Tempel, der vor langer Zeit zu Ehren der Naturgötter, die den Legenden nach am Fuße des Berges lebten, errichtet wurde. Über eine Treppe gelangte man in das Innere des Gebäudes. Doch abgesehen von zwei großen Glocken und einem Altar gab es darin im Grunde nichts zu sehen, wie Sasori wusste. Es war ein wirklich alter Tempel und nur wenige Menschen verirrten sich je hierher.

Einer von ihnen war Deidara gewesen vor drei Jahren.

Gespannt wandte Sasori sich zu dem Balg um. „Und?“, wollte er mit ungeduldiger Stimme wissen. „Merkst du schon etwas?“

„Dieser Ort kommt mir bekannt vor, un“, antwortete Deidara und glitt behutsam vom Rücken des Vogels. Er ließ den Blick zaghaft über die Treppe bis hinauf zum Eingangstor schweifen.

Zu behaupten dass Sasori von der Reaktion seines Partners enttäuscht war, wäre eine maßlose Untertreibung. Nun, auf der anderen Seite war seine Erwartungshaltung wahrscheinlich einfach zu hoch gewesen. Es war untypisch naiv von ihm gewesen zu glauben, dass er nur mit dem Balg herkommen müsste und schon wären alle Probleme gelöst. Wenigstens schien Deidara klar zu sein, dass er sich nicht zum ersten Mal in seinem Leben an diesem Ort aufhielt. Das war immerhin ein Anfang.

„Du kannst den Vogel detonieren lassen“, wies er das Balg an. „Dann schauen wir uns den Tempel von innen an.“

Deidara warf ihm einen verunsicherten Blick zu. „Waum soll ich ihn in die Luft jagen, Sasori no Danna?“, wollte er wissen. „Wieso lassen wir ihn nicht einfach hier stehen, bis wir uns auf den Rückweg machen?“

Das war ein guter Einwand, musste der Marionettenspieler angesäuert zugeben. Es hatte ihm besser gefallen als die jüngere Version seines Partners noch zu ängstlich gewesen war, um ihn anzusprechen oder gar Widerworte zu geben.

„Ich möchte, dass du später einen neuen Vogel formst“, erklärte ihm Sasori schließlich. „Die Reise auf diesem Exemplar war unbequem. Wir werden sehen, ob es dir nicht vielleicht gelingt einen größeren Vogel zu formen, wenn wir im Tempel gewesen sind.“

„Wenn ich ihn hochgehen lasse, wird es eine ziemlich große Explosion geben, un....“

„Ja und?“ Mit hochgezogenen Augenbrauen musterte Sasori das elendige Häufchen von Partner, das neben ihm stand. Wieso zur Hölle war Deidara so unwillig seine Lehmfigur detonieren zu lassen? Das passte überhaupt nicht zu dem verrückten Pyromanen. Bei ihrem Training vor ein paar Tagen hatte er schließlich mit Begeisterung den gesamten Lehmvorrat aus seinen Taschen verpulvert.

„In der Bakuha Butai hat man uns beigebracht, dass man auf Missionen laute Explosionen möglichst vermeiden soll, un“, erklärte ihm Deidara schließlich schüchtern. „Der Lärm könnte Feinde anlocken oder...“

„Ich habe keine Zeit für deine Paranoia“, unterbrach Sasori ihn abrupt. „Hier ist niemand in der Nähe. Und jetzt los, Deidara: Ich möchte endlich hineingehen!“

Angesichts seines scharfen Tonfalls traute sein Partner sich nicht noch einmal ihm zu widersprechen. Mit angestrengter Miene ließ er den Lehmvogel in die Luft steigen und sprengte ihn in tausend Einzelteile, als er gerade eben hoch genug war. Die Explosion war so nah, dass Sasori die Wärme und den Druck auf seinem Gesicht spüren konnte. Es war kein unangenehmes Gefühl.
 

Gemeinsam erklommen sie die Treppe, die hinauf zum Altarraum führte. Wie erwartet waren sie allein. Abgesehen von den beiden großen Glocken, die von der Decke hingen, leistete ihnen niemand Gesellschaft.

Sasori musterte gespannt das Gesicht seines Partners, der sich stumm umschaute und immer mal wieder ein paar Schritte in die eine oder in die andere Richtung ging. Doch einen Geistesblitz schien das Gör nicht zu ereilen. Es wäre auch einfach zu schön gewesen.

„Ich kenne diesen Tempel“, erklärte er Sasori schließlich mit leiser Stimme. „Wenn man diese Schiebetür da vorne öffnet, hat man einen schönen Ausblick auf die Berglandschaft, un. Und ich weiß, wie sich die beiden heiligen Glocken anhören, un.“

„Kannst du dich auch an den Tag erinnern, an dem wir dich rekrutiert haben?“, fragte der Marionettenspieler interessiert nach. „Itachi, Kisame und ich haben dich genau hier in diesem Raum gefunden.“

„Kisame ist auch dabei gewesen?“, erwiderte Deidara verwundert und legte den Kopf schief. „Das habe ich gar nicht gewusst, un.“

„Also nicht“, seufzte Sasori enttäuscht auf. Verdammt. So wie es aussah war die lange Reise praktisch umsonst gewesen. Nichts als Zeitverschwendung. „Wir machen hier eine Rast“, meinte er schließlich an seinen jüngeren Partner gewandt. „Ruh dich aus und iss etwas. Danach machen wir uns auf den Weg zu dem Schrein mit der verbotenen Schriftrolle. Ich möchte nicht mit leeren Händen ins Hauptquartier zurückkehren.“

„Ja, Sasori no Danna.“

Deidara öffnete die Schiebetür am hinteren Ende des Tempelgebäudes und ließ sich auf der Schwelle nieder. Er genoss den schönen Ausblick, während er aus seiner Tasche etwas getrocknetes Fleisch und Gemüse hervorholte.

„Ich nehme an, dass ich es mir sparen kann Euch auch etwas anzubieten, Sasori no Danna?“

Anbetracht dieser Aussage konnte Sasori sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. Das Balg schien allmählich dazuzulernen. „Gut erkannt.“
 

Niedergeschlagen kaute Deidara auf einem Streifen zähen Rindfleisch herum, während er seinen Blick über die mächtige Berglandschaft schweifen ließ. Es war ein wirklich atemberaubender Anblick: Man kam sich als Mensch ganz winzig und bedeutungslos vor neben diesen Riesen aus Stein.

Noch bevor Deidara dazu kam das Fleisch herunterzuschlucken, kehrte plötzlich eine Erinnerung zu ihm zurück: Er erinnerte sich daran wie er genau hier auf dieser Türschwelle gesessen und den Berg betrachtete hatte, so wie er es auch jetzt gerade tat. Und er hatte sich auch genauso einsam und orientierungslos gefühlt wie er es heute war.

Nachdem er die Leiche seines Bruders entdeckt hatte, die an einem Seil von der Decke hing, traf er die Entscheidung Iwagakure zu verlassen. Er plante den Diebstahl des verbotenen Jutsus, das ihm die beiden Münder in seinen Handinnenflächen geschenkt hatte. Doch darüber, was er tun sollte, sobald er die Dorfmauer passiert hatte, hatte Deidara sich keine Gedanken gemacht.

Er war ein fünfzehnjähriger Junge gewesen, der sich hierher verzogen hatte, weil er nicht wusste, wohin er sonst gehen könnte. In Iwagakure war er ein angesehenes Mitglied der Bakuha Butai gewesen. Man pries sein Talent im Umgang mit Sprengstoff und seinen absoluten Gehorsam. Doch Freunde oder Unterstützer außerhalb seines Dorfes hatte er nicht gehabt.

Deidara war auf sich allein gestellt gewesen und er hatte Angst gehabt. Daran erinnerte er sich klar und deutlich. Immerhin wusste er genau wie Iwagakure mit abtrünnigen Ninja umging: Sie wurden gejagt, und wenn es gelang sie einzufangen, dann wurden sie gefoltert und anschließend exekutiert. Der Geschmack seiner neu erlangten Freiheit war nicht süß, sondern bitter gewesen.
 

Das Kind aß nur wenig. Mit einem unwilligen Gesichtsausdruck beobachtete Sasori, wie Deidara nicht mehr als ein paar Bissen Fleisch zu sich nahm, bevor er sich erhob und zu ihm zurückkehrte.

„Sasori no Danna?“ Deidaras Stimme klang leise und nachdenklich.

„Was ist?“, wollte Sasori wissen und erhob sich.

„Diese drei Ninja, die mich angegriffen haben, un... Ihr wisst schon, die mir diesen Schlag gegen den Schädel verpasst haben, un. Könnten das vielleicht Iwa-nins gewesen sein?“

„Wie kommst du plötzlich darauf?“ Sasori zog die Augenbrauen zusammen und warf seinem jüngeren Partner einen skeptischen Blick zu. „Der Angriff ist weit entfernt von den Grenzen Iwas geschehen.“

„Normalerweise jagt Iwagakure abtrünnige Ninja unerbittlich“, erklärte Deidara ihm. „Mir ist der Gedanke gekommen, dass es vielleicht ihr Auftrag gewesen ist, mich zurückzubringen.“

Sasori dachte kurz über die Worte des Balgs nach, ehe er den Kopf schüttelte. „Das halte ich für unwahrscheinlich. Früher hatten wir sehr oft Probleme mit Oi-nin aus Iwagakure, das stimmt. Inzwischen nehme ich an, dass Iwa deine Flucht aus dem Dorf für eine Kurzschlussreaktion auf den Suizid deines Bruders gehalten hat. Wahrscheinlich wollten sie einen fähigen Ninja wie dich nicht einfach aufgeben und setzten alles daran dich nach Iwagakure zurückzuholen.

Aber das ist lange her. Irgendwann scheint dein Dorf begriffen zu haben, dass du dich vollends Akatsuki verschrieben hast. Oder sie wollten keine weiteren Ninja opfern. Ich nehme an, dass du dir vorstellen kannst, dass keiner, den sie ausgeschickt haben, jemals zurückgekehrt ist. Jedenfalls hatten wir schon seit Jahren keine Probleme mehr mit Ninja, die Jagd auf dich machen.“

Sasori erinnerte sich noch genau daran, wie sehr ihn die Angriffe der feindlichen Ninja angenervt hatten. Es war so gut wie unmöglich gewesen mit seinem neuen Partner eine Mission durchzuführen, ohne auf Iwa-nin zu stoßen, die ihnen aufgelauert hatten. Pausenlos hatte er darauf achtgeben müssen, dass das idiotische Balg nicht in die Hände der Feinde geriet. Nicht nur einmal hatte Sasori sich bei Pain darüber beschwert; doch leider hatte ihr Leader ihm unmissverständlich klargemacht, dass er ihm keinen anderen Partner zuteilen würde und er obendrein für die Sicherheit des Kindes verantwortlich war. Er hatte sich gefühlt wie ein Babysitter.

Deidara wirkte nicht ganz überzeugt, doch nickte.

„Komm jetzt, wir haben keine Zeit zu verlieren. Ich bin immer noch nicht dazu gekommen neues Innenfutter für Hiroku zu besorgen. Lass uns endlich die Schriftrolle stehlen und dann zum Hauptquartier zurückkehren.“

„Ja, Sasori no Danna.“

Seite an Seite stiegen sie die Treppe der Tempelanlage wieder hinab.

„Und bemüh dich dieses Mal gefälligst um einen Vogel, der vernünftig aussieht“, schimpfte Sasori seinen jüngeren Partner. „Das Vieh, auf dem wir hergekommen sind, war unbequem und...“

Eigentlich wollte Sasori sich noch ein wenig weiter über Deidaras mangelnde Fähigkeiten auslassen, doch dazu kam er nicht. Gerade noch rechtzeitig bemerkten seine scharfen Augen die dünne, beinahe unsichtbare Nadel, die pfeilschnell auf Deidara zugeschossen kam.

Ohne auch nur den Bruchteil einer Sekunde zu verschwenden, packte Sasori ihn beim Ärmel seines schwarz-roten Mantels und zerrte ihn hastig beiseite. Das Balg landete mit dem Gesicht im Dreck, doch daran verschwendete der Marionettenspieler keinen Gedanken: Stattdessen scannte er die Umgebung ab; versuchte herauszufinden, wo die (mit Sicherheit vergiftete) Nadel hergekommen war.

„Danna!“, beschwerte sich Deidara wütend und richtete sich auf. „Was sollte...“

Sasori gebot dem Gör mit einer Handbewegung zu schweigen. „Feinde“, war das einzige, was er zu ihm sagte. „Geh hinter mir in Deckung.“

Deidara schaltete sofort. Er warf einen kurzen Blick auf die Nadel, die hinter ihm auf einer steinernen Treppenstufe lag, und griff mit seinen Händen in die mit Lehm gefüllten Taschen an seinen Hüften.
 

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sb

Aufgelauert

Sasori ärgerte sich darüber, dass er seine Lieblingspuppe Hiroku im Hauptquartier zurückgelassen hatte. Ohne Innenfutter lag sie nutzlos in seiner Werkstatt zwischen Holzblöcken und mit giftigen Flüssigkeiten gefüllten Gläsern herum.

Natürlich konnte Sasori einen Kampf auch ohne Hiroku bestreiten. Er verfügte über Dutzende Marionetten, die sich mittels Schriftrollen herbeirufen ließen. Es wäre bloß einfacher, wenn er sich auf den Schutz seiner großen und geräumigen Puppe verlassen könnte. Dann müsste er sich zumindest keine Gedanken um die Sicherheit seines nichtsnutzigen Partners machen. Das letzte Mal hatte Sasori es als sehr praktisch empfunden, dass das Balg den Kampf geschützt in Hirokus Inneres verbracht hatte. Diesen Vorteil hatten sie heute leider nicht.

Deidara stand in kampfbereiter Position hinter ihm, beide Hände tief in die mit Lehm gefüllten Taschen vergraben. Doch Sasori wusste, dass dieser Anblick nichts als eine lächerliche Farce war: Sein Partner bekam kaum seine C1-Techniken problemlos hin; von komplexeren Explosions-Jutsus ganz zu schweigen. Er war nichts als ein Klotz am Bein.

"Halt dich raus", raunte Sasori ihm also leise zu, während er rasch eine seiner stärksten Marionetten, den Sandaime Kazekagen, beschwor. Er wusste nicht, wie viele Feinde sich im Schatten der Bäume versteckt hielten. Außerdem stellten er und Deidara auf halber Höhe der steinernen Treppen eine gute Zielscheibe ab. Hier oben gab es nichts, was ihnen Deckung oder Schutz bieten könnte.

Warum nur hatte er Hiroku nicht mitgenommen? Auch ohne samtiges Innenfutter hätte sein Partner sich darin in Sicherheit bringen können. Verdammt. Nun musste er sich etwas anderes überlegen.

"Deidara, stell schnell einen großen Vogel her", wies er also das Balg an. "Steig damit hoch in die Luft. Hier unten bist du nichts als eine Belastung für mich."

Deidara nickte und tat wie ihm geheißen. Dieses Mal brachte er sogar ein großes, elegant wirkendes Exemplar zustande. Ohne Zeit zu verlieren hüpfte sein Partner auf den Rücken des Vogels und ließ ihn nach oben segeln.

Sasori hastete mit dem Sandaime Kazekagen die Treppen hinunter. Er befand sich in einer ungünstigen Position. Seine Feinde hatten freie Schusslinie auf ihn, während sie selbst sich am Waldrand zwischen Bäumen und Sträuchern versteckt hielten. Zwar handelte es sich bei Sasori um einen Fernkämpfer, aber er wusste ja nicht einmal, wo genau seine Feinde sich aufhielten. Oder wie viele es waren. Verdammt.

"Sie wollen uns in einen Hinterhalt locken, Sasori no Danna", rief ihm plötzlich Deidara von oben zu. "Es sind zwei Gruppen, un. Ich kann sie von hier aus sehen, un."

Dann war das dämliche Balg also doch für etwas gut, dachte Sasori. "Wo sind sie?"

"Zwei sind direkt vor Euch, un", erklärte ihm Deidara, der mit konzentrierter Miene den Waldrand abscannte. Schade, dass Sasori nicht auf die Idee gekommen war, ihm die Kamera für sein linkes Auge zu geben; das wäre in dieser Situation sicher hilfreich gewesen. "Die Anderen, so fünf oder sechs Ninja, halten sich vierhundert Meter weiter links auf, un."

Das war alles, was er zu wissen brauchte. Mithilfe seiner Marionette parierte Sasori zwei weitere (vermutlich vergiftete) Senbon, die pfeilschnell auf ihn zugeschossen kamen. Eine halbe Sekunde später hastete er nach vorne, während er den Sandaime Kazekagen in die von Deidara angegebene Richtung ausschickte.

Mit einer Bewegung seines kleinen Fingers öffnete Sasori einen der Arme seiner Marionette, woraufhin ein violetter Giftnebel austrat, der sich sekundenschnell ausbreitete. Er hatte das Gift selbst hergestellt und wusste genau um die Wirkung: Jeder, der auch nur einen Atemzug in diesem Nebel tat, würde sich davon nie wieder erholen.

Jetzt musste er bloß noch die beiden Ninja direkt vor seiner Nase erledigen. Sie waren als Lockvögel ausgewählt worden; daher ging er davon aus, dass es sich um die schwächsten und entbehrlichsten Mitglieder des Teams handelte. Sasori ließ seine Arme nach vorne schnellen und aktivierte die Flammenwerfer, die in seine Handinnenflächen installiert waren. Das Feuer war heiß genug, um Kunai oder Shuriken zu schmelzen. Augenblicklich stand der Wald vor ihm in Flammen. Die beiden Ninja, die sich zwischen den Baumstämmen versteckt hielten, hatten keine Möglichkeit sich vor dem Flammenmeer zu retten.

"Bewegt sich noch irgendjemand?", fragte er Deidara, der seinen Lehmvogel langsam zu Boden sinken ließ.

Sein Partner schüttelte stumm den Kopf. Mit einem fassungslosen Gesichtsausdruck musterte er Sasori.

"Was ist los?", fragte dieser das Balg. Es kam selten vor, dass irgendetwas Deidara die Sprache verschlug.

"Dieses Feuer...", stammelte er schließlich. "Wo kam das her?"

"Hast du noch nie einen Ninja gesehen, der im Kampf Feuer einsetzt?", fragte Sasori spöttisch. Anbetracht der Tatsache, dass Deidara in Iwagakure bei der Bakuha Butai tätig gewesen war, konnte er sich das kaum vorstellen. Immerhin waren sie auf Sprengstoff-Einsätze spezialisiert.

"Ihr habt keine Fingerzeichen benutzt, un", hielt Deidara dagegen. Noch immer hatte er einen erschrockenen Ausdruck im Gesicht. "Und das war auch keine Bombe oder so etwas in der Art, un. Das Feuer... es war... es kam direkt aus Euren Händen, Sasori no Danna. Was ist das gewesen?"

Sasori seufzte leise. Das Gör war verdammt aufmerksam. Nun, es hatte wohl keinen Zweck mehr seinem Partner die Wahrheit zu verschweigen. "Das stimmt", gab er zu. "Ich habe Flammenwerfer in meine Hände eingebaut."

"Ihr-ihr habt... was?" Deidaras Blick veränderte sich von erschrocken zu entsetzt. "Aber wie...? Das kann doch nicht..." Dann endlich fiel der Groschen. "Ihr seid eine Puppe, un." Die Worte waren so leise ausgesprochen worden, dass Sasori sie kaum hören konnte. "Deswegen esst und schlaft Ihr auch niemals, un... Ich...ich kann es nicht fassen, un."

"Ich wollte es vor dir geheim halten", erklärte Sasori ihm. "Weil ich davon ausgegangen bin, dass du bald dein Gedächtnis wiedererlangen würdest, hätte es keinen Sinn gemacht es dir zu offenbaren." Er machte eine kurze Pause, ehe er hinzufügte: "Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um über diese Sache zu sprechen. Lass uns lieber einen Blick auf die Leichen unserer Feinde werfen, bevor uns die Oi-nin wieder zuvorkommen."
 

Deidara schien es nicht leichtzufallen das Thema zu wechseln, doch am Ende sah er ein, dass Sasori Recht hatte. Gemeinsam gingen sie hinüber zu den Ninja, deren Leben durch den giftigen Nebel ein jähes Ende gefunden hatte.

"Das Gift hat sich verzogen, oder, Sasori no Danna?", fragte Deidara mit nervöser Stimme, während sie sich dem Haufen Getöteter näherten. Das Gift wirkte schnell, doch der Tod trat nicht schmerzlos ein: Ihre Gesichter waren vor Schmerzen verzogen und ihre Augen weit aufgerissen.

Sasori nickte und beugte sich zu einer Leiche hinunter. Auf dem Stirnband des jungen Mannes waren zwei Steine abgebildet. Deidara hatte mit seiner Vermutung also Recht behalten. "Sie sind aus Iwagakure."

"Was hat das zu bedeuten?", fragte Deidara. "Ihr habt doch gesagt, dass uns schon seit Jahren keine Iwa-nins mehr auflauern, Sasori no Danna."

"So ist es auch gewesen", erwiderte Sasori. "Ich weiß nicht, was Iwagakure dazu bewogen hat die Jagd auf dich wieder aufzunehmen. Wir können nur spekulieren. Vielleicht liegt es an der brisanten politischen Lage, die aktuell herrscht. Akatsuki stellt eine große Bedrohung dar. Womöglich möchte Iwagakure dich aus unserer Organisation entfernen und in seine eigene Dorfgemeinschaft wieder einfügen."

"Ihr glaubt also, dass sie mich nicht töten, sondern wieder nach Iwagakure zurückholen wollten?" Deidara wirkte nicht überzeugt.

Sasori zuckte mit den Schultern. "Sie haben als Erstes versucht dich mit einer Wurfnadel außer Gefecht zu setzen. Senbon sind eine bevorzugte Waffe der Oi-nin. Man kann sie mit Gift bestreichen und den Gegner kampfunfähig machen, ohne zu viel Schaden anzurichten oder sogar zu töten."

"Aber Ihr habt selbst gesagt, dass für mich keine Möglichkeit mehr besteht nach Iwagakure zurückzukehren, un!", widersprach ihm Deidara. Seine Stimme klang aufgewühlt und er warf Sasori einen verzweifelte Blick zu. "Ich habe Iwagakure aus eigenem Antrieb den Rücken gekehrt und mich Akatsuki angeschlossen, un. Wie könnte mein Dorf mich je zurücknehmen?!"

"Indem sie dich vergessen lassen, dass diese Dinge jemals geschehen sind, zum Beispiel."

Diese Mutmaßung nahm Deidara den Wind aus den Segeln. Für einen Moment starrte er stumm und erstarrt in das Gesicht des Marionettenspielers. Es dauerte eine halbe Minute, bis sein Partner seine Simme wiederfand.

"Ihr glaubt, dass diese drei Ninja, die uns damals angegriffen haben, den Auftrag hatten meine Erinnerung an die letzten Jahre auszulöschen? Ist das nicht ziemlich weit hergeholt, Danna? Vielleicht habe ich bloß großes Pech gehabt mit diesem Schlag gegen meinen Kopf, un."

"Es ist nur eine Vermutung", erklärte Sasori. Einhundertprozentig sicher war er sich tatsächlich nicht. Doch dieses Motiv würde vieles erklären. "Die Ninja, die uns auflauerten, haben ihren Angriff gut geplant und dich von oben attackiert. Und ich habe keinen genauen Blick auf die Waffe, mit der sie dich erwischt haben, erhaschen können."

"Aber wir wissen nicht, ob es Iwa-nins gewesen sind oder nicht, un", hielt Deidara dagegen. Ihm schien die von Sasori vorgeschlagene Auflösung nicht recht zu sein. "Vielleicht waren es auch Ninja aus einem anderen Dorf. Oder Kopfgeldjäger."

Sasori zuckte mit den Schultern. "Es hat wenig Sinn zu spekulieren", meinte er schließlich. "Ich werde die Senbon, die sie auf dich abgefeuert haben, zur Probe mit ins Hauptquartier nehmen. Dort kann ich das Gift, in das sie getränkt wurden, analysieren. Wenn es Subtanzen enthält, die das Langzeitgedächtnis angreifen, dann können wir davon ausgehen, dass ich mit meiner Vermutung richtig liege."

Gemeinsam gingen sie zurück zur Treppe, die hinauf zu der alten Tempelanlage führte. Sasori hob die Wurfnadel, die auf einer Stufe lag, mit einem Tuch auf und ließ sie vorsichtig in seiner Manteltasche verschwinden.

"Und jetzt los: Steig wieder auf den Vogel. Ich möchte nicht noch mehr Zeit verschwenden. Es wartet immer noch eine Schriftrolle auf uns."
 

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sb

Gelöst

"Ihr scheint Euch ja ziemlich gut mit Giften auszukennen, un", merkte Deidara an. Das Balg saß auf einem niedrigen Schemel in Sasoris Werkstatt. Mit der neugierigen Miene eines Kindes schaute er sich um: Er betrachtete eingehend die Gliedmaßen aus Holz, die mit verschiedenen Flüssigkeiten gefüllten Gläsern in den Regalen und all die anderen Dinge, die Sasori für seine Kunst benötigte.

"Natürlich", erwiderte Sasori schnaubend und griff nach einer Pipette. "Die Stärke einer Marionette im Kampf ist abhängig von den Giften und Waffen, die eingebaut wurden. Ein Marionettenspieler, der sich nicht mit Giften auskennt, ist in meinen Augen nichts als ein Stümper." Während er sprach, ließ er mithilfe der Pipette einen einzigen Tropfen Flüssigkeit auf die vergiftete Nadel, die vor ihm auf dem Tisch lag, tropfen. Augenblicklich verfärbte sich die Stelle hellgelb.

"Was bedeutet das?", wollte Deidara sofort wissen und sprang von seinem Schemel auf.

"Bleib sitzen", herrschte Sasori das Balg an. "Das habe ich dir doch am Anfang schon gesagt. Entweder du rührst dich nicht von der Stelle oder ich schmeiße dich aus meiner Werkstatt!"

"Verzeihung, Sasori no Danna", murmelte sein jüngerer Partner und ließ sich rasch wieder sinken. "Aber was bedeutet das?"

"Es bedeutet, dass sich meine Vermutung bestätigt hat", erklärte Sasori ihm. Er drehte sich auf seinem Stuhl um und warf Deidara einen eindringlichen Blick zu. "Diese Nadel ist definitiv mit einer Substanz getränkt worden, die das Gedächtnis beeinträchtigt. Wir können also davon ausgehen, dass der Plan der Iwa-nin darin bestand, deine Erinnerungen zu löschen und dich nach Iwagakure zu verschleppen. Und ich denke, ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass auch das Trio damals diesen Plan ebenfalls verfolgt hat."

Deidara senkte den Blick. Er schwieg für eine Weile, ehe er plötzlich meinte: "Ihr kennt Euch wirklich gut mit Giften aus, nicht wahr, Sasori no Danna?"

"Um dein Gedächtnis scheint es schlechter bestellt zu sein als ich bisher angenommen habe", gab Sasori kopfschüttelnd zurück. War das Gehirn des Balgs nun komplett weich geworden? "Genau dieselbe Frage hast du mir eben schon gestellt."

"Worauf ich hinaus will...", meinte Deidara und leckte sich über die Lippen. "Könnt Ihr ein Gegenmittel für mich herstellen, Sasori no Danna? Damit ich endlich all meine Erinnerungen zurückbekomme?"

Sasori ließ seinen Blick über die vergiftete Senbon-Nadel auf seinem Schreibtisch und anschließend hinüber zu dem hoffnungsvollen Gesicht seines Partners gleiten. Schließlich erklärte er: "Das ist ziemlich riskant, Deidara. Ich habe noch nie ein Gegengift dieser Art hergestellt. Es kann viel schiefgehen, wenn man mit dem Gedächtnis eines Menschen herumexperimentiert. Mir wäre es lieber, wenn wir einfach warten würden, bis deine Erinnerungen mit der Zeit von selbst zurückkehren."

Sasori konnte Deidaras Wunsch nach einem schnellen Gegenmittel gut nachvollziehen. Wenn er sich in der Situation des Görs wiederfinden würde, wäre er selbst sicher auch versucht einfach ein potenzielles Gegengift zu schlucken. Doch so einfach, wie Deidara sich das vorstellte, war die Sache nicht: Das Gedächtnis eines Menschen war keine Schriftrolle, aus der man beliebig Zeichen herausstreichen oder hinzufügen kann. Die Wahrscheinlichkeit, das etwas schief ging, war hoch.

Doch davon wollte das Balg natürlich nichts wissen. "Bitte, Sasori no Danna", bettelte Deidara wie ein Kind. (Nun, dachte Sasori, im Grunde war dieser Deidara auch ein Kind.) "Bitte versucht es wenigstens, un! Ein talentierter Giftmischer wie Ihr wird es bestimmt schaffen, un. Ich möchte endlich wissen, was in meiner Vergangenheit passiert ist, un."

Es stimmte schon, dass Sasori viel Erfahrung im Umgang mit Giften jedweder Art hatte. In so gut wie jede seiner Marionetten hatte er Gift-Fallen eingebaut. Doch Gegengifte hatten ihn nie sonderlich interessiert. Wozu auch? Seinem Puppenkörper konnte kein Gift etwas anhaben.

Am Ende ließ er sich vom hoffnungsvollen Schimmern in Deidaras azurblauen Augen doch breitschlagen. "Na gut, von mir aus", seufzte er. "Ich werde sehen, was ich tun kann. Aber ich brauche ein wenig Zeit. Ein Gift stellt man nicht einfach in zwei Stunden her, auch wenn du dir das wahrscheinlich so vorstellst."

"Vielen Dank, Sasori no Danna", erwiderte Deidara freudig und erhob sich wider Sasoris Anweisung von seinem Schemel, um sich vor seinem Danna zu verbeugen. "Ich werde uns zur Stärkung sofort ein Abendessen zubereiten, un! Mögt Ihr..." Mitten im Satz hielt Deidara inne. Offenbar hatte er seinen Fehler selbst erkannt. Verlegen kratzte er sich am Kopf. "Stimmt, Ihr esst und trinkt ja niemals etwas, Sasori no Danna."

"Ist schon gut." Sasori winkte ab. "Du kannst ruhig etwas essen, wenn du möchtest, Deidara. Hier bist du mir sowieso keine große Hilfe."

Er spürte, dass das Balg seinen Blick aufmerksam über Sasoris Körper schweifen ließ. Von Kopf bis Fuß musterte er ihn ganz genau.

"Ist etwas?"

"Ähm..." Deidara, der sich ertappt zu fühlen schien, errötete augenblicklich. "Ich, ähm... habe mich nur gefragt... Ihr seid wirklich auch selbst eine Marionette, Sasori no Danna? Nichts an Euch ist mehr menschlich?"

Sasori schüttelte den Kopf. "Als ich mein Heimatdorf vor zwanzig Jahren verließ, habe ich nach und nach alle Teile meines Körpers ausgetauscht. Mein Herz ist mein einziges echtes Organ."

Diese Erklärung schien Deidara die Sprache zu verschlagen. Völlig entgeistert starrte er ihn an.

Irgendwann hörte Sasori ihn fragen: "V-vor zwanzig Jahren...? Aber wie kann das sein, Sasori no Danna? Ihr seht nicht älter aus als ich, un!"

"Ich bin...", Sasori musste kurz überlegen, denn eigentlich war diese Zahl für ihn inzwischen bedeutungslos geworden, "fünfunddreißig Jahre alt."

"Fünfunddreißig?! Ich bin erst vierzehn, un!"

Sasori warf dem Balg einen pikierten Blick zu. "Ich werde niemals altern und niemals sterben", erklärte er ihm. "Ich werde diesen jungen Körper in ewiger Schönheit behalten." Dann fügte er noch hinzu: "Und außerdem bist du neunzehn Jahre alt, nicht vierzehn."

"Das zählt wohl kaum, wenn ich mich daran nicht erinnern kann, un", entgegnete Deidara schulterzuckend.

Das Gör wurde in seinem Verhalten dem Deidara, den er kannte, immer ähnlicher, stellte Sasori fest. Noch vor ein paar Tagen hätte das eingeschüchterte Balg es nicht gewagt ihm so patzige Widerworte zu geben. Das war bestimmt ein gutes Zeichen. Vielleicht kehrte ja schon bald eine weitere Erinnerung zurück.
 

Am nächsten Tag nahm Sasori Deidara mit, um endlich neue Materialien für seine Marionetten zu besorgen. Er war in letzter Zeit so sehr damit beschäftigt gewesen sich um seinen jüngeren Partner zu kümmern, dass er keine Gelegenheit gehabt hatte sich intensiv seiner Kunst zu widmen. Da konnte sich das Gör wenigstens erkenntlich zeigen, indem es die Einkäufe trug, fand Sasori.

"Ich brauche drei Blöcke Kirschholz, Ölfarbe und -am wichtigsten- hochwertigen Samt", erklärte er Deidara, während sie zum nächstgelegenen Dorf spazierten. "Für meine Marionetten ist nur das allerbeste Material gerade gut genug."

"Okay, un", erwidere Deidara. Da er sowieso nicht viel mit sich anzufangen wusste, hatte er nichts dagegen einzuwenden gehabt seinen Danna zu begleiten. Oder vielleicht, dachte Sasori, wollte er bloß nicht Gefahr laufen ganz auf sich allein gestellt im Hauptquartier auf Hidan zu treffen. Itachi und Kisame waren von ihrer Mission noch nicht zurückgekehrt. "Es war wirklich beeindruckend, wie Ihr Eure Marionette im Kampf eingesetzt habt, un. So etwas habe ich vorher noch nie gesehen, un. Habt Ihr die Marionette selbst gebaut, Sasori no Danna?"

Sasori nickte. "Natürlich. Ich habe all meine Marionetten selbst gebaut. Und die meisten Exemplare, die in Sunagakure im Kampf benutzt werden, stammen auch von mir."

"Wow." Deidara starrte ihn mit geöffneten Mund und weit aufgerissenen Augen an. "Wie viele Marionetten habt Ihr denn?"

Für die Antwort auf diese Frage brauchte Sasori nicht lange zu überlegen. "Meine Sammlung umfasst derzeit zweihundertachtundneunzig Marionetten", erklärte er seinem Partner. "Dazu kommen dann noch unzählige, die ich zwar gebaut habe, aber nicht in meinem Besitz sind."

Diese Zahl schien weit über die Vorstellung seines Partners hinauszugehen. "Das ist ja unglaublich, un!" Ein aufgeregtes Funkeln erschien in seinen azurblauen Augen. "Aber warum so viele, Sasori no Danna? Man kann doch unmöglich so viele Marionetten im Kampf einsetzen, un!"

"Mit meinem Jutsu Akahagi, Hyakki no Soen kann ich einhundert Marionetten auf einmal kontrollieren", erklärte Sasori dem Balg nicht ohne einen Hauch Stolz in der Stimme. "Aber es geht auch nicht nur darum sie im Kampf einzusetzen. Meine Marionetten sind meine Kunst. Sie stellen ewige, unvergängliche Schönheit dar. Sie sind die pure Perfektion. Vollkommener als jedes Lebewesen es jemals sein könnte."

"Ewige, unvergängliche Schönheit...", wiederholte Deidara und musterte ihn skeptisch. "Aber Sasori no Danna, Ihr habt mir doch erst vor ein paar Tagen erklärt, dass Kunst das genaue Gegenteil ist: Der kurze Moment der Explosion, un! Die ästhetische Form, die geopfert werden muss, um Raum für etwas noch Schöneres zu schaffen, un. Bei Kunst geht es um Vergänglichkeit, nicht Ewigkeit!"

Sasori schüttelte den Kopf. "Das entspricht deinem Verständnis von Kunst", erwiderte er schnaubend. "Nun, du bist noch sehr jung, Deidara. Irgendwann wirst du auch erkennen, dass deine Lehmfiguren, die du in die Luft sprengst, nichts mit wahrer Kunst zu tun haben."

"Bei Kunst geht es um Gefühle, un", sagte Deidara mit aufgeregter Stimme. "Um Liebe, Wertschätzung, Ehrfurcht, Bedauern. Aber beim Anblick Eurer Marionetten empfindet man nichts, Sasori no Danna. Sie sind kalt und leblos, un!"

"Das klang eben aber noch ganz anders", zog Sasori seinen jüngeren Partner auf. "Vor fünf Minuten bist du doch noch ganz begeistert und beeindruckt von meinen wunderschönen Marionetten gewesen."

Das Balg fühlte sich ertappt. Seine Wangen färbten sich rosa. "Sie sehen auch schön aus, un", gab er schließlich zu. "Manche von ihnen jedenfalls, un. Aber das ist nur eine oberflächliche Schönheit; wie eine hübsche Frau, die hohl und ungebildet ist, un. Eine Explosion hingegen ist vollkommen!"

Sie erreichten eine Weggabelung. "Komm, wir müssen hier entlang", wies Sasori seinen idiotischen Kunstbanausen von Partner an und zeigte nach rechts.

"Ähm, seid Ihr euch da sicher, Sasori no Danna?", widersprach ihm Deidara. "Laut dem Schild ist der andere Weg doch kürzer, un."

Sasori war sich dessen bewusst, dass das Balg recht hatte. Doch er genoss diese Diskussion mit ihm so sehr, dass er sie noch ein wenig länger führen wollte. Sasori hätte es niemals für möglich gehalten, doch er spürte, wie sehr ihm die Gespräche über sein Lieblingsthema gefehlt hatten. Es war unerträglich gewesen tagelang stummschweigend wie Fische nebeneinander her zu spazieren. Viel lieber diskutierte er mit seinem Partner über Kunst. Oder das, was das Balg für Kunst hielt.

"Der andere Weg ist versperrt", log Sasori. "Es gab einen Erdrutsch und seitdem kommt man nur schlecht durch."

"Oh, wenn das so ist, un." Deidara nahm die Erklärung hin ohne sie zu hinterfragen. Nun, wieso sollte er das auch tun? Schließlich vertraute er seinem Danna.

Eine andere Wahl hatte er wohl auch kaum. Immerhin handelte es sich bei ihm -zumindest derzeit- um ein Kind mit höchstens durchschnittlichen Fähigkeiten im Kampf und ohne Erinnerung an die letzten fünf Jahre. Er war noch stärker als sowieso schon von Sasori abhängig. Wenn er wollte, dann könnte er das nervige Gör ganz einfach töten, hier und jetzt.

"Wollt Ihr Ölfarbe kaufen, um Eure Marionetten damit zu bemalen, Sasori no Danna?", fragte Deidara und ging vor.

"Genau." Sasori folgte seinem jüngeren Partner "Ich möchte, dass die Marionetten, die auf echten Menschen basieren, möglichst realistisch aussehen..."
 

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sb

Offenbart

Endlich!

Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck musterte Sasori seine Lieblingspuppe Hiroku. Sie war sein absolutes Meisterwerk. So stark und vollkommen, dass Sasori diese Marionette als Hülle ausgewählt hatte und sich die meiste Zeit über in ihrem Inneren aufhielt. Beinahe zärtlich fuhr er mit seiner Hand über das weiche Innenfutter. Endlich war Hiroku wieder vollständig.

Für Sasori fühlte es sich an als würde ein Kind, das lange Zeit krank gewesen war, endlich gesund werden. Über Jahre hinweg hatte der Meister der Marionetten versucht seine Emotionen zu eliminieren. Sie waren nichts als ein unnötiges Überbleibsel aus seiner Zeit als echter Mensch. Allein für seine Puppen, seine vollkommene Kunst, empfand er so etwas wie zärtliche Zuneigung.

"Sasori no Danna!" Nun, vielleicht nicht nur für seine Marionetten.

Sasori durchforstete sein Inneres nach der Genervtheit, die ihn früher immer überkommen hatte, wenn er diese Worte gehört hatte. Doch er musste feststellen, dass er sie nicht finden konnte. Sasori brachte es nicht über sich ungeduldig oder wütend auf Deidara zu reagieren. Um ehrlich zu sein, war er eigentlich sogar froh darüber, dass sich sein jüngerer Partner nicht mehr aufführte wie ein demütiger Diener. Immer mehr glich das Balg dem Deidara, den Sasori seit Jahren kannte. Und niemals wertgeschätzt hatte, schoss es ihm durch den Kopf, doch diesen Gedanken schob er schnell beiseite.

"Was ist los?", fragte Sasori und bemühte sich um eine ruhige Stimmlage. Er wollte nicht, dass der Blondschopf möglicherweise mitkriegte, was gerade in ihm vorging. Eigentlich sah es ihm gar nicht ähnlich so sentimental zu werden.

"Itachi und Kisame sind von ihrer Mission zurückgekehrt, un", teilte ihm Deidara freudestrahlend mit. Seine großen, azurblauen Augen funkelten regelrecht.

Sasori konnte ein Schnauben nicht unterdrücken. Es war wirklich seltsam mitanzusehen wie positiv Deidara auf den Uchiha reagierte. Nun, das würde bald schon ein Ende haben. Der Marionettenspieler war mit der Herstellung des Gegengiftes für Deidara fast fertig.

Und wenn Deidara sein Gedächtnis endlich wiedererlangt hatte, würde auch sein Hass auf Itachi zurückkehren. Sasori wusste, dass das Balg dem Uchiha seine Niederlage damals nie verziehen hatte.

Zusammen mit der aufgeregten, hibbeligen Masse, die sein Partner war, suchte Sasori die Gemeinschaftsräume ihres Quartiers auf. Sofort stürmte Deidara zu Itachi und Kisame hinüber, die gerade ihre Mäntel ablegten.

"Itachi-kun, Kisame-kun, willkommen zurück", begrüßte Deidara die beiden lächelnd. "Ihr seht ziemlich mitgenommen aus, un. Bestimmt habt ihr auch Hunger, un. Was haltet ihr davon, wenn ich uns Oden no Bakudan zubereite?"

"Hätte ich nichts gegen einzuwenden", entgegnete Kisame, der gerade Samehada ablegte. "Es ist eine Weile her, seitdem wir das letzte Mal was zwischen die Zähne bekommen haben."

"Vielen Dank, Deidara", stimmte auch Itachi zu. Als das Balg sich in der Küche zu schaffen machte, fügte er er mit leiser Stimme an Sasori gewandt hinzu: "Seine Erinnerungen sind also immer noch nicht zurückgekehrt? Inzwischen sind über zwei Wochen vergangen."

"Er kann sich bloß an einzelne Sequenzen erinnern", erklärte Sasori dem Uchiha. Er spähte kurz hinüber zu Deidara, der Wasser in einem Topf erhitzte und von ihrem Gespräch nichts mitzubekommen schien. "Sein älterer Bruder hat offenbar Suizid begangen, kurz bevor Deidara Iwagakure verlassen hat. Viel mehr wissen wir nicht."

Der Uchiha nickte; sein Gesichtsausdruck war unergründlich.

"Aber er wirkt ein bisschen mehr wie der echte Deidara", warf Kisame grinsend ein und musterte das blonde Gör in der Küche. Gerade fluchte Deidara lauthals, weil er sich an dem heißen Topf verbrannt hatte.

"Während ihr auf Mission wart, haben Deidara und ich uns auf den Weg zu dem Tempel gemacht, in dem wir ihn damals aufgegriffen haben", erklärte Sasori den beiden Anderen. "In der Hoffnung, der Besuch dieses Ortes würde etwas in ihm auslösen. Dort lauerten uns Ninja aus Iwagakure auf. Sie griffen uns mit Senbon an, die in einem Gift getränkt worden waren, das das Langzeitgedächtnis beeinflusst."

Itachi horchte auf. "Also war Deidaras Gedächtnisverlust höchstwahrscheinlich kein Zufall", schlussfolgerte der intelligente Uchiha.

Sasori nickte und beobachtete aus dem Augenwinkel heraus, wie Deidara Tofu in kleine Stücke schnitt. "Ich arbeite zurzeit an der Herstellung eines Gegengiftes. Wenn alles so funktioniert wie ich es geplant habe, kann ich es morgen schon an Deidara verabreichen. Und dann hat dieser verdammte Spuk endlich ein Ende."
 

Deidara räumte gerade den letzten Teller zurück in den Schrank, als er hinter sich jemanden räuspern hörte. Er drehte sich um und stellte überrascht fest, dass Itachi ihm mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck musterte. In seinen schwarzen Augen lag etwas seltsam Leidendes.

"Was ist los?", fragte er den Uchiha und schloss leise die Schranktüre. "Hast du etwas vergessen, Itachi-kun?"

Kisame und Itachi hatten sich nach dem Essen rasch verzogen; vermutlich um sich frisch zu machen. Das konnte Deidara ihnen nicht verübeln. Immerhin waren die beiden gerade erst von einer vierzehntätigen Mission zurückgekehrt. Wenn man tagelang in der Wildnis ausharren und sich zwischen Bäumen und Sträuchern schlafen legen musste, lernte man eine heiße Dusche wirklich wertzuschätzen.

"Nein, mir fehlt nichts", erwiderte Itachi. Seine Stimme klang ruhig, wie immer, doch ein ungewohnt mitleidiger Unterton schwang mit. Er schwieg für einen kurzen Moment, ehe er fortfuhr: "Sasori hat mir erzählt, dass du dich wieder daran erinnern kannst, was mit deinem Bruder geschehen ist. Ich wollte dir sagen, dass mir das sehr leid tut, Deidara. Es muss schrecklich gewesen sein seine Leiche aufzufinden. Du weißt es sicher nicht, aber ich habe auch einen Bruder. Und ich möchte mir seinen Tod nicht ausmalen."

Deidara senkte den Blick. Er hatte nicht damit gerechnet gehabt, dass Itachi ihn darauf ansprechen würde. Es tat sehr weh an seinen geliebten Bruder zurückzudenken. Noch immer war es nicht vollständig zu Deidara durchgedrungen, dass er nicht mehr lebte. Fast glaubte er daran, dass sie sich irgendwann wieder sehen würden. Sich vielleicht einfach zufällig über den Weg liefen... Er schluckte.

"Danke, Itachi-kun", brachte er schließlich über die Lippen. Er ließ seinen Blick über die schmale Gestalt seines Gegenübers schweifen. "Weißt du... Um ehrlich zu sein, erinnerst du mich sehr an ihn, un. Er war auch immer so ruhig und besonnen wie du. Und er hatte sich perfekt unter Kontrolle, un. Ich erinnere mich daran, dass ich meinen großen Bruder oft beneidet habe und so sein wollte wie er, un. Aber ich glaube, das war nur eine Farce. In seinem Inneren waren viele Dinge nicht in Ordnung, un. Es lastete viel Druck auf ihm, un."

Itachi nickte und ein bitteres Lächeln legte sich auf seine Lippen. "Nun, dann sind wir uns in der Tat sehr ähnlich", erwiderte er mit leiser Stimme. "Auch an mich wurden vonseiten meines Dorfes hohe Erwartungen gestellt. Ich galt als das talentierte Wunderkind meines Clans."

Itachis Worte ließen Deidara neugierig werden. "Hast du deswegen Konohagakure den Rücken gekehrt?", wollte er wissen. "Weil du dem Druck nicht mehr standhalten konntest? Ich wünschte, mein Bruder wäre auch ein Nuke-nin geworden, un. Aber er war Iwagakure treu ergeben und hätte es niemals über sich gebracht sein Dorf zu verraten, un. Ich glaube, dass ich deswegen abgehauen bin: Ich wollte nicht so enden wie er, un."

"Was du getan hast, ist keine Schande", meinte Itachi. Seine Stimme klang überraschend sanft. "Ich denke nicht, dass es unsere Pflicht ist jede Bürde zu erdulden, die uns aufgelastet wird. Es ist dein gutes Recht eigene Entscheidungen zu treffen, Deidara. In den Augen der Dorfältesten bist du nun ein Nuke-nin, doch das bedeutet auch, dass du frei bist."

"So etwas in der Art hat Sasori auch mal gesagt, un", erwiderte Deidara. Inzwischen hatte er sich mit seinem Dasein als abtrünniger Ninja ganz gut arrangiert. Er konnte im Grunde tun und lassen, was er wollte. Niemand schrieb ihm vor wie er sein Leben zu führen hatte. Seine einzige Pflicht bestand darin die Mission auszuführen, die Pain ihm und seinem Danna auftrug. Im Gegenzug dafür genoss er den Schutz Akatsukis. Und ohne Sasori an seiner Seite, das musste Deidara sich wohl eingestehen, wäre er längst wieder in den Fängen Iwagakures gelandet. Alles in allem war es ein fairer Deal.

"Morgen wird Sasori dir das Gegengift verabreichen", meinte Itachi. "Dann wirst du hoffentlich all deine Erinnerungen zurückerhalten. Ich wollte dir nur sagen, dass du, also dieser Deidara, mir sehr fehlen wird."

"Wieso das denn?", hakte Deidara irritiert nach. Er verstand überhaupt nicht, worauf der Uchiha hinauswollte. "Was wird sich denn ändern?"

Doch Itachi hatte offenbar entschieden ihm darauf keine Antwort geben zu wollen. "Kisame wartet auf mich", erwiderte er lediglich und verschwand ebenso leise aus der Küche wie er eingetreten war.
 

Itachis mysteriöse Worte ließen Deidara den ganzen Abend lang keine Ruhe. Unruhig tigerte er in dem Zimmer, das er sich mit Sasori teilte, auf und ab. Was hatte er bloß damit gemeint?

Deidara musste feststellen, dass er im Grunde gar nichts über Uchiha Itachi wusste. Nun, er war ein Nuke-nin aus Konohagakure, zumindest seinem Stirnband nach zu urteilen. Und er hatte einen Bruder. Mehr hatte Deidara nicht in Erfahrung bringen können.

Aber Sasori wusste doch bestimmt Bescheid, oder nicht? Immerhin verfügte dieser über die geballte Erfahrung von fünfunddreißig Lebensjahren. (Das konnte Deidara übrigens immer noch kaum fassen.) Er zögerte kurz, doch klopfte schließlich an die Türe, die zur Werkstatt seines Dannas führte. Es dauerte nicht lange, ehe er ein nicht allzu unfreundlich klingendes "Herein" vernehmen konnte.

Sasori ließ den Messkolben, den er zwischen Daumen und Zeigefinger hielt und mit angestrengter Miene betrachtete, sinken. "Ich hoffe, ich störe Euch nicht, Sasori no Danna", meinte er und grinste entschuldigend.

"Was gibt es denn?", wollte der Marionettenspieler mit ruhiger Stimme wissen.

"Nun, ähm", druckste Deidara herum, ehe er schließlich fragte: "Ich wollte wissen, ob Ihr mir etwas über Itachi erzählen könnt, Sasori no Danna?"

Sasori schien hellhörig zu werden und legte den Messkolben vorsichtig zur Seite. Anschließend warf er Deidara einen skeptischen Blick zu. "Wieso interessierst du dich plötzlich so sehr für Itachi?"

"Als wir eben miteinander gesprochen haben, hat er einige merkwürdige Dinge gesagt, un", erklärte Deidara und ließ sich neben seinem Danna auf einem kleinen Schemel nieder. "Und ich dachte mir, dass Ihr vielleicht mehr darüber wisst, un."

"Was hat er denn gesagt?", hakte Sasori nach.

"Dass ich ihm fehlen werde, un", gab Deidara mit leiser Stimme zu. "Also der Deidara, der ich jetzt bin, un. Was soll das bedeuten? Es wird sich doch nichts ändern, nur weil ich meine Erinnerungen zurückerhalte?"

Er konnte Sasori leise seufzen hören. "Wenn ich dir morgen das Gegenmittel verabreiche, weißt du es sowieso, also was solls", murmelte er. Dann fügte er mit etwas lauterer Stimme hinzu: "Eigentlich hasst du Itachi wie die Pest, Deidara. Und er wird annehmen, dass deine Wut auf ihn zurückkehren wird, sobald du dein Gedächtnis wiedererlangt hast."

Deidara konnte kaum fassen, was sein Danna ihm da mitteilte. Für ihn ergaben Sasoris Worte überhaupt keinen Sinn. "I-ich kann Itachi nicht ausstehen? Aber wieso denn? Er ist immer so freundlich zu mir gewesen, un."

"Deine Ablehnung geht über bloßes jemanden nicht ausstehen können weit hinaus, Deidara. Hast dir sogar geschworen ihn eines Tages im Kampf zu töten."

"Was?!" Entgeistert starrte Deidara seinen Danna an, der seinen Blick mit monotoner Gelassenheit erwiderte. "Aber wieso? Ich verstehe das nicht, un! Was hat er mir denn angetan?"

Sasori schwieg für einen kurzen Moment, ehe er ihm erklärte: "Du hasst Itachi so sehr, weil er der Grund ist, wieso du deine Freiheit verloren hast. Als wir dich vor drei Jahren in diesem Tempel aufgriffen, hast du dich geweigert mit uns zu kommen. Also hat Itachi dich zum Kampf herausgefordert, unter der Bedingung, dass du dich Akatsuki anschließen müsstest, falls du verlieren solltest."

"Und ich habe den Kampf gegen ihn verloren?", schlussfolgerte Deidara mit tellergroßen Augen.

"Nun, falls du die wenigen Sekunden, die das Schauspiel gedauert hat, einen Kampf nennen möchtest, dann ja. Itachi war dir haushoch überlegen. Und du warst gezwungen dein Wort zu halten und dich unserer Organisation anzuschließen."

"Und das ist alles?" Deidara konnte nicht so recht glauben, dass sein tiefer Hass auf Itachi nur in dieser Niederlage begründet lag. Klar, er war ein emotionaler Mensch, aber er war kein unehrenhafter Verlierer. Um ehrlich zu sein, konnte er sich kaum vorstellen, dass er Itachi jahrelang seine Zwangsrekrutierung vorhielt. "Ich meine, es ist ja wahrscheinlich nicht mal seine Entscheidung gewesen mich aufzunehmen, un. Wenn ich deswegen auf jemanden wütend sein müsste, dann doch wohl auf Pain, un."

Sasori zuckte bloß mit den Schultern. "Ich bin kein Experte, was Gefühle angeht", sagte er. "Diesen Teil meines menschlichen Daseins, habe ich lang hinter mit gelassen."

"Wenn das Itachis einziges Problem ist, braucht er sich jedenfalls keine Sorgen zu machen, un", meinte Deidara und machte eine wegwerfende Handbewegung. Wenn er ganz ehrlich war, dann erleichterte ihn diese Erklärung sogar. Er hatte mit Schlimmeren gerechnet. "Ich habe inzwischen meinen Platz in dieser Organisation gefunden, un. Meine Freiheit ist mir nicht geraubt worden, un. Ich habe mit Akatsuki meinen Frieden gemacht, un. Also braucht Itachi sich nicht davor zu fürchten, dass ich ihn nicht mehr leiden kann, auch wenn ich alle meine Erinnerungen wiederhabe, un."

"Wie du meinst", gab Sasori gelangweilt zurück. Er schien sich nicht sonderlich für Deidaras Beziehung zu Itachis zu interessieren. Doch das hielt den Blondschopf natürlich nicht davon ab weiter zu plappern. Inzwischen wusste er sehr gut, dass sein Danna bloß nach außen hin so tat als wäre er desinteressiert und emotionslos. In Wirklichkeit machte es ihm nichts aus seinem Partner zuzuhören. Am Ende war er gar nicht so ein kalter Kerl wie er gern wäre.

"Ich glaube, ich kann Itachi so gut leiden, weil er mich an meinen älteren Bruder erinnert, un", sagte Deidara und seufzte leise. "Er hatte auch langes Haar. Und war auch so ruhig und kühl wie Itachi, un. Er war ganz anders als ich..."

"Nicht so viel anders als der Deidara, der noch in Iwagakure gelebt hat", warf Sasori ein ohne aufzublicken. Er hatte inzwischen wieder nach seinem Messkolben gegriffen. "Immerhin warst du auch sehr zurückhaltend und still. Hast kein Wort gesprochen ohne gefragt zu werden. Und warst nur darauf aus deine Pflichten zu erledigen."

"Das war nur eine Farce, un", gestand Deidara. "Das ist nicht mein wahres Ich gewesen, un." Plötzlich spürte er, wie sich ein schmerzhafter Knoten in seiner Magengegend bildete. Deidara biss sich auf die Unterlippe, als ihm das Gesicht seines Bruders in den Sinn kam. Er vermisste ihn ganz schrecklich.

"Ich wünschte, er hätte denselben Weg wie ich gewählt, un", brachte er schließlich mit belegter Stimme hervor. Er spürte, dass er den Tränen nah war. "Ich wünschte, anstatt sich aufzuhängen, wäre er mit mir aus Iwagakure geflohen, un. Aber er wollte unserem Dorf keine Schande bringen, un."

"Wenigstens ist dir die Flucht gelungen", hörte er plötzlich Sasori mit leiser Stimme sprechen. "Jeder Ninja muss seinen eigenen Weg gehen, Deidara."

"Wahrscheinlich habt Ihr recht, un." Deidara suchte den Blick seines Dannas. "Trotzdem ist es bitter. Und er war wirklich ganz genauso wie Itachi, un. Wusstet Ihr, dass Itachi auch einen jüngeren Bruder hat, Sasori no Danna? Ich wünschte, er hätte genauso wie Itachi sein Dorf verraten und wäre zusammen mit seinem Bruder ein Nuke-nin geworden. Er hätte nicht sterben müssen, un. Wir hätten gemeinsam abhauen können, un."

Sasori warf ihm einen durchdringenden Blick zu. Schließlich meinte er: "Du missinterpretierst Itachis Worte, Deidara."

Deidara warf Sasori einen fragenden Blick zu. Er wusste nicht, worauf der Marionettenspieler hinauswollte. Was war falsch daran sich zu wünschen, sein Bruder hätte denselben Weg eingeschlagen wie Uchiha Itachi? Dann wären sie beide immerhin noch zusammen. Sasori konnte doch überhaupt gar nicht verstehen wie er sich fühlte. Seine Eltern waren gestorben, während sie auf Mission waren. Sie hatten ihn nicht freiwillig verlassen, so wie Deidaras Bruder ihn einfach verlassen hatte.

"Itachi hat seinem Clan nicht den Rücken gekehrt, Deidara. Er hat ihn massakriert."

Deidara stockte der Atem. Er warf seinem Danna einen geschockten Blick zu. Es dauerte mindestens eine halbe Minute, ehe er sich so weit gesammelt hatte, dass er seine Stimme wiederfand. Was nicht bedeutete, dass zusammenhängende Worte seinen Mund verließen. "Er... w-was... er...?"

"Er hat sie abgeschlachtet, bevor er Konohagakure verließ", erklärte Sasori ihm. "Sogar seine eigenen Eltern. Sein jüngerer Bruder ist der einzige, den er verschont hat. Niemand weiß wieso."
 

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sb

Aufgeregt

Den ganzen Abend lang gingen Deidara die Worte seines Dannas nicht aus dem Kopf. Er lag wach in seinem Bett, mit dem Gesicht zur Wand gedreht und versuchte sich auszumalen wie Itachi seine eigenen Familienmitglieder abschlachtete. Ältere und auch Kinder. Sogar seine Eltern.

Deidara hatte selbst keine weiße Weste. Schon ehe er sich zu seinem Dasein als Nuke-nin entschied, hatte er viele Menschenleben ausgelöscht. Die Bakuha Butai, Iwagakures berüchtigte Sprengstoff-Einheit, war immerhin kein Buchclub. Deidara war ein Ninja und wenn er die Mission aufgetragen bekam jemanden zu töten, dann führte er sie aus ohne Fragen zu stellen. Das war nun einmal die Aufgabe eines Ninja.

Aber das... das war keine Mission gewesen. Sondern die freie Entscheidung eines jungen Mannes, der sich seinem Dorf offenbar nicht mehr verpflichtet fühlte. Deidara versuchte sich Itachis Gesichtsausdruck vorzustellen, als er seiner eigenen Mutter das Leben nahm, doch es gelang ihm nicht. Itachi war in seiner Gegenwart niemals etwas anderes als freundlich und zuvorkommend gewesen. Er hatte ihm sogar geholfen sein langes Haar zu frisieren. Konnten wirklich solche Abgründe hinter dieser Fassade lauern?

Plötzlich musste Deidara daran denken, dass Itachi ihm erzählt hatte, er wäre vonseiten seines Clans unter Druck gesetzt worden. Das konnte er sich gut vorstellen. Auch Deidara selbst und sein älterer Bruder galten als talentierter Nachwuchs, daher wurden hohe, oftmals unmenschliche Ansprüche an sie gestellt. Schließlich hatten diese Erwartungshaltungen seinen Bruder in den Suizid getrieben.

Ob hier der Hund begraben lag? Deidara wusste nicht, was Itachi als Kind unter der Fuchtel seines Clans hatte erdulden müssen. Aber womöglich war er ähnlich wie Deidara erzogen worden. Gehorsam, Demut und Pflichtgefühl als oberste Priorität.
 

Sasori, der niemals schlief, beobachtete wie Deidara sich im Bett hin- und herwälzte. Das Balg schien keine Ruhe zu finden. Das konnte er ihm dieses Mal allerdings kaum verübeln. Immerhin war morgen der große Tag. Deidara würde das Gegengift schlucken, dass Sasori für ihn gebraut hatte. Der Marionettenspieler war wahnsinnig gespannt. Ob sein Partner dann endlich wieder der Alte sein würde?

Sasori konnte es kaum abwarten. Er gab es nur ungern zu, doch er hatte Deidara wirklich vermisst. Sein ständiges Geplapper, seine minderbemittelte Vorstellung von Kunst, sein verschmitztes Grinsen... Offenbar hatte Sasori sich in den letzten drei Jahren doch stärker an das Gör gewöhnt als ihm lieb war.

Eigentlich war es kein Wunder, denn schließlich verbrachten sie viel Zeit miteinander. Und Sasori, der normalerweise ein absoluter Eigenbrötler war, hatte sonst niemanden. Es sollte ihn nicht überraschen, dass er eine Bindung seinem Partner aufgebaut hatte.

Sasoris Gedanken wanderten zu der kleinen Ampulle, die auf dem Schreibtisch in seiner Werkstatt stand. Er stellte sich vor wie Deidara ihren Inhalt schluckte und er endlich wieder er selbst wurde. Ein neunzehnjähriges, neunmalkluges, nerviges Plappermaul.

Die jüngere Variante seines Partners drehte sich zum x-ten Mal in seinem Bett herum.

"Du solltest jetzt wirklich schlafen", ermahnte er das Kind mit strenger Stimme. "Du musst morgen ausgeruht sein."

"Ich weiß, un", brummte ihm Deidara entgegen. "Aber ich kann einfach nicht einschlafen, un."

"Denkst du an das Gegengift?"

Zu Sasoris Überraschung zögerte das Balg. "Ehrlich gesagt, denke ich eher an Itachi, un. Ich meine... dass ich ihn hasse... Das ist schon wirklich heftig, un."

"Er ist der Grund, wieso du Akatsuki beitreten musstest", erwiderte Sasori schulterzuckend. "Wenn du, wie du erzählt hast, inzwischen deinen Frieden mit dieser Sache geschlossen hast, dann leg doch deine Abneigung gegen ihn einfach ab. Nur weil du morgen dein Gedächtnis wiederbekommst, muss ja nicht dein Hass auf Itachi zurückkehren."

Dieser Vorschlag schien Deidara zum Nachdenken anzuregen. Jedenfalls konnte Sasori beobachten wie das Gör seine Stirn in Falten legte. "Ich weiß nicht, un", murmelte Deidara schließlich. "Es gibt viele Dinge, über die ich mir klar werden muss, un."

"Was denn noch?", fragte Sasori nach. Es waren Worte, die ihm früher niemals in einem solch ehrlich interessierten Tonfall über die Lippen gekommen wären.

"Nun, ich denke auch viel über Euch nach, Sasori no Danna", anrwortete Deidara und wandte den Blick ab.

"Über mich?" Damit hatte der Marionettenspieler nicht gerechnet. Wieso sollte das Balg sich großartig Gedanken um ihn machen? Aus Sasoris Sicht gab es da nichts zu bereden.

"Wie steht Ihr zu Deidara?", wollte der Blondschopf wissen. "Also zum echten Deidara. Ich weiß nicht, wie ich diese Beziehung einschätzen soll, un. Eigentlich wirkt Ihr wie jemand, der viel zu gefühllos und ignorant ist, als dass andere Menschen ihn kümmern würden, un. Ihr wirkt immer so kalt und zeigt nur selten eure Emotionen, so wie eine Puppe, un. Aber nichtsdestotrotz habt Ihr Euch mir gegenüber die ganze Zeit rücksichtsvoll verhalten, un. Nicht nur, dass Ihr meinen Fluchtversuch nicht an Pain verraten habt. Ihr habt mir meine Kunst gezeigt, obwohl sie mit Eurer Vorstellung überhaupt nicht konform geht, un. Und Ihr seid sogar viele Tage lang mit mir gereist, in der Hoffnung der Besuch des Tempels könnte meinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen, un. Warum habt Ihr das alles für mich getan, Danna? Ich meine... Ich bin nur ein Kind, das ist mir klar, un. Aber wie sieht es mit dem echten Deidara aus?"

Damit hatte Sasori nicht gerechnet. Er wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Schließlich sagte er: "Du bist mein Partner."

"Aber was bedeutet das?" Nun richtete Deidara sich im Bett auf. Sein hellblondes Haar war zerzaust und er schaute Sasori aus großen, azurblauen Augen heraus an. "Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich Euch nerve und nichts als eine Last bin, un. Aber auf der anderen Seite habt Ihr Euch um mich gekümmert... Das hättet Ihr bestimmt nicht für jeden Partner getan, oder Danna?"

"Du solltest dir nicht anmaßen solche Fragen zu stellen", gab Sasori mit scharfer Stimme zurück. Plötzlich fühlte er sich sehr unwohl. Wie ein Reh zwischen den Fängen eines Raubtiers. "Was erlaubst du dir eigentlich, Deidara?! Leg dich endlich schlafen und hör auf mich mit deinen idiotischen Fragen zu löchern. Mich hat es schon genug Zeit gekostet das Gegengift für dich anzumischen."

Und ehe das Balg etwas erwidern konnte, hatte Sasori ihr Zimmer bereits verlassen und steuerte hastigen Schrittes die Gemeinschaftsräume ihres Quartiers an. Er spürte, dass sein Herz aufgeregt pochte. Das war ein ungewohntes Gefühl. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann es das letzte Mal so schnell geschlagen hatte.
 

Am nächsten Tag war es endlich so weit. Deidara saß auf dem Sofa im Gemeinschaftsraum ihres Quartiers. Nicht nur Sasori war da. Die anderen Mitglieder Akatsukis hatten sich ebenfalls neugierig versammelt. Kisame saß gleich neben ihm auf dem Sofa. Kakuzu stand mit verschränkten Armen neben dem Fernseher und beobachtete jede seiner Bewegungen mit argwöhnischen Augen. Hidan wirkte ebenfalls sehr gespannt und verlagerte sein Gewicht ständig von der Hacke auf die Zehenspitzen und wieder zurück zur Hacke. In der rechten Hand hielt er eine riesige Sense mit drei Klingen. Itachi hielt sich in der Nähe der Zimmertüre auf; sein Gesicht war ausdruckslos wie immer.

Deidara fühlte sich unwohl. Er kam sich vor wie ein Experiment in irgendeinem Labor. Und während die einen auf ein Wunder hofften, schienen die anderen sich innerlich auf ein Desaster vorzubereiten. Außerdem hatte er gestern Nacht kein Auge zu gemacht und fühlte sich dementsprechend gerädert.

Ohne seine Zeit mit irgendwelchen feierlichen Worten zu verschwenden, reichte Sasori ihm stumm ein kleines Gläschen, das mit einer hellgelben Flüssigkeit gefüllt war. Deidara nahm es mit zittrigen Händen entgegen. Er beschloss es seinem Partner gleich zu tun. Ohne zu zögern öffnete er den Verschluss, hielt sich das Glas an den Mund und trank es in einem Zug leer.

"Und?" Hidan war der erste, der nicht an sich halten konnte. Neugierig trat er näher heran. "Spürst du irgendwas, Blondie?"

"Im Moment spüre ich vor allem deine Spucke in meinem Gesicht, un", erwiderte Deidara und warf Hidan einen finsteren Blick zu. "Geh gefälligst mal ein Stück zurück, un."

"Er klingt wenigstens wieder ganz wie der alte Deidara", meinte Kisame breit grinsend.

"Es ist alles wieder da, un", erklärte Deidara und schloss für ein paar Sekunden seine Augen. Aufmerksam durchforstete er sein Gedächtnis. Ja, alles war wieder an seinem Platz. Klar und deutlich erinnerte er sich an sein erstes Zusammentreffen mit Itachi, Kisame und Sasori. An seine erste Zeit innerhalb der Organisation, inklusive seiner Begegnung mit Pain, ihrem Anführer.

"Ich habe mir die ganze Sache irgendwie spektakulärer vorgestellt", hörte er Hidan nörgeln. "War das jetzt alles? Keine Schreie, kein hysterisches auf dem Boden rumrollen oder so etwas in der Art?"

"Ich muss dich enttäuschen, un", erwiderte Deidara spitzfindig und zuckte mit den Schultern. "Ich kann mich wieder an alles erinnern, un."

Dass er keine spektakuläre Showeinlage hingelegt hatte, schien Hidan zu ärgern. Der Jashinist trollte sich schon kurze Zeit später und sein Partner Kakuzu schloss sich ihm an.

Kisame legte ihm seine Hand auf die Schulter. "Ich bin froh, dass du wieder da bist", sagte er.

"Ich auch, un", gestand Deidara und brachte ein Lächeln zustande. "Ich bin viel zufriedener mit dieser Version von mir. Das hier ist mein wahres Ich, un."

Deidaras Blick huschte zu Itachi hinüber, der immer noch neben der Türe stand. Der Gesichtsausdruck des Uchiha war nicht zu deuten. Ohne die Miene zu verziehen, hielt er seinem Blick stand. Deidara erinnerte sich daran, wie sehr er dieses Gesicht, das nur selten irgendeine Gefühlsregung zeigte, verabscheute. Oft hatte er sich vorgestellt wie Itachi vor ihm am Boden lag, sterbend und mit einem Ausdruck von Schmerz und Hass in den Augen.

Als er daran zurückdachte, spürte Deidara wie ihn plötzlich Schamgefühle überkamen. Er fühlte sich wie ein echter Idiot. Warum hatte er so eine Abscheu gegenüber Itachi empfunden? Im Grunde hatte der Uchiha ihm niemals etwas angetan. Ja, seinetwegen hatte er Akatsuki beitreten müssen. Aber das war sicher nicht seine Idee gewesen, sondern ganz einfach ein Auftrag von Pain. Er hatte ihn in diesem Kampf damals nicht einmal verletzt, wurde Deidara plötzlich klar, er hatte ihm kein einziges Haar gekrümmt.

"Itachi, un", sagte er mit leiser Stimme. "Der Deidara, der jetzt nicht mehr da ist, muss dir nicht fehlen, un. Die Erinnerungen an meinen Hass auf dich sind zurückgekehrt, un. Aber der Hass selbst nicht, un."

Seine Worte schienen den Uchiha zu überraschen. Jedenfalls konnte Deidara eine winzige Veränderung in seinem harten Blick ausmachen. Behutsam trat Itachi näher.

"Bist du dir sicher, Deidara?", wollte er mit leiser Stimme. "Ich habe deine Abscheu immer sehr gut nachvollziehen können. Ich bin der Grund, wieso du nicht in Freiheit leben kannst. Ich habe dich gezwungen unserer Organisation beizutreten."

"Mir sind inzwischen viele Dinge klar geworden, un", erwiderte Deidara kopfschüttelnd. Noch einmal suchte er in seinem Inneren nach irgendwelchen negativen Gefühlen in Bezug auf Itachi, doch er konnte keine finden. Nur alte Erinnerungen, die sich anfühlten wie der Geschmack eines Gerichts, das man zuletzt vor vielen Jahren gegessen hatte. "Ich bin im Nachhinein froh, dass ich zwangsrekrutiert worden bin, un. Iwagakure hat viele Ninja losgeschickt, um mich zu fassen, un. Ohne Sasori an meiner Seite, der mich vor ihnen beschützt hat, wäre ich längst tot, un."

Apropos Sasori. Deidara schaute sich nach seinem Danna um, doch musste enttäuscht feststellten, dass Sasori einfach verschwunden war. Ohne ein Wort an ihn zu richten hatte er den Raum verlassen.

"Es freut mich, dass du das so siehst", hörte er Itachi sagen und glaubte sogar den winzigen Anflug eines erleichterten Lächelns auf seinen Lippen erkennen zu können.
 

bye

sb

Gefunden

Kaum hatte Deidara sein Gedächtnis zurückerhalten, war Sasori verschwunden. Er hatte sich versichern wollen, dass alles glatt lief und sein Gegengift die gewünschte Wirkung zeigte. Doch für ein emotionales Wiedersehen mit seinem Partner hatte er sich nicht bereit gefühlt.

Stattdessen hatte der Meister der Marionetten das Hauptquartier verlassen und sich draußen etwas abseits zwischen ein paar Felsbrocken zurückgezogen. Dunkle Wolken bedeckten den Himmel und sicherlich würde es bald anfangen zu regnen, doch das störte Sasori nicht. Er hielt sich geschützt im Inneren seiner Puppe Hiroku auf.

Sasori wusste nicht wie er mit Deidara umgehen sollte. Er hatte sich immer über seinen Partner geärgert. Er war laut, ungeduldig, aufdringlich, hörte niemals auf zu plappern und hatte so viel Ahnung von wahrer Kunst wie die Kuh vom Sonntag. Drei Jahre hatte Sasori mit dem Gör zugebracht und sich in dieser Zeit gut mit seiner Abneigung arrangiert.

Erst als Deidara, wie er ihn kannte, verschwunden war und er sich stattdessen um ein demütiges, stilles und gehorsames Kind kümmern musste, war Sasori klar geworden, dass ihm sein Partner doch sehr ans Herz gewachsen war.

Verdammt. Dabei hatte er sich vor langer Zeit einmal geschworen niemals wieder Zuneigung für einen Menschen zu empfinden. Die Gefahr im Kampf zu sterben und eine schmerzhafte Wunde in seinem Herzen zu hinterlassen, war viel zu groß. Er wollte sich niemals wider so elend fühlen wie an dem Tag, an dem ihn die Nachricht von dem Tod seiner Eltern erreicht hatte.

Sasori war so gedankenverloren, dass er erst sehr spät die Schritte wahrnahm, die sich in seine Richtung bewegten. Reflexartig ließ er Hirokus skorpionähnlichen Schwanz hervorschnellen. Als er sah, dass es bloß Deidara war, der sich ihm näherte, entspannte er sich wieder.

"Woher wusstest du, dass ich hier bin?", fragte er seinen Partner mit skeptischer Stimme. Eigentlich dürfte niemand wissen, dass er sich hier aufhielt; er hatte keinem davon erzählt.

Inzwischen war Deidara nur noch wenige Schritte von Hiroku entfernt. Im Gegensatz zu seiner jüngeren Variante schien er sich an an dem äußeren Erscheinungsbild der Puppe nicht zu stören. Wieso sollte er auch? Er hatte sie schon hunderte Male gesehen und wusste wahrscheinlich so gut wie kein anderer über Hiroku Bescheid, mit Ausnahme natürlich von Sasori selbst.

Deidara zuckte mit den Schultern. "Ich hatte einfach so eine Ahnung, dass ich dich hier finden würde, Sasori no Danna", meinte er. Er ließ seinen Blick über die felsige Umgebung schweifen und fügte dann hinzu: "Hier hast du mir -also meinem jüngeren Ich- beigebracht mit meinem Lehm umzugehen, un."

Tatsächlich? Sasori hatte daran gar nicht gedacht gehabt, doch sein Partner hatte Recht. Er erinnerte sich noch sehr deutlich an den deformierten Schmetterling, den dieser hergestellt und anschließend in Luft gejagt hatte. Ein undefinierbares Gefühl machte sich in Sasoris Magengegend breit, als er sich an das begeisterte Funkeln in den Augen des Jüngeren erinnerte.

"Warum bist du hergekommen?", fragte Sasori. Er wünschte sich, dass Deidara wieder verschwinden würde. Er wollte sich jetzt nicht mit ihm auseinandersetzen. Das Gefühl in seinem Bauch war ihm nicht geheuer. Leider tat Deidara ihm diesen Gefallen nicht.

"Weil ich mich bei dir bedanken möchte, un."

Bedanken? Damit hatte Sasori nicht gerechnet gehabt. Er war froh, dass er sich im Inneren von Hiroku aufhielt, sodass sein Partner seinen verwunderten Gesichtsausdruck nicht mitbekam.

Deidara kam noch einen Schritt näher. Nun stand er direkt vor dem aus Holz geschnitzten Gesicht von Hiroku.

"Wofür?"

"Weil du dich so lieb um mich gekümmert hast, un", antwortete Deidara und war sogar dreist genug, um zu lächeln. Seine azurblauen Augen waren genau auf Sasori gerichtet.

"Ich habe es dir schon einmal erklärt: Du bist mein Partner. Ich bin dir zur Loyalität verpflichtet", erwiderte der Marionettenspieler rasch. Er hoffte, dass Deidara nun gehen würde. Er hatte seine Erinnerungen zurückerhalten. Alles war wie früher. Alles war in Ordnung. Es gab keinen Grund für sie beide sich miteinander zu unterhalten.

"Orochimaru ist auch mal dein Partner gewesen", entgegnete der Blondschopf keck, "und ich glaube nicht, dass du dasselbe für ihn getan hättest, un."

"Du warst wie ein Kind", hielt Sasori dagegen. Ihm gefiel nicht in welche Richtung sich dieses Gespräch entwickelte. Er spürte, dass sein Gesicht brannte. Seine Wangen mussten puderrot sein. Zum Glück schützte ihn Hirokus Panzer vor den Blicken seines Gegenübers. "Sogar noch jünger als zu dem Zeitpunkt deiner Rekrutierung. Ich habe mich verantwortlich für dich gefühlt." Das war in Ordnung. Veranwortung war ein sehr distanziertes, neutrales Gefühl. Mit keinen starken Emotionen verbunden. Daran konnte Sasori sich halten. Er hatte sich lediglich verantwortlich gefühlt, nichts weiter.

"Jetzt bin ich neunzehn, un", sagte Deidara und legte eine Hand auf die Wange von Hiroku.

Das war zu viel für Sasori. Reflexartig aktivierte er Hirokus Schwanz und schleuderte Deidara damit zur Seite. Sein Partner, der nicht mit einer Attacke gerechnet zu haben schien, war völlig überrumpelt und schaffte es nicht rechtzeitig ausweichen. Der skorpionähnliche Schwanz, der hart wie Eisen war, traf ihn mit voller Wucht und stieß ihn zu Boden.

Sofort bereute Sasori sein unüberlegtes Handeln. Er stieg aus Hirokus Hülle heraus und hastete zu dem am Boden liegenden Deidara hinüber. Zum Glück schien der Blondschopf nicht ernsthaft verletzt worden zu sein. Er rappelte sich bereits wieder auf und spuckte eine Ladung Dreck auf den Boden; die beiden zusätzlichen Münder in seinen Handinnenflächen taten es ihm gleich.

"Verdammt, was sollte das denn, un?!" Zwei azurblaue Augen blickten ihn zornig und verletzt an.

"Das wollte ich nicht", gab Sasori sofort zu. "Es war nur ein Reflex. Du warst einfach zu nah an Hiroku dran."

"Das ist wohl die beste Entschuldigung, die ich zu hören bekommen werde, un", hörte er Deidara wenig begeistert murmeln, während er sich den Dreck von der Kleidung klopfte.

"Es wird gleich anfangen zu regnen", versuchte Sasori hastig das Thema zu wechseln. "Wir sollten zurückgehen, bevor wir nass werden."

Als hätte der Marionettenspieler den Regen heraufbeschworen, landeten prompt die ersten, noch feinen Tropfen auf dem felsigen Untergrund. Doch Deidara schien nicht im Traum daran zu denken ins Hauptquartier zurückzukehren. Mit verschränkten Armen und einem ernsten Gesichtsausdruck musterte er seinen Partner.

"Wir müssen miteinander reden, un", sagte er und suchte Sasoris Blick.

"Ich wüsste nicht, worüber", entgegnete Sasori und spürte, wie sich die feinen Härchen in seinem Nacken aufstellten. Sein Herz pochte laut und schmerzhaft in seiner Brust. Er wollte sich umdrehen, zur Not eben ohne seinen Partner zurückgehen, doch seine Beine bewegten sich nicht. Er konnte sich weder von der Stelle rühren noch seinen Blick abwenden.

"Die Dinge haben sich geändert, un." Deidara näherte sich ihm zögerlich, während er sprach. "Es ist nicht mehr so wie vorher, un. Mir ist jetzt klar geworden, dass ich dir nicht gleichgültig bin, Sasori no Danna. Du hättest dich nicht so fürsorglich um mich gekümmert, mir meine Kunst gezeigt und mich beschützt, wenn du nichts für mich empfinden würdest, un."

Der Regen wurde stärker. Dicke Tropfen fielen vom Himmel, benetzten Deidaras Haut und sein langes, blondes Haar. Er sah so fragil aus, wie er ihm da gegenüber stand. Zerbrechlich und verletzlich.

"Menschliche Emotionen bringen nichts als Unglück", erwiderte Sasori. Er wendete den Blick nicht ab, doch seine Stimme klang so kühl und gelassen wie eh und je. "Man macht sich verwundbar, wenn man Gefühle für einen anderen Menschen zulässt, Deidara. Das müsstest du selbst doch mit am besten wissen, oder nicht? Denk doch nur einmal an deinen geliebten Bruder. Tut die Erinnerung an ihn nicht unfassbar weh? Es wäre ... unvernünftig sich auf dich einzulassen. Die Gefahr, dass einer von uns beiden ... irgendwann nicht mehr da ist ... ist zu groß."

"Ich habe meinen Bruder sehr geliebt, un", gab Deidara zu und für einen kurzen Moment flackerte ein schmerzerfüllter Ausdruck in seinen azurblauen Augen auf. "Er war der wichtigste Mensch in meinem Leben, un. Natürlich tut die Erinnerung an ihn weh." Er schluckte. "Aber trotzdem bin ich froh, dass er mein Bruder gewesen ist, un. Und wenn es eine Möglichkeit gäbe ihn zu vergessen ... wenn du mir einen Trank brauen könntest, der jede Erinnerung an ihn erlöschen lassen würde ... dann würde ich ihn nicht trinken, Sasori no Danna. Denn auch wenn er nicht mehr hier ist, bereue ich es nicht sein kleiner Bruder gewesen zu sein. Und ich bin froh, dass ich mich wieder an ihn erinnern kann, un."

Sasori schloss seine Augen. Überdeutlich vernahm er das Prasseln des Regens. Spürte die feuchte Kälte in seinem Gesicht. Ihm kam das freundliche Lächeln seiner Mutter in den Sinn. Fast glaubte er das herzliche Lachen seines Vaters zu hören. Es waren schöne Erinnerungen. Schmerzhaft, ja, aber auch schön.

Sasori schreckte auf, als zwei Hände nach den seinen griffen. Deidara blickte ihn unumwunden an. Die azurblauen Iridien seines Partners schienen sich in Sasoris Schädel zu bohren. Der Ausdruck in ihnen war entschlossen. Sasori wurde klar, dass Deidara seine Entscheidung getroffen hatte.

"Bist du dir sicher, dass du dieses Risiko eingehen möchtest?", fragte er ihn trotzdem noch einmal. "Wir beide sind Nuke-nin. Unser Leben ist gefährlich, auch wenn wir unter dem Schutz Akatsukis stehen. Es könnte ... jeden Augenblick zu Ende sein."

"Ich möchte es mit dir versuchen, un", erwiderte sein Partner sofort. Noch immer hielt er seine Hände fest. Es war keine unangenehme Berührung. "Lieber gehe ich dieses Risiko ein, als mein ganzes Leben lang zu bereuen diese Chance verpasst zu haben, un."

Sasori nickte. "Nun, du bist neunzehn", sagte er und drückte Deidaras Hände. "Ich denke, du bist alt genug, um deine eigenen Entscheidungen zu treffen."

Ein breites Lächeln schlich sich auf das Gesicht seines Gegenübers. Sogar die Münder in seinen Handinnenflächen grinsten breit; Sasori konnte es ganz genau spüren.

"Und was ist mit dir, Sasori no Danna?" Deidaras Stimme klang leise, war kaum mehr als ein Flüstern. "Ich weiß, was mit deinen Eltern passiert ist... Möchtest du es trotzdem versuchen?"

Sasori ließ die Hände seines Partners los, legte stattdessen die Arme um seine Hüften. Er zog Deidara nah zu sich heran und tat dann etwas, wovon er niemals geglaubt hatte, dass es irgendwann einmal Realität werden würde: Er legte seine Lippen auf die des Blondschopfes.

Deidara wirkte überrascht, doch ließ sich schnell auf den Kuss ein. Auch er legte die Arme um den Körper seines Partners. Für eine Weile standen sie einfach nur da, im Regen, und genossen die Nähe des jeweils Anderen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Für die ganz aufmerksamen Naruto-Kenner: Ich weiß, dass in dem Tempel, in dem Deidara von Akatsuki aufgegriffen wurde, eigentlich keine Glocken hängen, sondern Statuen stehen. Für mich sah es in dem Manga-Panel aber wie große Glocken aus. Deswegen bin ich dabei geblieben. :D

bye
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Nachwort zu diesem Kapitel:
Zu den drei Ninja, die Deidara im ersten Kapitel attackiert haben, habe ich mir eig nie groß Gedanken gemacht. Sie sollten nur die Story "in Bewegung" setzen. Aber da die Ff nun so lang geworden ist, dachte ich mir, es wäre schöner die Sache "rund" zu machen ;)

bye
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Kommentare zu dieser Fanfic (34)
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Von:  Scorbion1984
2019-09-30T14:21:49+00:00 30.09.2019 16:21
Sehr schönes aber auch emotionales Kapitel !Wieder gut geschrieben ,schön das sie Beide dieses Risiko eingehen !
Auch Deidara sein Frieden mit Itachi finde ich super !
Antwort von:  kleines-sama
01.10.2019 17:36
Danke für deinen Kommentar :) Es freut mich, dass dir die FF gefallen hat :)

bye
sb
Von:  SasoriFan
2019-09-05T17:54:27+00:00 05.09.2019 19:54
Huuuuu total toll🤗😋 liebe sasori einfach ❤❤❤ aber lobe dich eigentlich immer nur wegen sasori aber allgemein bekommst du alle akas gut hin 😋 hoffe es geht schnell weiter 🙃 will ja keine Spoiler von dir oder so aber werden sasori und deidara ein paar ? Finde ich nämlich auch total süß😋
Antwort von:  kleines-sama
08.09.2019 16:09
Vielen Dank für deinen Kommentar :) Es freut mich, dass dir Sasori gefällt :)
Es ist geplant, dass die beiden zueinander finden :)

bye
sb
Von:  Lexischlumpf183
2019-09-01T18:14:26+00:00 01.09.2019 20:14
Ups, interessantes Kapitel, ich bin ja eh immer gespannt wie es weitergeht aber nu bin ich doch noch gespannter was jetzt passiert und wie es weitergeht mit deidara, sasori und itachi 😮😁😁👍🥛🍪
Antwort von:  kleines-sama
01.09.2019 21:33
Vielen Dank für deinen Kommentar :)

bye
sb
Von:  Scorbion1984
2019-09-01T14:13:11+00:00 01.09.2019 16:13
Gutes Ende ,dieses Kapitels ,nun ist Itachi aber auch erleichtert und Deidara benimmt sich irgendwie erwachsener !
Ob das Sasari gefällt ?!
Antwort von:  kleines-sama
01.09.2019 21:34
Danke für deinen Kommentar :D
Nun ja, Deidara ist innerhalb von Sekunden praktisch um 5 Jahre gealtert, jetzt wo er sich wieder erinnert ;)

bye
sb
Von:  SasoriFan
2019-08-28T19:51:02+00:00 28.08.2019 21:51
Das Kapitel ist dir wieder unglaublich gut gelungen 😄 und auch das du sasori so interpretieren kannst :3 viele missverstehen seine Art doch ganz schnell .

Nur eine Kleinigkeit hätte ich da ist aber kein direkter Fehler . Am Anfang hast du geschrieben das Hiroku Sasoris lieblingsmarionette sei , eigentlich ist es der 3. Kazekage da diese auch gleichzeitig seine stärkste ist . Hiroku benutz er nur als Schild um im sich im Kampf vor Nahkämpfern besser schützen zu können, Marionetten Spieler sind im Nahkampf so sinnvoll wie eine kartoffel aufm TV 😆. Wie gesagt ist kein direkter Fehler . Hoffe ist nicht schlimm das ich dich ,, korrigiert" habe 😋🙃
Antwort von:  kleines-sama
29.08.2019 12:26
Vielen Dank für deinen Kommentar :) Es freut mich, dass dir das Kapitel gefallen hat :)

Natürlich ist deine Kritik nicht schlimm :) Kann gut sein, dass Sasoris Liebling der 3. Kazekage ist. Mit fallen bei ihm immer sofort diese beiden Puppen ein :)

bye
sb
Von:  Scorbion1984
2019-08-25T14:14:43+00:00 25.08.2019 16:14
Das ist eine Offenbarung für Deidara ,wird das seine Meinung über Itachi aendern oder will er nun erst recht ihn kennenlernen !
Ich denke seine Neugierde ist stärker !
Antwort von:  kleines-sama
25.08.2019 17:46
Vielen Dank für deinen Kommentar :)
Von:  SasoriFan
2019-08-07T19:57:43+00:00 07.08.2019 21:57
Krass das du schon 11 jahre hier bist 😋 danke das du mir die bedeutung erklärt hast . Hoffe du hörst nie auf zu schreiben 😍
Antwort von:  kleines-sama
09.08.2019 11:57
Haha, danke :) Es macht mir wahnsinnig viel Spaß zu schreiben. Habe schon als Grundschulkind angefangen eigene Geschichten zu schreiben. Mit 13 habe ich mich dann hier bei Animexx angemeldet. Meine ersten Ffs (hauptsächlich zu Naruto) sind hier gar nicht mehr zu finden. In der Zwischenzeit habe ich dann viel zu One Piece geschrieben, aber ich mag selber sehr viele verschiedene Fandoms :)

bye
sb
Von:  SasoriFan
2019-08-03T11:54:05+00:00 03.08.2019 13:54
Saso-Chan ist sooo toll^^ finde es immer gut wie du das machst ( weiß du hast das schon 1000mal von mir gehört aber trozdem) 😍

Kurze Frage was ist eigentlich sb? 😋
Antwort von:  kleines-sama
03.08.2019 19:37
Vielen Dank für deinen Kommi :) Es freut mich, dass dir Sasori gefällt ;)

Als ich mich bei Animexx (muss so vor ca. 11 Jahren gewesen sein) angemeldet hab, hab ich mir angewöhnt alle Kappis und Nachrichten von mir mit "bye sb" zu beenden. "bye" im Sinne von "tschüss" und sb sind meine Initialen :)
Eigentlich irrelevant, aber ich hab mir das mit der Zeit s angewöhnt, dass ich es immer automatisch mach ;)

bye
sb
Von:  Scorbion1984
2019-08-03T08:47:12+00:00 03.08.2019 10:47
Sasori aendert sich bestimmt nicht mehr ,irgendwie muss er Deidara immer bevormunden !
Antwort von:  kleines-sama
03.08.2019 10:49
Danke für deinen Kommi ;)
Ja, hihi, er bleibt einfach ein rechthaberischer Griesgram xD

bye
sb
Von:  Scorbion1984
2019-07-25T15:12:28+00:00 25.07.2019 17:12
Also wollten sie ihn nicht töten ,aber den alten Onoki trau ich alles zu !
Antwort von:  kleines-sama
26.07.2019 02:25
Vielen Dank für deinen Kommentar :)
Genau, sie wollten seine Erinnerungen an die letzten Jahre auslöschen und ihn dann entführen

bye
sb


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