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Hin und her gerissen

zwischen Liebe und Freundschaft
von
Koautoren:  Jevi  Meitantei

Vorwort zu diesem Kapitel:
Heho ihr's XDDDD
Hab' gerade mal nix Besseres vor, als hochladen, also beehre (quäle -.-) ich euch mit meinem neuen Teil XD
Ist ein Fiesteil, ja -.-
Erwartet aber auch nicht zuviel XDDD
Sollte euch die Anfangsstelle bekannt vorkommen, liegt das daran, dass die im letzten Teil kam, jetzt aber raus und der Anfang von dem Teil ist, mir war da ein fehler unterlaufen >.<
Bis bald ^^
*verpuff*
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Muahahaha... *Vorhang auf*
Sehr geehrte Damen und Herren, nach Ewigkeiten gibt es mal wieder einen extralangen Teil dieser FF. Tut mir echt Leid, dass es solange gedauert hat. Ich werde mich bemühen, dass sich das ändert. *verbeug* ._.
Und jetzt viel Spaß... ^^
Eure Melo XD
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Vorwort zu diesem Kapitel:
So, mir wurde ja gesagt, ich soll das Kapitel zum letzten Fanart hochladen xD da habt ihr es. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ein sehr langes Kapitel. An diesem Tag ist viel geboten. Ich bereue zutiefst, diese FF in die Richtung angefangen zu haben. Deswegen habe ich mich entschlossen, daraus 2 Teile zu machen.
Ich wünsch euch auf jeden Fall frohes Lesen.

Vielen Dank auch an meine Betareader: Jevi, Meitantei, Ryo-Baka und Crazychicken
Eure Melo Komplett anzeigen

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23. Juli - Was willst du denn von dem??????

Wataru hatte man erzählt, dass Ryochi und Shina sich in der Turnhalle verabredet hatten und diese Tatsache ließ dem Jungen keine ruhige Minute mehr. Er hatte ja ohnehin schon geahnt, dass seine beste Freundin auf Ryochi stand, aber der 16-jährige hatte nicht gedacht, dass aus den Beiden doch noch was wurde, aber bei einer Person wie Shina war das auf keinerlei Weise verwunderlich. Nicht auf den Mund gefallen und aufgeschlossen wie sie war, hätte er sich so was ja auch mal denken können. Wataru konnte doch nicht zulassen, dass ein Neuankömmling ihm die beste Freundin streitig machte. Schon seit der Junge vierzehn war, interessierte er sich stark für Shina und nun kam so ein Typ daher und ging mit ihr aus? Konnte doch nicht wahr sein. Wataru wünschte sich den nötigen Mut, um Shina seine wahren Gefühle zu offenbaren und ehrlich zu ihr zu sein. Aber er traute sich ja nie, auch wenn er dachte, dass es vor zwei Jahren mächtig gefunkt hatte, auch von ihrer Seite aus.

Noch etwas ängstlich beobachtete Wataru Akemi und Shina, die sich zu unterhalten schienen. Leider konnte er bei der Entfernung nicht hören, worüber sie redeten. Er fühlte sich ein klein wenig verstoßen seit Ryochi in ihre Parallelklasse ging. Brauchte man ihn denn noch, wenn man jemanden wie Akaja kannte? Wataru fühlte sich so überflüssig wie noch nie.

Shina war keinesfalls entgangen, dass man sie beobachtete, jedoch fand sie es etwas seltsam, wie sich ihr bester Freund verhielt. Sonst stand er auch nicht schüchtern bei der Tür und starrte sie 'so' an. Da steckte sicher etwas dahinter und die 16-jährige hätte es nicht gewundert, wenn Ryochi der Grund wäre. Wataru hatte schon immer eifersüchtig auf andere Jungs reagiert. Es war manchmal nervig, aber andererseits auch süß und hilfreich, wenn man jemand Lästiges loswerden wollte. Es war schon spät und die Lehrerin hatte sich bisher nicht blicken lassen, deswegen erlaubte sich Shina, noch einmal aufzustehen und zu ihrem Kumpel rüber zu gehen. Mit langsamen Schritten näherte sie sich dem Jungen und klopfte ihm von vorne auf die Schultern.

"Morgen! Du siehst so bedrückt aus, ist etwas passiert?" wollte Shina wissen und versuchte während ihrer Worte in seinen Augen nach der Antwort zu forschen, damit er ja nicht auf die dumme Idee kam, ihr etwas vor zu machen.

Wataru wurde rot, da man ihn erwischt hatte. Er fühlte sich so schuldig, weil sie nur Freunde waren und er keinen Grund hatte so eifersüchtig zu werden. Was sollte er denn jetzt antworten, er konnte ja wohl schlecht sagen, dass es ihn störte, wenn sie mit Ryochi wegging, die würde ihm den Vogel zeigen, falls ihr an dem Kerl etwas liegen sollte. Erst mal musste er wissen, ob das überhaupt stimmte, dass sie sich außerhalb der Schule treffen wollten.

"Shina-san, stimmt es, dass du mit dem Neuen aus unserer Parallelklasse ein Date hast, oder hat das jemand erfunden?" Die Frage war ihm so peinlich, dass er leicht zur Seite schaute, um seine Röte zu verbergen.

Hatte Shina es doch geahnt, dass Ryochi der Grund war. "Aber Wataru-kun, er ist doch erst hierher gekommen, wir wollen uns lediglich kennenlernen, mehr ist da nicht, du hast also keinen Grund eifersüchtig zu sein!" Immer das Gleiche, Wataru traute sich nie seine Gefühle rauszulassen. Wenn er wütend auf jemanden war, schrie er nicht, sondern schluckte es runter, oder wenn er traurig war, dann lächelte er, als sei er glücklich. Das war nun mal ihr kleiner Trottel, es machte ihn aus, dass er so war, wäre er anders, würde sie ihn wahrscheinlich gar nicht so toll finden. Aber es nervte auch, man musste immer hinter seine Fassade sehen. Shina hatte den Bogen so langsam raus, sie kannte ihn eben sehr gut, da sie schon sehr lange befreundet waren.

"Aber du stehst doch auf ihn, was ich dir wirklich nicht vorhalten kann. Er ist gutaussehend, sein Vater ist Polizeipräsident, er ist ein Detektiv, genau wie du und reich ist er auch noch. Kurz gesagt, der perfekte Freund für jemanden wie dich." Wataru ging in seinen Gedanken noch etwas weiter. Und der Kerl hatte größeres Selbstvertrauen, der würde nicht zaudern seine beste Freundin anzubaggern, was er sich niemals trauen würde. Wataru selbst hatte keine reiche Familie, also passte er da auch nicht so recht rein. Da bekam man doch Minderwertigkeitskomplexe, wenn man einen Typen wie Ryo kennen lernte. Shina konnte man es nicht verübeln, dass sie ihn interessant fand. Viele Mädchen standen auf Ryochi, aber er zog keine Mädchenscharen hinter sich her. Nur Shina und ihre Freundinnen gaben sich mit ihm ab. Für alle Anderen war er doch das Uninteressanteste überhaupt.

"Klar, wer steht nicht auf ihn, aber du solltest mich besser kennen. So schnell wird nichts zwischen uns passieren. Wir müssen uns wie gesagt erst kennen lernen, ganz im Gegensatz zu uns Beiden, wir kennen uns doch schon seit zehn Jahren." Shina konnte ihrem Freund allerdings nicht versprechen, dass sie sich niemals in Ryo verlieben würde, denn genau das schien Wataru solche Sorgen zu bereiten, sicher hatte er einfach nur Angst, sie an einen Anderen zu verlieren. Liebe kam und ging eben, wie sie gerade Lust hatte und nicht wie man es selbst wollte. Sie war eben nicht aufzugreifen. Shina wusste jedoch wirklich nicht, ob sie sich mit einem anderen Jungen außer Wataru einlassen konnte, es wäre möglich, dass sie dann ihm gegenüber ein sehr schlechtes Gewissen entwickeln würde.

"Ich mache mir doch einfach nur Sorgen", meinte Wataru kleinlaut und Shina gab ihm einen kleinen Kuss auf die Wange, so dass er sofort wieder errötete. "Wofür war denn das?" wollte er dann wissen. Der Junge war regelrecht schockiert und führte wie in Trance seine linke Hand zur der Stelle, welche Shina gerade eben noch mit den Lippen sanft berührt hatte. Ihm zitterten die Knie.

"Einfach dafür, dass du auf mich aufpassen willst, du bist wie mein kleiner Bruder, der sich um seine Schwester sorgt. Ich bin dir wirklich dankbar, aber ich kann schon alleine auf mich Acht geben, mach dir nur keinen Stress." Ihre Worte klangen aufmunternd und auch diesmal verfehlten sie ihre Wirkung nicht, denn Shina bemerkte, wie ihr Gegenüber erleichtert aufatmete.

Wataru war froh darüber, dass sie versuchte ihn zu beruhigen und ein leichtes Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht. Der Junge wusste einfach, wieso er dieses Mädchen so sehr schätzte. Sie war ihm niemals böse und hatte immer Verständnis für ihn, egal was geschah, auch wenn es noch so blöde war. Kurz gesagt, sie Beide waren immer für den Anderen da. Er war ja so dumm, so was zu ihr zu sagen, da musste man ja verrückt sein. Jedes andere Mädchen wäre bei einem Freund wie ihm wohl explodiert. Wie kam er überhaupt dazu, sich so in ihr Leben einzumischen? Das war doch purer Egoismus. Bei ihm schlich sich ein böses Gefühl ein, nämlich, dass er ihr mit seiner Sorge auf die Nerven ging. Jetzt machte er sich wieder alles mies, wie es schon immer war. Wataru traute sich einfach nichts zu und sobald etwas schön war, wurde das durch seine negativen Gedanken getrübt.
 

Es war kurz vor Schulschluss, Wataru kaute auf seinem Kugelschreiber herum. Es war heiß und man dachte bei dem Wetter ans Schwimmbad. Er allerdings würde sich zu Hause zu Tode langweilen. Shina würde sich am Nachmittag mit Ryochi treffen und mit diesem weggehen. Der Gedanke gefiel dem Jungen zwar nicht, aber trotzdem nahm er es hin. Wenn er nur wüsste, wo sie sich treffen würden, dann könnte er mal nachschauen, was sie so trieben.

Es ertönte die Schulglocke und sämtliche Schüler stürmten aus dem Klassenzimmer. Gemach packte Wataru seine Sachen ein, denn er hatte es keinesfalls eilig. Shina war jetzt bei ihrer Mannschaft und würde vor fünf Uhr nicht von dort wegkommen. Es wäre vielleicht nicht schlecht, gegen fünf Uhr wieder hierher zu kommen und ihr zu folgen. So erfuhr er sicher, wo Shina mit Ryo hinging.

So machte er es dann auch. An der Ecke wartete er darauf, dass Shina endlich kam, doch sie ging nicht den üblichen Weg nach Hause, das bemerkte Wataru erst, als es viertel nach fünf war. Er schaute sich in der Schule um, ob sie noch da war, doch sie war schon gegangen. Schnell rannte er in die entgegengesetzte Richtung. Und an einer Mauer gelehnt stand jemand, nämlich niemand anderes als Shina. Zusammen mit Ryochi!! Wataru knurrte verächtlich, als er die Beiden beobachtete. Wie ein Blitz durchfuhr die Eifersucht seine Glieder. Shina hatte Spaß mit Ryochi, denn sie lachte immer wieder. Offensichtlich kamen sie sehr gut miteinander aus, wenn nicht sogar zu gut. Die Beiden ließen von der Mauer ab und gingen Richtung Freizeitpark. Wataru schlich ihnen unauffällig nach. Dort fand auch ihr Date statt. Im Tropical-Land.

Shina nahm Ryos Hand und für Wataru brach die Welt zusammen. Wieso durfte der Typ so was bei ihr machen? Die Beiden vergnügten sich einige Stunden dort, hin und wieder verlor Wataru die Beiden aus dem Augen, doch fand sie letztendlich immer wieder.

Schließlich schlug die Uhr zehn Uhr. Shina verabschiedete sich von Ryochi, doch er bestand darauf, dass er sie bis vor die Haustüre begleiten durfte. Shina ließ es sich gefallen.

Wieder schlich Wataru ihnen nach, er versteckte sich in einer Seitenstraße, als sie bei dem großen Anwesen ankamen. Shina und Ryo standen sich gegenüber. "Mach's gut, Shina-san und schlaf gut", sagte Ryo mit einem Lächeln und drückte einen Kuss auf ihre Wange, nur um sich zu verabschieden. Shina jedoch umfasste seinen Nacken, zog ihn zu sich hinab und küsste seinen Mund. Sofort löste sie sich wieder von ihm. Er küsste sie zurück, wurde stürmischer als sie, das Mädchen öffnete leicht den Mund und wartete darauf, dass Ryo sie richtig küsste. Er schien sich noch nicht so recht zu trauen, deswegen nahm sie das in den Griff. Shina ließ ihre Zunge über seinen Mund wandern und er wurde darauf hektischer, als sie langsam zwischen seine Lippen glitt. Ein warmes Gefühl war beiden Körpern gegeben.

Wataru stieß gegen eine Mülltonne. Das war zuviel für seine Nerven. Er drehte am Rad, raufte sich die Haare und maulte vor sich hin. Er hatte es ja geahnt, von wegen, sie wollte ihn bloß kennen lernen.. Wataru wusste, er würde es nicht ertragen, sie als Freundin zu verlieren und genau das dachte er in diesem Moment. Jetzt würde sie nur noch mit Ryochi Akaja, dem Supertypen rumhängen und er würde bald Geschichte sein.

Ein schepperndes Geräusch ließ die Beiden auseinanderfahren. Sie blickten zur Straßenecke. Dort war ein Junge, der zu ihnen rüberschaute, wie Ryo sofort bemerkte. Das fand Ryochi jetzt gar nicht witzig. Hatte Wataru sie etwa die ganze Zeit beobachtet? Das war ja ganz schön dreist. "Hat man dir noch nie gesagt, dass man nicht spannt?" fragte Ryochi und bemerkte, wie Wataru sich hinter der Wand versteckte. Feigling! "Komm jetzt da raus, ich weiß, dass du da bist, Takagi-kun, leugnen ist zwecklos!" Es wurde mucksmäuschenstill.

"Es ist besser, du gehst jetzt, Ryo", meinte Shina ernst und Ryo schien nicht zu verstehen. "Ich denke, ich muss mal mit ihm reden. Ich weiß, was zu tun ist. Halte dich da bitte raus, ja? Wir sehen uns dann Morgen."

"Nagut", gab sich Ryochi geschlagen. "Bis Morgen dann." Er warf einen bissigen Blick in Richtung Mülltonne und ging dann an Wataru vorbei, als sei nichts gewesen.

"So, Wata-chan, dann erklär mir mal, was dich geritten hat!" forderte Shina, welche sich mit verschränkten Armen hingestellt hatte und auf eine Erklärung wartete. Wehe sie würde nicht gut sein, dann konnte er was erleben, schließlich hatte er sie im schönsten Moment gestört.

"Was mich geritten hat? Also bitte.." Ein bitteres Lachen kam über seinen Mund, die Hände waren zu Fäusten geballt. "Ich kann's nicht ab, wenn dir so ein Schleimer zu nahe kommt!" Man konnte die Wut in seinen Augen aufblitzen sehen. "Dieser Möchtegernweiberheld! Weißt du, mit wie vielen Mädchen er noch so flirtet?" Besserwisserisch sah Wataru seine beste Freundin an, auch wenn er keinen blassen Dunst davon hatte, was Ryochi so trieb, denn er bekam es immer nur mit, wenn er bei Shina landen wollte. War ja richtig peinlich, wie er das immer wieder machte.

"Kann's sein, dass du eifersüchtig bist? Ich weiß, dass Ryochi eine Menge Mädchen hinter sich herzieht, aber deswegen ist er doch noch kein Möchtegernweiberheld. Komm, gib's wenigstens zu, dass du nur neidisch auf ihn bist. Dabei hast du doch gar keinen Grund dazu. Du hast genauso Freunde, wie er. Deine Klassenkameraden kommen zwar nicht so gut mit dir aus, aber dafür hast du doch andere Freunde, die um dich herum sind. Was zum Teufel ist los mit dir, dass du anfängst mich zu beschatten?" Ungewollt hatte das Mädchen jetzt eine Menge Spott in ihre Stimme fließen lassen, als sie mit ihm sprach, denn sie verstand nicht so recht, was diese Aktion jetzt gesollt hatte. Was brachte es ihm, wenn er sie störte?

"Ich bin nicht neidisch auf seine Freunde! Ich finde es nur leicht bescheiden, dass dieser Schlaumeier hier aufkreuzt und so tut, als wenn ihr Beide euch schon ewig kennen würdet und sich an dich ranschmeißt, wie der allergrößte Macho. Der meint, er könnte hier einfach auftauchen und so tun, als wenn er was besseres als ich wäre. Er drängt mich doch voll zur Seite. Auf einmal ist er die wichtigste Person in deinem Leben und ich fühle mich, als wär ich nie irgendwas für dich gewesen." Während Wataru das alles sagte, stiegen ihm Tränen in die Augen, es tat weh, es auszusprechen, aber genauso fühlte er sich in letzter Zeit oft.

Mit einem Seufzen schlug Shina die Augen nieder, griff sich an den Kopf und stöhnte laut auf. "Wenn du so was von mir hältst, warum redest du dann überhaupt mit mir, um mir ein Ultimatum zu stellen? Wir sind jetzt schon so lange Freunde und du kommst mit so was. Ich kann's nicht fassen! Du hast das ja gesagt, als wenn du mir egal wärst, dabei weißt du ganz genau, dass dich niemand ersetzen kann. Du bist mein bester Freund und das schon über einen ziemlich langen Zeitraum hinweg, daran ändert doch auch niemand etwas. Außer vielleicht du selbst, wenn du dich so albern verhältst." Man konnte aus ihrer Stimme heraushören, dass es das Mädchen hart getroffen hatte, sie hatte nicht gedacht, dass er mal so was sagen könnte und das nur, weil sie sich mal mit einem anderen Jungen abgab, das war doch einfach nur bescheuert.

Sie hatte ja keine Ahnung. "Ich hab das Gefühl, wir standen uns näher, bevor er hier aufgetaucht ist."

Das Mädchen hatte den Kopf gehoben, seine Stimme klang traurig, bei dem Jungen konnte man nur seufzen. "Was soll denn anders sein? Es ist doch wie immer."

"Das weißt du ganz genau." Wataru hatte ein kleines, trauriges Lächeln inne. "Wenn du mit Ryo zusammen bist, können wir uns nicht mehr so nahe sein wie zuvor, das würde der doch niemals hinnehmen. Wenn ich er wäre, würde ich das auch nicht zulassen. Wer will schon die Freundin mit dem besten Freund teilen?"

"Was willst du überhaupt von mir?" Shina hatte da nur eine Idee, sie sollte sich zwischen den Beiden entscheiden, das konnte er doch unmöglich damit meinen. "Ich weiß es eben nicht, was du meinst." Die 16-jährige sah ihn prüfend an und versuchte wie immer seine Gefühle zu erraten, aber im Moment sah er einfach nur ziemlich niedergeschlagen aus, das gefiel dem Mädchen gar nicht ihren Freund so zu sehen. "Das zwischen uns ist doch was völlig anderes, das kannst du doch nicht damit vergleichen, was zwischen Ryochi und mir läuft."

Der 16-jährige hatte es ja geahnt, der Gedanke trieb ihm noch heftigere Tränen in die Augen, die er sich sofort wegwischen musste. Früher hatte er noch gedacht, dass sie etwas mehr für ihn empfand als bloße Freundschaft, aber wahrscheinlich war das doch nur eine Illusion gewesen. "Was ich von dir will?.. Das ist leicht. Ich will, dass es so wie früher ist, bevor Ryochi hier aufgetaucht ist, aber wenn ihr Beiden zusammen seid, geht das eben nicht."

Sie verstand einfach nicht, wieso es nicht funktionieren sollte, man konnte doch mit einem Jungen zusammen und trotzdem mit einem anderen befreundet sein. Wo war da denn jetzt das Problem? "Drück dich mal klarer aus. Wieso können wir Beide nicht wie immer befreundet sein, nur weil ich jetzt einen festen Freund hab?"

Wataru erstarrte, er war empört über ihre Worte. "Ihr seid schon zusammen? Du hast doch gesagt, dass du dir Zeit gibst." Ein wehleidiges Seufzen folgte.

"Ich gebe mir ja auch Zeit, aber das heißt nicht, dass wir nicht jetzt schon ineinander verliebt sind."

Sein Herz zerbrach in tausend kleine Stücke, das konnte sie ihm doch nicht einfach mal so sagen. "So ist das, ihr seid verliebt. Soweit ich mich erinnern kann, hatten wir auch schon mal solche Gefühle füreinander, aber seit er da ist.. bin ich doch Nebensache.." Wataru drehte sich von ihr weg, die Tränen flossen jetzt unaufhaltsam. Warum konnte ihm diese Sache immer wieder solchen Schaden zufügen, dass er dachte, alles sei vorbei? "Ich hab's gehofft, dass du dich auch in mich verliebt hast, aber jetzt ist da ein anderer Mensch, der dir mehr bedeutet", sagte er mit weinerlicher Stimme. "Ich weiß nicht, ob ich damit klar komme. Immer, wenn ich euch Beiden zusammen sehe, muss ich daran denken, wie es wäre, wenn ich das für dich wäre, was er ist. Ich, als dein bester Freund, hätte mich nie in dich verlieben dürfen, das war ein ganz großer Fehler." Der Junge konnte das nur sagen, da er sie nicht ansah. "Wenn man sich in eine Freundin verliebt, geht am Ende alles in die Brüche."

Etwas verwundert über seinen plötzlichen Rededrang, aber vor allem dessen Inhalt, sah sie ihn an, denn immer, wenn er mit ihr sprach, berührte das meistens so sehr ihr Herz, dass es wehtat. Er hatte eben so eine Art, wie er mit Leuten sprach und sich dabei in ihre Herzen schlich, den Jungen musste man einfach gern haben. "Dafür kannst du doch nichts, gib dir nicht immer an allem die Schuld." Wenn doch jemand Schuld hatte, dann ja wohl sie, weil sie nicht bemerkt hatte, wie es ihm ging, dabei dachte sie ihn zu kennen, was nach all den Jahren ja auch nicht verwunderlich wäre, aber jetzt hatte sich diese Meinung geändert. "Ich wusste es nicht, dass du in mich verliebt bist." Das war ja eigentlich sehr traurig, dass sie so was Offensichtliches nicht bemerkt hatte, denn Anzeichen dafür gab es zur Genüge. Das Mädchen drehte sich zu ihrem Freund um, legte vorsichtig ihre Hand auf seine Schulter und zog ihn mit dem sanften Druck darin zu sich zurück, während ihr Arm sich um seinen Oberkörper schlang, so dass sie ihn zu sich in die Arme ziehen konnte. "Auch wenn jetzt noch jemand in meinem Herzen existiert, so bist du doch immer noch genauso wichtig, wie sonst auch immer. Es hat sich nichts geändert, es sei denn, du willst, dass sich etwas ändert." Stille. Shina wartete darauf, dass er etwas sagte, aber nichts war zu hören, was sie fast schon verzweifelt werden ließ. "Warum sagst du denn jetzt nichts mehr?" fragte sie leicht verunsichert.

Er konnte einfach nicht, es war jawohl auch sein Problem, nicht ihres, so dachte der Junge zumindest. Der Einzige, der Fehler machte, war doch er und niemand sonst. Wie sie ihn festhielt, so freundschaftlich, es tat weh, nie wieder würde sie ihn so festhalten, wie sonst immer, jetzt hielt sie einen anderen so. Alles, was er gewesen war, war jetzt Ryochi für sie. Immer noch glaubte der 16-jährige, dass mehr zwischen ihnen gewesen war, als nur diese innige Freundschaft. "Wenn du wirklich mit ihm zusammen bist, dann können wir uns nicht mehr so ungezwungen verhalten, wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht mehr so nahe kommen wie sonst, dann könntest du Ärger mit ihm bekommen. Wer sieht es schon gerne, dass die Freundin mit ihrem Kumpel so eng befreundet ist, wie wir das sind. Also ich würde da wahnsinnig werden!" Er spürte, wie das Mädchen ihn fester an sich drückte und an seinem Hals fühlte er etwas Nasses.. weinte sie etwa, aber wieso denn?

"Warum soll es denn nicht mehr so sein können? Nur, weil du dich in mich verliebt hast? Das ist doch Unsinn! Wir kennen uns doch jetzt schon so lange und jetzt auf einmal willst du mehr, als Freundschaft. Wieso denn ausgerechnet jetzt? Wieso nicht früher? Du weißt doch nicht erst seit heute, dass du in mich verliebt bist, oder doch?"

"Nein! Nein.. seit.. wir uns auf dem Dachboden geküsst haben.. danach fühlte ich mich dir näher, als zuvor und seit Ryochi da ist, meine ich, es wäre wie vor dem Kuss.. was.. hast du damals gespürt, als du mich einfach so geküsst hast?"

Shina drehte ihn langsam zu sich um, seine Augen spiegelten seine Gefühle wider, es machte sie sehr traurig, denn sie hatten so einen bekümmerten Schimmer inne, das Mädchen mochte es nicht, wenn er so aussah. "Was ich gefühlt habe? Das fragst du allen Ernstes? ........ Tztz.. typisch." Das war eben Wataru, das Trottelchen, Shina glaubte das einfach nicht, wie dämlich er mal wieder war, aber ihre Gedanken wurden fast wie von Geisterhand ausgelöscht, denn das Einzige, was sie noch wahrnahm, war Wataru, seine Augen, die sie geknickt ansahen, diese funkelnden Augen, in denen man sich vergessen konnte. Das Mädchen fühlte sich wie in ihnen gefangen und nahm sein Gesicht in ihre Hände. "Es hat sich nichts geändert, glaub mir.. Ich hab natürlich das gefühlt, was ich jetzt auch fühle.."

Ohne darauf gefasst gewesen zu sein, spürte er ihre Lippen auf seinen und genoss das warme Gefühl auf ihnen und den Moment der Verbundenheit. Verwirrung machte sich in ihm breit. Das konnte sie doch jetzt nicht einfach mit ihm machen, schließlich hatte dieses Mädchen ihm noch gesagt, dass sie jetzt mit Ryochi zusammen sein wollte, aber wieso küsste sie denn jetzt einen Anderen, wenn sie ihn so liebte? Er verstand es nicht, und weil das so war, machte es ihm Angst. Wie so oft wurde er nicht schlau aus der kleinen Detektivin, die immer alles so besonders klar zu sehen schien, aber etwas schien sich verändert zu haben, doch er wusste noch nicht, was das sein sollte, denn er wusste nur, dass es so etwas gab. Ein Zittern fuhr durch seinen Körper, als ihr Kuss stürmischer wurde, fast nur aus Verlangen und Begierde bestand. Er fühlte sich mies, das sollten sie nicht machen, nicht als ,Freunde', aber der Junge konnte sich einfach nicht gegen seine Gefühle wehren, sie waren da und machten ihm täglich das Leben schwer, nur für einen Moment wollte er das hier genießen können, deswegen verdrängte er den missgünstigen Gedanken und stieß seine Zunge in ihren Mund, ja, er verlor absichtlich die Kontrolle, weil Wataru es so wollte, er wollte ihr so nahe sein, wie es nur irgend möglich war, selbst wenn sie ihn dann hassen würde, er wünschte es sich einfach so sehr, dass alle Versuche seines Verstandes, ihn aufzuhalten, scheiterten.

Sie war es nicht gewohnt, dass er sich so gehen ließ, normalerweise übernahm sie die Führung, so war es immer gewesen, wenn es zu einem Kuss kam, oder anderen Dingen, die ihr jetzt erst wieder eingefallen waren. Dies ließ nur einen Schluss zu, seine Gefühle hatten die Oberhand gewonnen und zum ersten Mal war er wirklich durch sie beeinflusst, voll und ganz, seine Gedanken schienen verschwunden zu sein, als hätte es sie nie gegeben. Es trat ein Umstand ein, den Shina nicht für möglich gehalten hatte: sie fühlte sich von ihm bedrängt und sie malte sich aus, was passieren würde, wenn er sich weiter so gehen ließ. Vielleicht würde er ihr dann sämtliche Kleidungsstücke vom Leib reißen. Shina versuchte sich zu beruhigen, weil sein Kuss sie so sehr anmachte, dass sie dachte, es würde sie erregen, aber die Leidenschaft seines Kusses schaffte es, dass auch sie die Kontrolle verlor. Sie machte jetzt völlig gedankenlos mit und strich alles, ihr unwichtig erscheinende, aus ihrem Gedächtnis. Ihre Zungen kämpften um die Dominanz und Wataru schien ihr um Längen voraus zu sein. Zum ersten Mal war dem Mädchen bewusst geworden, wie sehr er unter seinem Verlangen nach ihr gelitten haben müsste. So sehr, dass er nicht mehr wusste, was er machte. Sein Mund ließ urplötzlich von ihrem ab und er wanderte mit seinen Lippen zu ihrem Hals und fing an zu saugen, worauf Shina knallrot wurde, die Augen schloss und dabei den Kopf in den Nacken legte, was ein Zeichen dafür war, dass sie es genoss. Das Mädchen gab ein kurzes und trockenes Keuchen von sich, die Stelle, wo seine Lippen immer noch verweilten, war kochendheiß, so dass sie dachte zu verbrennen. Kurzzeitig lösten sich seine Lippen von ihrem Hals und er flüsterte etwas in ihr Ohr hinein. "Wir Beide gehören zusammen, oder findest du nicht auch?" Das Mädchen öffnete die Augen nur ein kleines Bisschen und hatte die Worte nur bedingt mitbekommen. "Was?" Er saugte weiter und sie bemerkte erst, was überhaupt hier geschah. "Ehm.. kannst du mal damit aufhören? Willst du mir etwa einen Knutschfleck machen?" Shina riss sich los und griff sich an die heiße Stelle am Hals. "Das auch, ich will noch ganz andere Dinge mit dir machen, wenn du weißt, was ich meine." Ein etwas fies wirkendes Grinsen huschte über sein Gesicht, worauf sie seine Gedanken erraten konnte. "Du spinnst, jetzt drehst du wohl durch, nur weil ich dich geküsst habe."

"Ja, genau, das tue ich, der Kuss hat mir gezeigt, wie groß meine Liebe zu dir eigentlich ist." Er zog sie zurück zu sich, in seine Arme und drückte ihren Körper fest an seinen. "Ich will.. wie früher.. wenn wirklich alles so wie früher ist, dann.. ich will heute Nacht bei dir bleiben."

Nach seinen Worten war das der 16-jährigen gar nicht geheuer, sie wollte ihn am liebsten los werden, um nachdenken zu können. Sie wollte alles, nur nicht mit ihm alleine in ihrem Zimmer sein. Wer wusste schon, auf welche Gedanken er dann noch kam, er war schließlich in einem Alter, in dem man durchaus mal weiter ging und sich nicht unbedingt mit harmlosen Küssen zufrieden gab. Und das Verlangen, das er gezeigt hatte, verstärkte diesen Verdacht, dass ihm das nicht reichen würde, nur noch mehr. Aber was sollte das Mädchen ihrem Freund denn jetzt sagen?

"Shina??"

"Was??" Nur, weil sie mal kurz schwieg, um nachzudenken, dachte der gleich wieder, dass sie verschwunden war, oder wieso erwähnte er ihren Namen?

"Ich bin egoistisch, ich hau ab.." Wataru war jetzt der festen Ansicht, dass er nur zu seinem eigenen Gunsten gehandelt hatte und nicht einen Moment an sie dachte. Wie kam er überhaupt so plötzlich auf die Idee, sie verführen zu können? Und wieso wollte er so was überhaupt? Voller Verwirrung drehte er sich von dem Mädchen weg und rannte die Straße entlang, das war sein einziger Fluchtweg. Hier hatte er sich ja wohl grundlos zum Affen gemacht, was dachte sie jetzt über ihn? Hielt sie ihn für einen Draufgänger, nur weil er sich einmal hatte gehen lassen? Er wusste ja selbst nicht, was in ihn gefahren war, und er hasste diese Seite an sich selbst.

Wieder floh der Junge vor sich selbst. Das kannte Shina schon von früher, so war es doch immer gewesen, Ryochi war nicht so jemand, der bei dem kleinsten Problem davonlief, außerdem hatte der kein Problem mit sich selbst. Wataru hatte das allerdings und Shina befürchtete, dass er jetzt wieder denken würde, nutzlos und völlig alleine zu sein. Nicht zu fassen, wie er immer alles verdrehte.

24. Juli - Hast du einen Knall??????

Es war stinklangweilig im Klassenzimmer, alle waren gegangen und Wataru starrte gedankenverloren an die Wand. Dass die Schule bereits aus war, hatte er gar nicht mitbekommen, er saß da als würde er auf etwas bestimmtes warten, was aber nicht kam. Er fühlte sich so unendlich alleine. Shina war heute nicht in der Schule gewesen, angeblich war es eine Erkältung, aber er dachte da anders darüber, er war nämlich eher der Ansicht, dass er Schuld daran hatte, weil er sich so bescheuert verhalten hatte.
 

"Hey, Takagi-kun, mach und komm jetzt!" brüllte eine Stimme ins Klassenzimmer hinein, gerade in dem Moment als die Schiebetür aufgerissen wurde. Derjenige bekam noch das Seufzen des Jungen, der wie ein Häufchen Elend da saß, mit und ging langsam auf ihn zu. "Was ist denn mit dir los?" fragte der Blauäugige, den alle als Kenji kannten. Ja Kenji, der Aufreißer. Wataru musste seufzen, als er daran dachte, wer ihn angesprochen hatte.

"Was soll los sein, ich tu mir selbst leid und bin am Trübsalblasen. Reicht dir das als Antwort, Kenji-kun?" Der Angesprochene klopfte dem Jungen auf die Schulter und grinste über beide Ohren. "Du bist verknallt, gib's zu." Erwischt, konnte man da wohl sagen. Wieder ein Seufzen. Wataru stützte seinen Kopf mit der Hand. "Ja, du hast es erfasst", gab er eher widerwillig zur Antwort.

"Und wo ist das Problem? Wolltest du sie flachlegen und es hat was nicht hingehauen? Mir kannst du's ja sagen!"
 

Wataru begegnete Kenji mit Halbmondaugen. "Kannst du nie an was anderes denken als an ,das'? Ist ja nicht zu fassen!" Wütend war er aufgestanden und schnappte sich seine Schultasche. Auf diesen Typen hatte er jetzt echt keinen Bock. Eilig verließ er das Klassenzimmer und rannte über den Flur. Akemi stand an die Wand gelehnt da und Ryochi genau vor ihr. Wataru sah Blitze vor seinen Augen. Der wagte es tatsächlich.. ?? Offensichtlich war der Typ in einen Augenflirt mit Shinas bester Freundin verwickelt. Er hätte ihn am liebsten in den Boden gestampft. Der Junge war schon dabei gewesen auf den Kerl zuzugehen, um ihm die Fresse zu polieren, doch Kôji stand hinter ihm und hielt ihn an den Schultern fest. "Das ist eine schlechte Idee, Wataru-chan. Der Kerl ist im Judo-Club und würde dich hemmungslos fertig machen." Es war ein ernstgemeinter Rat, den Wataru allerdings nicht hören wollte.
 

"Wahh, dieser Scheißtyp, das ist mir ja so egal, ob der im Judo-Club ist, jetzt ist er fällig!" Wataru dampfte vor Wut und sah nur noch Rot. "Kaum ist Shina mal nicht da, baggert er die Nächste an. Dem geht es wohl zu gut!" meckerte er vor sich hin und Kôji riss ihn einfach mit sich. "Hey! Miura, was soll das? Lass mich los!" protestierte er, aber der Angesprochene verschleppte ihn bis um die Ecke und schob ihn da gegen die Wand. "Komm wieder runter", versuchte er ihn zu beruhigen. "Seit wann bist du denn so eifersüchtig?" Kôji hatte das noch nie miterlebt, auch wenn der Junge normalerweise immer so drauf war, wenn es um Verehrer von Shina ging. "Ich kann so Verarschertypen nicht leiden, das steht mir bis zum Hals!" Man sah es ihm deutlich an, wie wütend er war, weshalb Kôji resigniert seufzte. "Es ist wegen Shina, oder?" Augenblicklich schoss Wataru die Röte ins Gesicht und er wandte seinen Blick deswegen dem Boden zu. "Ja..", meinte er dann kleinlaut und sein Freund klopfte ihm auf die Schultern. "Weiß sie es?"

"Ja.. hab es ihr gestern gestanden."

"Na also, dann ist ja alles gut."

"Nein, ist es nicht. Ich hab mich richtig heftig an sie ran geschmissen!" Kôji musste unwillkürlich grinsen, hatte der sonst so schüchterne und brave Wataru-kun etwa wirklich ein Mädchen angemacht? Das war ja mal was ganz neues. "Wie weit bist du gegangen?" Wataru legte den Kopf schief, weil er diese Frage nicht so richtig verstand. "Ich.. na ja.. sie hat mich geküsst und dann.. wusste ich nicht mehr, was ich tue.. ich wollte ihr einen Knutschfleck machen.." Er griff sich an den Hinterkopf und grinste verlegen. "Und.." Seine Miene wurde plötzlich traurig. ".. Ich bin ein Idiot. Alles war schön, bis ich gesagt habe, dass ich noch etwas ganz anderes von ihr will.. und, dass ich bei ihr schlafen will.."

"Oioi!" Kôji schlug ihm kräftig auf den Rücken. "Du wolltest sie flachlegen, los gib's zu." Wataru musste husten und sich dann erst mal wieder fassen. Warum kamen heute alle auf ,dieses' Thema?
 

"Na ja.. wenn man's so sieht.. ja.." Die Röte war deutlicher geworden.

"Und woran ist es gescheitert?"

"Daran, dass sie nicht das Gleiche für mich empfindet.. sie will ja lieber den Scheißkerl haben. Ich hasse ihn.. das meine ich ernst." Wataru hasste jemanden, das war mal etwas, das noch nie vorgekommen war. "Oje.. sie ist aber auch ein klasse Mädchen, da wirst du dich wohl richtig ins Zeug legen müssen. Ryochi ist, seit er hierher gezogen ist, der beliebteste Junge an unserer Schule", warnte Kôji ihn und Wataru schlug die Augen nieder.

"Das weiß ich. Und ich bin nur so ein kleiner Trottel, der nichts auf die Reihe bekommt.."

"Du solltest es mal mit einer anderen versuchen, um zu testen, wie du ankommst.."

"He? Hast du 'ne Meise?? Wer will denn bitte was mit mir zu tun haben, außer Shina??"

"Wir wäre es mit Akemi?" Wataru fiel buchstäblich die Klappe runter.

"Ich soll ihre beste Freundin anbaggern?? Das kann ich doch nicht machen. .. Vergiss es!" Mit verschränkten Armen drehte er sich weg.
 

"Du sollst sie ja auch nicht gleich flachlegen, sondern deinen Charme testen."

"Das macht man aber nicht!" Wataru klang besserwisserisch und Kôji seufzte. "Hattest du überhaupt schon mal was mit einem Mädchen?" fragte er interessiert und leicht amüsiert über Watarus verdutzten Gesichtsausdruck.

"Öhh.." Er kratzte sich an der Wange, das konnte Kôji unmöglich wissen wollen, oder doch? Das war ihm aber peinlich. "Wieso fragst du? Und was ist mit dir?"

"Akemi und ich.. auf der letzten Klassenfahrt hat es richtig gekracht.."

Wataru zog einen Schmollmund. Wie immer war er der Einzige, der von nichts eine Ahnung hatte. "Toll, schön für dich.."

"Sie ist das perfekte Mädchen, das dir beibringen kann, wie man das auf die Reihe bekommt.." Wataru empfand das immer noch als eine dumme Idee. "Gib es zu, du hast es noch nie getan." Der 17-jährige war hochrot geworden. "Gomene, ich muss nach Hause, meine Eltern bringen mich sonst um." Mit den Worten war der Junge davon gelaufen und hatte Kôji stehen lassen.
 

"Unschuldslämmchen.." flüsterte dieser in sich hinein. "Man sieht es ihm an....."
 

*****
 

Wataru klingelte Sturm bei Shina, aber entweder war sie nicht da, oder wollte es einfach nicht sein. Sein Blick schweifte zu Boden, wo er dann auch eine Weile hängen blieb. Weiterhin klingelte er, als dann plötzlich jemand von hinten mit ihm sprach: "Hast du 'nen Knall?" fragte derjenige bissig und Wataru drehte sich hastig um. Es war Ryochi, Watarus Blick verfinsterte sich schlagartig. "Wer hier wohl 'nen Knall hat.." Ryo zog ihn von der Klingel weg und stichelte ihn mit seinem Blick.

"Na du hast einen", meinte er. "Sie ist krank und liegt im Bett, um zu schlafen und du hast nichts besseres zu tun als wie ein Irrer zu klingeln. Aber sonst geht's noch!" Wataru fand es alles andere als lustig, dass ausgerechnet ,er' Kritik an ihm übte. "Sie ist doch nicht krank, es war.." Der Junge verkniff es sich, weil Ryochi nicht unbedingt wissen musste, dass er die Schuld daran trug, dass Shina nicht in der Schule gewesen war.
 

Was ging nur in diesem Kerl vor sich, Ryo hatte normalerweise nichts gegen ihn, aber Wataru schien ihn ja regelrecht zu verabscheuen, dabei hatte er gar keinen Grund dazu. "Ich weiß nicht, was du für Probleme mit mir hast, aber zieh um Himmels Willen nicht auch noch andere da mit hinein." Man sah Wataru an, dass er kochte als Ryo ihm das sagte. "Shina verdient es nicht, dass man sie so behandelt."
 

Ihm platzte fast der Kragen, Wataru musste sich wirklich sehr beherrschen, um ihn nicht niederzuschlagen. "Wie behandele ich sie denn?" wollte er in einem sehr hämischen Unterton wissen. Jetzt war er ja mal gespannt. Hatte er Shina jemals falsch behandelt? Und wenn schon, dann konnte das so ein Typ sicherlich nicht wissen. "Denkst du, dass du mich so einfach los wirst, damit du freie Bahn bei ihr hast? Das werde ich nämlich nicht zulassen, zufälligerweise liegt mir nämlich sehr viel an ihr. Und ich werde nie zulassen, dass *DU* sie bekommst. Sie verdient was besseres, als so einen Playboy!" Geladen, war das richtige Wort, um Watarus Gefühlszustand zu beschreiben.
 

Wenigstens wusste er jetzt, was der Junge von ihm hielt. Playboy hatte er ihn genannt, der kannte ihn aber schlecht. Ryochi grinste ungehalten, denn in diesem Moment war ihm wirklich alles klar geworden. "Jetzt weiß ich, was los ist, du bist eifersüchtig auf mich, deswegen führst du dich so auf. Du glaubst ja gar nicht, wie sehr du Shina mit deinem Verhalten verletzt. Als ihr bester Freund fängst du jetzt an aufzumucken, weil sie einen Anderen lieber hat als dich. Das ist doch kindisch. Fang mal an über dich nachzudenken." Der Junge ergriff Watarus Schulter mit seiner Hand und dieser schlug sie beiseite. "Du bist in sie verliebt, aber sie nicht in dich, daher weht der Wind, oder?"
 

Der andere Junge fühlte sich von Ryochi provoziert, er knurrte ihn wütend an und seine Augen verengten sich zu Schlitzen. Dann sagte Ryochi die Worte, die sein Fass zum überlaufen brachten: "Sie braucht keinen besten Freund, der sie flachlegen will! Ich warne dich, lass lieber die Finger von ihr, sonst lernst du den Playboy mal kennen!" Ryo hatte ihm mit dem Zeigefinger gegen die Brust getippt. Der warnte ihn?? Das ließ er sich von dem Kerl nicht sagen. Er wollte sie ja nur flachlegen, hatte der überhaupt noch alle Tassen im Schrank? Es waren doch nicht alle so wie der. Wataru tickte vollkommen aus und schlug ihm mit der rechten Faust ins Gesicht, es war einfach zuviel gewesen.
 

Das Geräusch, als Ryochi gegen die Mülltonne knallte, weil der Schlag nicht erwartet und auch noch ziemlich heftig war, war Shina nicht unbemerkt geblieben, dadurch war sie jetzt auch wach geworden. Sie öffnete ihr Fenster und starrte hinaus, was war denn da los?? Das Mädchen rannte die Treppe hinab und riss die Tür auf. "Was macht ihr denn hier, eh??" wollte sie wissen und schaute Beide tadelnd an. Erschrocken hatte sich Wataru zu seiner Freundin herum gedreht. "Er hat angefangen!" meinte er mit aufbrausender Stimme.

"Von wegen", wehrte sich Ryochi gegen die Worte und keuchte auf. Der hatte echt ordentlich zugelangt.

"Aha." Shina wusste wirklich nicht, was sie glauben sollte. Beide waren nicht der Typ für Schlägereien, aber so wie Wataru in letzter Zeit drauf war.. glaubte sie wohl ihrem neuen Freund mehr als ihm, auch wenn er ihr bester Freund war. Trotzdem, egal, wer er war, jetzt war er entschieden zu weit gegangen. "Sicher, deswegen hält sich der arme Ryochi jetzt den Unterkiefer! Hast du einen Knall, Wataru? Ich dachte du wirst jetzt vernünftig! Was soll das denn werden? Wenn du nicht damit aufhörst, werden wir gewaltige Probleme miteinander bekommen, verstanden?"
 

Das war nicht ihr Ernst! Konnte doch wohl nicht so sein, oder? "Aber Shina, er hat mich provoziert."

"Das was du provozieren nennst, war nur meine Meinung, die ich geäußert habe." Ryochi erhob sich.

"Na klar, jetzt bin ich wieder an allem Schuld. Er hat eben gesagt, dass ich dich ja nur flachlegen will, kann ich mir doch nicht bieten lassen."

"Ist doch so.." erwiderte Ryo und schlug die Augen nieder. "Eine Entschuldigung wäre nicht schlecht", meinte er ruhig.

"Genau", pflichtete Shina bei.

"Vergiss es! Nicht in hundert Jahren werde ich mich dafür entschuldigen. Er hat's verdient." Es war sein voller Ernst, das konnte man ihm regelrecht ansehen.
 

"Aber mal was ganz anderes", sagte Wataru, nachdem er einen kleinen Moment geschwiegen hatte. "Er meinte, dass ich eifersüchtig bin, weil ich dich liebe.. und er meinte, dass du nicht in mich verliebt bist. Wenn das so ist, dann sag ihm doch, was gestern passiert ist!" forderte er.

".. Hab ich denn gesagt, dass ich dich liebe?" fragte das Mädchen und Wataru senkte den Kopf, das glaubte er jetzt einfach nicht, was wollte sie ihm denn damit jetzt sagen? "Und außerdem.. Ryochi kann doch nichts dafür, dass du mit der Wahrheit nicht klar kommst." Es wurde immer besser, jetzt dachte seine Freundin ernsthaft, dass er sie verführen wollte. Aber sie musste ihn doch kennen, oder? "Spinnst du, wie kannst du so was sagen? .... Nach all der Zeit.."

"Scheint ja für dich nicht mehr zu zählen, du willst mich ja nicht mehr als beste Freundin, du willst was ganz anderes." Was redete sie denn da, Wataru verstand es einfach nicht?! "Du willst etwas, was ich dir nicht geben kann und will." Warum verletzte sie ihn denn jetzt so, was bewog sie dazu, diese Dinge zu sagen? Er wusste, dass sie es genossen hatte als sie sich geküsst hatten, oder hatte er sich schon wieder einmal geirrt? "Aber gestern.. fandest du doch noch, dass wir zusammen gehören, oder nicht?"

"Ja, bis du mich mit deinem fiesen Blick fast ausgezogen hast." Hatte er sie wirklich dermaßen bedrängt???
 

Shina hasste sich selbst dafür, dass sie so etwas gesagt hatte, aber genauso war es doch gewesen, sie hatte das Gefühl gehabt, dass ihn seine Gefühle verändert hatten, was ihr gar nicht gefiel. Den süßen und unschuldigen Wataru wollte sie am besten wieder haben. Der hatte sich nämlich nie getraut sie ,so' anzumachen.
 

"Mag ja sein, dass sich einiges verändert hat", sprach Wataru leise aus. "Aber.. ich.. habs nicht böse gemeint.. aber du bist nun mal.." Seine Stimme war nur noch ein Stottern. Der Junge entschied sich etwas anderes zu sagen. "Ich kann doch nicht zulassen, dass du auf ihn hereinfällst." Sein Blick war ernst und voller Selbstvertrauen. "Mach dich doch nicht unglücklich, ich hab ihn heute noch mit Akemi zusammen gesehen, sie schienen sich ganz besonders gut zu verstehen."
 

"Ich glaube keinen Jungs, die etwas von mir wollen, merk dir das mal! Was sagt mir, dass du das nicht erfunden hast, um ihn schlecht zu machen?"
 

"Boah, mir reicht's, dann werd doch glücklich mit ihm, dann war's das wohl. Ich kann nicht mit jemanden befreundet sein, der mich für einen Lügner hält." Es hatte ihn wirklich sehr verletzt, er wollte nicht mehr und er konnte nicht. ".. Mach's gut.." Er drehte sich um und verschwand um die nächste Straßenecke. Shina wäre beinahe so weit gewesen ihm nachzulaufen, aber Ryo hielt sie davon ab. "Lass ihn, er beruhigt sich bestimmt wieder."
 

Aber was wenn nicht, was dann?

30. Juli - Meine Welt zerbricht....

Ein fröhliches, rothaariges Mädchen rannte durch das Haus, polterte dabei ständig die Treppe hoch und wieder runter. Der Krach hatte den 17-jährigen Jungen seines Schlafes beraubt, auch wenn er nicht vorgehabt hatte, schon aufzustehen. Seit 5 Tagen spielte er nun schon krank und daran hatte er auch nicht vor eine Änderung vorzunehmen. Halbwach ging er vor die Tür und schnappte sich Riinas Handgelenk, als sie mal wieder die Treppe hinabrennen wollte.

"Musst du immer so einen Lärm machen? Ich wollte doch noch schlafen", beschwerte sich Wataru bei seiner kleinen Schwester.
 

"Unverschämtheit, ich mache keinen Lärm! Was kann ich dafür, wenn du das als Lärm empfindest..? Ich hab eben nicht so viel Zeit wie du, ich muss in die Schule, ganz im Gegensatz zu dir.. deswegen renne ich hier so rum."
 

Was für eine tolle Entschuldigung. "Man, dann renn doch leise hier rum, du nervst, ist dir doch hoffentlich klar? Ich will noch 'ne Runde pennen, also bitte, tu mir den Gefallen."

"Nix da.. unsere Mutter meinte, dass sie dich gleich wecken kommt und dich dann zur Schule schickt. Ich glaube, sie kauft dir deine Magenschmerzen nicht mehr ab." Wataru seufzte, na wunderbar, dann würde er Shina heute wohl wiedersehen müssen, es sei denn er schwänzte die Schule, wofür er nur Ärger einkassieren würde.

"Danke für die Warnung.. bis später dann." Er ließ das Mädchen stehen, ging wieder ins Zimmer und beförderte die Tür mit einem Fußtritt ins Schloss.
 

Was hatte der denn auf einmal für ein Benehmen drauf? Riina wunderte sich ein Bisschen und zuckte mit den Schultern. Sie dachte nicht weiter darüber nach und ging langsam die Treppe hinab, um noch schnell etwas zu frühstücken, oder wohl eher runterzuschlingen.
 

Wataru kam geduscht und fertig angezogen die Treppe runter, nachdem er versucht hatte sich noch einmal hinzulegen, aber bei seiner Mutter war es vergeblich gewesen, weiter den Kranken zu spielen. Sie hatte nur gemeint, dass er vor seinen Problemen gefälligst nicht weglaufen, sondern sich ihnen stellen sollte. So in der Art sollte es kommen...
 

***
 

Genervt kaute der Junge auf seinem Toast herum, als ihm Akemi auf einmal auf die Schulter tippte. "Morgen! Na, endlich wieder fit?" begrüßte sie ihn. Er schaute sie mit einem traurigen Lächeln an und das Mädchen fragte sich, wieso er sie so anblickte, bis ihr die Sache mit ihrer besten Freundin auch wieder in den Sinn kam, doch sie lieber schwieg, da das Mädchen schließlich wusste, dass Wataru Shina mehr als nur mochte.
 

Wataru gab ein genervtes Seufzen von sich. Sie wusste doch mit Sicherheit, dass er sich in Shina verliebt hatte und doch tat sie so, als sei sie nicht überrascht. "Ich war nie krank, Akemi, ich hab mich nur vor etwas gedrückt!" sagte er leise. "Du dürftest auch wissen vor was, aber egal, wir sollten uns beeilen, sonst kommen wir zu spät!" Für einen Moment dachte er über Kôjis Vorschlag, sich an Akemi ranzuschmeißen, nach, aber Watarus Verstand sagte ihm, dass er das besser nicht tat, also ließ er den Gedanken ganz sein.
 

"Ich hab es geahnt, aber gewusst hab ich's nicht. Was war überhaupt los? Shina hat total geheimnisvoll gemeint, dass ich dich doch selbst fragen soll." Akemi schaute Shinas besten Freund prüfend an, aber er schien völlig gelassen zu sein. "Na los, sag schon, mir kannst du alles sagen, ohne befürchten zu müssen, dass ich zu deiner Freundin renne und ihr alles sage."
 

"Das ist lieb von dir, aber.. ich behalte es doch besser für mich, was mit mir los ist."

"Wieso denn das?" fragte sie etwas verwirrt.

"Weil es mir irgendwie fast schon peinlich ist, wie ich reagiert habe.."

"Worauf denn?" Mittlerweile war Wataru so weit, dass er sich ausgehorcht fühlte.
 

Eigentlich hatte Akemi selbst genug Probleme, die sie keinem gegenüber erwähnte, aber trotzdem war es ihr nicht weniger wichtig, zu erfahren, was mit ihren Freunden los war und wenn sie Kummer hatten, wollte sie ihnen helfen und am liebsten deren Probleme lösen. Das hatte sie stets versucht, mit mehr oder weniger Erfolg.
 

Worauf er reagiert hatte? Na auf Shina, auf sonst eigentlich gar nichts. Wataru hatte sich doch schamlos gehen lassen. Das konnte man einem Mädchen wie Akemi doch nicht einfach sagen, das gehörte sich nicht. "Ich hab sie bedrängt.." Mit niedergeschlagenem Blick setzte der Junge zum Rennen an und lief davon. Es war schwierig für ihn gewesen überhaupt zu sagen, was er getan hatte, das ließ weitere Ausführungen nicht zu.
 

Aus ihren Gedanken jäh entrissen, schaute Akemi auf und bemerkte, dass Wataru vor ihr flüchtete. "Warte doch!" rief sie ihm deswegen nach und begann ebenfalls zu rennen, sie war schon immer recht gut im Sprint gewesen, darum schaffte sie es auch bald ihn einzuholen und seine Hand zu schnappen. "Hey..", sagte sie keuchend. "Das ist kein Grund wegzurennen. Ich weiß das doch schon, dass du sie geküsst hast und das ist sicher nicht der Grund dafür, dass du die Schule schwänzt, wenn doch, dann ist das ziemlich dumm!" Eigentlich wollte sie ihn nicht verurteilen und doch tat sie das auf irgendeine Weise. "Tut mir leid, ich wollte nicht laut werden. Ich kann's nur nicht glauben, dass du vor deiner besten Freundin die Flucht ergreifst und die Schule schwänzt, statt mal mit ihr zu reden."
 

"Ich bin ein Feigling, ja.. da hast du recht. Ich war vor ein paar Tagen bei Shina und Ryo war auch da, wir standen vor der Haustür. Dort sind wir aneinander geraten und wurden handgreiflich. Alles sah aus, als wäre ich eifersüchtig und wollte Ryo schlecht machen, aber das ist nicht so, zumindest will ich ihn nicht schlecht machen, obwohl, doch das will ich. Aber nur, weil ich finde, dass er sich vorbei benimmt. Ich will Shina doch bloß beschützen, aber sie meint, ich tue das nur, weil ich eifersüchtig bin. Vielleicht stimmt auch das, ich bin so ein Idiot!" Ihm war so elend zu Mute, dass er am liebsten wieder nach hause gehen würde, um ja niemandem begegnen zu müssen. "Außerdem hat dieser Idiot behauptet, dass sie keinen besten Freund braucht, der sie bloß flachlegen will. Dann hat der das auch noch vor Shina bestätigt, ich hasse ihn so.. diesen miesen Intriganten.."
 

Er war total verwirrt und redete Unsinn, den Akemi nicht so ganz verstand. Der Junge wiedersprach sich mal wieder selbst, das passierte ziemlich oft. "Noch mal von vorne und vor allem langsam. Du und Ryo, ihr habt euch geprügelt und Shina, was hat sie getan? Euch dabei erwischt?"

"Ja", antwortete er kleinlaut und schaute leicht zur Seite. Sein verletzter Blick schmerzte Akemi, sie wollte ihm gerne helfen, aber wusste nicht wie. "Und dann? Was hast du ihr gesagt, weshalb ihr euch geprügelt habt?"

"Na ja.. du kennst Shina, wenn sie etwas wissen will, dann bekommt sie es immer heraus, sie ist doch eine kleine Detektivin, sie kommt ganz nach ihrem Vater! Sie hat.. ihn in Schutz genommen, dabei hat der mich so provoziert, dass ich ihm einfach eine reingehauen hab." Wataru seufzte wieder, bevor er noch etwas hinzufügte. "Er weiß, dass ich Shina liebe und daher weiß er auch, dass ich eifersüchtig bin. Der wird doch all sein Wissen nutzen, um ihr klarzumachen, dass ich unsere Freundschaft verraten habe.. und nachdem, was Shina so sagte, vertraut sie sowieso ihm mehr, als mir. Du glaubst gar nicht, wie sehr mich das alles verletzt. Am liebsten wäre ich tot.."

Das durfte doch nicht wahr sein, er konnte doch nicht einfach solche Dinge sagen. "Sie liebt mich nicht, das hat sie doch quasi gesagt, als sie meinte: Hab ich dir denn gesagt, dass ich dich liebe..?" Akemi hatte das Gefühl, dass er das mit dem Sterben vollkommen ernst meinte.

"Na komm.. du wirst eine ganze tolle Freundin finden, du bist doch noch jung, es kommt sicher eine, die viel besser ist, als Shina." Sie legte ihre Hand auf seine Schulter und versuchte ihm auf die Weise Trost zu spenden.

"Leider kam dieser eine Kuss so bei mir an, als würde sie mich lieben, das hat alles noch schlimmer gemacht. Ich hab das Gefühl, dass meine ganze Welt gerade in sich zusammenfällt."
 

Ihm standen schon Tränen in den Augen, bevor er mit Akemi sprach und seine Stimme klang dann dadurch sehr angegriffen,. "Ich werde nie eine abkriegen.. die Mädchen stehen doch nun wirklich nicht auf Leute wie mich, das ist vergebene Liebesmühe." Der Junge war deprimiert und anscheinend konnte ihn da keiner außer Shina wieder rausbekommen, so war es immer gewesen, sie war die einzige, die an ihn herankam und ihn zur Vernunft bringen konnte. Wie konnte sie ihm nur wehtun? Wahrscheinlich hasste sie sich auch noch dafür, dass sie das tat. Wer sollte ihr da bitte mehr leid tun? Ihre Freundin oder Wataru? Akemi wusste nichts mehr zu sagen, außer: "Kopf hoch, das wird schon werden." Sie sagte es als Aufmunterung, auch wenn sie wusste, dass er ihr nichts davon glaubte. Sie würde wohl mit Shina mal ein ernstes Wörtchen reden müssen.
 

***
 

Den Rest des Weges hatten sie geschwiegen, dann als sie in die Klasse kamen, stürmten mehrere Jungs auf Wataru zu und machten ihm Vorwürfe. "Was hast du dir dabei gedacht? Wie kannst du so gemeine Intrigen spinnen, um Shinas Beziehung zu zerstören? Was bist du bloß für ein Mensch?" Wataru wandte sich ab, er ertrug diese Anschuldigungen nicht, als noch einer seiner Feinde, er hieß Toshizo Katô, ankam und laut, so dass alle es hören würden, sagte: "Das tut er, weil er weiß, dass sie ihn nie gewollt hat, außerdem, wusstet ihr nicht, dass er nur mit ihr befreundet *war*, weil er was von ihr wollte? Er wird ihr zu nahe gekommen sein und sie hat ihn abgewiesen, dann fing er an Ryochi schlecht zu machen, weil er ja eh weiß, dass er ihm nicht das Wasser reichen kann!" Akemi stieß den Kerl beiseite. "Los, verzieh dich, das geht dich doch wohl überhaupt nichts an, was zwischen den beiden *war* und sein wird. Mach dich nicht so wichtig!" Akemi fasste es nicht, aber es hätte ihr klar sein müssen, dass diese ganzen Neider auf dem armen Jungen rumhacken würden. Und ausgerechnet jetzt war Shina nicht da, deswegen sah es Akemi als ihre Pflicht an die Schwächeren zu beschützen, so wie Shina das immer tat. Wataru war ganz alleine und fast die ganze Klasse ging auf ihn los, das war mehr als unfair. "Lasst ihn ja in Ruhe, sonst sag ich es dem Lehrer, dann bekommt ihr alle 'ne Menge Ärger!" Nachdem sie das sagte, setzten sich alle an ihren Platz und Akemi tat es ihnen gleich.
 

Wenig später trat auch schon der Lehrer ein, diesmal in Begleitung eines Mädchens. "Guten Morgen, ihr Lieben!", begrüßte er die Klasse. "Ich bringe euch eine neue Mitschülerin. Ihr werdet sie mit Respekt behandeln, sie ist neu hier, da sie mit ihrer Familie umgezogen ist. Sie ging in Nagoya auf eine Privatschule und hat dort sehr gute Leistungen erbracht, was heißt, dass sie euch mit gutem Beispiel voran gehen wird. Aber stell dich doch bitte selbst vor."
 

"Hallo alle zusammen, ich bin.." Sie war nervös und stotterte etwas. "Ich bin Yumikô Otaké." Sie verbeugte sich tief und machte einen sehr ordentlichen und wohlerzogenen Eindruck. "Ich hoffe wir kommen gut miteinander aus." Sie lächelte nett und schaute den Lehrer ratsuchend an.

"Neben dem Jungen ganz rechts in der zweiten Reihe ist noch ein Platz frei, setze dich doch bitte dahin." Yumikô ließ ihren Blick durch das Klassenzimmer schweifen, jeder schaute sie prüfend an, sie mochte es nicht, wenn man sie so anstarrte und wurde leicht rot, dann ging sie auf den Jungen zu, der aus dem Fenster starrte und den offensichtlich nichts anderes als das Wetter zu interessieren schien. Er war der einzige Junge, der sie nicht anstarrte, als wollte er sie ausziehen. Normalerweise hatte sie auch etwas gegen Jungs, die hielten sie nur von den wichtigen Dingen im Leben ab, aber dieser Junge schien anders zu sein, er wirkte nicht wie ein Macho, auch wenn er gut als einer durchgegangen wäre, wenn man ihn sich so ansah. "Hallo..", sagte sie schüchtern und er blickte an ihr hoch.

"Hi!" Er war mehr als desinteressiert, versuchte jedoch nett wie immer zu sein. Sie setzte sich neben ihn und für einen Moment trafen sich ihre Blicke. Sie war hin und weg von seinen aufrichtigen Augen und versank sogar für fast eine halbe Minute in ihnen. "Wie heißt du?" fragte sie ihn mit einiger Überwindung und er grinste etwas.

"Ich bin Wataru Takagi und wie es scheint, bist du jetzt meine Banknachbarin. Wenn du Hilfe brauchst, oder so, dann helfe ich dir gerne." Er war wirklich nett. Sie wusste nicht, was das für ein Gefühl war, aber ihr Herz schlug um Längen schneller, als zuvor. "Dankeschön, das ist nett von dir. Was für ein Fach haben wir jetzt?" fragte sie ihn und er beugte sich leicht zu ihr rüber. "Wir haben Mathematik und der Lehrer ist bei weitem nicht so nett, wie er ausschaut", warnte er sie, als in dem Moment die Tür aufging und eine aufgeregte Shina Kudô herein kam.
 

"Entschuldigen sie, Herr Natsukawa", sagte sie schwer atmend, "Ich musste der Polizei Hilfe leisten, deswegen komme ich etwas zu spät, auch wenn ich gerannt bin."

"Setz dich einfach und hol deine Sache heraus." Ein brummiger Ton war in die Stimme des Lehrers gefahren, so dass sich die Schülerin sofort auf ihren Platz setzte.
 

Watarus gute Laune war einigermaßen wiederhergestellt, als er sich nett mit dem Mädchen unterhielt, allerdings nur so lange, bis Shina ins Klassenzimmer kam. In seinem Herzen kam ein derartiger Schmerz auf, dass es ihm fast unmöglich war, zu atmen.

Wie sollte er diesen Tag nur überstehen?

Unwillkürlich rutschte er näher an Yumikô heran und flüsterte ihr etwas sanft ins Ohr, als Shina genau an ihm vorbei ging. "Siehst du, so ist der wirklich, er meckert und meckert, was das Zeug hält und manchmal brüllt er, wenn wir was falsch machen. Aber keine Angst, der tut nur so böse, er will uns allen Angst machen, geh einfach nicht drauf ein." Es hatte sein müssen, dass er mit dem Mädchen flirtete, um Shina etwas eifersüchtig zu machen, er konnte ja nicht wissen, dass er Shina damit verletzen würde.
 

Das hellbraunhaarige Mädchen musste eine eiserne Beherrschung aufbringen, um nicht stehen zu bleiben, sie ging einfach weiter und setzte sich hinter Wataru. Sie starrte einen Moment ziemlich deprimiert vor sich, jedoch fasste sie sich dann wieder, auch wenn es tief in ihrem Herzen schmerzte, dass Wataru mit dem Mädchen so ungezwungen plauderte. Sie schienen sich gut zu verstehen, also hatte sie kein Recht darauf, Neid zu empfinden, er hatte es verdient, sie durfte ihm deswegen nicht böse sein. Wenn er glücklich war, dann war sie es auch, also nahm sie es einfach hin, selbst wenn sie das Gefühl hatte, als wolle er, dass dieses Mädchen sie ersetze. Seine neue beste Freundin, weil es zwischen ihnen gekracht hatte. So schnell gab er also auf? Das war die Sache, die sie so verletzen konnte, dass er nicht einmal mit ihr redete und sie links liegen ließ, als hätte er sie nie gekannt. Konnte seine Liebe alles da gewesene zerstören? Wenn dem so war, dann wollte sie seine Liebe gar nicht erst haben, weil es früher oder später dann sowieso Probleme gegeben hätte, nur dass es dann womöglich noch mehr wehgetan hätte.
 

***
 

Die Schulglocke erklang. Die Neue hatte bewiesen, dass sie einiges auf dem Kasten hatte und schaffte es sogar, Wataru etwas zu beeindrucken. Er ließ sie keinen Moment mehr aus den Augen und klebte förmlich an ihr. Dass er Shina damit verdammt hart traf, merkte er nicht. Er hing mit ihr zusammen, als würden sie sich schon ewig kennen, auch wenn das nur einige Stunden der Fall war.

Nachdem jetzt also die Schule aus war, machte er ihr das Angebot sie nach Hause zu bringen.

Shina fühlte sich alleine, Ryo war heute auch nicht da, wieso wusste sie nicht einmal. Er schien ein Geheimnis vor allen zu haben, aber Shina setzte sich zum Ziel, dieses Geheimnis zu lüften, sie wollte schließlich wissen, was ihr neuer Freund zu verbergen hatte.

Sie packte ihre Schulsachen ordentlich zusammen und verließ das Klassenzimmer als letzte, da sie etwas getrödelt hatte. Als sie nach draußen ging, stand Akemi an die Wand gelehnt neben der Tür und erschreckte Shina fast ein wenig, als sie sich von der Wand löste und dann vor ihr stand. "Shina, ich muss dringend mal mit dir reden, du warst heute so still, das kenne ich gar nicht an dir", fing Akemi an und merkte schon wie ihre Freundin den Kopf senkte, was nichts gutes zu verheißen hatte, man sah ja regelrecht wie es dem Mädchen jetzt ging. "Na komm, lass uns woanders hingehen, hier könnte man uns belauschen." Sie nahm ihre Freundin am Handgelenk und zog sie etwas hinter sich her, bis sie bei einem Park ankamen und eine Stelle suchten, an der nichts los war.

Sie setzten sich auf eine Bank und Akemi nahm Shina leicht in den Arm.

"Ich hab heute morgen mit Wataru geredet", versuchte sie einen Anfang zu finden, wusste aber nicht so recht, wie sie das schaffen sollte. "Er sah genauso aus, wie du jetzt.. ihr solltet noch mal miteinander reden."
 

Das Mädchen funkelte Akemi auf einmal böse an. "So wie der heute herumgegrinst hat, kann es ihm wohl kaum genauso gehen, wie mir. Wenn doch, dann hat er sich auf einmal zu einem Super-Schauspieler entwickelt. Du weißt so gut wie ich, dass er noch nie sonderlich gut darin war, Leuten etwas vorzumachen. Noch dazu kommt, dass er absichtlich mit diesem Mädchen abhängt, um mir zu zeigen, dass ich ja nicht die einzige Person bin, die sich als seine beste Freundin bezeichnen kann. Hast du das heute gesehen, er hat getan, als wenn mich dieses Mädchen ersetzen soll?! Er hat mich ja nicht mal angesehen, er war bloß mit ihr beschäftigt, sonst hat er nichts gesehen. Wenn sie so toll ist und er sich ja so super mit ihr versteht, dann halte ich mich eben zurück. Wenn es ihm dann besser geht, meinetwegen. Er tut ja so, als wenn er mit mir nur gelitten hätte. Wenn das so ist, dann ist es wirklich besser.. wenn.. wir.. nicht mehr befreundet sind.." Sie schaute zur Seite und ihre Augen wirkten glasig. "Es ist doch vollkommen egal, was ich fühle, es ist doch viel wichtiger, dass es ihm gut geht."
 

"Rede doch nicht solchen Mist, als ich ihn heute morgen getroffen hab, hat er eher den Eindruck gemacht, als wenn alles keinen Sinn mehr für ihn macht. Er hat mal wieder davon geredet, dass er sterben will. Es geht ihm überhaupt nicht gut, glaub mir doch. Auch wenn er sich jetzt an dieses Mädchen klammert, tut er das doch nur, weil er sich alleine fühlt und glaubt niemanden mehr zu haben. Wärst du nicht zu spät gekommen, wüsstest du, dass alle auf deiner Seite zu sein scheinen. Was in ihm vorgehen könnte, hat sie doch gar nicht interessiert. Sie sind auf ihn losgegangen und haben ihm Vorwürfe gemacht. Irgendwie hab ich das Gefühl, dass ich die Einzige war, die überhaupt noch mit ihm befreundet sein will. Wir haben echt eine bescheuerte Klasse. Kaum ist Kôji mal krank, steht er völlig alleine da. Kannst du dir nicht vorstellen, dass er sich vor den Kopf gestoßen fühlt, wenn sich alle von ihm abwenden, weil du mit ihm Streit hattest? Kôji ist einer der wenigen Jungs, die noch zu ihm halten, sogar Kenji und Toshizo haben ihn heute morgen angemosert und ihn mit Worten verletzt. Du kennst Wataru, der nimmt sich alles zu Herzen."
 

"Oje, das wollte ich nicht, ich will nicht, dass irgendjemand ihm Vorwürfe macht. Er hat sich einfach in die falsche Person verliebt, deswegen können die doch nicht auf ihn losgehen. Ich werde wohl mit den Leuten, die das tun mal ein paar Worte wechseln müssen, dass sie das sein lassen. Ich kann's einfach nicht ertragen, wenn er leiden muss, deswegen finde ich es ja besser, wenn wir nicht mehr befreundet sind, dann kann er darüber hinwegkommen, was passiert ist. Und dieses Mädchen wird ihm sicher dabei helfen, sie scheint ganz in Ordnung zu sein, das perfekte Mädchen für ihn also, egal was mit mir ist." Shina drückte ihren Kopf an Akemis Schulter und sie konnte es nicht mehr verhindern, dass sie nach ihren Worten zu weinen begann. Sie und Wataru kannten sich nun schon so lange Zeit, dass es ihr schwerfiel, einfach loszulassen. Sie wusste, dass ihre beste Freundin ihr dabei helfen konnte. Auch wenn sie jetzt vielleicht leiden musste, es war es im Grunde doch wert.
 

***
 

Wataru verabschiedete sich von seiner neuen Kameradin und ging in eine andere Richtung, da er dringend nach Hause musste. So trennten sich ihre Wege, obgleich Yumikô ihm lange hinterher sah und sich schließlich entschloss, ihm zu folgen, auch wenn man das nicht machte. Sie wollte wissen, wo der wundervolle Junge wohnte. So ging sie ihm nach, ohne zu ahnen, was schreckliches passieren würde.....
 

Ein pechschwarzer BMW-Cabrio parkte ganz in der Nähe des Jungen und wartete nur darauf, dass dieser bei ihm ankam. Sein Sohn hatte ein ausgeprägtes Wissen auf dem Gebiet der Technik und er wollte, dass er zu ihm gehörte und für seine Organisation arbeitete. Dass der Junge Polizist werden wollte, interessierte den Mann nicht. Gerade deswegen wollte er Wataru umpolen. Er wollte, dass er das tat, was sein Vater wollte, nicht das was er plante. Polizisten waren niedere Menschen, die es mit ihm nicht aufnehmen konnten, wirkliche Macht hatte nur seine Organisation. Polizisten waren sowieso nur scheingut, er würde niemals vergessen, wie seine Schwester von denen ermordet worden war. So einem Gesindel würde er seinen Sohn nicht überlassen, vorher würde er ihn töten, wenn es sein musste.
 

Wataru blieb stehen, da ihm das Auto sehr bekannt vorkam, dabei beschlich ihn ein mehr als mulmiges Gefühl. Sein Vater liebte seinen schwarzen BMW über alles und der Junge hätte schwören können, dass es das Auto seines Vaters war, das hier stand. Er wollte ihn nicht sehen, weil er ihm viel zu sehr wehgetan hatte. Na ja, sein Leid war nicht von Bedeutung, aber was er der armen Riina angetan hatte, war echt zu viel. Fast zwei Jahre hatte Wataru seinen missratenen Vater nicht mehr gesehen und er wünschte sich, dass er für immer aus seinem Leben verschwunden wäre, aber was wenn er zurück war? Vielleicht wollte dieser Mistkerl sich auch noch dafür rächen, dass man ihn aus dem Haus gejagt hatte. Und Wataru wusste nicht, ob er ihm in seinem seelischen Zustand standhalten würde.

Der Junge entschied sich wegzulaufen.
 

Die Wagentür öffnete sich plötzlich, ein Mann und eine Frau stiegen aus. Ein Kerl mittleren Alters und eine Frau, die etwas jünger als er zu sein schien, aber beide hatten sie etwas geheimnisvolles an sich, da sie eine Sonnenbrille trugen. Wataru wurde geschnappt und in eine Seitengasse verschleppt, was Yumikô aus der Entfernung jedoch gut genug erkennen konnte, um zu wissen, dass man ihm etwas antun wollte.

Sie begann zu rennen, als man den Jungen in die Gasse verschwinden sah, nachdem die beiden Leute ihn mit sich gezerrt hatten.
 

Der Mann in Schwarz warf seinen Sohn zu Boden und zückte seine Waffe. "Mach keinen Mist. Ich warne dich, wenn du auch nur eine falsche Bewegung machst, dann siehst du nie mehr die Sonne, wenn sie aufgeht! Ich hab mich entschlossen, dich bei mir aufzunehmen, du wirst für mich arbeiten, das wird deinen eigentlichen Berufswunsch wohl begraben. Du wirst nämlich gegen das Gesetz arbeiten. Deine technischen Kenntnisse sind bei mir viel besser aufgehoben, bei der Polizei wird nur dein Talent für nichts vergeudet, SOHN!"
 

Die Frau, die bei dem Mann war, blickte schockiert auf den wehrlosen Jungen am Boden. Das war sein Sohn? Sie fasste es nicht. Wie konnte er sein eigenes Fleisch und Blut in seine Machenschaften mit hineinziehen wollen? Sie verstand das nicht, denn sie hatte es immer versucht ihre Tochter aus den Dingen, die sich um die Verbrecherorganisation drehten, rauszuhalten! Aus diesem Grund war sie ermordet worden, weil sie denen nichts nutzte. Unzähmbare Wut kam in der Blondine auf. Er wollte seinen Sohn mutwillig in die Verbrecherwelt, in der sie sich befanden, einbringen. Wie so oft wurde ihr klar, was das für ein Mensch war. Ihm waren alle um ihn herum egal, sogar seine eigenen Kinder, sie hasste diesen Mann, jetzt noch mehr als sonst. "Los, fessele ihn!" befahl man ihr. Ein fieses Grinsen schlich sich in das Gesicht der Frau, als sie es hörte.

"Die privaten Probleme der Organisationsmitglieder haben mich nicht zu interessieren!" sagte sie eiskalt und wandte dem Mann den Rücken zu. Damit wollte sie rein gar nichts zu tun haben. Sie wusste, sein Zorn würde sie deswegen treffen, vielleicht würde man sie auch umbringen, aber sie würde hier definitiv nicht mitspielen. Nicht bei einer Entführung eines Kindes. Ja, ein Junge, der nicht einmal wusste, dass sein Vater ein so gefährlicher Mann war, dass man, wenn man sich gegen ihn stellt, wahrscheinlich eliminiert wurde. Leider hatte sie nicht den Mumm, dem Jungen zu helfen, das wäre ein böser Verrat und sie wollte sich gar nicht erst ausmalen, was der Mann dann mit ihr anstellen würde.

Sie wusste, ihr Boss würde ihr jetzt nicht folgen, damit würde er nur riskieren, dass ihm der Sohn durch die Lappen ging.
 

Yumikô konnte beobachten, wie die blonde Frau, die bis eben noch bei dem schwarzgekleideten Mann war, in einen Porsche stieg, der genauso schwarz war wie das Auto des anderen, und davon fuhr. Sie rannte um die Ecke und beobachtet schockiert, wie man ihren neuen Freund mit einer Waffe bedrohte. Noch lähmte sie die Angst, jedoch holte sie, für den Fall, dass sie ihn gleich attackieren müsste, ihr Tränengas heraus.
 

"Wie erbärmlich..", lästerte der ältere Mann und Wataru rappelte sich leicht auf, worauf man jedoch die Waffe gegen seinen Kopf drückte. "Keine Bewegung, mein Sohn, sonst knallt es im wahrsten Sinne des Wortes."

"Warum lässt du mich nicht einfach in Ruhe, kannst du mir das mal sagen? Und seit wann.. bedrohst du Leute mit einer Waffe? Du bist ja richtig kriminell!" Wataru versuchte aufzustehen.

"Im Grunde kennt mein eigener Sohn mich zu wenig, um zu bemerken, dass ich diesen auch erschießen würde, sonst würde er nicht meine Forderung ignorieren. Ich sagte: Keine Bewegung! Du kommst jetzt mit, wir machen eine Spritztour. Wenn du nicht sterben willst, dann bist du brav, ansonsten bin ich ja gezwungen, dich anzuschießen, genauso wie das deine polizeilichen Helden immer tun, nicht wahr?"
 

Yumikô war noch mehr schockiert, das hier war also sein Vater und er wollte auf ihn schießen. Ihr perfektes Bild von Wataru war zerrissen. Sein Vater war ein Verbrecher, wofür der Junge jedoch nichts konnte. Sie wollte noch eine Reaktion haben, bevor sie eingreifen würde. Wataru erhob sich und hauchte mit einem bösen Unterton: "Leck mich, du verdammter Psychopath, ich will lieber sterben, als für dich arbeiten, jetzt kannst du mich ja erschießen, oder bist du dazu zu schwach, Mistkerl!?" Sie hatte gehofft, dass der Junge auf die Art reagieren würde, mehr wollte sie nicht, sie sah, wie der Mann seine Waffe lud und bereit war abzudrücken, sie zögerte keine Sekunde mehr, riss seinen Arm nach hinten, so dass er nicht in Watarus Richtung abdrücken konnte und hielt ihm das Tränengas direkt vors Gesicht. Er bekam eine Menge davon ab und schrie erst mal auf, weil das Zeug in seinen Augen brannte.
 

Wataru sah Yumikôs Gesicht hinter dem seines Vaters, er wollte nicht, dass sie da mit hinein gezogen wurde und versuchte seinem Vater die Waffe zu entwenden, jedoch schaffte er es einmal abzudrücken. Der Junge wurde am Bein getroffen und ging zu Boden. Als Sein Vater sich zu Yumikô herumdrehte, ein Auge zukniff, erstarrte sie und gab einen laut wiederhallenden Schrei von sich. Sie sah die Waffe vor sich und bekam Panik. Würde er sie jetzt erschießen?

Doch plötzlich tauchte hinter dem Mann eine weitere Person auf.
 

Jemand drückte dem Gangsterboss eine Automatikwaffe gegen den Rücken. "Keine Bewegung! So sagt man das doch bei euch, nicht wahr?" Eine beißend sarkastische Stimme war zu hören. Chardonnay knurrte, weil er es hasste, von hinten bedroht zu werden und er wagte es nicht, sich umzudrehen. Jetzt wäre es ihm lieber gewesen, sein Schätzchen wäre hier, sie könnte ihm helfen, aber dieses Miststück hatte sich einfach verdünnisiert. Nun stand er alleine da.
 

Man bedrohte einen Menschen mit einer gefährlichen Waffe, würde die Person abdrücken, wäre sein Vater tot. Das wollte er nicht, sein Ziel war es in erster Linie, den Mann ins Gefängnis zu bringen. "Hör auf, Ryochi, du weißt ja nicht, was du da tust!" Mit den Worten hatte Wataru die Hand von Ryo nach unten gedrückt und versuchte ihm nun die Pistole wegzunehmen.
 

Das Mädchen wusste, was Wataru meinte und damit sein Vater es nicht doch noch schaffen würde, jemanden zu verletzen, kickte sie ihm die Waffe aus der Hand, die in hohem Bogen über die Köpfe der Beteiligten hinweg flog. Jedoch griff Chardonnay in dem Moment das Mädchen an und sie flog gegen die Wand, so dass der Verbrecher aus der Gasse floh und in sein Auto steigen konnte. Zwar rannte Ryo dem Mann noch nach, bis das Auto davon flitzte, jedoch schaffte es nicht ihn aufzuhalten. Er griff zu seinem Handy, wählte eine Nummer und rief seinen Vater an, damit dieser eine Spezialeinheit zusammenzustellen lassen konnte, die den Kerl verfolgen sollte, immerhin kam es nicht alle Tage vor, dass dieser Mann ihnen allen so nahe war. Meistens versteckte er sich in seinem Loch und kam nur bei sehr wichtigen Aufträgen aus seinem Versteck, das wäre also die Chance ihn zu fassen.

Als er seinen Anruf getätigt hatte, drehte er sich zu den Anwesenden um. "Bist du von Sinnen, Wataru Takagi? Dieser Mann hätte nicht fliehen dürfen! Der Kerl ist ein Serienmörder, Vergewaltiger, Erpresser und Drogendealer und du hilfst ihm zu entkommen?" regte sich Ryo auf, versuchte jedoch ruhig zu klingen.
 

Der zweite Junge zuckte zusammen, allerdings spürte er wahnsinnige Wut auf den Kerl in sich drinnen. "Nein, nicht ich bin von Sinnen, sondern du, schließlich hast du gerade unerlaubterweise mit einer Waffe hantiert. Das ist Menschenrechtsmissachtung. Ich habe ja quasi meinen Vater vor dir gerettet!"
 

"Dein..? Vater???" Entrüstet starrte Ryo den Jungen an und seine Abneigung gegen ihn wuchs noch ein Stückchen mehr. "Jetzt ist mir alles klar, deswegen. Du steckst mit dem unter einer Decke! Außerdem habe ich die Erlaubnis meines Vaters. Ich darf also mit Waffen HANTIEREN!" konterte Ryochi.
 

"Ich glaube so langsam überspannst du den Bogen, Ryochi Akaja!" hörte man eine Stimme sagen, es war Kôji, der ebenfalls das Auto von Watarus Vater gesehen hatte und dachte, dass er ihn lieber mal im Auge behielt. Jedoch war es plötzlich verschwunden und er suchte nach dem Besagtem. Schließlich hatte er es ausfindig gemacht, allerdings wusste er nicht, was geschehen war. "Mag ja sein, dass du Wataru nicht besonders gut leiden kannst, aber mache ihn nicht für die Taten seines Vaters verantwortlich. Dazu hast du nicht das Recht. Er ist nicht wie sein Vater, ich kenne mich da aus, ich kenne ihn immerhin *etwas* länger als du."
 

"Manchmal täuscht man sich sogar in seinen Freunden, Kôji Miura!" erwiderte Ryochi ruhig. "Fakt ist ja erst mal, dass Wataru ohne mich gerade gekidnapped worden wäre und er sich eher bedanken sollte, statt mich so anzubluffen. Und du, du solltest aufpassen was du sagst, ich bin zufälligerweise der Sohn des Polizeipräsidenten! Ihr steht also quasi alle unter mir, das sage ich, ohne eingebildet klingen zu wollen. Es ist nun einmal die Wahrheit."
 

"Du wagst es so über meinen Freund zu reden? Das ist ja, als wenn du ihn als Verbrecher abstempelst, pass auf, ich sag dir jetzt mal was. Das ist Rufmord, sei vorsichtig damit, was du sagst, denn sonst hast du schnell eine Klage am Hals, dann bringt es dir gar nichts, wer dein Vater ist. Du hältst dich wohl jetzt für etwas ganz tolles, weil du dich ihm überlegen fühlst. Er hat sich zufälligerweise seinen Vater nicht ausgesucht, genauso wenig wie du, also lass diesen Mist, sonst bekommst du gewaltigen Ärger. Ich wäre da nämlich mal etwas vorsichtig, Shina und ich wissen mehr als du und solltest du es wagen, Wataru bei Shina schlecht zu machen, wirst du eine Menge Stress mit deiner neuen Freundin haben. Sie kennt seinen Vater nämlich zufälligerweise mehr als gut. Sie hatte schon mal das Vergnügen mit ihm, sie hat erlebt, was für ein Leben Wataru hatte, als sein Vater noch bei seiner Familie gewohnt hat. Frag sie doch mal, damit du wenigstens Bescheid weißt, bevor du deinen Mund so weit aufreißt."
 

"Bist du jetzt fertig?" fragte Ryo gelangweilt. "Dann sag ich dir mal was. Ich bin Detektiv und ich halte mich auch nicht für etwas besseres. Ich kann auch nichts dafür, dass mein Vater Polizeipräsident ist. Vielleicht hab ich den Bogen überspannt, als ich sagte, dass Wataru mit seinem Vater gemeinsame Sache macht. Aber was würdest du denken, wenn du als neuer Schüler hierher kommst und dann herausbekommst, dass einer deiner Mitschüler einen kriminellen Vater hat, dem er dann zufällig zur Flucht verhilft? Sag's mir bitte." Ryochi fühlte sich mies, er wollte niemanden verurteilen, aber für ihn sah es nun mal so aus, als wäre Wataru auf seines Vaters Seite. Die konnten ihm nicht das Gegenteil beweisen, also sollten sie mal ganz ruhig sein. "Nicht, dass du mich jetzt gleich zerfetzt, aber hast du noch nie daran gedacht, dass Wataru euch allen etwas vorspielen könnte? Ich kenne viele Leute, die es schaffen, die ganze Welt hinters Licht zu führen, ich nenne aber keine Namen, da ihr diese wahrscheinlich eh nicht kennen würdet. Es sei denn ihr habt euch näher mit der schwarzen Organisation auseinander gesetzt, in welcher sein Vater wahrscheinlich drin steckt. Jedenfalls ist der Mann gefährlich und Wataru hat dafür gesorgt, dass er fliehen konnte. Also lasst mich denken, was ich will. Fakt ist doch, dass ihr genauso wenig Beweise dafür habt, dass Wataru keine gemeinsame Sache mit seinem Vater macht!"
 

Wataru war deprimiert geworden, er stand auf und ging einfach weg. Yumikô glaubte nichts von dem ganzen Zeug. Nein, er war viel zu gut, um ein Verbrecher zu sein. "Wisst ihr, was ich persönlich denke? Dass Wataru nur einem Menschen versuchte das Leben zu retten, mal daran gedacht? Sein Vater hat ihn beinahe erschossen, weil er sagte, dass er lieber sterben will, als für ihn zu arbeiten, vielleicht hilft dir das, Ryochi Akaja, zu einem Ergebnis zu kommen." Yumikô mochte keine Detektive, weil diese oft mit ihren Tätern Katz und Maus spielten und sie meistens verletzten, aber wieso sie das wusste, blieb erst mal ihr Geheimnis.

"Hey, Wataru, warte doch.." Sie hielt ihn am Handgelenk fest und er riss sich sofort los.
 

"Lasst mich doch alle in Ruhe! Ihr habt doch gehört, was Ryochi gesagt hat, ich bin schlecht für euch, haltet euch von mir fern!" Er ging einfach weiter, ohne das Mädchen oder einen von den anderen noch einmal anzusehen. Er war ein schlechter Mensch, hatte er es doch immer gewusst, er hatte es nicht mal verdient zu leben.
 

Jemanden zu verletzen war Ryochi zuwider, dass er Wataru jetzt womöglich wehgetan hatte, tat ihm zutiefst leid, aber er war ein Detektiv und vertraute in erster Linie nur seinesgleichen und sich selbst. Aber die Wahrheit würde sich bestimmt noch herausstellen und sollte Wataru wirklich nichts mit seinem Vater zu tun haben, was in die Richtung eines Verbrechens ging, dann würde er sich angemessen bei dem Jungen entschuldigen.

2. August - Gefühle, die aus Angst entstanden....

muahahahahahahahahahaa ^^ bin mal gespannt, was ihr davon haltet.. es wird bissel BÖSE XD Ich widme mal den Teil meinem Shinalein, damit sie kommentieren *kann* >DDDDDDDDDDDDDDDDD ich weiß ja, dass sie's liest ^^ Ich sein exited XD *sich wechschaff*
 


 

Schon wieder waren Ferien. Ohne Freunde war man gerade an solchen Tagen sehr einsam. Sommerferien, unendlich viel Zeit und niemand, mit dem man sie verbringen konnte.

Wataru verschloss sich und ließ niemanden mehr an sich heran. Er wollte niemanden in seine Situation hineinziehen, also war er lieber alleine, auch wenn er große Angst vor diesem Umstand hatte.

Er entschloss sich alleine ins Schwimmbad zu gehen, da konnte er sich auch ohne andere Leute amüsieren.
 

Shina versuchte sich mit Yûmikô anzufreunden und schaute einfach an diesem sehr heißen Tag bei ihr vorbei. Sie wollte das Mädchen mal aus ihrer Bude locken. Die Neue war immer am lernen, sie konnte mal eine Pause brauchen. Also fragte sie im Sekretariat nach der Adresse, bevor alle in die Ferien geschickt wurden. An schulfreien Tagen auch noch in der Bude zu hocken, war doch echt zuviel des Guten, ganz besonders im Hochsommer.

Shina klingelte an der Haustüre, anscheinend war das Mädchen alleine zu Hause, denn sie öffnete selbst die Tür des recht großen Hauses. "Ähm, hallo, Shina.. richtig?" Die Angesprochene nahm sich die Sonnenbrille von der Nase und nickte.

"Genau. Schönes Wetter, oder? Hast du Lust mit uns schwimmen zu gehen?"
 

Noch nie war jemand, den sie kaum kannte, dermaßen auf sie zugekommen und hatte sie eingeladen, so dass sie das schlecht ablehnen konnte. "Bist du nicht die Freundin von dem Detektiven, der in unsere Klasse geht?" fragte Yûmikô, die in der Türe stand. "Aber willst du nicht reinkommen? Ich kann dich ja schlecht so vor meiner Tür stehen lassen."

"Gerne." Shina trat ein und schaute sich etwas in dem Haus um. Es war groß, genauso wie ihr zu Hause, also mussten ihre Eltern jede Menge Geld haben, dabei schien sie gar nicht eingebildet zu sein. Wenigstens hatte dann das Geld bei ihr keinen schlechten Einfluss, so wie das bei vielen Leuten war, die sich als was besseres vorkamen, so wie eine gewisse Tochter einer Freundin ihrer Mutter, die sich einerseits für die schönste Frau auf Erden hielt und sich jede Menge rausnahm, weil sie dachte, sich alles erlauben zu können.

"Ja, ich bin mit dem Detektiven zusammen, das hast du richtig erkannt, wieso fragst du?"
 

"Weil der Kerl Leute verurteilt und mir nicht sympathisch ist, sei nicht böse."

"Wie kommst du denn auf so etwas? Ryochi verurteilt niemanden", behaarte sie.

"Doch, tut er, Wataru zum Beispiel. Ich kann dir gerne erzählen, wieso ich das denke." Yûmikô ging mit Shina in die Küche und bot ihr dort einen Eistee an, den Shina gerne annahm, dann fing das Mädchen an zu erzählen.

"Als ich Wataru neulich gefolgt bin, wurde er von zwei Leuten in schwarzen Klamotten überfallen. Der eine stellte sich als sein Vater heraus, der ihm mit einer Pistole gedroht hat. Ich hab ihm eine Ladung Tränengas verpasst und dann wollte er mit seiner Waffe auf mich schießen, in dem Moment tauchte Ryochi auf und drückte dem Mann eine Pistole gegen den Rücken. Wataru hat ihn davon abgehalten, zu schießen und da meinte Ryochi später, weil Watarus Vater fliehen konnte, dass er und sein Vater gemeinsame Sache machen, aber das glaube ich nicht."

"Nein, natürlich nicht! Wataru hatte jede Menge Schwierigkeiten mit seinem Vater. Aber, dass er mit einer Pistole seinen Sohn bedroht, ist merkwürdig. Hast du zufällig mitbekommen, um was es ging?"

"Ja, er hat irgendwas von einer Organisation geredet, in die er einsteigen soll, aber Wataru sagte, dass er lieber sterben will, als das zu tun. Deswegen denke ich auch, dass er mit seinem Vater keine gemeinsame Sache macht. Ich bin zwar kein Detektiv, aber das wusste ich sofort. Trotzdem hat Ryochi ihn verurteilt, bis Wataru weggerannt ist. Seitdem ignoriert er jeden, der ihm über den Weg läuft. Ich glaube, er ist sehr verletzt, dass man ihm so was zutraut." Yûmikô wirkte auf Shina deprimiert, so dass die Detektivin sofort wusste, dass das Mädchen etwas für ihren Freund übrig hatte.
 

"Du magst Wataru, richtig? Das sehe ich dir an. Er ist aber auch ein toller Junge, oder?" Sie bemerkte, wie sich in das Gesicht der Schwarzhaarigen etwas Röte schlich und sie konnte nicht anders und schmunzelte. "Wusst ich's doch. Er beißt nicht, keine Sorge, er ist eigentlich ziemlich friedlich und sehr schüchtern."

"Das hab ich mir fast gedacht. Aber anscheinend kann ihn in seiner Klasse kaum einer leiden, außer Kôji habe ich keinen bemerkt, der sich mit ihm abgibt. Ich fühle mich ihm ein wenig verbunden, ich finde auch sehr schlecht Freunde."

"Das habe ich bemerkt, deswegen will ich ja, dass du mitkommst, dann lernst du ein paar Leute kennen, das wird sicher lustig." Shina lächelte sie nett an und Yûmikô nickte mit einem dankbaren Lächeln. "Ich kann es einfach nicht leiden, wenn jemand ausgeschlossen wird."
 

"Ich geh mir nur schnell einen Bikini holen und meine Schwimmtasche, dann bin ich wieder da." Das Mädchen verschwand die Treppe hinauf und suchte sich Handtücher, ihren Bikini und Duschzeug zusammen, das alles verstaute sie in ihrer Tasche und rannte dann mit dieser wieder zu Shina zurück in die Küche.

"So, fertig, dann können wir ja gehen."
 

***
 

Die Mädchen hatten ihren Spaß, Shina war mit Ryochi am Kuscheln und Yûmikô musste sich die ständigen Baggerversuche von Kenji geben, der unbedingt bei ihr landen wollte, weil sie in ihrem Bikini eine gute Figur hatte, die ihm bisher noch gar nicht aufgefallen war. Er wollte sie die ganze Zeit dazu überreden, dass sie mit ihm ein Eis essen ging und irgendwann ließ sie sich breitschlagen.
 

Da saßen sie also, dicht nebeneinander, jeder mit einem Becher Eis in den Händen, wobei sich Kenji viel mehr für ihr Dekolleté zu interessieren schien, so dass das Eis dabei war zu schmelzen. Er stellte den Becher hin und legte seinen einen Arm um das Mädchen, sie schaute zu ihm zur Seite und er nahm ihr Kinn in seine Hand, wobei er seinen verführerischsten Blick aufsetzte. "Hat man dir schon mal gesagt, wie wunderschön deine Augen sind?" fragte er und rückte näher an sie heran. Als er seine Hand dann über ihren Arm gleiten ließ und bei ihrer Hüfte ankam, holte sie aus und knallte ihm eine. Was zuviel war, war zuviel. "Du Macho!" brüllte sie, was ein Junge ganz in der Nähe natürlich bemerkt hatte.
 

Wataru drehte sich um und sah die hübsche Yûmikô aus seiner Klasse, er musste lachen, als sie Kenji anbrüllte und entschied sich zu ihr hin zu gehen, er fühlte sich hier eh total alleine, also zog es ihn regelrecht zu der Schwarzhaarigen hin, die anscheinend nun auch alleine war, da sie ihr Gegenüber abblitzen ließ.

Er legte seine Hand auf ihre Schulter und sie zuckte zusammen, worauf sie sich herumdrehte und in Watarus aufrichtige Augen schauen konnte. "Hi, Miko-chan", sagte er einfach, er hatte sich soeben entschieden, sie so zu nennen.
 

"Wata-chan!" sagte sie frech und er wurde rot, weil es ihm anscheinend peinlich war. Sie nahm seine Hand und lächelte. "Lass uns schwimmen gehen!" Sie zog den verdutzten Wataru hinter sich her, wobei sie glücklich wirkte und fröhlich lachte. Als sie beim Wasser ankamen, schupste sie ihn einfach hinein und sprang ihm hinterher. Ihre Körper berührten sich, als sie im Wasser ankamen und bei Yûmikô kam ein Gefühl auf, das sie bisher nicht kannte, sie fühlte eine Spannung zwischen ihnen und wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen.

Er schien zu bemerken, wie das Mädchen ihn anstarrte, oder sollte er sagen, anhimmelte? Also nahm er seinen ganzen Mut zusammen und blickte ihr tief in die Augen, sie waren wirklich wunderschön, so tiefgründig und man konnte in diesen Augen versinken. Genauso geschah es gerade mit ihm, er streichelte ihre Wange und zog sie leicht zu sich heran.
 

Ihr Herz klopfte wie wild, wollte er sie jetzt etwa küssen? Sie spürte, wie er seine Hände in ihren Haaren vergrub und mit ihren spielte, wenig später drückte er seinen weichen Mund auf ihren. Seine Lippen waren so zärtlich, ihr Herz raste, als er ihre Lippen mit seiner Zunge benetzte und sie leicht dazu aufforderte sie zu öffnen, da er etwas drängelnder wurde. Es war kaum zu erklären, wie schön dieser Kuss für sie war, besonders weil es ihr aller erster war. Sie traute sich kaum ihre Lippen um ein kleines Bisschen zu öffnen, sie hatte Angst davor.
 

Er spürte das und ließ von ihr ab, dabei sah er sie lieb an. "Du musst nicht, wenn du willst, ich hab dich auch so lieb." Sie musste lachen, weil er das so süß gesagt hatte und lehnte ihren Kopf gegen seine nackte und vom Wasser feuchte Brust. So konnte er Mädchen rumkriegen, alleine mit seiner Art. Diesmal war sie es, die ihn küsste und über seine Lippen leckte, er öffnete seine sofort willig und spürte, wie ihre Zungen sich berührten.
 

Es war wie ein Stromschlag gewesen, so dass sie ihre Zunge sofort wieder zurückzog und er nach ihrer zu suchen begann. Ihr wurde ganz schwindelig als er sie fand und sie liebevoll umspielte. Und schon waren sie in ein neckisches Zungenspiel vertiefst, wobei seine Hände unter Wasser über ihre Haut glitten. Er streichelte ihren Rücken und ging bis zu ihren Beinen über, dann hob er sie hoch. "Was tust du..?" fragte sie ihn und er setzte sie auf den Rand des Beckens, wobei er im Wasser blieb. Von da unten schaute er zu ihr hoch und betrachtete sie. Sie sah so süß und unschuldig aus, wenn er sie so ansah, und ihm wurde warm. Er wollte am liebsten nie wieder aufhören ihren zierlichen Körper zu berühren. Wataru legte seine Hände bei ihr auf den Rücken und schmiegte seinen Kopf gegen ihren Bauch.

Dann hatte er eine Idee, er kletterte aus dem Wasser, nahm ihre Hand in seine und zog sie hinter sich her. "Ich entführe dich."

Sie rannten über den Rasen und er suchte einen ruhigen Platz, wo sie eine Weile ungestört sein würden.
 

Als sie an einem Fleck ankamen, wo niemand war, setzte er sich mit ihr hin.

"Jetzt sind wir so gut wie alleine.." Ein verführerischer Unterton lag in seiner Stimme, so dass sie ein wenig schluckte, als er seine Hand auf ihr Bein legte und zwischen ihre Beine krabbelte. Sofort begann er sie zu küssen, voller Leidenschaft, dabei fielen sie beide gemeinsam zurück ins Gras, so dass er nun auf ihr lag. Er gab ihren Mund frei und schaute in ihre Augen, darin sah er Angst. "Du brauchst keine Angst haben, ich bin ganz lieb." Seine Worte beruhigten sie, doch als er sie wieder zu küssen begann und sie seine Zunge spürte, die nun energischer war, als vorhin, bekam sie doch wieder Angst. Aber sie stoppte ihn nicht, weil es schön war, außerdem waren sie hier an einem öffentlichen Ort, hier würde er sie ganz sicher nicht flachlegen wollen. Er spielte mit ihrer Zunge, saugte ein wenig an ihr und fuhr mit seinen Händen über ihre Arme, bis er weiter zur Mitte, zu ihren Brüsten überging und sie dort berührte. Ihr wurde heiß und kalt, sie ließ alles mit sich machen, sie vertraute ihm, auch jetzt schon, das Mädchen hatte sich hemmungslos in den süßen Jungen verliebt und konnte ihm nicht widerstehen. Seine Berührung war schön, irgendwie auf eine gewisse Weise auch sehr schüchtern, das machte es so gut, er war so zärtlich.
 

Sie war erleichtert, als er sich erhob und sie wieder hochzog. Irgendwie war er ein wenig zappelig und nervös, das bemerkte sie, was ihr innerlich mehr Mut verlieh, sie wusste jetzt, dass er schon nicht zu weit gehen würde. Sie rannten wieder eine Weile, bis sie bei den Duschen ankamen. Er stellte sich unter die eine Dusche und ließ sich Wasser über den Kopf laufen. Wataru schloss die Tür hinter sich, er wollte hier jetzt mal ein wenig rumprobieren. Er schob das verdutzte Mädchen unter den Duschkopf und drehte diesen wieder auf. Das Wasser prasselte über ihre Köpfe.

"Hier scheint gerade keiner zu sein, wir können machen, was wir wollen."

"Das macht man aber nicht." Sie war rot, aber er drückte sie weiter in die Dusche rein. "Keine Angst.." Er strich ihr eine nasse Strähne aus dem Gesicht und zog sie an den Wangen wieder zu sich. Wieder küssten sie sich, seine Zunge verwöhnte ihre, bis er mit seinen Lippen zu ihrem Hals über ging und sich über ihre Schulter küsste. Er saugte gierig an ihrer Haut und massierte ihre Brüste indirekt, da diese ja noch mit dem Bikinioberteil bedeckt waren, bis er bemerkte, dass es hinten nur zugebunden war, er wanderte also wieder über ihren Rücken. Er war so verrückt nach ihr, dass er, wenn das hier keine öffentliche Dusche wäre, wahrscheinlich mit ihr geschlafen hätte, so scharf war er irgendwie drauf, auch wenn er nicht wusste, woher das kam, vielleicht aber war das so, weil er sich nach einem Menschen sehnte, dem er nahe sein konnte. Er wollte nicht alleine sein, davor hatte er große Angst.

Obwohl er hier auf keinen Fall zu weit gehen wollte, machte er ihr die Schnur auf, so dass sich ihr Oberteil lockerte. "HEY!" brüllte sie auf einmal und stieß ihn etwas von sich weg. Sie hielt ihr Oberteil fest, was ihr eine heftige Röte ins Gesicht trieb. "Du hast wohl ein Rad ab! Wir sind schon viel zu weit gegangen, es reicht jetzt. Meinst du, ich lasse mich so einfach von dir befummeln?"

"Ähm.. ich.. also..", stotterte er, das Mädchen hatte Tränen in den Augen. "Entweder wollen die Kerle Sex, oder sie finden mich spießig und nennen mich Streberin! Was denkst du, wie ich mich fühle?" Ihre Tränen schockierten ihn, das hatte er nicht gewollt, aber leider bekam er nun keinen Ton mehr heraus.
 

Als hätte das nicht gereicht, ging die Tür auf und seine langjährige Freundin Shina stand mit Ryochi in der Tür. "Was ist denn hier passiert?" Sie sah Yûmikô, welche sich beschämt ihr Oberteil festhielt, da es offen war, und dass sie Tränen in den Augen hatte. In dem Moment wusste Shina, weil Wataru unmittelbar bei Yûmikô stand, was passiert war. Wenn Shina etwas hasste, dann Machotypen und Wataru war nahe dran einer zu werden, wie es schien. Wieso sonst, sollte er mit Yûmikô hier sein? Er machte doch früher auch nicht einfach mal so mit einem Mädchen rum, das er im Prinzip kaum kannte.

"Ich erwarte eine Erklärung, Wataru Takagi!" fauchte sie ihn an.

"Geht dich einen Scheiß an, was ich mit ihr gemacht habe!" Das war Antwort genug, Shina holte aus und haute ihrem ehemaligen besten Freund eine runter. Verdattert stand er da und hielt sich die Wange. Es hatte ihn verletzt, dass sie so mit ihm umsprang. "Nicht nur, dass du mich verführen wolltest, jetzt versuchst du's bei der nächsten, ich schäme mich dafür, mal mit dir befreundet gewesen zu sein, fang an über dich nachzudenken!" Wataru stand mit Tränen in den Augen da, er liebte nur diese Eine und machte mit einer Anderen rum. Er war echt das allerletzte. Als er zu heulen begann, rannte er weg, Yûmikô wollte ihm nachrennen, aber Shina hielt sie fest. "Nein, nicht, damit muss er alleine fertig werden, er hat einen Fehler gemacht, also soll er es auch wenigstens zugeben und nicht so frech sein!"

3. August - Sorgen um einen Freund...

Viel Krimikram ^^' ich hoffe es gefällt euch trotzdem, aber besonders Shina, weil ich die FF ja erst für sie angefangen hatte XP Ich glaube, der Teil ist etwas Paranoid, nyaaaa.. ich lass euch lesen ^-^;
 


 

Ein Cliquentreff stand mal wieder an, alle würden da sein...

"Hey, Shina.. wo ist Wataru? Will der schon wieder nicht kommen?" Das durfte doch wohl nicht wahr sein. Kôji war echt genervt, sein bester Freund klinkte sich völlig aus. Er durfte hier also wieder Däumchen drehen. Jeder hatte einen Kumpel bei sich nur Kôji wieder mal nicht, weil Wataru ja nicht da war.

"Nee, schätze der traut sich nicht, uns unter die Augen zu treten, nachdem was er getan hat", antwortete Shina mit einem bösen Gesichtsausdruck.

"Ach? Was war diesmal?" Kôji seufzte tief in sich hinein, er ahnte das schlimmste, denn Wataru war seiner Ansicht nach in letzter Zeit ziemlich komisch drauf. Vielleicht lag es immer noch an Ryos Worten, die er vor kurzem gesagt hatte, als sein Vater Flucht beging.
 

"Er hat sich vorbei benommen, das war. Er hat Yûmikô total schroff angemacht und wollte sie in der Dusche vom Schwimmbad vernaschen, der hat wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank!" meckerte Shina und Kôji wurde ernst.

"Könnt ihr bitte mal aufhören, auf meinem Freund so rumzuhacken, ist ja kein Wunder, wenn der plötzlich durchdreht. Dir hätte ich das echt nicht zugetraut. Du weißt doch, dass er im Bezug auf dich, Shina, immer so übertreibt. Nimm mal etwas Rücksicht."

"Ihr Kerle könnt nur dumm reden, er hat sie fast gezwungen! Wir wollen doch nicht, dass er seinem Vater Konkurrenz macht, oder siehst du das anders, Kôji? Er soll wieder normal werden, aber anscheinend spinnt er im Moment wirklich total. Er vergrault sich noch alle Freunde, wenn er so weitermacht."
 

"Stimmt schon, Shina, aber deswegen müsst ihr nicht nur noch auf ihm rumhacken, oder willst du plötzlich nicht mehr mit ihm befreundet sein?" Während sie gingen, redeten sie, doch jetzt machten sie bei Watarus zuhause kurz halt.

"Wir hacken nicht auf ihm rum, wir haben ihm nur die Meinung sagen wollen, aber er haut immer gleich ab, der war doch sonst nicht so feige." Shina klingelte, ohne dass sie es wirklich merkte. Niemand öffnete, was bei Kôji ein mehr als schlechtes Gefühl hervorrief. "Warum macht denn niemand auf? Ich höre doch eindeutig Musik."

"Keine Ahnung.. vielleicht ist er unter der Dusche, es ist immerhin ziemlich heiß." Kôji drückte kurz nach Shinas Bemerkung die Türklinke runter und zu seiner Verwunderung öffnete sich die Tür. "Wie leichtsinnig", sagte der Schüler.

Die beiden gingen hinein und schauten sich etwas um. Dabei trat Shina beinahe auf einen zerbrochenen Bilderrahmen. "Meine Güte, schau mal..", meinte Shina, bückte sich und sah ein Foto, auf dem die Familie drauf war.

"Meinst du, das war er, Shina?" fragte Kôji, nachdem er es ebenfalls gesehen hatte. "Ich hab ein ganz seltsames Gefühl, geradeso als wenn er Dummheiten macht." Sie rannten so schnell sie konnten die Treppe hoch, dort fanden sie eine offene Badezimmertür vor.

Im Kleiderschrank im Bad war gewühlt worden und Fotos und Briefe lagen auf dem Boden. Shina hob einen der Briefe auf und las etwas davon. "Kôji das ist ein Liebesbrief und ich kenne noch seine Schrift, das hat Watarus Vater geschrieben. Vor fünf Jahren." Anhand des Datums auf dem Brief wusste sie sofort, wie alt der Brief war.

"Ist ja eklig. War ja irgendwie klar, dass der seine Frau betrogen hat, gib mal her." Er nahm Shina den Brief aus der Hand, während diese nach dem nächsten schaute. "Kôji, die sind alle an dieselbe Person gerichtet, auf jedem steht: Dear Vermouth. Aber wer oder was ist Vermouth? Ich kenne nur einen Alkohol namens Vermouth."

Kôji schwieg und dachte nur daran, dass er den *Namen* Vermouth schon mal gehört hatte. "Shina, lies das mal auf japanisch, könnte da ,Berumotto' rauskommen?"

Shina übersetzte die Buchstaben in Kanji und nickte. "Ja, Berumotto kommt dabei raus, wie kamst du denn darauf?"

"Weil ich Watarus Vater vor zwei Jahren dabei belauscht habe, wie er mit jemandem am Telefon sprach, er nannte sie Berumotto, deswegen."

"Wird ja immer grotesker, geb' dir das: Ich habe solche Sehnsucht nach deinem Körper, nach deinen Brüsten, ich will dich wieder spüren, mein Darling!

Meine Alte geht mir auf den Keks, wenn die mir stinkt, bring ich sie um! Es ist eben keine wie du, meine Eiskönigin! Deine eiskalten Augen machen mich so scharf.." Shina hustete, denn da kamen noch viel perversere Passagen, ihr wurde fast schlecht. "Ist ja widerlich. Der Kerl ist widerlich." Sie gab wieder ein Seufzen von sich und Kôji berührte zufällig ihre Hand, als er nach ein paar Fotos griff, die auch Shina in die Hand nehmen wollte, wobei sie beide etwas rot geworden waren. "Tschuldigung, Shina. Meinst du, Wataru hat den Kram rausgeholt und wurde wütend, weil er erfahren hat, dass sein Vater die Mutter mit 'ner anderen betrogen hat?"

"Wäre möglich, aber irgendwie wäre das sehr seltsam, er hat mal erwähnt, dass sein Vater jede Menge Affären hatte, also ist das hier doch nichts neues mehr."

"Lass uns nach ihm suchen, ich mache mir Sorgen", sagte Kôji, sie standen auf und verließen die Wohnung wieder, jedoch schlossen sie die Tür, nicht so wie das vorher gewesen war. Das Schloss klackte, so dass sie wussten, dass die Tür nun richtig zu war.
 

***
 

Es wurde dunkel, doch von Wataru war keine Spur, egal, wo sie suchten, sie fanden ihn nicht. Jedoch kamen sie bei Yûmikô vorbei, wo jede Menge Polizeiautos standen, das mussten sich die beiden Detektive natürlich sofort ansehen.

Megure ließ eine Leiche abtransportieren, Shina rannte zu dem Mann hin und tippte ihm auf die Schulter. "Entschuldigen sie, Inspektor, aber.. was ist denn hier vorgefallen?" fragte sie und der Mann drehte sich mit ernster Miene zu den Beiden um. "Die Kleine hat uns angerufen, dass sie ihren Vater erhängt gefunden hat. Sie meinte, sie hätte gesehen, dass jemand im Zimmer war. Es wäre dunkel gewesen und sie hätte deutlich ein paar eisblaue Augen aufblitzen sehen, als sie jedoch das Licht anmachte, war da niemand. Wir gehen von Selbstmord aus, da keinerlei Indizien aufgetaucht sind, die auf etwas anderes schließen lassen. Und die Kleine scheint etwas verwirrt wegen des Todes ihres Vaters zu sein."

"Haben sie bereits mit der Mutter gesprochen?"

"Leider nein, sie ist nicht erreichbar. Das Mädchen sagte, dass sie bei ihrem Vater lebt und ihre Mutter noch in Nagoya wohnt, da sie dort an einer Grundschule unterrichtet. Ihre Eltern sind geschieden. Die Kleine ist jetzt also erst mal alleine, wir müssen dringend die Mutter erreichen."

Da war Shina schon davon gerannt, sie wollte mit Yûmikô persönlich sprechen.

Sie saß völlig fertig auf der Treppe und hielt sich den Kopf.

"Hi, Yûmikô", sagten die beiden wie aus einem Mund und setzten sich neben sie, wobei Shina sie einfach in den Arm nahm. Sie schluchzte und drückte sich an Shina, doch da sah diese Ryochi auf sie alle zukommen. "Hi, Ryo, bist du schon im Bilde, was hier passiert ist?" fragte Shina und Kôji schaute den neuen Detektiven etwas misstrauisch an.

"Ja, ich weiß auch, dass es Mord war."

"Wo-her weißt du.. das denn?" Shina wäre beinahe aufgesprungen und Kôji empfand das Ganze als Angeberei. "Mach nicht soviel Wind, wie kommst du denn darauf, dass es Mord gewesen sein soll, wenn es keine Indizien gibt?" fragte er den zweiten Detektiven sogleich.

"Weil Yûmikô mir sagte, dass ihre Schwester genauso gestorben ist. Ihre Schwester war ein fröhliches und gesundes Mädchen, sie hatte viele Freunde und war sehr willensstark, also überhaupt nicht selbstmordgefährdet."

"Ach du meine Güte, weiß das der Inspektor?" erwiderte Shina.

"Natürlich, aber da es keine Beweise gibt, hat er das Ganze abgeblasen", erklärte Ryochi ruhig, wandte sich dann jedoch an seine Freundin. "Aber Shina, kann ich mal unter vier Augen mit dir reden?" Kôjis Gesicht zierte ein mürrischer Gesichtsausdruck, da er es nicht leiden konnte, wenn man ihn ausschloss.
 

"Also, Shina, ich muss dir da was erzählen." Sie nickte und er fuhr fort. "Ich bin wegen.. Chardonnay hier, er ist ein Schwerverbrecher, der mir schon seit geraumer Zeit Kopfzerbrechen bereitet, ich will ihn um jeden Preis kriegen. Zu ihm gehört auch Vermouth, auf die Yûmikôs Beschreibung wunderbar passen würde."

Shina schaltete blitzschnell und grinste. "Chardonnay ist Keichiro Takagi, richtig?"

"Woher weißt du das, Shina?" Ryo schien beeindruckt, was ihr ein noch viel eingebildeteres Lächeln gab, auch wenn sie das absichtlich tat. Nicht weil sie eingebildet war, sondern weil es so wirken sollte. "Nicht nur du kannst ermitteln, vergessen? Aber, ich will's dir mal so erklären: Wir waren vorhin bei Wataru, weil wir ihn gesucht haben und da sind uns Bilder und ein paar Briefe in die Hände gefallen. Keichiro Takagi hatte wohl mal eine Affäre mit einer gewissen Vermouth, daher hab ich mir das einfach gedacht, da das beides alkoholische Getränke sind."

"Im Schlüsse ziehen, bist du nicht schlecht, Süße." Er küsste sie kurz auf den Mund und nahm sie etwas in den Arm. "Ich muss dir aber sagen, dass du dich Vermouth besser nicht in den Weg stellst, die ist eiskalt und bringt jeden um, der ihr nicht in den Kram passt. Chardonnay und sie sind ein mörderisches Paar, im wahrsten Sinne des Wortes."

Bonnie und Clyde also, Shina fand das sehr interessant.

"Ich habe keine Angst, auch vor Killern nicht, merk dir das mal, Süßer!" Sie küsste ihn zurück und ließ dann von ihm ab. "Kôji macht sich Sorgen um Wataru, das sollte man auch nicht außer Acht lassen, wir gehen lieber nach ihm suchen, und du.. pass auf dich auf, wenn du mich schon vor einer Mörderin warnst." Shina wusste, dass Kôji nicht einfach mal so Angst um Wataru hatte, wenn Kôji ein schlechtes Gefühl hatte, sollte man darauf hören, der Junge wusste manchmal schon vorher Dinge, die passieren würden.
 

Shina kam zurück und Kôji schaute sie mit Halbmondaugen an, so dass sie gleich seufzte. "Frag nicht, was er gewollt hat, er hat mir nur Einzelheiten über den Fall offenbart, so wie er das sieht, war es doch Mord, wir sollten uns trotzdem auf die Suche nach Wataru machen, Ryochi hat das hier durchaus im Griff."

"Ach? Und das durfte ich nicht wissen? Ich kann ihn nicht leiden, er mich wohl auch nicht, weil ich ihn mal belehrt habe, oje, der Arme."

"Hat dir schon mal einer gesagt, dass du ganz schön frech bist, Kôji Miura?"

"Ja, meine Mutter und das fast jeden Tag."

"Warum hab ich deine Mutter bisher noch nie zu Gesicht bekommen?" fragte Shina, die bei dem Wort ,Mutter' hellhörig wurde.

"Das ist eine lange Geschichte, Shina, dafür haben wir jetzt keine Zeit, ein anderes Mal, okay?" Sie gab auf, der Junge redete nie über seine Mutter, irgendwie schien er das auch nicht zu wollen.
 

Wataru war die ganze Zeit gelaufen, also war er immer woanders, so dass Shina und Kôji ihn nicht finden konnten, aber jetzt, nachdem er weit genug gegangen war und er nach Hause ging, bemerkte er, dass die Tür aufgebrochen worden war. Er stürmte zur Tür hinein und schaute sich überall genau um. Sein Weg führte ihn als erstes in die Küche, dort hatte sein Vater immer eine Waffe aufbewahrt, auf einem der Schränke. Der Junge holte sich einen Stuhl und holte eine Kiste runter. Er öffnete sie und kramte im hellbraunen Papier, das darin zusammengeknäult lag. Die Verzweiflung wuchs, als er die Waffe nicht finden konnte, dabei rann Schweiß über sein Gesicht. Er bekam es langsam mit der Angst zu tun, ohne seine Knarre war er doch verloren.

Irgendjemand war hier gewesen und hatte die Waffe an sich genommen, das gefiel dem Jungen ganz und gar nicht.
 

Shina und Kôji kamen wieder bei Wataru vorbei, wobei sie die offen stehende Tür bemerkten. "Sag mal, wir haben die doch vorhin geschlossen. So langsam wird mir die Sache unheimlich", bemerkte Shina, Kôji packte ihre Hand und zog sie zur Tür, die er noch etwas aufstieß, hinein. Er holte eine Pistole raus und nickte ihr zu: "Sicher ist sicher, man weiß ja nie." Sie schauten sich sehr genau um und vergaßen nicht die kleinste Ecke, bis sie in der Küche ankamen.

Heulend saß Wataru am Boden, die Hände auf den Knien abgestützt und den Kopf auf den Beinen abgelegt. Schockiert ließ Kôji die Waffe sinken, die er auf Wataru gerichtet hatte, da er ihn für jemand anderes hielt. Shina und Kôji knieten sich zu dem Jungen runter.

"Hey, Wataru, wir haben dich überall gesucht, was war denn los?" fragte die Detektivin als erstes.
 

Wataru schaute auf und blickte geradewegs in Shinas wunderschöne blaue Augen, er fing wieder an zu heulen und warf sich ihr an die Brust. Shina wusste sofort, dass er das nicht nur tat, weil er ihr nahe sein wollte, sondern weil etwas schreckliches passiert sein musste. Wataru war keine Memme, die bei jedem Mist heulte, normalerweise hatte er sich sehr gut im Griff, es sei denn es ging um seinen Vater, vor dem hatte er Angst.

Shina war sich sicher, dass es mit seinem Vater zu tun gehabt hatte, aber im Moment war es ihr egal, sie drückte ihn fest an sich und spendete dem Jungen Trost, sie hatte ihn doch noch so wahnsinnig gern, sie vergaß all die Streitigkeiten, die sie gehabt hatten, denn sie konnte es einfach nicht ignorieren, wenn er weinte.

4. August - Ich bin schuld...

Es war kurz nach Mitternacht, Wataru hatte fast zehn Minuten lang geheult, aber so langsam beruhigte sich der Junge wieder und ließ von Shina ab. "Kümmert euch nicht um mich, es ist nur 'ne Phase, das wird bald wieder." Shina fand das nicht lustig, wie er redete, als wollte er sie wieder los werden.

"Man merkt doch, dass mit dir etwas nicht stimmt, also sag nicht, es wäre nur eine Phase, das glaube ich so langsam nicht mehr. Ich hab von Kôji erfahren, was im Bezug auf deinen Vater passiert ist, ich weiß, was Ryo gesagt hat, aber er hat es nicht böse gemeint, es ist nicht immer alles auf dich gerichtet."
 

"Was willst du hier, wenn du eh auf seiner Seite stehst?? Hau doch wieder ab, dann hab ich wenigstens wieder Ruhe!" Anscheinend wollte der Junge so wie sein Vater werden, deswegen schrie er auch seine Freundin an. "Es ist besser ihr geht jetzt.."

"Was wenn wir das nicht einsehen?" fragte Shina mit bösem Unterton in der Stimme. "Es wird dir jedenfalls nichts bringen, wenn du dir selbst Leid tust und alle anderen vor den Kopf stößt! Wenn du deinen Vater immer wieder abschirmst, ist es nur zu verständlich, dass mein Freund denkt, du würdest mit ihm zusammen arbeiten, wenn ich ehrlich bin, glaube ich das auch so langsam! Erpresst er dich, zwingt er dich zu Dingen??"
 

"Verschwinde! Wenn du es noch einmal wagst, hierher zu kommen, dann kann ein Unglück geschehen, hast du verstanden?" Kôji reichte es jetzt, wie sein Freund auf Shina rumhackte, obwohl diese Wataru ja gar nichts getan hatte. Also schlug er dem Jungen ins Gesicht, um ihn wieder zur Vernunft zu bringen.

"Hör auf die Schuld auf anderen abzuwälzen und such erst mal bei dir selbst!" fauchte Kôji, er war kurz vorm Ausrasten, zügelte sich aber noch, sonst hätte das hier vielleicht in eine Prügelei ausgeartet.

"Ich wusste es, ich hatte nie Freunde, ihr seid jedenfalls nicht meine Freunde, also raus hier!"
 

Der knallte ja total durch, so langsam war dem nicht mehr zu helfen. Kôji zog an Shinas T-Shirt, aber sie nahm seine Hand da weg. "Das war doch so gar nicht gemeint, ich meinte nur.. so wie du dich verhältst.." Shina fing beinahe an zu heulen, die Sache hatte sie jetzt geschafft. Sie hätte nie sagen sollen, dass sie so etwas dachte, so würde sie ihren besten Freund nicht mehr zurückbekommen. "Warum ist das alles nach so langer Zeit auf einmal so schief gegangen? Wir haben uns doch alle mal so toll verstanden."
 

"Ja genau, seit dein dummer, scheiß Freund hier ist, hat sich alles verändert, wundert dich das noch?"

"Das ist es nicht", sagte Shina deprimiert, "es liegt nicht an Ryochi, sondern daran, dass du dich verändert hast. Ich erkenne dich kaum noch wieder. Du rastest immer öfter aus, genauso wie das dein Vater früher immer getan hat, du drohst Leuten, schlägst sie nieder und du wirst zu einem kleinen Sexisten. Kurz gesagt, mach so weiter und du bist bald wie dein Vater!" Es reichte, sie drehte sich um, weil sie sonst geheult hätte, sie stand ja ohnehin kurz davor. Konnte er nicht einfach vernünftig werden?
 

"Ich und mein Vater, wir sind von Grund auf verschieden. Ich vergewaltige keine Frauen!"

"Das kommt auch noch, weil du dich überhaupt nicht mehr im Griff hast", meinte Shina, die sich jetzt wieder soweit beruhigt hatte, um dem Jungen in die Augen zu sehen.

"Ja, genau, und weißt du bei wem ich es als erstes versuche..? Bei dir, genau, weil du ja eh denkst, dass ich *nur das* von dir gewollt hab."

"Wo ist dein Problem, verdammt? Kommst du immer noch nicht damit klar, dass ein anderer mir näher ist, als du? Drehst du deswegen so heftig am Rad, oder ist es was ganz anderes? Sag schon, trau dich wenigstens einmal deine Meinung zu sagen."

"Ich geb's zu, ich könnte kotzen, wenn ich den Typen auch nur sehe, aber da geht's mir nicht alleine so, stimmt's, Kôji? Oder bist du jetzt anderer Meinung??"
 

Eigentlich hätte der andere Junge darauf nicht antworten müssen, aber er tat es trotzdem. "Ich hasse ihn nicht, nicht so wie du, ich mag ihn nur nicht besonders. Aber im Moment kann ich dich auch nicht besonders leiden. Du kannst das, was du sagst, doch unmöglich ernst meinen. Wenn ich etwas weiß, dann dass du Shina nie körperlich wehtun könntest, also hör auf das Arschloch raushängen zu lassen, damit wir alle anfangen dich zu hassen. Wir können zufälligerweise nichts dafür, dass du dich selbst mal wieder nicht leiden kannst. Lass deine Laune an anderen aus, komm Shina, wir gehen, der sollte sich erst mal wieder beruhigen."

"Geh du ruhig, ich komme schon alleine mit ihm klar, vielleicht ist es auch besser so, wenn ich alleine mit ihm rede."

"Ich lasse dich doch jetzt nicht mit ihm alleine."

"Ist aber besser so, Kôji."

"Nein, am besten ist es, ihr geht Beide, damit ich keinen von euch mehr sehen muss!" Kôji tickte auf Watarus Worte hin aus und schlug ihm ein weiteres Mal ins Gesicht.

"So langsam reicht's mir. Weißt du noch, was du tust?" fragte er seinen Freund, den er im Moment nicht wiedererkannte. "Wir wollen dir helfen!"
 

"Könnt ihr nicht einfach abhauen und mich in Ruhe lassen?" Wataru schwitzte, er hatte sich von seinem Freund schlagen lassen und nichts dagegen unternommen. Nicht mehr lange und er würde zusammenbrechen, das alles war zuviel. "Aber nur zu, wenn es dir Spaß macht, schlag mich!" Kôji hatte endlich verstanden, das wollte er also, Prügel. Das reichte. "Nein, werde ich nicht.."

"Hat doch Spaß gemacht, oder nicht??" Wataru gab seinem Freund einen Stoß gegen die Brust, er provozierte ihn, so dass man sofort bemerkte, dass er diesen Streit jetzt so wollte. Weiterhin drängte er ihn rückwärts, bis Kôji gegen einen Schrank stieß und es nicht mehr weiter ging. "Schlag mich doch, das macht mir nichts aus, ihr seid alle nichts besseres als mein Vater, ihr tut doch nur so." Shina wollte sich einmischen, sie riss an Watarus Arm, der seinen Freund an die Wand drängte, doch da bekam sie seinen Ellenbogen ab und ging zu Boden. Gott sei Dank lag nichts im Weg, so dass sie sich keine ernsthaften Verletzungen holte. Kôji konnte die Situation nicht mehr ertragen, alles was Wataru sagte, verpasste ihm mehrere Stiche ins Herz. Waren sie Wataru alle so egal, dass er so Sachen sagen musste? Mit einem heftigen Stoß schaffte er es, Wataru von sich wegzubekommen, dieser fiel ebenfalls wie Shina zuvor zu Boden. In Kôjis Augen brannten Tränen, er musste schnell hier weg. Ob er Shina jetzt mit Wataru alleine ließ, war ihm im Moment egal, sie konnte sich wehren.
 

"Warte? Wo willst du hin??" rief Shina dem Jungen nach, aber dieser stürzte zur Tür hinaus und sagte kein Wort mehr. Als das Mädchen aufstand, packte Wataru sie an der Hand. Das konnte sie jetzt aber überhaupt nicht leiden, nicht wenn er so drauf war. "Lass.. mich.. los!" sagte sie laut und deutlich, so dass er es auch mitbekam. Er sagte nichts, aber hielt sie fest. "Verdammt! Lass los.." Sie drehte sich um und schaute in seine traurigen Augen. "Ist es das, was du wolltest? Dass er heult?"

Wataru antwortete nicht, er konnte einfach nicht. "Geh besser, lass mich alleine, aber pass auf dich auf.." Was war denn mit dem jetzt los? Er war nun nicht mehr wütend, nicht mal ein kleines bißchen, er wirkte eher bedrückt.

"Wolltest du, dass er dich hasst? Wieso willst du das? Er ist doch dein einziger Freund.." Shina verstand ihn nicht, aber sie wollte es gerne.

"Weil.. er war hier.. er will mich wieder terrorisieren und wahrscheinlich wird er sich als erstes meine Freunde schnappen. Wenn ich keine Freunde mehr habe, kann er auch keinem was antun.."

"Was..?" Empört schaute sie den Jungen an. Auch wenn sie immer gewusst hatte, dass Wataru in Dingen, die mit seinem Vater zu tun hatten, leicht panisch wurde, weil der Mann ihm Angst machte, konnte sie nicht verstehen, was er hier mit seinen Freunden abzog.

"Eine Waffe ist weggekommen, als ich sie vorhin gesucht habe, war sie weg, dabei weiß ich genau, dass sie in der alten Schachtel auf dem Schrank ist. Ich habe keine Waffe mehr, vielleicht kommt er ja bald und holt mich zu sich.."

"Rede endlich mit der Polizei, dafür wird es allmählich Zeit, nachdem er dich überfallen hat."

"Nein! Was soll ich denn bei der Polizei, wenn er unbedingt will, dass ich leide, dann tue ich es eben. Es ist mir ohnehin schon seit langer Zeit alles egal. Soll er mich eben umbringen, wenn ich ein böser Junge bin, du hast doch gesehen, wie ich wirklich.. bin.." Er war leise geworden, geradezu beängstigend leise.

"Rede nicht so!" Shina knallte ihm eine, sie schlug gegen seine Brust. "Du sollst nicht so reden! Das hast du nicht verdient und ein schlechter Mensch bist du auch nie gewesen! Werde wieder so wie früher, ich will meinen Freund zurück!" Sie hörte nicht auf und trommelte förmlich auf seine Brust ein, er tat nichts, er ließ es über sich ergehen, als hätte er keine Gefühle, aber sie wusste, dass er welche hatte, deswegen benahm er sich auch so komisch, am Ende war es alles nur ihre Schuld, wegen ihr hatte dieser ganze Mist erst begonnen, weil sie ihn abgewiesen hatte. "Lass das nicht mit dir machen, das ist genau das, was dein Vater immer gewollt hat, er wollte, dass du dich selbst aufgibst! Kämpf dagegen an, fang wieder an zu leben!" Ihre Schläge wurden schwächer, sie konnte nicht mehr, Tränen rannen über ihr Gesicht, sie wollte ihm helfen, aber wurde nur völlig verzweifelt, sie wusste nicht mehr, was sie noch tun sollte. Keichiro Takagi hatte es geschafft, dass sein Sohn völlig durchdrehte, er musste doch umkommen vor Angst. Der Kerl war nicht normal, er hatte es immer auf seinen einzigen Sohn abgesehen. Mit Erfolg. Das hatte sie schon vor Jahren verhindern wollen, dass er erfolgreich wurde, aber nachdem, was hier los war, hatte sie versagt.
 

Kôji war davon gerannt, so schnell und weit er konnte. Irgendwo in einer dunklen Ecke machte er halt und lehnte sich gegen eine Mauer, er war total außer Atem und musste erst einmal Luft holen.

Ganz in der Nähe hörte er eine vertraute Stimme und wie es nun mal seine Art war, lauschte er ganz genau.
 

"Willst du umgebracht werden?" fragte eine weibliche Stimme. "Chardonnay kann jeden Augenblick zurückkommen, wenn er dich hier sieht, bekommst du eine Menge Ärger."

"Ach Gottchen, man könnte fast denken, dass du Angst davor hättest, Vermouth!"
 

Kôji wurde hellhörig. Vermouth! Alleine dieser Name versetzte ihn in Angst und Schrecken und Chardonnay war ganz in der Nähe. Es wäre gesünder sich nicht hier aufzuhalten, aber Kôji konnte einfach nicht anders und lauschte den beiden, die da redeten.
 

"Es ist mir herzlich egal, was du denkst, Campari! Man sollte meinem Boss besser nicht auflauern, so was kann tödlich enden. Hör auf ihn zu verfolgen, irgendwann wird er es merken!"

"Wenn er es nicht schon bemerkt hat. Ich hätte ihn längst in den Knast bringen können, wenn sein verdammter Sohn nicht gewesen wäre! Aber ich kriege ihn noch, genauso wie ich dich kriegen werde."

Sie seufzte laut hörbar. "Bist du jetzt fertig? Was willst du denn tun? Mit einer Waffe auf ihn los gehen? Glaubst du, er wird sich das von einem *Jungen* gefallen lassen?"

"Pass auf, Schätzchen! Mach mich besser nicht wütend." Sie musste lachen.

"Wenn er hier auftauchen sollte, glaub ja nicht, dass ich dann da sein werde, um dir deinen verflixten Arsch zu retten, Campari."

"Lass diese Campari-Sache sein, ich hab nie zu euch gehört und ich werde auch nie dazu gehören. Und ich sage dir, Chardonnay ist auch nur ein Mensch, der Fehler macht.." Man konnte Schritte hören und Campari entschloss sich nichts mehr zu sagen.

"Verschwinde!" zischte sie in sein Ohr und er drehte sich hastig um. Irgendjemand war da, aber er wusste beim besten Willen nicht, wer es war. Instinktiv zog er seine Waffe und wartete darauf, dass jemand um die Ecke kam.

Das Geräusch von Männerschuhen wurde immer deutlicher, Camparis Nerven waren zum zerreißen gespannt, er konnte es kaum erwarten, zu erfahren, wer sich hinter der Mauer verbarg.
 

Auf einmal stand Kôji in der kleinen Gasse und dem anderen Jungen wäre beinahe die Waffe aus der Hand gefallen, mit dem hatte er jetzt gar nicht gerechnet. Hoffentlich hatte er nichts vom Gespräch mitbekommen, das konnte er sich jetzt überhaupt nicht leisten, sein Misstrauen zu wecken. Bevor der Junge etwas sagen konnte, war eine weitere Person hinter Kôji getreten und der Detektiv spürte ein Waffe bei seinem Rücken.

"Ach du scheiße.. Kôji..", sagte Campari, es war so dunkel, dass man nur die Stimme hören konnte, aber sein Gesicht nicht sah. Den Jungen, der genau am Anfang der Gasse stand, konnte man hingegen sehr genau sehen, da das Licht nur knapp in die Gasse hineinschien.
 

"Kôji?" fragte eine Stimme. "Nette Überraschung." Wie Campari erwartet hatte, war es Chardonnay, er drückte eine Waffe an Kôjis Rücken, der Junge konnte das zwar nicht sehen, aber das war nun mal die Art des Verbrechers. "Du bist ein enger Freund meines Sohnes, wie grausam das Schicksal manchmal sein kann. Ausgerechnet mir begegnest du hier. Trauriges Schicksal."
 

Was zum Teufel redete der Typ da überhaupt? Man drückte ihm feige eine Waffe in den Rücken, er wusste anhand seiner Worte, dass es die Knarre von Watarus Vater war und weil Kôji ihn kannte, wusste er, dass der Mann auch schießen würde.

Wie hatte er nur in diese beschissene Situation kommen können? Weil er neugierig gewesen war und lauschen musste, statt bei Chardonnays Namen das Weite zu suchen. Dummheit wurde ja bekanntlich bestraft.
 

"Chardonnay, musst du immer zu deinem Privatvergnügen handeln? Nur um deinem Sohn einen Freund wegzunehmen, also wirklich", hörte Kôji die Stimme von vorhin aus der Gasse hinaus zu ihm hallen. Vermouth und Chardonnay, er hatte wirklich Glück ausgerechnet denen zu begegnen. Würde er jetzt versuchen zu fliehen, würde einer von ihnen wohl auf ihn schießen. Konnte man aus so einer Situation überhaupt wieder entkommen? Es fiel ein Schuss und Kôji spürte, wie sich eine Kugel in seine rechte Schulter bohrte.

"Natürlich, Vermouth, du kennst mich, ich stehe genauso wie du auf Spielchen." Er umarmte den Jungen von hinten und drückte ihn an sich. "Soll ich es kurz und schmerzlos machen?" flüsterte er in Kôjis Ohr.
 

Campari schaute böse knurrend zu. "Lass diesen Mist, sonst bist du der nächste, der dran glauben wird!" Der Junge drohte dem Mann, auch wenn es ihm im Moment unmöglich war auf ihn zu schießen, da er leicht Kôji als Schutzschild benutzen konnte und so dieser die Kugel abbekommen könnte, das wollte er absolut nicht riskieren. Er richtete seine Waffe dennoch auf Chardonnay, lud sie und machte sich bereit zum Abdrücken.

"Mir reicht's für heute, ich muss meine Fingernägel noch feilen." Vermouth drehte sich von Campari weg. Vielleicht hatte sie Glück und er würde ihren Boss erschießen? Jedenfalls würde sie dem nicht helfen, der hatte sich seine Probleme selbst geschaffen, sie hatte damit rein gar nichts zu tun, außerdem konnte sie die Gunst der Stunde nutzen, um zu verschwinden. Man musste ja nicht riskieren, dass Campari es doch noch schaffen würde, sie zu kriegen. Nicht so wie Chardonnay vermied sie jeglichen Ärger. Sein Hass auf den Sohn machte ihn blind und ließ ihn geradewegs in die Gefahr laufen, entdeckt zu werden.
 

Dieses verdammte Weib! Die konnte doch nicht einfach verschwinden und ihn in dieser Scheiße alleine lassen. So, wie es schien, würde er ihr mal wieder Manieren beibringen müssen, so ging es jedenfalls nicht weiter. Warum hatte er sie überhaupt mitgenommen? Das nächste Mal würde er sich jedenfalls jemanden mit Lust zum Morden mitnehmen, jemanden, der jeden tötete, den man ihm vorsetzte. Gin zum Beispiel.
 

"Los, nimm die Waffe runter!" drohte der Junge mit lauter Stimme, er hörte Kôji keuchen, demnach hatte er Schmerzen, was Campari leicht nachvollziehen konnte. "Dein Frauchen hat dich jetzt alleine gelassen, wenn du ihn tötest, werde auch ich nicht zögern." Chardonnay entkam ein krankes Lachen, was Campari fast wütend machte.
 

"Du kannst mir nicht drohen, Kleiner", meinte Chardonnay und ein weiterer Schuss war zu hören, der Kôji diesmal zu einem Schmerzensschrei gebracht hatte. "Aufhalten kannst du mich auch nicht!" Mit den Worten hallten weitere Schüsse wieder, Campari zog es nun vor, seine Waffe weiter auf den Mann gerichtet zu haben und dabei sein Handy aus der Tasche zu fischen.

"Das büßt du mir, du Mistkerl!" Nachdem er das gesagt hatte, wählte er die Nummer seines Vaters und rief ihn direkt an. Er schilderte, was hier los war und das ohne, dass Chardonnay es wagte, mit seiner Waffe auf den telefonierenden Jungen zu schießen. "Sie sind gleich da, Chardonnay, dann bekommst du ernsthafte Probleme." Der Mann lächelte.

"Wohl kaum." Mit den Worten warf er Kôji von sich, der auf den anderen Jungen zuflog, so dass dieser ihn auffangen musste und somit nicht auf den Mann schießen konnte, der nun wieder drauf und dran war, zu fliehen. Das konnte der Junge nicht zulassen. Er legte Kôji neben sich und wollte dem Verbrecher nacheilen, doch da bemerkte er, wie stark der Junge blutete und dass er besser bei ihm bleiben sollte. "Schöne Scheiße..", flüsterte er und begutachtete die Verletzungen bei Kôjis Rücken. Der Kerl war wahnsinnig, er schoss auf unschuldige Personen, nur um seinem Sohn wehzutun. Bei Gelegenheit musste Ryo sich nun wohl bei Wataru entschuldigen.
 

"Oh oh.." Campari drehte sich um, da er Vermouths Stimme gehört hatte, dabei hatte er gedacht, dass die Frau längst außer Reichweite war. "Da ist wer auf dem Dach", erzählte sie und zog ihre Waffe, dann hielten beide Ausschau nach einer Person. "Spinnst du? Da ist keiner.."

"Doch, ich hab Schritte gehört." Wollte der Junge sagen, dass sie Paranoid war? "Ich glaube, wir sollten uns Beide aus dem Staub machen, hier ist es so dunkel, dass man kaum etwas erkennen kann." Versuchte die Alte immer noch auf ihn aufzupassen? Er hasste es, wenn sie das versuchte.

"Ich würde gerne unser Gespräch von vorhin fortführen, aber da du ja nicht auf deine *Mutter* hören willst.." Wie konnte sie es wagen, etwas derartig dreistes von sich zu geben?

"Du bist nicht meine Mutter, merk dir das für alle Zeiten." Sie drehte den Kopf eingebildet zur Seite und ging mit einem abfälligen Geräusch in eine andere Richtung, geradewegs in die Dunkelheit hinein.

"Verdammt, dieses Biest, die hat mir gerade noch gefehlt", fluchte der Junge leise und kümmerte sich um Kôji, der einige Verletzungen davon getragen hatte, aber so wie es schien, schwebte er nicht in Lebensgefahr.
 

***
 

Wenig später, als Kôji sich in einem Rettungswagen befand, konnte man aus der kleinen Gasse Schüsse hören. Ryo drehte sich um und hoffte, dass sie dort morgen keine Leichen finden würden. Immer wieder ertönten die schrecklichen Geräusche, so dass es ihm eiskalt über den Rücken lief.

Kôji war verletzt worden, wahrscheinlich würde Chardonnays zweites Opfer, Shina Kudô heißen. Ryo wurde fast krank vor Sorge, wenn er daran dachte, dass dieser Psychopath hinter seiner Freundin her war.

"Haben sie das gehört, Inspektor? Das waren Schüsse! Sollten wir nicht nachsehen gehen, was das war?"

"Das sollten wir allerdings, aber leider haben wir noch einen anderen Fall. Schicken sie ein paar Leute dorthin und sie sollen wachsam sein."
 

Seit er hier war, schaffte es Chardonnay ihm zu entwischen. Vermouth würde ihn davon abbringen, den Kerl zu verfolgen, schließlich hatte Ryo noch eine Rechnung mit dem Kerl offen. "Ryo?" Der Angesprochene drehte sich zu Inspektor Megure um. "Kôji Miura möchte dich sprechen, er sagt, es sei dringend."

"Vielen Dank für die Auskunft."

Ryo machte sich schnellstmöglich zu Kôji ins Krankenhaus, wo er wohl die Nacht verbringen würde.
 

Als der Junge dort ankam, fragte er, wo Kôji Miura nun lag, man gab ihm Auskunft, so dass er den 17-jährigen in seinem Zimmer aufsuchte.

Ryo öffnete die Tür und entdeckte Kôji nachdenklich im Bett. Gerade als die Tür etwas knarrte, da sie aufging, schaute Kôji zu Ryo hinüber.

"Ich will nicht lange fackeln, mir ist klar, dass du mehr über Chardonnay und Vermouth weißt, also versuch mich nicht zu linken, ich will eine Erklärung. Was sollte denn zum Beispiel die Sache mit Campari? Kannst du mir das erklären? Ich will es wissen, sonst sage ich Shina, dass du Geheimnisse vor ihr hast."

Ryo wusste, dass man ihn in der Hand hatte, deswegen fing er sofort an zu reden.
 

***
 

Wenig später klingelte Shinas Handy, ihr Freund war dran und das, was er ihr zu sagen hatte, gefiel ihr gar nicht. "Kôji ist im Krankenhaus? Was ist denn passiert?"

"Er war plötzlich da, als ich mal wieder an Chardonnay dran hing, Chardonnay hat Kôji von hinten überfallen, so sieht es aus, aber so wie es scheint, geht es ihm den Umständen entsprechend gut. Er hätte ihn totschießen können, das hätte ich mir nie verzeihen können, ich hab hilflos zusehen müssen, wie der Kerl einen meiner Bekannten vor meiner Nase niederschießt. Es wird Zeit, dass man ihn zu fassen kriegt."

"Da muss ich dir recht geben, aber die Polizei wird ihn über kurz oder lang, kriegen, wenn er sich weiterhin in dieser Stadt aufhält", meinte sie zuversichtlich.
 

Shina sagte das nur, weil sie nichts über die Organisation wusste, das war Ryo schon klar, aber er schwieg in der Hinsicht, es war besser, wenn sie erst mal nicht zuviel erfuhr, vielleicht war der Kerl ja doch nicht hinter Shina her. Ryo betete geradezu, dass es so sein würde, er wollte nicht, dass seine neue Freundin da mit hinein gezogen wurde.

"Na gut, Shina, ich warte dann auf euch im Krankenhaus, aber tut mir einen Gefallen und lasst euch von jemandem fahren, heute Nacht scheint es sehr gefährlich zu sein, es laufen jede Menge Halunken in der Gegend herum."

"Machen wir, bis später dann, wir sehen uns." Sie legte mit einem deprimierten Lächeln auf. Sollte sie Watarus Ängste wirklich bestätigen, indem sie ihm sagte, dass Kôji von seinem Vater angeschossen worden war? Er hatte doch schon solche Angst um seine Freunde, würde die nicht noch schlimmer werden, wenn sie es erzählte? Aber ihr blieb wohl keine andere Wahl. Das war jetzt ihre Entscheidung und sie fühlte sich leicht überfordert. "Du, Wataru, ich habe eine nicht so besonders gute Nachricht für dich." Er hob den Kopf und schaute Shina an, als würde er darauf warten, welche Mitteilung sie ihm zu machen hatte. "Dein Vater hat.. Kôji.. angeschossen", kam nur brüchig aus ihrem Mund empor und ein heftiges Schlucken folgte, denn sie hatte Angst vor Watarus Reaktion.
 

Wie erwartet, sprang er auf und schlug die Hände über dem Kopf zusammen und gab einen Schrei von sich. "Da siehst du's, ich bringe euch Unglück!"

"Ach was, beruhig dich, ihm ist ja nichts schlimmeres passiert, du bringst kein Unglück, rede dir das doch nicht ein, es ist alles die Schuld deines Vaters, nicht deine. Wir sollten Kôji besuchen gehen, dann kannst du dich ja selbst davon überzeugen, dass es ihm gut geht." Wataru gab auf, dieses Mädchen widersprach ihm ohnehin immer wieder, da hatte er ja überhaupt keine Chance.
 

****
 

"Oh mein Gott!" Wataru traten Tränen in die Augen, die sofort über seine Wangen liefen. "Das hab ich nicht gewollt!" schluchzte er und Shina nahm ihn in den Arm. Sie wollte immer noch nicht, dass er sich an irgendetwas die Schuld gab. Wenn das so weiter ging, würde er bald einen Psychologen brauchen, so fertig wie er mittlerweile war.

"Beruhig dich doch, er ist nicht tot, deswegen brauchst du dir auch keine Sorgen machen."

"Genau", Kôji öffnete benommen seine Augen und schaute seinen Freund mit einem müden Lächeln an. "Mir geht es gut, Wataru, mach dir nur keinen Stress."

"Du bist meinetwegen gegangen, ich hab dich doch quasi in seine Arme getrieben."

"Ist schon gut, ich verzeihe dir, wenn du mir versprichst, dass du dir selbst eine Chance gibst, wenn du es nicht tust, wirst du wie dein Vater, das willst du doch nicht, oder??"

"Nein..", antwortete Wataru kleinlaut und lächelte traurig. "Niemals, will ich das.."
 

****
 

Ryo war noch unterwegs, weil er eine Spur verfolgte. Chardonnay war sehr gerissen und Ryochis Vater war hinter ihm her. Durch einen Zeugen hatte er eine heiße Spur gefunden, welche zu dem Kriminellen führen *könnte* und Ryo würde jede Spur genaustens überprüfen, damit er ja nichts übersah.

Stille umgab die Gegend, welche vor ihm lag, im Haus brannte kein Licht, was ihm seltsam vorkam, weil er wusste, dass *diese Person*, die hier wohnte, *nie* um diese Uhrzeit schon im Bett war. Ein nachtaktiver Mensch, wie er, der nachts für Chardonnay spionierte, musste unwillkürlich noch auf sein, da er meist erst am Morgen zum schlafen kam, daher schloss Ryo, dass etwas nicht stimmte, also zog er seine Waffe und ging langsam auf das Gebäude zu. Wie er sofort erkennen konnte, stand die Tür um einen Spalt offen, demnach hatte das hier nichts gutes zu verheißen. Hier war etwas im Gange.

Langsam schritt der Junge über die Schwelle, derweil hatte er die Waffe vor sich gerichtet, um auf alles gefasst zu sein. Jedes noch so kleinste Geräusch konnte für einen Erfolg ausschlaggebend sein.
 

Als er durch eine Tür stürmte, richtete er die Waffe auf die Wände, niemand war hier, wie er sofort bemerkte, doch als er zum Boden blickte, lag dort ein Mann, der am ganzen Körper zuckte und fast so blass wie eine Leiche wirkte. Ryo brach Schweiß aus, immerhin war das ein wichtiger Zeuge, der Chardonnay belasten konnte. Er bemerkte sehr schnell, dass der Mann eine stark blutende Wunde in der linken Brust hatte. Das war eine schöne Scheiße. So schnell, wie es dem Detektiven möglich war, rief er einen Notarzt, dann kniete er sich zu ihm hinab. "Halten sie durch, sie sind wichtig für *uns*", bat er ihn. Der Mann schüttelte kurz den Kopf. "Junge, dein Vater ist in großer Gefahr, euer Täter will ihn.. töten.. lassen.. heute.. noch.. vor.. zwei Uhr.. nachts.." Schwerfällig waren die letzten Worte gewesen, bevor der Kopf des Mannes mit einem weiteren Zucken zur Seite fiel, was ein Zeichen dafür war, dass er es nicht geschafft hatte. Ryo zitterte am ganzen Körper und schaute auf die Uhr. Es war halb zwei. Wenn das, was der Mann da eben in seiner Sterbeminute gesagt hatte, der Wahrheit entsprach, dann konnte er sich jetzt keinesfalls um die Leiche kümmern.

Er musste sich entscheiden und sofort rannte er aus dem Haus, es war vielleicht eine Dummheit, die er beging, aber im Moment war es ihm gleich, er würde jemanden zum Haus schicken, der zusammen mit ein paar Männern in dem Fall ermitteln sollte, etwas anderes hatte nun Vorrang, er musste seinen Vater finden und das innerhalb einer halben Stunde, er hoffte, er würde zu Hause sein.
 

****
 

Eine brünette Frau mit einer dunklen Sonnenbrille drang in das Haus der Akajas ein. Eigentlich war es ja nur zu verständlich, dass Takeshis Frau ins Haus ging, nur dass es in diesem Fall eine Fälschung war, eine verkleidete Killerin, die von ihrem Boss den Befehl bekommen hatte, den Polizeipräsidenten von Tokyo zu ermorden.

Auch wenn ihr die Sache nicht geheuer war, man hatte ihr eindrucksvoll bewiesen, was man mit ihr machen würde, wenn sie den Befehl von ihrem Boss verweigern würde. Auch wenn das Ryos Vater war, sie hatte das nicht zu entscheiden. Jede Flucht wäre unmöglich gewesen, sie hätte sich verkleiden und in die USA fliehen können, wenn Chardonnay keine Spitzel an den Flughäfen aufgestellt hätte. Überall befanden sie sich, sogar am Hafen, nirgends konnte man einfach so hin verschwinden. Die Männer der Organisation schauten sogar den Mitgliedern beim Umziehen zu, wobei nur diese wussten, wer alles dazu gehörte. Chardonnay hatte diese Regeln aufgestellt, weil Vermouth und ein paar andere schon des öfteren versucht hatten, Spione in die Reihen der Organisation zu bringen, um dieser zu schaden. Diese Zeiten waren Vergangenheit.

Jetzt wurde gemacht, was der Kerl sagte, ansonsten wurde man gnadenlos abgemurkst und seines Lebens beraubt. Na gut, mit Frauen sprang er manchmal etwas anders um, aber das nur zu seinem Privatvergnügen. Das letzte Mal, als Vermouth dachte, sie könnte ihn betrügen, hatte er sie so gedemütigt, dass sie es so schnell nicht mehr wagen würde aufzumucken. Solange sie sterben *wollte*, würde er nichts dergleichen tun. Nicht mal für absichtliche Misserfolge bestrafte er sie mit dem Tod, nein, er sorgte dafür, dass sie weiterleben musste, nachdem er sie bestraft hatte, sie musste damit leben, der Mann würde sie nicht töten, sie war zu gut in ihrer Aufgabe Leute zu töten und es gab kein Entrinnen, der Kerl war im wahrsten Sinne des Wortes skrupellos.
 

Die richtige Mutter von Ryo war gefesselt in einem Keller gefangen, man hatte sie dort eingesperrt und so konnte das Double ja zuschlagen, nachdem es der Frau bei einem Toilettengang aufgelauert und sie verschleppt hatte.

In ihrer perfekten Verkleidung marschierte sie ins Schlafzimmer der Akajas hinein, mit einer Waffe in ihrem BH, sie musste das durchziehen. Doch kaum war sie im Schlafzimmer angekommen, hörte sie jemanden die Treppe hinauf rennen, sie horchte auf und ihr entfuhr ein Knurren. "Komm endlich wieder ins Bett, ich hatte einen anstrengenden Tag", meinte Takeshi und sie zog die Waffe, sie musste ihn *jetzt* töten, egal wer da auf dem Weg war, immerhin war sie verkleidet und niemand wusste, wer unter dieser Verkleidung steckte, doch da war es schon geschehen, Ryochi stand in der Tür, sah die Waffe und schoss auf die Verbrecherin, da sie seinen Vater bedrohte.

"Ich sagte schon, Vermouth, du bist nicht *meine Mutter*!" fauchte er und sie wusste, es war Zeit zu verschwinden, der Auftrag war geplatzt. Auch wenn das Chardonnays Zorn entfachen würde, es war ihr ganz egal, sie wollte nicht ins Gefängnis, also würde sie lieber fliehen, als das zu riskieren. Mit einem Satz durch das Fenster war sie Ryo auch schon entwischt, der ihr erstaunt nachschaute, immerhin befanden sie sich hier im dritten Stock.
 

Als er zum kaputten Fenster hinausschaute, sah er, dass sie sich die Leiter zunutze machte, welche sie zuvor wohl am Haus angebracht hatte. Ganz schön gerissen, das musste er zugeben. "Vater, trommele ein paar Leute zusammen, ich werde sie verfolgen!" Sein Vater wollte einlenken, doch zu spät, der Junge war zur Tür hinaus verschwunden. Er würde ohnehin nicht hören, schließlich war er ein genauso großer Dickkopf wie er früher. Der Polizeipräsident hoffte jedoch, dass diese Frau in dieser Nacht geschnappt werden würde, immerhin hatte sie es geschafft sich in sein Schlafzimmer zu schleichen und sie war so perfekt, dass er darauf hereinfiel. Dass sie gefährlich war, stand also außer Frage.
 

****
 

Nach einer gewissen Zeit, die der Verbrecherin wie eine Ewigkeit vorkam, hatte sie Ryochi abgehängt, er war zwar hartnäckig, aber nach einer weiteren Maskerade schaffte sie es, ihm zu entkommen. Jetzt kam allerdings der beschissenere Teil ihrer Lage. Sie war wieder da, wo sie eigentlich hingehörte und sie musste ihrem Boss sagen, dass sie versagt hatte. Und sie wusste, was ihr blühen würde.

Zu ihrem Glück war der Boss nicht da und sie hatte das Vergnügen, dass sich das Ganze noch herauszögern würde.
 

****
 

Nur wo trieb sich ihr Boss herum?

Er lauerte Watarus neuer Freundin auf, welche einen Anruf von ihrem neuen Freund bekommen hatte, weil er sie sprechen musste, wegen bestimmter Vorkommnisse.

Sie wusste ja nicht, dass eine schwarze Gestalt verkleidet als Retter in weiß bereits auf sie wartete. Kaum war sie beim Krankenhaus angekommen, stellte sich ihr ein Arzt in den Weg. Seine Augen hatten nichts gutes zu verheißen.

Er würde dafür sorgen, dass sie so schnell nicht bei Wataru ankommen würde. Ein Polizist hatte sie zwar hierher gefahren, jedoch war er nicht mit reingekommen, da sah Chardonnay seine Chance, das Mädchen zu überwältigen. Warum sahen die meisten Leute nur in der Nacht und im Freien eine Gefahr?

Chardonnay versteckte sich unter dem Deckmantel eines Retters, niemand würde ihn erkennen, noch dazu trug er eine Perücke.
 

Yûmikô war stehen geblieben, als der Mann sich ihr in den Weg stellte. Es kam ihr seltsam vor, dass ihr ein Mann in Weiß den Weg versperrte und sie schaute ihn skeptisch an, doch als niemand in der Nähe war, schnappte er das Mädchen und zerrte sie in den nächstbesten Aufzug hinein, dabei hielt er ihr den Mund zu. Es war ein gefährliches Unterfangen, aber wenn etwas schief ging, würde niemand sein Gesicht kennen und es blieb ihm ja noch eine Flucht, immerhin wartete ein guter Mann mit einem Fluchtauto vor dem Krankenhaus. Während der Mann mit dem Mädchen im Aufzug war und da es mitten in der Nacht war, kaum einer hier im Untergeschoss sein würde, konnte er in Ruhe seine Schandtat begehen. Vorerst jedoch gab er dem wehrlosen Mädchen eine Spritze, so dass sie sich nicht wehren oder schreien konnte. Danach verklebte er ihren Mund, falls sie aufwachen würde.
 

So geschah es auch, sie kam zu sich und blickte sich panisch um, doch alles, was sie sah, war ein enger Raum und einen Mann, der sich vor ihr aufgebaut hatte. Sie wusste, dass es kein Arzt war und ihr war auch bekannt, was er plante. Er hatte sie hierher verschleppt, um sie zu vergewaltigen, irgendwie musste sie hier weg, aber sie sah schon, das würde schwierig werden. Womit hatte sie solche Dinge verdient? Erst wurde ihr Vater von einer Killerin um die Ecke gebracht und dann das hier. Der Kerl trat näher an sie heran und schaute hämisch auf sie herab. Man packte ihre Schultern und zwang sie zu einem wilden Zungenkuss, jedoch sah das Mädchen darin eine Chance und biss dem Mann auf die Zunge, worauf er ihr ins Gesicht schlug und sie gegen die Wand warf, so dass sie einen Schmerz in ihrem Rücken verspürte. Immer wieder schlug er sie ins Gesicht, bis er ihren Hals packte und sie hochhob, so dass sie keine Chance hatte Luft zu kommen. Die 16-jährige röchelte und rang verzweifelt nach Luft, da fühlte sie seine Hand unter ihrem Rock und wie er ihre Beine betatschte, welche sie reflexartig zusammenpresste, die allerdings von seiner Hand grob auseinander gerissen wurden. "Wird das dein erstes Mal, Süße?" flüsterte er lustvoll in ihr Ohr. "Ich mag unschuldige Mädchen, die das noch nie erlebt haben.." Er saugte daraufhin an ihrem Hals und umfasste ihre Brüste, worauf sie sich mit ihren Händen zu wehren begann und den Kerl schlug so fest sie konnte. "Nein", schrie sie, "sie perverses Schwein, lassen sie mich in Ruhe! Nein verdammt!" Sie wurde immer lauter und verängstigter, was sich noch verstärkte, als er an ihren Slip zog und ihn in Fetzen riss, danach hörte sie das Geräusch seines Reißverschlusses. Sie hatte panische Angst und schlug weiter wie wild um sich, in sein Gesicht, gegen seine Brust, doch nichts half.
 

So viele Mädchen und junge Frauen hatte der Mann schon vergewaltigt, er hatte bereits Übung darin, so sehr, dass es nicht mal eine Frau mit Bärenkräften schaffte, sich gegen ihn zu wehren. Wenn er eine Frau zwingen wollte, schaffte er das auch, bei der hier war es noch leichter, sie war für ihn fast noch ein Kind, genau auf solche *Frauen* fuhr er ab. Ihre Bluse wurde auch entzwei gerissen und seine Zunge fuhr darüber. "Ich weiß, das genießt du, keine Hure!" Wieder spürte sie seine flache Hand im Gesicht und schrie wie wild auf. Gerade, als er wieder ihre Beine breit machte und in sie eindringen wollte, zog ihn jemand von dem Mädchen weg. "Du elende Missgeburt!" schrie dieser. Der Mann bekam eine Faust ab und taumelte ein wenig zurück. Zwei Personen waren ihm zuviel, also entschloss er sich lieber abzuhauen und machte auf dem Absatz kehrt.
 

Wataru fasste es nicht, jetzt war man nicht mal mehr in einem Krankenhaus vor solchen Schweinen sicher, er drückte Yûmikô an sich, die anfing zu weinen. "Shh.. Shhh, alles wird gut", flüsterte er beruhigend. "Alles wird gut, *meine* kleine Miko-chan.. *dein* Wataru wird auf dich aufpassen", versprach er. Das Mädchen zitterte am ganzen Leib und musste sich erst einmal wieder beruhigen. "Er kann dir nichts mehr tun, ich bin hier.." Sie schaute an ihm hoch, konnte es dennoch nicht verhindern, dass sie sich an seine Brust schmiss und weinte.

Was für ein Glück, dass ihr Retter vorbei gekommen war.
 

Wataru vergaß die Welt um sich herum und auch, weshalb er hier war. In dem Moment, als er den Typen sah, der das Mädchen in den Aufzug zog, wusste er, dass er ihr nach musste, um ihr zu helfen. Hätte der Kerl sie vergewaltigt, der Junge wusste nicht, ob er das verkraftet hätte, er hatte sie doch so gern und wollte nicht, dass ihr etwas geschah. Niemals würde er zulassen, dass ihr jemand Leid zufügte, das schwor er sich.

17. August - Es tut mir Leid....

HUHU >D Okei.. hab mich entschlossen, es etwas anders als geplant zu machen.. das GEWISSE BÖSE kommt erst im nächsten Teil, Shinalein ^-^ dafür hab ich das hier fettisch geschrieben, wird dir sicher gefallen X'''''''''''''''''''''D

Auch wenns öde iz >_> Aba so wie ich dich kenne, wirst du wieda sagen, dass das nich stimmt -______- XD na also, dann kann ich ja beruhigt sein.. ich habe NICHT Korri gelesen, bin dir noch Fehler vom letzten Teil schuldig >'''D und ich war zu faul *drops*

Das mit Kôji gefällt dir, das weiß ich jetz schoooo und das mit Ryo und Wata eh ^-^'

>'''''''''''''''''''''''''''D

mal sehen, was du dazu so zu sagen hast *dir Arbeit geb* -.-'' das an einem LANGEN MONTAG! Gomen, wenn ich dir so was zumute.. ^^
 

Den Rest hab ich net vergessen, mal sehen, wie das weiter so ankommt *ROFL* So viele Charas hier auf einmal O.o XD So dann verschwind ich mal und lasse euch leseln %D
 


 

Die ganzen Ereignisse hatten Wataru stärker gemacht und er fing wieder an zu leben.

Die Clique war wieder vereint und keiner wollte mehr jemandem etwas böses.

Nur Wataru und Ryochi hatten bisher kein Wort gewechselt. Weder im guten noch im schlechten Sinne, sie ignorierten sich.

So kam es, dass Ryo eines Tages den ersten Schritt machte.
 

"Du? Hast du mal kurz Zeit für mich? Ich würde gerne mal etwas mit dir bereden." Wataru blickte Ryo etwas überrascht an, wobei sein Blick nichts gutes zu verheißen hatte, er rechnete nicht mit einer Entschuldigung, eher dachte er, gleich käme eine Drohung.

"Klar, ich hab Zeit, was gibt's?" fragte Wataru relativ ruhig, wobei er sich mehr als nur beherrschen musste, denn auch jetzt hatte er nicht sonderlich viel für den Detektiven übrig, auch wenn das mittlerweile nichts mehr mit Shina zu tun hatte.

"Ich habe dich beschuldigt, das tut mir Leid. Dafür wollte ich mich entschuldigen. Wir sollten versuchen miteinander klarzukommen. Ich meine, es war nicht gerade nett, meine Vermutung auszusprechen und als sie sich dann noch als falsch erwies, hatte ich ein wahnsinnig schlechtes Gewissen dir gegenüber. Ich hab das nicht so gemeint. Du scheinst nicht so übel zu sein."
 

"Du überraschst mich, Akaja.." Wataru schloss die Augen und wirkte dadurch etwas nachdenklich. "Aber, ich nehme deine Entschuldigung an. Du bist selber nicht so übel." Ein Lachen folgte seinen Worten und er reichte dem anderen Oberschüler die Hand. Ryo grinste nun ebenfalls und nahm Watarus Hand in seine. "Freut mich, dass das alles gut ausgeht. Wir hatten ja keinen besonders guten Start, aber das soll sich ändern, vielleicht werden wir ja noch Freunde, wer weiß?"
 

"Ja, wer weiß? Ich habe ja auch nicht damit gerechnet, dass wir einmal normal reden würden. Ich wünsche dir und Shina, dass ihr glücklich werdet. Pass auf sie auf, mir liegt sehr viel an ihr. Ich würde es einfach nicht verkraften, wenn ihr was passiert.."

"Was meinst du?" Ryochi tat etwas überrascht, auch wenn er ahnte, dass es mit Watarus Vater Keichiro zu tun hatte, der vor Jahren von Tokyo nach nirgendwo gegangen war, um sich wegen gewisser Dinge aus dem Staub zu machen. Ryochi war bekannt, in welch einer Lage sich Wataru deswegen zwangsläufig befinden musste, immerhin waren Keichiro und Shinas Vater nicht gerade die besten Freude.
 

"Na ja, du weißt doch.. mein Vater will mich leiden sehen, daher geht er gerne auf meine Freunde los, oder hast du das mit Kôji wieder vergessen? Wie gut, dass er sich einigermaßen erholt hat."

"Ja, das hat mir eigenartigerweise die Augen geöffnet, schon komisch, dass dafür erst jemand verletzt werden musste, damit ich mitbekomme, was überhaupt los ist. Was war eigentlich der Auslöser dafür? Wieso hasst er dich so? Das kommt sicher nicht nur so.." Mit stechendem Blick, der alles zu erraten vermochte, blickte man Wataru an, welchem etwas der Schweiß ausbrach.

"Es wundert mich, dass Shina in der Hinsicht so verschwiegen war, dabei hätte sie dir das doch sagen können. Nun ja..", fing er an und schloss wieder die Augen. "Mein Vater hasst die Polizei und ich habe vor auf die Polizeischule zu gehen. Das war ihm von Anfang an ein Dorn im Auge. Ich hab's ihm gesagt, als ich dreizehn war. Da ist er ausgetickt. Auch wenn er mich früher schon nicht sonderlich mochte, das hat den Stein ins Rollen gebracht. Seitdem hat er es irgendwie darauf abgesehen, mir wehzutun. Und er will mich davon abhalten, Polizist zu werden, aber da hat er Pech, ich lasse mich nicht davon abbringen, ich tue, was mir passt, ich bin immerhin ja kein Kind mehr, über das man bestimmen kann."
 

"Genau, setze deinen Willen durch. Lass dir von diesem Mann ja nichts bieten. Auch wenn dir das nicht gefällt, der Kerl ist ein Psychopath der schlimmsten Sorte. Gegen mich hat er auch was, das liegt an meinem Vater. Er ist immerhin ein hochangesehener Mann, mit hohem Posten im kriminalistischen Bereich. Wenn dein Vater Polizisten ja so hasst, oh man, dann muss er meinen Vater ja außerordentlich lieben, das wird auch der Grund für den Anschlag neulich gewesen sein. *Seiner* Killerin wäre es beinahe gelungen, ihm etwas anzutun. Man muss jetzt echt vorsichtig sein.." Ryo schien an etwas vergangenes zu denken, denn seine Augen schlossen sich mit einer gequälten Miene.
 

Das einzige, was in dieser Hinsicht ein Rätsel war, war der Fakt, dass *Chardonnay* Ryochi nichts antun wollte. Eigentlich mochte er ihn nicht und er hatte in letzter Zeit mehr als einmal die Gelegenheit ihm etwas anzutun. Früher war er da anders gewesen, oft hatte er auf ihn geschossen und ihn sogar verletzt, das blieb nun aus. Dachte er vielleicht, dass man Ryo auf seine Seite bekommen konnte, weil er zu Anfang nicht sonderlich viel für Wataru übrig gehabt hatte? Das wäre echt der Witz des Jahrhunderts, als wenn Ryo Leuten dabei helfen würde, andere fertig zu machen. Keichiro schien zu allem bereit zu sein. Kein Wunder, er war ein Vergewaltiger, Mörder und Erpresser. Er hatte sicher schon jede Schandtat begangen. Wie gut, dass Wataru Yûmikô davor bewahren konnte, dass man ihr *so etwas* antat.
 

Wataru musterte den Detektiven und entdeckte eine Art Trübsinn, den er noch nie in dessen Gesicht entdecken gekonnt hatte. Wegen irgendetwas machte er sich wohl Sorgen und es schien schlimm zu sein, so dass es ihn beunruhigte.

"Was ist, Ryo? Stimmt was nicht?"

"Wir sollten mal zu den anderen gehen, die warten sicher schon auf uns." Es war eine Art Ablenkung, das hatte Wataru sofort gecheckt, jedoch schwieg er zu dem Thema lieber.
 

Akemi stürmte auf Kôji zu, der gerade auf Shina, Akemi und Yûmikô traf. Sie warf sich Kôji überraschend an die Brust und er reagierte etwas perplex. "Was.. was ist denn jetzt kaputt?" fragte er leicht rot im Gesicht und schob sie etwas von sich, aber da fing sie fast an zu weinen und umschlang seinen Körper mit den Händen. "Baka!" sagte sie laut und schniefte. Shina rieb sich die Nase und entschloss sich Ryochi aufzusuchen, der war ja auch schon eine Weile weg, außerdem wollten die beiden hier sicher etwas alleine sein, denn so wie es schien, war irgendwas im Busch. Sie ging von den anderen Dreien weg und ging Wataru und Ryochi entgegen, die lächelten. "Was ist mit euch passiert?" Wataru grinste daraufhin und konnte sich einen dummen Spruch nicht mehr verkneifen. "Wir haben uns ausgesprochen und jetzt sind wir ein Herz und eine Seele, Shina, er hat dich ja schon quasi mit mir betrogen."
 

Die Schülerdetektivin schaute die beiden mit einem Halbmondaugenblick an, selbst wenn sie innerlich glücklich war, dass sich die Zwei jetzt besser verstanden. "Pah, dann werdet doch glücklich, ich gehe mich bei Kôji trösten.." Shina blickte zum Genannten hinüber und seufzte. "Allerdings fürchte ich, wird mir Akemi dann den Kopf abreißen." Ryochi und Wataru fingen an zu lachen. "Ich wusste, dass die beiden einander noch etwas bedeuten, das war der Grund, weswegen ich nie was von Akemi gewollt habe", verriet Wataru, "ich wusste, dass sie an Kôji hängt, das ist schon lange so. Vielleicht sollte ich meinem Vater daher dankbar sein, der hat sie immerhin wieder vereint, oder wie seht ihr das, Leute?" Shina begann nun mit zu lachen und legte ihre Hände auf Watarus und Ryochis Schultern. "Scheint so, als wenn alle sich nun jemanden gesucht hätten, dann ist ja keiner alleine, was? Schon komisch mit den vielen Pärchen in letzter Zeit.." Sie hieb Wataru ihren Ellenbogen in die Magengegend. "Ich hoffe doch, du hast das mit Yûmikô ins reine gebracht, oder?"

"Klar.. sie ist aber auch ein süßes Mädchen, oder?" Etwas schwärmerisch schaute Shinas bester Freund zu Yûmikô hinüber und lächelte dabei glücklich, worauf er einen Schubs von Shina bekam. "Na, dann los, geh zu deiner neuen Freundin!"

Die Detektivin war froh darum, wie die Dinge abgelaufen waren. Alle Fehler und Missverständnisse waren es im nachhinein doch wert gewesen. Auch die schlimmsten Dinge hatten einen netten Nebeneffekt gehabt.
 

"Shina..?" fragte Ryochi jetzt todernst und sie blickte ihn fragend an. "Wir müssen aufpassen, sonst geht alles wieder in die Brüche. Keichiro wollte Yûmikô vergewaltigen. Warum brauche ich dir sicher nicht sagen. Jetzt, wo sein Sohn so fröhlich ist, wird er sich einmischen wollen, wir müssen echt wachsam sein, damit niemandem etwas zustößt, das würde ich mir nie verziehen. Ich muss dir da was erzählen. Das betrifft eure Familie.."
 

***
 

Akemi löste sich wieder von ihrem Exfreund und wischte sich die Tränen weg, worauf sie Kôji böse anstarrte. "Musst du dich immer so in Gefahr begeben? Es hätte echt schief gehen können. Der Kerl hätte dich umbringen können, du kennst doch Keichiro, der tut alles, um Wataru wehzutun und er würde dich benutzen. Mach so was nie wieder, du Idiot!" Kôji seufzte, mein Gott, die war doch sonst nicht so ängstlich und heulte. Lag das daran, dass sie Watarus Vater *zu gut* kannte?
 

Die 16-jährige hatte Angst, sie kannte *Chardonnay* besser als alle anderen vielleicht wussten. Er hatte ihr die Schwester weggenommen, das würde sie niemals in ihrem Leben vergessen, womöglich war er auch schuld am Tod ihrer Eltern, aber das konnte und durfte sie keinem erzählen.

"Die Schusswunden waren doch gar nicht so schlimm, reg dich nicht so auf! Wie du siehst, geht es mir jetzt schon wieder gut.." Musste er ständig so auf stark tun? Er war auch nur ein Mensch, man konnte ihn verletzen, oder töten, ganz nach Belieben. Wenn sie etwas wusste, dann das.

"Hör jetzt auf damit, ich hab das ernst gemeint, ich habe Angst, dass er dir doch noch was antut, dieser Mann ist krank und tut alles für Erfolg.."

Kôji seufzte wieder und winkte ab. "Komm schon, mach nicht so viel Wind, Unkraut vergeht nicht." Immer diese blöden Sprüche. "Nimm mich gefälligst ernst! Er ist ein Mörder! Du hast doch Ryochi zugehört oder?" So langsam wurde das Mädchen hysterisch und fing an zu brüllen, was Shina und Wataru gar nicht an ihr kannten, sie war sonst immer so fröhlich und besonnen. Die Detektivin und ihr bester Freund schauten sich an und fragten den jeweilig anderen durch ihren Blick nach dem Grund, weswegen Akemi jetzt so verschroben war. Shina zuckte mit den Schultern und ging zu ihrer besten Freundin hin. "Akemi, was ist denn los mit.. dir?" In dem Moment brüllte sie Shina schon an. "Ihr wisst nichts, ihr tut nur so!" Mit den Worten stürmte sie davon.
 

Shina war ratlos, sie blickte ihrer Freundin nach. Kôji zitterte am ganzen Körper. Er war mit Akemi zusammen gewesen, er kannte sie ziemlich gut, aber nie war sie dermaßen verzweifelt gewesen. "Hab ich zu schroff reagiert? Ich konnte ja nicht.. ahnen, wie es in ihr aussieht.. und dass.. sie sich solche Sorgen um mich machen würde.." Kôji hatte ein trauriges Lächeln im Gesicht. "Wer hat sich denn von mir getrennt? Das war doch sie, nicht ich.."

"Das ist nicht der Grund, da steckt irgendetwas anderes dahinter. Jedenfalls solltest du ihr nachgehen und in Ruhe mit ihr reden. Nicht dass.. sie.. noch jemand.. überfällt.." Wataru hielt sich die Hand vor den Mund. "Kommt, Leute, wir suchen sie, es gefällt mir gar nicht, dass sie jetzt alleine ist."
 

****
 

Akemi hatte sich auf eine Bank im Beikapark gesetzt und wischte sich die Tränen weg, als auf einmal jemand vor ihr stand und ihr sein Taschentuch anbot. "Der Typ hat sie wohl nicht alle, bringt der doch glatt so ein hübsches Mädchen zum weinen." Sie schaute mit einem wütenden Blick auf, solche dummen Anmachen konnte sie noch nie leiden, sie hasste es, wenn man sie so konkret anmachte.

"Verzieh dich, du Macho!" Der Junge setzte sich neben sie.

"Tut mir Leid, wenn ich dir zu nahe gekommen bin, aber deine Augen sind viel zu schön zum weinen." Oh Gott, der sollte sie doch einfach in Ruhe lassen. Dennoch nahm sie das Taschentuch und wischte sich die Tränen damit aus ihrem hübschen Gesicht.

"Trotzdem danke."

"Gern geschehen.." Der Junge mit den schwarzen Haaren lächelte. "Geht's denn wieder??"

"Ja, danke nochmals." Wataru und sein Anhang kamen nun bei Akemi an und erblickten gleich den Jungen, der sich neben sie gesetzt hatte.

"Akemi-chan!" rief Kôji, kam auf sie zu und zog sie an der Hand hoch. "Sie gehört zu mir!" sagte er besitzergreifend und der Schwarzhaarige erhob sich.

"Aha, dann hast du das Mädchen also zum heulen gebracht!"
 

Ryochi schaute den Jungen kritisch an. "Was willst du denn hier, he? Bist du mir gefolgt, oder was?" meinte er mit bedrohlicher Stimme. Alle schauten in Ryos Richtung, da es schien, als würde er den Unbekannten kennen.

"Nein, so kann man's nicht nennen. Wir sind mal wieder umgezogen. Erst von Nagoya nach Kyoto, dann nach Osaka, wie du weißt, und so wie es scheint, werde ich hier eine Weile bleiben müssen!" Er seufzte und Ryo musste lachen.

"Deine Eltern können wohl nie lange irgendwo bleiben, was Sêi-chan?" Ryochi sagte es laut, damit alle es mitbekamen, obgleich es eine Lüge war, denn Sêiichîs Eltern waren unmöglich auch hier, er war alleine, wie so oft.

"Sêi-chan? Man, müsst ihr euch ja gut kennen." Shina erwartete eine Erklärung von ihrem Freund, dieser zwinkerte ihr zu und legte seine Hand auf die Schulter des Jungen, den er gerade noch Sêi-chan genannt hatte. "Darf ich euch bekannt machen? Das ist Sêiichî Iwamoto, wir waren einige Zeit Klassenkameraden, so wie es aussieht, wohnt er jetzt auch hier." Ziemlich erfreut grinste Ryochi, Kôji allerdings hatte die Arme verschränkt und blickte den Fremden mit bösen Augen an. "Hat der schon immer keine Manieren gehabt? So wie der mich gerade angemacht hat, dabei geht es ihn gar nichts an, was zwischen Akemi und mir vorgefallen ist."
 

Oje, nicht noch ein Neuankömmling. Shina seufzte, ging das ganze jetzt von vorne los? Nur dass Kôji diesmal eifersüchtig war? Sie fasste es nicht, dabei waren doch alle so schön vereint, dann kam so ein Neuer und störte die Ruhe, die sich bei ihnen ausgebreitet hatte. "Bleibt friedlich, ja? Das hatten wir erst, wie ihr wisst."

"Sag das ihm, er hat angefangen!" sagten die beiden gleichzeitig und man bemerkte das Funkeln in ihren Augen. Dass sie Rivalen waren, stand jetzt schon fest.
 

"Du, Ryo-kun? Mir egal, was die reden, ich hab wichtigeres zu tun.." Sêiichî drehte sich herum und entlockte mit seinem abweisenden Verhalten dem Detektiven einen skeptischen Gesichtsausdruck. "Aha?" fragte er und schaute mit einem scheinheiligen Lächeln in Shinas Richtung. "Entschuldige mich!" Ryochi schnappte den älteren Sêiichî am Kragen und ging mit ihm etwas weiter weg. "Weswegen bist du wirklich hier? Sag nicht, du verfolgst die Organisation?? Das könnte echt gefährlich werden. Hast du aus der Vergangenheit denn nichts gelernt?"

"Hör auf mich zu belehren, Ryochi Akaja, du weißt, dass ich das hasse, auch wenn du Recht hast. Die Schwarze Organisation ist der Hauptgrund für meinen Aufenthalt. Um genau zu sein, ist es Vermouth. Eine Killerin, die nie sie selbst ist, wenn sie mordet, interessiert mich eben." Ryochi holte aus und schlug Sêiichî ins Gesicht.

"Als du denen das letzte Mal zu nahe gekommen bist, hat man dich fast umgebracht! Du hast nicht die Mittel, um es mit denen aufzunehmen! Hör auf mich und sei nicht so stur!"
 

Wie war der denn jetzt drauf? Frech grinsend hielt sich der Junge die Wange, die Ohrfeige hatte jedenfalls gesessen.

"Wirst du besitzergreifend??" Sêiichî schielte seinen Freund an, das ganze wirkte eher wie ein gehässiger Halbmondaugenblick. "Dir gehört Vermouth nicht alleine. Also sei mal schön ruhig, oder willst du sagen, du bist nicht hinter der Frau her??"

"Jedenfalls mache ich nicht den Fehler und verfolge sie, das kann die nämlich gar nicht ab, verstanden? Außerdem ist das was völlig anderes, sie will mich nicht umbringen, das würde sie nie wagen, bei dir ist es was anderes."

Außerdem konnte man nicht sagen, dass er hinter Vermouth her war, nein, das war nur beiläufig so. Ryos Hauptziel hieß Chardonnay und sie gehörte nun mal zu *dem*. Leider...
 

Shina beobachtete die beiden heimlich. Hatten die gerade von Vermouth gesprochen? Was hatte der Junge denn mit der Organisation am Hut? Schon jetzt war sie skeptisch, schon alleine weil Ryochi weggegangen war. Sie würde allerdings noch herausfinden, was hier gespielt wurde.

"Hey, Shina..? Der Typ geht mir auf den Keks und ich traue ihm nicht. Hast du gehört, was er gesagt hat?"

"..Ja, du hast es also auch gehört, Kôji.. sie haben von der Organisation gesprochen."

"Ja, von Keichiros Verbrechergeliebten. Wer weiß, wer der Typ ist? Vielleicht gehört der ja selbst zu denen.."

"Ach komm, jetzt übertreibst du. Du bist bloß sauer wegen Akemi, aber wie es scheint, hat die selbst wenig für ihn übrig. Hast du vergessen, wie sie auf Heimlichtuerei immer reagiert? So verdächtig wie die sich gerade verhalten.. also der wird nie bei ihr landen, mach dir keinen Kopf, sie mag doch sowieso nur dich, kapiert?" Kôji war etwas verwundert. "Ah ja..? Hat sie das so gesagt?" Er lächelte und Shina seufzte.

"Es ist hoffnungslos. Ich musste sie nur beobachten, das ist alles, sie hat mir nichts dergleichen gesagt, aber ihr Verhalten ist deutlich.." Sie lächelte ihn schelmisch an, wurde dann aber wieder ernst und schloss die Augen. "Jedenfalls denke ich, wird es heute nichts mehr mit unserem Strandbesuch, so wie das hier aussieht.."
 

Kôji verstand zwar nicht, was Shina da redete, aber eines verstand er, der Typ hatte Dreck am Stecken, das sah man doch sofort. Ryo schien ihn zu belehren, aber der Kerl reagierte frech, der nahm sich echt viel raus. Kôji schwor sich, wenn er zur Organisation gehören sollte, würde er Akemi vor ihm beschützen, sie sollte nicht auch noch da hinein geraten...

19. August - Tage wie dieser, welche nie mein Gedächtnis verlassen werden...

Kôji ging bestimmt an die fünf Mal zwischen Akemis und seinem Zuhause hin und her, weil er sich nicht traute zu klingeln. Er war unsicher und wusste nicht, ob er sie wirklich besuchen sollte. Doch dann entschied er sich, es wirklich zu tun und seinen gesamten Mut zusammenzunehmen, um sie wieder zu bekommen.

Mindestens eine Minute stand er unschlüssig vor der Tür, grübelte darüber, was er ihr sagen sollte und drückte dann auf die Klingel.

Das Mädchen stand wenig später etwas knapp bekleidet in der Tür und Kôji fiel buchstäblich die Klappe runter. "Hi, Akemi, darf ich reinkommen? Ich möchte mit dir reden.." Über den Grund ließ er sie im Unklaren, aber es reichte, um sie zum lächeln zu bringen, so dass sie ihn zur Tür hereinzog.

"Worüber wolltest du denn reden, Kôji?" fragte sie etwas mürrisch und schaute ihn neugierig an.

"Über uns??" Er kratzte sich an der Wange und schaute zur Decke, weil es ihm schon peinlich war, so etwas zu sagen.

"Uns??" fragte Akemi etwas ungläubig und musterte ihren Exfreund, der peinlich berührt dastand. Am liebsten hätte sie ihn auf der Stelle geküsst, aber sie hatten sich ja getrennt und sie hatte sich neulich ziemlich dämlich verhalten. "Das mit uns ist vorbei, was gibt es da zu reden?" Sie drehte sich um, weil sie sonst schwach werden würde, dazu musste sie nur in seine schönen Augen schauen.
 

Das war die Frage, die Kôji gefürchtet hatte, denn jetzt würde er wohl oder übel in den saueren Apfel beißen müssen und über etwas reden, das er nur sehr selten tat, über seine Gefühle. "Na ja, über uns, weil ich denke, dass wir uns damals vorschnell getrennt haben und ich dich schrecklich vermisse." Er hatte das Gefühl, er würde sich lächerlich machen und schaute zu Boden. "Neulich hast du dich um mich gesorgt und das hat irgendwie alles wieder an die Oberfläche geholt. Da wusste ich, dass ich dich wieder will. Kannst du mir nicht eine kleine Chance geben..?" Erwartungsvoll, aber auch ängstlich, wartete er auf ihre Antwort.
 

"So einfach geht das nicht! Du willst mich vielleicht wieder, aber ich will dich nicht wieder und jetzt gehst du besser." Es kostete das Mädchen jede Menge Überwindung, um ihm das zu sagen, aber sie konnte nicht anders. Akemi wollte nicht mit jemandem zusammen sein, dem sie nicht vertrauen konnte. Und seine Verschwiegenheit, die er immer an den Tag legte, war ausschlaggebend für ihr Misstrauen ihm gegenüber.
 

"Ich habe das neulich anders gesehen. Im Grunde hast du nur Angst. So wie du dich verhalten hast, wolltest du mich sehr wohl wieder. Und ich werde so schnell nicht aufgeben!" Er nahm ihre Schultern und zog sie zu sich. "Kannst du nicht verstehen, dass ich mich nach dir sehne und du sehnst dich auch nach mir, also sei nicht so stur. Du musst doch wissen, dass ich dich nie enttäuschen würde. Ich würde alles für dich tun, das musst du mir einfach glauben. Und wenn auch nur ein kleiner Funke deiner Liebe übrig ist, dann gib mir die Chance, dir zu beweisen, dass ich es ernst meine.."
 

Sie wehrte sich nicht gegen seine Umklammerung, sie fühlte sich wohl, aber sie wollte doch gar nicht. Andererseits tat er ihr Leid, es musste ja schrecklich für ihn gewesen sein, als sie sich von ihm getrennt hatte. "Ich.. du machst es mir echt nicht einfach, du weißt doch, dass ich dich mag.." Sie drehte sich zu ihm herum und schaute in seine etwas traurigen Augen. Das konnte sie nicht ertragen. "Bitte schau doch nicht so, dann bekomme ich ein schlechtes Gewissen."
 

"Ist doch egal, sag einfach, dass wir es noch mal versuchen.." Er hoffte so sehr, dass sie diesmal schwach werden würde und er sie nach der langen Zeit wenigstens einmal küssen durfte. "Ich konnte die letzten Tage nicht schlafen, ich habe nur an dich gedacht. Glaub mir. Ich finde es traurig, dass wir uns wegen *nichts* getrennt haben. Wir haben uns doch so gut verstanden. Ich verstehe dich nicht, Akemi, warum tust du dir selbst so weh?"
 

"Ich kann einfach nicht. Ich will keine Beziehung mehr mit dir haben, Kôji, ich kann einfach nicht." Sie löste sich von ihm und er musste sich beherrschen, um nicht loszuheulen. Es tat weh, dass sie so etwas tat. Er wollte sie auch nicht bedrängen. Wenn das Mädchen nicht wollte, musste er gehen, so gehörte sich das, dennoch bewegten sich seine Füße keinen Millimeter.

"Ich kann auch nicht, ich kann nicht ohne dich sein, aber wenn es das war, was du wollest. Wenn du wolltest, dass ich leide, dann meinetwegen. Es wäre besser gewesen, Watarus Vater hätte mich erschossen, dann wäre ich besser dran und du auch." Er drehte sich weg, es war kaum zu überhören, dass es ihn schrecklich getroffen hatte, wie sie sich verhielt. War er ihr denn jetzt auf einmal wieder so egal? Was zum Teufel machte dieses Mädchen da mit ihm? Sie machte ihm Hoffnungen und wies ihn dann wieder ab, das war nicht fair von ihr.
 

"Rede nicht solchen Mist, du hast doch Freunde. Mach dein Leben nicht von einer Frau abhängig, das ist das Schlimmste, was man tun kann. Man darf sich nie von jemandem abhängig machen, dann leidet man erst recht. Und damit du es weißt, ich trampele nicht absichtlich auf jemandes Gefühlen herum. Es tut mir Leid, ich hätte mich nicht so gehen lassen dürfen. Was verstehst du das auch so falsch? Ich habe mich als Freundin um dich gesorgt. Da war keine Liebe, akzeptier das."
 

Sie belog doch bloß sich selbst, denn sogar Shina hatte gemeint, sie würde ihn noch lieben. "Tut mir auch Leid, aber so kam es mir nicht vor. Du hattest Angst mich zu verlieren und jetzt behandelst du mich so. Ich habe auch Gefühle, auch wenn ich es nicht oft zeige. Weißt du wie weh es tut, wenn man hofft, dass das Mädchen, das man über alles liebt, zu einem zurückkommt und man glaubt, man hat es geschafft und dann wird man abgewiesen?? Genau das hast du getan! Wenn du mich doch nicht mehr liebst, was regt es dich so auf, wenn ich mal verletzt werde? Es kann dir doch dann egal sein!" Seine Stimmung wechselte etwas ins Wütende. "Ich weiß genau, dass du dich selbst belügst, aber wieso? Wenn es meine Verschwiegenheit war, die uns auseinander getrieben hat, dann na gut, ich kann dir ja sagen, was du wissen willst. Im Moment ist es mir nur wichtig, dass wir beide wieder zusammen sind, dafür würde ich alles tun, sogar auf den Knien am Boden rumrutschen und dich anflehen."
 

"Hör auf, jetzt machst du dich wirklich lächerlich." Sie seufzte leise. "Ich will, dass du jetzt gehst, ich möchte alleine sein.." Eine Lüge, so wie sie es oft machte. Eigentlich wollte sie, dass er sie im Arm hielt, aber sie sagte das Gegenteil. "Wir hätten nie zusammen sein dürfen, dann würdest du jetzt nicht darunter leiden, aber nur weil du leidest, kann ich nicht mit dir zusammen sein. Was erwartest du denn von mir? Ich kann einfach nicht!"
 

"Was ich erwarte? Dass du mir wenigstens eine Chance gibst. Stattdessen sagst du immer mehr verletzende Sachen. Wir waren so glücklich, bis du gemeint hast, dass das zwischen uns nicht sein sollte. Du hast mich damals ahnungslos ins eiskalte Wasser geworfen. Ich kam mir vor wie so ein One-night-stand." Das was sie gehabt hatten, war keine wirklich Beziehung für ihn gewesen, er kam sich irgendwie verarscht vor.
 

"Jetzt reicht's aber, so etwas lasse ich mir nicht sagen. Du tust ja, als sei ich daran schuld, dass es so gekommen ist. Vielleicht haben wir beide zuviel falsch gemacht, ich weiß nur, dass ich unseren Fehler nicht wiederholen will."

"Was für einen Fehler? Dass wir miteinander geschlafen haben? Dankeschön, für mich war's auch toll."

"So war das doch gar nicht gemeint und lass jetzt bloß den Sarkasmus weg, das finde ich im Moment nicht besonders passend!"

"Wieso, lass mich doch?! Wenn man schon mit mir spielen muss, dann will ich wenigstens gehässig sein! Wenn du es ja so bereust, na schön, dann hau ich ab! Am besten ich ziehe von hier weg, damit du deine Ruhe hast." Seine Worte drückten geradezu das aus, was er jetzt fühlte und alles war ernst gemeint.
 

Seine Worte hatten sie schockiert. "Das ist nicht dein Ernst, oder? Du hast hier deine Freunde, du kannst die doch nicht einfach so vor den Kopf stoßen! Außerdem wäre es wie abhauen. Typen, die einfach das Weite suchen, konntest du ja noch nie leiden. Und jetzt bist du selbst ein Feigling!"
 

Es funktionierte, Kôji musste ein Lächeln unterdrücken. "Ich kann das hier aber so langsam nicht mehr ertragen. Wenn dann noch so ein Obermacho hierher kommt, der dich andauernd angräbt und ich nicht sicher bin, dass du dich nicht auf den einlässt, das halte ich einfach nicht aus, dann verschwinde ich besser, Freunde findet man ja überall. Und ich bin es gewohnt, meine Freunde zu verlieren, das war schon immer so. Schon als ich klein war. Entweder haben die mich quasi sitzen lassen und haben sich mit anderen abgegeben, oder wir sind umgezogen und ich kam auf eine andere Schule. Du weißt, dass ich schon fast überall, in allen möglichen Stadtteilen von Tokyo gewohnt habe, das war damals normal. Ich bin es wirklich gewohnt, Freunde zu verlieren."

Trotzdem hatte es wehgetan, als Wataru so komisch drauf war und sich Kôji vergraulen wollte. Er hing an dieser Stadt, eigentlich wollte er hier nicht weg. Eigentlich konnte er es auch nicht tun, wegen seiner Mutter, sie brauchte ihn, hier und nirgendwo anders.
 

"Du wirst mich ja nicht als Freundin verlieren", sagte sie leise und tätschelte seine Schulter. "Warum müssen Mann und Frau immer gleich zusammen sein? Das ist Quatsch! Wir könnten doch die besten Freunde sein.." Sie hoffte ein wenig, dass er darauf eingehen würde.
 

"Nein, ich will nicht dein bester Freund sein, das würde nicht gut gehen. Ich würde wahrscheinlich wie Wataru neulich die Krise kriegen, wenn du einen Freund hättest. Jetzt wo dieser Typ hier ist.." Bei dem musste man vorsichtig sein, so wie der schon aussah, als wenn er alles, was bei drei nicht auf dem Baum ist, anbaggern würde und was noch alles, wenn man nicht aufpasste.
 

"Was hat der Typ damit zu tun, der interessiert mich überhaupt nicht. Der ist mir viel zu billig. So wie der rüberkommt, hat er fünf Freundinnen auf einmal." Was zum Teufel hatte der denn jetzt für Probleme? "Er ist nicht mein Freund, nicht so wie du. Ich kenne ihn doch kaum." Akemi erinnerte sich daran, wie das mit Kôji passiert war. Sie war so glücklich gewesen, als sie in seinen Armen lag und er ließ sie allen Kummer, den sie damals hatte, vergessen. So langsam hatte sie das Gefühl, dass er Recht hatte und sie sich selbst belog. Eigentlich wollte sie ihn ja auch wieder haben.

Auch Akemi konnte nicht mehr, es standen Tränen in ihren Augen. "Du kannst nicht einfach weggehen, das ist gemein von dir."
 

Na toll, jetzt weinte sie, seinetwegen. Verdammt, war er sensibel. "Tu ich schon nicht, Akemi, also keine Angst. Ich würde dich nie verlassen.." Er ging näher an sie ran und sie lehnte ihren Kopf gegen seine Brust, was ihn im Moment doch etwas überraschte. "Nicht weinen, Akemi, es ist doch alles gut." Wie er jetzt redete, Kôji kam sich doof vor.

Er hob ihr Kinn an und schaute in ihre verweinten Augen. Sie klammerte sich an ihn und er fragte sich, was sie jetzt hatte.

"Was ist denn los?" Sie gab ihm keine Antwort und drückte sich an ihn. Die Situation machte ihm irgendwie Angst, weil er es nicht gewohnt war, dass seine Freundin Akemi sich an ihm ausheulte. Hatte sie vielleicht irgendwelche Probleme?

"Bleib heute Nacht als Freund bei mir.. als guter Freund. Damit kannst du mir jede Menge beweisen."

"Ist gut, ich bleib solange, wie du willst."
 

*****
 

Es war spät am Abend, als Shina alleine auf dem Nachhauseweg war. Eigentlich zu spät, um alleine durch die dunklen Straßen Tokyos zu gehen, doch das Mädchen hatte keine Angst, schließlich konnte sie sich sehr gut verteidigen.

Währenddessen dachte sie darüber nach, was Ryochi ihr neulich gesagt hatte.

Dass Vermouth womöglich, sobald sie wieder in Amerika war, versuchen würde Shinas Mutter umzubringen, weil sie grundsätzlich etwas gegen Freunde ihrer Mutter Sharon hatte. Deswegen hatte sie sich gedacht, dass Yukiko wieder zurückkommen sollte, und das so schnell wie möglich, denn Ryo meinte, es würde nicht lange dauern und *Chris Vineyard* würde das Land verlassen, weil sie versagt hatte. Chardonnay würde sie wahrscheinlich dafür bestrafen, dass sie Ryos Vater nicht erledigt hatte.
 

Es kam wie es kommen musste. Zwei Männer in schwarzen Klamotten versperrten ihr den Weg. Ein Mann mit schwarzer Sonnenbrille und ebenso pechschwarzen Haaren kam auf sie zu und sie stoppte. Egal, was dieser Typ jetzt wollte, wenn er ihr dumm kam, würde sie ihn schlagen und treten. Jedoch schnappte sie jemand von hinten, worauf etwas Unruhe in ihre Glieder fuhr. Man hielt sie eisern fest und als sie versuchen wollte, den Kerl mit einer Karatetechnik loszuwerden, bemerkte sie, dass er sie mit einem geschickten Handgriff wehrlos gemacht hatte. "Was wollt ihr? Lass mich los, oder ich schreie."
 

"Es ist keiner hier, Shina Kudô und deswegen kann dir auch keiner helfen, zu schade." Sie sah das Gesicht des Mannes nicht, der das sagte, weil es vom Schatten verborgen wurde, aber sie erkannte seine Stimme. Es war Watarus Vater, der gehässig zu ihr sprach.

"Kôji hat nicht gereicht, was?" fragte sie sarkastisch und begann zu grinsen, was Keichiro ein Knurren entlockte.

"Nein, er ist ein Junge, du ein Mädchen, das ist wesentlich interessanter."
 

Der Ton, welcher nun in seine Stimme gefahren war, holte Shina den Ekel die Kehle hoch. Sollte das heißen, der Scheißkerl wollte sie jetzt vergewaltigen? Dem würde sie es aber nicht leicht machen, das schwor sie sich. Die 16-jährige wartete nur darauf, eine Chance zu bekommen, in der sie einen der beiden attackieren konnte. Noch als er auf dem Weg zu Shina war, hörte man Schritte und Gin wurde hellhörig. "Da kommt wer.."
 

"Wenn du sie auch nur berührst, Chardonnay, dann gnade dir Gott!" Die männliche Stimme veranlasste den Angesprochenen zu einem Seufzen. Dieser dumme Junge musste ausgerechnet hierher kommen, das durfte nicht wahr sein. Dann würde er ihm eben jetzt wehtun müssen, schließlich war er selbst schuld.

Der Schwarzhaarige musste lachen, als er die Worte des Jungen in seinem Gedächtnis wiederholte. "War das eine Drohung, Junge?? Weißt du überhaupt, wovon du redest? Gott! Der hat keinen Einfluss darauf, was jetzt geschehen wird, er schaut nur zu, Tag für Tag!"
 

Shina wurde jetzt noch besser festgehalten, und doch war es ihr möglich, Gin gegen das Schienbein zu treten, so dass dieser aufkeuchte, jedoch zeigte es nicht die Wirkung, welche die Detektivin sich erhofft hatte. Chardonnay bemerkte, dass Shina das Auftauchen ihres Freundes ausnutzen wollte, da kam ihm eine Idee. "Calvados!" sagte er laut. "Schieß auf den Jungen!"
 

*****
 

Zur selben Zeit waren Yûmikô und Wataru die Sterne beobachten. "Schön, nicht?" fragte er und sie griff nach seiner Hand, wobei sie ihre andere Hand auf dem Geländer abgelegt hatte, da sie sich auf einem Dach befanden und von dort einen Ausblick auf ganz Tokyo hatten.

"Ja, du hast Recht, Wataru, da kann man ja glatt romantisch werden."

"Ach..??" Er drehte sie zu sich herum und drückte ihr die Lippen auf, während seine Hände ihr Becken umfassten. Die beiden versanken in einem leidenschaftlichen Zungenkuss, der zärtlich aber auch frech war, doch genau in diesem Moment ertönten Schüsse, die von einem Gewehr ausgingen, so dass sie auseinander fuhren.

"Was war das?" fragte Yûmikô und kuschelte sich unwillkürlich an seine Brust, um Schutz zu suchen.

"Schüsse.. die kamen von da unten." Wataru lehnte sich an das Geländer und hielt Ausschau, als ihm auf einmal der Schütze, welcher die Schüsse abgab, auf dem gegenüberliegenden Dach, auffiel. "Da, schau, dort drüben.."

"Ich sehe ihn, aber wohin schießt er??"

Wataru ließ seinen Blick über die Umgebung schweifen, bis er vier Personen erblickte, zwei schwarzgekleidete Männer, ein Junge, der ein Mädchen versuchte zu retten, wie es schien und auf einmal, als der Braunhaarige länger zu dem Mädchen hin schaute, erkannte er seine beste Freundin. "Ach du scheiße, das sind Ryochi und Shina.." Der Schüler holte sein Handy raus und bemerkte, dass es keinen Empfang hatte.

"Yûmikô, hast du Empfang?" wollte er von seiner Freundin wissen und sie schaute auf das Display. "Ja, hab ich." Sie gab ihm das Handy und Wataru rief die Polizei, die bald hier auftauchen müsste.
 

*****
 

Ryochi kniete am Boden, nachdem ihn eine Menge Kugeln in den Bauch und in die Schulter getroffen hatten.

"Ihr Schweine, damit kommt ihr nicht durch!" Man hörte erneut Schüsse und der Junge wurde von ihnen getroffen. Ihm wurde schwindelig und er schaffte es nur noch mit Mühe und Not, nicht umzukippen.

Blitzschnell holte er seine Waffe aus der Jackentasche, lud sie und richtete sie auf Chardonnay, gleich daraufhin ging ein Schuss von seiner Pistole aus und die Kugel traf Chardonnay ins Bein, so dass er aufzischte. Ryochi begann zu rennen, was Gin dazu brachte, ebenfalls seine Waffe zu laden und damit auf den Schülerdetektiven zu zielen, jedoch ließ er deswegen Shina außer Acht, so dass diese ihm ins Genick schlug und anschließend mit einem Kick in die Kniekehle nachsetzte und Gin beinahe umkippte, da dieser Tritt gesessen hatte. Chardonnay gab ein Fauchen von sich, als Shina sich in Stellung brachte und ihn mit einem Kick, der Richtung Gesicht ging, attackierte. Ryochi wurde weiterhin von Calvados anvisiert, der Mann feuerte wild Kugeln in seine Richtung, so dass es Ryochi nur möglich war, ihnen auszuweichen, indem er zu rennen begann. Shina, die mit Chardonnay in ein kleines Kämpfchen verwickelt war und immer wieder versuchte ihn zu treffen, hatte einen bitterbösen Gesichtsausdruck inne, der an Watarus Vater gerichtet war. Ihre Tritte wurden jedes Mal von Chardonnays Arm abgefangen, so dass es ihr nicht möglich war, ihn richtig zu treffen. Stattdessen spürte sie nun seine Faust, die sich tief in ihre Magengrube bohrte, so dass ihr einen Moment die Luft wegblieb und sie zu Boden ging. "Halte mir den Detektiven vom Hals.." Doch es war zu spät, Ryochi hatte ihn mit einer Judotechnik zu Fall gebracht und das trotz der Schmerzen, die von den Kugeln kamen, welche ihn getroffen hatten. Er hob Shina vom Boden auf und zog sie dicht zu sich, als man auf einmal Polizeisirenen hören konnte, so dass Chardonnay einen Fluch von sich gab und Ryochi bitter grinste.

"Wenn du sie haben willst, musst du mich töten."
 

Chardonnay hörte nicht hin, sondern befahl Gin mitzukommen, sie mussten verschwunden sein, bevor die Polizei hier aufkreuzen würde. Sie setzten alles daran, um dem zu entkommen.
 

*****
 

In einer anderen Gegend war eine brünette Frau mit Morden beschäftigt. Die Leiche war diesmal ein junger Mann, der über die Organisation Bescheid gewusst hatte und ob sie wollte oder nicht, war egal, sie musste diesen Kerl aus dem Weg räumen. Sie war schließlich Killerin und das hier war lediglich ihr Job, auch wenn er ihr nicht immer gefiel. Ein direkter Bote ihres Bosses hatte es ihr aufgetragen und sie nahm den Auftrag an, weil es eben nicht anders ging. Nach ihrer Pleite mit Camparis Vater konnte sie es sich nicht leisten, ungehorsam zu sein, dann würde sie als nächste dran sein.

Als sie gerade damit beschäftigt war, dem Mann eine Pistole in die Hand zu drücken, um es als Selbstmord zu tarnen, hörte sie eine Stimme hinter sich.
 

"Wie oft muss ich dich daran erinnern, dass ich dich nicht einfach morden lassen kann, Schätzchen? Jetzt hast du schon wieder einen Mann getötet, der zur Polizei gehen wollte, das bereust du." Sie hörte ein Klacken, es ging von der Waffe aus, welche der Mann auf sie gerichtet hatte. Die Frau ließ den toten Mann links liegen und rannte los. Es war keine Zeit zu verlieren, dieser FBI-Agent wollte sie *umbringen* und würde es schaffen, wenn sie nicht ganz schnell das Weite suchte. Man hörte Schüsse, die in die relativ warme Nacht hinaushallten, und obwohl sie rannte, schaffte der Kerl es, ihr einige Kugeln zu verpassen. Ihr Weg führte sie durch einige Straßen. Er verfolgte sie, das wusste sie ganz genau, denn er gab nicht so schnell auf, immerhin war es ihm gelungen sie zu verletzen. In einer der Straßen wartete ein junger Mann auf die Killerin und versperrte ihr auf einmal den Weg. "Halt!" sagte er mit kalter Stimme und die Frau richtete ihre Waffe auf ihn, jedoch erwiderte er mit patziger Stimme mit einigen Worten, die ihr gar nicht gefielen.

"Hui hui, nicht schlecht, Belmotto, das muss man dir lassen, niemand wird dich in dieser Verkleidung erkennen!"
 

Wenn der Kerl sie kannte, wieso wagte er es, sich ihr in den Weg zu stellen, wo sie doch auf der Flucht vor diesem FBI-Kerl war? Gehörte er vielleicht auch dazu? Sie schaute ihn skeptisch an, dabei wurde ihr bewusst, dass sie sich mit dem jetzt nicht aufhalten durfte, die Frau würde ihn töten, wie den anderen Mann, das lag jetzt schon auf der Hand. Während sie noch damit beschäftigt war, die Waffe zu laden, zielte er auf ihre Hand und drückte ab, worauf die Waffe in hohem Bogen davonflog und scheppernd zu Boden ging. Die Killerin hielt sich die Hand. Zielen konnte der junge Mann jedenfalls, sie war fast beeindruckt.

"Dieser FBI-Schmarotzer jagt dich also, lass mich dir helfen.." Was sollte das, wollte der sie jetzt verarschen, oder sie hinhalten, damit sein *Kollege* kommen konnte, um sie zu kriegen? Sie war nicht zu Scherzen aufgelegt und zauberte aus ihrer Jacke quasi eine zweite Waffe hervor, doch auch diese wurde ihr entwendet, als der Kerl auf sie zukam und ihren Arm hochdrückte. Kraft hatte er auch, wie sie bemerkte.

"Ich arbeite nicht mit diesem Abschaum zusammen, glaub mir, ich will dir helfen.." Er blickte zur Seite, wo eine Seitenstraße war. "Da lang, dort gibt es eine Abkürzung zum Haido-Hotel, dort habe ich ein Zimmer, lass uns dorthin gehen."

Vermouth fing an zu lachen, der Kerl war witzig. "Sicher, ich lasse mir nicht gerne helfen, merk dir das!" Sie schlug zu, aber er fing ihre linke Hand geschickt ab.

"Du bist ja ein richtiges Biest, genau das, was ich mag." Der machte sich über sie lustig, sie war kurz davor zu explodieren, doch da spürte sie einen Schlag in ihrer Magengegend und ging auf die Knie.
 

Wenn es sein musste, dann schlug er sie eben K.O., Hauptsache dieser gestörte FBI-Typ bekam sie nicht in die Finger. Schon länger hatte er Shuichi Akai beobachtet und das, was der Agent tat, war eine Schweinerei und das menschenunwürdigste Verhalten, das Sêiichî je gesehen hatte. Noch dazu mochte Shuichi keine starken Frauen und meinte, er müsse sie mit seiner Waffe verletzen, das ging dem jungen Mann schwer gegen den Strich.

Das hier war *seine Verbrecherin*, dieser Spinner hatte nicht das Recht dazu, sie so zu behandeln. Egal, ob sie eine Mörderin war.
 

Vermouth holte aus und schlug Sêiichî mitten ins Gesicht, so dass er nach hinten taumelte, dann fischte sie eine dritte Waffe aus ihrer Jacke und richtete sie auf Sêiichîs Brust. "Hasta la vista, Baby!" sagte sie mit einem gehässigen Lächeln und dem Angesprochenen lief Angstschweiß über die Stirn, als sie damit begann auf ihn zu schießen. Mit der war aber überhaupt nicht gut Kirschen Essen.

"Hör auf!" brüllte er und rollte über den Boden, um ihren Kugeln auszuweichen, dabei schoss er selbst auf sie, jedoch war sie jetzt darauf gefasst und er schaffte es nicht sie zu entwaffnen, stattdessen verlor nun Sêiichî seine Waffe und blieb am Boden liegen. Die Waffe rutschte etwas über den Asphalt und blieb einige Meter weit weg liegen.

"So, das war's also", meinte Vermouth mit einer gefährlichen Stimmlage, als sie auf ihn zuging, ihre Waffe auf dem Weg nachlud und sie dann auf seinen Kopf richtete.

"Man sollte Profikillern besser aus dem Weg gehen, you are silly, don't you think, you are? Du kennst mich und lauerst mir auf. Sag mal, hat man dir nicht gesagt, dass ich gefährlich werde, wenn man mir auflauert??" Man sah ihm an, dass er Angst hatte, die sollte er auch besser haben, denn den nächsten Tag würde er wohl nicht mehr erleben.
 

Verdammt, er war hierher gekommen, um sie auf seine Seite zu ziehen, indem er sie vor Akai rettete und gegebenenfalls eine Belohnung einforderte, doch diese Killerin schien davon wenig zu halten. "Wer hier wohl dumm ist? I want to save you, I don't want to hurt you!"

Sie lachte über ihn, was ihn sehr wütend machte. "What's so funny, that it makes you laugh??"
 

"You are funny! Your life is over now, do you know this? I will kill you, funny guy." Sie hätte zu gerne gewusst, wer dieser junge Mann war, aber dafür war jetzt wirklich keine Zeit. Er war ihr im Weg und musste weg, so war das nun einmal. Gerade in dem Augenblick, in dem ein grausames Lächeln auf ihrem Gesicht aufkam, hallten Schritte durch die Straße, sie drehte ihren Kopf leicht zur Seite und erblickte Shuichi Akai. Ihre gesamte Selbstsicherheit schwand dahin, als sie in diese Schlangenaugen blickte. Schweiß brach in ihrem Gesicht aus und lief ihr übers Gesicht. Er hob seinen Arm, worauf sie in das Loch seiner Waffe schauen konnte. Mit einem gehässigen Lächeln begegnete er Vermouths Augen, welche plötzlich eine Hand bei ihrem Ärmel verspürte und bemerkte, wie man sie nach hinten zog.

"Hurry up!" rief man ihr zu und die beiden begannen zu rennen. Shuichi feuerte Kugeln ab, aber der Jüngere von beiden erwiderte sein Feuer und traf seine rechte Schulter. Er rannte mit Vermouth in eine Seitengasse und versteckte sich mit ihr hinter einer Mauer.

"Who are you?" fragte sie schwer atmend und er grinste nur.

"Ich bin dein Retter, Belmotto."

"Und wieso tust du so was? Bist du blöd?" Sie stichelte ihn und schaute ihn mit eiskaltem Blick an.

"Nur so, ich hab gedacht, ich rette dir das Leben und du belohnst mich ein wenig."

Sie zog verwirrt eine Augenbraue hoch. "So? Und was denkst du, soll das sein?"

Sêiichî verlor nicht eine Sekunde und küsste die Traumfrau, jedoch rechnete er nicht damit, dass sie ihm eine kleben würde, weshalb er etwas schockiert reagierte. "Go away and never come back, I don't want to see you again. Ich denke, dass ich dich am Leben lasse, ist Belohnung genug, aber sollte ich dich jemals wiedersehen, dann töte ich dich, alles klar?" Sie drehte sich von ihm weg und rannte um die Ecke.

Der hatte sie wohl nicht alle. Sie ließ sich nicht zu *so etwas* von einem Fremden zwingen, auch wenn er sie rettete, damit kriegte er sie nicht rum, der hatte wohl zu heiß gebadet.
 

Sêiichî schaute ihr nach. "Ich wusste, dass sie interessant ist, so schnell wirst du mich nicht los, Chris Vineyard! I will fight and never ever give up!" Dass er mit seinem Leben spielte, schien ihm verborgen zu sein. Er wollte diese Frau, jetzt noch mehr als zuvor. Und er würde sie kriegen, so wie er jede bisher gekriegt hatte. Ihr kaltes Herz ließ seines umso schneller schlagen. Er würde alles geben, um mit ihr nur eine einzige Nacht zu erleben. Und seine Zeit würde kommen, man durfte nur nicht so schnell aufgeben, immerhin versuchte sie ihm Angst zu machen, doch diese Angst hatte er nicht.
 

*****
 

Nachdem Chardonnay und Gin verschwunden waren, hielt Shina Ryochi im Arm, dessen Kopf auf ihrem Schoß lag, schließlich war er nach dem Verschwinden der Verbrecher zu Boden gegangen, er war nicht gerade wenig verletzt worden und sie machte sich selbstverständlicher Weise Sorgen um ihren Freund. "Ryochi, wie geht's dir?" Ihre Stimme klang ein klein wenig ängstlich, als sie ihn das fragte.
 

"Na ja, mir ging's schon mal besser, aber Hauptsache dir ist nichts geschehen."

Ryochi war mehr als nur froh, dass er es geschafft hatte, Shina zu beschützen, denn er wusste, was Chardonnay gerne mit *Mädchen* machte, auch wenn das bei seiner Freundin nicht einfach gewesen wäre, selbst wenn er nicht gekommen wäre, aber dem Detektiven war klar, dass Chardonnay zu unfairen Mitteln gegriffen hätte, um Shina zu zwingen, deswegen seufzte er jetzt erleichtert.

Die Wunden schmerzten, aber das war ihm egal, solange es nur Shina gut ging, war ihm alles gleich.

19. August - Ich will dich....

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

31. August - Menschen kommen und gehen...

War mal wieder fällig, das hier ^^ Hab mir viel Mühe gegeben und hoffe, dass mal wieder ein paar mehr kommentieren, ja? XD

Der Teil soll schön, dramatisch udn auch etwas mysteriös sein und ich denke, das hab ich erreicht YEY XDDDDDDDDDDDDDDDDDDD Viel Freude dran ^-^


 


 


 

Mittlerweile langweilte man sich im Krankenhaus gewaltig. Ryochi hatte sich genügend Verletzungen zugezogen, um eine Weile das Bett hüten zu müssen. Er hasste Krankenhäuser, dort fühlte er sich schlichtweg unwohl.

Sêiichî kam ihn wie jeden Tag, seit das alles geschehen war, besuchen. So wurde er wenigstens etwas abgelenkt. "Da siehst du mal, du solltest mehr auf dich Acht geben, nicht ich auf mich." Dass der Ältere so etwas sagen musste, war schon normal geworden, trotzdem schmollte der Braunhaarige jetzt, weil Sêiichî sich jetzt wieder so stark vorkam. "Kann mal passieren, wenn es um Chardonnay geht, ja? Spiel dich mal weniger auf. Was machst du eigentlich so? Du kennst hier ja niemanden."

"Na rate! Ich hab neulich Vermouth getroffen, sie ist besser als ich dachte, aber ich denke, man muss nichts befürchten. Sie ist ganz und gar nicht so, wie du sagtest. Wie du siehst, lebe ich noch, Ryo, also braucht man sich auch nicht mehr um mich sorgen."

"Ich hab's nicht vergessen, ich meine den Grund, weshalb du das tust..." Die beiden blickten sich an, Sêiichî versuchte in Ryochis Augen gefasst zu sein, auch wenn die Erinnerung ihn oft sehr schmerzte. Es hätte ihn nur mal interessiert, welcher Verbrecherin seine Mutter helfen gewollt hatte. Woher wusste Vermouth eigentlich davon, wie seine Mutter gestorben war? Die Frau war ein Rätsel schlechthin, aber dieses würde er schon noch lösen. "Wieso solltest du es auch vergessen? Du warst der erste, der Bescheid wusste, dass meine Mutter tot ist. Ich glaube fast... ach, vergessen wir dieses Thema, ich werde mich schon schlau machen." Dass Ryochi da einen Verdacht hatte, wer diese Killerin gewesen war, sollte ein Geheimnis bleiben. Manchmal war das Leben eben voller Überraschungen, jedenfalls würde ihm so nicht langweilig werden. "Ach ja, bevor ich's wieder vergesse, ich werde mich mal um deine Freundin kümmern, die fühlt sich bestimmt einsam." Eigentlich war das ja nur ein Scherz, Sêiichî würde nie die Freundin seines besten Freundes anfassen. Ganz so war er ja nicht, trotzdem musste er oft diese Witze machen. "Alter Weiberheld! Wie lange willst du noch so weitermachen?" Ryochi seufzte kurz. "Du frisst die Mädchen ja fast auf."

Tja, wie lange? Bis er eine bestimmte treffen würde, eine Traumfrau, vorher konnte man sich ja etwas austoben, außerdem hatte er keinem Mädchen je falsche Hoffnungen gemacht und es gab welche, die nur eine Affäre haben wollten.
 

Eine blonde Frau lehnte sich entspannt in ihrem Sitz zurück, während sie ein relativ wichtiges Telefonat mit jemandem führte. Es war quasi schon eine Flucht, denn sie befand sich in einem Flieger, der sie in die Staaten bringen sollte. "Du wirst doch klarkommen, Yohko, oder? Ich meine, pass auf, Chardonnay wird ganz scheiße drauf sein, wenn ich weg bin. Seine Wut kann ich mir im Moment nicht geben, ich muss meine kleine Rolle in den USA weiterspielen, sonst wird meine Freundin noch Verdacht schöpfen, ganz so dämlich ist sie nämlich nicht. Wenn ich andauernd in Japan bin, wird sie sich etwas dabei denken, da gehöre ich eben nicht hin." Sie schloss mit einem Lächeln die Augen, es war ihr nur Recht, dass sie Yukiko besuchen konnte. Sie hatte quasi schon Sehnsucht nach ihrer Freundin, es war schon fast ein halbes Jahr her, dass sie sich gesehen hatten. Damals war sie auch geflohen, vor etwas, das geschehen war.

"Ich werde klarkommen, Chris, aber was ist mit dir? Wirst du klarkommen? Ich meine, Chardonnay wird nicht vergessen, dass du im Bezug auf Ryochi Akajas Vater versagt hast. Der lässt das nicht auf sich sitzen."

"Nein, wohl nicht. Du bist meine Freundin, du würdest doch Opfer für unsere Freundschaft bringen, oder? Kannst du, während ich wegbin, etwas für mich tun?.."

Um was es sich handelte, sollte niemand erfahren, es war das persönliche Geheimnis der beiden Frauen.

Es war da ein deprimierter Unterton in der Stimme ihrer Freundin gewesen, der die Dunkelhaarige schlucken ließ, denn sie wusste genau, was Chris von ihr wollte. Sie sollte auf Tricks zurückgreifen, das war schon Verrat an der Organisation, aber man konnte nicht sagen, dass das Yohko Angst machte. Manchmal blickte sie zu der blonden Killerin auf, sie hatte vor nichts und niemandem Angst. Zumindest hatte man nie so etwas bemerkt...
 

Akemi und Kôji trafen sich in der Stadt und amüsierten sich seit langem mal wieder. Sie waren glücklich und der Junge hatte vor, sie heute zu überraschen, also verließen sie die Stadt schneller als normalerweise und gingen zu ihm nach Hause. Er hatte zwar Angst vor ihrer Reaktion, aber er wusste, dass sie ihn liebte und das half ihm schon sehr, diese Angst zu überwinden.

"Du wirst meine Mutter kennen lernen, Akemi", sagte er leise und schloss währenddessen die Tür zur Wohnung auf. Fast lautlos zogen sie ihre Schuhe aus und schlichen Hand in Hand die Treppe hinauf. Akemi war aufgeregt. Niemand kannte die Mutter ihres Freundes, sie fühlte sich wie etwas besonderes. Jetzt würden die ganzen Heimlichtuereien aufhören, das hatte er ihr versprochen und offensichtlich wollte er ihr das nun beweisen. Als sie oben angekommen waren, öffnete er eine Tür.

"Hi, Mama, ich hab jemanden mitgebracht", sagte er und Akemi sah die Frau noch nicht, schaute dann aber über die Schulter des 17-jährigen. Alles, was sie sah, war, dass es ein Schlafzimmer war. Kôji ging zur Seite und zog Akemi in das Zimmer hinein. "Das ist Akemi Miyano, Mutter, sie ist meine Freundin."

"Hallo, Kleines.." Man konnte davon sprechen, dass die Angesprochene einen Schock erlitt, als sie die Frau da im Bett sah, die so schwach wirkte, dass ihr fast Tränen kamen. "Hallo, wie geht es ihnen?" fragte Akemi ein klein wenig bedrückt.

"Na ja, weißt du.. es geht mir den Umständen entsprechend gut. Ich fühle mich zwar schwach, aber das wird schon." Man sah sofort, dass Kôjis Mutter schwer krank war, denn sie sprach leise und man sah ihr das alles an. Ihr ging es überhaupt nicht gut, das sagte sie nur so, um sie zu beruhigen, das wurde Akemi schlagartig klar. Wieso hatte Kôji diese Sache vor allen verborgen? Hatte er Angst, auf Ablehnung zu stoßen, weil seine Mutter so krank war? Aber... wenn man es so betrachtete, der Junge hatte niemanden mehr und kümmerte sich wohl alleine um seine Mutter. Er hatte Hochachtung verdient, keinen Spott. Er war ein ganz toller Junge, sie war stolz auf ihn. "Hast du Hunger, Mutter? Ich will uns beiden gleich was machen, ich kann dir was mitmachen."

"Das wäre lieb von dir, mein Junge..." Auch diese Frau war sehr stolz auf ihren Sohn, was man ihr ansehen konnte. Ihre Augen hatten dieses Funkeln inne, eines, das alles sagte, was man in dieser Sache wissen konnte. "Okay, dann gehen wir mal runter, ich bring's dir wie immer hoch."

"Danke." Er schloss die Tür und ging Akemi voran. "Das hab ich nicht ahnen können, dass deine Mutter so ist, Kôji. Wo ist eigentlich dein Vater? Interessiert es den denn gar nicht, wie es seiner Frau geht?" Kôji blieb abrupt stehen, die Wut packte ihn schlagartig, geradezu wie ein Blitzschlag, so dass er seine Fäuste ballte und man sehen konnte, wie er zu zittern begann, jedoch sprach er vollkommen besonnen. "Der Kerl ist in etwa wie Watarus Vater, nur dass er keine Leute killt, er verletzt sie bloß. Und von Verantwortung übernehmen, hält er einen Scheiß! Der hat sich seit Jahren nicht blicken lassen, ist mir ehrlich egal, was der so macht, denn es ist ihm egal, ob Mutter stirbt, ich frage mich, ob er sie je geliebt hat, dieser Scheißkerl! Sollte er mir jemals über den Weg laufen, dann wird er meine gesamte Wut zu spüren bekommen, am eigenen Leibe!" Er würde ihn so verprügeln, dass ihm hören und sehen verging. "Hast du gedacht, man würde dich für ein Muttersöhnchen halten, weil du dich so um deine Mutter kümmerst, oder wieso weiß niemand davon?"

"Ich wollte kein Mitleid, Akemi, das ist alles. Es ist okay für mich, du musst kein Mitleid haben. Wenn dann habe Mitleid mit meiner Mutter. Sie kann nicht aufstehen, dafür ist sie viel zu schwach. Manchmal habe ich das Gefühl, sie wird bald sterben, ich will die Zeit mit ihr noch genießen." Sie zog ihn die Treppe hinab, woraufhin sie in die Küche gingen. "Das verstehe ich sehr gut. Ich habe früh meine Eltern verloren und würde gerne die Zeit zurückdrehen, um das nachzuholen, was ich verpasst habe. Zeit ist eben doch kostbar."

"Und sie soll glücklich und stolz sein, weißt du? Ich will sie nicht auch enttäuschen, wie das mein Vater getan hat. Er ist ein Egoist. Ich hasse solche Leute, die haben ja nur ein Herz für sich selbst."

Nicht nur sie hatte Probleme, sondern auch andere, Akemi hasste sich dafür, dass sie bis eben anders gedacht hatte. Sie war von ihrer einzigen Schwester getrennt und hatte das Gefühl, nur ihr würde es schlecht gehen, das war dumm, so zu denken, das änderte sich, als sie Kôjis Mutter sah, die ans Bett gefesselt war. Auch andere Menschen konnten betroffen sein. "Kôji, du bist so süß!" Sie umarmte ihn von hinten und schmiegte sich an ihn. "Entschuldige, aber das ist das, was ich über dich denke." Er schmunzelte leicht. "Ich finde es einfach nur selbstverständlich, was ich tue. Ich bin absolut nichts besonderes..."

"Für mich schon", flüsterte sie ihm zu und küsste ihn auf die Wange. "Soll ich dir beim Essen helfen? Zu zweit geht das besser, außerdem mache ich so etwas gerne."
 

Shina kramte ihr Handy aus der Tasche und blickte auf das Display, auf dem der Name ihrer Mutter stand. Sie nahm den Anruf entgegen, seufzte jedoch erst mal kurz. "Manno man, du rufst auch mal wieder an? Ein Wunder! Was treibst du so, Mum?"

"Kyaaaa!" brüllte sie ihrer Tochter ins Ohr und diese hielt das Handy weit weg. "Sharon kommt mich besuchen, ich bin ganz aufgeregt, wir haben uns ja so lange nicht mehr gesehen." Dass ihre Mutter sich darüber freute, war ja schön und gut, aber musste sie deswegen immer so abdrehen? Allerdings war es jetzt passend, dass sie anrief, so konnte man sie wenigstens vor Chris warnen, das hatte die Schülerdetektivin sowieso vorgehabt. "Ist ja gut, freut mich für dich, es gibt da allerdings etwas, das ich dir sagen muss, es geht um Sharons Tochter.." Yukiko war auf einmal so merkwürdig still, sie wusste etwas, das bemerkte Shina sofort, aber sie fragte nicht nach. "Chris ist auch auf dem Weg nach Amerika, und ich befürchte, sie will ihre Mutter wieder terrorisieren, du weißt ja sicher, wie die Frau so drauf ist."

Leider wusste Yukiko das viel zu gut, sie schwieg jedoch immer noch. "Wieso sagst du mir das? Soll ich es Sharon sagen, oder was?"

"Nein, ich möchte nur, dass du auf dich aufpasst. Chris ist eine Killerin und würde dich auch umbringen, um ihre Mutter zu verletzen, also sei auf der Hut, ja? Geh keine Risiken ein." Den Gefallen würde Yukiko diesem undankbaren Ding nicht tun, sie würde nicht so schnell sterben. "Mach dir keine Gedanken, ich bin Schauspielerin, man kommt schon nicht so schnell an mich ran." Ihre Worte sollten beruhigend klingen. "Allerdings glaube ich nicht so ganz, dass Chris so was wagen würde, die hat doch auf gewisse Weise Schiss vor ihrer Mutter. Sharon kann auch böse werden und dann ist alles zu klein, das würde diese dumme Pute nicht riskieren, da müsste sie ja Angst kriegen, zumal Sharon den Inspektor gut kennt, genauso wie ich, also keine Sorge."

Die Worte beruhigten Shina in der Tat ein wenig. Sharon könnte ihrer Tochter durch den Inspektor Ärger machen, also würde sie wohl nicht an Yukiko rankommen, das war gut so, jetzt ging es der 16-jährigen besser. "Okay, Mum, dann viel Spaß ihr beiden, aber treibt's nicht zu wild!"

"Keine Sorge, wir sind schon alt..."

Wie witzig, das musste ausgerechnet ihre Mutter sagen, die benahm sich doch oft wie ein Teenager. "Ja, ja, trotzdem, lass dich von Sharon nicht zu irgendwelchem Mist überreden, ich kenne euch doch. Ich kann mich gut an etwas erinnern, als ich in den USA war, um euch zu besuchen. Du kannst nicht nein sagen, egal was sie von dir will. Das könnte sie ja mal ausnutzen, du musst der nicht alles Recht machen, die rennt dir schon nicht weg." Es kam selten vor, dass Shina mit ihrer Mutter über solche Dinge redete, aber manchmal war es eben fällig.

Jemand tippte dem Mädchen auf die Schulter und sie drehte sich reflexartig herum. "Sorry, Mutter, ich hab jetzt was zu tun, wir können ja ein anderes Mal weiterreden, wenn ich mehr Zeit habe. Mach's gut."

"Hi, Shina! War das deine Mutter? War's wichtig?" fragte der Junge und Shina lächelte. "Na ja, ist schon in Ordnung, Wataru. Du störst nicht. Wollen wir Ryochi besuchen gehen? Ich will wissen, ob es ihm mittlerweile besser geht."

"Gleich, ja? Ich muss dir was erzählen. Ich war bei der Polizei, wegen meinem Vater. Der Kerl ist spurlos verschwunden, wahrscheinlich hat er Schiss bekommen und hat sich deswegen verdünnisiert! Ich hab 'ne Mordswut im Bauch, das glaubst du gar nicht. Der wollte immerhin Yûmikô vergewaltigen, die feige Sau. Allerdings meint die Polizei, solange man ihm nichts nachweisen kann, ist hier das Ende der Fahnenstange, man das regt mich echt auf, die haben mit mir, wie mit einem 5-jährigen geredet, unfassbar."

"Ich werde mich auch mal drum kümmern, wenn ich Zeit finde. Ich bin ja jetzt schließlich Ryochis Freundin und der ist der Sohn vom Polizeipräsidenten. Ich berede das am besten mal mit ihm, schließlich ist Ryochi auch hinter deinem Vater her, ich frage mich, ob sein Vater das so genau weiß, was sein Sohn macht... Ich mache mir eben auch ein wenig Sorgen, nachdem man ihn fast umgebracht hat, obwohl ich denke, dass dein Vater das gar nicht wollte, er wollte ihn nur außer Gefecht haben."

Wataru hörte plötzlich auch das Klingeln seines Handys und fischte es aus seiner Hosentasche. "Oi, meine Cousine, was will die denn jetzt?"

"Geh ran, dann weißt du es!" Shina wollte es ja eigentlich auch wissen, was Sakura wollte, deswegen ermutigte sie ihn dazu, ranzugehen. "Hi, Saku-chan, was gibt's?" fragte Wataru und hörte am anderen Ende ein Schluchzen. Der 17-jährige hielt inne und fragte sich, was geschehen war, Sakura war doch die Stärkste in der Familie, sie weinte nie, sondern war immer fröhlich. "Vater bewegt sich nicht mehr...", sagte die Kleine gebrochen und Watarus Mund öffnete sich vor Entsetzen. "Okay, bleib ganz ruhig, ich bin gleich bei dir..." Er drehte sich zu Shina herum, mit einem Blick, der nur eines zu verheißen hatte: Es war etwas weniger erfreuliches geschehen. "Ihrem Vater geht's schlecht, ich muss da sofort hin, kommst du mit?" Seine Freundin nickte und die beiden rannten Richtung Park, denn genau hinter diesem wohnte Ayame mit ihrem Mann und der kleinen Tochter. Schon seit längerem war ihr Mann Saturo krank, sein Herz war ziemlich schwach und man befürchtete, dass es irgendwann mal aufhören könnte zu schlagen. Sakuras Vater hatte eben schon immer ein schwaches Herz und musste sich schonen.
 

Als Wataru und Shina beim Haus ankamen, schloss der Junge auf und rannte die Treppe hoch. Sakura saß zusammengekrümmt am Boden und weinte. Wataru machte die Schlafzimmertür auf, man hörte den Mann schwer atmen, aber er bewegte sich nicht. "Saturo, was ist denn los?" fragte er, aber der Mann bekam keinen Ton zustande, es bildete sich nur immer mehr Schweiß in seinem Gesicht. Er wollte krampfhaft etwas sagen, aber konnte nicht, ihm wurden die Augen schwer und fielen ihm auf einmal zu. Wataru gefiel gar nicht, was er sah. "Shina, ruf einen Arzt, schnell!" drängte er und die 16-jährige rannte zum Telefon, um den Notarzt zu verständigen. In solchen Situationen konnten Sekunden ausschlaggebend sein...
 

Es dauerte nicht lange, bis die Sanitäter kamen, allerdings...

"Es tut mir Leid, aber dem Mann ist nicht mehr zu helfen, er ist tot, da ist nichts mehr zu machen. Er hatte wohl einen Herzinfarkt." Shina hielt sich geschockt die Hand vor den Mund, während sie hinter sich das Weinen des kleinen Mädchens hörte. Wo zum Teufel war Ayame denn schon wieder? Die konnte ihre 10-jährige Tochter doch nicht mit ihrem kranken Vater andauernd alleine lassen! Unverantwortlich...

Shina entschloss sich, zu der Kleinen zu gehen, um sie zu trösten.

Wataru sank deprimiert auf's Bett. "Aber.. er war doch stabil... wieso stirbt er so plötzlich?" Er war alleine mit dieser Frage, aber irgendwie hatte er da so ein Gefühl...

"Sakura, komm mal her..." Shina zog das Mädchen sanft hoch, dieses fiel beinahe um, so dass die Ältere sie festhalten musste. "Dein Vater ist tot, du musst jetzt ganz stark sein, damit dein Vater stolz auf dich sein kann..."

"Wo ist Mama??" Shina wusste es nicht, was sollte sie also antworten?? Sie nahm die Kleine in den Arm und streichelte über ihren Rücken. "Du musst bedenken, jetzt ist er erlöst.." Was redete sie da überhaupt für einen Müll?
 

Sakuras Mutter dachte an nichts böses, alles schien gut zu sein, sie befand sich in den Armen eines anderen. Zwar liebte sie ihren Mann, aber da war noch einer, den sie nie vergessen hatte und dem sie nie wiederstehen konnte. Immer wieder fragte er sie, ob sie sich nicht von seinem Bruder scheiden lassen könnte, aber sie verneinte jedes Mal, schon alleine wegen ihrer kleinen Tochter, die ihre Eltern brauchte. "Du weißt doch, dass er krank ist, außerdem ist da Sakura. Ich kann ihnen so etwas unmöglich antun."

Dieses Mal allerdings würde sie ihre Meinung ändern, das wusste Keichiro haargenau, er war jetzt der Sieger... sie gehörte ihm.

1. September - Kôjis erstes Treffen in der kriminellen Szene...

sohooo, nach langer Zeit X''''''''''''''D der Teil fängt SEHR gemach an und endet in einem DESASTER XDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDD Mehr gibtz eigentlich nich zu sagen, lasst euch überraschen. Und vergesst das Denken nich, denn in dem Teil iz das sauwichtig %DDDD

Geht in dem Teil sehr um Kôji ^-^v

Bis danne erst mal XDDDDDDDDD Bis in wie viel Monaten? -.- Tut mich echt Leid, dasses so arg lange gedauert hat ^^;;;;;;;;;;;;;;;;;;;;;;;;;;;;;;;;;;;;;


 


 


 

Der Ernst des Lebens würde wieder beginnen. Es war kurz vor sieben Uhr, Kôji drehte sich um, blickte in Akemis friedliches Gesicht und strich ihr über die Wange. Er erhob sich vorsichtig, um sie nicht zu wecken, da er sich vor Schulbeginn noch einmal um seine Mutter kümmern musste. Der 17-jährige öffnete die Schlafzimmertür und schmunzelte leicht, als er seine Mutter sah, die zum ersten mal seit langem glücklich und zufrieden aussah, als sie schlief. Er ging leise zu den Vorhängen hinüber und öffnete sie, was ihm ein Brummen seiner Mutter hören ließ. "Schon Morgen?" fragte sie ihren Sohn, der nachdenklich vor dem Fenster stand und die Straße beobachtete, aber von seiner Mutter in die Wirklichkeit zurückgeholt wurde, da er oft einfach aus dem Fenster schaute, um zu träumen. Das war ihr kleiner Träumer, sie fragte sich manchmal, wovon er träumte. "Ja, es ist schon Morgen. Heute beginnt die Schule wieder, was heißt, dass ich schon früher hier bin." Er ging zu ihr hin und half ihr dabei sich aufzusetzen. "Ist der Druck nicht manchmal zu groß, Kôji? Du solltest dich mehr amüsieren, statt dich um mich zu kümmern."

"Ach was, ich amüsiere mich mehr als genug." Sie sollte nicht immer versuchen Rücksicht zu nehmen, immerhin war sie auf ihn angewiesen, seit ihr Mann sich verpisst hatte. Kôji seufzte leise. "Du sollst nicht für seine Feigheit büßen..."

"Tja, ich muss dir da was erzählen."

"Mhm...?"

"Rede nicht so über deinen Vater, er ist bestimmt nicht weg, weil er Angst vor der Verantwortung meiner Krankheit hatte. Er ist wegen seinen Problemen davon gelaufen."

"Hat er Spielschulden?" fragte der Junge in einem gehässigen Ton, da er diese Verantwortungslosigkeit bereits von seinem Vater kannte.

"Nein, das denke ich nicht, aber eines Abends kam ein finsterer Mann zu uns und befahl ihm, mitzukommen. Ich habe leider sein Gesicht nicht gesehen, weil ich mich da schon ziemlich schwach fühlte und früh im Bett war. Jedenfalls drang er in das Haus ein und schlug meinen Mann nieder. Am nächsten Tag packte er seine Sachen und machte sich aus dem Staub. Ich denke, es hat mit ihnen zu tun..."

"Wer sind denn die?" Sie schlug eine Hand vor das Gesicht und keuchte ziemlich ängstlich, als er seine Frage stellte, was ihm Sorgen bereitete. "Nur nicht aufregen, Mutter..."

"Nein, ich will dass du auf dich Acht gibst. Diese Leute sind böse... Es sind die Leute mit denen dein Cousin, der von den Sugiyamas adoptiert wurde, zusammenhängt. Masahiko war es, der damals die Verwandten tötete. Erinnerst du dich noch an den Tag, als es in der Zeitung stand, dass die Sugiyamas ausgerottet wurden. Es war der Sohn... Er hat sie allesamt qualvoll getötet."

"Mutter, was redest du da? Man redet von einem Raubmord. Sie waren alle an Weihnachten da und wurden ausgeraubt..."

"Er hat darauf gewartet, dass sie alle beisammen sein würden, um zuschlagen zu können. Ich weiß nicht, was aus Masahiko geworden ist, aber ich denke, er ist ein Killer, der für Geld Menschen tötet. Kazuya hat da mal etwas erzählt, dass ich dich vor ihm warnen soll, wenn du alt genug bist. Diese Leute sollen auf der Suche nach neuen Killern sein. Und meistens bevorzugen sie Jungs im Alter von 17 Jahren..."

"Ach komm schon, Mutter, mich würden die nicht nehmen, ich bin als Killer ungeeignet."

"Komm trotzdem zeitig nach Hause und treib dich nicht sonst wo rum... ich hab doch nur noch dich..." Sie schien fast zu weinen, was ihn schlucken ließ und er sie umarmte. "Keine Sorge, mir wird schon nichts passieren, ich bin immer vorsichtig."
 

Akemi war nun auch aufgewacht, bemerkte, dass es hell war und stand auf, um ins Bad zu gehen. Sie ahnte schon, wo Kôji steckte, er würde wohl bei seiner Mutter sein, also machte sie sich keinerlei Gedanken darum, wo er wohl hingegangen war. Sie und Kôji liefen sich auf dem Gang über den Weg, als er gerade dabei war, ein Tablett mit einem Frühstück für seine Mutter zu tragen, und es ihm beinahe runtergefallen wäre. "Du solltest hier nicht rennen, das geht schnell ins Auge, weil es hier so eng ist. Tja, wir können uns ja keine größere Wohnung leisten", motzte er ein wenig, so dass ihr klar wurde, dass er wohl mit dem falschen Fuß zuerst aufgestanden war und sie ihn besser in Ruhe ließ. Ein Morgenmuffel war er jedenfalls nie gewesen...

Kôji war in Wirklichkeit nicht wütend, weil die Wohnung zu klein war, ihm war das Gespräch nicht bekommen, da es um seinen Vater gegangen war, wenn auch nicht ausschließlich.
 

Wataru, der Langschläfer lag um halb Acht noch im Bett, als habe er versäumt, dass die Schule wieder anfangen würde, also stand um diese Zeit Yûmikô wie bestellt und nicht abgeholt vor der Bushaltestelle und seufzte kurz, bevor sie Watarus Handy anklingeln ließ. Er öffnete benommen die Augen und rieb sich diese erst einmal, bevor er den Klingelton so richtig vernahm und aufschrak. Ein Blick zu seiner Uhr sagte ihm, dass er viel zu spät war und den Bus wohl verpassen würde, der in zehn Minuten abfahren würde. Dennoch rannte er zur Tür, machte sie auf und schlug sie gleich wieder zu, was ziemlichen Krach machte, so dass Riina unten am Frühstückstisch aufhorchte und kurz lachen musste. "Scheint so, als wenn er verschlafen hat...", meinte sie und ihre Mutter schmunzelte. "Jedes Mal dasselbe, er wird es nie lernen."

"Alte Schlafmütze", sagte Riina mit Halbmondaugen und wandte sich weiter ihrer Misosuppe zu, die sie gierig verschlang, wie sie es jeden Morgen tat.

Wataru stolperte oben im Bad hin und her, so dass das Mädchen immer wieder gehässig auflachen musste. "Das hast du davon, wenn du abends erst nach zehn nach Hause kommst..." Er war bis fast halb Elf bei Yûmikô gewesen, da er mit ihr ständig die Zeit vergaß.
 

Der Bus kam und Wataru war noch immer nicht da, dafür kam Sêiichî zur Haltestelle und stellte sich dicht zu Yûmikô, welche kurz zu ihm hinüberblickte. Sie wusste sofort, wie er war, wenn sie ihn ansah. Er sah gut aus, wie sie fand und legte sehr großen Wert auf sein Aussehen. Ein Macho eben, was man sofort bemerkte. "Na, Kleine...?" meinte er und sie schaute ihn kurz böse an. "Was willst du?" fragte die 16-jährige bissig und er setzte einen netten Blick auf. "Hey, ich wollte dich nur begrüßen, deswegen musst du mich nicht so anschauen... Wo ist denn dein kleiner Freund?"

"Mein kleiner Freund hat wohl am ersten Tag verpennt", gab sie frech zurück und drehte den Kopf von ihm weg. Sie hasste Machos, was er gleich zu spüren bekommen würde. "Hey, du bist auf den nicht angewiesen, kannst ja vorerst mit mir vorlieb nehmen." Yûmikôs Blick wurde noch furchteinflössender, so dass sogar dem alten Macho hören und sehen verging. "Okay, anscheinend kapierst du es nicht, aber lass mich ja in Ruhe, du Macho!" Korb Nummer Eins, er seufzte. Die Mädchen in Kyoto waren etwas anders gewesen. Sêiichî stand alleine an einer Haltestelle herum, was ihm gar nicht passte. Ryochi war noch im Krankenhaus und konnte ihm auch niemanden vorstellen, so dass er auf sich alleine gestellt war.

Der Bus fuhr an, Sêiichî ging etwas näher zu einer Mädchengruppe hin, schaute aber nicht um die Ecke und wurde deswegen von einer Rothaarigen sprichwörtlich über den Haufen gerannt, so dass beide am Boden ankamen. "Hey, du Flegel, mach gefälligst die Augen auf!" Ein scharfer Schmerz breitete sich langsam auf seiner Wange aus, denn die aufbrausende Schönheit hatte ihm eine Ohrfeige verpasst. Ihre Augen funkelten gemein, solche Augen fand er ungemein interessant. "Geh mir aus dem Weg..." Sie machte einen Bogen um den am Boden sitzenden Jungen und rannte zum Bus, während ihre Freundin ihr nachrief, dass sie doch warten sollte. Sêiichî traute seinen Augen kaum, denn ihre Freundin hatte ebenfalls rote Haare. Mhm, na ja, vielleicht würde er sich an beide ranschmeißen...
 

"Sag mal, wieso hast du dem denn gleich eine geknallt? Ich hätte mir erst mal von ihm aufhelfen lassen, der sah immerhin nicht schlecht aus. Da lässt man sich gerne mal anrempeln."

"Tze", ihre Freundin gab einen gehässigen Laut von sich. "Ich kenne solche Typen, die baggern hier und da rum und betrügen ihre Freundin, mit so einem will ich nichts zu tun haben!" Sie setzte sich ziemlich weit hinten hin, nur weit weg von diesem Ekel, das sie gerade umgerannt hatte, obwohl eigentlich sie in ihn hineingerannt war und er böse auf sie sein müsste, doch das interessierte sie herzlich wenig. Ihre Freundin setzte sich neben sie und versuchte sie zu beruhigen, doch diese kochte wie ein Nudeleintopf. "Trotzdem..." Sie blickte sich nach dem gutaussehenden Schwarzhaarigen um, der sich direkt hinter sie setzte.

Auch das noch, Riina seufzte kurz. Musste er sich hierhin setzen? Das tat er doch jetzt mit Sicherheit absichtlich. "Morgen laufe ich lieber, auch wenn ich dann eine halbe Stunde früher aufstehen muss", meckerte sie vor sich hin. "Ach was, reg dich doch nicht so auf."

"Ach nur zu ihrer Information, Madam, eine Entschuldigung wäre nicht schlecht", meinte Sêiichî mit einem fiesen Grinsen und beugte sich etwas zu Riina nach vorne, um sie etwas zu ärgern. "Ich bin nicht absichtlich mit dir zusammengestoßen. Eigentlich warst ja du schuld." Wie unverschämt, Riina drehte sich mit einem arroganten Lächeln zu ihm herum. "Ach ja, und du bist ganz der nette Kerl, der keine Hintergedanken hat, alles klar! Als nächstes willst du mich als Entschädigung einladen, tut mir echt Leid, aber kein Bedarf!" Sie wandte sich von ihm ab, in der Hoffnung, er würde sie in Ruhe lassen, ansonsten würde sie Gewalt anwenden müssen.

Mannoman, die sollte mal locker werden, die war ja ganz verkrampft und zickig, aber solche Frauen zu erobern, machte dem 17-jährigen Spaß. Wenn sie gleich wie die Fliegen auf ihn flogen, war das doch total öde. "Entschuldige, dass ich dich angerempelt habe." Leena blickte ihre Freundin verständnislos an und bettelte geradezu mit ihrem Blick, dass sich die beiden vertrugen. "Spring schon über deinen Schatten, er kann nichts dafür, dass du männerfeindlich bist", flüsterte sie der Älteren zu, doch diese gab nur einen spöttischen Laut von sich. "Niemals..." Sie hasste schon seit eh und je solche Typen, die an jeder rumbaggerten, der Kerl würde sich sicher gleich ihrer Freundin zuwenden, sobald er bemerkte, dass sie auf ihn stand.

"Hey du", sprach Sêiichî dann auch gleich Leena an, was Riina ein wissendes Lächeln ins Gesicht trieb. "Ist die immer so?" Leena seufzte kurz und wandte den Kopf etwas zur Seite, um ihm ins Ohr zu flüstern, Riina brauchte ja nicht alles wissen. "Ja, ständig, sie hat was gegen Kerle, zumindest kommt es vielen so vor, mach dir nichts daraus."

"Und du? Hast du auch..."

"Nein, ich doch nicht..." Riina lauschte sehr genau und bekam Bruchstücke von dem mit, was sie flüsterten, weil der Bus noch nicht losgefahren war, doch das würde sich schnell ändern, weil er in etwa einer Minute losfahren würde, und Wataru war noch nicht da, wie jedes Jahr, sie seufzte. Dieser Macho versuchte es jetzt wirklich bei Leena, wie peinlich. Sie würde ihrer Freundin nicht reinreden, denn wenn sie auf so einen reinfiel, hatte sie wirklich Pech und war selbst schuld.

"Wir können uns ja nach der Schule mal treffen, wenn du Zeit hast... ähm... wie heißt du überhaupt?"

"Ich bin Leena."

"Okay, Leena, treffen wir uns dann nachher?"

"Wieso nicht? Das wird sicher lustig." Riina gab ein sehr lautes Seufzen von sich, das auch Leena mitbekam, was sie aber nicht zu interessieren schien, denn sie war wohl damit beschäftigt dem Macho schöne Augen zu machen und es zu genießen, wie sehr er sie beachtete.
 

Der Motor des Busses startete und er fuhr wenig später davon, genau in dem Moment, in dem Wataru angelaufen kam und dem Busfahrer winkte, was jedoch nichts brachte. "So ein Mist", fluchte er und versuchte erst einmal Luft zu bekommen, nachdem er wie vom Teufel gejagt, gerannt war. Das würde wohl wieder heißen, dass er einen Dauerlauf zur Schule machen würde, wie fast jedes Jahr, in dem er verschlief, da er sich viel zu sehr an die Ferien gewöhnt hatte. Er seufzte kurz und begann dann zu laufen, damit er wenigstens noch in etwa pünktlich sein würde...
 

Kôji hatte es gut, er wohnte ganz in der Nähe der Teitan-Schule und musste nicht mit dem Bus dorthin fahren, so dass dieser zehn vor Acht mit Akemi das Haus verließ und gemächlich auf die Schule zusteuerte. Er schaute kurz auf die Uhr. "Wir haben noch genügend Zeit, wir können also ruhig trödeln...", meinte er mit einem frechen Grinsen und küsste seine Freundin vor der Haustüre noch einmal, bevor er ihre Hand ergriff und sie sich auf den Weg machten. Er würde es heute genießen, zu zeigen, dass sie wieder zusammen waren...

Der Bus war wie immer zeitig bei der Schule angekommen, so dass Kôji Sêiichî sichtete. "Na toll, der kommt doch mit Sicherheit in unsere Klasse, bei unserem Glück. In unserer Klasse sind doch fast nur Idioten...", seufzte Kôji und Akemi ergriff seine Hand fester. "Ach, ignorier den Typen einfach, der braucht uns nicht zu interessieren..." Sie küsste ihn auf die Wange und er warf ihr einen glücklichen Blick zu. Sêiichî bemerkte sie und kam auf sie zu, Kôji fand das alles andere als witzig. "Na super, jetzt kommt der hierher, arg!"

"Na ihr beiden... was sieht mein Auge denn da? Hattest du Angst, man nimmt sie dir weg?" Kôji hätte gerne seine Beherrschung sausen lassen, um ihm eins in die Fresse zu schlagen, für seine Worte, aber da Akemi bei ihm war...

"Sorry, aber bilde dir nicht zuviel ein, du bist nicht der Grund dafür, dass wir wieder zueinander gefunden haben, es gibt Gefühle wie Liebe, falls du das kennst." Er zog Akemi da weg, doch Sêiichî folgte ihnen. "Glückwunsch", sagte Sêiichî in ernsthaften Unterton. Kôji hatte Recht, so etwas wie Liebe war ihm bisher nie begegnet. Er ging genau neben Akemi her, so dass Kôji bemerkte, wie er sie anlächelte und ihr zuzwinkerte. Bei so einem Typen konnte man schon mal so etwas wie Eifersucht verspüren. Er sah eben doch gefährlich gut aus, da musste man sein Auge stets wachend auf die Freundin richten. "Ja, ich kann mich auch glücklich schätzen, so einen Freund wie ihn zu haben", meinte Akemi fröhlich lächelnd, was Sêiichî ihnen verpeilt nachschauen ließ, nachdem er stehen geblieben war. Er beneidete ihn um seine Freundin, Sêiichî selbst war umgezogen und hatte jetzt erst mal nur einen Freund, das musste sich schnell ändern, sonst würde er der Einsamkeit verfallen, vor allem, wenn er keine Mädchen kennen lernte.
 

Shina war schon mit ein paar anderen Leuten im Klassenzimmer und kümmerte sich darum, dass das Klassenzimmer am ersten Tag sauber war, so dass sie Sêiichî auf einmal bemerkte, der in der Tür stand und wohl ein paar Minuten zu früh war. "Hey, Sêiichî", meinte sie frech grinsend und warf ihm den Schwamm für die Tafel zu. "Du kannst die Tafel putzen." Nicht schlecht, dachte er so bei sich, Selbstvertrauen schien Ryochis Freundin ja zu haben, also wollte er sie nett behandeln und ging ohne zu murren auf die Tafel zu, legte den Schwamm hin und zog sich die Jacke aus, woraufhin er sich darum kümmerte, dass die Tafel nicht verschmiert sein würde. Nicht von jeder hätte er sich das befehlen lassen, aber bei ihr machte er jetzt eine Ausnahme, weil sie ihn mit ihrem Mut beeindruckte. Und er hatte nicht vor an ihr herumzubaggern, sie gehörte immerhin zu seinem besten Freund...

"Und hat er dich schon angegraben", meinte Kôji mit einem Halbmondaugenblick an Shina gewandt, die mit ein paar anderen Mädchen den Boden putzte, als er und Akemi beim Klassenzimmer ankamen. "Nein, hat er nicht, da muss ich dich enttäuschen, er ist so nett und hilft mir, was du im übrigen auch tun kannst, Kôji. Sei doch bitte so nett und geh die Bonsais gießen."

"Okay, meine Kleine", meinte er und holte sich die kleine Gießkanne aus dem Lehrerschrank, da er von Akemi den Schlüssel in die Hand gedrückt bekam, schließlich waren sie und Shina Klassensprecherinnen, die für den Schrank extra einen Schlüssel bekommen hatten.

Sêiichî wunderte sich über den vertrauten Umgang zwischen Shina und Kôji, und über Akemis Verhalten, denn es schien ihr nichts auszumachen, dass Kôji Shina meine Kleine genannt hatte, was er seltsam fand. "Macht es dir denn nichts aus, wenn er Shina "meine Kleine" nennt?" fragte Sêiichî an Akemi gewandt, welche das recht locker sah und immer noch glücklich lächelte. "Nein, wieso? Sie ist immerhin meine beste Freundin und wird ganz sicher nichts mit meinem Freund anfangen."

Shina wurde hellhörig, legte den Putzlappen beiseite und ging mit einem Halbmondaugenblick auf ihre beste Freundin zu. "So, so, wann hattest du vor, mich einzuweihen?" fragte sie beleidigt und stemmte die Hände in die Hüften. "Na ja, wir sind ja erst heute Nacht wieder... zusammen.. gekommen", meinte Akemi kleinlaut und wurde etwas rot. Kôji drehte den Kopf zu den Bonsais, da auch ihn eine leichte Röte beschlichen hatte, man könnte sich ja immerhin bei den Worten "heute Nacht" etwas denken, was ihm ein wenig peinlich war. Es musste ja nicht alles an die Öffentlichkeit dringen.

"Aha", meinte Shina und wandte sich von den beiden ab. "Muss ja 'ne heiße Nacht gewesen sein, dass ihr so gut gelaunt seid", fügte sie noch gehässig hinzu und lachte kurz. "Das muss nicht jeder wissen", Kôji hatte sich jetzt wieder herumgedreht und war in Panik geraten. "Du hast es gehört, Sêiichî, kein Wort zu niemandem..." Shina fand die Sache ja mehr als lächerlich, wofür schämten die sich denn? Dafür, dass sie mit 16 bereits Sex miteinander hatten? Also bitte...

Ein klein wenig Neid hatte sich in Shina breit gemacht, wenn sie daran dachte, was ihre beiden Süßen verband. Sie war in dem Punkt immer vorsichtig gewesen und konnte somit noch nicht so wirklich in diesen Dingen mitreden, auch wenn das keiner glauben würde, und doch war es so. Shina wusste gar nicht, wie Ryochi zu diesen Dingen stand und ob er schon Erfahrung damit hatte, aber wenn er nur ein wenig wie sein bester Freund war, dann hatte er wohl Erfahrung... Sie seufzte leise, denn sie wollte ja keine Vorurteile aufkommen lassen. Trotzdem würde sie das peinliche Thema mal anschneiden müssen, um Bescheid zu wissen. Irgendwie machte ihr das ein bisschen Angst...

"Man, was für ein Kindergarten", meinte Sêiichî mit einem Grinsen im Gesicht, das mal wieder den Macho zum Vorschein kommen ließ.
 

Zu Beginn der ersten Stunde war das Klassenzimmer blitzblank und man erkannte es vom letzten Schultag gar nicht mehr wieder. Die Schüler rannten alle auf die letzte Minute in den Raum hinein und setzten sich schnell hin, um noch pünktlich zu sein, doch Wataru fehlte wie immer. Shina konnte sich einen schnippischen Laut nicht verkneifen, weil es jedes Jahr dasselbe war. Schon seit fünf Jahren kam er am ersten Tag immer zu spät, das würde sich wohl auch nie ändern, wie es schien.
 

Wataru stand vor der Tür und lauschte dem Lehrer, als er es endlich geschafft hatte die Schule zu erreichen. Zu seinem Pech war er ganze zehn Minuten zu spät und die strengste Lehrerin unterrichtete gerade in Japanisch. Das Klassenzimmer glich jetzt der Höhle des Löwen. Vorsichtig drückte er die Türklinke hinab und ging langsam in den Raum hinein. "Entschuldigen sie, ich hab verschlafen", sagte er peinlich berührt und einigen war es eine Wonne zu sehen, wie die Lehrerin ihn mit einem bösen Blick strafte. Ganz besonders die Flegel aus der letzten Reihe, die Wataru auf dem Kieker hatten. "Das ist schon Routine, Frau Matsumoto", sagte Takahashi, weil er sich das einfach nicht verkneifen konnte. "Setz dich auf deinen Platz, hol deine Bücher raus und komm dann an die Tafel", meinte die Lehrerin, die sich die Brille zurecht rückte und dann etwas an die Tafel schrieb. "Du wirst es nie packen, pünktlich zu sein, du Blindschleiche", wurde Wataru von dem Älteren provoziert, was Shina als auch Sêiichî kritisch beäugten. Es war nicht viel Menschenkenntnis von Nöten, um zu erkennen, was Takahashi von Wataru hielt, das sah sogar Sêiichî, der zum ersten Mal hier war. Das war wohl wieder typisch für so einen Typen, sich immer schön an den Schwächeren vergreifen, so etwas konnte Sêiichî noch nie leiden, was hieß, dass er sich in die Sache wahrscheinlich einmischen würde...
 

Nachdem der Unterricht endlich zuende war und die Schüler das Klassenzimmer wieder verließen, folgte Takahashi unauffällig seinem Objekt der Begierde, wie gut, dass sein Cousin heute nicht da war und somit auch nicht auf seine Freundin aufpassen konnte. Die Hellbraunhaarige hatte schon lange seine Begierde geweckt, so dass er sie unbedingt mal haben wollte und nur darauf wartete, dass sie alleine sein würde. Shina war auf dem Weg ins Lehrerzimmer, weil sie den Klassenzimmerschlüssel vorsichtshalber einschließen wollte, schließlich vertraute ihr die Klassenlehrerin so sehr, dass sie ihr einen Schlüssel für das Schließfach gegeben hatte. Man hatte sie darum gebeten, nie den Schlüssel mit nach Hause zu nehmen, weil er in der Schule sicherer aufbewahrt war, also hielt sie sich daran. Auf dem Rückweg ging sie an der Sporthalle vorbei und bemerkte, dass die Tür von eben dieser offen stand, was seltsam war. Schließlich war es bereits nach vier und sie müsste abgeschlossen sein, denn am ersten Tag gab es noch kein Training. Nachdem sie hineingeschaut hatte, drehte sie sich herum und dann stand Takahashi da, der sich vor ihr aufgebaut hatte. "Ach du Schande, was willst du denn schon wieder?" Er schubste sie und versuchte die Tür abzuschließen, was Shina mit einem Karatekick verhinderte und ihm der Schlüssel abhanden kam. Die 16-jährige hob ihn vom Boden auf und verließ die Turnhalle, wurde aber am Handgelenk festgehalten. Sie schlug dem aufdringlichen Kerl ins Gesicht. "Lass mich los, verdammt!" Nachdem sie dies gesagt hatte, ließ er sie auch los, rannte ihr jedoch nach und beförderte sie gegen eine Wand. "Keine Frau schlägt mich, ohne dass ich das will", meinte er.

"Und kein Mann bedrängt mich, klar?" Noch ehe sie etwas unternehmen konnte, wurde Takahashi von hinten geschnappt. "Wann kapierst du es endlich, du Abschaum? Shina will nichts von dir, also verzieh dich..." Watarus Stimme war zu vernehmen, was dem Angesprochenen ein Knurren entweichen ließ, da dieser Junge ihm bisher oft im Weg gewesen war, deswegen drehte er sich fix um, schlug dem Gleichaltrigen die Faust ins Gesicht und da Wataru schwächer war, ging er zu Boden und hielt sich das Gesicht, was jedoch nicht lange so blieb, denn er stand auf und ging auf den Braunhaarigen los. Eine zweite Person fing an sich einzumischen und stürzte sich auf Wataru, um ihn davon abzuhalten, Takahashi gefährlich zu werden.
 

Sêiichî, der gerade nach Hause gehen wollte, hörte den Krach aus einiger Entfernung und wollte unbedingt nachsehen, was da los war. Als erstes erblickte der 17-jährige Shina, die von einem Typen, der ihm unbekannt war, festgehalten und davon abgehalten wurde, ihrem Freund, den er als Wataru identifizierte, zu helfen. Er stürzte auf die Gruppe zu. "Hey, aufhören!" rief er ihnen zu, zog Takahashi und einen weiteren Jungen von Wataru weg und knallte ihre Köpfe gegeneinander. "Finger weg von meinen Freunden, klar?" meinte er mit grausamer Stimme und schlug die beiden Jungs, die Takahashi mitgebracht hatte, in die Luft. Sie machten sich aus dem Staub, so dass Sêiichî sich um Wataru kümmern konnte und ihm vom Boden aufhalf. "Na, die haben dir ja ganz schön zugesetzt, feige waren die auch noch."

"Wir bringen ihn am besten zur Schulärztin", sagte Shina zu Sêiichî, doch Wataru schüttelte den Kopf. "Ich mag die nicht, mir wäre es lieber, wenn du mich selbst verarztest." Die 16-jährige wusste nicht, was sie dazu sagen sollte und überlegte kurz. "Na ja, ich bin ja quasi schuld, also meinetwegen..."
 

Kôji hatte Akemi nach Hause gebracht, weil er mal wieder Detektiv spielen und etwas über seinen einen Cousin herausfinden wollte, also hatte er seine Großeltern besucht, die ihm da einiges zu erzählen hatten. Und irgendwie war er gar nicht begeistert. Nach dem Tod seiner Adoptiveltern war Masahiko verschwunden und nicht mehr aufgetaucht, wie seine Mutter zuvor erzählt hatte. Was ihm aber viel mehr Sorgen machte, der damalige 19-jährige hatte nicht mal gewusst, dass die Toten nicht seine richtigen Eltern waren, er hatte somit unter vollem Bewusstsein die eigenen Eltern getötet. Kôji wollte ihn finden, doch niemand hatte ihm sagen können, wo er sich zur Zeit aufhielt. Es wurde langsam dunkel, als er von einer seiner Befragungen zurückkam, die ebenso wie die erste bei den Großeltern nicht viel gebracht hatte. Der Kerl war wie vom Erdboden verschluckt. Niemand außer seiner Mutter ahnte, dass der Sohn die Eltern getötet hatte, denn das erste was diese Leute immer gesagt hatten, war: "Dieser arme Junge." Wie konnten die Leute so blind sein, oder war seine Mutter verrückt? Nein, sie war bei Verstand und sagte nichts einfach mal so. Man hatte ihn vor seinem Cousin gewarnt, das machte sie doch nicht einfach mal aus einer Laune heraus. Noch dazu ahnte er, dass sein Cousin und Watarus Vater irgendeine Verbindung hatten, die Schwarze Organisation zum Beispiel. Als seine Mutter von "diesen Leuten" sprach, dachte er schon an diese. Dass sein Cousin wohl gefährlich war, konnte er sich denken, nachdem er angeblich die gesamte Adoptionsfamilie ausgelöscht hatte, er war demnach ein Psychopath.

In der dunklen Gegend, in der sich Kôji nun befand, war es weitesgehend ruhig, bis man ein Auto hören konnte, das näher kam und auf einmal stoppte. "Halt die Stellung, Vodka, ich schnapp mir den Verräter!" Ein Mann in schwarzen Sachen stieg aus, er trug einen Hut, der etwas von seinem Gesicht verbarg. Kôji beobachtete ihn, wie er jemanden zu verfolgen begann und entschloss sich, ihm auch nachzugehen, immerhin war er schon seit über einem Jahr ein Detektiv...
 

Gin rannte dem Mann im Alter von etwa 50 bis in die Verbrechergegend nach, verließ diese sogar wieder und kam bei einem Zigarettenautomaten an. Es war weit und breit niemand zu sehen, der Kiosk in der Nähe sah sehr verwahrlost aus, so dass dort niemand auftauchen würde, also zog der Killer seine Waffe, um das Opfer, das noch immer flüchtete, anzuschießen. Er drückte ein paar Mal ab und traf den älteren Mann in den Rücken und auch ins Bein, so dass dieser stürzte.

"Es ist doch ohnehin klar, dass du stirbst, was flüchtest du da überhaupt? Uns entkommt niemand, verstanden?!" Mit einem psychopathischen Lächeln richtete er die Waffe auf den Mann, der sich erhob und von Gin gegen eine Mauer gedrängt wurde. Es gab kein Entrinnen, man sah die Furcht in den Augen des Braunhaarigen auflodern. Alle Menschen, die es mit diesem Killer zu tun bekamen, wurden bewegungsunfähig und verloren ihr gesamtes Selbstvertrauen, so auch der Mann, der normalerweise eine Kampfkunst beherrschte. Man drückte ihm die Waffe an den Kopf, wobei das Organisationsmitglied noch immer lächelte und wenig später zufrieden wirkte, als er die Angst sehen konnte. Er genoss es jedes Mal in vollen Zügen, wenn die Opfer voller Panik in seine Augen schauten. Ein Schuss ertönte, die Waffe war präzise zwischen die Augen gesetzt gewesen, so dass der Mann langsam tot zu Boden ging.

Mit Genugtuung betrachtete Gin sein Werk und steckte die Waffe weg. Spuren hinterließ er keine, jedoch hörte er wenig später sein Handy piepsen. Genervt drückte er auf den Annahmeknopf und die aufgeregte Stimme seines Partners wurde an sein Ohr getragen. "Dir ist jemand gefolgt, du musst ihn finden und erledigen, er hat dich vielleicht beobachtet!" Gin knurrte. "Bist du verrückt? Warum hast du mich nicht eher informiert? Sind denn alle außer Vermouth unfähig geworden? Machst du das noch ein einziges Mal, Vodka, töte ich dich auch ohne die Erlaubnis des Bosses, verstanden?! Wir sind perfekt, jeder, der es nicht ist, wird eliminiert, so sind die Regeln bei uns!" Gin legte auf und schaute sich in der Gegend um. Wenn hier jemand war, würde er diesen finden und beseitigen...

Kôji versteckte sich hinter ein paar Mülltonnen und beobachtete Gin dabei, wie er sich umblickte. Anscheinend suchte er ihn, aber hinter diesen Mülltonnen würde er ihn so schnell nicht ausmachen können. Der Junge verkalkulierte sich, denn Gin gab Schüsse gegen die Mülltonnen ab, so dass diese umfielen und man Kôji sehen konnte. Der Angstschweiß breitete sich im Gesicht des Jungen aus, er wusste, dass der Mann ein Killer aus der Organisation war und sein Partner Vodka hieß, wie er dem Telefongespräch entnehmen hatte können. Normalerweise hätte er da schon verschwinden sollen, doch jetzt war es zu spät...

Kôji blickte zu einer Seitengasse, er würde dorthin laufen und erst mal aus dem Blickwinkel des Mannes verschwinden. Er erhob sich, die Entfernung betrug nicht mehr als zehn Meter, was für einen geübten Schützen so gut wie nichts war. Er konnte jetzt von Glück reden, wenn er hier lebend wieder rauskam. Wie konnte er auch so dumm sein, dem Kerl zu folgen?

Gin blickte den Jungen lange an und erinnerte sich an ein Gespräch, das er erst gestern mit Chardonnay gehabt hatte. Das war das Glück des jungen Mannes, wie er fand, denn normalerweise besaß Gin so etwas wie ein fotographisches Gedächtnis nicht, er erinnerte sich nie auf die Dauer an Gesichter. Der Kerl konnte sich glücklich schätzen, dass die Sache noch nicht allzu lange her war, denn nur deswegen erinnerte er sich. Kôji rannte los, er versuchte die Straße zu erreichen, aber da Gin es liebte, Menschen Schmerzen zuzufügen, schoss er ihm ins Bein, so dass er hinfiel und knapp an der Ecke liegen blieb. "Der Boss will zwar nicht, dass du stirbst, dafür aber kann ich dich nicht gehen lassen, du weißt zuviel, mein Kleiner." Mit einem spitzen, aber auch etwas belustigten Ton in der Stimme sprach Gin Kôji an, hielt seine Waffe auf ihn gerichtet, weil er befürchtete, dass sein Gefangener noch einmal versuchen könnte zu türmen und wartete darauf, ihm in die Augen zu sehen. In den Augen des Jungen kam etwas undefinierbares auf. Er wirkte geschockt, aber auch zugleich überrascht. Was verwunderte ihn so? Gin forschte in den rotbraunen Augen des 17-jährigen. Normalerweise war er es gewohnt, dass die Pupillen kleiner wurden, wenn man Menschen mit Waffe bedrohte, aber irgendwie... Der Junge schaute Gin seltsam an, so dass auch er mehr als erstaunt war. "Du kommst mit, du wirst uns nie wieder verlassen", meinte Gin gehässig und ein gefährliches Glänzen erschien in seinen Augen.

Diese hatten Kôjis erfasst, er sah lange in diese kalten Augen und betrachtete sich sein Gesicht genaustens. Ja, er war es... Kôji war sicher, auf den Bildern hatte er zwar etwas anders ausgesehen als jetzt, aber seine Gesichtsform war dieselbe, ebenso seine Augen, auch wenn noch eine Portion Kälte zu der in den Augen wohnenden hinzugekommen war.
 

Es gab jemanden, der Gin als auch Kôji beobachtet hatte, wobei die Sache mit Gin Zufall war, ganz anders als die mit dem Jungen. Der Beobachter gab sich nun zu erkennen und stellte sich zwischen die Ecke und die umgefallenen Mülltonnen. "Finger weg von dem Jungen, klar? Ansonsten wirst du schon sehen, was du davon hast."

Ein Mann mit schwarzen langen Haaren, einem dunkelblauen Hemd und einer Lederjacke darüber, der in seiner Linken eine Waffe hielt, war aufgetaucht und veranlasste Kôji dazu, dass er ihn sich genau anschaute. Er hatte dieselben Augen wie der Killer von gerade eben, doch im Gegensatz zu ihm, hatte er ein Gefühl des Vertrauens bei ihm, und auf Kôjis Gefühl war Verlass. Der Mann schien gekommen zu sein, um die Dummheit, die der Junge begangen hatte, wieder gut zu machen.

Gin gab ein gehässiges Lachen von sich. "Wer sagt, dass du dazu in der Lage bist, mir Ärger zu machen? Was, wenn du schneller stirbst, als du schauen kannst?" Der Killer hatte die Brust des Mannes anvisiert und gleich darauf abgedrückt, was Shuichi Akai als erfahrener Ermittler schon geahnt hatte und etwas zur Seite wich, so dass die Kugel lediglich an seinem Arm vorbeischnellte und ihm nicht mal einen Kratzer beibrachte. "Ha, so schnell tötet man mich nicht!" Shuichi hasste Killer, die sich an schwächeren, unschuldigen Leuten vergriffen und ließ gerne seine Wut an ihnen aus, das plante er nun auch mit Gin, doch ihn zu quälen würde sich als schwierig erweisen, da dieser Mann so gut wie kein Schmerzempfinden mehr besaß. Er war buchstäblich abgehärtet, was sich sogleich herausstellen würde...

Shuichi Akai drückte ab, woraufhin Gin eine Kugel mitten in die Magengegend traf, was diesen nicht einmal dazu brachte, zusammenzuzucken. Etwas verwundert blickte der Agent den Killer an, der böse zu lächeln begann. Der würde doch nicht...

Und schon traf Shuichi eine Kugel in die rechte Schulter. Der Kerl war wahnsinnig, das zu wagen... Shuichi schoss zurück, worauf ein Schusswechsel entbrannte, wobei auf beiden Seiten Blutverlust das Resultat war...

Schockiert beobachtete Kôji die beiden Männer, die dabei waren, sich gegenseitig umzubringen und das seinetwegen, wegen seiner verdammten naiven Dummheit. Ja, er war schuld daran, dass der Schwarzhaarige jetzt verletzt wurde, weil man ihn retten musste. Kôji schaute mit einem pikierten Blick, weil er sich im Moment dafür hasste, was hier geschah, zu Boden. Er war verletzt darüber, zu erkennen, wie wehrlos er gegen den Killer gewesen wäre. Kôji beobachtete nun eher Shuichis Füße, wie er sich während der Schießerei bewegte, anscheinend wusste der Kerl genau, was er tat. Jetzt blieb ihm nur zu hoffen, dass er nicht sterben würde, denn so weit Kôji das beurteilen konnte, waren beide gleich schnell und wussten beide gleich gut, wo sie hinzuschießen hatten. Obwohl sie beide bereits jede Menge Kugeln hatten einstecken müssen, hörten sie nicht auf, zu schießen und sich gegenseitig Schmerzen zuzufügen.

Der Kerl war nicht Vermouth, der war ihm ebenbürtig, Shuichi musste aufpassen, dass er nicht den kürzeren ziehen würde. Anscheinend war der Kerl auch nicht so leicht klein zu kriegen. "Los, steh auf, Kôji!"

Huh? Er kannte seinen Namen? Wer zum Teufel war der Mann denn überhaupt? Ach ja, er sollte aufstehen, also tat der 17-jährige das auch unter einem heftigen Schmerz, der ihn dazu veranlasste, seine Hand auf sein Bein zu pressen. "Lauf um die Ecke, mach schon!" Shuichi ging langsam auf die Ecke zu, während er noch immer auf Gin schoss und selbst Kugeln einsteckte, dann drehte er sich herum und floh mit Kôji in die kleine Gasse hinein. "Beeil dich!" rief er ihm zu, so dass beide Seite an Seite durch die Gasse rannten und um eine Ecke bogen. Gin folgte ihnen, aber da Shuichi seinen Wagen genau um die Ecke geparkt hatte, konnten sie diesen sofort für die Flucht nutzen. Noch, bevor Gin die Ecke erreichte, fuhr der Pick-up los und es war ihm nur möglich auf die Reifen des Autos zu schießen, allerdings schien der Mann auch das gewohnt zu sein, denn er fuhr eine Schlangenlinie, um seinen Schüssen auszuweichen...

Gin hatte das erste Mal in seinem Leben versagt...
 

"Bist du bescheuert, Kôji?" fauchte der Mann den Jüngeren an und dieser fuhr zusammen. "Gomene... Ich... Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist, als ich den Kerl verfolgt habe... Vor allem.. ach vergiss es."

"Dir ist klar, dass du beinahe umgebracht worden wärst, oder? Wenn du das nächste Mal in die Nähe eines Killers kommst, dann habe eine Waffe bei dir, mit der du dich verteidigen kannst, ansonsten bist du in der Verbrecherwelt verloren."

"Was genau meinst du damit? Dass ich nur überleben kann, indem ich andere Menschen verletze?" Shuichi gab jetzt ein mehr als verhasstes Lachen von sich. "Du hast noch viel zu lernen, Kôji, denn ob du es glaubst oder nicht, Killer sind genauso, nur dass sie nicht nur aus einem guten Grund töten, sie tun es auch aus Spaß daran, die Angst zu sehen. Na ja, ich bin auch so. Ich genieße es diesen Schweinen Angst zu machen, mehr verdienen sie nicht, man muss ihnen das zurückzahlen, was sie anderen antun." In den Augen des Mannes kam ein gefährlicher Glanz auf, man sah ihm den Hass auf Killer an.

"Damit verstößt man gegen jegliches Menschenrecht. Auch Killer sind Menschen und nun sag mir, wer du bist und weswegen du mich gerettet hast." Ein leises Lachen war zu hören. "Du kennst mich nicht? Soll das ein Scherz sein? Dann hättest du abhauen sollen! Man geht nicht zu Fremden ins Auto, das solltest du dir für die Zukunft merken."

"Du hast mich nicht vor dem Killer gerettet, um mir was anzutun, das hätte ich gespürt, ich spüre oft die Gefahr, weiß auch nicht, weswegen das so ist."

"Schön für dich, trotzdem ist so was Dummheit, oder in deinem Fall Naivität. Es wäre ja immerhin möglich, dass ich dich selbst benutzen wollte. Du wirst in deinem Leben noch öfter Menschen begegnen, die eine Marionette in dir sehen. Sei dir dem stets bewusst." Er selbst hatte auch bei einer Frau als Marionette dienen sollen, doch dagegen hatte er sich zu wehren gewusst, dafür hatte sie ihn dann verlassen, weil er ihr nicht helfen wollte. Jetzt hatte sie ihn zum Feind, daran war sie doch nun wirklich selbst schuld.

"Sag endlich wer du bist und rede nicht drum herum."

"Sagt dir der Name Shuichi Akai etwas?" Der Angesprochene war blass geworden. "Eh? Das würde ja heißen du bist mein..." Das Grinsen im Gesicht des anderen sprach Bände, er wusste, was der Junge sagen wollte. "Ich wusste nicht, dass du mein Cousin bist." Deprimiert schaute der Dunkelhaarige zum Fenster heraus. "Danke, dass du mich gerettet hast." Lange Zeit hatte er diesen Mann verabscheut, weil er nicht gerecht mit anderen verfuhr, doch das änderte sich heute, im Moment empfand er nur noch Mitleid. Wenn er wüsste, mit wem er sich da eben ein Gefecht geliefert hatte...

Shuichi steckte sich eine Zigarette an und Kôji starrte ihn danach an, da er das Geräusch des Feuerzeuges gehört hatte. "Hast du noch eine für mich übrig?" fragte er.

"Du rauchst auch schon? Lass das ja nicht deine Mutter erfahren, die erleidet einen Herzinfarkt." Er gab ihm eine und reichte ihm das Feuerzeug, ohne ihn dabei anzusehen, da er sich auf die Straße konzentrieren musste. Kazuya Miura hatte Kôjis Cousin darum gebeten, ein Auge auf seinen Sohn zu werfen, nur deswegen hatte Shuichi ihn beschattet, es war immer jemand da, der den Jungen im Auge behielt, besonders seit ein paar fiese Gestalten hier herumliefen, die gerne Kinder zu Killern machten. Als Keichiro ihn anschoss, war er allerdings nicht da gewesen, weil Kazuya und Keichiro befreundet waren. Wenn Shuichi gewusst hätte, dass Keichiro Kazuyas Sohn verletzen würde, hätte er sich eingemischt, aber man dachte, Keichiro würde netter zu Kôji sein, was ein fataler Irrtum gewesen war...

Nie wieder würde Shuichi dem Mistkerl trauen, wäre er nicht ein Freund von Kazuya und James, hätte ihn der Typ auch einen Scheiß interessiert, man konnte ihm nicht trauen, das war ihm jetzt klargeworden...

"Man hat mir vom Tod deiner Eltern erzählt, mein Beileid..."

"Ach was, man kommt damit klar. Ich habe mich daran gewöhnt, ich war damals ja noch ein Kind. Du solltest auf deine Mutter aufpassen, sie ist in einem nicht besonders gutem Zustand und wäre gewissen Leuten ausgeliefert." Seine Augen glichen jetzt eher Schlitzen, als er das sagte und Kôji zog an seiner Zigarette und blies den Rauch ins Auto, bevor er wieder etwas sagte. "Meinst du die Kerle, mit denen mein Vater Ärger hatte?"

"Ja, leider weiß ich noch nicht so genau, was das für Leute sind, aber ich denke, es sind 'ne Menge... Der von vorhin gehört auch zu ihnen..."

Jetzt war Kôji schlauer, sein Vater hatte also tatsächlich wegen der Schwarzen Organisation die Stadt verlassen...

"Man sagt, sie hassen Kriminalisten wie die Pest und radieren jeden aus, der ihnen nicht passt. Egal, ob sie schuld sind am Verschwinden deines Vaters, leg dich nicht mit ihnen an, du bist noch zu jung dafür, sie würden dich schnell ausradieren, das will ich auf keinen Fall..." Komisch, dass der Kerl so etwas sagte, wo er ihn doch kaum kannte, Kôji und Shuichi waren sich vorhin ja auch das erste Mal begegnet. Es war irgendwie seltsam, wenn man seine eigenen Leute nicht kannte...

2. September - Eine geheimnisvolle Nacht...

Der Teil iz X''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''''D Sry, ich lach mir tot.. wegen gewisser Dinge XD

Sêiichî iz und bleibt NICHT GANZ DICHT ^^ Mal sehen, wie viele von euch nen Durchblick kriegen, bin gespannt XD Der Teil iz leicht verworren, also GUT und LANGSAM lesen %''P

Na dann, ich verzieh mich dann mal wieder und lasse euch den Teil da, mal sehen, wann er onkommt X''''''''''''D


 


 


 

Anscheinend war sie ja selbst Schuld, dass sie sich jetzt in so einer Situation befand, denn sie war viel zu spät dran. Es war nun bereits nach Elf Uhr abends und Riina hätte längst zuhause sein sollen, doch da sie bei ihrer besten Freundin Leena gewesen war, hatte sie total die Zeit vergessen, was eigentlich immer häufiger vorkam. Ihr Vater hatte sie gefunden und gemeint, dass sie mit ihm kommen solle, aber das Mädchen hatte sich dagegen gewehrt, woraufhin man ihr eine Ohrfeige verpasst hatte. Er bedrängte sie und gab ihr keine Luft mehr zum Atmen, ihre Angst war so groß, dass ihr die Luft wegblieb, weswegen sie folglich auch nicht schreien konnte. "Was willst du denn noch von mir?" fragte sie verängstigt und blickte in seine böse funkelnden Augen. "Das sagte ich doch schon, du musst besser zuhören, Schätzchen." Der Schwarzhaarige war ihr Vater, auch wenn sie ihn mit den gefärbten Haaren kaum wiedererkannt hatte. Schon seit sie klein war, kannte sie ihn als brutalen Menschen, nun befand sie sich in einer Menschenleeren Gegend, so dass sie ein Gefühl spürte, das ihr gar nicht gefiel. Es fraß sich durch ihren Körper hindurch und erfüllte ihn mit einem Zittern.
 

"Du hast zuviel getrunken, Kleine", lachte der junge Mann, der in seiner schwarzen Jeansjacke und seiner schwarzen Hose quasi farblos gekleidet war, aber das gefiel dem Mädchen, das er an seiner Seite hatte. Sie hatte vorhin Riina quasi nach Hause geschickt, weil sie sich um die Ecke noch mit einem Jungen treffen wollte. Die beiden waren danach kurz in eine Bar gegangen, um sich mit einem Glas Cognac aufzuwärmen, da es um die Uhrzeit ziemlich kalt geworden war und Leena zu frieren begonnen hatte. Sêiichî hatte sofort bemerkt, dass sie wenig vertrug, denn nach einem Glas redete sie schon Unsinn, aber das störte ihn nicht weiter. Sie hatte ihm alles möglich erzählt, was einerseits leichtsinnig war, da er sonst was von ihr hätte wollen können. Er hätte einer dieser Killer sein können, mit denen er manchmal Umgang hatte, da er diese nicht besonders mochte, immerhin hatte so ein Killer schuld am Tod seiner Mutter...

Sie waren in einer ziemlich dunklen Ecke gelandet, was ihm sehr gut gefiel, allerdings würde er jetzt wohl Rücksicht nehmen müssen, immerhin war sie ganze drei Jahre jünger als er und er wusste nicht, in wie weit sie Erfahrung mit Jungs hatte, so dass er es langsam angehen würde. Dennoch hatte er vor, sie heute mit in sein Zimmer zu nehmen. Er nutzte die kleine Gasse aus, da er ihr so näher kommen konnte, ohne dass sie einfach auf die andere Straßenseite wechseln konnte, denn es war viel zu eng, so dass sie bald gegen die Wand laufen würde. Als er ihr näher kam, ging sie tatsächlich immer weiter auf die Wand zu, was aber bald nicht mehr ging und er sie an sich gezogen und seinen Schritt gestoppt hatte. "Leena, wir können gerne zu mir gehen, es ist doch recht kalt, was sagst du?" Es war leicht eine 14-jährige Schülerin zu ihm nach Hause zu locken, immerhin war sie ziemlich naiv und noch dazu etwas beschwipst, sie würde leichtfertig ja sagen. "Ich weiß nicht." Die Worte überraschten ihn, anscheinend war sie doch noch ziemlich bei Verstand. "Hast du Angst?" versuchte der 17-jährige aus seiner neuen Freundin herauszubekommen. "Nein, Angst nicht, findest du mich eigentlich hübsch?"

"Natürlich, sonst würde ich dich doch nicht mit zu mir nehmen."

"Ach ja?" Skeptisch schaute sie ihn an und haftete für einen Moment an seinen strahlend blauen Augen. "Bisher wollten die Jungs immer nur der beste Freund sein."

"Glaub mir, das ist es nicht, was ich will", flüsterte er ihr zu, drehte die Rothaarige etwas zu sich herum und blickte in ihre faszinierend grünen Augen. "Ich will etwas ganz anderes.." Mit einem Lächeln im Gesicht blickte er sie an, nahm ihr Gesicht in seine Hände und beugte sich zu ihr. In dem Moment ließ sie sich gegen die Wand gleiten, um ihm etwas zu entkommen. "Ich glaube du hast auch zuviel getrunken..." Seit wann interessierte man sich eigentlich auf eine solche Weise für sie? Das war doch bisher auch noch nie vorgekommen... "Nicht, ich mag nicht, lass uns lieber weitergehen." Sie versuchte ihn etwas von sich zu bekommen, doch dann spürte sie seine Lippen bei ihrem Hals. Das konnte er doch nicht einfach tun, sie kannte ihn doch kaum. Aber gut sah er schon aus, das war der Grund dafür, dass sie sich nicht wehrte. Sie konnte sich quasi geehrt fühlen, dass so ein gutaussehender Junge auf sie abfuhr. Solch eine Gelegenheit würde sich so schnell nicht wieder ergeben.

Wie er erwartet hatte, widerstand sie ihm nicht, sobald er erst einmal angefangen hatte. Nachdem sie sich nicht dagegen wehrte, legte er seine Lippen auf ihre und spielte etwas mit diesen, dabei strich seine Hand ihren Arm entlang und gelangte bei ihrer Hüfte an. Man hörte einen Schrei, so dass sich Sêiichî widerwillig und mit einem Stöhnen von ihr löste. "Was war das denn jetzt?" fragte er mehr sich selbst als Leena.

"Das klang nach.. meiner Freundin.."

Er nahm ihre Hand und entschloss sich nachzuschauen, ob das stimmte...
 

Riina war unterdessen damit beschäftigt ihren Vater von sich fernzuhalten, was ihr nicht gelingen wollte, da er sie mit einem Griff wehrlos gemacht hatte und zwei weitere Männer damit beschäftigt waren, ihm dabei zu helfen, sie zu einem Laster zu bringen, um sie zu entführen. Man hielt ihr den Mund zu, damit sie nicht mehr schreien konnte. Die beiden Personen ganz in der Nähe kamen allmählich beim Ende der Gasse an und konnten dabei zusehen, wie man jemanden entführen wollte. Leena wich einen Schritt zurück. "Oh mein Gott, das ist... er will sie zurückholen, ruf die Polizei, der Kerl ist gemeingefährlich." Die Angst war in ihre Stimme als auch in ihr Gesicht getreten, was ihn wunderte, zumal er kaum etwas erkannte. Er sah nicht, wer die Männer waren und konnte sich aus der Situation ein nicht so genaues Bild machen. Das einzige, was er verstand, war, dass da jemand entführt werden wollte, was ihm widerstrebte. "Nein, lass nur! Du bleibst hier, ich werde ihr helfen..." Sêiichî sagte das alleine schon deswegen, weil er Polizei überflüssig fand, er mochte es, solchen Mistkerlen einen Schrecken einzujagen und dabei selbst etwas in Gefahr zu schweben, da er einen Kick suchte...

"Nein, du verstehst nicht..." Sie hielt Sêiichî am Arm fest, was auf ihn wirkte, als würde sie sich um ihn sorgen. "Mach dir keine Gedanken, wenn die echt gefährlich sind, werde ich mich zu wehren wissen." Was sollte das denn heißen? Wollte er jetzt mit seinem Leben spielen? "Ich trage eine Waffe bei mir, Schätzchen. Sollten sie auch welche haben, werden sie Probleme bekommen. Sorge dich nicht..." Er drehte sich zu ihr herum, verschloss ihre Lippen kurz mit einem Kuss, der etwas inniger war, als der von gerade eben und brachte sie damit etwas aus dem Konzept. Gleich danach schlich er sich an die Typen heran. Die beiden Männer, die Chardonnay dabei halfen, seine Tochter zu entführen, bemerkten den jungen Mann allerdings und warnten den Mann. "Schau mal, man hat uns gesehen", flüsterte der eine seinem Boss zu, welcher nun auch Sêiichî sichtete. "Erschießen... dann sehen wir weiter!" befahl Chardonnay und die beiden Kerle nickten. Riina öffnete die Augen, da sie mitbekommen hatte, dass jemand in der Nähe war. Mit Schrecken stellte sie fest, dass es der Junge von gestern war, der in die Gefahr lief erschossen zu werden. Sie biss ihrem Vater in die Hand, so dass er von ihrem Mund abließ, zumindest für einen kleinen Moment. "Achtung, die sind bewaffnet und wollen dich umb-", die Worte wurden von der Hand ihres Vaters verschluckt, der sie noch immer versuchte zu seinem Auto zu bringen, was schwierig war, da man sie als einzige Person nicht so leicht verschleppen konnte, daher waren ja die zwei Typen nun bei ihm gewesen, damit es ihnen leichter fiel. Doch die sollten sich jetzt erst mal um den jungen Kerl kümmern, da dieser störte. Er könnte immerhin die Polizei informieren... Und mit dieser wollte Chardonnay nicht das geringste zu tun haben.

Riina hatte ihn gewarnt, obwohl sie ihn doch gestern noch überhaupt nicht gemocht hatte. Sêiichî war beeindruckt, das musste er zugeben. Jetzt war es ja quasi seine Pflicht sie zu retten, also zog er seine Waffe, genauso wie das die beiden Typen taten, die ein furchteinflößendes Grinsen zeigen. Zwei Schüsse fielen, woraufhin diese beiden tot zu Boden gingen, aber das war ihm egal, denn man sah ihnen an, dass sie ihn sonst erschossen hätten, daher hatte er es aus Notwehr selbst getan. Noch dazu war nicht weit die Verbrechergegend, dieses Stück gehörte quasi schon fast zu dieser, so dass man denken würde, irgendein mieser Killer hätte sie umgelegt.

Chardonnay fand es nicht gerade amüsant, dass man seine beiden Entführer einfach abgeknallt hatte, noch dazu schien dieser Kerl genau zu wissen, was er tat, und das obwohl er nicht aussah, als wäre er schon über der 20-iger Grenze. Er sah recht jung aus. Irgendwie war dem Mann nicht wohl, er verschwand besser, Ärger konnte er im Moment gar nicht gebrauchen...

Chardonnay warf Riina zu Boden, da dies ja etwas persönliches gewesen war und kein Auftrag, denn dann hätte er anders gehandelt und wäre auch mit ein paar Killern mehr hier aufgetaucht. Schnell stieg er in sein Auto, um das Weite zu suchen.

Sêiichî wartete noch, bis er mit seinem Wagen quasi vor ihm geflohen war und rannte dann auf Riina zu, dabei sah er sich etwas in der Umgebung um und entdeckte keine weiteren Männer, deswegen war der Kerl wohl auch verschwunden, weil er sich alleine gefühlt hatte. Ein gehässiges Lächeln erschien im Gesicht des jungen Mannes, als er sich zu Riina hinabbeugte, um ihr aufzuhelfen, denn er kam sich wie so ein Held vor und bildete sich jetzt natürlich eine Menge ein. "Bist du in Ordnung, oder brauchst du ärztliche Hilfe?" fragte Sêiichî sehr besorgt und sie verneinte mit einem Kopfschütteln.

"Scheint so, als wenn ich mich bei dir bedanken muss, obwohl..." Sie blickte zu den Leichen und seufzte, es erschreckte sie nicht, er hatte sich ja quasi nur verteidigt. Der 17-jährige zog sie an sich heran, wobei sie sein Parfüm riechen konnte und für einen Moment rot wurde. "Übertreib mal nicht, es geht mir ja gut." Sie wich schnell etwas von ihm, da sie Männern nicht zu nahe kommen wollte, was eben geschehen war.

Leena kam aus ihrem Versteck, nachdem sie sich hinter der Mauer verborgen gehalten hatte und nun die Gefahr aber gebannt schien. "Bist du lebensmüde?" Leena zeigte diesmal ihr Temperament und schlug ihrer Freundin die Hand ins Gesicht. "Wie oft sagte ich dir, dass du nicht alleine hier entlang gehen sollst? Nimm doch den längeren Weg, der ist wenigstens sicher." Was bildete die sich ein sie hier als die Schuldige hinzustellen? "Oje, oje, nicht streiten ihr beiden. Okay?" Er versuchte den Streit zu schlichten, doch sie schienen sich regelrecht anzugiften, was ihm ein Seufzen über die Lippen brachte. "Ich denke, wir bringen dich jetzt erst mal nach Hause, Schätzchen." Sêiichî konnte es einfach nicht sein lassen, seinen Charme spielen zu lassen, was Leena gar nicht passte, vor allem, weil er es nicht bei ihr selbst, sondern bei ihrer Freundin Riina tat. Warum konnte er die nicht einfach in Ruhe lassen, die wollte doch ohnehin nichts von ihm? Ein wenig eifersüchtig beobachtete sie den jungen Mann dabei, wie er sie etwas stützte, auch wenn das in ihren Augen nicht nötig gewesen wäre.

"Schätzchen? Ich bin nicht dein Schätzchen, verdammt noch mal!" Sie drehte sich herum und stieß Sêiichî von sich. "So ist das also! Du hast mich gerettet, weil du mich damit meinst rumkriegen zu können. Jetzt hör mir mal zu, Freundchen!" fing die Rothaarige an, wobei sie ihre Stimme mehr als nur bedrohlich anhob. "Ich bin nicht an Kerlen interessiert, an solchen wie du einer bist, sowieso nicht, also sieh zu, dass du endlich verschwindest, und lass Leena in Ruhe!"

Leena fand, dass ihre Freundin etwas übertrieb, auch wenn sie sonst ein Herz und eine Seele zu sein schienen, jetzt ging sie in ihren Augen zu weit. "Das geht dich überhaupt nichts an, lass du ihn lieber in Ruhe!" Die Jüngere schnappte Sêiichîs Arm und zeigte ihrer Freundin damit, wo er hin gehörte. "Ach du scheiße... er hat dich ja voll im Griff... Na meinetwegen, ich geh dann, ich hab's ja nicht weit."

"Warte", lenkte Sêiichî ein. "Hast du keine Angst, dass noch einmal solche Leute auftauchen könnten? Ich empfinde es als besser, wenn wir dich nach Hause bringen." Er klang fast ein wenig besorgt, obwohl Riina das albern fand, immerhin wusste er nicht mal, wer sie war. "Ängste sind da, um überwunden zu werden, also werde ich alleine gehen, dafür brauch ich so einen Halbstarken wie dich ganz sicher nicht! Außerdem..." Sie stoppte, blickte kurz deprimiert, nur um dann wütend zu fauchen, wobei ihr Tränen in den Augen standen. "Mein Bruder hat es viel schwerer, diese Leute jagen ihn genauso, wie mich, nur sind sie bei ihm noch brutaler und gemeiner, wieso sollte ich da Angst haben? Ich hab doch Glück gehabt." Mit den Worten fing sie an zu rennen, nur über ihre Leiche würde sie sich von diesem Macho beschützen lassen, das hätte der doch nur gerne...

Anscheinend war Vermouth wieder einmal nicht in Japan, was ihr Vater ausnutzen musste, immerhin war diese Frau nicht gerade angetan davon, was ihr Boss so tat. Er kam immer nur dann an, wenn die Killerin nicht einschreiten konnte. Es wäre eine Katastrophe, wenn der Typ bemerkt hätte, was gespielt wurde. Riina musste sie dringend anrufen und ihr alles mitteilen, sonst würde sie hier wohl eine Überraschung erwarten. Sie würde ahnungslos nach Japan kommen, ohne zu wissen, dass Riinas Vater wohl Bescheid wusste.

Sêiichî war wegen ihren Worten wissensdurstig geworden, riss sich von Leena los und stürmte Riina nach, weil er einen Verdacht hegte, der ihn noch mehr in die Richtung des Mädchens trieb, denn wie es schien, war sie mit Chardonnay verwandt, oder so? Er wollte alle Menschen kennen, die mit diesem Mistkerl in Kontakt standen... Der junge Mann wollte auch Familienmitglieder kennen lernen, um mehr über seinen Feind zu erfahren.

Aber am schlimmsten war es, dass er zurück war, um sich das zu holen, was ihm gehörte, ihr Vater war hier, um seine Familie zu sich in seine Organisation zu holen, welcher er schon Jahre lang diente. Selbst wenn Wataru nichts von diesem Mist wissen sollte, Riina wusste es...

Auf einmal schnappte eine Hand nach ihrem Handgelenk und zog sie zurück. "Weglaufen gilt in diesem Fall nicht! Erzähl mir, was du über die Leute von vorhin weißt!" zwang er sie. "Du weißt genau, wo sie hingehören", stellte er dann fest und schockierte damit die Rothaarige. "Sag mal geht's noch?" mit den Worten hatte sie ihm schon zum zweiten Mal eine Ohrfeige verpasst, seine Wange brannte, aber irgendwie fand er dieses Verhalten ungemein anziehend. "Das geht dich einen Scheiß an, kümmere dich um deinen Mist!" brüllte das Mädchen den Schwarzhaarigen an, wobei sie wütend knurrte. "Dein Bruder ist Wataru Takagi, oder?"

Na toll, jetzt wusste dieser Kerl auch noch, wo sie hingehörte. Besser ging es wohl nicht mehr. Jetzt würde er sie jeden Tag zu Hause aufsuchen, oder was wollte er damit sagen?

"Du erwartest nicht wirklich eine Antwort, oder?" zischte sie wütend und holte ein weiteres Mal aus, er hielt ihre Hand jedoch fest. "Doch, das tue ich, weil ich euch helfen will! Euch, nicht nur dir. Ich kenne euren Vater und weiß, was er will..." Erstarrt blickte sie den jungen Mann an, mit dieser Aussage hatte er sie nun doch überrascht. "Woher?" wollte sie wissen. Sêiichî schloss die Augen und überlegte, wie er es dem Mädchen am besten erklärte. Seine Familie war nicht so ganz normal und er redete nicht gerne darüber. "Ich will später zur Polizei und spiele gerne Schnüffler, schon alleine, weil Ryochi Schülerdetektiv ist. Wir beide haben mal eine Zeit lang eine Spur verfolgt. Sie führte in die Nähe deines Vaters, da haben wir uns schlau gemacht." Riina schaute ihn ungläubig an, Leena klammerte sich an ihren Arm, verängstigt und Hilfe suchend. "Ihr Vater ist ein perverses Schwein", sagte sie leise und zitterte dabei leicht, wie Riina bemerkte. "Hat er dich wieder angemacht?" fragte Riina, bekam aber nur ein Kopfschütteln als Antwort. Sêiichî blickte zwischen den beiden hin und her und versuchte durch ihre Blicke etwas herauszufinden. "Ryochi hatte auch Kontakt zu denen, man wollte ihn vor 2 ½ Jahren mal entführen und in die Organisation bringen. Dadurch habe ich von denen und ganz besonders über eine ihrer Leute etwas erfahren. Wir sollten aber unbedingt mal mit deinem Bruder reden..." Riina nickte jetzt, nach verdammten 2 ½ Jahren... Seltsam, genau 2 ½ Jahre war es nun her, seit ihr Vater aus dem Haus geflogen war. Fing damals alles an? "Na gut, gehen wir zu uns, da kannst du mit meinem Bruder reden."
 

Derweil versuchten Shina und Kôji Wataru aus dem Haus zu bekommen, aber irgendwie öffnete ihnen niemand, also schoben die beiden mal wieder etwas Panik, weil sie sich um ihn sorgten. Riina, Leena und Sêiichî kamen zu der Zeit bereits dort an und fragten sich, wieso die beiden die ganze Zeit auf die Klingel drückten und sie niemand reinließ. "Hey ihr!" Riina rannte auf sie zu, auf den Gesichtern von Kôji und Shina erschien sofort ein fröhliches Lächeln. "Was machst du hier, Kôji?" fragte Riina, dieser seufzte jedoch nur. "Wir klingeln seit fünf Minuten, aber entweder ist dein Bruder nicht zu Hause, oder er will niemanden sehen."

"Werden wir gleich sehen." Riina kramte ihren Schlüssel heraus und schloss die Tür auf. "Wataru? Bist du da?" rief sie durch die Wohnung, jedoch kam keine Antwort, also gingen die fünf Personen hinein und suchten das Haus nach Riinas Bruder ab, doch er schien wirklich nicht zu Hause zu sein, allerdings war es schon ziemlich spät, um draußen rumzulaufen, zumal ihr Vater auch dort war und es Riina gar nicht gefiel, daran zu denken, dass er ihren Bruder aufgreifen könnte.
 

Vermouth war gerade dabei etwas zu erledigen, obwohl man diese Tätigkeit eher nicht als beruflich, oder geschäftlich bezeichnen konnte. Sie hatte ihren Sohn abgeholt, um ihn zu seinem Vater zu bringen, wo er ihrer Meinung nach auch hingehörte. Sie wollte gerade in ihr Auto steigen, als sie Chardonnays Sohn an sich vorbeilaufen sah. "Nicht zu fassen, besser kann es nicht laufen. Ich sollte mich mal mit ihm beschäftigen." Sie warf die Tür zu und ging auf den Jungen zu. "Hey you, what time is it?" fragte sie, Wataru blickte die Frau in Schwarz mit einem misstrauischen Blick an und wich einen Schritt zurück, denn irgendetwas an ihrem Gesichtsausdruck ließ ihn misstrauen. "Ich habe keine Uhr..", gab er zur Antwort, er tat so, als könne er kein Englisch, auch wenn er ihre Worte sehr wohl verstanden hatte, entschied sich aber auf Abstand zu gehen.
 

Ryo, der Krankenhäuser auf den Tod nicht ausstehen konnte, war ganz in der Nähe und sah wie die blonde Frau Watarus Hand schnappte, ihn an sich zog und zu betäuben versuchte. Der Detektiv war zwar noch verletzt, stürmte aber unter einem leichten Schmerzgefühl in der Magengegend auf die beiden zu. "Was zum Teufel tust du hier?" Er blieb stehen, denn die blonde Schönheit bedrohte Wataru mit einer Waffe. Das alleine ließ ihn stutzen. "Ryochi Akaja, was für eine Überraschung. Mische dich nicht in unsere Angelegenheiten ein, sonst kann es dir schnell passieren, dass dir schwarz vor Augen wird." Der Fakt, dass sie ihn nicht Campari nannte, machte ihn schlauer, noch dazu hatte sie ihm gerade angedroht, ihm etwas anzutun. "Au Backe, für jemanden, der Chardonnay hasst, benimmst du dich aber äußerst seltsam. Sag mir, wenn ich falsch liege, aber ist es neuerdings in deinem Interesse, Chardonnay seine Kinder wiederzubringen, damit er sie weiterquälen kann, oder was gedenkst du, wird das hier jetzt?"

"Woher weißt du davon?" Es gefiel der Frau überhaupt nicht, was er da sagte, er war eine Gefahr für sie alle, immerhin wusste er Dinge, von denen kaum einer ahnte. "Sagen wir so, Chardonnay ist mein Gebiet." Der Kerl hatte sicher etwas bemerkt, dass etwas anders an ihr war. "Dir ist niemand gefolgt, oder?" Etwas scheinheiliges lag in ihrer Stimme, was Ryo grinsen ließ. "Was wenn? Willst du mich dann abknallen?" Er wählte absichtlich einen frechen Unterton, um sie ein wenig zu sticheln, was sie zu einem Knurren brachte. "Du bist ein schlaues Kerlchen", mit den Worten hatten beide eine Waffe auf ihr Gegenüber gerichtet. "Tja, so kann es einem gehen, du bist zu langsam." Die blonde Frau warf Wataru zu Boden und flüchtete zu ihrem Auto, da dies ja kein Auftrag sondern ein eigener Plan gewesen war. Ryochi fragte sich zwar, wer die Frau war, dachte aber erst mal nicht weiter darüber nach, doch ihm war aufgefallen, dass sie Wataru kannte, daher musste sie irgendwie mit dieser Familie in Verbindung stehen, irgendwoher musste sie Wataru ja kennen. Oder Chardonnay hatte all seinen Leuten gesagt, dass sie Wataru entführen sollten, wenn sie ihn alleine erwischten. Der Junge erhob sich leicht und blickte zu Ryochi hoch. "Danke, bei dir rennt sie immer gleich weg." Der Detektiv gab ein Seufzen von sich, beugte sich zu Wataru runter und zischte kurz wegen einer Verletzung auf. "Was machst du überhaupt hier? Solltest du nicht im Krankenhaus sein?" wollte Wataru etwas besorgt wissen, Ryo aber schüttelte den Kopf. "Ich hasse Krankenhäuser, deswegen haue ich meistens ab, wenn es mir halbwegs gut geht", lachte er etwas und half Wataru vom Boden auf. Auch er lächelte, allerdings schüchterner als Ryochi. "Was ich mich aber frage, wieso bist du so spät noch unterwegs?"

"Ich musste dringend an die frische Luft, manchmal brauche ich das."
 

Riina war nervös und ging in der Küche hin und her, weil sie fast wahnsinnig wurde, als Wataru auch nach halb Zwölf noch nicht zu Hause war. "Und du bist gar nicht wegen Ryo hier, sondern weil du dich mit Watarus Vater anlegen willst? Bist du irgendwie lebensmüde, Sêiichî, oder wieso rennst du Verbrechern nach?" Das war etwas, was Shina unbedingt wissen wollte. "Na ja, ich habe Grund zur Annahme, dass er in Verbindung zum Verschwinden meiner Mutter steht. Deswegen versuche ich etwas über diese Leute, die damit zu tun haben, herauszufinden. Außerdem wäre mir sonst langweilig, ich will ja was lernen."

Komischer Typ, Shina rollte mit den Augen. Er schien sich absichtlich Gefahren auszusetzen, andererseits hatte er wirklich Mut, das musste sie zugeben. "Wenn ich dir einen Tipp geben darf, dann lass die Finger von Watarus Vater, der kann echt gefährlich werden. Du solltest besser mit der Polizei kooperieren." Ein gemeingefährliches Lächeln erschien im Gesicht von Sêiichî, da er das, was Shina da meinte, ganz sicher nicht vorhatte. "Ich habe keine Angst, vor keinem von diesen Leuten." Seine Augen blitzen kurz entschlossen auf. "Und jetzt habe ich noch was vor, aber ich will dennoch mal mit Wataru plaudern, doch das muss nicht heute sein, es wird sich schon noch eine Gelegenheit ergeben." Sêiichî stand auf, was Leena gar nicht lustig fand, immerhin mochte sie ihn. "Kann ich mitkommen?" Er fuhr über ihre Wange und lächelte. "Nein, es ist besser, wenn du für heute Nacht hier bleibst, bei deiner Cousine, an meiner Seite ist es zu gefährlich." Mit den Worten setzte er sich seine coole Sonnenbrille auf und verschwand zur Küchentür hinaus. Shina entkam ein Seufzen. "Der soll Ryos bester Freund sein? Das kann ich einfach nicht glauben." Die beiden waren so verschieden, dass sie es unmöglich glauben konnte. Oder hatte sie etwas noch nicht bemerkt?
 

Der Person, die vorhin geflohen war und die sich nun in Sicherheit befand, gefiel ihre Rolle als Vermouth. Daran konnte man sich glatt gewöhnen. Sie saß in einer Bar und genehmigte sich einen Cocktail, wobei sie ihn eher kippte als genoss. Man konnte davon reden, dass sie bereits etwas zu tief ins Glas geschaut hatte und mit sich selbst sprach. "Du bist so toll, ja, das gefällt dir. Alle Männer liegen dir zu Füßen, es kann gar nichts geschehen." Als sie gerade ein neues Glas Chardonnay-Cocktail anforderte, setzte sich ein junger Mann neben sie. Er kam ihr sofort merkwürdig vertraut vor, so dass sie ihn unauffällig von der Seite musterte. Keine 15 Sekunden verstrichen, da hatte sie ihn schon erkannt, allerdings war sie noch etwas erstaunt ihn in so einer Bar zu Gesicht zu bekommen. "Neu hier?" fragte sie ihn, woraufhin ein arrogantes Lächeln auf seine Lippen erschien. "Kann man so nennen, ich bin erst vor kurzem nach Tokyo gezogen, aber mit dir hatte ich schon das Vergnügen. Schön dich unter solchen Umständen wiederzusehen."

Vermouth und er kannten sich bereits? Das war der Frau neu, aber sie war gewillt das Spielchen mitzuspielen. "Die Freude ist ganz meinerseits."

"Was macht eine schöne Frau um die Uhrzeit in so einer stinkigen Bar? Da würde sich doch etwas viel besseres bieten, oder nicht?" War das seine Art sie anzumachen? Nun gut, auch dagegen hatte sie nichts, aus ihm war ein junges, hübsches Kerlchen geworden, wieso also nicht? Er wusste ja nicht, wer sie wirklich war...

"Sicher gibt es da besseres, was schlägst du vor?"

"Eine Suite im Haido-City-Hotel, was sagst du dazu?" Nach seinem Geschmack flirtete sie viel zu sehr mit ihm, irgendetwas war anders als beim ersten Mal, es war so einfach. "Gute Idee, wenn du zahlst." Ein kleines Lachen entfuhr ihr. "Aber soviel Geld hat so ein Bursche wie du sicher nicht aufzuweisen."

"Meinst du? Was gewinne ich, wenn ich es doch habe?" Sie nippte an ihrem Glas und überlegte, was sie ihm vorschlagen könnte. Was würde sie jetzt tun? Ein Spiel spielen? "Wie wäre es mit Roulette auf meine Weise?" fragte sie mit einem gemeinen Lächeln, was er einfach unwiderstehlich fand, diese Art Blick an einer schönen Frau, er fand es einfach sexy, wie sie mit ihm spielte. "Okay, ich stehe ohnehin auf etwas Gefahr", hauchte er ihr von der Seite ins Ohr. "Gut, du zahlst." Sie ging an ihm vorbei, er lächelte siegessicher und warf dem Kellner das Geld vor die Nase, woraufhin ihn dieser etwas seltsam ansah. Die beiden liefen die paar Schritte zum Hotel und checkten dort für die Nacht ein. Sêiichî nahm die schönste Suite - somit auch die teuerste - die das Haido-Hotel zu bieten hatte. Noch, während sie vor der Tür standen, ließ er seine Hand über ihren Nacken wandern, was ihren Körper leicht beben ließ. Kaum flog die Tür zu, küsste er sie stürmisch und drängte sie zum Bett. Auf dem Weg, zog er ihr die Jacke aus, fummelte an ihrer Bluse herum und hatte diese auch wenig später schon offen. Auch sie blieb nicht untätig und öffnete seine Hemdknöpfe. Samt Jacke verlor das Hemd jegliche Beachtung, so dass Sêiichî alsbald nur noch seine schwarze Hose trug und sie nur noch ihre schwarzen Dessous. Eine so scharfe Frau hatte er noch nie gehabt, er verlor gänzlich den Verstand und freute sich auf sein Abenteuer, ohne auch nur daran zu denken, was dabei herauskommen würde...

Es gab Frauen, die bargen eine Überraschung, sie war mit Sicherheit so eine, denn so etwas hatte er seit er fünfzehn Jahre alt war sehnlichst gesucht. Eine Frau, die ein Geheimnis war und ihm mit ihrer Schönheit den Kopf verdrehte. Ihr makelloser Körper erregte ihn beim bloßen Anblick, er war gänzlich geblendet von der Schönheit. Außerdem wusste er, dass sie gefährlich war, was es noch interessanter sein ließ...

Doch der erste Eindruck konnte täuschen...

3. September - Änderungen...

JAAAAA, ich bin ein soooo fieses Biest, ich schaffe mal wieder Probleme, weil ich irre bin, aba ohne Probs wär's ja auch ziemlich öde, oda net? >'D Daher... auch Schüler haben Probleme, diese Schüler sowieso, die hängen alle so in EINEN PROBLEM mit drin, irgendwie, aba in diesem Teil gibt es zwei XDDD

Nya mehr gibt's nich zu sagen ^-^

*verpuff*

XDDDDD


 


 


 

Schüler hassten solche Tage, jene, an denen nichts so zu laufen schien, wie es sollte. Sêiichî verpennte ganze zwei Stunden, weil er eine heiße Nacht mit jemandem verbracht hatte, während Wataru einen Anschiss vom Lehrer bekam, von dem er sich einfach nicht erholen wollte. Er saß seufzend an seinem Tisch, lustlos, er hatte wirklich auf nichts Bock. Allerdings hatte der Lehrer sie zum Putzen verdonnert. "Mein Gott, warum müssen Lehrer so rumspinnen?" Sêiichî hatte die Füße auf den Tisch gelegt und faulenzte, somit machte niemand seine Arbeit, weil keiner sich so recht aufraffen konnte. "Nur weil ich zu spät gekommen bin, soll ich hier putzen, ich bin doch keine Putzfrau." Ryochi hatte seinen Freund meckern hören, der war wie immer ganz schön frech, aber was sollte man schon daran ändern? Er öffnete die Tür, woraufhin Sêiichî so sehr erschrak, dass sein Stuhl umkippte und er sich im nächsten Moment am Boden wiederfand. Ryochi konnte sich nicht beherrschen und fing an zu lachen, weil es einfach zu lustig war, wie er da so am Boden saß und sich den Hintern rieb. "Das hast du davon, manchmal wird man eben von weiter oben bestraft."

"Ach Gottchen, wie witzig, du Komiker", beschwerte sich der Ältere und erhob sich mit einem zugekniffenen Auge wieder. Sêiichî war nur deswegen so erschrocken, da er dachte, die Lehrerin hätte die Tür aufgerissen, sein Herz war ja fast stehen geblieben. Lehrer konnten so peinlich sein, darauf konnte er gerne verzichten. Konnte der mal aufhören so dämlich zu lachen?

Wataru stimmte zu guter Letzt auch noch in Ryochis Lachen mit ein, was Sêiichî rot vor Zorn werden ließ. "Hört endlich auf zu lachen!"

Die Tür öffnete sich ein weiteres Mal und Riina stand in ihr. "Hier bin ich, was wolltest du mit mir bereden?" fragte sie, Wataru allerdings verstand nur Bahnhof. Wer wollte mit wem was bereden? Ryo wandte sich Watarus Schwester zu und lächelte nett. "Klar, ich hab Zeit, lass uns rausgehen." Er ging zur Tür. "Macht's gut ihr und viel Spaß beim putzen", lachte er sarkastisch, daraufhin schloss auch schon die Schiebetür zum Klassenzimmer. Wataru schaute noch immer auf die Tür, neugierig darauf, was Ryochi und seine Schwester zu bereden hatten, allerdings war es ihnen nicht erlaubt das Klassenzimmer zu verlassen. Sêiichî schien das aber nicht zu kümmern, denn er stand auf und verließ wortlos das Klassenzimmer. "Hey, du darfst jetzt nicht raus, die Lehrerin kommt gleich!" rief Wataru dem Jungen hinterher, doch dieser hörte gar nicht erst hin.
 

Riina hatte sich gegen einen Baum gelehnt. "Deswegen wolltest du mit mir sprechen? Nur deswegen? Sag, dass das nicht wahr ist!" Schmollend sah sie aus, fast ja niedlich, wäre da nicht Shina hätte er sich sicher für die Rothaarige interessiert. "Sei nicht unfair, ich will nicht, dass irgendwem etwas passiert. Und dein Vater ist einer der gefährlichsten Verbrecher Japans, ob du es glaubst oder nicht. Ich will andere vor ihm beschützen. Außerdem ist da etwas, das du mir verschweigst, ich will jetzt wissen, was das ist!" drängte er, aber das Mädchen sah noch immer wütend aus und drehte den Kopf zur Seite. "Ich lasse mich nicht gerne benutzen!"

"Das hast du in den falschen Hals gekriegt", meinte er und legte seine Hand auf ihre Schulter. Eigentlich wollte Riina weiter die Unnahbare spielen, doch wenn seine Hand ihren Körper berührte, spielte alles in ihr verrückt, als wenn jemand fremdes die Kontrolle über ihren Körper übernehmen würde. "Ich will dich doch bloß vor deinem Vater schützen." Wie süß, was sollte sie dazu denn bloß sagen? Statt dies zu tun, wurde sie leicht rot und lächelte. "Das ist nett von dir, aber du solltest dich nicht in Gefahr begeben."

"Will ich aber, besonders seit er es gewagt hat, sich an Shina vergreifen zu wollen." Jedes schöne Gefühl in ihrem Körper erstarb in dem Moment. Er dachte wieder nur an sie, die von vorne herein für Wataru bestimmt gewesen war, er hatte alles verändert. "Das ist ja nicht das erste Mal und sie kam immer klar", sagte Riina trotzig. Shina war nicht wie sie, man musste sie nicht beschützen, eigentlich hatte Riina sie immer dafür bewundert, aber jetzt...

"Gibt es einen Tag, an dem du sie aus deinem Gedächtnis streichen kannst? Vielleicht nur für einen kleinen Moment?" Ryo wusste nicht, was das Mädchen von ihm wollte, deswegen versuchte er auch gar nicht verwirrt zu reagieren, sie musste ja nicht wissen, dass sie ihn aus der Fassung brachte. "Tja, sie ist eben meine Freundin."

"Aber sie hängt viel mehr an meinem Bruder, als an dir..." Was sollte das jetzt bitte heißen? Musste er sich doch Sorgen machen? Vielleicht war er in dem Punkt etwas ängstlich und deswegen so gutgläubig. "Du musst sie mal beobachten, sie würde ihm alles verzeihen. Genauso wie er ihr. Die beiden gehören zusammen. Kannst du das auf die Dauer ertragen, wenn sie an einem anderen genauso hängt, wie an dir?"

"Das war doch gar nicht das Thema, es ging um deinen Vater", seufzte Ryochi und versuchte das Thema ganz schnell in der Versenkung verschwinden zu lassen. "Ich möchte aber nicht an meinen Mistkerl von Vater denken, der macht mich so krank..." In ihren Augen standen Tränen. "Schon, seit wir Kinder sind und Wataru sagte, er möchte Polizist werden, will er Wataru quälen und mich von ihm trennen, ich habe Angst." Sie fiel geradewegs in Ryochis Arme und begann zu weinen. Er fühlte sich so hilflos und kam sich vor wie der allergrößte Idiot. Was sollte er denn jetzt machen? Er musste sie ja irgendwie trösten. "Hey, komm schon, hör auf zu weinen, ich werde nicht zulassen, dass dieser Kerl dich kriegt, also keine Panik." Er wollte eigentlich cool klingen, stattdessen hatte er großes Mitleid, das Riina gleich mit etwas anderem verwechselte. Sie schaute an ihm hoch in seine warmen blauen Augen, genau in dem Moment kam Sêiichî um die Ecke und sah die Szene. Er traute seinen Augen kaum, als er die beiden Personen sah, die eine identifizierte er sofort als Riina, was ihn kurz stutzen ließ. Und der sagte, er wäre ein Macho, wie überaus witzig. Mit einem leicht rachsüchtigen Gesichtsausdruck stand er an der Ecke und beobachtete sie noch eine Weile. "Na warte, das von vorhin zahle ich dir heim, Kleiner", flüsterte der 17-jährige zu sich selbst und rannte zurück zu den Klassenräumen.
 

"Das ist echt nett von dir, sag mir, wie ich mich revanchieren kann." Ryo war baff, damit hatte er nämlich gar nicht gerechnet, es war ihm ja fast peinlich, dass sie so etwas fragte. "Ach was, ich will nichts dafür haben."

"Ich will aber..." Verwirrt sah er sie an und fragte sich, was genau sie wollte. Umso schockierter war er, als sie ihn versuchte zu küssen. Augenblicklich wollte der Junge aus seiner Haut raus, das wurde ihm dann doch zu heikel, außerdem war er nicht gerade der Typ dafür, sich mit zwei Mädchen gleichzeitig einzulassen. "Hey, hey, Riina, stop!" Er schob sie leicht von sich, mit einer unverständlichen Miene inne. "Ich sagte, dass ich dir helfen will, mehr nicht", versuchte er sich aus der Situation wieder heil rauszubringen, sah dann aber den traurigen Blick des Mädchens, was ihn zu einem Seufzen brachte. "Schau doch nicht so, ich..." Verdammt, was sagte man nur zu einem Mädchen, das man mochte, aber nicht lieben konnte, ohne dass es gleich verletzt war? "Ich mag dich wirklich, aber ich bin mit Shina zusammen, das solltest du nicht vergessen." Er hasste es, so etwas zu tun, aber ihm blieb keine Wahl. "Du findest sicher jemanden, der zu dir passt, du bist ja erst 14 Jahre alt."

"Ich will aber keinen... anderen..." Es kam nicht selten vor, dass mal ein Mädchen unglücklich verliebt in den Detektiven war, dennoch wusste er dann nie, was er tun und sagen sollte, er wollte niemandem wehtun, er konnte sich nicht wie Sêiichî verhalten, worum er ja irgendwie froh war. "Das wird schon werden", versuchte er sie zu ermutigen und seufzte einmal kurz. "Du bist ein hübsches Mädchen, das sicher nicht lange alleine sein wird, außerdem würde jemand, der ein Jahr jünger ist, sicher besser zu dir passen." Riina schluchzte auf. "Ich nerve dich..." Sie drehte den Kopf zur Seite und schloss die Augen, aus welchen Tränen flossen. "So was kann ja nur mir passieren. Von mir wollen nur Idioten was."

"Sag doch nicht so was..." Ryo war ziemlich bedrückt, anscheinend hatte man Riina noch schlimmer verletzt, als er vorher geglaubt hatte und er hatte das Gefühl, dass Keichiro daran schuld war. "Es gibt nette Jungs auf der Welt, nicht alle werden wie dein Vater."

Jetzt brach sie endgültig in Tränen aus und ging vor ihm auf die Knie. Schon lange hatte er niemanden mehr so bitterlich weinen gesehen, wie gerade eben, es brach ihm fast das Herz. Er wollte sich nicht vorstellen, was mit ihm passieren würde, wenn Shina mal so vor ihm weinen würde, er würde sicher elend zu Grunde gehen. "Hör auf zu weinen", er wischte ihr die Tränen aus dem Gesicht und sie warf sich heulend an seine Brust. Ryochi wusste, er sollte keine andere in den Armen halten, aber er konnte sie auch nicht einfach heulen lassen und wegstoßen, das wäre nicht nett...
 

Der 17-jährige suchte die halbe Schule ab und fand Shina schließlich in der Turnhalle beim Volleyballtraining. "Shina? Du musst unbedingt kommen, ganz schnell", sagte er hektisch, so dass diese zur Seite schaute und deswegen einen Ball verpasste. "Was willst du denn hier? Sollst du nicht nachsitzen?" Schmollend sah er das hübsche Mädchen an, das ihm sofort gefallen hatte. "Ja, es ist ganz dringend. Ryo und Riina sind da draußen, du solltest dir das unbedingt ansehen und ihm zeigen, wo er hingehört, sonst passiert noch was." Shina wunderte die Aussage etwas, da Sêiichî Ryochis Freund war und somit ja eigentlich nicht der erste sein sollte, der petzen ging, wenn er mit einem anderen Mädchen zusammen war. "Und? Es ist Riina, die schmeißt sich schon nicht an ihn ran."

"Aber, Shina", Sêiichî zog einen Schmollmund. "Sie sind bei diesem Baum und er hält sie im Arm... Ich hab's ganz deutlich sehen können." Irgendwie war sie neugierig, ob das stimmte, wahrscheinlich machte der Typ ja ohnehin zuviel Wind um nichts. "Ihr kommt mal ohne mich klar, oder?" warf sie ein und ihre Mannschaft antwortete im Chor mit einem klaren "Ja". Sie rannte zu Sêiichî hinüber, der sie am Arm packte und hinter sich her ziehen wollte, aber sie riss sich los. "Ich kann ganz gut alleine laufen", musste sie ihn in seine Schranken verweisen, was ihm gar nicht gefiel, aber weil sie Ryochis Freundin war auf sich beruhen ließ. Ryo sollte nur Riina in Ruhe lassen, weil Sêiichî sich für sie interessierte, außerdem hatte er ja schon eine. Dass er sich auch für vorhin ein klein wenig revanchieren wollte, musste er ja niemandem verraten...
 

Es schien, als wolle Riina nicht mehr aufhören zu weinen, sie war so verzweifelt und so verletzlich, Ryochi hoffte wirklich, sie würde einen angemessenen Freund finden, der damit umgehen konnte. Sie war nicht wie viele Mädchen, das war ihm bewusst, nur, indem er von ihrem Vater sprach, brachte er sie zum weinen. Irgendwie war es ihr nicht zu verübeln, er hatte ja jede Menge über diesen Mann erfahren. Er freute sich wirklich auf den Tag, an dem er ihm etwas nachweisen konnte. Dass er frei herum lief, war schon schlimm genug, aber dass er manche Menschen nicht vor ihm beschützen konnte, tat weh. Sein Vater versuchte ihn schon seit einiger Zeit zu kriegen, erfolglos. Jetzt, wo er zur Organisation gehörte, war es noch schwerer geworden. Nun beschützte man das Ekel auch noch, das ging ihm irgendwie nicht in den Kopf hinein. Wenigstens seine Freunde wollte er vor ihm bewahren und Riina zählte er zu seinen Freunden.

Allmählich wirkte es, als würde sie sich doch beruhigen, denn sie ließ etwas von seiner Brust ab und wischte sich die Tränen weg. "Halt mich noch einen Moment fest, das ist schön", sagte sie leise und lehnte ihren Kopf an ihn. "Das hat schon lange niemand mehr getan..." Sie hatte etwas von einer kleinen Schwester, was seinen Beschützerinstinkt erregte. "Schon gut..."
 

Shina und Sêiichî kamen derweil am Ort des Geschehens an und konnten sehen, wie Ryo Riina im Arm hielt. Im ersten Moment wusste die Schülerdetektivin gar nicht, wie ihr geschah, demnach wusste die 16-jährige auch nicht, wie sie reagieren sollte, aber ihn mit einem anderen Mädchen zu sehen, tat einfach nur weh. Aber sie würde sich so etwas niemals anmerken lassen. Gerade als Shina mit etwas sarkastischen kommen wollte, sah sie das, was sie nicht sehen wollte. Die beiden küssten sich, da war es auch egal, von wem es ausging.

Ryo war zu überrascht darüber und dank der Entfernung sah man nicht einmal, dass er geschockt war und einen Moment lang nicht reagieren konnte, so dass es aussah, als würde er den Kuss erwidern. "Oioi", Sêiichî fielen fast die Augen raus, also das hatte er jetzt nicht geplant, er wollte nicht, dass Shina so etwas sah, sie sollte nur eifersüchtig sein und die beiden trennen, aber sie reagierte ganz anders, als er sich das erhofft hatte. Das Mädchen rannte wie vom Blitz getroffen davon. Er wollte ihr noch nachrufen, aber ließ es dann doch, er war ja im Grunde schuld daran. Shina musste einfach da weg, denn sie ertrug es nicht Ryochi mit jemand anderem so zu sehen. Noch vor nicht allzu langer Zeit hatte sie daran gedacht, dass er ihr erster sein sollte, dass sie sich ihm voll hingeben wollte und jetzt küsste er eine andere, das wollte ihr nicht in den Kopf. War sie so blind vor Liebe, dass sie so etwas nicht sah? Jetzt passte er auf einmal zu Sêiichî, dass der ein Macho war, hatte sie ja bereits bemerkt.
 

Wataru kam gerade aus dem Klassenzimmer, weil die Lehrerin gekommen war, als Sêiichî sich aus dem Staub gemacht hatte und er jetzt auf der Suche nach ihm war, immerhin hatte er jetzt alles alleine machen müssen, was er gar nicht lustig fand. Statt Sêiichî sah er Shina, die in die Turnhalle rannte und die Tür hinter sich zuwarf. Er entschied sich, ihr zu folgen und zu schauen, was mit ihr los war. Sie nahm sich einen Ball und fing an alleine zu trainieren, dabei war sie nur darauf bedacht, ihre Wut an dem Ball auszulassen, indem sie auf ihn einschlug, als wäre er ihr Feind. Ihre Mannschaft machte sich schon Sorgen, da sie kein Wort gesagt hatte und verdammt wütend aussah. Immer wieder donnerte sie den Ball gegen die Wand und hörte nicht einmal die Stimmen ihrer Mannschaftskollegen. Wataru schaute durch das kleine Fenster und traute seinen Augen kaum, so dass er die Tür öffnete und Shina dabei beobachtete, wie sie wohl gerade ausrastete. Das machte ihm fast Angst. "Hey, Wataru, weißt du, was mit ihr los ist? Sie ist ja total verbissen..." Bedauernd schüttelte der Junge den Kopf und ging auf Shina zu, auch wenn er dabei in die Gefahr lief, einen Ball abzubekommen...

Als sie das nächste Mal einen Ball schlagen wollte, zog Wataru ihren Arm nach hinten, so dass der Ball zu Boden ging. "Hey, was ist denn los? Warum schlägst du auf den Ball ein?"

"Ich trainiere", gab sie stur zurück. "Komm, Shina, lass uns da draußen reden", meinte Akemi und nahm ihre Freundin etwas in den Arm. "Na gut, Schluss für heute", gab sich Shina geschlagen und seufzte. "Ich bin etwas sauer, mehr nicht, aber gut. Lasst uns irgendwohin gehen, wo es ruhig ist."
 

Nachdem Ryochi den Schock überwunden hatte, schob er Riina wieder von sich. "Das solltest du nicht machen, es kommt nichts dabei raus, es tut mir Leid..."

"Das macht nichts, ich hab's jede Sekunde genossen." Ein glückliches Lächeln umspielte ihre Lippen. "Auch wenn es wohl einmalig bleiben wird." Trotz ihres Glücks konnte man einen Moment später auch ein Fünkchen Trauer sehen, denn eine Träne rann über ihre Wange. Nun sah er doch verwirrt aus, er wusste nicht, was er erwidern sollte. "Gut, dass du es erkannt hast... es wird kein zweites Mal geben. Trotzdem bin ich jeder Zeit für dich da."

"Lass nur, ich komm schon klar." Vorher war es ihm alles andere als so vorgekommen, aber er würde es wohl so hinnehmen müssen. "Ryo." Der Angesprochene hörte Sêiichîs Stimme und wandte seinen Kopf zur Seite, um ihn anzusehen. "Shina hat euch gesehen, als ihr euch geküsst habt. Sie ist weggelaufen. Was machst du auch so was? Geh ihr gefälligst nach!"

Stop, zurückspulen und dann noch mal bitte. Was hatte sein Freund da eben behauptet? Ryo schaute ihn wie im falschen Film an. "Wohin ist sie gelaufen?" fragte Ryochi jetzt verzweifelt, doch Sêiichî zuckte mit den Schultern. "Also wirklich, so was hab ich dir gar nicht zugetraut... Du Macho." Das hatte er schon immer zu Ryo sagen wollen, es trieb ihm ein Grinsen ins Gesicht. "Grins nicht so, sie hat das vollkommen falsch verstanden! Ich muss ihr sagen, wie es wirklich gewesen ist!" Seine laute Stimme und die Verzweiflung, die sie inne hatte, verwunderten Sêiichî. "Oh man, du bist ja verliebt, ach du scheiße. Das hast du davon, deswegen mache ich einen Bogen um so was."

"Sehr schlau... Hast du noch mehr schlaue Sprüche auf Lager, mein Freund?" Mit den Worten rannte er schon davon, er musste sie unbedingt finden...

Na ja, Ryo eben, wenn er verliebt war, dann gleich richtig. Wie gut, dass ihm das bisher erspart geblieben war, weil es bei ihm nur um Sex ging, er war wirklich froh, so zu sein.
 

Die anderen drei hatten sich auf eine Wiese am Fluss gesetzt und starrten auf das Wasser, das sanft plätscherte, wenn ein Fisch sprang. "Was war denn los, dass du so wütend bist? Das ist doch sonst nicht deine Art", meinte Wataru und spürte wenig später wie sie sich an seiner Schulter anlehnte und etwas von ihm im Arm gehalten werden wollte. Es kam selten vor, dass sie so reagierte, aber wenn sie es tat, war etwas schlimmes passiert. "Uns kannst du es ja sagen, wir sind die letzten, die das ausnutzen würden, um dir wehzutun." Das, was Wataru da sagte, wusste Shina schon, sie kannte ihn ja immerhin nicht erst seit gestern. "Ich weiß, und ich bin froh, dass uns Ryo nicht auseinander gebracht hat, allerdings beschleicht mich das Gefühl, dass ich ihm zu schnell vertraut habe." Eigentlich müsste sie eine gewisse Sache aus der Vergangenheit gelehrt haben, nicht so schnell zu vertrauen, aber wenn man sich eben Hals über Kopf verliebte...

"Ich war so naiv..." Wataru drückte seine beste Freundin noch etwas fester an sich und sah ihr in die Augen. "War irgendwas mit ihm, oder wieso sagst du das?" Wenn sie ihm das sagte, würde er sicher auch noch wütend auf Ryo sein, das wollte sie eigentlich vermeiden, aber konnte ihr das nicht egal sein? "Riina und Ryo haben sich geküsst", sagte die 16-jährige in einem leicht verletzten Ton, der Akemi nun auch erschreckte. "Hey, das war sicher nur ein Missverständnis, was soll Ryo denn von Watarus Schwester wollen?"

"Das würde ich auch gerne wissen", gab Wataru genervt zurück. Erst vor kurzem hatte er sich damit abgefunden, dass Ryochi an Shinas Seite war, jetzt machte dieser Typ sich an seine Schwester ran? Das konnte doch nicht wahr sein. "Das wird sicher wieder", versuchte Wataru seiner besten Freundin Mut zu machen und strich ihr etwas durch die Haare. "Ich halte ihn eigentlich nicht für so einen Mistkerl. Vielleicht war es wirklich nur ein Missverständnis?" Shina hatte Angst, dass es nicht so war, deswegen schmiegte sie sich auch so schutzsuchend an ihren besten Freund, im Moment wusste sie nicht, wer ihr mehr bedeutete. Wataru oder Ryo...

"Was wenn nicht?" fragte sie ängstlich. "Was wenn er mir etwas vorgemacht hat? Was wenn ich mich mal in jemandem getäuscht habe?" Es verletzte die beiden, wenn sie so labil klang, das war überhaupt nicht komisch. Sollte Ryo es wirklich nicht so ernst meinen, wie sie gedacht hatten, würde Wataru es ihm aber zeigen, der konnte dann was erleben. "Ich glaube es trotzdem nicht, dass du ihm egal bist, denk doch nur mal daran, als er verletzt wurde. Er wäre für dich gestorben, Shina-chan." Akemi wusste mal wieder am besten, wie man ihr Mut machte, vor allem fand sie die richtigen Worte, um das auszudrücken, was sie wollte, nicht so wie Wataru, der ein wenig tapsig war, wenn es um wichtige Dinge ging. "Willst du heute noch was unternehmen, Shina?" fragte Akemi. "Sei mir nicht böse, aber ich wäre gerne mal wieder mit meinem besten Freund alleine. Du musst dir ja ziemlich vernachlässigt vorgekommen sein, nicht wahr, Wataru? Ich hing ja fast nur noch mit Ryo zusammen."

"Ist schon okay, solange du glücklich bist, dann nehme ich das gerne in Kauf."

"Meinst du, deine Freundin käme damit klar, wenn ich mal bei dir übernachte?" Er wurde augenblicklich rot. Jetzt kam sie auf solche Ideen, vor kurzem dachte sie noch, er wollte über sie herfallen und nun das, er war etwas überrumpelt. "Ich weiß nicht, ich hab sie ja nie gefragt und ich denke schon, dass sie eifersüchtig sein würde." Shina seufzte kurz. "Schade, ich hab gedacht, ich könnte heute mal bei dir bleiben."

"Kannst du ja auch, sie muss mir schon etwas vertrauen und ich gehe mal davon aus, dass du mich nicht gleich anspringst, oder?" Wataru musste irgendwie einen Witz machen, er wollte ja, dass Shina wieder lachen konnte, was jedoch nicht zu funktionieren schien. "Meine arme Kleine..." Dass er sich jetzt wie zu einer Schwester hingezogen fühlte, war irgendwie seltsam, aber es war nun mal so. Anscheinend hatte er seinen Liebeskummer durch seine neue Freundin überwunden, auch wenn es nicht lange her war. "Im Moment bin ich mir bei nichts so ganz sicher, auch nicht darin." Das Mädchen seufzte auf und wurde jetzt auch zusätzlich von Akemi umarmt. "Tu, was dein Herz dir befielt."
 

Riina hatte sich niedergeschlagen an den Baum gesetzt und beachtete im Moment nichts und niemanden. Sêiichî allerdings hatte entschlossen sie zu trösten und setzte sich zu ihr. "Die Liebe tut weh, oder?" fragte er, was sie nur seufzend beantwortete. "Für einen wie dich kein Thema, oder? Macho..." Sie hätte fast wieder weinen müssen, wenn man sie daran erinnerte. "Manchmal kann auch ein Macho nett sein, Kleine." Fiel diesem Kerl nichts besseres ein, womit er sie ködern konnte, oder war der schlichtweg ein Idiot? "Komm, ich helfe dir aufstehen und dann gehen wir aus. Dann kommst du auf andere Gedanken. Die Welt sieht doch sicher gleich wieder besser aus." Dass ausgerechnet er so etwas sagte, war grotesk, aber das wusste sie ja nicht, auch er hatte einiges mitmachen müssen, was ihn erstrecht ein Macho sein ließ. "Die Liebe zerstört vieles, das solltest du dir mal merken." Wie kam er nur auf so etwas? Sie wusste nur, dass Liebe die Menschen glücklich machen, aber auch verdammt enttäuschen konnte. Es war etwas vom Zufall abhängig. "Wenn sie erwidert wird, dann sicher nicht, oder was denkst du?"

"Ach was, alles nur Gerede. Nichts ist für immer." So etwas wusste er einfach, alles auf der Welt war vergänglich, weswegen nicht auch so ein Gefühl? "Ich weiß im Moment nur einfach nicht mehr weiter. Shina ist Watarus beste Freundin, ich hänge da ständig mit drin. Ich weiß nicht, wie gut ich das verdauen werde, dass sie mit Ryo zusammen ist. Die beiden werden sich ganz sicher wieder vertragen. Ich glaube nicht, dass man ihre Beziehung so leicht zerstören kann, dafür sahen beide zu glücklich aus. Ich hätte mich nicht reinhängen sollen. Nicht die Liebe zerstört, sondern die Menschen tun es..." Sie musste wieder an ihren Vater denken. Er war schuld daran, dass sie diese Welt nicht mehr als etwas schönes ansehen konnte. "Eine Freundin sagte mal, wenn es Gott gäbe, wäre alles anders... Sie hat Recht. Es müsste jemanden geben, der uns beschützt, aber wir müssen uns selbst beschützen. Das habe ich aus der Vergangenheit gelernt." Er fand es wahnsinnig interessant, was die Kleine da sagte, weswegen er ihr jetzt noch mehr Aufmerksamkeit zukommen ließ. "Wer schwach ist, wird unglücklich. Man muss stark sein, um in dieser Welt zu bestehen. Wenn man niemanden hat und auch nicht stark ist, geht man zugrunde. Ohne meinen Bruder wäre ich wahrscheinlich längst tot, weil mein Vater mich in den Wahnsinn getrieben und ich mich umgebracht hätte." Sie legte den Kopf auf ihre Arme und schaute traurig auf das Gras, das am Schulgelände wuchs, so dass es auch um den Baum herum war. "Wenn ich dich um etwas bitte, hältst du dich dann daran?" Sêiichî blickte sie neugierig an, er wollte unbedingt wissen, um was sie ihn bitten wollte, denn er hatte keine Ahnung, was das sein sollte. "Was denn?" fragte er sanft, ja, er konnte so sein, wenn er wollte. "Sei ehrlich zu Leena, tu ihr nicht weh, sie ist sehr empfindsam, wenn es um Jungs geht, weil sie denkt, keiner mag sie wirklich. Sag ihr, wie es ist und spiele nicht mit ihren Gefühlen. Mach ihr nichts vor."

"Das hatte ich nicht vor, ehrlich, ich verabscheue Leute, die sich über andere lustig machen." Jetzt schaute er auch etwas deprimiert. "Ich kenne viele, die das toll finden. In unserer Klasse sind auch so welche, die auf deinen Bruder losgehen wollten, ich habe ihm einfach helfen müssen. Die sind eh nur in der Gruppe stark, Wataru ist dann natürlich der Schwache, weil er kaum Freunde hat." Da war noch etwas ganz anderes, das dem 17-jährigen auf dem Herzen lag, aber er sprach es nicht aus, er sah nur verdammt ernst aus, als wenn er sich sorgte, was auch Riina bemerkt hatte. Der Grund, weswegen Sêiichî wirklich hier war, war, dass Ryochi sich etwas zu sehr in Gefahr begab, wie er fand, er wollte etwas auf ihn aufpassen, wie ein großer Bruder. Leider hatte er ja keinen kleinen Bruder, auch wenn er sich einen solchen immer gewünscht hatte...

"Hast du auch irgendwie Kummer?" fragte sie, auch wenn er ihn gut versteckte, sie erkannte ihn, was Sêiichî mehr als nur beeindruckte. "Wie kommst du darauf?"

"Du hast so ein Funkeln in den Augen, als wenn du dir Sorgen machst." Sie hatte ihn ertappt, das konnte auch er nicht vor ihr verbergen. "Tja, Chardonnay, das heißt dein Vater hat es auf seine Familie abgesehen. Es steckte auch eine Frau mittendrin, sie könnte zwischen die Fronten geraten, dann könnte hier bald etwas los sein. Diese Frau hat Ryochi mal vor etwas mehr als einem Jahr das Leben gerettet. Sie würde sich wohl einmischen, wenn dein Vater es auf die Familie abgesehen hat. Leider verstehe ich da etwas nicht. Ryo hat mir gesagt, sie hätte versucht seinen Vater umzubringen, das will mir nicht in den Kopf. Ich hätte sie fragen sollen, als ich sie traf, aber ich hab an alles, nur nicht daran gedacht." Ja, er hatte mal wieder nur an das Eine gedacht und alles andere vergessen, wie ärgerlich. "Kann es sein, dass dein Vater sich ausnahmslos ziemlich übel gegenüber Frauen verhält?" Was redete der Kerl da? Sie hatte das Gefühl, er sprach von Sharon, die mit ihrem Vater zusammenarbeiten musste, weil ihr Vater ihr das befohlen hatte. "Ja, er ist leider so. Er scheint Frauen manchmal richtig zu verachten. Er verprügelt sie dann gerne. So hat er es auch mit meiner Mutter getan, wenn ihm was nicht gepasst hat. Sie liebt ihn aber immer noch und hofft, dass er sich eines Tages bei ihr meldet, wie bedauerlich."

"Kennen die beiden sich schon lange?" fragte Sêiichî, er interessierte sich wirklich für diese Familie. Die taten ihm alle ein wenig Leid. "Ja, meine Mutter war noch sehr jung, sie kennt ihn noch aus ihrer Schulzeit. Sie hat aber nie erwähnt, wie sie sich kennen gelernt haben, allerdings war meine Tante mit seinem Bruder verheiratet, daher denke ich, dass sie damit zu tun hatte. Mein Onkel starb aber vor kurzem, ich war nicht auf der Beerdigung. Sein Herz hat versagt, tja..."

Sêiichî schloss die Augen und dachte kurz nach. "Kennst du Chris Vineyard?" Riina überraschte die Frage ziemlich und sie wusste nicht, ob sie antworten sollte und wenn ja, was. "Klar, wer kennt sie nicht? Sie eifert ihrer Mutter nach."

"Ja, ja, das meine ich nicht. Man sagt so, dass sie auch zur Organisation gehört. Meinst du, das stimmt?" Wenn er das wusste, wieso fragte er eigentlich so dämlich? Sie kam sich wie bei einem Verhör vor. "Na ja, besonders sympathisch ist die Gute nun wirklich nicht, aber nein, ich kenne sie nicht persönlich, wenn du das meinst, ich kenne nur Sharon. Ich mag sie sehr gerne, sie hasst meinen Vater. Allerdings sollte sie auf sich aufpassen, denn er kann es nicht leiden, wenn man sich wie sie verhält. Sie hat sich schon öfter mit ihm angelegt. Ich weiß nicht, ob du es weißt, aber sie ist die beste Freundin von Shinas Mutter und die wurde früher von meinen Vater belästigt, da sah Sharon eben rot und hat sich gedacht, sie bringt dem mal Manieren bei." Sêiichî konnte sich kaum halten, die Vorstellung, dass sich eine Frau mit Chardonnay freiwillig anlegte, war einfach zu komisch. "Ja, allerdings, die sollte auf sich aufpassen, der vergewaltigt auch gerne, soweit ich das mitbekommen habe, und dass er mordet, wissen Ryo und ich besonders gut. Es wäre gesünder für sie, mit einer Waffe umgehen zu können." Riina musste einfach lächeln, wie gut, dass Sharon eine Waffe zur Verfügung hatte, so konnte ihr so schnell nichts zustoßen. Aber sie würde Sêiichî ja nicht alles auf die Nase binden, so naiv war sie auch wieder nicht. Seltsam, warum fand er, dass Sharon und Vermouth sich ähnlich waren? Wieso beschlich ihn das Gefühl, dass Sharon Unwahrheiten verbreitete? Da war doch etwas faul... Egal, wie sehr er nachdachte, da stimmte irgendetwas nicht. Die Frau, die Ryochi mal gerettet hatte, war sie wirklich so böse, wie Sharon allen Glauben machen wollte? Wenn die ja so gemein und böse war, wieso rettete sie Kindern und Jugendlichen das Leben? Wie gut, dass er sich schon angefangen hatte um den Fall zu kümmern. Er würde aus der Frau schon noch die Wahrheit rauskriegen, da war er sicher...
 

Akemi war nach Hause zu ihren Adoptiveltern gegangen, während Wataru Shina mit zu sich nahm, weil sie darauf bestand. Was sollte er schon großartig tun? Ihre Eltern waren irgendwo in Amerika Karriere machen, da konnte er sie ja nicht alleine lassen. Nicht in ihrer momentanen Verfassung, das brachte er einfach nicht über sich. Shinas jüngere Geschwister waren bei Agasa ja auch gut aufgehoben, da dieser sich auch gerne mal um Kinder kümmerte. "Ich bin wieder da, Mutter", rief Wataru ins Haus hinein, woraufhin die Frau aus der Küche kam, mit ihrer Schürze um, da sie gerade einen Kuchen gebacken hatte. "Oh, schön, du hast Shina mal wieder mitgebracht, dann könnt ihr ja gleich meinen Mochi-Kuchen versuchen, was sagt ihr?" Shina nickte. "Gerne."

"Weißt du was, Mutter, wir nehmen ihn mit hoch. Wir hatten einen anstrengenden Tag und würden uns gerne ausruhen." Matsue musste lächeln, ihr Sohn sollte mal sein Leben genießen, das tat er ohnehin viel zu wenig, wie sie fand, allerdings wunderte sie sich etwas darüber, dass er auf einmal solche Anstalten machte, aber sie war nicht wie sein Vater und mischte sich in alles ein. "Warte, ich bring ihn euch hoch, geht schon mal."

"Ach was, ich mach das schon", bot sich Wataru an und schnitt sich und Shina ein Stück Kuchen ab, das jeder auf seinem Teller mit nach oben nahm. "Ich frage mich immer noch, wie deine Mutter an deinen Vater geraten konnte."

"Tja, das frage ich mich auch oft, aber ich weiß es nicht." Während sie die Treppe hochgingen, redeten sie und blickten sich dabei an, beide kannten den Weg zu Watarus Zimmer auswendig und brauchten nicht auf die Stufen zu achten. Als sie sein Zimmer erreichten, öffnete Wataru die Tür und schloss sie hinter sich auch wieder. "Mach's dir bequem, meinetwegen auch im Bett."

"Ich denke, ich nehme deinen Bauch", meinte sie frech und trieb ihm wieder etwas Röte ins Gesicht, das war aber bei so ziemlich jedem Mädchen immer so gewesen, er war eben doch recht schüchtern. Wataru legte sich ins Bett und machte sich über seinen Kuchen her. Das Deprimierte war von Shina gewichen wie ein böser Fluch, im Moment war sie einfach glücklich bei ihrem besten Freund zu sein. Sie neckte ihn ein wenig, indem sie ihm sein Stück Kuchen klaute und ihm stattdessen etwas von ihrem gab. Er leckte sogar etwas spielerisch ihren Finger ab, da sie ihn fütterte, also musste er sich auch revanchieren. Nachdem beide ihren Kuchen fast verputzt hatten und nur noch sehr wenig davon übrig war, lagen sie einfach faul im Bett, wobei Shinas Kopf, wie sie vorher noch gesagt hatte, auf seinem Bauch verweilte und sie ihm sanft über diesen strich. Ohne jeglichen Grund, ohne Hintergedanken, einfach so, als nette Geste, um ihm zu sagen, dass sie sich wohl bei ihm fühlte. Es war seltsam für ihn ihre Hand zu spüren, die ihm über den Bauch strich und dabei sogar etwas unter seinen Pullover glitt, aber er wagte es nicht den schönen Moment zu stören. Ihr Kopf rutschte höher und ihre Hand ebenfalls, sie ging über seinen Oberkörper bis in sein Gesicht. Ach, wie konnte sie nur so einen süßen, besten Freund haben? Es machte alles so furchtbar kompliziert, aber sie mochte es, wenn nichts einfach war. Eine kleine Herausforderung schadete ja nicht. Was er wohl tun würde, wenn sie ihn küsste? Wahrscheinlich würde er sie abweisen, weil er ja jetzt vergeben war. Tja, das war jetzt ihr Pech, wie sie fand, daran konnte man nicht viel ändern und seine Beziehung wollte sie auch nicht unbedingt gefährden. Während sich ihre Augen trafen, fragte er sich, was sie wohl gerade über ihn dachte. Hatte er sich zu unbezwungen verhalten? Es kam ihm so vor, als hätte er ihr gezeigt, dass noch ziemlich tiefe Gefühle im Spiel waren, jedoch wusste er manchmal selbst nichts mit seinen Gefühlen anzufangen. Noch immer fand er, dass ihre Augen so tiefgründig wie das blaue Meer waren, er versank einmal mehr in ihnen, ohne sich wehren zu können. War das vielleicht ein Zeichen? "Mhm, Shina, ähm", stotterte er, als sie seinen Lippen näher kam, ihm aber irgendwie das Herz in die Hose rutschte. "Was?"

"Nichts", gab er zurück. Wie überaus bescheuert. Ein Zentimeter lag zwischen ihren Lippen, aber keiner traute sich, wagte es nicht, weiterzugehen. Unwillkürlich griff ihre Hand nach seiner. Diese warme Berührung, es war so anders als sonst...

Er musste es einfach tun, irgendetwas in ihm ließ ihm keine andere Wahl. Wataru beseitigte den minimalen Abstand zu ihren Lippen und küsste sie sanft, was jedoch nicht lange so blieb, da sie an seinen Lippen zu saugen begann und mehr von ihm verlangte. Ihre Hände gingen jetzt richtig unter seinen Pullover und schoben ihn etwas hoch. Er verlor gänzlich die Beherrschung und stieß mit seiner Zunge zwischen ihren Mund. Was machte sie im Moment so unwiderstehlich? Er wusste es nicht. Auch wenn er sich wie ein Idiot benahm, sich gehen ließ, er genoss es, ihren süßen Mund zu kosten. Ihre Zungen begaben sich auf eine leidenschaftliche Erkundungstour, sie drehte ihn zusammen mit sich selbst um, so dass er über ihr war und sie ihm den Pullover ausziehen konnte, allerdings musste sie deswegen kurz von seinen Lippen ablassen, was jedoch nur kurze Zeit dauerte, Gott sei Dank fanden sich ihre Lippen dann erneut zu einem Kuss, wie sie fand. All die Trauer, die vorhin schon verdrängt war, schien vergessen zu sein. Es wirkte sogar, als wüssten beide nicht mehr so recht, was sie taten, daher war der Verstand auch weit ins Abseits gedrängt worden, denn keine fünf Minuten vergingen, bis sie nur noch in Unterwäsche in seinem Bett sich wild küssend wiederfanden und gar nicht wussten, wie es dazu gekommen war...

"Duhu?" fragte er schüchtern. "Wir sollten das wohl besser lassen, oder?" Das fiel ihm echt früh ein, er wusste es ja selbst, aber Wataru war eben nicht der Typ Mensch für einen kleinen Seitensprung, auch wenn es quasi schon so weit gekommen war. "Im Gegensatz zu euch, sind wir ein Herz und eine Seele."

"Wenn das so ist, wieso lässt du dich drauf ein?" Der 17-jährige kannte die Antwort nicht, vielleicht war alles etwas abgekühlt und gewöhnlich geworden, sie mussten sich wieder finden. "Keine Ahnung..." Das war nicht die Antwort, die das Mädchen wirklich haben wollte. "Wie, du weißt nicht, wieso du das Bedürfnis verspürst, das zu tun? Wie soll ich das verstehen?"

"Ich weiß nicht, du verwirrst mich." Wataru seufzte in sich hinein. Was tat er da überhaupt? Eigentlich wollte er ja gar nicht, aber es war schön gewesen. Nur wieso, verdammt noch mal, löste sie so etwas in ihm aus? Ein Kuss und alles andere war vergessen und zählte nicht mehr? Er verstand sich selbst am allerwenigsten.
 

"Danke, Riina", bedankte sich Sêiichî, wobei er jetzt nicht das Übliche tat und etwas auf Abstand ging, was normalerweise nicht seine Art war, da er Mädchen zum Abschied gerne küsste, was er diesmal aber lieber sein ließ, um Riina eines besseren zu belehren und weil er bemerkt hatte, dass die Masche bei ihr nicht zog. Sie standen vor ihrem Zuhause und sie lächelte ihn sogar an, das war für ihn schon mehr als nur ein Erfolg, da sie ihn vorher immer nur angegeifert hatte. Doch seit ihrem Gespräch vorhin war alles anders. "Mach's gut, Sêiichî und bring dich nicht zu sehr in Gefahr", meinte sie und reichte ihm die Hand. "Ich denke, wir können gute Freunde werden." Er musste sich wirklich beherrschen, um vor Freude nicht zu schreien, dass ein so tolles Mädchen etwas mit ihm zu tun haben wollte und wenn er es sich wirklich überlegte, sie interessierte ihn mehr, als die meisten Mädchen, die er bisher kennen gelernt hatte, weil es schlichtweg zu einfach gewesen war. Man machte es ihm mal schwer, das gefiel dem Macho natürlich, wenn er mal kämpfen musste. Wahrscheinlich würde ein kleiner Kuss schon alles zerstören, was er die letzten dreißig Minuten erreicht hatte, also beließ er es beim Händereichen. "Pass gut auf dich auf, Riina", rief er ihr noch nach und sie wurde etwas rot. Es war das erste Mal, dass ein fast fremder Junge solches Interesse an ihr zeigte, was sie voll und ganz genoss, das hieß aber nicht, dass sie jetzt schwach werden würde. Mit der etwas erröteten Nase verschwand sie ins Haus und blieb einen Moment hinter der Tür stehen. Durch den Türspion konnte sie sehen, wie er die Hände in den Hosentaschen vergrub und mit einem Grinsen davonging. Irgendetwas war vorhin passiert, vielleicht weil er sie getröstet hatte und hinter ihrem Vater her war, es imponierte ihr, welchen Mut er in seinem Alter besaß und dass er keinerlei Angst zu haben schien. Außerdem schadete auch ihr bei ihrem Liebeskummer nicht, wenn sie mal mit anderen Jungs Kontakt hatte, wobei sie ihn nun von einer etwas anderen Seite betrachtete. Sein Verhalten vorhin passte gar nicht in das übliche Schema eines Machos, sie hatte ihre Meinung ein klein wenig geändert, nein, sogar sehr, jetzt war er nett, kein Kotzbrocken mehr.

Sêiichî überlegte, was er heute noch machen sollte, es war ja bereits sechs Uhr am Abend. In sein Apartment wollte er keinesfalls alleine zurück, entweder würde er sich langweilen, oder in Depressionen verfallen, das wollte er eigentlich vermeiden. Also würde er sich wieder eine Gefährtin für die Nacht suchen. Außer zu Ryochi hatte er ja kaum Kontakt zu Menschen in dieser Stadt, Riina war ihm jetzt erst einmal verboten, er wollte sich das Verhältnis zwischen ihnen ja nicht gleich wieder kaputtmachen und um sich nicht einsam zu fühlen, würde er, wenn er niemand passenden fand, wohl in die Verbrechergegend gehen, um etwas zu finden, was ihn trösten konnte. Mit viel Glück würde er die Frau von gestern Nacht treffen, was ihm sehr gefallen würde. Sie war so völlig anders gewesen, als er gedacht hatte, vielleicht war sie auch so wie er? Einsam und verlassen. Sein Bruder war in seiner Heimatstadt geblieben, was er auch gut fand, er wollte ihn nicht bei sich haben, mit dem wollte er nicht mehr zu tun haben, als nötig, womöglich war er auch deswegen etwas geflüchtet, er wollte lieber bei Ryochi sein, der war mehr ein Bruder für ihn, als Takeshi. Dieser Mann hatte ihn sowieso noch nie sonderlich gemocht und sah in Sêiichî nur einen Klotz an seinem Bein. Der war eben nicht so ganz normal...

Aber wer war das schon in Sêiichîs Familie? Keiner so wirklich, wenn er sich das recht überlegte, da konnte er ja nur seltsam sein.
 

Ein Killerpärchen namens Jacquet und Jacquez saß in der Bar und genehmigte sich nach einem gelungenen Auftrag einen teuren Champagner. "Hast du sein schockiertes Gesicht gesehen? Als du ihn erstochen hast, hat er sogar noch gezuckt. Ich liebe das schockierte Gesicht unserer Opfer, wenn sie erkennen, wie ihnen geschieht." Sie küsste ihren Partner kurz auf die Lippen, da er an seinem Champagnerglas genippt hatte und sie den Geschmack des teuren Getränkes kosten wollte. "Mhm, fantastisch."

"Entschuldige mich kurz, ich bin gleich zurück, Liebste", meinte der schwarzhaarige, edel gekleidete Mann und verschwand Richtung Toiletten. Die Frau blieb alleine zurück und genoss ihren Champagner, in dem Moment setzte sich Sêiichî neben sie, den sie sofort bemerkt hatte, da sie gutaussehende Männer nie lange ignorieren konnte. "Suchen sie etwas bestimmtes?" fragte Jacquez und lachte kurz finster auf, bevor sie sich durch die dunkelbraunen, leicht gewellten Haare fuhr und ihr Gesicht davon befreite, um dem Mann ihre gesamte Schönheit zu offenbaren. "Vielleicht ein kleines Abenteuer?" Konnte diese Schönheit denn hellsehen? "Das kann man so nennen", gab er zur Antwort.

"Ich weiß dir zu helfen", meinte sie, legte ihre Hand an seinen Nacken und zog ihn zu sich. Es war nur ein kleines Spielchen, so wie sie es mochte, Sêiichî war dabei das Opfer. Jacquet würde rasen vor Eifersucht, das würde sicher lustig werden. Der junge Mann war total geblendet und ließ sich auf das heiße Spiel ihrer Zunge ein. Er kostete wild ihren Mund aus und genoss den Champagnergeschmack, den sie bei ihm hinterließ. Jacquet kam von seinem Toilettengang zurück und sah seine Schönheit mit einem fremden Mann knutschen. Na der konnte was erleben. Grob erfasste er die Schulter des Kerls, zog ihn zurück zu sich und ließ seine Faust direkt in sein Gesicht sausen, so dass er mit einem dumpfen Geräusch zu Boden ging. "Finger weg von meiner Frau, du Grünschnabel!" brüllte er und trat ihm in die Rippen. Sêiichîs Lippe war leicht aufgeplatzt, weswegen er den leichten Blutgeschmack spürte, als er mit der Zunge darüber fuhr. So etwas ließ er sich nicht gefallen. Zeitgleich entfuhr der Frau ein gemeines Lachen, gerade als Sêiichî sich erhob und ihr Mann sich über ihn hermachte und ihn mitten in einen Tisch warf, man hörte das Scheppern des Geschirrs, das noch auf dem Tisch stand und wie er in sich zusammenfiel. Man vernahm die Schritte, die näher kamen, auch wenn Sêiichî den Kerl gerade nicht sah, hörte er, dass dieser auf dem Weg zu ihm war. Anscheinend war der dem ein Dorn im Auge, aber solche Art Action brauchte er im Moment. Sein Blick schwang nach oben in die bösen grünen Augen des Mannes, der ihn mit einer Waffe bedrohte. Es gab kein Entrinnen, sollte er sich erheben, würde er ihn wohl schwer verletzen, aber kampflos aufgeben wollte er auch nicht, schließlich liebte er den Adrenalinschub, welchen er erfuhr, wenn er in einer solchen Gefahr schwebte. "Denkst du, es ist so einfach, mich umzulegen?" lachte er und trat dem Killer die Beine weg, so dass dieser beinahe hinfiel. Er nutzte die Gunst der Stunde, um sich zu erheben und mit dem Kopf in seinen Magen zu stoßen, woraufhin beide gegen die Theke knallten. Gleich darauf prügelte Sêiichî auf den Mann ein, er war hier der Stärkste, er gab nie auf.

Aber weit gefehlt, denn mit einem kräftigen Fausthieb in der Nähe seiner Niere ging er wieder rückwärts zu Boden. Der erste Schuss fiel, gezielt traf er den jungen Mann in den rechten Arm und legte diesen quasi lahm. "So, jetzt wirst du erfahren, was mit denen geschieht, die meine Braut anrühren! Leider wird dir das wenig bringen..." Die Waffe zeigte auf den Verletzten. Ein paar Sekunden lang schossen Sêiichî merkwürdige Gedanken durch den Kopf. Würde er hier und jetzt sterben? Das Blut in seinen Adern pulsierte regelrecht, ein Gefühl, das er lieben gelernt hatte...

Allerdings war die Angst schneller verschwunden, als der Mörder schauen konnte, was ihn verwunderte, da Sêiichî ihn fies angrinste. Keines seiner Opfer hatte es je gewagt ihn so anzusehen, weswegen er ihm noch einmal kräftig in die Rippen trat, um ihn zu quälen. Dann setzte er die Waffe bei Sêiichîs Stirn an. "Das war's, sag Adieu, niemand lacht über mich!"

Ein Schuss ertönte, laut widerhallend, der Barinhaber kniff die Augen zusammen, ebenso die Kellnerin und die Gäste, einige flüchteten sogar aus dem Lokal.

Aus einer Waffe stieg Rauch empor. "Du solltest verschwinden", sagte eine dunkle und furchteinflößende Stimme, dann hörte man einen Schmerzensschrei, doch niemand wusste in dem Moment so wirklich, wieso der Mann so schrie. "Der nächste tut noch mehr weh, glaub mir", lachte die Person auf, die soeben geschossen hatte. Sêiichî blickte auf und musste einfach gemein auflachen, wenn er sich den bis eben noch so angeberischen Mann ansah, welchem Angstschweiß ausbrach. Dieser drehte sich um und richtete seine Waffe auf den langhaarigen Mann, dessen Haarfarbe Schwarz war. "Fehler, Baka", stieß er hervor und drückte ab, es dauerte nicht lange, da ging der Mann auch schon stöhnend zu Boden und blieb liegen. Jacquez sah ihrem Partner beim Fallen zu, dann dämmerte ihr, wer dieser Kerl war, der so eben ihren Mann gekillt hatte, was sie den Gedanken an eine Flucht hegen ließ. Als sie sich erhob und zur Tür lief, löste sich ein dritter Schuss, der die Frau zu Boden riss. "Ende der Fahnenstange, ihr beiden", meinte er selbstsicher und ging langsam aber sicher auf die Killerin zu, welcher er Handschellen anlegte. "Mein Boss wird sich freuen", sagte er, "wenn ich dich bei ihm abliefere." Sêiichî wusste zwar nicht, wer der mysteriöse Mann war, aber er hatte ihm gerade das Leben gerettet...

"Du kleiner Idiot!" meinte der FBI-Agent und seufzte kurz. "willst du irgendwie ganz schnell den Tod finden, oder wieso legst du dich mit den beiden an? Erst rettest du eine bescheuerte Frau, wie dieses Miststück, das jeden tötet, der ihr im Weg ist, dann machst du so was! Du solltest mal lernen, dich zurückzuhalten." Wie zum Teufel redete der mit ihm, wie konnte er es nur wagen? Er war doch kein kleines Kind. Aber irgendetwas stimmte da nicht. Woher kannte er ihn? Konnte es sein, dass sie sich schon einmal über den Weg gelaufen waren? Es dämmerte ihm, als er in seine Augen sah. Dieses Schlangengrün vergaß man nicht. Selbst, wenn er ihm sein Leben verdankte, er würde sich nicht mit dem anfreunden, das wäre ja noch schöner. "Kümmere dich um die Frau, sonst haut die dir noch ab", sagte Sêiichî frech, erhob sich und ließ den FBI-Agenten stehen.

So leicht würde ihm der Junge nicht davonkommen. "Ich warne dich, halte dich von diesen Leuten, insbesondere Vermouth fern... Sie gehören alle zusammen." Das hatte Sêiichî zwar nicht gewusst, dass er sich gerade mit zwei Leuten aus der Organisation angelegt hatte, aber seinetwegen, das hatte er ohnehin vor zu tun. "Das geht dich einen Scheiß an. Ich halte mich nicht von dieser Frau fern, sie ist interessant." Eingebildet wirkend wandte er sich von ihm ab und verließ die Bar.

So etwas naives hatte dieses Miststück ja schon lange nicht mehr gehabt, Shuichi würde seinen Kopf dafür verwetten, wenn sie sich das nicht zunutzen machen würde, sie stand ja auf kleine Affären, wieso also sollte sie sich nicht auch mit dem einlassen? Es würde ihn nicht wundern, mehr als ihn vor der Schlange warnen, konnte er allerdings nicht.
 

Ryochi dachte sich, dass Shina sicher zu Hause war, allerdings klingelte er vergeblich, denn niemand wollte ihm öffnen, demnach war die Sache schlimmer, als er gedacht hatte. Wahrscheinlich wollte sie ihn überhaupt nicht sehen, oder sie würde sich morgen von ihm trennen. Der Junge malte sich schon die schlimmsten Dinge aus, Sachen, die sein Herz sicher nicht verkraften würde, auf die Idee, dass sie bei einem anderen sein könnte, kam er allerdings nicht im geringsten.

5. September - Rückkehr und Verschwinden?

Ich bin at this time a little bit süchtig nach dieser FF, weiß der Geier weswegen ^.^'''''''' Ich hatte einfach große Lust bei dieser hier viel zu schreiben, sry... XDDDD Ich glaube auch, es wird so weitergehen, bin eben süchtig ._.' Hab einfach viele Ideen und die muss ich loswerden %DDDDDD (Des weiteren wird die eh kaum gelesen, daher izzes bissel egal, wie schnell ich bin >'P)

Das hier iz nich der einzige Teil an diesem Tag, es kommt noch a little suprise *Leute mit Englisch bewerf* XDDDDDDDDD

So, das war's aba schon wieder ^-^ Ihr hört schon noch von mir, hoffe ich *fg*

*verpuff und platz*

Baibaileinchen XD


 


 


 

Nach einem langen Gespräch, hatte sich ihre 44-jährige Freundin plötzlich entschlossen wieder nach Japan zurückzukehren. "Was hat dich dazu bewogen, Sharon?" fragte sie zum wiederholten Mal, aber irgendwie wollte die Frau nicht reden, sie schwieg und packte dabei ihre Koffer. Die 37-jährige brauchte gar nicht erst erfahren, was sie plante, das war besser so, sonst würde sie sich nur Sorgen machen. "Sag mal, was ist heute los mit dir? Bist du sauer auf mich, oder so?"

"Nein", kam schlicht über ihre Lippen, während sie versuchte ihren Koffer zuzubekommen, in dem sie sich auf ihn setzte. "Zuviel, verdammt", meckerte sie leicht und sprang auf dem Koffer rum, was Yukiko zum Lachen brachte. "Lass mich dir helfen." Sie half ihrer Freundin dabei den Koffer zuzukriegen, danach setzten sie sich nachdenklich auf's Bett. "Das Taxi wird gleich kommen", sagte Sharon und griff sich an die Stirn. "Mach dich nicht verrückt, ich muss mich um was kümmern, halb so wild, glaub mir..."

Die Hellbraunhaarige seufzte kurz. "Wenn du so etwas sagst, versuchst du mich zu beruhigen, also, was ist los? Wieso musst du plötzlich nach Japan? Was treibst du da bitte?" Gute Frage, nächste bitte. Was sollte sie dazu schon wieder sagen? Man kannte sie zu gut, das war überhaupt nicht vorgesehen. "Ach, so ein Produzent macht Ärger, darum muss ich mich kümmern." Innerlich wusste sie, dass dies eine Lüge war, aber es war besser so. Wenn ihre Freundin die Wahrheit wüsste, würde sie entweder mitkommen wollen, oder schlimmstenfalls versuchen ihr zu helfen. Doch die Sache war gefährlich, was hieß, dass sie besser nicht davon erfuhr. "Hey, dann komm ich mit und zeig es denen." Yukiko baute sich vor der Älteren auf und krempelte die Ärmel hoch, nur um wenig später die Hände zu Fäusten zu ballen. "Die können was erleben", meinte sie mit bösem Gesichtsausdruck und unberechenbarem Grinsen. Sharon zuckte nervös mit der Augenbraue, das hatte ihr gerade noch gefehlt, der alberne Kampfgeist ihrer Freundin. "So schlimm ist es schon nicht." Sie hob beschwichtigend die Hände und versuchte die Frau von ihrer Idee wieder abzubringen. "Ich gehe trotzdem mit", beschloss Yukiko und warf ihren Koffer aufs Bett. "Momentchen, ja?" Die ältere Schauspielerin schnappte sich Yukikos Arm. "Ich kann dich da nicht brauchen..." So schwer es ihr auch fiel, es musste sein. "Du würdest mich nur aufhalten", seufzte sie anschließend und umarmte ihre Freundin. "Sei mir nicht böse deswegen..."

"Was verheimlichst du mir?" Ein Zucken ging von Sharons Körper aus, solche Fragen wollte sie überhaupt nicht hören, es fiel ihr schwer genug, ihre Freundin zu belügen und dann das. "Nichts... Was sollte ich dir schon verschweigen?"

"Hast du Probleme? Wenn ja, dann sag's mir." Sie lösten sich voneinander und die Blondine schaute die Hellbraunhaarige ernst an. "Rede doch nicht solchen Unsinn! Probleme, so ein Quatsch. Und wenn es welche geben würde, Probleme sind nur dafür da, um beseitigt zu werden, also keine Panik. Es geht wirklich nur um eine Klage, mehr nicht." Die Frau wollte sich gar nicht erst ausmalen, was sie tun würde, wenn sie ihr das nicht glaubte, dann würde sie wohl verzweifeln. Ihr Herz schlug ohnehin schon wie wild und sie hatte das Gefühl, es würde daran zerbrechen. "Na gut", sagte Yukiko bedrückt. "Ich glaube dir." Das sollte nicht heißen, dass sie nicht dahinterkommen würde, was man ihr verschwieg, allerdings konnte sie diesen Wunsch sehr gut tarnen, so dass ihre Freundin ganz sicher nicht auf die Idee kam, was sie dann tun würde.
 

Ryochi rannte Shina nach, die ihn allerdings ignorierte und ihn nicht mal anschaute, während Sêiichî seinem Freund nachlief und ihn am Arm packte. "Was willst du noch? Du hast genug angerichtet! Geh zu deinen Weibern und lass mich zufrieden! Du wirst meine Gefühle sowieso nie verstehen", maulte er ihn an und riss sich los. Noch nie hatte etwas so wehgetan, wie das, zumindest kam es dem 17-jährigen so vor, der deprimiert hinter Ryo herschaute und den Blick senkte. "Das hat dein dummer Freund doch nicht gewollt", flüsterte er leise vor sich hin. Ryochi versuchte Shina irgendwie dazu zu bringen, stehen zu bleiben, aber sie ging immer weiter, also stellte er sich vor sie und packte ihre Schulter. "Loslassen, aber sofort", murrte sie ihn an, wobei ein gefährlicher Ausdruck in ihren Augen aufkam. "Lass uns doch darüber reden", meinte er, aber sie drehte den Kopf weg und schlug eine andere Richtung ein. "Zwischen uns gibt es nichts zu bereden, geh doch zu Riina", zickte sie den Jungen an, als Wataru auf sie zukam. "Hey, Shina..." Ryochis Augen verrieten Eifersucht, als er das Mädchen an der Hand nahm, was volle Absicht war, um Ryo etwas auf die Palme zubringen, immerhin war er hier schuld an allem, er konnte ruhig ein wenig leiden. Nun kam auch Yûmikô aus dem Klassenzimmer, Wataru verhielt sich merkwürdig, wie Ryochi fand, er bemerkte sofort, dass Wataru sich bemühte seiner Freundin nicht direkt in die Augen zu schauen. Das war Grund genug, für ihn anzunehmen, dass etwas zwischen Shina und Wataru lief, jedoch mischte er sich nicht in die Situation ein. Er beließ es lieber dabei, die drei zu beobachten, immerhin war er Detektiv, was man in diesem Moment an seinen Röntgenaugen bemerken konnte, welche die Personen geradezu verfolgten. Die Personen machten sich auf den Heimweg, Ryo blieb aber noch eine Weile an Ort und Stelle stehen, bis er auch anfing zu gehen, sein Blick allerdings ziemlich zu Boden ging, weil er kurz nachdenken musste. Während er seinen Gedanken nachhing, achtete er nicht auf die Straße, weswegen ihm der graue Lastwagen nicht auffiel, welcher neben ihm herfuhr...

Riina folgte Ryochi nicht, auch wenn man es denken könnte, dass es so war, immerhin lief sie direkt hinter ihm, als plötzlich die Tür des Lastwagens aufschwang und man den Jungen packte, um ihn in den Laster zu zerren. Riina rannte sofort zu ihm hin und klammerte sich an seine Jacke. "Loslassen! Hilfe! Jemand muss uns helfen!" Aufgrund der Worte des Mädchens drehte sich Shina um, da sie wissen wollte, was da los war. Ihre Augen weiteten sich augenblicklich, als man Riina von hinten ins Genick schlug, so dass sie ohnmächtig zu Boden ging. Zwei Männer zerrten an Ryochi, der von einem betäubt wurde, so dass ihm die Augen schwer wurden. Das letzte, was er sah, war Shina, die auf ihn zukam, dann wurde alles schwarz. Man verfrachtete den Jungen hinten im Laster und fuhr mit quietschenden Reifen los, so dass Shina zu spät kam und nur noch das Kennzeichen sehen konnte, welches das Fahrzeug trug. Sie merkte es sich und gab es schließlich auf, denn selbst wenn sie sich die Seele aus dem Hals rannte, würde sie den Wagen niemals einholen. "Na wartet, euch kriegen wir..." Wataru war so geschockt, dass er erst einmal nicht wusste, was er tun sollte, dann rannte er jedoch zu Shina hin, die einen Stift und einen Block rausholte, um sich das Kennzeichen zu notieren. "Los, komm, Wataru, die kriegen wir... Beeil dich..."

"Eh, jaaaa!" sagte er und rannte zusammen mit ihr dem Präsidium entgegen, das ganz in der Nähe zu finden war. Sêiichî glaubte es einfach nicht, man hatte seinen Freund vor ihren Augen einfach gekidnapped, das ging ihm nicht ins Hirn hinein. Das konnten diese Schweine doch nicht einfach machen. Niemand entführte einen seiner Freunde vor seinen Augen, die konnten was erleben. Statt sich um Riina zu kümmern, welche zu Boden gegangen war, rannte er in die entgegengesetzte Richtung, welche Shina, Wataru und Yûmikô eingeschlagen hatten, niemand wusste, was der 17-jährige jetzt vorhatte.
 

"Herr Inspektor." Shina, die sich im Präsidium auskannte, als wäre sie dort zu Hause, stürmte einfach in das Büro des Mannes hinein und stützte sich schweratmend am Tisch ab. "Ryochi Akaja wurde, als wir von der Schule kamen, auf offener Straße von einem grauen Lastwagen entführt. Das hier ist das Kennzeichen, unternehmen sie was. Das ist kaum fünf Minuten her." Der Mann verlor keine Zeit und rief den Polizeipräsidenten persönlich auf seinem Diensthandy an, um ihm Bescheid zu geben und weiterhandeln zu können.
 

Es vergingen kaum 20 Minuten, da kamen ein paar Beamten ins Büro und berichteten mit Bedauern, dass man das Fahrzeug und deren Insassen gefunden hatte, jedoch fehlte von Ryochi jegliche Spur. Shina saß wie ein Trauerkloß da, sie machte sich Gedanken darum, wie schnell so etwas geschehen konnte und wieso. Und sie wollte wissen, wie diese Leute es wagen konnten, so etwas mitten auf der Straße zu tun. Irgendetwas stimmte an der Sache nicht, sie hatte das Gefühl, es hatte alles mit Watarus Vater und dessen Leuten zu tun, schließlich hatte ihr Freund noch vor kurzem über diesen geredet. Was sie von ihm erfahren hatte, ließ sie diese Gedanken hegen...

Wataru beobachtete seine Freundin, die versunken zu sein schien. "Worüber denkst du nach?" fragte er leicht besorgt, woraufhin sie aus ihren Gedanken zurückkehrte, als sei sie Meilen weit weg gewesen. "Was ist? Ach so." Die Detektivin wusste nicht, ob sie ihm Auskunft geben sollte. "Ich denke eben nach, ist das verboten?" Ein verletzter Ton schwang in ihrer Stimme mit, weswegen Wataru gleich darauf schwieg und zu Boden schaute, als hätte er etwas falsch gemacht. "Du, Wataru", meinte Yûmikô, die ihm näher kam, um ihm etwas zuzuflüstern. "Findest du es auch seltsam, was geschehen ist? Hast du zugehört, was die Polizisten gesagt haben?"

"Ja, hab ich. Die beiden Kerle wurden erschossen und Ryochi ist verschwunden. Irgendwie stinkt die Sache..." Das Mädchen nickte, während Shina wieder versank, denn das Mädchen hatte sehr wohl gehört, was Yûmikô ihrem besten Freund zugeflüstert hatte. Ihr wurde wieder klar, wie sehr ihr Herz nun an Ryochi hing, sie machte sich Sorgen und wusste nicht, wie sie sich weiter verhalten sollte. Was wenn er auch tot war? Sie hatte noch so viel vor ihm zu sagen, da konnte er nicht einfach sterben, er konnte sie doch nicht alleine lassen, nachdem sie sich gestritten hatten, immerhin würde dieser Streit dann für immer dauern das würde sie einfach nicht verkraften.

Wataru schaute zur Seite und bemerkte, dass Shina sich erhoben hatte, sie war nämlich nicht mehr da, weswegen er aufsprang und nach draußen rannte.
 

Währenddessen stand ein braunhaariger Junge ganz in der Nähe seiner Auserwählten. Sie sah wie immer wundervoll aus, zu dumm, dass ihr der Freund nun abhanden gekommen war. Dass sie sich mit Ryochi gestritten hatte, war ihm entgangen, da er an dem Tag nicht in der Schule gewesen war und er nicht gesehen hatte, wie Shina ihn mied, das hätte ihn jedoch mit Sicherheit mehr als nur gefreut.
 

"Nicht schlecht", meinte Chardonnay, "der ist ja noch richtig zu gebrauchen." Zusammen mit einem Freund beobachtete er den jungen Mann am Straßenrand, der nur Augen für das hübsche Mädchen hatte, mit einem Fernglas. "Er würde alles tun, um die Kleine zu kriegen. Was sollen wir mit ihm machen, Boss?" fragte Flavis und gab ein gemeines Lachen von sich. "Lass ihn leben, wie gesagt, man kann ihn vielleicht noch gut gebrauchen." Chardonnay benutzte Menschen oft wie Schachfiguren, doch bei seinem Partner Flavis war das nicht so einfach, da er noch in der Lage war zu denken, weswegen er aufpassen musste, dass er ihn nicht mal von hinten erstach, wenn ihm etwas nicht in den Kram passte. "Na gut, Boss, aber nur solange er auch was nutzt." Der Mann wusste nur zu gut, dass Flavis selbst gerne der Boss wäre, deswegen würde er auch nicht davor zurückschrecken Chardonnay zu ermorden, um seine Position zu bekommen, die nicht gerade zu verachten war. Er befand sich zwar noch unter Chantré, selbst wenn er sich von seinen Leuten Boss nennen ließ, doch man konnte ihn durchaus als seinen Stellvertreter bezeichnen. Er hatte genauso viel zu melden, wie seine Tochter Vermouth, doch die war zur Zeit nicht da...
 

Ryos Verschwinden ging der 16-jährigen Schülerdetektivin nicht mehr aus dem Kopf, daher machte sie sich sehr viel Gedanken darum, wohin er hätte verschwinden können. Sie wusste ja nicht, dass sie die ganze Zeit schon von Chardonnay von einem Dach aus beschattet wurde. Der Mann freute sich schon auf den Abend, wenn es dunkel sein würde und dieser dumme Junge ihm nicht mehr dazwischenfunken konnte, wenn er sich seines Opfers annahm. Beim letzten Mal war sie ihm nur durch die Lappen gegangen, weil der Detektiv sie beschützt hatte, aber dieses Mal würde er das nicht können. Chardonnay sah sich selbst schon als Gewinner, er ahnte ja nicht, dass es bereits eine weitere Person gab, die nur hierher gekommen war, um Shina vor dem Mann zu bewahren. Wenn er das erkannte, würde es zu spät sein...
 

Shina konnte nichts unternehmen, was sie völlig fertig machte, denn wenn die Polizei Ryochi nicht finden konnte, dann würde sie das erstrecht nicht können. Nie im Leben würde sie daran denken, dass Ryo Keichiro im Weg gewesen sein könnte und nur deswegen weg musste, damit dieser an sie herankam. Sie wollte alleine sein, weswegen sie die anderen nicht finden konnten, denn wenn sie nicht gefunden werden wollte, dann schaffte sie das auch. Ihr Weg führte sie durch die Stadt, bis zum Meer, das so unendlich wirkte. Sie wusste nicht wieso, aber sie wollte dort sein und sich die blaue Wasseroberfläche betrachten. Es war wirklich schön dort, was die 16-jährige Schülerin immer wieder erkannte. Urplötzlich kam ihr eine Lagerhalle ganz in der Nähe des Hafens in den Sinn und sie rannte los, allerdings blieb sie stehen, als sie etwas am Boden liegen sah. "Nanu, was ist das?" Sie bemerkte relativ schnell, dass es sich um einen Fetzen von Ryochis Jacke handelte, was sie dazu ermutigte, die Gegend abzusuchen. Sie kam auch an einigen Bäumen vorbei, wo ein paar Leute bereits hungrig lungerten, weil sie planten auch Shina zu entführen...

Die Detektivin ahnte nichts von diesen Leuten, weswegen sie dieser eine Schuss, welcher fiel, zutiefst beunruhigte. Wer war da und weswegen? Das war die Frage, welche sie sich stellte. Ganz ruhig bleiben, wies sie sich an, weil sie ja nicht im Besitz von irgendwelchen Waffen war, um sich gegen so jemanden zu verteidigen. "Vermouth?" spie einer der Männer aus, gleich danach stöhnte er auf, was die Detektivin darauf schließen ließ, dass man ihn soeben ermordet hatte. ,Vermouth? Chris Vineyard? Ich dachte, die ist nach Amerika abgereist...' dachte sich Yukikos Tochter, als es plötzlich nicht mehr rückwärts ging und sie gegen einen Baum glitt. Wie viele Leute waren da und was taten die dort? Sie wollte diese Fragen so schnell wie möglich geklärt haben.

"Vermouth? Wo denn?" Wieder eines dieser verräterischen Geräusche, die nach einem Schmerzenskeuchen klangen. "Na hier, Blindfisch." Der Mann röchelte, anscheinend wurde ihm die Luft abgedrückt, was Shina einzig und alleine aus den Geräuschen schloss, welche sie hörte. "Wo ist er? Raus mit der Sprache", hörte sie eine Frauenstimme sagen, ihr war sofort klar, dass diese zu Vermouth gehörte, was sie aber nicht im geringsten beeindruckte. Was trieb diese Frau da überhaupt die ganze Zeit hinter den Bäumen? "Ich sag's ja, ich sag's ja." Die Stimme des Mannes klang verängstigt und regelrecht um Hilfe bettelnd, doch niemand konnte ihm helfen, denn nun war er alleine, nachdem sie die anderen beiden Typen ermordet hatte. "Er wartet am Hafen auf uns und auf das Mädchen." Shinas Augen wurden vom Schock in Beschlag genommen. Welches Mädchen? War damit sie selbst gemeint? Aber wieso? Und wer waren die? Hatte Vermouth etwa gerade nach Keichiro Takagi gefragt? Spontan kam ihr niemand sonst in den Sinn, der Interesse an ihr haben könnte. "Zu dumm", meinte Vermouth mit eiskalter Stimme. "Ich hasse erbärmliche Armleuchter wie euch..." Ihrem Opfer brach der Schweiß aus, innerlich verabschiedete er sich schon einmal von dieser Welt, denn er wusste genau, was geschehen würde, wenn eine Person wie Vermouth solche Worte von sich gab. Man hörte ein Knacken, daraufhin ein dumpfes Geräusch wie jenes, das entstand, wenn ein Körper zu Boden fiel. Man konnte Schritte hören, allerdings waren es mehrere, weswegen Shina zur Seite blickte und das wütende Gesicht von Keichiro entdeckte, daraufhin hörte man ein Rascheln und Vermouth lehnte sich entspannt gegen den Baum. "That was very funny", sagte sie mit einem Lachen und tat, als wäre Keichiro gar nicht erst aufgetaucht, was Shina etwas verwunderte. "Was zum Teufel machst du hier?" fragte Chardonnay, weswegen sie noch einmal lachte, weil sie es einfach lustig fand, dass er so im Dunklen tappte. Wie dämlich war der werte Herr überhaupt? "Nach was sieht es aus, Schätzchen? Ich habe den Abfall beseitigt", meinte sie verachtend und schaute einmal kurz mit einem gefährlichen Glitzern in den Augen zu den drei Leichen. "Wie schwach, die sterben ja einfach", während sie das sagte, fuhr sie sich arrogant durch die Haare und legte ihre Hand gegen den Baum, um sich an ihm abzustützen. "Bitte was? Das waren einige meiner besten Leute, du Miststück." Süß, er kochte, wenn er wütend war, dachte er zu wenig nach, was ihr einen Vorteil gab, also wollte sie ihn noch ein wenig sticheln. "Ja, Abfall, dein Abfall." Irgendwie hatte Shina das Gefühl, dass die Frau den Kerl gerade sehr veralberte, dieser es jedoch nicht einmal so wirklich mitbekam, was sie auch gewundert hätte. "Als was soll ich das hier sonst bezeichnen? Alles, was für dich arbeitet, ist Abfall für mich. Und du bist das Oberhaupt des Abfalls." Sie zuckte teilnahmslos mit den Schultern. "Was denkst du, wird der Boss dazu sagen? Er kann es nicht ab, wenn seine Leute die Organisation für ihre eigenen Interessen benutzen, das weißt du, also sag mir, was sollte das?" Wollte die ihm jetzt wirklich mit ihrem Vater drohen. "Versteck dich nicht hinter deinem Vater!" fauchte er sie an, schnellte auf sie zu und versuchte ihr ins Gesicht zu schlagen, allerdings traf er nur den Baum, was wehtun musste. Die Frau war hinter ihm aufgetaucht und drückte ihm eine Waffe gegen den Rücken. "Ich warne dich, Darling! Mach mich lieber nicht wütend." Sie drückte ihm die Waffe regelrecht in den Rücken und lachte dabei kurz gehässig auf. "Du weißt sehr gut, dass du es nicht mit mir aufnehmen kannst, das war schon immer so, also sei lieber nett zu mir... sonst kann es schnell passieren, dass mein Vater die Wahrheit über dich erfährt und dich aus Hass beseitigen lässt." Chardonnay musste gemein auflachen. "Wenn er dir traut, ist er dümmer als ich bisher gedacht habe", machte er sich lustig. "Was willst du ihm denn sagen, he? Dass wir etwas miteinander hatten? Mach dich nicht lächerlich..." Vermouth explodierte innerlich und schlug mit ihrer Waffe auf seinen Kopf ein, woraufhin sie ihn mit dem Kopf gegen den Baum donnerte und seine Hände in ihren gefangen waren, so dass er so gut wie wehrlos war. "Ich werde ihn mit dem kriegen, was er verabscheut: Verrat!"

"Ich bin kein Verräter..." Wie dämlich, der verstand ja nicht einmal, worauf sie hinaus wollte, was irgendwie lustig war. "Ach?" Sie unterdrückte das Lachen. "Du bist mittendrin im Verrat! Du hast dich in die falsche Frau verliebt. Scheint so, als wenn du deinen Freund nicht so gut kennst, wie du meinst... Er ist der Meinung, dass niemand seiner Tochter zu nahe kommen darf. Dass wir zusammen arbeiten dürfen, ist kein Zufall, er vertraut dir blind, dieser Idiot... Wenn ich ihm sage, dass du mich vergewaltigt hast, kannst du dein Grab schaufeln..." Durch Chardonnays Körper fuhr ein Zittern. "Du weißt, ich bin Schauspielerin, und wenn ich will, dass man mir glaubt, wird man es tun, vertrau mir, Darling", hauchte sie ihm mit einem Zischen ins Ohr. "Bist du zu feige, um mich selbst zu töten, Vermouth?" fragte er belustigt. "Oder bist du zu schwach?"

"Nein, das nicht, das solltest du wissen, ich mache mir an erbärmlichen Mistkerlen aber nicht mehr als nötig meine Finger schmutzig."

Oh mein Gott! Mehr kam Shina im Moment nicht in den Sinn. Was konnte diese Frau angeben und vor allem, wie sehr war die abgehoben, dass sie so etwas sagen musste. Ihre Arroganz stank ja meilenweit gegen den Wind, aber irgendwie fand sie es ja lustig, wie Keichiro von ihr in Schach gehalten wurde. Das hatte dieser Mistkerl wirklich mal verdient, allerdings gab ihr die blonde Frau jede Menge Rätsel auf, die den Ehrgeiz der jungen Detektivin zum Leben erweckten. Sie wollte Antworten, so war sie eben, deswegen interessierte sie sich auch so sehr für Kriminologie und sie wollte Verbrechen aufklären und die Täter ihrer gerechten Strafe zuführen. Allerdings konnte sie von den beiden Personen nicht behaupten, dass sie eine von beiden mehr mochte, als die andere. Beide waren es ihrer Meinung nach überhaupt nicht wert, jedoch musste sie zugeben, dass sie die Situation an etwas erinnerte, allerdings wusste sie nicht mehr so genau an was, weil das Geheimnis wohl in ihrer Kindheit verborgen war.

"Diese Frau wird dein Untergang sein... Sie treibt dich in den Verrat! Du wirst an mich denken, wenn es so weit ist."

Was war denn das jetzt? In dem Moment war Shina alles klar, auch wenn andere nicht mal auf die Idee gekommen wären. Sie wusste, dass Keichiro gerade von Shinas Mutter gesprochen hatte, am Ende war des Rätsels Lösung so simpel, dass sie beinahe gelacht hätte. So war das also, eines musste sie der Frau lassen, sie war wirklich gut, sie war perfekt darin, sich zu verstellen, kein Wunder, dass Shina nicht gleich zu Anfang darauf gekommen war, dass sie es war... Eigentlich müsste sie ihr ja jetzt danken, aber wo käme sie denn hin, wenn sie ihr jetzt zeigte, dass sie wusste, wer sie war? Nein, das würde sie schön sein lassen.

"Nein", sagte sie seltsam leise. Mehr wollte sie Keichiro aber nicht verraten, dem Kerl musste klar sein, dass die Organisation ihr Untergang war nicht irgendwelche Menschen...

"Was ganz anderes, wo ist Detektiv Ryochi Akaja?" Diese Frage gefiel dem Mann gar nicht, ebenso wenig Shina, die es aber ja schon geahnt hatte, dass er dahinter steckte, allerdings hatte sie nicht mit so einer Frage gerechnet. "Du lässt ihn gehen... Wir ziehen keine Unschuldigen in die Sache mit hinein, und dieser Junge hat nichts damit zu tun, klar?" Ein klarer Befehl, aber wer glaubte, Chardonnay ließ sich von einer Frau Befehle erteilen, irrte sich gewaltig. "Wenn du es nicht tust, gehe ich beim Boss petzen, hast du das verstanden?" Dass dieser Junge in der Sache mit drin hing, war das persönliche Geheimnis der Frau, niemand sollte je davon erfahren, aber das würde sicherlich passieren, wenn man Ryo entführte. "Mein Vater wäre sicher nicht begeistert davon, wenn er erfährt, dass du den Sohn vom Polizeipräsidenten entführt hast. Das ist Verrat an seiner Organisation. Aber das riskierst du nicht, nicht wahr, Darling?" Wie nett sie klang, so richtig scheinheilig, wie immer eben, so kannte er sie. "Wenn der Polizeipräsident von uns erfährt, bist du so gut wie tot." Das amüsierte sie wirklich, weswegen sie laut anfing zu lachen und somit seinen gesamten Zorn entfachte. Ein animalisches Knurren kam über ihn, daraufhin spürte die Killerin einen heftigen Stoß in Brustnähe und ging ein wenig rückwärts. Mistkerl...

Sie zog augenblicklich ihre Waffe und drückte ab. Der Schuss hatte gesessen, so sehr, dass Chardonnay vor Schmerz auf die Knie ging. "Mist-stück", hustete er, die Kugel hatte seinen einen Lungenflügel erwischt, was wirklich verdammt wehtat und ihn am atmen hinderte. "Verschwinde, Kleine", meinte sie zu Shina, weswegen sie diese sogar für einen Moment lang ansah und Shina in ihre Augen blicken konnte, welche sie kaum wiedererkannte. Sie sahen so kalt aus wie Eis, was sie an dieser Person gar nicht gewöhnt war...

Sie schien sich eine perfekte Maske geschaffen zu haben, aber dem war sich die Detektivin in dem Moment nicht sicher, weil sie einfach zu gut schauspielerte. Auch wenn es ihr leicht fiel, hinter die Fassade von anderen zu schauen, bei ihr war das bei weitem nicht so einfach. Trotzdem war sie sicher, dass das, was sie sah, nicht der Wahrheit entsprach. Natürlich nutzte das Mädchen die Gunst der Stunde, um zu fliehen. "Ehehe... Ich möchte wetten, dass es hier gleich von Polizei nur so wimmelt", dem war sich Vermouth sicher, dass Shina die Polizei alarmieren würde, "du solltest verschwinden, aber erwarte ja nicht, dass ich dir helfe." Sie wollte ihn in seinem Zustand hier zurücklassen? Hatte diese Frau denn wirklich kein Herz mehr? Früher war sie ganz anders gewesen, er hatte sie geliebt, jetzt hasste er sie und ihre verdammte Art.

"Hilf mir, dann lasse ich den Jungen frei", meinte er schwer keuchend, woraufhin sie lachen musste. "Forget it, als ich hierher kam, war bereits jemand auf dem Weg, um Ryo zu retten, ich hab dich reingelegt." Sie nahm ihm seine Waffe weg, damit er damit nichts mehr anstellen konnte - wie bei einem kleinen Kind - dann machte sie sich aus dem Staub, da sie selbst keinen Ärger mit der Polizei haben wollte, vor allem, da sie wegen Zeitmangels auf ihre Verkleidung hatte verzichten müssen.
 

Es dauerte nicht lange, da war es stockfinster und die meisten Menschen verzogen sich in ihre Häuser. Eine blonde Frau allerdings machte sich auf zu ihrem Hotelzimmer, wobei sie noch nicht einmal ahnte, was ihr blühte, dann hätte sie sich vielleicht woanders hin verzogen. Eine schwarze Gestalt war ihr bis zu den Fahrstühlen nachgelaufen und beobachtete den weiteren Verlauf. Er rannte die Treppe hinauf bis zum dritten Stock, wo er die Frau bei einer Tür ausmachen konnte. Sie war gerade dabei zu öffnen, als er sich ihr von hinten näherte und sich kurzerhand entschloss sie etwas zu ärgern. Deswegen verdeckte er ihre Augen mit seinen Händen. "Wer bin ich", flüsterte er ihr zu.

Sie hasste solche Spielchen, an sich selbst sowieso, also boxte sie ihm mit dem Ellenbogen direkt in die Magengegend, so dass der junge Mann keuchend zu Boden ging. Solche Annäherungen, die von hinten geschahen, konnte sie wirklich nicht leiden, das sollte er sich gefälligst merken. Sêiichî röchelte kurz. "Nette Begrüßung, Darling", meinte er, woraufhin sich ihre Augen weiteten. Darling? Aber sonst ging es ihm noch gut, oder? Wie kam er nur darauf? "Wie kommst du eigentlich dazu mich Darling zu nennen?" fauchte sie ihn an. "Weil das angemessen ist, nachdem wir miteinander geschlafen haben, oder nicht, Süße?" Sie sah das Grinsen eines riesigen Machos, wobei ihre Augenbrauen seltsam zuckten. Bitte was? Kaum war sie mal ein paar Tage weg hatte sie was mit einem...? Oh Gott! Wenn sie diese Frau in die Finger bekam, würde sie sie in der Luft zerreißen, das schwor sie sich jetzt schon. Sie hatte ihr erlaubt mit Chardonnay anzustellen, was sie wollte, aber nicht mit anderen, die hatte wohl einen Sprung in der Schüssel? "Und? Deswegen bin ich noch lange nicht dein Schätzchen", gab sie mit gemeinem Blick zurück. "Hab dich nicht so..." Er fuhr ihr über die Wange und näherte sich ihren Lippen, jedoch befand er sich im nächsten Moment durch einen Schulterwurf am Boden. Man hatte die aber Kraft und oje, tat das weh... Er keuchte auf. "Versuchst du das noch mal, bist du endgültig tot", drohte sie ihm und wollte die Tür hinter ihm zuschlagen, doch er erhob sich. "Moment, Chris... Ich muss mich noch für deine Hilfe bedanken...", sagte er jetzt ernsthaft und ohne diesen arroganten Unterton inne. "Ohne dich, wer weiß, was Chardonnay mit meinem Freund gemacht hätte? Wenn ich dir irgendwie helfen kann, dann lass es mich wissen... sag mir, wie ich mich revanchieren kann. Ich habe dich beobachtet, du hasst Chardonnay... Wir könnten uns ja zusammentun..."

Ach du Schande, der suchte ja wirklich jeden Grund, um bei ihr zu landen, sie seufzte und setzte ein verschlossenes Lächeln auf. "Tut mir Leid, aber ich bin lieber alleine. Aber danke für das Angebot." Sie wusste nicht, weswegen sie lächeln musste, wahrscheinlich aus dem Grund, weil er vorhin seine aufrichtige Art gezeigt hatte. Er war ein Junge, der alles für seinen Freund getan hätte, was ihr imponierte. Jedoch schloss sie jetzt wirklich die Tür hinter sich, mit sich selbst und auch allem anderen um sich herum erst einmal zufrieden.

Sêiichî hingegen war keinesfalls zufrieden, eigentlich hatte er damit gerechnet bei ihr zu übernachten, jedoch hatte sie sich diesmal total anders verhalten, doch irgendwie fand er dieses Verhalten interessant, weswegen er sich auf ihr nächstes Treffen sehr freuen würde. Und wer glaubte schon, dass er so leicht klein zu kriegen war? Die würde sich noch wundern, so leicht wurde man ihn nicht los...
 

Shina, welche die Polizei gerufen hatte, war jetzt auf dem Nachhauseweg, wobei sie etwas nachdenklich schien und so die Person nicht sah, welche direkt vor dem Anwesen der Kudôs auf sie wartete, um sich noch einmal über gewisse Dinge zu unterhalten. Seit Sêiichî ihn aus dem Versteck befreit hatte, war er schon hier und wartete, dass Shina endlich nach Hause kam, er musste sich, nachdem was geschehen war, dringender den je mit ihr unterhalten. Er vermisste sie so unendlich, obwohl sie kaum einen Tag voneinander getrennt gewesen waren. Umso froher war er, als sie endlich auf ihn zusteuerte. Sein Herz begann stürmisch zu klopfen und eine kleine Hitze stieg in ihm empor. Noch nie hatte er solche starke Gefühle in sich verspürt, wie gerade eben, er wollte um sie kämpfen, ansonsten würde er wohl ziemlich unglücklich werden. Wie verletzt musste sie sein, wenn sie dachte, dass er eine andere lieben könnte? Dem war nicht so, was er ihr auch verstärkt klarmachen würde. "Hallo, Shina", meinte er, weswegen sie den Kopf hob und in die schönsten und aufrichtigsten Augen schaute, die sie sich vorstellen konnte. Er war wieder hier, sie war überglücklich und umarmte ihn stürmisch, wobei sie fast zu weinen begann. Damit hatte Ryochi gar nicht gerechnet, weswegen er etwas stutzig auf ihre Umarmung reagierte. "Ähm", meinte er nur und drückte sie fest an sich. "Verzeih mir", seine Stimme klang weinerlich, was ihr sagte, dass es ihm wirklich Leid tat, was geschehen war, doch das hatte die Detektivin in all ihrer Sorge vollkommen verdrängt, sonst hätte sie ihn nie umarmt. "Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, ich dachte einen Moment lang, alles ist aus... Du hättest ja tot sein können."

"So schnell sterbe ich nicht, glaub mir, so schnell werde ich dich nicht alleine lassen. Ich sterbe nicht, weil ich mit dir zusammen sein will. Aber dann musst du mich anhören." Sie schaute ihn glücklich an. "Ich bin im Moment einfach nur froh, dass es dir gut geht... Alles andere... zählt kaum noch."

"Trotzdem, ich wollte dich nicht verletzen, es tut mir echt Leid. Das mit Riina war ein Missverständnis. Die Gute hat sich nämlich in mich verliebt und mich einfach überrumpelt." Es schien ihm peinlich zu sein, weswegen er sich an den Kopf griff und schüchtern lächelte. "Ich wollte das eigentlich gar nicht und es wird garantiert nie wieder passieren." Sie sah die Ehrlichkeit in seinen Augen und antwortete ihm, indem sie ihre Lippen sanft auf seine legte und sie zärtlich mit ihren verschloss, um ihm zu zeigen, dass sie ihm vergab. Er war so froh, als er die Liebe spürte, welche sie ihm zukommen ließ, das war auch der Grund dafür, dass er seine Arme wieder um sie legte und beides genoss, als hätte er es gerade das erste Mal spüren dürfen. Als sie sich dann lösten, schloss sie geheimnisvoll die Augen. "Willst du noch mit hochkommen? Es ist ja noch nicht so spät", verriet sie nur, ließ ihn stehen und ging auf die Tür zu, er würde ihr mit Sicherheit folgen, da war sie sicher...

5. September - Ich hatte solche Angst um dich...

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

10. Oktober - Unverhofftes Wiedersehen innerhalb der Organisation...

muahahahahahahahahaahahahahaha eines meiner Überraschungscaps ^-^ Es passieren schöne Dinge, die ihr nicht erwartet >'''''D *sich mal wieder tot freu und dann mit Heiligenschein herumläuft* ^.^

Macht Spaß *fg* Die Irre hat mal wieder zugeschlagen XDDDDDDDD Schreibt mal wieder Kommiz ~.~ *versauer* XD

*in die Lüfte geh und dann dort oben platz* XDDDDDD

Baibaileinchen %DD


 


 


 

Ein verdammt langer Montag neigte sich seinem Ende. Die Schüler waren teilweise genervt und versuchten sich etwas zu entspannen, denn es war viel losgewesen. Ihr Tag dauerte bis 18 Uhr am Abend, weil ein Schulfest stattgefunden hatte. Sêiichî war schon die ganze Zeit in Gedanken und lief neben Ryo und Shina her, dicht gefolgt von Wataru, Riina und Yûmikô. "Hey, ihr seid so schweigsam?" fragte Wataru, der Ryo und Shina dabei beobachtete, wie sie Arm in Arm vorangingen. "Weißt du, Wataru, der Tag war anstrengend, ich bin ganz schön erledigt." Was zwischen den beiden vorgefallen war, wusste der Junge noch nicht, Shina hatte auch nicht vor, es ihm zu sagen, sie hoffte nur, dass es nicht wieder Probleme zwischen ihnen geben würde, da sie kurz, bevor sie mit Ryochi alleine gewesen war, noch bei Wataru gelandet war. Um Himmels Willen, was wenn er sich wirklich Chancen ausgemalt hatte? Sie hatte Angst, dass wieder ein Streit zwischen ihrem Freund und ihrem Kumpel entbrennen würde. Deswegen fragte weder Wataru, noch Shina, was denn nun gespielt wurde und beide tappten im Dunklen, um keinen Streit zu riskieren. "Du, Sêiichî, hast du was? Du siehst irgendwie nachdenklich aus", meinte Riina, aber er seufzte bloß. "Nein, ich bin auch nur ziemlich erledigt, ich werde jetzt wohl auch auf dem schnellsten Weg nach Hause ins Bett verschwinden." Er blieb stehen, was die anderen ihm gleichtaten. "Ach, du armer Kerl, du hast doch so gut wie nichts gemacht, also wirklich", neckte ihn Shina, woraufhin er sich wegdrehte und mit in den Hosentaschen versteckten Händen davonging. "Ist er jetzt beleidigt, Ryo?" Der Angesprochene schloss die Augen, als wolle er etwas bestimmtes verschweigen, Shina wusste dem nicht so ganz zu folgen. "Stimmt was nicht?"

"Ich glaube, es geht ihm nicht so gut..." Erst wirkte Ryo deprimiert, dann lächelte er, als wollte er die Sonne ausbooten. "Vielleicht bekam er 'nen Korb?" Shina sah ihren Freund mit Halbmondaugen an. "Das würde zu ihm passen." Eigentlich war es ja eher ein Witz seitens Ryochi gewesen, aber nun denn, er würde ihr in dem Punkt nie wiedersprechen. Und, was Sêiichî für Dinge tat, würde er ihnen ohnehin nicht sagen, das war ein Geheimnis, schließlich würden die anderen seine seltsamen Handlungen nie verstehen, immerhin war er erst 17 Jahre alt und trotzdem war die Verbrechergegend sein zweites Zuhause, jedoch aus bestimmten Gründen...

Er wusste ja nicht, was sein Freund wieder ausgeheckt und welcher Gefahr er sich ausgesetzt hatte...
 

Cognac war auf dem Weg in eine Gaststätte, dort sollte er seine neue Partnerin kennen lernen. Man sagte ihm, dass sie perfekt zu ihm passen würde und sie sich in der Organisation sicher verstehen würden. Er kannte die Frau nicht, aber er war gespannt, wie sie wohl war. Man, hatte er ein Glück, man hätte ihm auch einen hässlichen Kerl schicken können, hoffentlich machte die Gute wenigstens was her. Nachdem er die Bar betreten hatte, schaute er sich etwas in ihr um. Da es weit und breit nur eine Frau gab, die sich einen Drink zu genehmigen schien, dachte er, musste sie das wohl sein. Von hinten gefiel sie ihm sogar schon. Ihre leicht gewellten rotbraunen Haare und die enge Kleidung, die ihre Figur zur Geltung brachte, erregten sein Interesse. Irgendwie erinnerte sie ihn sogar an jemanden aus seiner Vergangenheit, weswegen er mit einem leichten Lächeln auf die Frau zuging und sich direkt neben sie setzte. "Einen Cognac bitte", forderte er, um ihr zu zeigen, dass er mit ihr verabredet war. Ein monotoner Gesichtsausdruck zierte das Gesicht der 20-jährigen Frau, bis sie die bekannte Stimme neben sich hörte und es ihr kurzzeitig die Sprache verschlug.

"Nicht du", sagte sie geflüstert und seufzte leicht. "Du bist Cognac?" fragte sie mit ihrer süßen und sanft klingenden Stimme. Auch ihm war diese Stimme bekannt, weswegen er seinen Kopf zur Seite wandte und er das hübsche Gesicht erblickte. Ihre hellblauen Augen hatten es ihm schon damals angetan, sie war jetzt noch viel hübscher geworden, wie er fand. Trotzdem sprang er von seinem Hocker auf. "Du bist Brandy? Aber... das kann doch nicht sein! Was hat du denn bei denen verloren?" Cognac klang fast schon panisch, als er ihr diese Frage stellte, diese Frau hatte er am wenigsten in der Organisation erwartet. "Dasselbe könnte ich dich auch fragen, du Spinner!" meinte sie. "Aber so, wie ich dich kenne, hat es dich dorthin gezogen, du lebst eben gerne gefährlich, nicht wahr?" Er setzte sich wieder hin, irgendwie fand er ihr Verhalten seltsam, als wenn sie ihm auf seine Frage nicht antworten wollte, so war sie früher nie gewesen. "Es scheint, als wollte der Boss, dass ausgerechnet wir Partner werden..."

"Der Boss... Tze", meinte sie und trank einen Schluck aus ihrem Glas. Nicht der Boss hatte das angeordnet, nein, jemand ganz anderes, der Brandy ihrer Familie entzogen hatte, aber dafür würde er noch eines Tages büßen. "Schon seltsam, dass wir ausgerechnet Brandy und Cognac heißen, was?" Wie irre komisch, in welcher Welt lebte ihr Exfreund überhaupt, dass er solche Anspielungen fallen lassen musste? "Muss ich mich dir jetzt verbunden fühlen, Cognac?" Obwohl sie seinen wahren Namen kannte, ebenso wie er ihren, wagten sie es nicht diese beiden auch nur einmal über die Lippen kommen zu lassen. "Wie geht's deinen Geschwistern?"

"Keine Ahnung, seit ich in der Organisation bin, habe ich keinen mehr von ihnen gesehen, ich hab nur gehört, dass meine Mutter gestorben ist, tja."

"Lass dich nicht von der Organisation verändern! Du hast ein so aufrichtiges Herz! Lass nicht zu, dass sie das zerstören, kämpf dagegen an", sagte er, was sie zu einem Seufzen brachte. "Wir sollen Menschen töten, ich denke nicht, dass das möglich sein wird. Außerdem geht dich das gar nichts an." Etwas trotzig klang sie, was ihm ein Lächeln ins Gesicht zauberte. "Du schmollst immer noch recht schnell, Süße. Es ist jetzt schon fast drei Jahre her, seit wir zusammen waren, die Zeit allerdings wirkt, als wäre sie stehen geblieben und wir hätten uns erst vor kurzem getrennt."

"Ich kann mich kaum noch an unsere kleine... sorry, an unsere Affäre erinnern, war nicht sensationell genug", lachte sie, um ihn etwas zu ärgern. Er hatte sie ganz schön gelinkt, wie sie fand, er, obwohl er jünger als sie war. Dieser Macho, aber natürlich kannte sie auch seine Vorzüge, die schwer zu finden waren, dennoch gab es sie. "Lass dich nicht töten, ich weiß, du bist kein schlechter Mensch." Ja, es tat ihr Leid, sie hatte den jungen Mann wirklich geliebt, was sie allerdings für sich behielt, um etwas ihre Fassade zu wahren, er brauchte nicht wissen, wie sie sich wirklich fühlte. "Danke für die Blumen, du warst ja auch meine erste." Er nahm es gelassen, ihm war klar, dass sie ihn nur versuchte zu ärgern, aber bei ihr nahm er es nicht so eng, provozieren würde er sich schon mal gar nicht lassen. "So viel ich weiß, kommt gleich noch ein direkter Untergeordneter vom Boss, um uns unseren ersten gemeinsamen Auftrag zu geben", sagte Cognac nachdenklich, er fragte sich, wie dieser Mann wohl sein würde. Stille legte sich über beide, da sie es für besser empfanden, einander anzuschweigen. Es vergingen einige Minuten, in dem sie sich zu Tode langweilten, so dass Cognac andauernd an ihre frühere Beziehung denken musste, auch wenn sie es wohl nicht als eine solche ansah, für sie war es nur eine kleine Affäre gewesen, weil er eben ein schräger Vogel war, der ständig das Abenteuer suchte.

"Sorry I've let you wait", entschuldigte sich eine Frauenstimme bei den beiden auf Englisch, Cognac hatte natürlich sofort die Stimme derjenigen erkannt, jedoch kam ihm Brandy zuvor.

"Belmot..." Es war nicht gerade Begeisterung, die in ihrer Stimme mitschwang.

"Sprich das gefälligst richtig aus!" motzte man die Jüngere daraufhin an, welche nichts mehr sagte, weil ihr diese arrogante Person auf die Nerven ging. Andere durften ihren Namen doch auch misshandeln, wieso fauchte man immer nur sie an? Weil man ihr aufgetragen hatte, auf sie aufzupassen, dass sie keinen Unsinn machte? Sie ließ wohl ganz schön den Vormund raushängen, auch in der Organisation war das so, wie in einer großen Familie, in die sie niemals hatte gehören wollen.

"Ich habe mit einem Mann gerechnet...", seufzte Cognac, um die Frau mal etwas zu ärgern, woraufhin ihn diese mit dem kältesten Blick ansah, den sie fertig brachte. "Passt dir daran was nicht? Du wolltest es so, jetzt hast du's..." Vermouth regte sich gerade offensichtlich über Cognac auf, da er in die Organisation eingestiegen war und somit Campari unglücklich machen würde, wenn er es erfuhr. Die Sache machte sie unheimlich sauer, was sie ihn spüren ließ, er jedoch nicht wusste, weswegen. "Nö nö, schon okay, außerdem sage ich bei einer so schönen Frau, wie dir, auf keinen Fall, nein." Brandy gab auf Cognacs Worte hin ein genervtes Seufzen von sich. "Verzeih ihm... Vermouth, er ist immer so dreist." Die Frau grinste fies, der gemeine Glanz in ihren Augen verriet, dass sie gleich etwas böses tun würde. Wenig später hatte sie ihn am Hemdkragen zu sich an die Brust gezogen und sah ihm direkt in die Augen. Die Kälte stand in ihre geschrieben, für einen Moment erstarrte er bei diesem Blick. "Regel Nummer Eins, Cognac. Betrifft deine Lebenszeit. Widersprich nie deinen Vorgesetzten!" Na, da hatte er sich ja was eingebrockt. "Ansonsten..." Sie holte aus ihrer Seitentasche eine Waffe heraus und obwohl sie in einer Bar saßen, sah man die Pistole nicht, zumindest keine Außenstehenden. "... stirbst du schnell, Darling." Sie nahm die Waffe wieder weg und schaute Brandy an. "Lasst uns zu einem abgelegenen Tisch gehen..." Beide Neulinge schauten die Frau blitzartig an, sie wussten beide, dass sie das wegen eines Auftrages sagte, also gingen sie ganz nach hinten, wo niemand saß. "Möchten sie etwas trinken?" fragte der Barkeeper, wurde aber von Vermouth mit einem Blick angesehen, der ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. "Wir möchten nicht gestört werden", fügte sie diesem dann hinzu, woraufhin der Kerl ganz schnell wieder hinter seine Theke verschwand. "Mich würdest du mit so einem Blick niemals in die Flucht schlagen", musste Cognac angeben, der sein Glas schlichtweg mitgenommen und nun ausgetrunken hatte. "Das wird sich noch zeigen, Süßer..."

"Der hat nie Angst...", meinte Brandy, woraufhin Vermouth sich jetzt etwas wunderte. "Ihr kennt euch schon länger?" fragte sie mit einem bohrenden Blick, als wolle sie die Wahrheit aus ihnen herausquetschen. "Ja, leider...", seufzte Brandy, was Cognac mit einem belustigten Laut beantwortete. "Sie ist meine erste Freundin gewesen.. tja", offensichtlich tat er das nur, um anzugeben, zumindest kamen seine Worte so bei der blonden Frau an. Sie wollte ihn etwas in Verlegenheit bringen, legte ihren Kopf auf den gefalteten Händen ab und lächelte nun noch viel hinterlistiger. "Und, war er gut im Bett?"

Cognac fand das alles andere als lustig, da die Frau so tat, als hätten sie nie miteinander zu tun gehabt, wie verletzend, dass eine Frau das mit ihm machte. "Wenn du ihr auch nur ein Wort sagst...", drohte er. "Er ist ein ziemlicher Looser, da hatte ich weit bessere", gab Brandy zurück, was er als Unverschämtheit empfand. "Interessant..." Vermouth wusste jetzt besser Bescheid, sie hatte nur wissen wollen, wie gut sie sich verstanden. "Nicht dass ihr mir Ärger macht, indem ihr euch gegenseitig behindert, klar? Des Weiteren würde der Boss kurzen Prozess mit dir machen, Cognac, Brandy hat Sonderrechte." Für einen Moment konnte man so etwas wie einen seltsamen Blick im Gesicht der Verbrecherin entdecken, als wenn sie mehr wüsste, als die anderen beiden. "Der Boss? Der interessiert mich einen Scheiß, das kannst du ihm ja ausrichten, Vermouth, dann endet diese Hölle wenigstens..." Cognac dachte sich, dass so ein Schachzug mehr als unklug war, aber er hoffte, dass er seine Auserwählte richtig einschätzte und sie nichts dergleichen tun würde, sie würde die Rothaarige doch nicht ans Messer liefern?? "Mach dich nicht lächerlich", gab sie kalt zurück. "Wir sind nicht hier, um über so was zu diskutieren", versuchte sie das Thema schnell unter den Tisch zu kehren, da sie darauf weder Lust noch Zeit hatte. "Wir wollten den nächsten Fall besprechen." Beiden entging ein Seufzen, Brandy jedoch sah jetzt deprimiert auf den Tisch, was auch Cognac bemerkt hatte, Vermouth hingegen schlug die Beine übereinander und tat wohl so, als wenn nichts wäre. Wieso benahm die sich auf einmal so? Jetzt war sie nicht nur ein Miststück, nein, nun kam noch dieses eiskalte hinzu... Solche Leute gingen meistens für Erfolg über Leichen, aber das hätte er sich ja denken können. Vielleicht würde seine Reise ja noch spannender werden, als er gedacht hatte. Die Frau breitete einen Plan auf dem Tisch aus, ging aber auf Nummer sicher, dass niemand es sah. "Da!", sie deutete mit dem Finger auf etwas. "Dort wird man euch erwarten. Der Besitzer gehört zur Organisation, hat es aber gewagt, Informationen nach außen dringen zu lassen, so dass der Boss ihn loswerden will, bevor er den Mund aufmachen kann. Jeder, der es wagt, ihn zu verschonen, gehört für den Boss automatisch zu seinen Komplizen und darf mit zur Hölle fahren." Ihre Worte waren lediglich leise geflüstert und nur an die Personen am selben Tisch gerichtet. Cognac verstand sofort, der Boss schickte ihnen Vermouth, damit sie ihnen noch einmal sagte, dass Verrat tödlich war, was Cognac albern fand, da er es nicht fürchtete, zu sterben. Er würde jeden töten, der ihm etwas anhaben wollte, so sah sein Plan aus, aber vorerst sollte er seine Loyalität unter Beweis stellen, es wusste ja niemand, dass seine Freizeitbeschäftigung, Killer beseitigen hieß.

Allerdings hatte ihn sein Einstieg auch ein Stück weitergebracht, denn wenn er etwas wusste, dann dass man Brandy zu ihrem Einstieg gedrängt oder gar gezwungen hatte, denn er kannte sie und ihm war klar, dass sie das Töten von Menschen und andere Gewalt verabscheute, so sehr würde auch sie sich nicht verändern. Also hieß das, dass die Organisation so etwas oft betrieb. Sie zwangen unschuldige Menschen zum Töten, das fand er einfach ungeheuerlich. Die meisten waren nicht wie Vermouth... die waren wesentlich schlimmer, was er sich aber schon gedacht hatte, weil er Keichiro Takagi ja bereits kennen gelernt hatte. Wie hätte er denjenigen vergessen können, der Schuld an seinem Kontakt zur Organisation war? Die waren eine Gefahr, mal sehen, was er noch so rausbekommen würde.

Der junge Mann nutzte seine Position aus, um an die blonde Frau ranzurücken, was diese Augen rollend zur Kenntnis nahm. Dieser kleine Macho, aber irgendwie fand sie es interessant, weswegen sie sicher ein wenig mit ihm Katz und Maus spielen würde. Sein Arm lag auf einmal auf der anderen Seite bei ihrer Schulter, was sie schon fast umarmen titulierte. Ganz schön dreist, aber noch fühlte sie sich nicht bedrängt. "Heute noch um Mitternacht und keine Fehler, auch solche Leute verlieren ihr Leben, verstanden...?" Brandy reagierte nicht, wieso machte sie das? Die Frau tat doch alles dafür, dass es ihr so gut wie möglich ging. So was undankbares...

"Sie kommt direkt vom Boss... Er mag es gar nicht, wenn man sie anfasst, er zählt sie zu seinen Schmuckstücken." Etwas verachtend kam dies über die Lippen der Rothaarigen. Cognac fand die Aussage echt spannend. "So ist das, wie interessant, Vermouth." Sein Blick glich nun dem eines hungrigen Wolfes, was sie nicht im geringsten zu beeindrucken schien. Sie wusste ohnehin, was gleich kommen würde. "Dann werde ich es wohl erst recht tun." Ein böses Funkeln erschien in seinen Augen. Brandy seufzte kurz, dieser Typ würde es nie lernen, wahrscheinlich tat er es, wenn es viel zu spät war, denn das, was er hier veranstaltete, war ein gefährliches Spiel...

Vermouth räusperte sich und befreite sich von seinem Arm, woraufhin ihr ein belustigter Laut entglitt. "Da hab ich aber auch noch mitzureden, Kleiner." Sie wählte absichtlich dieses Wort, um ihm seine Position klarzumachen. "Wie könnten viel Spaß haben..." Es kam keine Reaktion von ihr, das hatte sie im Moment nicht zu interessieren und wenn er krumme Dinge bei ihr versuchen würde, konnte sie sich ja wehren, hilflos war sie ja Gott sei Dank nicht. "Vergiss es, Cognac, die Männer, die mit ihr zu tun haben, haben ein kurzes Leben." Ach ja, war das wirklich so, oder machte man Brandy nur etwas vor? Aber okay, er würde diese Dinge ohnehin noch herausfinden.

Vermouth schielte kurz zu ihm und sah den Ehrgeiz in seinen Augen, ihr war klar, dass er nicht so schnell aufgeben würde, dann sollte sich der Junge mal austoben, bis er reif genug war. "Wir wollen ja nicht, dass du dein 20. Lebensjahr nicht mehr erreichst", meinte sie und stand auf. "Deswegen werde ich euch zwei jetzt alleine lassen, ich habe noch ein wichtiges Meeting." Mit den Worten verschwand sie Richtung Theke, beglich ihre Rechnung und ging dann bereits zur Tür hinaus.

"Die armen Kerle, die sich ihre Pfoten an ihr verbrannt haben...", seufzte Brandy. "Ich finde sie sehr interessant. Und du weißt, ich verliere niemals, auch nicht gegen sie."

Na gut, dann würde Brandy ihn eben weiterträumen lassen, immerhin spielte Vermouth ja auch mit Kerlen wie Chardonnay. Mal sehen, wann er dahinterkommen würde...
 

Es wurde allmählich spät, auch für gewisse Leute, die noch am Strand entlang gegangen waren. Shina hatte plötzlich Kopfschmerzen bekommen und wollte dringend nach Hause. Natürlich konnte der junge Detektiv so etwas nicht lange ertragen und entschloss sich, sie nach Hause zu bringen, was er dann auch tat. Die anderen machten sich ebenfalls auf den Weg.

Die Laternen gingen an, so dass es keinesfalls dunkel in den Straßen war. Es war recht hell, wenn man es genau nahm, man sah die Straße ziemlich gut und es wirkte weniger gefährlich sich auf diesen aufzuhalten. Ryochi kam bei einem Geschäft vorbei, das gerade schließen wollte, er schaute kurz hinein und hörte daraufhin sein Handy piepsen. Er fischte es aus seiner Jacke und nahm das Gespräch entgegen. "Du wirst es nicht glauben, Ryo, aber Gamay ist wieder in der Stadt. Sie hat sich mit ein paar finsteren Typen im Arisu getroffen und plant irgendetwas... Ihr Auftrag lautet: Wenn die schwarzen Männchen verstummen und die Nacht das Licht besiegt, der Mond östlich vor der französischen Flagge erscheint, lass es vollkommene Nacht werden. Kannst du damit was anfangen?" Sein erster Gedanke war: Wie bitte? Was sollte das für ein Unfug sein, aber dann ließ er es sich durch den Kopf gehen. "Die könnten sich mal was neues einfallen lassen", lachte Ryo, der schon wusste, wo er zu suchen hatte. Die waren ja so simpel geworden, oder er einfach zu schlau für sie? Noch ehe er dem Mann am Telefon geantwortet hatte, rannte er los, quer durch die Stadt. Den Ort hatte er den Worten entnommen, ebenso die Art des Anschlags, sie sollte den Strom ausfallen lassen und dann zuschlagen.

Keine zwei Minuten später befand sich der 16-jährige vor einem französischen Restaurant, in dem gerade eine Gruppe Kriminalisten speiste. Auch Ryochis Vater war unter ihnen, als es plötzlich einen Stromausfall gab und alle Leute in dem Restaurant im Dunklen saßen. Der Junge fackelte nicht lange, immerhin wusste er, dass hier gleich jemand ermordet werden würde, noch dazu kannte er dieses Mädchen, das hier gleich etwas geplant hatte. "Gamay, lass es sein! Selbst wenn du jetzt schießen solltest und dabei jemand zu Schaden kommt, werde ich dich kriegen, das Spielchen kennen wir doch bereits", drohte Ryochi, der gefährlich knurrte, denn er sah sie nicht, was ihm nicht in den Kram passte. Er wollte wissen, woran er war.

Die Killerin kannte diese Stimme, er hätte nicht herkommen sollen, dieser Junge machte ihr nur alles kaputt, wie damals schon. Er war ein zu guter Detektiv, wie, verdammt, war er diesmal dahintergekommen? "Oh mein Gott", meinte sie, "misch dich hier nicht ein, ich muss meinen Auftrag erfüllen... Und komm mir ja nicht in die Quere, sonst trifft es noch die Falschen." Ryochi nahm eine kleine Minitaschenlampe zu Hilfe und leuchtete in dem Raum umher, um das Mädchen ausfindig zu machen. Er blendete sie mit der Lampe, woraufhin sie sich eine Hand vor's Gesicht hielt. "Runter mit der Knarre, Schätzchen, sonst tust du noch jemandem weh.."

"Meine Güte, geh mir doch nicht so auf die Nerven, es ist nicht mehr wie früher, ich bin jetzt anders..." Anscheinend hatte die eine 180° Wende hinter sich, so wie sie sprach, so voller Hass und Zorn. "Lass meinen Vater in Ruhe, keiner von euch wird ihn töten, auch wenn ihr euch auf den Kopf stellt... Oder denkst du, wir sind so dumm?"

"Wie hast du es rausgefunden, dass ich hier sein würde?" fragte die Killerin.

"Jemand hat dich belauscht", gab der Detektiv zurück, "du hast wieder einen Fehler gemacht." Das Mädchen wollte den Mann eigentlich gar nicht umbringen, vor Ryochis Augen schon gar nicht, also schlug sie das Fenster ein und flüchtete vom Tatort. "Wer war das, Ryo?" fragte sein Vater, doch dieser hielt es nicht für nötig, diesem Auskunft zu geben. "Niemand", mit den Worten stürmte er ihr nach, immerhin wollte er sie kriegen.
 

Gamay war in eine kleine Seitenstraße geflüchtet, wo man sie schon erwartete. "Die Wachposten sagten, dass du dich von einem Kind hast verscheuchen lassen", sagte der eine Mann in Schwarz und lehnte sich an sein schickes Auto. Das Mädchen saß in der Falle. "Ja, er hatte eine Knarre."

"So, so", sagte man ihr in einem desinteressierten Ton und richtete eine Waffe auf sie. "Dann hättest du ihn erschießen sollen... Er ist Detektiv und somit unser Feind, das weißt du..." In die dunkle Stimme fuhr jetzt so etwas wie Schadenfreude. "Du Mistkerl, darauf hast du gewartet, nicht wahr? Dass ich versage und du das tun darfst, gib es doch wenigstens zu, Gin..." Ein gemeines Lächeln war ihm gegeben. "Du kennst mich gut, Gamay, du kleine Versagerin." Das waren die letzten Worte, die man noch mitbekam, bevor der Schuss ertönte. Thema beendet, wie der Kerl fand, so dass er wieder in seinen Porsche stieg und mit seinem Komplizen davonfuhr. Es war eine verdammt dunkle Ecke, in der es geschah, so schnell würde man das Mädchen wohl nicht finden, schon gar nicht vor Morgengrau, zumindest dachte Gin das.

Das Mädchen hielt sich mit einem bitteren Lächeln im Gesicht an der Wand fest, während sie langsam zu Boden ging. "Das ist die Strafe dafür, wenn man jemanden nicht töten kann oder will..." Sie klappte zusammen und blieb am Boden liegen. Ryochi wäre beinahe an der kleinen Gasse vorbeigerannt, blickte dann aber in diese hinein und sah seine Freundin da am Boden liegen, sie rührte sich nicht. "Verdammt!" Er stürmte zu dem Mädchen hin und hob es etwas auf seinen Schoß. "Sag etwas... Masami! Hayakawa-chan! Bitte mach die Augen auf...", meinte er mit aufgeregter und auch besorgter Stimme. Wie ein Wunder wirkte es für die 14-jährige, als sie die Augen öffnete und in die blauen Augen von Ryochi Akaja blickte. "Ja, hier bin ich", meinte sie etwas benommen. Das Blut hatte ihren hellen Pullover total versaut und breitete sich immer weiter aus, Ryochi wusste sofort, dass es keinerlei Chance mehr für seine Freundin gab. Man hatte ihr eine Kugel in die Brust verpasst, sie würde verbluten, das konnte niemand mehr verhindern. "Warum hast du das getan? Wieso nur?" Er dachte, dass sie sich selbst die Kugel verpasst hatte, worin er sich ziemlich irrte. "Nein, das war einer von ihnen, die mich damals gekidnapped haben... Ich konnte deinen Vater nicht für sie töten, also muss ich gehen, so ist der Lauf der Dinge. Sie brauchen mich nicht mehr, Versager sind unerwünscht." Ihm wurde wieder bewusst, was diese Organisation, insbesondere Chardonnay und seine kleine Bande hier trieben. Die töteten doch, wann ihnen danach war. Sogar kleine Mädchen zogen sie in ihre Machenschaften mit hinein, so wie Masami, die eine Freundin seiner Schwester war und nachdem sie umgezogen waren, nach Tokyo kam. "Warum hast du mich nicht angerufen? Ich hätte dich da rausholen können, ganz sicher..."

"Ich wollte nicht, dass sie dich jagen... Die haben alle meine Freunde getötet, pass besser gut auf Hitomi auf."

"Aber..? Hitomi ist deine beste Freundin, wieso haben sie es nicht auch bei ihr versucht?" wollte Ryo von ihr wissen, doch sie lachte nur finster auf, was in einem Husten endete, von dem sie sich erst wieder erholen musste, um weiter zu reden. "Ihr seid umgezogen und hattet nichts mehr mit mir zu tun, was für ein Glück..." Sie blickte etwas zur Seite. "Ich hätte deinen Vater getötet, wenn du nicht gekommen wärst, also trauere nicht um so etwas wie mich, okay?" Dummes Mädchen, wie konnte sie so etwas sagen? "Ja, hättest du, weil du es hättest tun müssen, jetzt hat man dich niedergeschossen, weil du versagt hast, und das..." ... Das war seine Schuld, ganz alleine seine, weil er sie abgehalten und es nicht verhindert hatte. So langsam hatte es der Junge satt, immer wieder tauchten diese Killer in seinem Umfeld auf und töteten seine Freunde, das war einer der Gründe, weswegen er sie haben wollte, damit sie büßen sollten. "Chardonnay war's, nicht wahr...? Er hat dich entführt und dich der Organisation angeboten, oder?" Das Mädchen blickte ihm nicht ins Gesicht, nein, da war noch mehr gewesen, als nur das, man sah es an ihrem gepeinigten Gesichtsausdruck. "Nein!" brüllte Ryo voller Hass auf den Mann. "Dieser Mistkerl! Er hat es also wieder getan, er hat dich angefasst, um dich zu quälen." Er kannte Chardonnay und wusste, dass er gerne kleine Mädchen anmachte und schlimmeres, weswegen er diesen Verbrecher aus der Organisation mit am meisten hasste. Er kannte keinen von denen, der schlimmer drauf war, zumindest wirkte es so. Was wenn er sich täuschte und es noch schlimmere Mistkerle gab, die dort mitwirkten? Er wollte daran gar nicht denken. "Es tut mir so Leid, Mi-chan. Wenn ich damals gleich gewusst hätte, wer Chardonnay ist, hätte ich das verhindert und du hättest nicht für diese Bastarde sterben müssen."

"Schon gut, ich verzeihe dir... Sag Hitomi nichts, es ist besser so, wenn sie denkt, ihre Freundin hätte sie vergessen..." Sie schloss zufrieden die Augen. "Das ist alles, worum ich dich bitten werde..." Sie verstummte und Tränen der Verzweiflung krochen aus Ryos Augen. Warum konnte er solche Tragödien nie verhindern, wozu war er schließlich Detektiv? Während er stumme Tränen weinte, hielt er das blutverschmierte Mädchen im Arm und machte sich schwere Vorwürfe, da er damals die Gefahr nicht erkannt und nicht entsprechend gehandelt hatte...
 

Vermouth, die noch einen kleinen Spaziergang machte, immerhin war sie nicht mit dem Auto gekommen, weil man die kurze Strecke auch zu Fuß gehen konnte. Sie war gerade am Telefonieren, doch so wie es schien, würde sie auflegen müssen, immerhin wollte sie ihre beste Freundin ja nicht in Gefahr bringen, daher vermied sie es auch, ihren Namen zu sagen, was sich wieder einmal mal als richtig erwies. "Tut mir Leid, ich mach jetzt Schluss, lass es dir gut gehen, Süße." Das Telefonat wurde beendet und sie tat eine Weile noch so, als wenn sie nichts bemerkt hatte, mal sehen, wer derjenige war, der sie verfolgte. Die blonde Frau verschwand in eine Seitenstraße und versteckte sich hinter einer weiteren Ecke, so dass der Verfolger dachte, sie wäre bereits um die Ecke gegangen und sie ihn direkt aus der dunklen Seitengasse sichtete und nach vorne schnellte. Da es zu dunkel war, hatte sie nicht mal sein Gesicht gesehen und bedrohte ihn gleich mit ihrer Waffe. "Die meisten Menschen, die mich verfolgt haben, leben nicht mehr", meinte sie mit einem gefährlichen Grinsen.

Na toll, der junge Mann wollte sie bloß nicht einfach so davonkommen lassen, dann wurde er hier gleich mit einer Knarre in Schach gehalten. "Reagierst du immer so über, Vermouth?" fragte er, was sie verwunderte, da er es war und sie somit die Waffe wegnehmen konnte. "Ich hasse es, wenn man mich verfolgt, ich mag das einfach nicht und raste dann oft aus, falls du verstehst. Warum bist du mir wie ein Hündchen nachgelaufen, Cognac?" fragte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. "Steck erst mal die Waffe weg, ich wollte was mit dir bereden." Er schaute in den Himmel, mittlerweile war es stockfinster geworden und man konnte die Sterne beobachten. Die Frau steckte die Waffe wieder in ihre Seitentasche und nahm ihn an der Hand, daraufhin begannen sie zu rennen und gelangten irgendwann bei der anderen Straßenseite an. "Ich rede nicht gerne dort", meinte sie dann, obwohl er nicht so wirklich verstand wieso. "Warum das?"

"Zu viele Organisationsmitglieder. Wenn mich die falschen Personen belauschen, kann ich gleich eine Reihe Killer beseitigen, um meine Geheimnisse zu wahren, denn in dieser Gegend spricht sich alles wie ein Lauffeuer rum, das solltest du berücksichtigen."

Wie lustig, er war ja ständig in solchen Gegenden unterwegs, um übereifrige Killer aus dem Weg zu räumen, einfach nur so zum Spaß. Die beiden gingen Richtung Beikapark und setzten sich dort auf eine Bank, allerdings ganz weit hinten, wo es kaum Licht gab. Dort würde sie wenigstens niemand erkennen. Sie wurde eben nicht gerne auf der Straße erkannt, man würde nur Fragen stellen. Zum Beispiel, was eine berühmte Schauspielerin in einem solchen kleinen Ort zu suchen hatte. Wenn sie in Haido gesehen wurde, war das ja was anderes. "Also, sprich dich aus, was wolltest du loswerden, du hast doch ein Problem oder?" Wie hatte diese kluge Frau das nur mal wieder erraten? "Ja, so ist es, es geht um Brandy..."

"Das habe ich mir fast gedacht, aber ich habe keinen Einfluss darauf, also komm nicht auf die Idee, mich um etwas zu bitten." Sie schaltete total auf Abwehr, dabei hatte er noch gar nicht richtig angefangen. "Verdammt feige, so etwas zu sagen. Hast du irgendwie Angst, die Organisation zu hintergehen, oder was ist auf einmal dein Problem?"

"Du willst sagen, ich sei feige? Ich bin nur vorsichtig und nicht so lebensmüde, wie du." Ach, hing sie echt so sehr an ihrem Leben? Das hatte Cognac ja gar nicht für möglich gehalten. Anhand seines Blickes erkannte man seine verräterischen und sarkastischen Gedanken. "Ja, das stimmt, ich bin lebensmüde, ansonsten habe ich das Gefühl, dass ich nicht an meine Grenzen gekommen bin." Sie seufzte. "Du bist ein Idiot, andere würden alles dafür geben, um endlich frei zu sein und du tust dir das freiwillig an. Noch dazu bist du nicht einmal erwachsen, wieso tust du das? Nur Idioten begeben sich in eine solche Gefahr, wenn sie sich dieser bewusst sind. Du hast doch deine Freunde, jemand wie du sollte nicht sterben wollen." Irgendwie klang sie, als würde sie ihn beneiden, aber wieso? "Tja, meine Eltern hatten mit der Organisation zu tun und sind teilweise tot und verschwunden. Mein Vater verschwand und meine Mutter wurde von einer Killerin getötet, obwohl sie ihr hatte helfen wollen. Natürlich gehörte die Frau der Organisation an, wenn sie nicht sogar zu Chardonnay persönlich gehört hat. Ich werde sie finden, darauf kannst du Gift nehmen. Und Chardonnay hat es gewagt, jemanden zu töten, der so etwas, wie mein großer Bruder war, des Weiteren hat er mich einmal fast umgebracht, solche Dinge vergisst ein Mensch, der halbwegs bei Verstand ist, eben nicht." Warum sagte er das? Konnte er ihr vertrauen, oder wollte er gerne, dass es so war? Er wusste selbst nicht. Vermouth schwieg, denn auch sie machte mal Fehler, wie er eben bewiesen hatte. Wie konnte sie nur Merlots Sohn vergessen? Der arme Junge hatte seine Eltern an die Organisation verloren, diese Geschichte, die er ihr gerade erzählt hatte, stammte von ihr, sie hatte es Campari damals gesagt. "Ich habe schon bemerkt, dass du dich an Chardonnay rächen willst, aber die andere Sache, davon wusste ich nichts. In dem Punkt habe ich wohl versagt. Ich frage mich, wie du es geschafft hast, deine wahre Identität vor mir zu verheimlichen." Es war eine Frage, die nicht wie eine klang, es war ihr peinlich, dass sie ausgerechnet diesen jungen Mann nicht wiedererkannt hatte, immerhin zählte sie ihn zu ihren Verwandten. "Ich habe so meine Tricks und die werde ich an niemanden weiterleiten, tut mir Leid. Aber du hast eben selbst gesagt, dass es Menschen gibt, die nicht in der Organisation sein wollen. Leute, wie Brandy. Ich weiß ganz genau, dass es ihr keinen Spaß macht, sie würde an der Organisation zugrunde gehen, weil sie kein schlechter Mensch ist. Sie kann doch nicht einfach Menschen töten, ich kenne sie gut genug, um zu wissen, dass ihr Herz zerbrechen würde. Sie hat in der Organisation nichts verloren, sie ist nicht wie ich." Anscheinend kannte der Junge seine Freunde genauso gut wie sie. "Ja, sie ist unglücklich damit, aber daran kann niemand etwas ändern. Wer einmal in den Bann der Organisation gerät, hat zwangsläufig damit zu tun, bisher hat es nie jemand geschafft, lebend aus dieser zu entkommen." Cognac fing leicht an zu lachen. "Es gibt nur Herausforderungen, Vermouth, oder was sagst du? Es gibt immer ein erstes Mal." Ein gerissener und selbstsicherer Blick war auf Cognacs Gesicht erschienen. "Hast du Angst, dass es auffliegen könnte und du dann mit drin hängst?"

Wer hätte das nicht, wenn er die Organisation kannte? Immerhin musste sie in ihrer Laufbahn ziemlich viele Menschen nur deswegen töten, um nicht selbst zu sterben, so lief das eben in der Schwarzen Organisation. "Jeder hat Angst, es geht darum sie zu tarnen. Es ist vollkommen egal, wovor man Angst hat, man darf sie nur nicht zu anderen durchdringen lassen. Tut man das, wird man schwach und angreifbar. It's a silly thing." Irgendwie klangen ihre Worte nicht nach einer bösen Killerin, aber das wusste er ja bereits, sie unterhielt sich mit ihm, wie ein normaler Mensch, wie jemand, der ein Herz besaß und nur aus Angst böse geworden war, zumindest vermutete er dies. "You're weird, Vermouth." Das wusste sie schon, aber wieso sagte er das? "But very interesting." Wie gut, dass seine Englischkenntnisse sehr ausgeprägt waren, da seine Großmutter Amerikanerin war. Sollte sie sich etwa dafür bedanken? Ihr war danach, doch bevor sie es tun konnte, zog er sie mit einem Ruck an sich und da sie zu sehr überrascht war, konnte sie auch nicht verhindern, dass er ihre Lippen mit seinen verschloss. Worum war es gerade bitte noch gegangen? Um Brandy? Wen interessierte das schon? Es war ja nur ein kleiner Kuss, nichts weiter, für einen Moment konnte sie da ja von ihrer gemeinen Seite ablassen und die Sache genießen... außerdem hatte Merlot da ja so eine Sache angerührt, weswegen sie aufpassen musste, damit Cognac nichts davon mitbekam, weil es ein Geheimnis war, das niemand kennen sollte. Der junge Mann fühlte sich, als sei er dabei abzuheben und in den Himmel zu schweben. Warum nur?

Die Frau wollte nach langer Zeit mal wieder aufrichtig ihren Spaß haben, sie wollte das Leben genießen, wer wusste schon, wann es enden würde? Und sie wollte einen Mann küssen, ohne sich dabei etwas zu versprechen. Was machte es da schon, wenn es ein ziemlich junger Mann war? Das war ihr mit der Zeit ziemlich egal geworden, außerdem wirkte er älter, als er in Wirklichkeit war und übel war er schon gar nicht.

Er bemerkte, dass die Zeit verging und sie sich nicht wehrte, also hatte er es geschafft, dass sie wieder auf ihn einging, was ihn freute und dazu brachte, dass er einen Schritt nach vorne machte, indem er seinen eigenen Kuss vertiefte und mit seiner Zunge stürmisch zwischen ihre Lippen fuhr. Etwas überrascht, obwohl es sie eigentlich nicht wundern dürfte, reagierte sie auf das verlangende Spiel seiner Zunge. Was er konnte, konnte sie aber auch, weswegen sie das Spiel weiterging und auch ihre Zunge gekonnt einsetzte, um ihm den Atem zu rauben, er sollte merken, dass er sich da auf ein heißes Feuer einließ und langsam die Beherrschung verlieren. Wenn er dann soweit war, würde sie ihn wie eine heiße Kartoffel fallen lassen, dann würde der Kleine endlich merken, dass sie für ihn eine Nummer zu groß war. Zu ihrer Verwunderung hielt er sehr gut bei ihrem Tempo mit und es schien ihm gar nichts auszumachen, weswegen er sie noch herausforderte und sich die beiden fast verschlangen. Sie bemerkte, dass sie es jetzt war, die ihre Kontrolle einbüßte, weswegen sie sich von ihm losriss und es so wirken ließ, als hätte sie keine Lust mehr, obwohl es ihr eher zuviel geworden war, da sie sich verkalkuliert hatte. Schmollend sah er sie an, weil sie sich ihm einfach mal eben entzog, deswegen grinste sie gehässig. "Ich denke, es ist genug für's erste." Dabei hatte er gedacht, dass sie nach Hause gehen würden und er sie etwas um den Finger wickelte, damit sie ihm einerseits wegen Brandy half und andererseits hätte er das von neulich Nacht gerne wiederholt. Nur war da noch etwas, das er bemerkt hatte, neulich hatte sie etwas weniger auf den Hüften gehabt, echt seltsam. Und überhaupt ihre Figur war auf einmal ganz anders. Skeptisch blickte er sie an. "Was ist?"

"Gar nichts, aber wir sollten bei unserem Spielchen nicht das vergessen, was wir vorher besprochen haben", versuchte er sich zu retten. "Ich habe dir was gutes getan, jetzt solltest du dich revanchieren und meine Freundin da raus holen..."

Ihr Gesicht zierte ein empörter Blick. Was für eine Frechheit, da versuchte sie ein 17-jähriger zu benutzen, wie konnte er es bloß wagen? "So leicht kann man mich aber nicht umstimmen... Ich kann nichts tun."

"Nein, du willst nicht, weil du dir noch vor lauter Angst ins Hemd machst." Es kam gleich die nächste Frechheit, andere hätte sie für so etwas verprügelt oder gleich erschossen, wenn sie ihr zu sehr auf die Nerven gingen und sie benutzen wollten. "Pass auf, was du sagst, sonst machst du dir vielleicht bald mal ins Hemd."

"Ich werde jedenfalls nicht so wie andere tatenlos zuschauen, wie man meine Freundin verdirbt, wenn du mir nicht hilfst, dann mache ich es ohne dich, ich bin nämlich nicht so feige." Anscheinend wollte er, indem er immer wieder sagte, dass sie ein Feigling war, erreichen, dass sie es doch tat, aber dachte Cognac wirklich, dass man sie so leicht reinlegte? "Auch wenn du es noch 20 mal sagst, es bleibt dabei..." Was für ein sturer Esel, aber okay, er hatte es ernst gemeint, nur über seine Leiche würde Brandy zur Organisation gehören. Vermouth glaubte ihm ja offensichtlich nicht, dass er es wagen würde, na, die würde sich auch noch über ihn wundern, vielleicht hatte er dann auch gleich ein Stein bei ihr im Brett, wenn er es ihr bewies...
 

Eine junge, hübsche Frau wartete auf ihren Mitternachtsflug in die USA. Ihre rotbraunen Haare, die ihr bis zur Schulter gingen, aber nicht nur darauf, sondern auch auf ihren Freund, der ihr diese Flucht möglich gemacht hatte.

Sêiichî kam gerade beim Flughafen an, als die Maschine anfuhr, es war jetzt genau fünf Minuten vor Zwölf. Hoffentlich würde die Frau auch hier auftauchen, er hatte sie nämlich darum gebeten. Eigentlich war sie längst da, er sah sie nur nicht.

"Hey, Shizuka", rief er der Rotbraunhaarigen zu, die gerade auf das Flugzeug zusteuern wollte, als ihr Bekannter am Narita-Airport ankam. "Hi, Sêiichî...", meinte sie lächelnd. "Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll..."

"Tu es nicht, du solltest erst einmal heil dort drüben ankommen, bevor du das tust. Und ich wünsche dir, dass du dort ein angenehmes Leben führen kannst."

Ein selbstsicheres Lächeln war der Frau gegeben, bevor sie ihn kurz umarmte. "Ich hatte lange Zeit vergessen, was es heißt, Freunde zu haben. Ich werde dich vielleicht sogar etwas vermissen, Sêiichî." Er hielt sie für einen Moment fest in seinen Armen, ließ sie dann aber wieder los. "Dein neues Leben wartet auf dich", sagte er lächelnd. "Ich weiß schon, was ich dort drüben mache, ich werde mir einen Traum erfüllen..." Der junge Mann schloss die Augen, er wusste, von welchem Traum sie sprach, es war derselbe, den er später einmal einschlagen würde, zumindest so in etwa. "Für die Gerechtigkeit, Shizuka", er reichte ihr einen Glückbringer, auf dem Glück und Erfolg in Kanji stand, was sie rührte und deswegen Tränen in ihren Augen standen, die bei seinen nächsten Worten die Wangen hinabglitten. "Das wird dich beschützen, ich werde dich nie vergessen, verstanden? Solltest du mal meine Hilfe brauchen, komme ich sofort rüber in die Staaten und helfe dir, du musst mich nur anrufen, meine Handynummer ist nach wie vor die Gleiche."

"Da müsste ich es aber schon sehr nötig haben, mein kleiner Macho." Vermouth, welche die beiden aus einiger Entfernung beobachtete, hatte einen zufriedenen Gesichtsausdruck inne. Sie hatte wirklich nicht daran geglaubt, dass er so etwas verrücktes tun könnte, immerhin hatte er nicht nur den Flug auf die Schnelle besorgt, nein, er hatte auch dafür gesorgt, dass sie eine Bleibe haben würde, bei seiner Großmutter, die auch Sharons Tante war. Sie hatte so gut wie nichts mit der Organisation zu tun und es würde mit Sicherheit niemand dahinter kommen, dass Cognac sie weggeschafft hatte, immerhin wusste nur sie, dass er Merlots Sohn war und nur in die Organisation gekommen war, um sich zu rächen, dieses Geheimnis würde sie auch ins Grab nehmen, wenn es sein musste. Brandy hatte sich wohl zu beeilen und stürmte ihrem neuen Leben entgegen, das in die Maschine führte, so dass Chris aus ihrem Versteck an Sêiichî herantrat. "Glückwunsch, Darling. Jetzt bist du deine neue Partnerin schon wieder los!" meinte sie neckisch und lachte ein wenig. "Ich hab ja noch dich, Vermouth", gab er mit einem Hauch Deprimierung zurück, da er wohl doch um Brandy trauerte, weil sie jetzt so weit weg sein würde, er schaute dem Flugzeug noch beim Abheben zu, wobei jedoch ein Lächeln in seinem Gesicht erschien. "Es ist gut so, wie es ist..." Mit den Worten drehte er sich wieder zu der blonden Frau herum und ein etwas kühler Wind zerrte an ihren langen Haaren. Es brauchte nicht viel, um zu wissen, dass sie es ihm angetan hatte, dafür musste man ihm nur in die Augen sehen. "Hast du mich eigentlich nur hierher kommen lassen, um mich zu beeindrucken?" fragte sie und er grinste, während er die Augen schloss. "Ich wollte dir bloß beweisen, dass es nicht unmöglich ist..." Jetzt kam sich der Junge ganz groß und stark vor, oder was? Sie seufzte. "Ich kann so oft abhauen, wie ich möchte, man wird mich immer und überall finden. Ich gehöre mehr zur Organisation als Brandy es je getan hätte, ich hab Verwandte dort, deswegen ist es mir nicht möglich zu fliehen, weil diese Leute es nie zulassen würden.." Das war alles, was sie ihm mit auf den Weg gab, woraus er nicht wirklich schlau wurde. Diese Verwandten kannten sie natürlich, da lag auch das Problem der Frau. Wie sollte sie Menschen etwas vormachen können, die sie besser als sonst wer kannten?

"Was für ein Schlamassel", seufzte er geflüstert und sah sie dann nur noch von Dannen schreiten, mit diesem ganzen Stolz, den sie mit ihrem Gang ausstrahlte. Das war wohl auch ein Grund dafür, dass sie so biestig mit Chardonnay verfuhr, obwohl da sicher noch mehr dahinter steckte.

11. Oktober - Feindschaften....

Ja, ich bin ja brav -.- *zu niemand bestimmten schiel* Kommi wäre nett gewesen Ryoleinchen... Forderungen stellen, aba nix kommentieren, ja das hab ich gerne >.>v aba ich sag's dir, wenn ich da keinen Kommi krieg, schmoll ich und es geht ne ganze Weile nich weiter, also überleg dir, was du tust *evilol*

Tut mich echt sry, dass die beiden noch nich so weit gekommen sind, aba es muss ja nich immer nach SEINEM Kopf gehen XDDDDDDDDDDDDDD Außerdem hat das einen Grund >.> *schmoll* gewisse Dinge brauchen Vertrauen *LOL* und dann iz da noch was.. musst nur lesen, wirst hoffentlich drauf kommen... T_T'

Und jetzt geh ich wieder XD mal sehen, wie schnell der Teil on iz *ROFL*

*wechkuller*

*heute mal net platz* XDDDD


 


 


 

Es war noch einmal erstaunlich warm geworden, trotz des herannahenden Novembers. Es regnete zwar andauernd und war deswegen windig, aber man hätte durchaus ohne Jacke draußen rumlaufen können. Nur am frühen Morgen war es recht kühl. Yûmikô hatte ihre Jacke über den Stuhl gehängt, da es im Klassenzimmer sogar zu warm war, um sie anzulassen.

,Yûmikô Otaké, ein Anruf für sie', tönte es durch die Lautsprecher mitten im Chemieunterricht, in dem gerade ein Experiment gemacht wurde. Obwohl Sêiichî schon eine Weile in dieser Klasse war, wusste er den kompletten Namen einiger Mädchen noch nicht, weswegen er kurz schockiert aussah. "Otaké?" meinte er schockiert. Ryochi fand das etwas seltsam und schaute seinen Chemiepartner prüfend an. "Du siehst aus, als wenn du einen Geist gesehen hast." Sêiichî seufzte, es war wirklich traurig, wie wenig er die Familien seiner Freundinnen kannte. "Nun ja, es war etwas schockierend, als ich eben den Namen hörte, weil ich mal mit einem Mädchen zusammen war, das auch Otaké hieß und ich aber keine Ahnung hatte, dass Yûmikô auch so heißt und vielleicht Shizukas Schwester ist, ich kannte nur ihren Bruder..." Ryochi gab ebenfalls ein Seufzen von sich. "Idiot, du lässt dich mit allem möglichen ein und dann hast du keine Ahnung, wer das wirklich war, du bist echt ein hoffnungsloser Fall."

"Ich wüsste nur zu gerne, wie mir so was entgehen konnte.." Es musste daran liegen, dass das ganze schon eine ganze Weile her war und Yûmikô ihm damals nicht aufgefallen war, weil sie ihm zu jung gewesen war, anders konnte man das nicht erklären.

Yûmikô war gerade zur Tür hinaus verschwunden, woraufhin die Lehrerin mit ihrem Stöckchen auf den Tisch schlug. "Starrt keine Löcher in die Luft, sondern macht mal weiter. Ich will heute noch Ergebnisse sehen", meckerte sie ihre Schüler an, wobei sie wohl besonders Ryochi und Sêiichî meinte, weil sie sich unterhalten hatten. Wataru war total in Gedanken versunken. Toshizo beobachtete ihn, er würde sicher gleich einen Fehler machen, der war ja gar nicht bei der Sache. "Hey, Wataru", meinte Takahashi freundlich, was andere auch hinterlistig genannt hätten. "Weißt du überhaupt, was du da tust...?" fragte er ihn gehässig, woraufhin Wataru aus seinen Gedanken gerissen wurde. "Ähm...."

"Wusst ich's doch. Frau Nanaku, Wataru weiß die Formel nicht mehr", schwärzte er den Jungen bei der strengen Lehrerin an. "Hey, Ryochi, zeig Wataru mal, wie das geht", ordnete sie an, was Takahashi ein Knurren entlockte. Eigentlich hatte er gewollt, dass Wataru einen Anschiss bekam, aber es schien, als hätte die Lehrerin diesen ganz besonders gerne, weswegen sie ihm gleich den besten Schüler als Hilfe gab, noch dazu war der Typ mit ihm verwandt, na toll. Warum wanderte der denn eigentlich nicht aus, so wie sein bescheuerter Bruder? Ryochi flüsterte Wataru etwas zu, da dieser seufzte. "Nichts anmerken lassen... Der will doch nur, dass es dir schlecht geht, tu so, als wäre nichts, das ärgert ihn am meisten."

Sêiichî bastelte weiter an seinem Experiment herum, sein Vater war Wissenschaftler und natürlich kannte sich sein Sohn deswegen auch etwas in Chemie aus. Das war bisher immer eines der wenigen Fächer gewesen, in denen er wirklich klarkam. Es reichte allerdings für den Beruf aus, den er mal ausüben wollte. Sportlich unbegabt war er nicht, auch wenn er in keinem Sportclub war. Und Naturwissenschaften fielen ihm recht leicht, alles andere konnte man bei ihm getrost abschreiben, zumal er sich da nicht besonders bemühte, wenn er aber gewollt hätte, wäre er auch ein Matheass geworden.

Wataru war mit seiner Arbeit fertig und setzte sich auf seinen Platz, da er das Stehen im Moment satt hatte. "Woher kennst du Takahashi eigentlich so gut?" Ryochi seufzte leicht, er hatte keine Lust das jetzt hier zu besprechen. "Später, ja?" Der andere nickte und der Rest der Stunde verlief reibungslos.
 

"Endlich Sense für heute", gähnte Kôji, der gegen Ende fast eingeschlafen wäre, da sie Geschichte gehabt hatten, jetzt allerdings war die Schule aus. "Hey, wo ist Sêiichî denn schon wieder hingegangen?" fragte Wataru Ryochi, weil er sich gerne mal mit dem Kerl wegen gewisser Dinge unterhalten hätte. "Ich habe keine Ahnung, der haut doch immer gleich ab, wenn's klingelt." Kôji musste irgendwie lachen. "Der Kerl ist kein Musterschüler, der hat wohl eher was anderes im Kopf." Ryochi schaute kurz gehässig, seufzte dann aber wieder. "Ich geh dann auch mal. Shina hat jetzt ja noch mit Karate zu tun. Und ich werde dann ins Präsidium zu meinem Vater gehen, macht's gut, ja? Und lasst euch ja nicht von Takahashi und co. ärgern." Was sollte das denn? Kôji fragte sich, was heute mit Ryo los war. Besonders glücklich sah er ja nicht aus.
 

Ryochi kam gerade draußen auf dem Sportplatz vorbei und hörte Stimmen, weswegen er stehen blieb und sich hinter der Ecke des Sportgebäudes versteckte. "Das sagst du nicht noch mal, du elende Drecksau!" brüllte einer der Jungs und wurde von einem anderen festgehalten. "Ruhig Blut, er hat dich doch nur provoziert!"

"Tob dich nur aus, ich kenne dich und ich sag's dir, lass Shina Kudô in Ruhe, sonst setzt es was, mein lieber Takahashi. Sie ist mit Ryo zusammen und so wird es auch bleiben. Such dir was, das zu deinem Niveau passt." Oh ja und wie Sêiichî Takahashi stichelte, er forderte es ja geradezu heraus, dass sie sich prügeln würden. "Was bist du bloß für ein Angeber, Sêiichî Iwamoto? Du bist das Letzte!" meinte Kenji verabscheut und entlockte Sêiichî ein kleines Lachen. "Aber, aber, Kenji, schau doch erst mal dich an, du bist das ALLERLETZTE!" meinte er belustigt und legte seinem Blick etwas spöttisches bei. "Alleine, dass du mit diesem Abschaum befreundet bist, sagt alles... Man kann deinen Charakter an deinen Bekanntschaften ja quasi ablesen."

"Dich mach ich fertig, Iwamoto!" schrie Takahashi, der sich von seinem eigenen Freund losreißen wollte, um es Ryochis bestem Freund zu zeigen, was er auch schaffte, sich loszureißen, so dass er auf ihn losging. Sêiichî fing lässig seine Hand ab und grinste ihn spöttisch an. "War's das schon?" Toshizo war gerade um die Ecke auf der anderen Seite gekommen, so dass er Ryochi nicht sah und dieser ihn ebenso wenig. Er bemerkte sofort, dass sein Freund Takahashi Probleme mit Sêiichî hatte und hob einen dicken Stock vom Boden auf. "Na warte...", flüsterte er zu sich selbst und rannte auf die Geschehnisse zu. Wie wild geworden schrie der Junge auf und schlug von hinten auf Sêiichî ein, was Ryochi nun auch sah, so dass er entschied sich einzumischen. "Hört auf mit dem Mist und lasst Sêiichî in Ruhe, ganz besonders du, Toshizo!" Er schnappte den Kerl von hinten, bevor er Sêiichî noch zu Tode prügeln würde, so wie der gerade drauf war. Der 17-jährige Freund von Ryochi hatte ein paar ordentliche Schläge in den Rücken einstecken müssen und sah jetzt Takahashis Faust nicht kommen, so dass sie in seinem Gesicht landete und er nach hinten flog. Ryochi hielt immer noch Toshizo von seinem Freund fern, da er aus der Vergangenheit wusste, wie schlimm der Kerl in dieser Hinsicht drauf sein konnte. "Ich lasse ihn nicht in Ruhe, er lässt meinen besten Freund ja auch nicht in Ruhe, wieso also sollte ich mich raushalten??!" Toshizo verpasste Ryo einen Schlag in den Magen, da der Kerl ihn nur interessierte, weil er Sêiichîs bester Freund war und er ihn am liebsten für sich selbst hätte, um Sêiichî wehzutun. Als Sêiichî zuschlug und Takahashi eindeutig den kürzeren zog, mischte sich jetzt auch Kenji ein, immerhin hatte der Kerl auch ihn vorhin beleidigt, weswegen sich alle beide auf Sêiichî stürzten. Ryochi wurde von Toshizo festgehalten, damit er Sêiichî nicht helfen konnte. Obwohl sein Freund sich in der Vergangenheit schon oft mit anderen geprügelt und dabei auch gewonnen hatte, hatte er jetzt keine Chance, da einer ihn festhielt und der andere auf ihn einschlug. Als er da so am Boden lag, war das schon irgendwie verlockend für Toshizo, so dass dieser einmal mit dem Stock ausholte und Sêiichî dabei einmal fast mitten im Gesicht erwischte, wobei er ihm sicher die Nase gebrochen hätte. Ryo schnappte sich wieder Toshizo und riss ihn an seinem Hemd nach hinten. "So nicht Freundchen!" Wie konnte der Kerl es überhaupt wagen, Sêiichî mit einem Stock anzugreifen, noch dazu mitten ins Gesicht? Der wurde ja immer schlimmer, was aber bei Umgang mit Takahashi kein Wunder sein sollte. Sêiichî schlug seinen Widersachern mit aller Kraft seine Fäuste ins Gesicht, auch wenn er fast wehrlos da am Boden lag. Irgendwie musste er sich ja zur Wehr setzen, aufgeben war nicht so seine Stärke. Sêiichî hatte bereits jede Menge abbekommen, als Kôji und Akemi gerade am Sportplatz vorbei kamen und das Ganze sahen. Da es beide nicht so mit Schlägereien hatten, zogen sie es vor, einen Lehrer zu holen, der die Vier voneinander trennte und sie alle außer Sêiichî und Ryochi zum Direktor schickten. Wenn Ryo sagte, dass er nicht angefangen hatte, glaubte man ihm und dass Sêiichî verprügelt worden war, sah man auch so.

"Bist du okay?" fragte Akemi, was Kôji nicht lustig fand, da sie so besorgt wirkte, so als würde ihr etwas an Sêiichî liegen. Allerdings war Eifersucht hier jetzt etwas Fehl am Platz, wie er fand, schließlich hatte der arme Kerl ja richtig was abbekommen. Er stützte Sêiichî etwas, der an der Stirn angefangen hatte zu bluten. "Wird schon irgendwie gehen", sagte Sêiichî, um die anderen zu beruhigen. Ryochi war jetzt auf der anderen Seite und half ihm ebenfalls. "Toshizo hat sie nicht mehr alle, der ist ja total auf dich fixiert. Ich frage mich, was du dem getan hast, dass der so drauf ist, er wollte dir mit einem Stock ins Gesicht schlagen."

"Ja, der wollte mir die Fresse polieren...", meinte Sêiichî mit einem spöttischen Ton, wobei das die anderen nicht allzu witzig fanden. "Der kann mich eben nicht ab, das konnte er noch nie... Wundert es dich da etwa, Ryo, dass er jetzt so drauf ist?" Jedoch fragte sich Sêiichî, wieso dieser Kerl jetzt ausgerechnet nach Tokyo gekommen war, was wollte der hier? War er nur seinetwegen hier, um ihn quasi zu verfolgen?

"Mich wundert es nur nicht, dass Takahashi und er jetzt noch bessere Freunde sind als früher schon. Jetzt gehen die schon gemeinsam auf meinen Freund los..." Etwas zur Seite schauend, was zu allem Überfluss auch noch verdammt deprimiert aussah, sagte Ryochi diese Worte. Er mochte sie alle nicht, sie wollten seinem Freund wehtun, obwohl er ihnen nie was böses getan hatte, zumindest nicht absichtlich. Die Drei brachten Sêiichî ins Krankenzimmer und Akemi verarztete die Verletzung an seinem Auge. "Jetzt verschandeln die mich... Oh man", seufzte er. "Halte mal still, Sêiichî, damit ich das Pflaster richtig draufkleben kann", meinte Akemi genervt und befestigte dann das Pflaster über Sêiichîs Augenbraue. "So kann ich nicht auf diese Party heut Abend gehen." Wenn ihn das schon deprimierte... Ryochi wandte sich ab. "Ich gehe nach Hause", sagte er und verschwand zur Tür hinaus. "Nimmt ihn wohl mehr mit, als ich gedacht habe", sagte Kôji, was Sêiichî nicht so recht verstand. "Nee, der ist nicht so schnell unterzukriegen..." Da war irgendetwas anderes im Busch, etwas, das er noch unbedingt erfahren musste. "Ich muss ihm mal eben nach, macht euch keine Gedanken", sagte er, nachdem er sich bereits erhoben hatte und verschwand schon zur Tür hinaus. Akemi rannte ihm nach, was Kôji mit Halbmondaugen beobachtete. "Warte, Sêiichî", sie hielt ihn am Arm fest. "Was denn, Akemi?" fragte er, dann sah er diese besorgten Augen und seufzte. "Du solltest dich noch eine Weile hinlegen, die haben dir ja ziemlich zugesetzt." Sêiichî lächelte auf seltsame Weise und nahm ihr Kinn in seine Hand. "Machst du dir etwa Sorgen um mich? Das musst du nicht, Darling... Mir geht es gut, allerdings scheint es Ryo nicht besonders zu gehen, ich will den Grund erfahren." Er ließ von Akemi ab, es gab jetzt wichtigere Dinge, als mit einem Mädchen zu flirten, immerhin ging es jemandem schlecht, der ihm sehr am Herzen lag.

Obwohl Sêiichî nach der Auseinandersetzung nicht rennen sollte, tat er es und gelangte am Schultor an, das Ryochi gerade passiert hatte. "Warte", rief er ihm nach und der Angesprochene drehte sich zu Sêiichî mit einem Seufzen um. "Du solltest dich schonen, die haben dir ordentlich Zunder gegeben, stattdessen rennst du hier rum, das ist nicht gesund", meckerte er ihn gleich an, was ja mal wieder typisch war. Sêiichî musste lächeln, er wurde von Tag zu Tag mehr wie sein großer Bruder Yuichi. "Ich habe es auch schon anderen gesagt, dass man mich so schnell nicht fertig macht, ich sage es dir jetzt auch. Mir geht es gut." Er wollte den Namen Yuichi vermeiden, das Thema fiel weitesgehend unter den Tisch, weil Ryochi dann meistens sowieso nur deprimiert wurde, obwohl Sêiichî nicht wusste, weswegen das so war, da er selten über seinen verlorengegangenen Bruder sprach. Vielleicht vermisste er ihn schlichtweg, aber sicher war der 17-jährige da nicht. Und da er sowieso schon mies drauf zu sein schien, redete er lieber von anderen, statt von Yuichi. "Was ist los mit dir, Ryo?" fragte Sêiichî sehr besorgt. "Du bist heute so komisch", begründete er dann. "Lass uns nicht hier darüber reden", meinte sein Freund und er nickte. "Gehen wir zu dir?"

"Ja, meinetwegen..."
 

Wenig später saßen beide mit einer Coladose auf Ryochis Bett. "Also, schieß los, was bedrückt dich?" fragte Sêiichî einfühlsam, was andere gewundert hätte, da er ein schrecklicher Macho war, solche Leute waren normalerweise weniger sensibel, doch Ryochi war das gewohnt, er wunderte sich nicht über Sêiichîs Verhalten, er benahm sich meistens wie ein großer Bruder.

"Es ist... Masami...", zwängte Ryochi hervor, was Sêiichî noch nicht so ganz verstand. "Was ist mit Masami?" fragte er ahnungslos, da er von gestern ja nichts ahnte, er war ja anderweitig beschäftigt gewesen. Er kannte Masami und wusste daher, wen er meinte. Der traurige Glanz in Ryos Augen ließ Sêiichî schlucken, so dass er etwas zu ihm rutschte und einen Arm um ihn legte. "Was ist passiert? Habt ihr euch gestritten? Hat sie dir jetzt auch gesagt, dass sie dich liebt, so wie Riina neulich?" Wundern täte es den Älteren nicht. Ryochi wusste nicht, wo er anfangen sollte und schwieg noch einen Moment. "Weißt du, Sêiichî, ich bringe den Leuten Unglück...", meinte er dann, schloss die Augen und seufzte, als würde er sich selbst nerven. Wie war das noch mit seinem Bruder gewesen? Der Junge hatte es zwar niemandem gesagt, nicht mal Sêiichî, aber er alleine war schuld, dass Yuichi verschwunden war, er trug die Verantwortung dafür, dass er jetzt Probleme hatte. In Masamis Fall war es dann noch ein wenig schlimmer, Yuichi lebte immerhin noch, zumindest hoffte Ryochi das, nämlich, wenn es nicht so war, würde er sich das niemals verzeihen, immerhin war er sein Bruder. Masami war schon schwer zu verdauen, immerhin war sie Hitomis Freundin, aber der eigene Bruder...

Niemals hatte er sich so schuldig und hilflos gefühlt. Selbst wenn er wollte, er könnte ja nicht mal Kontakt zu seinem Bruder aufnehmen, weil er keine Adresse hinterlassen hatte. "Nun sag schon, Ryo, was ist mit Masami passiert?" wollte Sêiichî jetzt endlich wissen, woraufhin Ryochi wieder nur seufzte. "Sie war in der Organisation und ich wusste es, und obwohl ich es wusste, konnte ich ihr nicht helfen. Ich war blind auf beiden Augen. Ich kannte sie doch, ich hätte wissen müssen, dass sie..." Ryo brach ab und griff sich an den Kopf. "Nicht nur sie kannte ich, ich kenne sogar die Organisation. Ich habe ihr ihren Auftrag versaut, weswegen ein Mann aus der Organisation sie kurz bevor ich bei ihr ankam, einfach niedergeschossen hat. Wäre ich nicht gewesen, würde sie sicher noch leben." Sêiichî war erst einmal schockiert und musste die Worte seines Freundes verdauen. "Hayakawa-chan wurde erschossen? Du hast sie gefunden, nehme ich an." Äußerlich schien es den Jungen kalt zu lassen, was geschehen war, innerlich war er wie schon öfter voller Hass auf die Organisation, die andauernd in Ryos Umfeld Menschen wehtat, oder sie töten ließ. "Dich trifft keine Schuld, schuld ist nur die Organisation, mach dich nicht für deren Schandtaten verantwortlich, mein Freund. Du wolltest Unrecht verhindern, mehr nicht, deswegen hast du sie nicht umgebracht." Er drückte ihn leicht an sich. "Ich habe als Detektiv sang und klanglos versagt, ich will doch Menschen retten, aber ich habe sie stattdessen ins Verderben gestürzt."

"Ist schon okay, dass dich das trifft, ich bin ja da und stütze dich, Kumpel." Es tat ihm Leid, wenn er seinen Freund vor solchen schlechten Einflüssen nicht beschützen konnte. "Du weißt nicht zufällig, wer sie niedergeschossen hat?" fragte Sêiichî fast schon ein wenig scheinheilig, denn wenn er wusste, wer seinem Freund so etwas antat, würde dieser Jemand dafür büßen, Sêiichî würde sich für so jemanden schon etwas besonderes ausdenken. "Keine Ahnung, die sind doch fast alle gleich. Die ermorden, wenn man versagt und ich wusste das. Ich wusste ganz genau, wenn Masami versagt, würde sie in Gefahr sein, aber vor lauter Gerechtigkeitssinn habe ich nicht daran gedacht, dass es durchaus so kommen könnte. Als sie dann in meinen Armen verblutet ist...", er ballte die Hände zu Fäusten und kniff die Augen zusammen, "da wurde mir nur klar, dass ich die Verantwortung dafür trage." Sêiichî verstand ihn, wäre ihm so etwas passiert, hätte er sich wahrscheinlich auch verdammt. Eigentlich war er ja dumm, Vermouth zu irgendwelchem Verrat überreden zu wollen. Die würden sie skrupellos töten lassen, wenn sie ihnen nichts mehr nutzte, er dachte nur an sich. "Ach komm schon, Ryo, ich bin vielleicht noch viel schlimmer, ich würde alles tun, um die Organisation klein zu kriegen, sogar über Leichen gehen, das ist doch viel schlimmer, sorge du nur weiter für Gerechtigkeit, du darfst nicht an dir zweifeln, nur weil du einmal versagt hast... Du bist ein guter Detektiv, du könntest denen gefährlich werden, aber bitte... sei damit vorsichtig, sonst trifft es vielleicht dich..."

"Nein, schlimmer, Sêiichî... Ich wollte meinen Vater auf Teufel komm raus vor der Organisation retten... Ich dachte nur an mein eigenes Wohl, alles andere war mir doch in dem Moment egal, so darf ich nicht handeln, ich hätte mehr nachdenken sollen..." Sêiichî seufzte, hörte man ihm denn überhaupt noch zu? "Na und? Etwas Egoismus muss auch mal sein, oder willst du sagen, dass es besser gewesen wäre, sie hätte deinen Vater umgebracht? Denk doch nicht so negativ... Du hast nicht komplett versagt... immerhin lebt dein Vater noch. Ich würde auch so handeln... Wenn ich meinen Vater retten müsste und dafür..." Was redete er da eigentlich? "Nein, wahrscheinlich nicht... Mein Vater ist was anderes als deiner." Er schloss die Augen und lächelte bitter. "Ich würde dich retten..." Sein Vater war weg, Ryochi nicht, er war ihm bereits wichtiger als sein Vater. Obwohl er hoffte, dass er sich nicht eines Tages zwischen den beiden entscheiden musste. ,Ich werde immer auf dich aufpassen, wie Yuichi es immer tat, bis er spurlos verschwand.' Sêiichî versuchte manchmal Ryochis älteren Bruder zu ersetzen, immerhin war er ja jetzt der älteste Sohn in seiner Familie. Er selbst hatte nur einen Bruder, der ihn wohl nicht ausstehen konnte, weswegen auch immer das so war, er wusste es ja nicht. "Du würdest deinen Vater tatsächlich meinetwegen im Stich lassen? Gut so etwas zu wissen, aber ich weiß nicht, ob mich das freuen soll.." Ryochi seufzte in sich hinein. Hoffentlich würde er nicht auch mal am Tod von Sêiichîs Vater schuld sein, das wollte er nicht, da starb er lieber.
 

Es klopfte gegen die Hotelzimmertür, was die Frau, die sich gerade zum weggehen zurecht gemacht hatte, mitbekam und daher zur Tür ging, um sie zu öffnen. "Herrje, was willst du schon wieder hier?" fragte sie genervt, zog ihn zur Tür rein und verschloss diese hinter ihm. Sie roch den Regen, er war wohl von diesem überrascht worden. "Dir liegt was an Campari, oder?" fragte er die blonde Schönheit, die etwas überrascht reagierte und einen Moment stutzte. "Soll das eine Fangfrage sein, Darling?"

"Lass das Darling weg!" motzte er, ging an ihr vorbei, wobei er ihr den Rücken zuwandte. "Schlechte Laune?" meinte sie ruhig, wobei sie fast grinsen musste. Man merkte sofort, wo sein Schwachpunkt lag, ihr war schon klar, dass etwas mit Ryochi gewesen war.

"Mach mich nicht so dumm von der Seite aus an, Süße, klar? Ich habe ganz sicher keine gute Laune, wenn eine enge Freundin meines Freundes von der Organisation einfach ermordet wird und Ryo deswegen deprimiert zu Hause sitzt und sich an allem die Schuld gibt!" meinte er weiter ziemlich gereizt, was sie fast ein wenig wütend machte, so dass sie auf ihn zuging und ihn am Kragen nahm. Sie tat es nicht, weil er sich im Ton vergriff. "Pass mal auf, du oberschlauer Junge", meinte sie in gemeingefährlichem Tonfall. "Du solltest deine Gefühle nicht für alle sichtbar machen, das macht dich angreifbar! Man sieht dir alles an, was du für Campari übrig hast... Andere würden das gemein ausnutzen, du hast echt Glück, dass ich nicht zu diesen Leuten gehöre, weil ich ihn selbst irgendwie mag. Aber sollten die falschen Leute Wind davon bekommen, hast du ein echtes Problem." Wie konnte sie es wagen, so etwas zu behaupten? "Wenn du die Organisation meinst, dann sei beruhigt, die wird sich noch über mich wundern."

"Cool down", meinte Chris seufzend. "Da kriegt man ja glatt Kopfschmerzen. Du solltest dich nicht so aufregen, blinde Wut bringt gar nichts, dann machst du nur unnötige Fehler. Darüber hinaus, was kommst du mit so was zu mir? Er ist dein Freund! Oder willst du sagen, dass ich Schuld habe?" Ihre Augen funkelten gefährlich auf und sie zog ihn noch näher an sich heran. "Oder weswegen bist du sonst da? Mit Vorwürfen kannst du gleich wieder die Segel streichen!" Was bildete der sich eigentlich ein? Sie vertrug viel, aber solche Sachen ließ sie sich nicht anhängen. "Du bist total unfähig, Vermouth! Und feige! Ich habe dich um einen Gefallen gebeten, aber du hattest Schiss und ich möchte wetten, dass wenn du davon gewusst hättest, schön brav zugesehen hättest!" Was zuviel war, war zuviel, anderer wären jetzt vielleicht aus dem Fenster geflogen oder erschossen worden, er aber kassierte für seine Frechheit nur eine heftige Ohrfeige und schon war die Gute in Fahrt. "Ich lasse mir solche Sachen nicht vorwerfen! Du kannst nicht wissen, was ich riskieren würde und was nicht, im Gegensatz zu dir versuche ich einen kühlen Kopf zu bewahren, du solltest dir Beherrschung aneignen! Mit so etwas erreichst du bei mir gar nichts." Ihre eine Hand ließ von seinem Kragen ab und ihre eisblauen Augen trafen seine. Ihr Blick war an Standhaftigkeit kaum zu überbieten. Sêiichî hielt sich die Wange, die wie Feuer glühte, dann lachte er leise. "Das sagt die Frau, die mir gerade eine reingehauen hat. Scheint so, als wenn du es gar nicht erträgst unfähig genannt zu werden." Jetzt machte er sich über sie lustig, am liebsten hätte sie ihn ungespitzt in den Boden gerammt. "Idiot... Wenn du sterben willst, ist das deine Sache, ich will mit deinem Kram nichts zu tun haben. Glaub ja nicht, dass ich mich diesbezüglich jemals noch einmal äußern werde. Meine Vorsicht hat nichts mit Feigheit zu tun..."

"Nein, natürlich nicht, du wagst es nur nicht, deinen Boss zu hintergehen und das obwohl du es doch satt hast... Du feiges Stück..." Auch wenn sie ihn noch mal schlagen würde, er hatte davor keine Angst, er musste ihr die Stirn bieten und weiter sagen, was er dachte. ,Will der mich zu einem Verrat überreden, oder wieso wiederholt er das andauernd?'

"Im Grunde brauchst du mich, weil du alleine gar nicht klarkommst." Frechheit, die wurde ja immer dreister, noch dazu lächelte sie jetzt arrogant. "Das hättest du gerne, dass jemand dich braucht. Ich brauche niemanden, ich komme alleine klar! Trotzdem könntest du für das Wohl meines Freundes auch mal was riskieren. Du könntest aufpassen, was der Boss so plant... und auch mal was unternehmen, dann wäre Masami Hayakawa noch am Leben..." Der war ja verdammt frech, aber irgendwie kam es nur sehr selten vor, dass ein Mann so etwas wagte, was es interessant gestaltete. Wie gut, dass sie negative Gefühle gelernt hatte zu verbergen, denn das, was er sagte, tat durchaus ein wenig weh. "Ich passe auf, Sêiichî Iwamoto... Aber manches ist eben nicht zu verhindern. Ich wusste zum Beispiel gar nicht, dass das Mädchen, das man gestern beseitigt hat, mit deinem Freund in Verbindung stand. Ich hatte keine Ahnung... Deswegen war es mir egal." Man sollte sich lieber nicht in Angelegenheiten einmischen, die einen nichts angingen, sonst hielt man für etwas den Kopf hin, mit dem man absolut nichts zu tun hatte. "Du hast wohl ziemlich Schiss, dass du zuviel riskierst, oder was? Deswegen lässt du zu, dass man eine 14-jährige umbringt. Ziemlich egoistisch..." Sollte sie sich das echt weiter anhören? Wenn er je Chancen bei ihr gehabt hatte, dann waren diese jetzt verwirkt, das würde er schon noch merken. "Ich würde keine 14-jährige sterben lassen.... Du scheinst nicht sehr auf Gerechtigkeit zu stehen, wie?" Man sollte denken, bevor man den Mund aufmachte, um etwas zu sagen, sie schwieg lieber und sagte nichts mehr. Wieso sollte ausgerechnet Sharon für Gerechtigkeit sorgen? Das war doch ein Witz! Ihr widerfuhr ja auch nie Gerechtigkeit, andere Menschen konnten ihr egal sein, sie hatte selbst genug Probleme. Wozu sollte sie sich für fremde Menschen interessieren, interessierten sich denn Fremde für sie, ohne Hintergedanken zu haben??? Nee, darauf die nette, hilfsbereite Frau zu spielen, hatte sie nun wirklich keine Lust. Was hatte sie denn davon? Nur Ärger...

"Nein, das gebe ich zu, wieso sollte mich das kümmern?" Sie legte einen gelangweilten Gesichtsaufdruck auf, sie hatte keine Lust dazu für jeden durchschaubar zu sein, weswegen sie jetzt eine kleine Show abzog, um ihr verwundbares Herz zu verstecken, immerhin hatte man sie vor Zeiten dazu getrieben, dass sie so etwas tat, um genau zu sein, Chardonnay hatte sie dazu gebracht. Er hatte es darauf angelegt. "Ich bin eben herzlos, stell dich meinetwegen auf den Kopf, ich muss nicht nett sein, das macht mir gar keinen Spaß!" Ein affektiertes Lächeln war auf ihren Lippen erschienen. Gute Menschen wurden bestraft, wieso also sollte sie immer nett tun? Nee, das hatte sie satt. Es gab Menschen, die hatten es verdient, dass man sie nett behandelte, aber wenn sie die nicht kannte, wozu sollte sie sich denen öffnen? Um verletzt zu werden? Ganz sicher nicht. "Spaß?" Sêiichî war geschockt, wie kam sie denn nur auf dieses Wort? "Geht es in deinem Leben nur ums Spaß haben?"

"Ach Gottchen, denkst du echt, dass du auf jede Frage auch eine Antwort bekommen wirst? Das macht auch keinen Spaß." Sie drehte sich weg und bewegte sich vor dem Spiegel. "Nebenbei, ich gehe jetzt und du fliegst raus. Ich werde jetzt Spaß haben, den kann mir niemand verbieten." Ihr Leben war oft genug ernst, da konnte sie sich auch mal amüsieren, immerhin drehte sich nicht alles um Töten, Gott sei Dank hatte sie ja noch so etwas wie ein anderes Leben, in das sie nach Feierabend flüchten konnte.

Nicht zu fassen, Ryochi trauerte um eine Freundin und die dachte an Spaß haben, das konnte nicht ihr Ernst sein.

"Scheint ja großen Spaß zu machen, vor dem Spiegel sich selbst zu bewundern, was, Vermouth?" machte er sich lustig und gab zur Bestätigung noch ein spöttisches Lachen von sich. "Halt doch die Klappe, oder willst du sagen, dass es dir keinen Spaß macht, mich zu beobachten?" fragte sie frech, dass er sie schön fand, wusste sie ja, da er es ihr gleich auf die Nase gebunden hatte. "Für wen hast du dich so rausgeputzt? Ist es jemand bestimmtes??" Wenn er so dämlich fragte, dann musste sie ihm die passende Antwort geben. "Für meinen Freund..."

Sêiichî konnte im ersten Moment nichts sagen, er wollte sich seinen Neid auch nicht an der Nasespitze ansehen lassen, weswegen er ein gekünsteltes Lächeln aufsetzte. Aber es war schon frustrierend, dass sie ihm so etwas an den Kopf warf. Wie der Gute wohl war? Der musste ja verdammt gut aussehen, wenn sie dafür jeden links liegen ließ. Jetzt wusste er auch, weswegen sie sich nicht mehr auf ihn eingelassen hatte. Wie schade, dann würde sich das von neulich wohl nicht mehr so schnell wiederholen.

"Na viel Vergnügen", obwohl er nicht wollte, war etwas gehässiges in seine Stimme gefahren, dass seine Eifersucht richtig zur Geltung brachte, was er selbst aber nicht bemerkte. ,Er ist ja eifersüchtig...' Ihr Lächeln verriet sofort, dass sie belustigt war, so etwas aus seiner Stimme herauszuhören. "Trauere nicht um mich, dort draußen laufen jede Menge Frauen herum, die nur darauf warten, so einen wie dich kennen zu lernen." Die Frau wusste selbst nicht, wieso sie ihn damit versuchte zu trösten, obwohl er so gemein zu ihr gewesen war, vielleicht mochte sie ihn ja und hatte ihn irgendwie in ihr Herz geschlossen? So etwas hatte ihr gerade noch gefehlt. "Ich hoffe, er ist es wert." Sie schwieg und ihr glückliches Lächeln nahm etwas ab, als hätte er etwas falsches gesagt.

,Ich hasse mein Leben' dachte sie und schminkte sich weiter, als wäre nichts. ,Mein Freund hasst Killer. Wenn er die Wahrheit herausfindet... Ich verliebe mich in die falschen Männer.' Sie fragte sich sowieso immer öfter, ob das Ganze so etwas wie einen Sinn hatte, seit er hinter Vermouth her war, weil sie ihn störte, obwohl er nicht mal wusste, dass das seine eigene Freundin war. Gleich würde er wieder der Kerl sein, der nicht genug von ihr bekam, aber wenn sie als Vermouth unterwegs war, war sie sein Feind. War das am Ende noch auf irgend eine Weise gerecht?

Sêiichî fragte sich, was auf einmal kaputt war, etwas stimmte da nicht. "Wieso antwortest du nicht? Doch nicht so toll, dieser Typ?" Irgendwie fand er das ja lustig, weswegen er lachen musste. "Doch, doch, vor allem stellt er nicht andauernd überflüssige Fragen", meinte sie bissig und legte den Lippenstift bei Seite. "So und jetzt", sie schnappte sich ihren Arm. "Bye Bye, Darling..." Die Frau setzte ihn vor die Tür, schloss ebenfalls ab und ging einfach weg. Da stand er, wie bestellt und nicht abgeholt. Er kam sich vor wie der allerletzte Idiot, den man einfach wegen eines anderen sitzen ließ, was einfach ein beschissenes Gefühl war, so etwas wollte er beim besten Willen nicht fühlen. Das konnte die doch nicht einfach machen, man, war er jetzt vielleicht sauer.
 

Ein Mann stieg aus seinem Auto aus und steckte sich mitten auf der Straße eine Zigarette an. Sein schwarzer Mercedes sah aus, als hätte er ihn erst vor kurzem gekauft, so gepflegt war er. Er hatte einen Auftrag von seinem Boss erhalten und war auf den Weg zu ihr, um die Sache zu besprechen. Ganz in der Nähe war ein Club, indem heute ein bekannter DJ seine heißen Platten auflegen würde. Nachdem er seine Türen verriegelt hatte, ging er auf den Türsteher zu, der ihn sofort reinließ, als er ihn nur böse anschaute. Der schwarzhaarige Mann ging an der Bar entlang und ergatterte einen Platz neben einer blonden Frau. "Ich hoffe du hast meine SMS bekommen, Vermouth..."

Ach du Schande, was sollte das denn? Was zum Teufel wollte dieser Typ hier? Sie drehte langsam den Kopf zur Seite und sah ihm mit einem nicht gerade erfreuten Blick in die Augen. "Nein, habe ich nicht, Flavis! Was willst du?" Patzig in ihrer Stimmlage und mit einem ziemlich verärgerten Gesichtsausedruck redete sie mit ihm. "Warum denn so gereizt, hat dich dein Lover sitzen lassen?" Dieses Arschloch, wie konnte er es auch nur wagen, so mit ihr zu sprechen? Der hatte wohl nicht alle Tassen beisammen? Ihr Gesicht wurde immer wütender. "Geh jemand anderem auf die Nerven und lass mich in Ruhe! Wie ich gehört habe, unterstehst du ja jetzt Chardonnay! Mit euch will ich nichts zu tun haben." Der Mann fand es gar nicht lustig, was sich die werte Dame mal wieder rausnahm und packte sie am Kinn, um sie zu sich zu ziehen. "Du solltest dein loses Mundwerk halten, sonst bist du die nächste, die gewaltige Probleme bekommt. Der Boss will, dass wir einen Auftrag übernehmen! Stell dich gefälligst nicht so an." Sie schlug angewidert seine Hand weg. Am meisten machte es sie wütend, weil der Kerl sein Spiel mit ihr getrieben hatte, nur um sie am Ende fallen zu lassen, so etwas machte man eben nicht ungestraft mit ihr. "Ach? Ich weiß nichts von einem Auftrag. Ich kriege meine Aufträge direkt vom Boss und niemals über einen anderen Weg, also verpiss dich, bevor ich nachhelfe!"

"Ach Gottchen, glaubst du, dass du mir drohen kannst, mein Schätzchen", er wagte es schon wieder sie anzufassen, weswegen sie ihn weit weg von sich stieß. "Was soll dieser Scheiß, mach das bei anderen, aber nicht bei mir?!" knurrte die 23-jährige ihn an.

"Was ist auf einmal los? Seit neulich arbeitest du nicht mehr mit Chardonnay zusammen und schon wirst du auch biestig zu mir. Meinst du", er drückte sie gegen die Theke, "dass du dir als die Enkeltochter vom Boss alles erlauben kannst? Ich denke nicht! Pass lieber auf, du Raubkatze, bevor du dein Leben verlierst." Sie holte ihre Waffe hervor und drückte sie ihm direkt gegen den Kopf. "Hände weg von mir, sonst hast du gleich ein gewaltiges Problem." Ihm entfuhr ein Lachen, sie war ja so witzig. "Du willst mich vor den ganzen Leuten erschießen, Chris Vineyard?" Er lächelte ihr frech ins Gesicht. "Außerdem, dein Großvater würde dich ganz schön zurechtstutzen, wenn du seine besten Killer einfach umlegst..." Ach, der würde seiner Tochter doch alles verzeihen, denn er liebte sie und würde sie keineswegs umbringen. "Meinst du? Ich denke eher, dass er dich umlegt, wenn ich ihm sage, dass du es gewagt hast, mich anzufassen." Normalerweise war das nicht ihr Niveau, sie kam alleine klar, aber in diesem Fall ließ sie ihn ordentlich spüren, wie viel sie sich selbst einbildete. "Du kannst es doch gar nicht mit mir aufnehmen", lächelte sie böse und lachte spöttisch auf. "Du stirbst schneller, als du schauen kannst... Er hat ja bessere..."

"Hey, komm, du bist doch sonst nicht so empfindlich, ich mache doch nur Spaß", gab er schmollend zurück und ließ die Frau los, was diese eindeutig als Angst riechen konnte. Natürlich hatte der Kerl Schiss vor'm Boss, das hatten so ziemlich alle. Außer vielleicht... Ein geheimnisvolles Lächeln erschien in ihrem Gesicht, als sie an ihn dachte.
 

Nach einer halben Stunde saß sie noch immer in der Bar und genehmigte sich ein Glas Whiskey, was sie dringend benötigte, immerhin war der Typ einfach nicht aufgekreuzt. Der konnte was erleben, wenn sie ihn erwischte. Dieser Scheißtyp konnte sie doch nicht alleine in diesem Club hocken lassen, so war das einfach nicht vorgesehen gewesen.

"Sag ja, Chrissileinchen, er hat dich sitzen lassen", ärgerte Flavis sie, weil sie sich ja so viel auf ihre Schönheit einbildete, die war ja echt selbst schuld.

"Schnauze", während sie sich anscheinend versuchte zu besaufen, warf sie ihm das eine Wort an den Kopf. "Hast du nichts zu tun, Idiot?"

"Dir ist nicht mehr zu helfen..." Der Mann stand auf und ließ die Frau am Tresen sitzen, allmählich war es ihm hier zu langweilig, er würde dem Boss mal einen Besuch abstatten, mal sehen, was man so kriegen konnte. ,Erbärmlicher Kerl' dachte sich die Frau und erfreute sich an seinem Abgang.

Sêiichî, der sowieso nichts zu tun hatte, war gerade aus der Verbrechergegend gekommen, in welcher er sich etwas ausgetobt hatte. Einer der Kerle hatte ihn erkannt, weswegen er ihn hatte töten müssen, aber sonst ging es ihm ja gut. Er wollte sich jetzt eine Frau angeln, um sich nach dem von vorhin etwas zu trösten.

Vermouth erhob sich, sie fand, dass es Zeit zum gehen wurde, sonst würde sie nachher nur nicht mehr wissen, was sie verbrochen hatte, immerhin hatte sie schon genug getrunken, weswegen sie Sêiichî gar nicht sah und ihn erst einmal anrempelte. Er wunderte sich ziemlich, sie hier zu sehen, noch dazu alleine.

Auch das noch, ihr blieb ja nichts erspart. Ohne ein Wort ging die 23-jährige Frau an ihm vorbei, so dass er ihr Handgelenk schnappte. "Wo ist deine Begleitung?" fragte er, wobei er nicht gehässig klang, so wie Flavis gerade eben, der machte sich eben gerne über so etwas lustig. "Nicht da, siehst du doch", gab sie in einem mürrischen Ton von sich, riss sich los und verließ eilig den Club, was ihn zu einem Seufzen brachte. Anscheinend hatte er es sich ganz schön versaut, zumindest kam es ihm so vor, dabei war es in letzter Zeit doch besser gelaufen. Er musste unbedingt noch mal mit ihr reden, weswegen er ihr nachrannte und sie draußen noch einmal anhielt. "Warum rennst du einfach weg?" fragte er, eigentlich wollte sie ihn ja nicht so behandeln, aber in ihrem Zustand war es besser so. "Nur so, weil ich keine Lust auf dich habe", motzte man ihn an und er setzte einen verletzten Blick auf. "Ach so..." Irgendwie war der junge Mann heute nicht so ganz da, man konnte ihn leicht erschüttern.

Was war denn das für eine Antwort? "Er ist nicht gekommen", meinte er. "Oder?" Das konnte sie sich nicht leisten, dass man anfing sie zu durchschauen, wieso musste er auch solche Dinge sagen? "Ich will meine Ruhe haben..."

Warum war die denn auf einmal so stur? "Hast du was dagegen, wenn ich dich nach Hause bringe?" Sêiichî versuchte im Moment einfach nur nett zu sein, weswegen er seine Jacke auszog und sie ihr auf die Schultern legte. "Vergiss den Kerl, einer, der dich sitzen lässt... hat dich nicht verdient." Was besseres fiel ihm nicht an, aber es war genau das Richtige gewesen. Was sollte sie denn machen? Er war ja irgendwie süß, deswegen musste sie einfach ein Lächeln zeigen. "Obwohl ich schroff zu dir war?"

"Ist doch egal..." Er zog sie leicht an sich und lehnte seinen Kopf an ihren, damit er den Duft ihrer Haare einatmen konnte.

Ihr war im Moment alles egal, außer dass er da war und sie festhielt, obwohl sie es verdammt noch mal hasste, wenn man so etwas tat, dann fühlte sie sich so schwach. Er könnte das ziemlich fies ausnutzen, wenn sie sich ihm öffnete, dieser kleine Funken Misstrauen war noch immer in ihr. "Na gut, gehen wir..."
 

Die Tür fiel ins Schloss und sie nahm sich Sêiichîs Lederjacke von den Schultern. "Versuch ja keine krummen Dinge", fauchte sie ihn mal eben an, obwohl er gar nichts getan hatte. "Es ist schon spät... Soll ich gehen?" Was war hier bloß los? Die Luft war wie elektrisiert. "Wenn du brav bist, dann kannst du ausnahmsweise hier bleiben." Es war eher, als wenn sie es wollte, dass er da blieb, um ihn mal ein wenig auf die Probe zu stellen. "Na gut, ich geh mich umziehen." Der arme Junge verschluckte sich fast. "Ok", gab er dann aber als Antwort und schaute zum Bett rüber. Er würde sich echt beherrschen müssen, ob er das wohl schaffte? Ihm war wohl bewusst, dass sie auf seine Spielchen jetzt natürlich keine Lust hatte. Und sich noch mal alles versauen, das wollte er eigentlich nicht. Er seufzte leicht. Was war das bloß für ein beschissener Umstand?

Sie war im Bad verschwunden, weswegen er es sich auf ihrem Bett gemütlich machte, auch wenn er nur darauf saß.

Es dauerte nicht lange, bis sie zurück kam. Ihm wurde schon bei ihrem Anblick ganz heiß, das würde er doch nie und nimmer einfach so überstehen, ohne sie zumindest anzufassen, so etwas konnte er einfach nicht. ,Oh mein Gott!' Das Nachthemd war natürlich viel zu kurz, unter Umständen hätte er sich nun total gehen lassen, aber nicht jetzt, nicht bei dieser Laune und dem Alkoholkonsum, das würde nur schief gehen.

Dass er irgendwie nervös war, bemerkte sie an seinem Gesichtsausdruck. Schief grinsend setzte sie sich neben ihn aufs Bett, wobei sie sich noch einmal durch die Haare fuhr. "Was hast du?" fragte sie, weil er so angespannt zu sein schien. "Leg dich ins Bett, ich bin todmüde..." Normalerweise tat er ja nie das, was man ihm sagte, aber momentan fiel ihm nichts besseres ein, als sich das Hemd auszuziehen und sich hinzulegen. Es war ja nicht so, dass er total uninteressant war, weswegen sie ihren Blick schon einmal zu ihm rüber schweifen ließ. Jetzt auf einmal hatte sie Lust ihn zu ärgern, das war ja klar gewesen. "Ganz schön heiß hier", meinte sie und hauchte ihm ihren Atem entgegen. Das tat sie absichtlich. Wollte diese Frau ihm eigentlich den letzten Nerv rauben? Es kam ihm so vor. "Finde ich eigentlich nicht, aber meinetwegen kannst du dich gerne ausziehen, wenn dir danach ist. Ich bin kein kleines Kind, das beim Anblick einer schönen Frau sofort Probleme kriegt." Es klang ja sehr geprahlt, aber das war ihm egal. Er war ja in der Lage seine Gefühle abzuschalten und gewisse Reize zu ignorieren, auch wenn er so gut wie nie Lust dazu verspürte.

Das von einem Jungen, der ständig nur an dasselbe dachte, aber es war ja einen Versuch wert. "Dir ist bewusst, dass ich jetzt keine Lust auf Gefummel habe, oder? Also versuch es gar nicht erst, sonst fliegst du vom Bett", drohte sie. Wie gemein von ihr, so etwas zu sagen. "Das weiß ich, auch wenn es mir schwer fallen wird, immerhin finde ich dich sehr interessant", lachte er. "Wenn ich ehrlich sein soll, denke ich schon seit wir hierein gekommen sind, nur daran, dass ich meine Hände bei mir behalten soll. Ich würde eigentlich viel lieber ein kleines Abendteuer erleben, als brav sein", hauchte er ihr zu. So etwas konnte er dann doch nicht sein lassen. "Och, das tut mir aber Leid, du musst ja ganz furchtbar leiden", veralberte man ihn. "Du wirst für heute darauf verzichten müssen, aber ich bin ja nicht ganz so gemein..." Wie, sie war ja nicht ganz so gemein? Sêiichî blickte in ihre Augen, die ziemlich hinterlistig funkelten und sah wie sie sich ihm näherte. Bevor er die Situation realisierte, spürte er ihren Mund auf seinem. Normalerweise hatte er ja nichts gegen heiße Küsse mit einer Frau, aber im Moment wäre es ihm lieber gewesen, sie hätte es sein lassen, weil er sich kannte, er würde nur scharf auf sie werden...

Der Kuss war zwar nicht gerade harmlos und doch gab sie nicht alles, sie wollte ja nicht, dass er Probleme bekam, es war eher ein kleiner Dank dafür, dass er so nett zu ihr gewesen war, die meisten hatten das ja gar nicht nötig, wahre Schweine eben. Da musste sie ihm eben eine kleine Belohnung in Form einer solchen Handlung geben. Wie erwartet verlor er total die Beherrschung und warf sich mit ihr aufs Bett, wo er sie dann richtig küsste, indem er seine Zunge hemmungslos zwischen ihre Lippen stieß und gekonnte Bewegungen ausführte, die auch sie nicht kalt ließen, weswegen sie heftig erwiderte und es richtig genoss, wie sie ihn dabei wie eine Lokomotive mitgerissen hatte, so dass er gar nicht anders konnte, als sich gehen lassen. Ihr verdammter Kerl war im Moment vergessen, sie würde sich ohnehin von ihm trennen, sie hatte keine Lust mehr, dem auch noch treu zu sein...

Nach einer Weile entzog sie sich Sêiichî. Sie wollte nicht wie mit anderen Männern nur mit ihm spielen, das verdiente er nicht, auch wenn er ein kleiner Macho war. Vielleicht bekam sie Skrupel, weil sie sich sogar ein wenig in den Schönling verguckt hatte. Die Frau sah nachdenklich zur Decke und er fragte sich, was sie wohl so beschäftigte. "Ist irgendwas? Willst du mir davon erzählen?"

Ihr Blick schwang zu ihm, wobei ein Lächeln in ihrem Gesicht aufkam. "Ich bin froh dich zu kennen, Ryochi kann stolz auf dich sein, denn du hast Mut." Komplimente waren ja eigentlich nicht so ihr Ding, aber das hatte mal gesagt werden müssen. Sêiichî blickte deprimiert zur Seite. "Er darf es nicht erfahren..." Vermouth verstand seine Worte nicht. Dachte er, dass man ihn verachten würde? "Er ist Detektiv, irgendwann kommt er sich dahinter.... Ewig wirst du ihm nichts vormachen können!" Es war eher so etwas wie eine Warnung, er sollte es seinem Freund sagen, bevor er es durch jemand anderen oder so herausbekam, das war meist schlimmer, als ein Geständnis. "Er würde sich nur Sorgen machen..." Sie seufzte. "Idiot", unwillkürlich war das ihre Lieblingsbeschreibung für Sêiichî geworden. Aber ein verdammt sanftmütiger Idiot, auch wenn er es nicht gerne zeigte, war es so. Sie waren sich doch ähnlicher, als sie gedacht hatte. Nach langer Zeit hatte sich die Frau, die unter dem Namen Chris Vineyard bekannt war, mal wieder einem Menschen geöffnet, wenn auch unfreiwillig und unbemerkt. Wozu so ein Streit führen konnte... Beide waren ziemlich erledigt, er vor allem wegen der Schlägerei, die er gehabt hatte, sie weil ihr blöder Freund ein absoluter Vollidiot war, dem sie egal zu sein schien, aber im Grunde war es ihr einerlei geworden, immerhin hatte sie ja ihn, der durch seine Geradlinigkeit ihr Herz berührte. Er arbeite stets auf das hin, das er erreichen wollte, was ihr imponierte. Sie hoffte, dass man ihm nicht auf die Schliche kommen würde...
 

"Findest du das nicht seltsam, Shina? Die muss doch irgendwo stecken? Die Presse weiß auch nicht, wo sie hin verschwunden ist. Es ist, als sei sie nie in Japan angekommen!" Shina schloss die Augen, sie telefonierte mit ihrer Mutter, die sich Sorgen um ihre Freundin machte, da diese in der Versenkung verschwunden war. Sie selbst hingegen wusste, was los war. Sharon war in der Tat nie in Japan angekommen, dafür aber jemand anderes, allerdings verriet sie ihrer Mutter nicht alles, was vielleicht ganz gut so war, sonst hätte die Frau es ihr ja selbst gesagt, es gab sicher einen Grund, weswegen sie es nicht tat. "Ich weiß nicht, was ich sagen soll, sie wird von der Presse nicht gefunden werden wollen, mach dir keine Gedanken."

"Sie hat von Problemen mit einem Produzenten gesprochen! Wenn es so wäre, dann würde die Presse von jemandem, der damit zu tun hat, alles erfahren, so etwas spricht sich schnell rum. So einen Fall hatten wir erst kürzlich in den USA. Da wurde jemand verklagt und die haben das alles in der Presse breitgetreten. So etwas finden diese Leute immer raus..."

Sie hatte Recht, die Detektivin schätzte, dass der Produzent als Ausrede diente, also wollte man nicht, dass die Frau etwas erfuhr.
 

Bei der Party trafen sich ein paar Leute, um etwas zu besprechen. "Diese verdammte Missgeburt, wenn er doch nur verrecken würde", regte sich Takahashi auf und trank seinen Cocktail auf Ex aus, um sich im nächsten Moment neuen zu besorgen.

Ein Mann ganz in Schwarz setzte sich genau neben Toshizo, der natürlich mit Kenji und Takahashi gekommen war, wobei er selbst einen Cocktail trank. "Na ihr, amüsiert ihr euch?" meinte der Kerl, weswegen alle skeptisch zu ihm rüberschauten, da er so einen seltsam belustigten Tonfall gewählt hatte. Ein weiterer Mann setzte sich neben Takahashi, der auf der anderen Seite saß, so dass Kenji die Mitte genoss. "Wir haben euch beobachtet."

Takahashi sprang wutentbrannt auf. "Was zum Teufel wollt ihr? Ich habe was dagegen, wenn man mich beobachtet."

"Beruhig dich", sagte der Mann, welcher links bei Toshizo saß und steckte sich eine Zigarette an. "Chardonnay, erklär's denen, was wir wollen, ich bin redescheu."

"Natürlich, Flavis, wir kommen sicher zu einer Lösung. Ihr geht in die Klasse von Wataru Takagi, richtig?" fragte Chardonnay mit einem gefährlichen Grinsen. "Ich werde für eine Weile wohl die Stadt verlassen müssen, wie es scheint. Wie wär's, mit einem Deal, ihr?" Was er plante, konnte man ihm fast schon ansehen und dass er ein Killer war noch dazu, was Takahashi aber nicht abschreckte, so dass er grinste. "Ich höre.... was ist mit Wataru?" Ein stechender Ton war zu hören, was verriet, dass Takahashi den Genannten nicht abkonnte. "Du machst dem Jungen das Leben zur Hölle und als Gegenleistung werden wir uns mit Sêiichî Iwamoto beschäftigen.. hehe", sagte Flavis, der sich darauf am meisten freute. "Aber", wollte Toshizo einlenken, der von Chardonnay an der Schulter gepackt wurde. "Für dich habe ich sowieso einen besonderen Auftrag."

"Wataru fertig machen, das ist ein Angebot, das ich liebend gerne annehme", meinte Takahashi mit einem bösen Gesichtsausdruck. "Kein Problem, wer auch immer ihr seid." Man sollte nie so schnell unbekannten Menschen vertrauen, die einem Angebote machten.

Ohne es zu wissen, hatten sich die jungen Leute bereits auf die Organisation eingelassen, sie wussten ja nicht, was sie da taten.

Toshizo wurde von Chardonnay geschnappt, während Flavis noch auf der Party blieb.

Sie gingen zu Chardonnays BMW und stiegen ein. "So, ich habe da noch etwas..." Er richtete seine Waffe auf seine Stirn. "Keine Sorge. Ich möchte nur, dass du als Spitzel agierst und mich jeder Zeit über meinen Sohn und meine süße Tochter informierst. Shina Kudô ausspionieren, darauf wird der liebe Takahashi bestehen. Ich will alles wissen, klar? Du arbeitest für mich." Toshizo schluckte im ersten Moment. "Was wird mit Iwamoto geschehen..?"

"Der Kerl wagt es bei einer Frau, die mir versprochen wurde, Annäherungsversuche zu starten, auch wenn ich denke, dass sie ihn nicht an sich ranlassen wird, dennoch stört es mich und ich will ihn loswerden, außerdem hatten wir vor ein paar Jahren eine Auseinandersetzung, als es um einen Auftrag ging. Nun ja, er weiß zuviel über mich, was heißt, dass er sterben muss... Ryochi Akaja brauche ich noch..." Die Augen des Mannes zeigten den Wahnsinn, der ihn befiel, wenn er Rache an etwas oder eher jemandem wollte. Er hatte mit Takeshi Akaja noch eine Rechnung offen, dafür würde man Ryo benutzen, um dem Mann eins reinzuwürgen.

Was sein anderes Problem betraf...

Sêiichî hatte ihm vor Jahren einen Auftrag versaut, ein neugieriger Schnüffler hätte sterben sollen, aber der kleine Drecksack hatte ihn beschützt, das würde er noch bereuen, obwohl er ihm ja dankbar sein müsste, immerhin konnte er diesen Detektiven jetzt noch benutzen...

12. Oktober - Etwas, das zwischen uns stand...

Bin so nett, weil Ryoleinchen die ANDEREN kennen lernen will... >.> aba das mach ich nur, weil ermich so nett angebettelt hat und es mir bei der FF eh schnuppe iz, obs den anderen zu schnell geht XDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDD Shinalein kenntz eh soweit wie's geschrieben iz, daher... schnuppe xP Dann lest mal schön *LOL* und Ryo... *dir noch mal droh* >.> Du weißt schon....

*dropzkuller* %D

*wechpurzel*


 


 


 

Ryochi stürmte zum Klassenzimmer, wobei er ein paar Leute auf dem Flur fast umrannte, da er so in Hektik geraten war, weil er gerade eine Zeitung ergattert hatte und diese unbedingt seinem besten Freund zeigen wollte. "Wahnsinn!" rief er die ganze Zeit und riss dann die Tür zum Klassenzimmer auf, in welchem Sêiichî mit einem Buch auf der Nase mit dem Stuhl schaukelte. "Es gibt Neuigkeiten, Sêiichî!" rief er, so dass dieser wieder erschrak und wie so oft, wenn Ryochi überraschend die Tür aufschlug, vom Stuhl flog. "Ahh!" Schon war es passiert, er lag am Boden. "Verdammt! Wie oft denn noch? Wie oft soll ich dir sagen, du sollst mich nicht bei meinen Entspannungen stören??"

"Gomen, lies die Zeitung", er warf sie seinem Freund vor die Nase. "Dein berühmter Onkel kommt heute noch in Japan an!" Shina fragte sich, weswegen der Kerl so aufgeregt war, hatte sie was verpasst? Akemi und sie kümmerten sich gerade um die Pflanzen und ließen jetzt von ihnen ab. "Meinst du Jamie Moore?" fragte Akemi. "Der ist dein Onkel, Sêiichî? Oh mein Gott, das muss ich unbedingt sofort Kôji sagen", verkündete sie, wobei sie gute Laune versprühte und dann aus dem Klassenzimmer verschwand.

"Ja, den meinte ich, Shina, er ist in den USA ein bekannter Detektiv, man vergöttert ihn, ach, der hat's gut... Und das in seinem Alter. Er ist dieses Jahr 26 geworden."

Sie betrachteten die Zeitung, während Sêiichî strahlte wie schon lange nicht mehr, man sah ihm an, dass er von Jamie viel hielt. "Du warst lange nicht mehr in den USA und hast ihn 6 Jahre nicht mehr gesehen, oder Sêiichî?" fragte Ryochi seinen Freund, welcher nickte. "Ich habe ihn immer ein bisschen bewundert, er ist ein toller Typ."

Takahashi kam gerade von links, als Akemi nach rechts ging und hatte um die Ecke noch etwas von der Aufregung im Klassenzimmer mitbekommen.
 

Am Nachmittag wurde der Narita Airport in helle Aufregung versetzt, als der Detektiv auf japanischem Boden stand und sofort von ein paar Reportern belagert wurde. "Oh mein Gott", meinte Kôji schmollend, "an den kommt man ja gar nicht ran..."

"Ach doch, er wird uns sehen..." Der blonde Mann kam auf sie zu. "Na, wie geht's euch beiden", sprach er die kleine Gruppe, besonders Ryochi und Sêiichî an und lächelte. "Ach, man lebt eben..."

"Das klingt aber nicht berauschend, Ryo. Macht euch schon wieder diese Organisation Ärger?" flüsterte Jamie den beiden hinter vorgehaltener Hand zu. "Ach was, wir machen denen Ärger", gab Sêiichî frech zurück, woraufhin Jamie seinen Neffen ernst ansah. "Ich habe euch doch schon mindestens tausend mal gesagt, ihr sollt die Finger davon lassen, lasst uns aber später darüber reden. Ich muss ins Haidohotel, ich sag den Leuten Bescheid, dass ihr mich besuchen könnt, außer euch empfange ich nämlich niemanden." Kôjis Augen glänzten schon, er traute sich vor allem gar nichts zu sagen. Shina blieb derweil relativ ruhig bei der Sache, so etwas konnte sie noch nicht überwältigen. Sêiichî schmollte in der Zwischenzeit ein wenig, weil ihm sein Onkel sagte, er solle die Finger davon lassen.
 

Als die Gruppe beim Hotel ankam, beschlich Kôji wieder die Nervosität, Akemi versuchte ihm Mut zu machen, der Typ war doch kein bisschen arrogant, zumindest hatte sie bisher keine solche Attacke mitbekommen, das würde vielleicht noch kommen. "Wisst ihr wieso Wataru nicht mit uns gekommen ist?" fragte Sêiichî ein wenig besorgt an Shina gewandt. "Nun ja, Mikô-chan mag keine Detektive, deswegen ist er ebenfalls zu Hause geblieben, die machen sich einen netten Tag. Ist ja nicht so wichtig, dass wir alle hier aufkreuzen."

"Verstehe! Ist das das Hotelzimmer, Sêiichî?" fragte Ryochi, woraufhin sein 17-jähriger Freund nur glücklich nickte. Sie klopften gegen die Tür, welche sich wenig später öffnete. "Los, schnell rein, bevor irgendein Paparazzi hier auftaucht." Man könnte meinen, dass der Mann sich verfolgt fühlte, weswegen er die Tür mehrfach abriegelte, damit da ja niemand durchkam. "Die werden wohl kaum die Tür eintreten wollen", musste sich Sêiichî lustig machen. "Irre komisch, stell mir mal die anderen vor..." Sie setzten sich auf Eckbank an einem Tisch und starrten alle zu dem blonden Mann rüber.

"Das hier ist Shina Kudô und Ryochis Flamme", erzählte Sêiichî mit einem scheinheiligen Grinsen, dann richtete er seine Hand auf Kôji. "Der hier ist mit Shinas besten Freund sehr gut befreundet und ein Fan von dir. Er ist auch Detektiv und wurde neulich von einem dieser Verbrecher angeschossen. Er hat die auch schon kennen gelernt. Und das Mädchen neben ihm ist Akemi Miyano."

"Miyano?" fragte Jamie verblüfft. "Etwa Elena Miyanos Tochter? Diese Wissenschaftlerin aus England?" Akemi erschrak etwas darüber, dass dieser Detektiv so etwas wusste. "Kanntest du meine Mutter?" wollte sie deprimiert wissen. "Ja, es ist jetzt zehn Jahre her, wenn ich richtig liege."

"Ja, in etwa zehn Jahre. Ich war damals ein kleines Kind, meine Schwester erinnert sich nicht mal an ihre Mutter. Sie war noch viel zu klein. Früher hat sie ständig nach den Eltern gefragt", antwortete Akemi bedrückt.

"Sagtest du nicht mal, dass deine kleine Schwester bei einer anderen Adoptionsfamilie unterkam und deswegen nicht an deiner Seite ist?" wollte Shina wissen, weil sie die Sache schon länger beschäftigte. "Ja, genau..." In Wirklichkeit hatte sie die Schwarze Organisation in ihren Fängen, was Akemi aber für sich behielt, um nicht alles noch schlimmer zu machen.

Jamie schien nachdenklich zum Fenster rauszuschauen. "Die Nachfolge der Miyanos... Interessant." Irgendetwas war da, er wusste doch etwas, das sah man ihm sofort an, solche Dinge sollte man lieber vor anderen verbergen, so wie Shina es oft tat. "War irgendetwas mit den Miyanos?" fragte Shina interessiert, wobei sie nicht so aussah, als wenn sie sich eine große Sache ausmalte, was aber so war. Irgendetwas verschwieg man ihr doch. "Die waren hochangesehene Wissenschaftler für die Schwarze Organisation, wenn du die bereits kennst." Shina schwieg, sie hatte ja durch Ryochi davon gehört. "Ihr bester Freund ist Chardonnays Sohn, der ihn unbedingt in die Organisation holen will, der Kerl geht mir ja so auf den Geist, aber den kriegen wir eines Tages. Tot oder lebendig ist mir dabei vollkommen egal." Ryochi fragte sich, wieso sein Freund das vor allen sagen musste. Akemis Augen zeigten Angst, was aber nur Shina bemerkte, sie würde sie nachher wohl mal darauf ansprechen.

"Ich ermittle auch schon länger gegen Chardonnay müsst ihr wissen, der Kerl hat in den USA einiges angerichtet. Vor allem in meiner Familie." Er schloss seine Augen, denn die Wahrheit war, dass man ihn zur Adoption freigegeben hatte und er nur deswegen Sêiichîs Onkel war.

"Ermitteln bringt nicht viel, weil sie zu perfekt sind, man muss bei ihnen eindringen." Alle, besonders Ryo schauten Sêiichî, der das eben gesagt hatte, skeptisch an. "Was planst du?" wollte sein jüngerer Freund wissen, wobei die Sorge um ihn eine gewisse Rolle spielte. Jamies Gesichtszüge nahmen etwas sehr wütendes an, weswegen er ihn wenig später schon anfauchte. "Spinnst du?" fragte er Sêiichî, sprang auf und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. "Chardonnay hat dich damals fast umgebracht! Wie kannst du dich da mit denen anlegen wollen?" Ryochi funkte dazwischen, bevor sie sich fürchterlich streiten würden. "Man muss auf ihn aufpassen, ihm hat's eine Verbrecherin angetan." Sêiichî sah schockiert aus, sein Onkel sollte nicht wissen, dass er hinter Vermouth her war, er hatte Angst, dass man ihn dann verabscheuen würde, Jamie war in den Punkt nämlich vollkommen anders. "Du kleiner Spinner..." Stattdessen wuschelte er seinem Neffen durch die Haare und grinste. "Ohne Frauen würdest du nie auskommen... Werde erst mal erwachsen." Frechheit! Schmollend wandte Sêiichî seinen Kopf zur Seite. "Ich bin erwachsen genug, finde ich...." Ryochi seufzte. Also, wenn er erwachsen war....

"Du solltest aber damit aufhören, sonst wird es dir bald wie deiner Mutter gehen... Sie hatte mit Vermouth zu tun, einer Verbrecherin und was geschah? Sie wurde umgelegt, also... Nimm dir kein Beispiel daran, es sei denn, du willst sterben..."

Moment! Was redete der Kerl da überhaupt? Sêiichî stutzte für einen Moment. "Willst du sagen, dass die Frau daran Schuld hat? Oder wieso erwähnst du sie?" Niemand außer Ryochi wusste, dass Sêiichî mit seinem betonten sie nicht seine Mutter meinte, da war etwas seltsames in seinen Augen, er sah ja richtig aufgebracht aus, als wolle er gerade die Killerin in Schutz nehmen, für die er sich seit fast drei Jahren interessierte. "Ganz ruhig, Sêiichî", versuchte Ryochi ihn zu bremsen, doch er war näher an seinen Onkel rangerückt. "Sag nicht, dass das die Frau ist, die es dir angetan hat?" Ein ernster Ton war in Jamies Stimme gefahren, ebenso eine Schärfe, die in Richtung Spott ging. "Meine Güte... Sêiichî... lass deine Finger von dieser Schlange weg! Die Menschen, die mit ihr zu tun haben, gehen meistens durch die Hölle und werden anschließend umgebracht, so wie deine Mutter."

"Du gibst ihr die Schuld! Wieso...? Erkläre, aber plötzlich!" Ryochi fand es seltsam, wie sich sein Freund gerade verhielt, er war wohl nahe dran der Frau zu verfallen, was er nicht gerade berauschend fand. "Weil ich sie kenne, sie ist in den USA eine gefährliche Killerin! Fange ja nicht an, so jemanden wie sie zu mögen! Sie zieht unschuldige Leute in die Organisation hinein, obwohl ich nicht weiß, wieso sie es tut, allerdings ist es mir egal, die ist 'ne Schande!" Sêiichî ließ von seinem Onkel ab und ging zum Fenster, um es zu öffnen, er brauchte jetzt erst einmal frische Luft, denn die Worte waren hart für ihn gewesen, nach gestern...

"Aber Jamie, übertreibst du nicht etwas, wenn du Vermouth dafür verantwortlich machst, was mit seiner Mutter geschehen ist...?" fragte Ryochi, während Shina über die ganze Sache nachdachte. Die hatten wahrscheinlich alle nicht wirklich eine Ahnung, wer Vermouth war und sie hatte jetzt Lust dazu, diesen Detektiv zu prüfen. "Weißt du, wer diese Frau wirklich ist? Ich meine... Vermouth ist doch bloß ein Codename, oder?" Ryochi wunderte sich über Shina, er fragte sich, was diese Frage jetzt sollte, das wusste sie doch längst. "Sie ist die Schauspielerin Chris Vineyard, die in den USA und außerhalb ziemlich bekannt ist. Ihre Morde begeht sie verkleidet..." Hatte sie es doch gewusst, sie hier war die einzige, die wirklich wusste, wer Vermouth war, die anderen dachten es nur zu wissen, damit war sie vorerst mal zufrieden. Sollten sie doch weiter Chris für Vermouth halten, so sollte es wohl auch sein...

Sêiichî ließ den kühlen Wind zum Fenster rein, so dass es leicht kalt wurde, aber er hatte nicht vor das Fenster so schnell wieder zu schließen. Er blickte hinaus, damit er seinen Onkel nicht anbrüllte. Gestern Nacht war er schließlich ziemlich vertraut mit ihr gewesen, da konnte er es gar nicht ab, wenn man ihr am Tod seiner Mutter die Schuld gab. Wirklich schuldig war nur die Killerin, die sie getötet hatte. Vielleicht dachte Jamie ja, dass sie selbst es gewesen war? Der 17-jährige hingegen... er dachte, dass sie niemals jemanden wie seine Mutter umbringen würde, das passte nicht in sein Schema hinein.

"Was hat er denn jetzt?" fragte Jamie leise an Ryochi gewandt. "Ich denke, du hast seine Gefühle verletzt, ich weiß aber auch nicht, zumindest sieht es so aus, es kommt selten vor, dass er sich einfach abwendet... Wahrscheinlich weiß er jetzt nicht weiter."

Kôji fand Jamies Gemüt etwas zu erhitzt und es kam ihm komisch vor, dass er Vermouth als so gefährlich hinstellte, da gab es weit aus schlimmere Leute in der Organisation, wieso also redete er nur von dieser einen? Der verschwieg ihnen doch was...

"Du musst sie ziemlich gut kennen, wenn du uns sagen kannst, wie schlimm Vermouth ist", meinte Kôji, was Shina zu einem Grinsen brachte. Der Junge war eben nicht total blöd, aus ihm würde sicher auch mal was werden. "Sie hat in meiner Familie für Probleme gesorgt, nichts weiter und sie ist Chardonnays engste Partnerin, ich verabscheue sie!" Sêiichî stand noch immer am Fenster und starrte Löcher in die Luft, so dass Ryochi zu ihm rüberging, um sich zu erkundigen, was er hatte, doch bevor er bei ihm ankam, sagte Sêiichî ein paar Worte. "Vermouth hasst Chardonnay zutiefst und seine Partnerin ist sie, weil man es ihr befohlen hat! Kein Grund so abzudrehen deswegen!" Es kam so monoton über seine Lippen, irgendwie beängstigend. "Was ist denn mit dir los, Sêiichî...?" fragte Ryochi, wobei seine rechte Augenbraue hochzuckte, während sich Sêiichî mit dem Rücken gegen die Fensterbank lehnte und ein arrogantes Grinsen auflegte. "Ich habe einiges über die Frau erfahren... Mehr, als du denkst. Du kannst mir nicht verbieten, dass ich sie mag, sie war damals da, als Chardonnay mich umzubringen versuchte..." Er lächelte jetzt. "Egal, welche Schandtat sie begeht, das werde ich nie vergessen, weil ich nur ihretwegen noch lebe, zumindest denke ich das... Außerdem hat sie Ryochi damals das Leben gerettet, so böse, wie du sie hinstellst, kann sie unmöglich sein... Und die Hölle, an die glaube ich genauso wenig, wie an den Himmel. Also kann ich auch nicht durch die Hölle gehen, wenn ich bei ihr lande. Ob du willst oder nicht, die Frau ist sexy und ich werde sie kriegen..."

"Solche Spielchen sind aber ungesund, du kleiner Macho..." Shina seufzte, das wurde ja jetzt richtig schön albern, sie tat sich selbst Leid. Sêiichî dachte mit viel zu weit unten. "Sie bringt mich nicht um, sie mag mich..." Jamie fing an zu lachen, als er das hörte. "Bilde dir nicht zuviel ein... Die meisten Leute mag sie, um sie zu benutzen, merk dir das für die Zukunft." So viel Belehrungen waren wohl zuviel für den jungen Mann, er ging wütend zum Tisch hin und schlug auf diesen ein, bevor er von oben auf seinen Onkel hinab sah. "Du hast ja keine Ahnung! Außerdem hasse ich es benutzt zu werden, weswegen ich es immer merken werde! Ich lasse mich nicht von jemandem benutzen, schon gar nicht von einer Frau..."

"Komm runter... Die verdreht dir ja jetzt schon den Kopf, mein Kleiner. Die ist 'ne Nummer zu groß für dich. Lass es lieber, sonst wirst du es nur bereuen." Jetzt erst recht... Dieser Großkotz, er dachte, weil er neun Jahre älter war, wüsste er alles besser.

Ryochi seufzte jetzt auf und verdrehte die Augen. "Er hat es schon immer getan, immer hat er ihn belehrt und es endet immer so, weil beide rechthaben wollen... Ich frage mich allerdings, wieso er so drauf ist. Ich will wissen, was die Gute in seiner Familie angerichtet hat...", flüsterte er an Shina und Kôji gewandt. Akemi erhob sich. "Ich fühle mich nicht so wohl, ich glaub, ich geh nach Hause, mach dir keine Sorgen, Kôji." Sie küsste ihn für einen kurzen Moment auf den Mund. "Ich schaffe es auch alleine bis nach Hause... Du musst nicht mitkommen.."

"Aber..", meinte Kôji, aber sie legte ihren Zeigefinger lächelnd auf seinen Mund. "Bleib ruhig, bitte... Tu mir den Gefallen, du wolltest ihn doch unbedingt kennen lernen, also..." Sie strich sich ihre Jacke glatt. "Ich werde jetzt gehen, war nett sie kennen zu lernen", sagte das Mädchen freundlich und verschwand blitzschnell zur Tür raus. Die beiden Streithähne hielten inne und starrten auf die Tür, die zugeflogen war. "Was war denn das jetzt?" fragte Sêiichî.

"Du hast es doch gehört, Sêiichî, ihr ist nicht gut...", antwortete Kôji, doch Sêiichî roch etwas anderes, da war irgendetwas anderes gewesen. "Ihre Eltern waren doch Wissenschaftler", verriet Jamie, "Vermouth hasst diese Leute, wahrscheinlich weiß Akemi das und denkt, dass sie sie in den Tod geschickt hat..." Shina fand das etwas seltsam, wieso sollte ihre Freundin so viel wissen? Dann wäre sie doch fast schon eine Gefahr für die. Irgendwie schien jeder von ihnen irgendwann schon einmal Kontakt zur Organisation gehabt zu haben, das war ja richtig beängstigend, wenn die überall waren. Man musste gut auf sich Acht geben.

"Das wäre ja furchtbar, wenn es so wäre. Weißt du auch, wieso Vermouth so verhasst auf Wissenschaftler ist..?"

"Nein, keine Ahnung, Kôji... Sie hat eben was gegen Experimente, vielleicht hat sie ja bisschen Angst vor Giften und solchem Zeug." Sêiichî musste lachen. "Das glaube ich kaum, da steckt etwas ganz anderes dahinter. Genauso wie bei dir... Was hat sie in deiner Familie angestellt? Los, sag schon! Wenn du schon so auf ihr rumhackst, während ich anwesend bin, will ich auch den Grund wissen! So leicht entkommst du mir nicht..."

Jamie seufzte in sich hinein. "Die Frau hat viel zu vieles verbrochen." Sein Blick senkte sich und er schaute ziemlich deprimiert zu Boden. "Obwohl die Frau erst 23 ist, hat sie vor 4 Jahren etwas getan, das ich ihr nicht verzeihen werde. Du weißt ja, Sêiichî, ich hatte geheiratet, weil meine Freundin schwanger geworden ist. Wir wollten ein tolles Leben haben, dann kam Vermouth..." Seine Augen funkelten traurig. "Meine Freundin wollte Schauspielerin werden und ihr Vorbild war Chris, weil sie, obwohl sie noch jung ist, richtig gut ist. Die beiden waren gute Freunde, bis zu dem Tag, an dem sie sie in dieser Scheiße hat sitzen lassen. Die beiden gingen oft in Casinos, um zu zocken. Als Christina dann Schulden hatte, wollte Chris nichts mehr mit ihr zu tun haben und riet ihr, doch alleine klar zu kommen. Aber das ist nicht alles. Sie hat ihr als ihre Freundin nicht mal geholfen, als der Inhaber des Casinos seine Leute auf sie gehetzt hat. Natürlich haben diese Leute zur Organisation gehört. Hätte Christina Vermouth bloß nie kennen gelernt. An dem Tag, bevor sie umgebracht wurde, sagte sie noch, dass ihre Freundin ein Geheimnis hat... Sie hat mir nie gesagt, welches es war, aber... und dem bin ich mir sicher, Vermouth hat dafür gesorgt, dass man sie umbringt. Der Frau sind Geheimnisse wichtiger als Menschenleben! Sie hat meine Familie zerstört!" Shina seufzte, als sie das hörte, das klang nicht schön, und doch waren es nur Anschuldigungen. Nur weil er jemanden verdächtigte, verachtete er denjenigen? "Hast du Beweise für diese Sachen?"

"Ich weiß es einfach, seit ich sie mal getroffen habe und sie arrogant meinte... dass sie froh ist, dass sie selbst noch lebt, denn sie wäre ja die bessere Schauspielerin geworden. Die Frau hat kein Herz..." Sêiichî fragte sich, wie blind er eigentlich war, aber er ließ es lieber sein, ihm zu sagen, dass er sie anders kannte. Fiel er voll auf Vermouth rein, oder konnte er seinen Augen und besonders seinem Gefühl vertrauen? Der 17-jährige wusste es nicht. "Aber das ist eben Chris Vineyard, die geht für Erfolg über Leichen. So kennt sie auch die Presse... Kein Wunder, dass die zur Schwarzen Organisation gehört", fügte Jamie noch hinzu. "Ich wusste nicht, dass deine Frau Christina umgebracht wurde und Chris Schuld daran haben soll. Tut mir Leid..."

"Du hast damit nichts zu tun und du sollst nicht auch Probleme wegen der kriegen, halte dich lieber fern von ihr, das meine ich Ernst. Sharon kann einem echt Leid tun, mit so einer Tochter, der alle egal sind, außer sie selbst." Shina musste sich ein Grinsen verkneifen. Laut den Erzählungen musste Sharon sich ja ganz schön Mühe gegeben haben, wenn sie als Chris auftrat... Da hatte sie ja die perfekte Tarnung, falls mal alles auffliegen sollte, niemanden würde es wundern, wenn Chris eine Verbrecherin war, damit würde sie auch ihr wahres Ich schützen. "Mach dir keine Gedanken, so schnell kann mich diese Frau nicht in ihre Verbrechen mit hineinziehen..." Er machte sich seine Probleme im Grunde ja selbst, das brauchte sein Onkel aber nicht wissen. "Das ist noch nicht alles...", seufzte der Blonde und fuhr dann fort. "Ich hatte mit Christina einen Sohn, sie hat mir vorgeschlagen, dass sie ja Christina als Mutter ersetzen kann, da hörte echt alles auf. Die soll meinem Sohn bloß fern bleiben. Vielleicht war ihr Geheimnis ja, dass sie mich wollte und dafür Christina gehen musste??? Sollte ich sie mal bei einem Verbrechen erwischen, buchte ich sie ein, das ist ja immerhin mein Job." Shina bezweifelte, dass man eine so perfekte Frau leicht einbuchten konnte, da übernahm der Typ sich mit Sicherheit.

"Wie geht es Alan?" fragte Sêiichî leicht bekümmert. "Meinem 10-jährigen Sohn geht es ausgezeichnet, er ist bei Mariah in New York..." Obwohl er sich vorgenommen hatte, nicht wieder zu heiraten, liebte er diese Frau und vertraute ihr blind. Sêiichî tat die Sache wirklich Leid, alles was seinem Onkel geblieben war, waren seine beiden Kinder und eine Frau, die Sêiichî kaum kannte. Wobei sein erstes Kind wahrscheinlich mehr geliebt wurde, als das Zweite, hoffentlich würde das nicht so enden wie bei Sêiichî und Takeshi. Er liebte Christina ja noch immer, was man ihm ansah, auch wenn sie tot war, deswegen würde er immer mehr an Alan hängen, als an Josephine.
 

Der Tag neigte sich schneller dem Ende, als man schauen konnte. Eine brünetthaarige Frau hatte zwei Kinder an der Hand, wobei sie das ältere von beiden in einer großen Limousine ließ und sich mit dem Kind an ihrer Hand in eine Gegend begab, in der normale Menschen besser nicht hingingen, schon gar nicht mit einem kleinen Kind. "Keine Angst, du wirst deinen Papa schnell wieder sehen", meinte sie zu dem Mädchen, welches sie unschuldig ansah. "Wenn ich es dir sage, dann schreist du ganz laut, okay?" meinte sie scheinheilig, woraufhin das blonde Mädchen nur nickte. "Gut..." Sie holte ihr Handy aus der Jackentasche, um zu telefonieren. Sie befand sich vor einem Haus, das sowieso dabei war abgerissen zu werden. Dort durfte sich momentan niemand aufhalten, weil es einfach zu gefährlich war, doch dies interessierte die Frau nicht. "Hallo, Chardonnay", meinte sie ins Handy, "Ich bin's, Jeremiah, es ist alles so weit in Ordnung, hier ist niemand, außer ich und die Kleine... Der Rest liegt an euch..."

"Gute Arbeit, Jeremiah, der Detektiv wird der Spur natürlich folgen und auf euch treffen. Enttäuscht mich nur nicht..." Es wurde aufgelegt, woraufhin sie ein leises Lachen folgte. "Everything's ending sometime, my sweetheart."
 

Eine blonde Frau war hinter Chardonnays Auto erschienen, sie versteckte sich hinter einer Mauer, die genau neben seinem Auto war. Was heckte dieser Mistkerl denn nun schon wieder aus? Das hätte sie sehr interessiert. Sie ließ die Worte noch einmal Revue passieren, aber viel war es nicht gewesen, was sie mitbekommen hatte. Da es fast schon ein Hobby für sie war, Chardonnay Steine in den Weg zu legen und ihn in seinen Aufträgen versagen zu lassen, damit man ihn möglichst bald ganz abschoss, wollte sie gerne verhindern, dass sein Auftrag erfolgreich sein würde, weswegen die Frau noch eine Weile hinter der Mauer verborgen blieb. "Hast du das mitbekommen, Uvazzo? Sêiichî wird bald allen Grund dafür haben, um unglücklich zu sein, wie ich es versprochen hatte." Die 23-jährige stutzte und fragte sich, was der Kerl jetzt bitte gegen Sêiichî hatte. Hatte er vielleicht bemerkt, wie er einige seiner Leute umgebracht hatte? Das wäre ja furchtbar... Oder aber da existierte noch etwas persönliches, von dem sie keine Ahnung hatte. Jedenfalls konnte sie nicht zulassen, dass man ihrem neuen Partner Kummer machte, weswegen sie schon noch herausfinden würde, wer das Opfer spielen sollte. Der Kerl würde alles, nur keinen Erfolg haben. Nachdem sie wusste, was zu tun war, rief sie Sêiichî auf seinem Handy an, aber es ging nur die Mailbox ran, also schrieb sie ihm eine SMS, in welcher Gegend sie sich befand, damit er sie gegebenenfalls finden konnte, wenn etwas sein sollte. Vorsichtshalber blieb sie in der Nähe, vielleicht fand sie ja noch etwas raus, das wichtig sein würde, außerdem sahen die aus, als würden die auf etwas warten. "Seid ihr sicher, dass dieser Detektiv bei dem Schrei auch gleich nach ihr suchen wird?" fragte der junge Mann, der neben Chardonnay im Auto saß und der noch fürchtete, dass das, was der Kerl da plante, vielleicht schief gehen könnte. "Er hat ein Herz für Kinder, das ist sein Schwachpunkt. Er würde bei einem kindlichen Schrei immer diesem folgen, das ist so sicher, dass nichts passieren kann... Shuichi Akai ist auch nicht in der Nähe, du siehst, alles ist perfekt so weit, jetzt muss er nur noch vom Hotel hierher kommen, was er abends auf jeden Fall wird, da er noch ins Präsidium will, er ist immerhin Detektiv. Meine Leute wissen eben, wie sie an Informationen kommen."

Was für ein Angeber, ein Grund mehr ihn zu stürzen. Der war ja so verdammt siegessicher, dass sie sich schon auf sein bestürztes Gesicht freuen würde, wenn das ganze misslang. Vermouth mochte ihn eben nicht im geringsten und liebte es, ihn zu verärgern, seit neulich erst recht, immerhin hatte er Ryochi benutzt, um an Yukikos ältestes Kind ranzukommen und das war nicht mehr zu entschuldigen.
 

Ein finsteres Lächeln lag im Gesicht des Schwarzhaarigen, als der blonde Mann durch die Straße ging, die zum Präsidium führte. Chardonnay tätigte den Anruf, der wichtig für Jeremiah war, so dass sie mit der kleinen Showeinlage beginnen konnte. "Es ist so weit, die Kleine soll loslegen, Papi ist auf dem Weg", sagte er gehässig, woraufhin man ihm mit "okay, Boss", antwortete und er auflegen konnte. "Das wird jetzt lustig, mein lieber Uvazzo", lachte Chardonnay, als wenig später ein spitzer Kinderschrei ertönte.

Vermouth hörte dieses Mädchen aus nächster Nähe schreien, als wenn man ihm die Kehle durchschnitt, nicht zu fassen, jetzt benutzte der Mistkerl sogar ein kleines Kind, um jemandem eine Falle zu stellen. Zu ihrem Entsetzen kannte sie die Person, um die es sich handelte aus ihrer Vergangenheit und schaute demjenigen erst mal schockiert nach. "Jamie?? Was machst du hier?" fragte sie sich selbst, zückte ihre Waffe und machte sich auf den Weg...
 

Ganz in der Nähe hatte eine weitere Person den Schrei vernommen und entschloss sich, auch mal nachzusehen, warum dieses Kind so schrie, immerhin mochte er kleine Kinder und konnte einfach nicht anders. Sein Weg führte ihn durch einige Seitenstraßen, bis er an einer kleinen Kreuzung ankam und diese passierte, was ihn in eine Sackgasse führte, wo eine Baustelle war. Die Arbeiter waren schon abgezogen, da es dunkel war, somit war niemand an diesem Ort, zumindest wirkte es so. Man hörte Schritte, die näher kamen und er fragte sich, wem sie wohl gehörten. Wenig später konnte man sogar eine Frauenstimme hören.

"Na, du bist vielleicht ein toller Detektiv... Dass du hergefunden hast, wundert mich da doch glatt...", machte sich die Brünette lustig, die hinter dem Mann erschienen war. Die Kleine, die noch immer bei ihr war, hielt sich an der Jacke ihrer Mutter fest, während diese Jamie scheinheilig beäugte. "Was machst du denn hier? Wieso bist du mir nachgereist?" Die Frage war so simpel, deren Antwort allerdings noch viel einfacher, so dass die schöne Frau anfangen musste zu lachen. "Tja, Jamie... When the truth comes to light, then it's often too late", erwiderte sie auf seine Frage und verengte ihre Augen zu Schlitzen. "Du kannst ja mal darüber nachdenken, was ich hier tue", fügte sie hinzu und richtete eine Baretta auf den Mann, was ein noch wahnsinnigeres Grinsen auf ihre Lippe zauberte. "Jetzt, wenn du eh sterben wirst, kann ich dir ja sagen, wer ich bin! Ich war es, die deine Frau getötet hat... Jetzt allerdings..." Sie lächelte grausam. "Ich habe einen Auftrag und werde ihn nicht enttäuschen... Es war wirklich nett mir dir, aber mehr nicht, mein Schatz..." Er war so geschockt, dass er erst mal nichts erwidern konnte.

"Aber Mariah... Du bist..." Es standen Tränen des Zorns in seinen Augen, weswegen er ebenfalls eine Waffe zog und sie auf seine ehemalige Geliebte richtete. "Das ist aber nicht nett, vor deiner Tochter", stichelte sie, die Frau wollte nur sicher gehen, dass er es nicht wagen würde abzudrücken, weswegen sie das Mädchen mit einem Arm umklammerte und direkt vor sich hielt. In der zweiten Hand hatte sie noch die Waffe. "Du bist voll auf mich reingefallen, Tantei-san..."

"Wieso...?" wollte er nur wissen. "Was habe ich dir getan, dass du so etwas tust?" Wenn man ihn schon umbringen würde, wollte er den Grund erfahren. "Damit du mir vertraust und es leichter wird, dich zu benutzen... Du hattest immerhin jede Menge Geld." Nur wegen Geld? Nicht zu glauben! Es gab wirklich die unsinnigsten Motive. "Wenn du mich tötest, wirst du kein Geld mehr kriegen, wir sind ja nicht mal verheiratet..."

"Ach na ja, sagen wir's so... Deine beiden Kinder sind sicher jede Menge wert..."

"Du willst die Kinder... verkaufen? Was bist du bloß für ein Weib? Wie kann man sich nur so in jemandem täuschen?" Sie lächelte gemein. "Tja, ganz einfach, weil man blind ist, wenn man sich verliebt. Tragisch so etwas..."

Man hörte ein paar Schritte und wenig später gesellte sich eine blonde Frau zu den beiden, jemand den ganz besonders Jamie nie im Leben hier erwartet hätte, was ihm das Blut in den Adern fast gefrieren ließ. "Let's have fun", sagte sie, als wolle sie einen ihrer Morde ankündigen und lud mit einem seltsam monotonen Blick ihre Waffe, die sie in der Hand hatte. Erschrocken drehte sich Jeremiah zu ihr um und man sah, wie die Frau die blanke Panik erfasste, als sie das gehässige Grinsen erblickte, das im Gesicht der blonden Frau in dem Moment aufkam. Jamie dachte, dass man ihn gleich in einer Gruppe umbringen würde und rechnete nicht damit, dass Vermouth es wagen würde, auf seine Freundin zu zielen. "Hey, Kleine, lauf zu Papa...", rief sie dem Mädchen zu, woraufhin die Kleine stolperte und hinfiel, weswegen sie zu weinen begann. "Du willst doch nicht hier rumballern, wenn kleine Kinder anwesend sind, oder Schätzchen?" fragte Jeremiah, welcher man die Angst deutlich ansah. "Rumballern? Das ist überhaupt nicht mein Stil, jeder meiner Schüsse trifft dich, du kleine dreckige Schlampe!" spie sie wütend aus, ja, sie war nicht mehr aufzuhalten, dass dieses Drecksstück es auch noch zu sagen wagte, dass sie die Kinder verkaufen wollte, war mehr als Sharon sich geben konnte. Es würde ihr richtig Spaß machen, Jeremiah umzulegen, die war es nicht wert, zu existieren. Schon war der erste Schuss gefallen, welchem die kaltblütige Killerin nicht entkommen konnte, allerdings war es noch kein tödlicher gewesen. "Aufhören!" Obwohl man den blonden Mann bitter enttäuscht hatte, bat er Vermouth darum, seine Freundin zu verschonen, man sah die Verzweiflung. "Tut mir Leid, aber so etwas lasse ich nicht leben", meinte sie und zielte noch einmal auf die Frau, diesmal jedoch auf ihre Brust.

Sêiichî, der nicht wusste, was hier gerade passierte, stürmte bis zur Sackgasse, wo die Baustelle war. Als er die Frau Vermouth bedrohen sah, nahm er seine Waffe zur Hand und drohte mit dieser der Unbekannten. "Nimm die Waffe von Vermouth weg, sonst geschieht dir ein Unglück..." Natürlich kannte Jamie die Stimme desjenigen, weswegen er im ernsten Moment geschockt war, da sein Neffe gerade eine Frau beschützte, die er ohnehin nie gemocht hatte. "Hört alle auf damit!" brüllte er, doch den Augenblick der Verwirrung nutzte Jeremiah aus, um auf das kleine Mädchen zu zielen, was die blonde Frau sah, weswegen sie die Kleine mit ihrem Körper vor der Kugel beschützte und selbst getroffen wurde. Ein Stöhnen war zu hören. Jamie hatte das Gefühl, gleich würde alles eskalieren, womit er auch Recht hatte, als Sêiichî mit einem kalten Gesichtsausdruck auf die brünette Frau zielte und mehrmals schoss, woraufhin sie zu Boden ging und regungslos dort liegen blieb. "Hey, Vermouth, ist bei dir alles okay?" fragte er ein wenig besorgt, woraufhin sie sich zu ihm herumdrehte, allerdings noch bei dem Mädchen kniete. Sie wollte wissen, ob es Jeremiah erwischt hatte, was ihr auch bestätigt wurde, als sie ihren Körper am Boden sah und das Blut, das diesen verließ. "Hast du verdient, dumme Pute", zischte sie und kniff kurz ein Auge zu. Die Verletzung war zwar halb so wild, aber das nächste Mal würde sie wohl einen Moment länger überlegen, ob sie sich anschießen ließ... Obwohl, sie war froh es getan zu haben, immerhin handelte es sich um ein unschuldiges Kind.

Jamie sah traurig aus. "Hast du einen Knall, Sêiichî? Ich habe dich ja gewarnt vor ihr, sie bringt dich dazu, selbst Leute umzubringen..." Man warnte Sêiichî vor ihr? Sehr interessant.

Der Angesprochene schloss die Augen. "Ich konnte ja nicht zulassen, dass die Irre euch alle umbringt, deswegen habe ich sie erschossen, Notwehr..." Jamie krallte sich in den Boden und Sêiichî fragte sich, was mit ihm los war. "Was hast du?" Der 17-jährige ging zu ihm hin und rüttelte an seiner Schulter, daraufhin blickte man ihm wütend in die Augen. "Finger weg", meinte Jamie, der es nicht glaubte, was ihm hier wiederfahren war. Er erhob sich und schaute Sêiichî verachtend an. "Du hast gerade Mariah erschossen, geh mir bloß aus den Augen." Oh mein Gott! Okay, es tat ihm nicht im geringsten Leid, immerhin hatte sie auf ihre eigene Tochter geschossen, wenn das so aussah. "Spinn hier jetzt nicht rum... Du hast dich in der Frau geirrt, sieh es ein..."

"Das sagt mir ein Mörder..." Vermouth fand schon damals seine Auffassung ziemlich beschissen, jetzt noch mehr. "Gib ruhig mir die Schuld", sagte sie tonlos, "so wie damals, immerhin hat er ja meinetwegen auf sie geschossen, aber nenne ihn um Himmels Willen nicht Mörder, für mich ist er so etwas wie ein Held..." Fast schon ein wenig beleidigt klang sie. "Auch wenn sie deine Freundin war, so etwas wie Schonung ist da fehl am Platz, sie wollte dich umbringen und deine Kinder verkaufen, so jemanden willst du verschonen..? Das ist doch lächerlich."

"Mörder sind Mörder... Sêiichî ist kein Held, schau was aus ihm geworden ist? Er schießt auf Menschen, die er kaum kennt, das ist verabscheuungswürdig und jetzt werde ich die Polizei rufen..." Es tat weh, auch jemandem wie Sêiichî, wenn man ihn Mörder nannte, so hatte er sich nie gesehen, auch wenn es im Prinzip stimmte. "Nichts da, du bist nicht schuld, genauso wenig, wie du schuld daran bist, dass seine Frau tot ist, er soll sich einkriegen! Du brauchst immer einen Schuldigen! Dann gib der Organisation die Schuld, immerhin machen die das tagtäglich. Die bringen Leute skrupellos um, du hattest Glück, du könntest tot sein. Ich mag vielleicht Menschen töten, aber denkst du nicht, du bist hart zu Vermouth? Sag wenigstens mal danke dafür, dass sie Josephine beschützt hat, das hätte leicht ins Auge gehen können..."

"Cognac, lass gut sein, das muss er nicht, ich habe sie beschützt, weil sie nichts damit zu tun hatte, das ist nichts besonderes." Sie zog es vor, an Cognac vorbei zu gehen und die beiden alleine zu lassen, die mussten alleine miteinander klarkommen. Außerdem war sie dem keine Rechenschaft schuldig. Es war okay so, man sollte sie ja gar nicht mögen...

Sêiichî verstand die Frau nicht, als wenn nichts gewesen wäre, ließ sie ihn stehen und ging, als sei sie nie da gewesen. "Na toll, daraus soll einer schlau werden..."

"Sagte ich nicht, du sollst verschwinden, Neffe??" meinte Jamie bissig, ganz besonders, da eben ein bestimmter Name gefallen war. "Selbst das bist du nicht wert, du gehörst ja jetzt zur Organisation, geh zu deiner Vermouth und lass mich zufrieden..." Er schaute die Tote kurz an und wartete dann auf die Polizei, Sêiichî allerdings schloss die Augen und lehnte sich gegen eine Mauer. "Du hast mich nie verstanden und wirst es nie tun, weil du es gar nicht versucht hast... Das macht uns verschieden." Er klang verletzt, anscheinend machte es ihm etwas aus, wenn man ihn verachtete, aber es fiel kein Wort der Entschuldigung seitens Jamie. Er war zu sehr damit beschäftigt, das Erlebte zu verdauen, als sich Gedanken um Sêiichîs Beweggrund zu machen. "Du kannst nun nicht mehr zurück, das ist dir hoffentlich klar, Sêiichî Iwamoto... Du sitzt jetzt mittendrin... Lass dich bitte nicht töten." Der Angesprochene hob den Kopf, verwundert darüber, was sein Onkel da gesagt hatte. "Du bist viel zu jung, um schon zu sterben. Das ist diese Organisation auch wieder nicht wert. Das, was ihr da eben getan habt, war Verrat, ihr solltet aufpassen, dass es nicht rauskommt... Das könnte euch beiden das Genick brechen." Cognacs Gesicht zierte ein gerissenes Lächeln. "Nein, so schnell sterbe ich nicht, ganz sicher nicht, mach dir nur keine Sorgen. Ich werde meinen Vater finden und die Killerin, die Mutter getötet hat, auch... Und ich bin nicht alleine."

"Hoffe nicht zu sehr auf ihre Hilfe, sonst wirst du nur enttäuscht. Ich will dir nichts miesmachen, aber Vertrauen... Was ist das schon, wenn man der geliebten Freundin nicht mal trauen darf??" Sein Kopf sank gegen den Boden und man hörte das monotone Geräusch seiner Tränen, die seine Augen verließen und zu Boden tropften. Was für eine Tragödie. Ja, es stimmte, wer vertraute, konnte sehr verletzt werden, wenn der Partner das Vertrauen in Stücke riss. So in etwa fühlte sich Jamie jetzt. Es war keine Trauer, die sein Herz zu zerreißen drohte, nein, er fühlte sich verraten und benutzt, ein schreckliches Gefühl.

2/3. November - Ein Geburtstag, den wir alle nie vergessen werden...

Ich hab's geschafft, eine schwere und lange Geburt -__- ich bin fast gestorben, mein Gott, der Teil war so langwierig, kein Wunder... 12 Seiten >.< Nya, musste viel passieren....... XD lasst euch überrascheln ^-^ *Kein kommentar zum Inhalt >P abgeb*

Viel Spaß, wenn ihr es denn lest.............. XD

Baibaileinchen ^-^ *platz* %DDD


 


 


 


 

Sêiichî war noch etwas aufgehalten worden. Er hatte eine hübsche junge Dame kennen gelernt, die ihm vom Aussehen her gleich zugesagt hatte. Dass sie es faustdick hinter den Ohren hatte, bemerkte er auf Anhieb. Ihre langen schwarzen Haare waren nur ein Grund dafür, dass er sie wunderschön nannte. Er befand sich mit ihr in einem Café, da der Regen sie überrascht hatte und sie dort ein wenig Schutz suchten. Während er Interesse an der Frau zeigte, war ihm alles andere plötzlich egal und er befand sich im Element. Dass Vermouth und er sich treffen wollten, war ihm auch schon entgangen. Sie hatten noch einen kleinen Auftrag zu besprechen, doch sein Handy war aus, somit konnte ihn auch niemand erreichen. "Du bist also neu hier? Verstehe ich dich da richtig, Sêiichî?" fragte die 19-jährige, welche eine ziemlich weit offene Bluse trug, was Sêiichî im ersten Moment an Vermouths Aufzug erinnerte, wenn sie alleine in ihrer Bude hockte und irgendetwas ausheckte. Eine geheimnisvolle Schönheit, so etwas mochte er. "Willst du wirklich über so etwas reden? Du könntest mir auch zeigen, wo du wohnst, Aiko", erwiderte der 17-jährige mit einem gerissenen Lächeln. "Wenn du es wüsstest, würdest du mir dann folgen?" baggerte sie den Jungen frech an und entlockte ihm ein zufriedenes Lächeln. "Was denkst du?" In dem Moment ging die Eingangstür auf und eine blonde Frau betrat das Café. Sie war vom Regen ebenfalls überrascht worden und bestellte sich gleich einen schönen heißen Kaffee, bis sie die beiden Personen am ersten Tisch sah. ,Das ist doch nicht zu glauben! Was denkt der eigentlich, wer er ist, dass er mich warten lässt?' Sie schritt langsam auf ihn zu und blieb hinter ihm stehen. Er sah sie demnach nicht, so dass sich ein fieses Grinsen in ihr Gesicht schlich. Chris legte ihre Hände auf seine Schultern und drückte zu, so fest sie konnte. Das war die Strafe dafür, dass dieser elende Hund sie hatte warten lassen. Ein Schrei überkam Sêiichî, man drückte ihm einen Nerv ab, das tat verdammt weh, auch ihm, selbst wenn er sonst nicht wehleidig war. "AHHHHHHHHH!" Er schrie das gesamte Café zusammen, aber das war der Blondine egal. "Na, wie war das, mhm?" fragte sie gehässig und ließ noch immer nicht los. Aiko blickte in eiskalte Augen und für einen Moment fesselten diese ihre eigenen. ,Wer ist das denn?' fragte sie sich und beobachtete sie. "Was fällt dir eigentlich ein, deine Mutter warten zu lassen, das ist doch nicht zu glauben!" fauchte sie ihn an, was ihm mehr als peinlich war, immerhin hatte er hier ein Date. "Mutter?" fragte er sich selbst, er konnte einfach nicht glauben, dass sie ihn derartig in Verlegenheit brachte. Die Frau zerrte ihn am Arm vom Stuhl, er war noch ganz geschwächt von ihrer Attacke eben, so dass er sich mitzerren ließ. Sie warf der Kellnerin einen Schein hin und verließ vorzeitig das Café, sie hatten besseres zu tun, als da rumhocken. Den Kaffee konnte sie auch woanders trinken. Sêiichî fühlte sich überrumpelt und zu allem Überfluss auch noch verscheißert, weswegen er sich draußen endgültig von der Frau losriss. "Sag mal, spinnst du? Ich war mitten in einer Verabredung! Was fällt dir ein, mich so bloß zu stellen?" Das war zuviel, im nächsten Moment hörte man einen Knall, der von seiner Wange ausging, auf welcher ihre Hand gelandet war. "Das musst du gerade sagen! Hast du auf die Uhr geschaut?!"

In dem Moment wusste er, was los war, so dass er den Kopf senkte. "Tut mir Leid, das hab ich vergessen", nun klang er ziemlich kleinlaut, obgleich es bis eben noch genau anders herum gewesen war.

"Wenn es dir Leid tut, dann tut mir die Ohrfeige auch Leid", sagte sie grinsend und ließ Sêiichî stehen, da sie wusste, dass er ihr ohnehin nachgehen würde...
 

Vermouth war dabei Cognacs Waffe zu inspizieren, wobei sie einen ziemlich kritischen Blick aufgesetzt hatte. Wahrscheinlich hatte man das Teil schon länger nicht mehr gesäubert, wenn sie sich den Lauf so ansah, ojemine. Ein Seufzen entkam ihr. "Nichts für ungut, aber die Waffe ist Schrott! Was hast du bloß für eine scheiß Waffe, Cognac?" Sie sah ihn empört an, weswegen er sie schmollend anblickte und ihr die Waffe aus den Händen riss. "Wenn du es mal mit vielen zu tun hast, bist du ewig mit Nachladen beschäftigt und wirst abgeknallt, bevor du soweit bist... Kauf dir gefälligst wenigstens eine mit mindestens 15 Schuss, wenn es denn eine Sig Sauer sein muss. Sonst bist du bald eine Leiche... Oder hat das gar keinen besonderen Grund?"

Sêiichî sah irgendwie verletzt aus, weswegen sie die Sache noch mehr interessierte. "Sag!"

"Mein Vater hatte ein Sig Sauer... das ist seine...", kam leise von ihm. "Ach herrje...", sie griff sich stöhnend an die Stirn. "Häng lieber nicht zu sehr daran... Kauf dir eine gescheite Waffe, das ist besser für dein Leben."

"Ich werde diese behalten", beharrte er stur, weswegen sie nur den Kopf schüttelte, wobei sie es ja nur gut meinte, was wohl nicht so recht bei ihm anzukommen schien. "Die hat es bisher immer getan, also..."

"Na wenn du das sagst, dann muss es ja stimmen", meinte die Frau ziemlich sarkastisch und ließ ihn dann stehen, um ein Bad zu nehmen. "Hey, wo gehst du denn hin?"

"Mich entspannen...." Sêiichî bekam große Augen und sah eine seiner Chancen, weswegen er ihr nachrannte. "Ich komme mit..." Ein genervtes Seufzen kam über ihre Lippen, in dem Moment war die Tür bereits offen und er wollte hineinstürmen. Ihre Hand schnappte seinen Hemdkragen und zog ihn zurück. "...Ich möchte aber alleine sein...", sagte die Blondine unter einem fiesen Grinsen, weil es ihr gefiel ihn zu ärgern, deswegen ließ sie ihn auch so gemein anecken. Sêiichî war damit alles andere als zufrieden, weswegen er es wagte, sie zu küssen, damit wollte er die schöne Frau auch ein klein wenig betören und weich kochen, was sie zu verhindern wusste, indem sie sich überschnell von ihm löste. "Du entschuldigst mich", die Tür flog zu und er blieb wieder einmal vor dieser stehen. "Was ist bloß los? Ich versteh sie nicht... Jetzt auf einmal verliert sie das Interesse an mir, oder stimmt was nicht mit mir?" Seufzend wandte er sich um und schnappte sich seine Jacke, während sie sich ein Bad gönnte, machte er sich frustriert aus dem Staub, da sie abgeschlossen hatte und er so nicht an sie herankommen konnte - gemein von ihr. Und dabei hatte er noch so viel Zeit bis heute Abend...
 

Aus Langeweile stattete Cognac den Killern in der Verbrechergegend wie so oft einen kleinen Besuch ab. Ihn allerdings erwartete er nicht dort, weswegen es ein Schock für ihn war, den Mann dort zu sehen. "Yûsuke? Was machst du denn hier? Hattest du nicht Ärger mit einem Detektiven und wurdest eingelocht?" Dass Sêiichî den Kerl nicht so besonders mochte, konnte man seiner Stimme entnehmen, weil er sich über ihn lustig machte, was sich als Fehler herausstellte.

,Das kann doch nicht sein' dachte sich Flavis, der gerade angesprochen worden war. "Das könnte ich dich fragen, was machst du hier, Sêiichî Iwamoto? Ist das nicht ein zu gefährlicher Ort für kleine Jungs?" Ein Lachen entfuhr dem Angesprochenen. "Ich war erwachsen genug, um dich auszubooten, was machst du auch deine kleine Schwester an? Ein erbärmlicher Typ bist du..." Was zuviel war, war zuviel, ganz besonders für ihn, der den anderen über alle Maßen hasste. "Oh ja, das hast du, was ich niemals in meinem Leben vergessen werde, du kleiner Macho..."

,Endlich habe ich dich gefunden, dann kann das Spiel ja beginnen.' Ein Schuss ertönte und traf Sêiichî in die rechte Schulter, er kam vom Dach, weswegen sich der 17-jährige entschloss ein anderes Mal mit Yûsuke zu plaudern, weil er jetzt eine Weile zu tun haben würde...

So kam es, nur dass er nicht ahnte, dass Yûsuke eine hübsche Waffensammlung auf dem Dach hatte und auf Sêiichîs Rückkehr warten würde. Nicht so wie die Kugel seines Komplizen würde ihn eine Reihe Kugeln treffen, er würde keine Rücksicht nehmen, so wie der andere, quälen würde man seinen Bekannten!
 

Nach einer kleinen Verfolgungsjagd kam Sêiichî schwer atmend zurück. Der Weg führte ihn durch die dunkelste Gegend, die es in Tokyo gab. Mittlerweile war es finster geworden und man sah diese Übeltäter noch schlechter. Yûsuke lauerte auf dem Dach, Sêiichî hingegen lehnte gegen die Wand und lud seine Waffe nach.

"Kuckuck", meinte Flavis und feuerte eine Reihe Kugeln in die Richtung seines Feindes. Diese schlugen in die Wand ein, da er gerade zur Seite gegangen war. Die nächste Ladung kam und erwischte ihn in den Unterleib, woraufhin man ein regelmäßig vorhandenes Keuchen hören konnte. Durch die Kugeln reichlich gezeichnet, lief ihm der Schweiß übers Gesicht, dann entdeckte er den Kerl im Mondlicht und zielte mit der Waffe auf ihn. Zwei Kugeln gingen in die Richtung des Scharfschützen, doch keine traf ihn wirklich. Es war unmöglich von da unten einen auf dem Dach liegenden Mann zu treffen. Dafür konnte Flavis sehr gut auf seinen kleinen Freund zielen. Immer wieder schoss er und jedes Mal waren die Schüsse gezielt genug, um dem 17-jährigen ein Schmerzenskeuchen zu entlocken. Anscheinend hatte dieser Mistkerl vor Cognac regelrecht zu löchern.

Weil der Mann ein Gewehr hatte, war er natürlich im Vorteil, denn kaum hatte Sêiichî es erneut versucht, war das Magazin schon wieder leer und er durfte noch mal nachladen. ,Hatte sie Recht? Wird mir meine Klammerei zum Verhängnis?' Er fasste es nicht, schon gar nicht, weil sie eine Frau war, denn normalerweise kannten sich Frauen mit so etwas nicht besser aus. Doch der Junge hatte keine Zeit zum Schmollen, denn die nächsten Schüsse fielen und trafen ihn diesmal in den Brustkorb, so dass er den Boden unter den Füßen verlor.
 

Der Schütze war mit seiner kleinen Rache viel zu beschäftigt und bemerkte nicht, dass sich ihm jemand näherte. "Are you silly? He is the best killer of our boss, you will regret this..." Und schon spürte der Mann ihre Baretta in seinem Genick, was ein knackendes Geräusch zur Folge hatte, dennoch hatte sie ihm nicht den Rest gegeben und sein Genick gebrochen, sie wollte ja, dass man ihn noch bestrafte. ,Wer hier wohl Ärger kriegt...? Wenn der Boss erfährt, dass ich hier bin...' Vor etwa einer viertel Stunde hatte die Frau den Boss dabei beobachtet, wie er die Verbrechergegend von seinem Büro aus beobachtete. Er saß mit einem Glas Cognac da, die Beine übereinander geschlagen und darauf wartend, dass man seinem neuen Killer Manieren beibrachte. Da war ihr alles klar gewesen, hätte sie doch nur früher davon gewusst....

Die Killerin verließ das Dach und machte sich schleunigst auf den Weg zu ihrem Partner, der übel zugerichtet zu Boden gegangen war. Während ihrem Abgang telefonierte sie schon hastig mit der Notrufzentrale, weil es ihrer Ansicht nach keine Zeit zu verlieren gab. ,Das wirst du mir büßen, dass du dich am Leid anderer ergötzt, Alter!'

Kaum war sie unten angekommen, sah sie, wie Blut unter seinem Körper hervor kam, so dass sie ihn erst mal - sprichwörtlich - vom Boden abkratzte. "Sêiichî?" sprach sie ihn an, doch er schien schon total weggetreten zu sein. "Halt durch, bitte..." Hoffentlich hatte das niemand gehört, es war nämlich nicht für andere Ohren bestimmt, außer seine. Doch war es ihr rausgerutscht, weil sie ihn mochte.

Der Junge bekam nichts mehr mit, der Blutverlust war einfach zu groß. All ihre Sorgen, die sie sich gerade um ihn machte, blieben ihm daher verborgen. Noch waren sie ein Geheimnis. Ob er wohl je davon erfahren würde, dass sie ihn so sehr mochte? "Verdammt! Du darfst nicht sterben!" Vermouth opferte etwas von ihrer teuren Bluse, die ihr jetzt egal zu sein schien, um mit diesem Stück wenigstens den Versuch zu unternehmen, den schweren Blutverlust zu stoppen. Es war lange her, dass sie sich um jemanden solche Sorgen gemacht hatte, sie hatte ja auch noch nie einen Partner wie ihn gehabt, jemanden, an dem ihr viel lag. ,Soviel zu trenne Job und Privatleben voneinander.' Ein Seufzen entkam der Frau, in dem Moment schlug Sêiichî kurz die Augen auf, was sie nicht bemerkte, weil sie mit seinen Verletzungen beschäftigt war und ihm nicht ins Gesicht schaute.

Sêiichî fühlte sich mehr tot als lebendig und er war so müde... Nur sehr schwach konnte er die Umrisse einer Person erkennen und obwohl es nur schemenhaft möglich war, etwas zu sehen, wusste er, wer bei ihm war. Würde er nicht solche Schmerzen verspüren, hätte der 17-jährige gelächelt, doch das blieb aus. Einen Augenblick später wurde alles wieder schwarz...
 

Es war kurz vor Mitternacht...

"Mhm?" Es war nur ein kleiner Laut, der Ryo entkam. Riina wurde fragend angesehen, als sie zum Fenster ging, da es an der Tür geklingelt hatte. Es war nur Leena, weswegen die Rothaarige seufzte. "Warum schaust du so? Deine beste Freundin ist gekommen", meinte Ryochi verwundert, so dass ihr die Röte im Gesicht ihrer Haarfarbe Konkurrenz machen konnte. "Er hat versprochen zu kommen und jetzt ist es schon so spät, gleich fängt mein Geburtstag an. Ich will, dass er dabei ist. Ich will um Mitternacht mit ihm anstoßen, aber er ist nicht gekommen. Ich dachte eben, er wäre es... Wie enttäuschend. Er hat mich belogen..." Der 16-jährige ging zu der 14-jährigen hin, die gleich 15 werden würde und tätschelte ihre Schulter. "Wenn er es dir versprochen hat, wird Sêiichî sein Versprechen auch halten." Was dachte sich dieser Kerl wieder? Shinas Freund ging mit finsterer Miene zu der Hellbraunhaarigen hin, die am Tisch saß und sich ein wenig langweilte, weil sie auf Mitternacht wartete. Dennoch sah sie nicht so aus, wie Ryo, der wirkte, als wolle er jemandem den Hals umdrehen.

"Was hast du, Ryo?", fragte Shina ihren gleichaltrigen Freund, welcher nur seufzte und den Kopf schüttelte. "Ach weißt du, Sêiichî hält man wieder ein Versprechen nicht, wie es scheint, anscheinend hat er irgendwo wieder einmal eine geheimnisvolle Schönheit getroffen und vergessen, dass er Riina versprochen hat, da zu sein, dieser Baka." Shina hatte einen grausamen Blick im Gesicht. "Weiberheld... wenn er ihr wehtut, dann kann er sich auf was gefasst machen." Nicht, dass Shina dem Kerl die Hölle heiß machen würde, sie wusste einfach, dass Wataru abdrehen würde, wenn Sêiichî seiner Schwester das Herz brach, denn sie schien im gewissen Sinne sehr viel für den 17-jährigen übrig zu haben. Anscheinend hatte er sie über Ryochi hinweggetröstet, immerhin hatte Riina ihre Augen auf Shinas Freund gerichtet. Irgendwie war sie ja erleichtert, dass sie sich deswegen nicht auch noch in die Wolle gekriegt hatten. "Der war immer so ein Idiot, na ja, lässt sich nicht ändern. Mir wäre es nur lieber, wenn Riina sich einen anderen Typen zum Trösten gesucht hätte, der Kerl ist unfähig mit so einem Mädchen umzugehen..."

"Ach wie süß, machst du dir Sorgen um sie?" In Shinas Gesicht waren Halbmondaugen aufgekommen. "Übertreib mal nicht, ja? Ich finde nur, dass er unfähig ist", rechtfertigte sich Ryochi für seinen kleinen Beschützerinstinkt. ,Sie ist in Hitomis Alter, man, bin ich froh, dass sich Sêiichî nicht an meine kleine Schwester rangeschmissen hat...' Das wäre ihm zumindest zuzutrauen, dass er es wagte.

Leena war fröhlich, wie sie es meistens war und umarmte Riina stürmisch, was diese wohl gar nicht zu schätzen wusste und nur seufzte. "Happy Birthday, was machst du denn für ein Gesicht!?" Verwirrt blickte man sie an, weswegen die Rothaarige mit den offenen Haaren nochmals ein Seufzen von sich gab. "Ach, mir ist nicht mehr nach feiern, allerdings könnte jemand mal den Kuchen aus dem Kühlschrank holen... Das wäre lieb..." Sie bemerkte wie in den Augen ihrer Cousine Tränen aufkamen. "Es ist wegen Wataru, oder Riina? Deswegen bist du den Tränen nahe..."

"Nein, nein, es ist schon in Ordnung, dass er nicht da ist, er wird morgen kommen, es ist wegen etwas anderem, schon gut..." Die jetzt 15-jährige wischte sich schnell die paar Tränen weg und ging zum Tisch hin. Ryo holte den Kuchen heraus und wollte ihn gerade anschneiden, als sein Handy zu klingeln begann. "Boah, diese Dinger klingeln immer nur dann, wenn man es nicht gebrauchen kann", beschwerte sich Shina, während Ryochi einen resignierten Laut von sich gab. "Mein Vater...", meinte er und drückte Leena das Messer in die Hand, sie nickte nur und machte sich dazu auf den Kuchen anzuschneiden.

"Ja, Vater, was gibt's?" fragte Ryochi den Mann am Telefon, woraufhin er etwas blass wurde. "Im Krankenhaus sagst du? Aber... was ist denn passiert?" Alle anderen, insbesondere Shina, die wohl die Gefahr roch und aufstehen musste, blickten zu ihm rüber. Sie bemerkte an seinem Gesichtsausdruck, dass etwas nicht gerade erfreuliches geschehen war. Womöglich schon wieder so ein grausamer Mord...

"Verstehe... Wir beeilen uns..." Es wurde aufgelegt. "Wir müssen alle ins Krankenhaus, so schnell wie möglich..." Keiner von ihnen wusste in dem Moment, was gemeint war, doch das würden sie sicher gleich erfahren.

Riina stürzte auf Ryochi zu mit einer gewissen Vorahnung im Sinne. "Was ist mit Sêiichî..?" Sein Blick ging zu Boden. "Ich weiß nicht, jedenfalls ist er im Krankenhaus und mein Vater klang sehr aufgeregt, was nichts gutes bedeuten kann... Wir sollen kommen, er will uns im Krankenhaus alles erklären." Riina hielt sich die Hände vor's Gesicht. "Oh Gott, warum denn bloß?"

,Vielleicht, weil mein Freund ein Idiot ist?' dachte Ryochi, als er diesen Gedanken hegte, sah er ziemlich mitgenommen und besorgt aus, weswegen Shina seine Hand nahm. "Dann beeilen wir uns..." Jeder schnappte sich seine Jacke und stürmte nach draußen, wobei Riina zweifach die Haustür abschloss, immerhin konnte man nie wissen, sie hatte ein riesiges Misstrauen in sich. Was wenn man sie nur außer Haus haben wollte? So war sie eben geworden, seit sie wusste, was ihr Vater trieb...
 

"Er hat jede Menge Blut verloren und sich zahlreiche Verletzungen zugezogen. Seine Lunge wurde in Mitleidenschaft gezogen. Er atmet nicht selbstständig, das übernimmt unser Gerät. Bei Bewusstsein ist er auch nicht und niemand kann so genau sagen, wann und ob er je wieder aufwachen wird..." Das waren nicht gerade schöne Nachrichten, nein, es war eine Tragödie für sie alle. Shinas Ansicht nach sah es für Riina wohl am schlimmsten aus, die Arme hatte Geburtstag, sie hatte sich auf diesen gefreut und auf Sêiichî gewartet, der jetzt hier im Krankenhaus war und niemand wusste, ob er es je wieder lebend verlassen können würde. Sie rechnete nicht damit, dass die Nachricht ihren Freund noch viel mehr mitnahm, als man annehmen würde, denn er war ganz ruhig. Riina fing an zu weinen und Kôji kümmerte sich um sie, Shina stand neben Ryochi, der kerzengerade dastand, die Augen schockiert geöffnet. Bekam der überhaupt noch irgendetwas mit? "Was heißt das jetzt genau?" wollte Akemi wissen, die Riina mitleidig gemustert hatte. "Dass es sehr schlecht aussieht und sie sich nicht zuviel Hoffnungen machen sollten."

Das war alles doch nur ein schlechter Traum, das war nicht die Wirklichkeit. Ryochi stand noch immer wortlos da, so dass Shina das schon komisch vorkam. "Du?" sprach sie ihn an. "Was ist los mit dir?" Der Junge fing an hektischer zu atmen, ihm brach der Schweiß aus, weil ihm die Luft wegblieb, so dass ihm im nächsten Moment schwindelig wurde, obendrein wie ein nasser Sack nach vorne fiel und zu Boden ging. Die Panik hatte ihm die Luft zum Atmen genommen und ihn sprichwörtlich umgehauen.

"Herrje... Gut gemacht, Macho-kun..." Eine Frau, die sich die ganze Zeit etwas entfernt aufgehalten hatte, konnte sich dieses dümmliche Kommentar nicht verkneifen, als Campari wegen des Schocks umgekippt war, sie ging dem Arzt nach, der alle einfach stehen ließ und sich nicht mehr um sie scherte, so würde man sie wahrscheinlich auch gar nicht entdecken, was besser so war. "Und, wie schlimm ist es wirklich?" fragte sie den gutaussehenden, jungen Arzt. "Hoffnungslos trifft es in etwa...", meinte er bedauernd, aber doch etwas kalt. Wie nett, Chris schloss die Augen. "Verstehe..." Das hatte dieser Typ ja sensibel gesagt, also wirklich. ,Kein Wunder, dass er umgekippt ist, wenn er es denen genauso gesagt hat, wie mir gerade.' Shina war gerade dabei Ryochi aufzuhelfen, der ja bewusstlos war. "Hilf mir mal, Akemi..." Ihre beste Freundin half ihr, ihn auf die Bank zu legen. Shina legte seine Beine hoch auf ihre, so dass es ihm gleich sicher wieder besser gehen würde. "Ach du Schande, der ist ganz blass..." Kôji holte einen feuchten Lappen und legte ihn auf seine Stirn, das half ihm auch sicher. "Das hat ihn ja richtig von den Socken gehauen, aber ich kann's verstehen, wenn das Wataru passiert wäre, würde ich wahrscheinlich auch ohnmächtig werden..."
 

Nach ein paar Minuten öffnete der Junge auch schon wieder ziemlich schwach aussehend die Augen. "Man, du hast uns einen Schrecken eingejagt, Ryo", meinte Kôji seufzend, weswegen Ryochi den Gleichaltrigen verpeilt ansah. "Wieso das? Ist irgendetwas passiert?" Die Gruppe schwieg erst einmal, wobei Shina zur Seite schaute und wohl als einzige sah, dass jemand, der nicht so ganz hierher gehörte, aufgetaucht war. "Entschuldigt mich kurz." Shina legte Ryochi auf Akemis Schoß, was diesem zwar nicht gefiel, sie aber nicht im Geringsten interessierte, und rannte der blonden Frau nach, die gerade den nach unten Knopf eines Fahrstuhls drücken wollte, man ihr aber zuvor kam. Shina hielt den Knopf zu, so dass sie nicht drücken konnte. "Können sie mir mal sagen, was sie hier machen, Chris? Sie haben doch eben mit dem Arzt gesprochen! Wen besuchen sie, mhm?" Komischer Zufall, wie sie fand.

Das lief ja alles prima, jetzt klebte Yukikos clevere Tochter an ihrer Backe, das hatte ihr gerade noch gefehlt. "Ich glaube kaum, dass dich das was angeht, meine Kleine und nun nimm die Hand da weg..."

Shina entschied sich noch unverschämter mit ihr zu reden, immerhin konnte ihr das ja egal sein. "Mag ja sein, aber nicht, wenn ich weiß, dass man meinen Freund beobachtet. Also, was wolltest du hier!? Raus mit der Sprache! Warst du seinetwegen oder wegen Sêiichî hier?"

Ganz schön frech, es war aber wohl ganz gut, wenn man sie einweihte. "Ich rate dir gut auf Ryochi aufzupassen, sonst geht es ihm irgendwann noch wie seinem Freund." Ein fieses Grinsen schlich sich auf ihr Gesicht. "Woher weißt du schon wieder, was passiert ist? Wer hat dir das gesagt? Oder warst du etwa dabei?" Shinas Blick wurde nun auch fies und die nächsten Worte, welche sie wählte, glichen mehr einem Flüstern. "Wolltest du ihn endgültig erledigen... Vermouth??" Der Gesichtsausdruck der Frau verfinsterte sich schlagartig. Woher wusste sie davon schon wieder? Hatte sie neulich, als man sie vor Chardonnay rettete irgendetwas mitbekommen, was nicht für sie bestimmt war? Oder hatte Ryo...? Fragen schossen der blonden Frau durch den Kopf. "Das würde ich deinem Freund nie antun, er ist doch so ein Süßer", versuchte Chris die Hellbraunhaarige zu ärgern, was diese jedoch nicht beeindruckte. "Da bin ich ja beruhigt, aber was war es denn? Wie hast du davon erfahren?" Das Gespräch wurde nun ein wenig normaler als bisher, weil Shina nicht diesen stichelnden Ton beilegte, den ihre Stimme bis eben noch gehabt hatte. "Ich habe seinem Freund die hier weggenommen." Chris öffnete ihre Jacke, in der eine Waffe steckte. "Er war damit in der Verbrechergegend unterwegs, leider ist er so einem miesen Typen in die Arme gelaufen, der nichts anderes im Sinn hatte, als ihn zu löchern." Komische Erklärung... wie sollte sie Shina auch erklären, wie sie Sêiichî dort gefunden hatte? Es war ja schon seltsam, dass eine Schauspielerin dort aufgetaucht war. "Die Erklärung, was ich dort verloren hatte, spar ich mir mal, weil du meinen Codenamen genannt hast..." Shina musterte sie seltsam, auch jetzt spielte sie eine Rolle, das bemerkte sie, immerhin benahm sie sich vollkommen anders, ihre Augen, alles an ihr, war eine Fassade, immerhin ahnte sie ja nicht, dass Shina von ihrem Geheimnis etwas ahnte, daher ging sie darauf jetzt auch nicht ein. "Wieso hast du ihm die Waffe weggenommen, erklär mir das... Wolltest du, dass man ihn verletzt?"

"Nein, falsch!" fuhr man Shina an, irgendwie musste sie sich ja verteidigen. "Was wäre wohl geschehen, wenn die Ärzte die Waffe bei ihm gefunden hätten? Er ist 17 Jahre alt und dürfte nicht mal eine haben. Ich habe ihm jede Menge Ärger erspart..." Sie sah Shina scharf an, für sie war das Gespräch jetzt beendet. "War's das jetzt? Nimmst du jetzt Gütigerweise die Hand da weg? Ich hab's eilig..."

"Aber sicher..." Ein freches Lächeln lag im Gesicht der 16-jährigen, als sie die Hand vom Knopf nahm und die Frau diesen endlich drücken konnte, damit der Aufzug hier ankam. "Aber merk dir was, wenn ich dich jetzt gehen lasse... Man trifft sich immer zweimal im Leben... Und wir werden uns wiedersehen, da bin ich sicher, und dann bist du fällig..."

"Danke für den Tipp, ich werd's berücksichtigen..." Sie stieg in den Fahrstuhl, da sich die Tür öffnete und drehte sich zu der Detektivin um. Ein provokatives Lächeln machte sich in ihrem Gesicht breit. "Wer sagt, dass du mir dann schaden kannst, Detektivin?" meinte sie frech und winkte ihr zum Abschied. "Good-bye..." Die Tür schloss sich, woraufhin Shina sich ein Seufzen nicht mehr verkneifen konnte. "Ich wusste gar nicht, dass du dermaßen arrogant rüberkommen kannst, Sharon..." Aber das zeigte zumindest ihre schauspielerischen Fähigkeiten.
 

Sie verließ das Krankenhaus recht schnell, immerhin wusste sie ja jetzt, dass es Sêiichî nicht besonders gut ging, das gefiel der Blonden zwar überhaupt nicht, dass ihre Vorahnungen eingetroffen waren, aber seine Freunde würden für ihn da sein. Ihr Weg führte sie zu ihrem Auto auf dem Krankenhausparkplatz. Weit und breit war kaum jemand zu sehen, nur eine Person fiel ihr sofort auf und alarmierte sie. Die 23-jährige versteckte sich hinter einem Schild und belauschte den Arzt, der ihr vorhin gesagt hatte, wie es um ihren Kollegen stand.

"Nein, natürlich alles bestens, Uvazzo... Dem Kerl geht es jetzt so dreckig, nachdem wir gepfuscht haben, dass er das unmöglich überleben wird. Die anderen können ihn, wenn er endlich hinüber ist, gerne für ihre Zwecke benutzen. Leichen sind sowieso für nichts anderes gut..." Ein gehässiges Lachen war zu hören, was Vermouth wütend machte. So etwas abscheuliches arbeitete in einem Krankenhaus und wurde auf wehrlose Menschen losgelassen, die kurz davor waren, zu sterben. Das musste dringend ein Ende haben, der Kerl war es ja nicht wert überhaupt zu existieren, geschweige denn als Arzt zu arbeiten. So einen konnte man unmöglich am Leben lassen...

Der Mann wollte zurück zu seinem neuen Opfer, was Chris unmöglich zulassen konnte. Sie stellte sich ihm in den Weg und schaute ihn böse an. "Na, na, na, wer hat dir gesagt, dass du Pause machen darfst? Warst du nicht eben noch im Krankenhaus, um zu arbeiten? Du bist vielleicht ein Schlawiner", sagte sie kopfschüttelnd, um ihn etwas zu ärgern, immerhin konnte sie etwas mitbekommen haben. Die 23-jährige sah es kommen, gleich würde er vor Panik versuchen sie umzulegen, das war doch wirklich jedes Mal so, deswegen provozierte man ihn. "Sind sie mir gefolgt?" Wie dreist von dieser Unbekannten ihn überhaupt zu duzen, was für eine Frechheit. Der Mann fuhr sich eingebildet durch die Haare. "Was wollen sie nun tun, mich verklagen?"

"Nö, nö, ich finde es nur dreist, dass du einfach hier rumrennst, statt deine Arbeit zu machen, so etwas macht mich echt sauer, weißt du?" Sie spielte etwas mit ihm und ging auf ihn zu, wobei ihre Hand in der Jackentasche verschwunden war. "Wer zum Teufel sind sie, dass sie mir Befehle erteilen wollen?" fauchte er sie an und packte ihren Arm. Es war jener gewesen, der frei war, so dass sie den Arm, den sie in der Jacke hatte, jetzt wieder aus dieser holte und ihm die Faust ins Gesicht donnerte. Der hatte ja wohl nicht das Recht sie so grob anzufassen, dieser Typ stand meilenweit unter ihr und hatte nicht ihr Niveau. "Lass los, ich stehe über dir... Dass du mich nicht kennst und nicht weißt, dass ich zu euch gehöre, tze, tze. Ich bin Vermouth, leider hat man uns einander wohl nicht vorgestellt..."

,...Oder Gott sei Dank, so was wie dich will ich gar nicht erst kennen...' Ihr war schlecht vor Ekel, was man ihr jedoch nicht ansehen konnte. Der Mann ließ sie los, als er den Codenamen hörte. "Bisher habe ich nur von ihnen gehört, Vermouth, entschuldigen sie vielmals, dass ich sie so angegriffen habe, ich dachte, sie wissen zu viel und wollte wie üblich handeln."

,Du Drecksau, für die Organisation töten, ist doch so... Und das aus freien Stücken, so etwas verabscheue ich, du bist so was von fällig, du Missgeburt.' Sie lächelte ihn gemein und hinterlistig an. "Ich vergebe dir noch einmal..." Die blonde Frau fuhr sich eingebildet durch die Haare, immerhin hatte sie einen Ruf innerhalb der Organisation zu wahren. Die Schönste und Beste von allen eben, was sie zeigen musste. Wie er sie auf einmal behandelte, so respektvoll, da hatte sich das Ganze ja wenigstens gelohnt, die Kerle hatten Angst vor ihr und ihrem Einfluss.

"Was haben sie hier eigentlich gemacht, wenn sie Vermouth sind?" meinte der Mann skeptisch, sie ließ sich mit der Antwort viel Zeit und zündete sich in aller Seelenruhe eine Zigarette an. "Der Boss hat mich geschickt, damit ich mal nach dem Rechten sehe."

"Ach so", sagte er gutgläubig und grinste. "Sie verstehen doch, wenn ich wieder an meine Arbeit gehen muss, oder?"

"Wieso denn? Sie haben doch alle Zeit der Welt, oder nicht? Man soll den Kerl ja nicht retten, oder?" Ein fieses Grinsen kam über ihn. "Auch wieder wahr, was schlagen sie vor?"

"Dass wir uns mal in ihrem Auto unterhalten."
 

Shina kam gerade zu den anderen zurück, Ryochi sah noch immer recht blass aus. Sie hatte Mitleid mit ihm. "Wo warst du?" wollte Akemi wissen, aber Shina hüllte sich lieber in Schweigen. "Auf der Toilette", flunkerte die 16-jährige und setzte sich zu den anderen. "Und nun? Sitzen wir hier rum? Dürfen wir nicht zu ihm?" Kôji schaute zu Boden. "Er braucht absolute Ruhe, hat der Arzt gemeint. Der war total komisch und ist fast ausgerastet, als ich meinte, dass wir zu ihm wollen..." Die Detektivin schaute Kôji in die Augen, in denen das Misstrauen geschrieben stand. "Was denkst du, Kôji?"

"Dass da was faul ist, immerhin sagt man, dass Komapatienten alles mitbekommen, was um sie herum passiert, das heißt auch, dass es ihm hilft, wenn wir bei ihm sind, oder nicht?" Ryochi lag da wie ein Wrack, er starrte zur Decke, wobei der Junge noch immer auf Akemis Schoß lag. "Er ist total still, seit vorhin... Er sagt kein Wort und vegetiert vor sich hin...", seufzte Kôji und warf dem Detektiven einen mitleidigen Blick zu. ,Und dass, obwohl ich ihn bisher nie mit besonders viel Aufmerksamkeit bedacht habe.' Shina rückte an ihren Freund heran und zog ihn zu sich. "Hey, wie geht's dir?" Er schaute sie nur verletzt an. "Wie konnte so etwas bloß passieren? Ich habe ihm doch gesagt, er soll vorsichtig sein...", schluchzte der 16-jährige jetzt voller Verzweiflung, weswegen seine gleichaltrige Freundin ihn zu sich hochzog und an sich drückte. "Tut mir Leid, dass so etwas passiert ist, ich weiß nicht, was ich machen soll." Sie fühlte sich so hilflos, sie konnte ja schlecht seinen Schmerz lindern, immerhin lag sein bester Freund wohl gerade im Sterben, wenn man den Ärzten trauen konnte. "Wo ist Riina hingegangen?" fragte die Detektivin, die noch immer ihren Freund im Arm hielt. "Sie ist Wataru anrufen gegangen, ich glaube, sie braucht ihn jetzt, mir ist sowieso schleierhaft, wo der schon wieder ist. Der war ja nicht mal da, um den Geburtstag seiner Schwester zu feiern..." Kôji wollte eigentlich schweigen, konnte dann aber doch nicht mehr. "Wataru ist im Polizeipräsidium bei Inspektor Megure, um bisschen was zu lernen", verriet er und grinste. "Ich weiß, dass ihr wohl dachtet, dass er bei Yûmikô ist, um was weiß ich zu machen! Da lagt ihr aber leider falsch."

"Den sieht man kaum noch, der ist andauernd verhindert", kommentierte Akemi. "Jetzt sollte er zumindest bei seiner Schwester sein, also wirklich." Shina griff sich an die Stirn. "Vielleicht will er ja seinen Vater kriegen? Er ist immerhin ein wichtiger Zeuge für die Polizei. Dass er denen gerne helfen würde, ist doch klar, immerhin ist sein Berufswunsch immer Polizist gewesen. Er will für Gerechtigkeit sorgen... Ihr kennt ihn doch."

Ryochi seufzte. "Ja, mittlerweile..." Mehr als eine deprimierte Miene war aber wohl doch nicht drin.
 

Der Motor lief immer noch, das Radio ebenfalls, damit man seine Schreie nicht hörte. Es war so einfach jemanden hinters Licht zu führen, Männer sowieso. Die brauchte man nur etwas verführerisch ansehen und schon waren sie Feuer und Flamme. "Das hast du davon, Kerle wie dich kann ich eben nicht leiden...", sagte die Frau vor sich hin und stieg aus dem Auto aus. Ganz in der Nähe war eine Schlucht, die tiefer ging als man schauen konnte. "Stell dir vor... Von dir ist gleich nichts mehr übrig, du Mistkerl... und meine Weste bleibt rein. Glückwunsch, du hast es geschafft, dass ich mich richtig toll fühle..." Die Handbremse war nicht gezogen, weswegen die etwas schräge Abfahrt ideal war, um das Auto von selbst diese hinab rollen zu lassen. Das Gefährt würde irgendwo dort unten aufschlagen und explodieren. Wirklich nichts würde als brauchbarer Beweis übrig bleiben. Das einzige Beweisstück hatte sie selbst, die Waffe, dennoch würde nie jemand dahinterkommen, dass eine Killerin am Werk gewesen war, man würde das Ganze für Selbstmord halten. Das war Gerechtigkeit...

Nachdem das Auto langsam auf den Abgrund zufuhr, drehte sie sich zufrieden herum und ging davon. Der Ort war eine Einöde, hier kam so gut wie niemand her.
 

Riina kam nach einem langen Gespräch mit ihrem Bruder zurück zu den anderen, die sehr angeschlagen aussahen. "So, Wataru wird in etwa einer Stunde hier ankommen. Er will auch gleich den Inspektor mitbringen, immerhin hat man auf Sêiichî geschossen, die wollen sich seine Verletzungen mal ansehen, ist das nicht ekelhaft?" Die 15-jährige schüttelte sich, während sie der Ekel überkam. "Nö, sie wollen schauen, von welchen Kugeln er verletzt worden ist, ich würde das genauso machen, ich kenne mich damit aus. Klar ist, dass ihn jemand fast umgebracht hat und man den Täter ermitteln will, immerhin hat er sich die Kugeln keinesfalls selbst verpasst, so gut kenne ich ihn."

"Das glaube ich auch nicht", sagte Shina, so dass Kôji sie seltsam ansah. "Hast du irgendwas rausgefunden, oder wie kommst du darauf?" Anscheinend fand der Junge das nicht lustig, weswegen er sie mit Halbmondaugen ansah. "Sag schon... immerhin bist du vorhin einfach abgehauen."

Sollte sie wirklich sagen, was man ihr erzählt hatte? "Scheint so, als wenn Sêiichî ein ausgefallenes Hobby hat. Ryo weiß sicher, wovon ich rede, oder?" Ihr Freund musterte sie und dachte sich, dass sie das lieber woanders besprechen sollten, denn er wollte nicht, dass alle davon wussten, ganz besonders nicht Kôji. "Komm mal mit, ich hole mir einen Kaffee, sonst kippe ich noch um..." Mit den Worten zog Ryochi Shina hoch und verschwand mit ihr den Gang entlang.

"Nicht schon wieder, der Kerl macht wohl auch gerne aus allem ein Geheimnis", schmollte Kôji, da man ihm andauernd etwas verschwieg.
 

Shina und Ryochi fuhren mit dem Aufzug nach unten, damit sie auch sicher sein konnten, dass sie niemand belauschte. "Kannst du mir nichts zuflüstern?" fragte sie im Aufzug und er seufzte. "Wer hat dir von seinem Hobby erzählt, mhm?"

"Ach, das hat mir eine Schauspielerin gesagt, die auch hier war. Dass du sie nicht gesehen hast...?"

"Ich war etwas neben mir", meinte Ryochi seufzend, wobei er nicht gerade erfreut war, dass sie hier gewesen war. "Da frage ich mich glatt, was sie hier wollte..."

"Sie hat ihm sein Spielzeug weggenommen", verriet Shina, wobei sie das Grinsen einstellte, immerhin war das alles nicht witzig. "Seine Waffe? Sie hat ihm seine Waffe weggenommen?"

"Ganz Recht, Ryo, sie wollte ihm Ärger ersparen, was ich nicht verstehe. Das klang fast so, als wären sie Partner, oder so etwas in der Art..." Diese Annahme bereitete der Detektivin Sorgen, weswegen sie es ein wenig zögerlich aussprach. "Er hätte ganz schön Ärger gekriegt, wenn man eine Waffe bei ihm gefunden hätte, das waren ihre Worte und dass er Killer gejagt hat, jedoch dann einem in die Arme lief, dem er nicht gewachsen war. Zumindest weiß man jetzt, was passiert ist."

"Obwohl ich es mir gedacht habe, Shina... das was ich dir jetzt sage, darfst du niemandem sagen, versprichst du mir das, Süße?" fragte Ryochi an, dabei funkelten seine Augen traurig, denn er wollte ihr erzählen, was Sêiichî wiederfahren war. Die 16-jährige nickte ihrem Freund zu, der ziemlich bekümmert aussah. "Ich und er, wir hatten mal Probleme mit der Organisation. Unser Vater ist bei dieser nicht gerade beliebt und Chardonnay, der hat sowieso etwas gegen gerechte Leute. Dass er nicht an meinen Vater rankam, hat ihm sehr zugesetzt. Also entschloss er, sich an seinen Kindern zu vergreifen. Ganz besonders an mir, das ist schon eine Weile her. Er hat versucht mich umzubringen, auf brutale Weisen, nicht nur einmal. Ich bin ihm zwar immer entkommen, allerdings wäre uns das alleine nie möglich gewesen. Sêiichî hat damals angefangen die Waffe seines Vaters zu benutzen. Er hat Schießen gelernt und mich beschützt. Manchmal... habe ich das Gefühl, dass seine Liebe zu groß für sein Herz ist..." Es standen Tränen in seinen Augen. "Er sieht es als seine Pflicht an, mich zu beschützen, so sehr, dass er einmal von Chardonnay fast getötet wurde. Damals... hat Vermouth mir geholfen... ansonsten wäre Sêiichî jetzt tot, ich denke, er ahnt etwas davon, dass sie uns geholfen hat. Er hängt so seltsam an ihr, obwohl er sie doch kaum kennt..." Shina schloss die Augen. "Ich glaube das beruht auf Gegenseitigkeit, mich hat bei der Frau so was angeweht. Ich denke, sie war nur hier, weil sie besorgt war, immerhin hat sie ihm eine Waffe genommen, die verraten hätte, was er tut. Das hätte Ärger gegeben und zwar nicht zu knapp, außerdem..."

"Mhm?" Ryochi wollte mehr wissen und sah seine Freundin wissbegierig an. "Ach nichts, ich habe laut gedacht. Ich weiß aber, dass die beiden irgendwas miteinander am Hut haben. Als wenn sie ihren Sohn beschützen wollte, so kam es mir vor..."

"Ach du scheiße", seufzte Ryochi und griff sich an den Kopf. "Das hätte gerade noch gefehlt, dass sie Mutter bei ihm spielt, der Kerl will mit ihr ins Bett, nicht dass sie sich um ihn kümmert. Er hat zwar keine Mutter mehr, aber... Das ist doch zum kotzen", meinte er. "Was soll er denn mit einer Killerin als Mutter? Da hat er durchaus was besseres verdient."

"Sei nicht so hart, Ryo, außerdem ist er selbst schuld, wenn er sich nicht dagegen wehrt..." Das Mädchen ging näher an ihn ran und umarmte ihn, da kam auch schon der Aufzug unten an und sie stiegen aus. "So... und jetzt?" Shina schüttelte den Kopf. "Keine Ahnung... fahren wir wieder hoch?"

,Sêiichî und sich gegen diese Frau wehren? Darauf hat der doch absolut keinen Bock... er ist geradezu besessen von dem Gedanken, an sie heran zu kommen, anscheinend hat er es auch noch geschafft... Oder er hat bemerkt, dass ich ihm nicht ganz die Wahrheit gesagt habe, um ihn davon abzuhalten, sie zu suchen?' Ryochi machte sich Vorwürfe, denn sein Freund fand gefährliche Frauen anziehend. Indem Ryo die Killerin als genau eine solche Frau hinstellte, brachte er Sêiichî noch mehr auf diesen Gedanken - ihr nahe sein zu wollen. "Was machst du nur, Sêiichî...?"
 

Man bemerkte die Blondine nicht, weil die beiden zu sehr mit sich selbst beschäftigt waren, so dass sie ungehindert wieder nach oben fahren konnte. Nur Shina sah im letzten Moment, dass sie in den Aufzug stieg, weswegen sie Ryochi am Ärmel zupfte. "Sie ist schon wieder hier, sie ist gerade in den Aufzug eingestiegen... Was soll das bloß schon wieder?" Auch der Detektiv an Shinas Seite stellte sich diese Frage. Einmal Vermouth war ja schön und gut, aber gleich zwei mal in so kurzer Zeit? "Komm, das werden wir schon rausfinden..."

Die beiden stiegen in den nächsten Aufzug und kamen einige Sekunden später oben an, wobei sie die Frau verpasst hatten, denn sie war nirgends zu sehen.

"Wo ist sie hin..?" fragte sich Ryochi, er schien regelrecht in Panik zu geraten. "Hey, ganz ruhig, die taucht schon wieder auf..." Ganz in der Nähe um die Ecke lauschte eine Person, sie stand dicht an die Wand gedrängt da, um nicht von den beiden gesehen zu werden. ,Tja, das wüsstet ihr jetzt gerne, was ich hier treibe, aber forget it, that's a secret, and it will always be. It's better this way...' Sie ließ von der Wand ab und begab sich ins Arztzimmer, da man sie reingeholt hatte. Sie wollte sich mit dem Herrn mal eine Weile unterhalten, über einen bestimmten Patienten, dessen Arzt gerade sowieso ermordet worden war...
 

Kurze Zeit kam ein smarter junger Mann auf die Gruppe zu. "Na, ihr? Ich gebe euch jetzt die offizielle Erlaubnis bei eurem Freund zu sein, was sagt ihr dazu?" Kôji schaute hoch in das Gesicht des Mannes, der sie angesprochen hatte. "Wo ist denn der behandelnde Arzt?" fragte Ryochi jetzt auch sehr skeptisch, Kôji sah den Mann sowieso sehr seltsam an. "Der ist spurlos verschwunden... darum können wir uns jetzt nicht kümmern. Ich denke, dass ich euren Freund wieder hinbekomme..." Er seufzte leicht, wenn er an die Worte der Frau dachte, die ihn eben mit einer Waffe bedroht hatte, obgleich sie das wahrlich nicht nötig gehabt hätte, weil er sie ohnehin nicht hintergangen hätte - wer sich das traute, hatte nicht viel vom Leben zu erwarten, außerdem war es ihm zuwider, was die Organisation mit dem Jungen angestellt hatte.

Ryochi ahnte schon, dass etwas nicht stimmte, aber das sah man ihm nicht an, niemand tat das.

"Na dann... kommt", meinte Akemi, welche jetzt endlich wissen wollte, was man dem armen Sêiichî angetan hatte. Die meisten würden es nicht für möglich halten, aber sie kannte Cognac...

Die Gruppe schwieg, als Akemi die Tür zu Sêiichîs Zimmer öffnete. Er lag hilflos im Bett und hatte eine Atemmaske auf. Um ihn herum waren Maschinen, die ihm wohl halfen, am Leben zu bleiben. "Schrecklich", meinte die Braunhaarige, deren Schulter von ihrem Freund Kôji erfasst wurde, daraufhin ließ er seine Hand ihren Arm hinab wandern bis zu ihrer Hand, die er fest in seine schloss. Das Mädchen schaute zur Seite, direkt in Kôjis Augen. "Gott sei Dank bist du nicht so ein Trottel, der mit Waffen spielt..." Shina hörte nicht recht, aber sie schwieg. Was war das eben für eine Aussage gewesen? Woher wusste Akemi denn davon? Ihr hatte unmöglich jemand darüber berichtet, dass Sêiichî eine Waffe besaß.

Riina kam gerade in dem Moment wieder und wurde von allen seltsam angesehen. "Hier... Kaffee für alle", meinte sie. "Wataru ist gleich da, er hatte irgendein Problem." Ihren Worten folgte ein Seufzen. Die Detektivin nahm sich ihren Kaffee und stellte die anderen Tassen auf den Nachtschrank, der auch zum Essen gedacht war, wenn man ihn ausklappte. Dann nahm sie Riinas Arm und ging mit ihr nach draußen.

"Du... willst du mir irgendwas sagen? Über Sêiichî zum Beispiel... Weißt du, wie das passiert ist?" Riina nickte schwach. "Hast du Akemi davon...?" Nun schüttelte die 15-jährige den Kopf. Damit war Shinas wichtigste Frage erst einmal beantwortet. Woher wusste ihre beste Freundin dann davon? "Es gibt da etwas, das mir Sorgen bereitet. Ich habe da so ein Problem, ich bin gerade jemandem auf dem Gang begegnet..."

"Mhm", Shina schien überrascht zu sein, weswegen sie Riina noch genauer ansah, um herauszufinden, was sie auf den Herzen hatte, noch bevor sie begonnen hatte zu reden.

"Vermouth....", mehr wollte sie erst mal nicht sagen. "Sie hast du gesehen, oder nicht? Ihr habt wohl alle vor ewig zu schweigen, nicht wahr? Keiner will reden, woran liegt das?" Riina schloss die Augen. "An meinem Vater liegt das, daher weht der Wind. Er ist hier... Wahrscheinlich ist mein Bruder deswegen so schnell abgehauen..."

"Was?" Shina riss die Augen auf. "Keichiro ist hier? Warum sagst du mir das jetzt erst?"

"Das ist nicht alles..." Ihr Blick wurde niedergeschlagen und da die Detektivin wollte, dass die Schwester ihres besten Freundes redete, nahm sie ihre Schultern und schüttelte sie. "Sharon... ist auch... hier..." Fast apathisch kam es über Riinas Lippen und der ängstliche Gesichtsausdruck, der ihr gegeben war, verschreckte Shina fast ein wenig. "Da steckt doch mehr dahinter... du bist ja blass geworden..."

Riina hatte die Hände ineinander geschlossen und drückte sie sich selbst, sie kam sich so hilflos und verloren vor. "Sie ist..." Oh mein Gott! Riina wusste davon, wahrscheinlich noch viel eher als Shina davon gewusst hatte. Nur woher? Wegen ihres Vaters?

"Lass uns woanders weiterreden, ich will nicht, dass jeder das mitbekommt." Das Mädchen nahm die Hand von Watarus Schwester und zerrte sie in die Cafeteria. Es war kaum Betrieb, daher setzten sie sich ganz in die Ecke, wo sie eh niemand so schnell belauschen konnte, wenn sie gut aufpassten.

Nachdem sie da so saßen, blickte Riina den Tisch an. "Los rede...", drängte Shina, sie wollte Fakten.

"Mein Vater steht auf sie... hoffentlich passiert nichts..." Und wie verängstigt das Mädchen war. Was hatte sie alles mitbekommen? Shina setzte einen detektivischen Blick auf und forschte in Riinas Augen. "Meinst du, dass sie sich von deinem Vater auch nur in irgendeiner Weise bedrängen lässt? Das glaube ich kaum... ich habe da so eine Sache mitbekommen, die mich daran zweifeln lässt. Die weiß sich zu wehren und ich sag dir, dem Kerl wird's dreckig gehen, wenn er sie nicht in Ruhe lässt..."

"Ahja?" Riina sah die Hellbraunhaarige ungläubig an. "Nein, das glaube ich nicht, mein Vater ist schlimmer, als ihr denkt... Vermouth sieht zwar nicht aus wie eine Frau, die Angst vor so einem hat, aber... die hat sie... Sie will ihm am liebsten nicht begegnen. Sie sagte neulich..."

"Neulich!?" Shina fiel fast die Kinnlade runter, weswegen sie hektisch wurde. "Sie war... bei dir.. bei euch? Aber Wataru... er weiß von nichts?" Die 15-jährige gab ein genervtes Seufzen von sich. "Er würde das nicht verstehen, nicht so wie ich... Das können nur wir, die wir von ihm angefasst wurden..." Das Gespräch wurde unangenehm und Shina schluckte den verdammten Ekel auf Riinas Vater runter. Der Kerl war eine Schande. "Du meinst, er hat es zumindest schon mal bei ihr versucht?"

"Ja, hat er... mehr als einmal... Deswegen mache ich mir Sorgen. Wenn er es richtig angeht, schafft er es..." Shina verkniff sich das Lachen, weil es beim besten Willen nicht komisch war, stattdessen schloss sie die Augen. "Glaub mir, wenn er es wagt, Sharon falsch anzupacken, wird er das nicht überleben." Dem war sich Shina sicher, diese Frau würde ihn umbringen, wenn er ihr gegen ihren Willen an die Wäsche ging. Sie hatte immerhin auch so etwas wie ihren Stolz, jetzt erst recht, immerhin hatte sie dem gerne die kalte Schulter gezeigt und ihn neulich erst richtig schön erniedrigt. Weswegen wurde der Detektivin erst jetzt so richtig klar. "An ihrer Stelle würde ich ihn auch hassen, wenn er sie zwingen wollte", gab Shina von sich. Was dieser abartige Mensch so alles verbrochen hatte. Es war ja nicht genug, wenn er Wataru versuchte zu quälen, nein, dieser psychopathische Spinner vergriff sich an kleinen Mädchen und wenn er dies mal nicht tat, dann verbrach er andere Schandtaten, die Shina lieber verdrängte. Sie selbst gehörte ja auch zu seinen Opfern, bei ihr war er auch angekommen, um sie zu bändigen. Sie konnte sich gut vorstellen, dass er Frauen, wie Sharon eine war, auch gerne gebändigt hätte. Der Kerl konnte froh sein, wenn er es niemals schaffte, sie zu vergewaltigen, die würde ihn schlichtweg in der Luft zerreißen. "Woran denkst du, Shina?" wollte Riina wissen, weswegen die Ältere seufzte. "Ich musste daran denken, was euer Vater schon so alles angestellt hat... Ich kann nur hoffen, dass er irgendwann einen Fehler begeht und man ihn endgültig einsperrt." Sie öffnete die Augen wieder. "Aber was wollte Sharon von dir, mhm?"

Riina blickte auf den Tisch. "Ich kenne sie schon eine Weile, seit sie damals Watarus Sachen geholt hat und mit meiner Mutter gut Freund wurde. Du erinnerst dich? Als er vor Angst weggelaufen war und sie seine Schulsachen holte? Ja, da haben wir das erste mal miteinander geredet. Sie fragte mich, ob ich auch immer schön meine Tür abschließe... Ich fand's so was von unverschämt... und ich war ein Kind, das damit nichts anfangen konnte... das ist zwei Jahre her..." Sie hatte Tränen in den Augen. "Ich war so naiv, im Traum hätte ich niemals daran gedacht, dass mein Vater ins Zimmer kommen würde, um Spaß mit mir zu haben. Ich hatte Glück, es hätte auch schlimmer ausgehen können... Wataru hat beim ersten Versuch mich zu verführen Vater zwar rausgeworfen, aber er war ja noch vorhanden. Er stand zum Beispiel mal bei meiner Schule und wollte mich einsammeln... Tja, dann war sie da und hat ihn daran gehindert. Mein Gott, was muss mein Vater sie eigentlich hassen, sie hat ihm all seine Pläne ruiniert, jetzt ist er stinksauer und geht ihr allmählich an die Gurgel. Sie sagte, ich soll nicht so oft daran denken, was sein könnte und mein Leben in Vorsicht genießen."

,Wie nett von ihr... Ich hab mich nicht geirrt.' Shina gab ein erleichtertes Seufzen von sich. "Du hast deinen Vater geliebt, Riina, oder? Bis er in dein Zimmer kam... meine ich."

"Ja, ich habe ihm vertraut, das wird nie wieder der Fall sein... Lass uns nicht mehr davon sprechen, mir wird schlecht." Das war nur zu verständlich, immerhin war es alleine schon ein widerlicher Gedanke, wenn man sich vorstellte, dass der Vater Sex mit der Tochter gewollt hatte. ,Wenn sie ihn umbringt, dann ist es mir Recht, der hat es ja nicht anders verdient.' Shina wünschte normalerweise niemandem etwas schlechtes, doch Keichiro, der war einfach zu weit gegangen, in vielerlei Hinsicht.
 

Yukiko war ihrer Freundin eine Weile gefolgt, nachdem sie sie wiedergefunden hatte, so dass sie jetzt im Krankenhaus mit ihr zusammenstieß. ,Verdammte Scheiße!' Chris war von Yukiko über den Haufen gerannt worden, ihr Herz begann wild zu klopfen und sie dachte nur noch ans Abhauen, doch ehe die blonde Frau es geschafft hatte an der anderen vorbei zu kommen, wurde sie am Handgelenk gepackt und zurück gezogen. "Sag mal, Sharon, was soll diese Maskerade? Bist du bekloppt?" Na super, sie hatte es geschafft ihrer Freundin zu begegnen und sie erkannte sie auch noch? Was nun? Sich verstellen und so tun, als wenn man sie nicht kannte. "Hey you, you are very impudently! Don't you know, that you have to say pardon if you ran into me?" Die Frau schüttelte den Kopf und setzte einen Halbmondaugenblick auf. "Hör auf mit dem Theater!" Yukiko war stinksauer, immerhin tat ihre Freundin gerade so, als würde sie nur Englisch können und sie nicht kennen, sie behandelte sie wie eine Fremde, das war ungeheuerlich. "Was treibst du hier? Warum gibst du dich schon wieder als deine Tochter aus, he?" Das hatte der 23-jährigen gerade noch gefehlt, es war zwecklos, man hatte sie durchschaut. "Psst, nicht so laut, es braucht keiner wissen, dass ich hier bin, Sweetheart." Die Jüngere drehte den Kopf weg. "Das zieht nicht, also nenn mich nicht Schatz, klar? Was treibst du hier...?" Man hielt Yukiko schnell den Mund zu und verschleppte sie um die Ecke, obwohl sich die Hellbraunhaarige von ihrer Freundin loszureißen versuchte, schaffte sie es nicht. Ein Mann, den Yukiko sehr gut kannte, kam über den Gang und sie riss die Augen auf. ,Keichiro...? Deswegen?' Chris wartete bis der Kerl außer Reichweite war und sie beide nicht mehr sehen konnte, dann ließ sie die Freundin ihrer Mutter erst wieder los. "Ja, schau nicht so... Man muss ihm nicht begegnen, schon gar nicht, wenn er einen hasst..."

"Mhm, was bedrückt dich...?" wollte Yukiko wissen, aber die blonde Frau zischte nur etwas unverständliches auf Englisch, was sie nicht verstand. "Sag nicht, dass du dich vor dem versteckst...? Das war doch sonst nicht deine Art..."

,Tja, das Blatt hat sich gewendet, jetzt habe ich ein ausgewachsenes Problem mit ihm, weil er mich liebt und das, was ich tue, nicht mag. Er hat ein Problem mit Vermouth und in dem Punkt ist er skrupellos, ich traue dem Kerl jede Gemeinheit zu...' Ihre Gedanken behielt sie für sich. Wer wusste schon, was Keichiro hier tat? Vielleicht war er gar im Auftrag der Organisation hier... oder er hatte was mitbekommen, was er besser nicht wissen sollte - über Sêiichî zum Beispiel. Wenn er wusste, dass Sêiichî Cognac war, dann würde ein ganz schönes Stück Arbeit auf die Frau warten. Leider hatte sie es bisher nie geschafft, dass man ihn umbrachte, doch genau das würde sie dann erreichen müssen, um ihren neuen Freund zu beschützen. Ihr lag viel an dieser Freundschaft, sie wollte auf keinen Fall, dass er doch noch Ärger bekam. Er war doch jetzt schutzlos ausgeliefert, niemand durfte erfahren, dass Kenji Enomoto und Sêiichî Iwamoto ein und dieselbe Person waren. ,Die bringen ihn mir um, bevor ich was tun kann... das darf nicht... passieren...'

8. November - Pläne, die uns unbekannt waren...

Der Teil fängt schon so schön an, der iz einfach nur böse... alles in dem Teil ist böse.... muahahaahaha XD Dabei habe ich erst begonnen >D

Lest mal fein und ein Kommi wäre mal net schlecht... -_-, *die bei der FF teilweise bisschen vermiss* XD Aber ich zwinge keinen dazu *LOL* ^.^ xP

Nur weiß ich, dass gewisse Leute einfach nur faul sind... *zwei Leute so mein*

Jaja, ich denke die beiden wissen, dass sie angesprochen sind......... XD

Baibaileinchen... *einratz* XD
 

Übrigens, 20. Teil... ^______________^ *freu*

*jetzt endgültig die Fliege mach* XD
 


 


 


 


 


 

Es war kurz nach 12 Uhr in der Nacht. Die beiden gingen die Straße entlang, während Takahashi sich die ganze Zeit umblickte, damit man sie auch ja nicht verfolgte, oder dergleichen. "Tja, mein Problem ist, Riku ist Kenjis Freundin", meinte er zu seinem besten Freund, welcher ihn ausdrücklich musterte und ihm aufmerksam zuhörte. "Ich soll ihre Eltern töten, mein Auftrag, wenn du verstehst..." Toshizo gab einen schnippischen Laut von sich. "Pah, ich hab dir ja gesagt, dass die Sache stinkt, das hast du jetzt davon! Jetzt haben wir diese Scheiße..." Sie setzten sich auf eine Parkbank und starrten vor sich. "Ich kann aber nicht drum herumkommen, weswegen ich der kleinen Riku die Eltern nehmen muss..." Ganz so reuevoll benahm er sich ja nicht, von wegen Skrupel, seine Stimme steckte voller Kälte. "Hey, Alter, das kannst du nicht bringen, Kenji springt dir an die Kehle!"

"Er muss es nicht erfahren, Toshi, außerdem sind es nur die Eltern, dann kann er sie ja wieder ein wenig trösten, darauf steht der doch..." Ein Lachen kam über die Lippen des Braunhaarigen, es machte ihm nicht wirklich was aus, dass er jetzt Leute umbrachte. "Die Kleine hat ja noch ihren großen Bruder, der für sie da ist, vereinsamen wird sie wohl kaum", kam gleichgültig über die Lippen des 17-jährigen. "Auch wieder wahr, ich sollte mir nicht zu viele Sorgen machen, aber sei vorsichtig, du weißt ja, dein Cousin ist im Schlussfolgern ein wahres Ass, er könnte dir durchaus gefährlich werden..." Die pure Besessenheit spiegelte sich nun in Takahashis Augen wider, während er leise lachte. "Sollte das der Fall sein, werde ich ihm skrupellos ein paar Kugeln verpassen! Der kann mir gar nichts, wenn er mir was nachweisen kann, ist er weg vom Fenster. Wen würde das schon stören? Der geht mir sowieso auf den Keks, er mischt sich in Angelegenheiten ein, aus denen er sich rauszuhalten hat, also ist er im Grunde selbst schuld, wenn es ihm so ergeht..." In Gedanken ging der Junge noch weiter. ,Tja, nun hast du keinen Yuichi mehr, Kleiner, jetzt bist du ausgeliefert! Ich krieg dich schon noch klein, es ist nur eine Frage der Zeit... Sêiichî auszuschalten dürfte ebenfalls einfach werden, schließlich gehöre ich ja jetzt einer Verbrecherbande an.'
 

Mittlerweile war über eine Stunde verstrichen, als eine Oberschülerin dringend zur Toilette musste, dabei aber ziemlich erschrak, als sie ein Geräusch hörte, das aber auch vom Wind hatte kommen können. Sie atmete erleichtert aus, als sie das Licht anmachte und nichts entdecken konnte. Sie ging seelenruhig ins Bad und kam wenig später wieder raus, das Licht wurde gelöscht und sie ging zu ihrem Zimmer. Hinter dieser blieb sie noch kurz stehen und hörte dann wieder ein Geräusch. Diesmal war sie sicher, dass da etwas gewesen war und machte sich auf die Suche nach dem Verursacher, wahrscheinlich eine Maus, wie widerlich. Sie riss die Tür auf, dann stand er da, mit einer Pistole in der Hand. Ihr blieb das Herz kurzzeitig stehen, bevor sie einen lauten Schrei von sich gab.

Takahashi fuhr zusammen, denn dass sie sein Gesicht gesehen hatte, passte ihm gar nicht. Dieses Mädchen wusste jetzt Bescheid, sie hatte die Waffe gesehen und sein Gesicht dazu, auch wenn es dunkel war. "Das war ein Fehler", meinte er zu dem 16-jährigen Mädchen, dessen Handgelenk er ergriff, was sie verängstigte, so dass sie sich hastig losriss und auf die Treppe zustürzte.

Die Eltern kamen gerade aus den hintersten Zimmer und riefen ihr etwas zu. "Riku-Schätzchen, was ist denn passiert?" Die kleine Verfolgungsjagd ging bis zur Treppe, wo er sie wieder zu befassen kam und sie sich einen kurzen Kampf lieferten. Riku kratzte Takahashi durchs Gesicht, so dass er ihre Hand wegschlug und sie das Gleichgewicht auf der Treppe verlor, dann geschah das Unglück....

Das Mädchen fiel rückwärts die Treppe runter und blieb regungslos liegen. Erstarrt vor Schreck stand Takahashi da, wobei ihm die Stimmen und Schritte der beiden Erwachsenen auffielen. "Shit!" spie er aus und rannte davon. Er konnte nur hoffen, dass sie den Sturz nicht überlebte. Auf eine andere Weise war es ihm Recht... so hatte er keinen von denen töten müssen und würde sich ganz einfach bei seinem Boss für den Fehlschlag entschuldigen und sich etwas neues ausdenken. Die Eltern mussten jedenfalls weg. Doch gerade eben, er hatte Angst, kaum hatte er begonnen, sollte man ihn schon erwischen? Da verschwand er lieber wieder ganz schnell. Die Eltern gingen ihm natürlich nicht nach, wie er sich erhofft hatte, schließlich war ihre Tochter die Treppe runterfallen und schien ihnen jetzt erst mal wichtiger zu sein...
 

Am späten Nachmittag bekam ein Patient im Krankenhaus doch noch mal Besuch, womit er nicht wirklich rechnete, schon gar nicht mit einem dieses Mädchens.

Ein reuevoller Blick lag in Sêiichîs Gesicht, als er sich die Tränen geben musste, die über das Gesicht des rothaarigen Mädchens flossen. "Du Dummkopf, warum hast du so was schon wieder tun müssen? Ich habe mir solche Sorgen gemacht", schluchzte die 15-jährige, woraufhin er seufzen musste. "Tut mir Leid, ich weiß, dass ich ein Idiot bin... Manchmal muss ich eben für Gerechtigkeit sorgen..." Voller Mitleid sah man sie an, weswegen sie ihm einen empörten Blick schenkte. "Was für eine Entschuldigung soll das denn sein? Nicht nur, dass du dich mit meinem Vater anlegst, das tust du mit so ziemlich jedem Killer, ich will doch nicht schon wieder einen Freund verlieren, Baka, ich mag dich doch..." Um es in anderen Worten zu sagen, sie hatte sich in den verdammten Macho verliebt, weil er sie so gut verstand, weswegen sie schreckliche Angst gehabt hatte, dass er nicht überleben würde. "Hey, es geht mir schon wesentlich besser, Riina", versuchte er sie zu beruhigen und schenkte ihr ein süßes Lächeln. "Es gibt keinen Grund dafür, zu weinen, es ist alles okay, bald bin ich wieder draußen, dann werde ich versuchen so viel Zeit wie möglich mit dir zu verbringen, als kleine Entschädigung, dass ich dir deinen 15. Geburtstag so versaut habe..." Sie fand ihn ja irgendwie süß und musste sanft lächeln. "Du Idiot", am liebsten hätte das Mädchen ihm für seine Dummheit eine Ohrfeige gegeben, doch er hatte noch Schmerzen in der Brust und eine leichte Gehirnerschütterung, weswegen sie so etwas unmöglich tun konnte. "Aber ein süßer.. Idiot...", schmunzelte sie, was er als Aufforderung verstand, so dass der 17-jährige die Hand des Mädchens nahm und sie zu sich heranzog. "Ich finde dich auch süß, Riina", flüsterte er ihr ins Ohr, was ihr schmeichelte und da sie sowieso gerade geweint hatte, tröstete es sie ein wenig, so dass sie nichts gegen seine Annäherung unternahm. Sêiichî nahm ihr Kinn und zog sie an diesem noch etwas näher zu sich. Sie wusste nicht, wie ihr geschah und blickte in seine strahlend blauen Augen, die ihr sofort gefallen hatten. Was auf sie zukam, wusste die 15-jährige, so dass sie die Augen schloss, da sie momentan einfach nicht die Stärke besaß, um ihm zu widerstehen, sie hatte Angst, so schreckliche Angst um ihn gehabt und wünschte es sich sogar, dass er sie küsste. Okay, er war ein Macho, aber Menschen änderten sich und sie hatte nicht das Gefühl bei ihm, dass er ihr etwas vormachte, nein, er mochte sie aufrichtig, dem war sie sicher. Diese Sicherheit öffnete ihr sowieso immer verschlossenes Herz. Um genau zu sein, hatte es sich geöffnet, als er sie wegen Ryochi getröstet hatte. Seitdem sah sie einen anderen Menschen, einen sanften jungen Mann in ihm. Sie hätte die Welt umarmen können, als seine Lippen sanft auf ihre gelegt wurden und sie seinen warmen Atem spüren konnte. Es war ein sanfter, aber doch mehr als nur interessanter Kuss, er wusste, wie er es zu tun hatte. Auch wenn es ihr erster richtiger Kuss sein würde, sie hatte keine Angst davor ihm so nahe zu sein. Jetzt nicht mehr...

Sêiichî begann an ihren Lippen zu saugen, während sie versuchte den Schweißausbruch, den sie erlitt, zu verhindern, doch sie schaffte es einfach nicht, weil sie zu nervös war. Schüchtern erwiderte sie seinen zärtlichen Kuss, der sogleich inniger und fordernder wurde. Beide Lippen waren leicht geöffnet, so dass es für Sêiichî eine Leichtigkeit war, mit der Zunge in ihren Mund einzudringen. Ihr wurde ganz komisch, als sich ihre Zungenspitzen berührten und sie hatte das Gefühl zu schweben.

Ryochi, der seinen Freund ebenfalls vorhatte zu besuchen, hielt inne, als er die beiden sah. ,Na toll, jetzt kriegt er Riina auch noch rum. War ja klar, dass er es ausnutzen würde, dass es ihr mies ging, weil er fast gestorben wäre.' Der Junge seufzte leicht und machte die Tür vorsichtig bis auf einen Spalt zu, durch welchen er die Zwei noch eine Weile beobachtete. Und wie er mal wieder ranging, Sêiichî konnte sich einfach nicht beherrschen. Dass er bei Riina so stürmisch war, gefiel ihm nicht im Geringsten, er würde bei ihr einbrechen, das war doch schon vorprogrammiert. Nur weil sie sich auf einen Kuss einließ, hieß das ja nicht, dass er ihr schon bald an die Wäsche durfte, er würde sie nur betrügen, so war sein Freund doch. Ohne das Eine kam der doch überhaupt nicht klar, dann suchte er sich eben eine andere, bei seiner Sucht...

Anscheinend hatten sie erst nach mehreren Minuten genug voneinander, so dass Riina sich von seinem Freund löste und ihn mehr als verliebt ansah. Oh Gott, die Arme, na das hatte er ja toll hingekriegt. Seufzend und mit einem Halbmondaugenblick drehte sich der Detektiv herum und griff sich an den Kopf. Man hätte meinen können, er sei eifersüchtig, aber das war nicht der Fall, ihm tat nur das Mädchen Leid, allerdings war es ihm noch lieber, als wenn er sich an Hitomi rangemacht hätte, dann hätte er seinem Freund mal den Kopf waschen müssen. Dennoch würde er Augen und Ohren offen halten und aufpassen, was Sêiichî so mit anderen Mädchen am laufen hatte.

"So, ich habe noch was vor, Sêi-chan", meinte Riina, drückte ihm noch mal einen Kuss auf den Mund und winkte ihm dann, so dass Ryochi sich lieber nebenan versteckte, um dem Mädchen nicht zu begegnen, dann als er wieder reingehen wollte, kam eine Frau von links und rempelte ihn wortwörtlich an. "Hey", beschwerte sie sich, wunderte sich dann aber doch nicht darüber, dass er hier war. "Was machst du hier?" flüsterte Chris ihm zu, denn ihr sah es ganz danach aus, als würde Campari seinem Freund nachschnüffeln und sie hatte nicht vor ihn zu verraten. "Das geht dich doch mal überhaupt nichts an, was ich hier mache... ich frage ja auch nicht schon wieder, was du hier tust, weil es auf der Hand liegt..." Ryochi gab ein genervtes Seufzen von sich, die hatte ihm hier gerade noch gefehlt. "Ist ja gut, nicht aufregen, das ist auch in deinem Alter schlecht für die Gesundheit..." Frechheit, was bildete die sich mal wieder ein? "Sorry, aber ich wäre gerne ungestört mit ihm", ärgerte die Frau den Jungen, ging ins Zimmer rein und verschloss mit einem frechen Zwinkern die Tür.

Dachte sie, dass sie ihn damit ärgern konnte? Ryochi zog einen Schmollmund, allerdings hatte er nicht vor, zu gehen, er wollte lieber mal bisschen lauschen und schnüffeln, was den Umgang der beiden miteinander anging.

"Na, wie geht's dir denn so, mein Kleiner?!" fragte Chris in etwas lautem Tonfall, damit dieser kleine Schnüffler es mitbekam, sie wollte ihn noch etwas auf die Palme bringen und legte einen leicht flirtenden Ton in ihre Stimme. "Ich hoffe du hast schöne Schmerzen, immerhin bist du selber schuld, hättest du auf mich gehört, wäre das sicher nicht passiert!" Sêiichî sah sie mit schmollenden Augen an, er fasste es nicht, dass die schon wieder so frech zu ihm war. "Danke, Süße, ich freue mich auch, dass es dir gut geht... Und ich freue mich ebenso, dass du mich mit deinem hohen Besuch beehrst..."

"Rede keinen Dreck", motzte sie ihn an und setzte sich zu ihm ans Bett. "Ich habe mir Sorgen gemacht, das ist jetzt mal ernst gemeint. Ich brauch dich noch, Verräter findet man ja nicht an jeder Straßenecke..." Er grinste sie schelmisch an und nahm ihre Hand. "Och, das freut mich aber, dass du dir Sorgen um mich gemacht hast. Jetzt brauchst du dir keine mehr machen, mir geht's wieder einigermaßen gut, wenn nur diese Kopfschmerzen und diese Schmerzen in der Brust nicht wären. Tja, da muss ich eben jetzt durch. Tut mir Leid, wenn ich dir Kummer gemacht habe... Hab ich nicht gewollt."

Sie seufzte leicht. "Kummer hätte ich erst gehabt, wenn du nicht mehr aufgewacht wärst, du kleiner Idiot! Dass du Schmerzen hast, hast du echt verdient. Du hättest ja mal vorsichtig sein können..." Ihre Augen strahlten die größte Grausamkeit überhaupt aus, was war denn in die gefahren? Anscheinend hatte sie sich echt Sorgen gemacht und war deswegen so auf dem Rachetrip. Mit Sicherheit freute es sie tatsächlich, dass er Schmerzen hatte. "Man, warum denken immer alle, dass ich so schnell umzubringen bin, sehe ich irgendwie schwach aus?"

Was sollte die Frau denn darauf bitteschön erwidern? "Nein, das nicht, du denkst nur zu wenig nach und rennst absichtlich in Gefahren, hör endlich auf damit! Es bringt dir überhaupt nichts, wenn du dich umbringen lässt. So findest du deinen Vater sicher nicht. Willst du denn echt schon sterben? Du hast doch Freunde, die würdest du nur unglücklich machen..." Es war zum verrückt werden, durfte man denn nicht mal ein wenig egoistisch sein? "Das sagt die Frau, die es nicht einsieht fremde Menschen zu retten. Sei bloß still, du bist doch selbst egoistisch, warum sollte ich nicht auch Dinge tun, die nur mir was bringen? Ich brauche diesen Nervenkitzel..." Warum musste dieser kleine Spinner so etwas schon wieder sagen? Wenn er tot war, was hatte er davon denn bitte? "Übertreib's nicht immer so. Wie gesagt, was hast du denn davon, wenn du stirbst? Dann ist dein Leben vorbei und nichts bringt es dir wieder. Erklär mir mal deine Logik, tze!" Ein leises Lachen entfuhr dem 17-jährigen, er beugte sich etwas zu ihr vor und sah ihr direkt in den Augen. "Du würdest mich wohl ganz schön vermissen, wenn ich draufgehe, ich seh's dir an. Wie niedlich. Der eiskalten Killerin ist mal was nicht scheißegal, ich bin ja richtig beeindruckt, scheint so, als wäre ich besser als ich dachte auf dem Gebiet." Was sollte dieser Mist jetzt wieder bedeuten, wollte er sie jetzt wieder anmachen oder so? Konnte er denn kein Stück ernst sein? Das war doch unfassbar. Die 23-jährige grummelte leicht und blickte ihm mit einem sehr kalten Ausdruck in seine schönen Augen. Erwidern konnte sie jedoch im ersten Moment nichts. "Da bist du jetzt baff, oder? Soll ich dich noch mehr überraschen, mhm?"

Ryochi fragte sich da draußen, warum Sêiichî auf einmal so einen sarkastischen Ton in der Stimme hatte und was er plante, also reichte es ihm im Moment nicht, dass er lauschte, jetzt wollte er wenigstens was sehen, das war ja besser als Kino.

"Du mich überraschen? Ich glaube kaum, dass du das schaffst, ich kenne meine Leute...", gab die Blondine an, weswegen der Detektiv vor der Tür fast umgekippt wäre. Gesundes Selbstvertrauen besaßen sie ja beide, er war wirklich gespannt, was jetzt folgen würde.

"Das von neulich hat mir wirklich gut gefallen, weißt du noch, was ich meine...?" hauchte Sêiichî der Frau entgegen, doch sie reagierte in keiner Weise darauf, es reichte schon, wenn sie wusste, was er meinte und ihr Lächeln sagte auch vieles.

Ryochi konnte es nicht fassen, durch das Schlüsselloch konnte er genau beobachten, wie Sêiichî Chris schöne Augen machte, dabei hatte er vorhin noch Riina um den Finger gewickelt, das konnte doch nun echt nicht wahr sein. Als wenn das nicht schon gereicht hätte, nahm er ihr Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger, woraufhin er ihr einen sehr heißen Kuss gab. Die Röte schlich sich in das Gesicht des Detektivs. Das war doch jetzt wieder so was von typisch für seinen Freund, allerdings fand er es noch schlimmer, dass Chris nichts dagegen zu haben schien, von Sêiichî geküsst zu werden. Fiel die etwa auf ihn herein? Das konnte doch nicht sein? Eine 23-jährige Frau konnte doch nicht auf einen 17-jährigen Jungen reinfallen, es war ihm schleierhaft, wie Sêiichî das wieder angestellt hatte, jedenfalls war die Gute Feuer und Flamme, das konnte man förmlich sehen. ,Dafür kriegst du was zu hören, mein Lieber! Es ist kaum 5 Minuten her, also wirklich!' Ryochi ärgerte sich über seinen besten Freund, der weibliche Wesen als Spielzeug benutzte. Dann noch bei jemandem wie ihr, der hatte wohl den Arsch offen. Anscheinend wollte der Spinner möglichst bald umgelegt werden, er spielte mit dem Feuer, schließlich war Vermouth eine Killerin und doch verarschte er die Frau in Ryos Augen von vorne bis hinten, denn sie würde sich sicher nicht auf so was einlassen, wenn sie wüsste, dass sein sauberer Freund vor fünf Minuten gerade ein Mädchen geküsst und ihr Hoffnungen gemacht hatte. Wenn sie das rausbekam, wer wusste schon, was diese unberechenbare Frau tun würde? Sêiichî lebte eben gerne gefährlich, denn nur deswegen hatte er sich ja auf dieses Spiel eingelassen...

Nach einer halben Ewigkeit lösten sich die beiden voneinander. "Uiui, du gehst ja ran, Sêi-chan... Du bist echt leicht zu beeindrucken, so wie du mir gerade vorne rein starrst, also wirklich, Kleiner... Du meinst wohl, dass du mal anfassen darfst, wie? Vergiss es schnell wieder! Wer weiß, was du so für Fantasien hast?! Schade, dass sie nur Illusionen sind, was?" Die eiskalte Schönheit wollte den Kleinen mal etwas ärgern, indem sie ihn bewusst anmachte und provozierte. Ihr Aufzug war ja schon quasi reine Provokation, sie ließ mal wieder verdammt tief in ihre Bluse blicken. Sêiichî würde gerne mal grabschen, das sah sie ihm regelrecht an, was sie genoss, da sie ihm vermittelte, dass er sie nicht haben konnte, was den Armen doch wahnsinnig machen musste. "Ich kann's dir gerne sagen, my Darling", ein fieses und durchtriebenes Lächeln lag auf Sêiichîs Lippen, seine Augen hatten einen gefährlichen Glanz, der alles noch intensiver machte. Mit einem Ruck zog er sie zu sich heran, legte einen Arm um sie und hielt sie eng an sich gedrückt fest. Sêiichî neigte seinen Mund zu ihrem Ohr und fing an ihr etwas zuzuflüstern, was Ryochi vor der Tür gar nicht hören könnte, wobei er einen bewusst versauten Ton wählte. "Also, ich stelle mir gerade vor, dass du als Ärztin verkleidet hier rein kommst und mir eine Spritze geben willst, untendrunter hast du ein paar heiße Dessous nehm' ich an. Statt der Spritze, gibt es dann aber was ganz anderes. Als du mich ausgezogen hast, um mir die Spritze in den Hintern zu geben, schmeiß ich dich aufs Bett und küsse dich. Meine Hand wandert unter deinen Rock und provoziert deine Lustzone, woraufhin du heiser stöhnst und dich nicht mehr halten kannst. Wir reißen uns förmlich die restlichen Klamotten runter und machen es leidenschaftlich im Krankenbett! Du kriegst vor Lust kaum Luft und krallst mir in den Nacken. Die Hitze im Zimmer ist unbeschreiblich, fast wie in einer Sauna. Kleine Schweißperlen glänzen auf deiner Stirn und rennen über dein wunderschönes Gesicht..." Chris konnte sich nicht mehr halten und fing an schallend zu lachen, so sehr, dass ihr die Tränen kamen. "Ach du meine Güte, du bist irre! Denkst du echt, eine wie ich lässt sich von so einem Kind wie dir flachlegen? Träum weiter, dazu wird es sicher nicht kommen! So leicht, wie du denkst, ist das nicht! Nur weil wir uns gerade geküsst haben, denkst du, dass du dir alles erlauben kannst, du bist echt ein Träumer..." Ihr fiesestes Grinsen kam in ihrem Gesicht auf. Man hätte meinen können, dass sie ihm Angst machen wollte, was aber einfach nicht funktionieren wollte, sie konnte ihn ruhig noch gemeiner ansehen. "Denk immer dran, ich bin eiskalt, was heißt, dass man mein Feuer so schnell nicht entfachen kann, du würdest es nicht mal schaffen, mich zu erregen..." Sie kugelte sich vor lachen, irgendwie machte es ihr einen Heidenspaß, ihn so zu ärgern. "Dazu müsstest du erst mal reif genug sein, nicht wahr?!"

,Jawoll, gib's ihm, das hat er durchaus verdient!' dachte sich Ryochi, weil ihm ihre Worte nicht verborgen blieben, sie sagte es ja extralaut, damit sogar er alles hörte, ganz im Gegensatz zu Sêiichî, der ihr irgendetwas zugeflüstert hatte.

"Du würdest dich wundern, schließlich habe ich dich beim letzten Mal ordentlich in Fahrt gebracht, vergessen?!"

"Da war ich schlecht drauf und meine Eismauer hat gewackelt, noch mal wird mir das nicht passieren... Du würdest dir die Zähne ausbeißen! Bevor du mich flachlegen kannst, bin ich schon längst zu Gange, ich mag es nämlich nicht, wenn Männer Gewalt über mich haben, wenn deine Fantasie ausgeprägt genug ist, um das zu verstehen..." Dass sie sich immer noch lustig machte und es für sie nur Spaß war, hörte man sofort, was Ryochi seufzen ließ. ,Miststück! Du tust das alles sowieso nur, weil dir langweilig ist! Ich hoffe doch mal, dass Sêiichî auf dich nicht reinfällt, der würde wahrscheinlich alles für dich machen! Wage es nicht, ihn zu benutzen, dann kriegst du Ärger mit mir und mit anderen Leuten... Sollte diese Person denn noch am Leben sein....' Kurz kam ein deprimierter Ausdruck auf dem Gesicht des Jungen auf, als er an diese spezielle Person dachte...

Sêiichî sah sie lüstern an. "Mach mich nur neugierig. Wenn du ja so siegessicher bist, dann lass es uns doch versuchen, ob ich dich nicht erregen kann... Na, was ist? Hast du Angst, dass du verlieren könntest??" Der Kerl war ganz schön dreist und provokant, genauso wie sie und ja, ein klein wenig fürchtete sie es auch, dass er Recht haben könnte, damit würde er ihr nur Ewigkeiten im Ohr liegen. "Was wenn ich keine Lust habe?"

"Ach komm, du findest mich attraktiv, ich bin ja nicht blind, du bist auch nur eine Frau, die das Verlangen nach Sex hat..." Man, war der aber frech, das müsste man ihm ja fast schon heimzahlen, dennoch blieb sie ganz ruhig und grinste nur vor sich hin. "Was du nicht sagst, für mich bist du doch noch ein kleiner Junge, mach dich nicht lächerlich. Pädophil bin ich ja zum Glück nicht!"

"Das vielleicht nicht, aber ich finde nicht, dass ich wie ein kleiner Junge wirke, sonst würde der Boss ja nicht denken, ich sei volljährig... gibst du mir da nicht Recht?!"

Anscheinend war er nicht bereit so schnell aufzugeben. "Du solltest nicht soviel an so was denken, du bist noch verletzt! Du solltest dich eher ausruhen, du siehst schon total verschwitzt aus..." Die Frau schüttelte den Kopf. Dachte er eigentlich an nichts anderes als an Sex? Er war ja schlimmer als die meisten erwachsenen Männer und das mit siebzehn Jahren.
 

Nun war es bereits Abend, in etwa halb Acht.

Das Mädchen fiel auf das Bett und schaute den Mann mit einem ängstlichen Ausdruck im Gesicht an. "Was soll das? Was willst du schon wieder?" Ihre Augen wurden riesig, als er sich ihr näherte. "Du weißt doch, dass ich dich lieb habe", meinte er hinterlistig und kroch zu ihr aufs Bett, weswegen die 14-jährige rückwärts gegen die Wand rutschte. "Hau ab, komm mir nicht zu nahe, Kei-", sie wurde in ihren Worten unterbrochen, als er sie auf den Mund küsste. Sie hasste es, wenn er das tat, doch tat er das schon, seit sie 12 war. Immer wieder küsste er sie und berührte sie an Stellen, an welchen sie es nicht mochte. Langsam löste er seinen Mund von ihrem, während seine Lippen wegen der Feuchtigkeit des Kusses etwas nass waren.

"Halt doch die Klappe, Kleines, ich weiß, dass du darauf stehst..." Diesmal hatte er vor, mehr zu verlangen, schließlich war sie in seinen Augen bereits reif für Sex. "Nein, lass das", keuchte sie, doch der Mann störte sich nicht an ihren Versuchen sich zu wehren, immerhin machte er sie wehrlos. Er lag zwischen ihren Beinen, ihre Hände hatte er auf das Bett gedrückt und küsste sie am Hals. "Du schmeckst so gut, Kleine", keuchte er auf und sie spürte seine Erregung. Oh Gott, sie wollte ganz schnell hier weg, aber man hatte sie auf der Straße aufgegriffen, in ein Auto gezerrt und in dieses Hotel gebracht. Sie drehte den Kopf weg, als er sie erneut küssen wollte, doch da riss er ihr Gesicht grob herum, allerdings ließ der Mann auch deswegen eine ihrer Hände los, so dass sie diese Hand nutzte, um ihm mit ihren etwas längeren Nägeln übers Gesicht zu kratzen. Keichiro allerdings fand das alles andere als witzig, dabei war er doch so nett zu dem Mädchen, so dass er ihr eine saftige Ohrfeige gab. "Sagte ich dir nicht, dass du es nicht wagen sollst? Das hast du jetzt davon! Sei dir bewusst, dass ich dir jedes Mal ins Gesicht schlagen werde, wenn du es wagst, so etwas zu machen, Raubkatze!" Er küsste sie wieder, so dass sie ihm brutal auf die Lippe biss, was nun wirklich verdammt wehtat. Da brannte ihm die Sicherung durch und er fasste ihr brutal zwischen die Beine, um ihren Slip runter zu ziehen, was die Kleine gerade so verhindern konnte, indem sie die Beine fest zusammenpresste, immerhin hockte er jetzt quasi auf ihr, statt auf ihr zu liegen, was ihr eine kleine Chance gab. Als es ihm zuviel wurde, schlug er ihr zweimal mit der flachen Hand ins Gesicht, beim zweiten Mal platzte sogar ihre Lippe auf und sie schrie leise. Ihr Kopf lag jetzt auf der Seite, er war so brutal und schreckte vor nichts zurück, er würde sie also durchaus vergewaltigen, wenn sie ihm nicht entgegen kam, sie hatte Angst. "Du bist ein böses Mädchen", sagte er in einem merkwürdig belustigten Ton, so dass sie ihn erstrecht versuchte von sich zu kriegen. Seine Hand kämpfte sich von vorne in ihren Slip hinein, auch wenn sie versuchte seinen Arm wegzudrücken, er hatte einfach zuviel Kraft für sie, also streichelte er sie zwischen den Beinen. Sie hasste ihn, mehr als sie sonst wen jemals hassen könnte! "Gefällt dir, nicht wahr, Na-chan?" fragte er lüstern und ging unter ihren Pullover, den sie trug, um ihre eine Brust zu kneten. "Geh endlich weg, du alter Sack, runter!" Um ihr das Maul zu stopfen, ließ er seine Hand, die bei ihrer Brust tätig gewesen war, hervor kommen und knallte er ihr wieder eine, so dass sie einen heiseren Schrei von sich gab.
 

Das seltsame Geräusch, welches man draußen vor der Tür hörte, ließ die 44-jährige Frau aufhorchen. Sie glaubte sich verhört zu haben, schließlich hatte sie klar und deutlich einen leisen Schrei vernehmen können, der eindeutig von einem Mädchen kam. Dieser Mistkerl wagte es doch nicht etwa, in ihrem gemeinsamen Zimmer...?

Die Frau riss blitzschnell die Tür auf und traute ihren Augen kaum. Ihr fehlten buchstäblich die Worte, auch wenn sie das, was sie sah, eigentlich nicht wundern dürfte. "Good evening", meinte sie sarkastisch und warf laut die Tür zu, damit man sie auch ja nicht überhören konnte. Bereits jetzt kochte die Schönheit voller Wut, da er es wagte die Frechheit zu besitzen, an einer Schülerin rumzufingern und das in ihrem Bett, im Hotel, in welchem sie gemeinsam schlafen mussten, weil der Boss das so wollte. Das war einfach ungeheuerlich. "Schätzchen, du wirst innerhalb von 2 Sekunden deine dreckigen Finger von dem Mädchen wegnehmen, sonst werde ich stinksauer, ist das klar?!" Befehlerisch und auch ein wenig wie eine tickende Zeitbombe tickend klang ihre Stimme, doch Chardonnay schien das alles nicht zu interessieren, er stieß weiter seinen Finger in das Mädchen hinein und zwang sie zu sexuellen Handlungen, was Vermouth wirklich nicht wunderte, da er das ständig machte, dafür hasste ihre Mutter ihn, was sich auch auf ihre 23-jährige Tochter übertrug, weil sie es nicht ertragen konnte, wenn man unschuldigen Kindern so etwas antat. "Sag mal, hörst du schlecht, verdammt noch mal?!" fauchte sie ihn an, ging auf ihn zu und schlug ihm dermaßen heftig die flache Hand ins Gesicht, dass er mit dem Kopf gegen die gegenüberliegende Wand donnerte und so unwillkürlich von dem Mädchen ablassen musste, welches im nächsten Moment vom Bett flüchtete und sich hinter der schwarzgekleideten Blondine versteckte. "Alles okay, das wird er nie wieder machen, sonst bringe ich ihn nämlich um, diese Sau!" meinte sie zu dem Mädchen, wobei sie beschützerisch eine Hand auf ihre Schulter legte.

Na toll, musste Sharon denn ausgerechnet in dem Moment auftauchen, in dem Keichiro es fast geschafft hatte, das Mädchen rumzukriegen? Die ging ihm gewaltig auf den Keks, immerhin war das alles ihre Schuld, weil sie sich so toll vorkam und dachte, sie sei was besseres als er. Er konnte einfach nicht bei ihr landen, also musste er sich Ersatz suchen. "Findest du es nicht auch erbärmlich, dich an kleinen Mädchen zu vergehen?" wollte sie von ihm wissen, während sie das schwache Zittern des Mädchens bei ihren Körper spüren konnte, zum Glück war sie noch rechtzeitig aufgetaucht. "Du hast ein zu weiches Herz, Sharon-chan, eines Tages wird dich deswegen einer umbringen!" Er verniedlichte absichtlich ihren richtigen Namen, um sie etwas aufzuziehen und zu piesacken, schließlich hasste sie solche Dinge, zusätzlich hatte er sie jetzt auch noch beleidigt, sie konnte es überhaupt nicht ertragen, schwach oder weich genannt zu werden.

Wie konnte er es wagen, ihr solche Sachen an den Kopf zu werfen? "Leck mich doch! Mit dir schlafe ich garantiert nicht noch mal zusammen in einem Bett, egal, was der Boss auch sagen mag, pah!" Sie wandte sich empört um und drehte den Kopf eingebildet zur Seite. Also, das war doch jetzt echt die Höhe. "Komm, Kleine... ich fahr dich heim..." Sie warf ihrem Partner einen bissigen Seitenblick zu, wobei es ihm kurz eiskalt den Rücken runterlief. "Mein Gott siehst du heute geil aus, bleib gefälligst hier!" Sie entschloss sich auf seine billige Anmache keine Antwort zu geben, sie ignorierte ihn schlichtweg, der hatte doch nun wirklich nicht ihr Niveau. Sie nahm die Klamotten des Mädchens, wogegen er nichts zu tun wagte und verschwand dann mit ihr ins Bad. "Alles okay mit dir, meine Kleine?" fragte sie das Mädchen, nachdem die Tür geschlossen worden war und das Mädchen nickte nur. "War nicht das erste Mal", zwängte die 14-jährige hervor und Sharon sah sie traurig an. "Hat er dich zum Sex gezwungen?" war ihre nächste Frage. "Na ja, noch ist er nicht zum äußersten gegangen...", gab die Angesprochene leise zur Antwort und schwieg dann. "Mistkerl! ... Aber jetzt hast du nichts mehr zu befürchten..." Die blonde Frau versuchte das Mädchen etwas zu trösten und aufzumuntern, aber irgendwie schien es nicht so wirklich zu funktionieren, sie hätte ihn mit ihrer Waffe kastrieren sollen, damit er so was auch ja nie wieder tun würde, aber dafür würde er sie sicher umbringen, auch wenn sie querschoss, sollte sie so etwas tun, wäre das ihr Todesurteil, da konnte er sie noch so sehr lieben. Die Frau versank ein wenig in Gedanken, als sie dem Mädchen beim Anziehen half, auch wenn sie das sicher auch alleine gekonnt hätte, sie kümmerte sich eben darum, schließlich liebte sie Kinder über alles, weswegen sie diesen Kerl noch mehr hasste und verabscheute. "Danke", sagte die Kleine knapp und beide verließen das Badezimmer. Keichiro lag auf dem Bett und grinste, unfassbar. Der fand sich ja selbst so toll. Merkte dieser Kerl denn selbst nicht, wie grausam er war? War ihm nicht klar, was für ein Ekel aus ihm geworden war?

Erhobenen Hauptes verließ sie das Zimmer, wobei sie noch einmal zu ihm schielte und ihm absichtlich die kalte Schulter zeigte, immerhin sollte das ja auch so etwas wie eine Strafe sein, sie versuchte den Mann zu erziehen, was aber sicher zwecklos war, der war nicht belehrbar und würde immer so ein perverses Schwein bleiben.

Sie war froh das Hotelzimmer hinter sich gelassen zu haben. Ihre Sachen waren zwar noch hier, aber sie hatte es in der ganzen Eile und der Aufregung vergessen, holen würde sie ihre Sachen ein anderes Mal, wenn er nicht da war, den wollte sie jetzt nicht mehr, als es sein musste, sehen.

Der Blick des Mädchens ruhte auf der blonden Frau, weil sie ihr irgendwoher bekannt vorkam. Mit einem genervten Seufzen wandte sich die 44-jährige von ihr ab und ging voraus. "Los komm", meinte sie jetzt etwas distanziert und verließ mit der Kleinen das Hotel, um sie zu ihrem Auto zu begleiten. "Verrätst du mir, wo du wohnst?" fragte Sharon und begründete ihre Frage daraufhin gleich. "Ich weiß das ja nicht." Die 14-jährige hatte sich gerade angeschnallt und schaute zu ihr rüber. "Ich wohne derweil bei den Takagis, das ist nicht weit entfernt von der Verbrechergegend Tokyos. Ich bin zwar den Umweg gegangen, aber der Kerl hat mir trotzdem aufgelauert..."

,Bei den Takagis? Wer zum Teufel ist das? Was ist mir entgangen?' Die Frau hatte jetzt vor mehr rauszufinden, weswegen sie ihr einen netten Blick schenkte. "Ach ja? Was ist mit deinen Eltern?"

Solche Fragen konnte die 14-jährige nicht leiden, man wusste ja nie, wer sie war, auch wenn sie sie nett behandelte. "Das kann ihnen egal sein. Fahren sie mich dahin, dann ist es auch wieder gut..." Mit so einer Abfuhr hatte die Blondine gar nicht gerechnet, weswegen sie erst einmal schwieg und losfuhr. Leena betrachtete sie von der Seite. "Ich kenne sie irgendwoher... helfen sie mir auf die Sprünge?" Ein wissendes Lächeln erschien auf dem Gesicht der Angesprochenen und doch ließ sie nicht einen Moment mit ihrem Blick von der Straße ab. "Du hast mich entweder in irgendwelchen Zeitschriften oder in einem Film gesehen, mehr nicht. Du kannst ja mal versuchen dich zu erinnern, wer ich bin." Irgendwie belustigte sie die Sache, weswegen sie leise zu kichern begann. Außerdem war so etwas ganz gut für die Stimmung, immerhin hatte der Mistkerl sich mal wieder selbst übertroffen. Hatte er die Kleine angefasst, weil sie zu den Takagis gehörte? Zuzutrauen war es ihm ja, er hasste diese Familie. "Ich weiß nicht, kann sein, jedenfalls hab ich sie schon mal gesehen", meinte Leena mit einem Seufzen und schaute aus dem Fenster raus. "Sie sind Schauspielerin, was haben sie mit ihm zu tun? Das ist nicht gerade die Gesellschaft, die eine Schauspielerin haben sollte, oder?"

Das war nicht gerade das angenehmste Thema, das sie sich vorstellen konnte. Tja, was war der Grund dafür? Die Stimmung war hinüber und die Frau zog ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. Sie wusste wirklich nicht, wie man der Kleinen so was erklären sollte, am besten gar nicht, sie schämte sich für die Freunde ihres Vaters. "Tja, auch im Showbiz ist nicht immer alles so, wie andere denken. Die schlechten Dinge werden demonstrativ ignoriert. Ist doch so. Ich möchte nicht drüber reden, woher ich ihn kenne..." Sie konnte von Glück reden, wenn die Sache nicht die Runde machte, dafür würde sie alle beide umlegen, wenn sie ihrem Ruf schadeten, davon war nämlich nie die Rede gewesen. Sie wollte nicht mit diesem Kerl in Verbindung gesetzt werden. Im Gegensatz zu ihm hielt sie es strikt geheim, dass sie mit solchen Leuten zu tun hatte, bei Keichiro war das was anderes, bei ihm war bereits bekannt geworden, dass er mit Verbrechern zu tun hatte. ,Das hätte mir gerade noch gefehlt! Wozu habe ich mir dieses verdammte Miststück geschaffen? Warum bin ich als ich selbst hierher gekommen? Bin ich denn jetzt total verblödet? Der wird mich so schnell nicht mehr als Sharon sehen, auch wenn er mir dann rumflennt, hat er sowieso verdient!' Der Grund war, sie hatte viel zu wenig Zeit gehabt, um sich zu verkleiden, auch wenn man das noch nicht mal so nennen konnte, immerhin handelte es sich um ihre Tochter, dennoch war sie in Eile gewesen. Sie hatte ja nicht gewusst, was sie im Hotel erwarten würde.

Wenn sich dieser Kerl doch nur einmal an die Regeln halten würde...

Kein Mensch hatte ihm gesagt, dass er sich Zuschauer holen sollte, das würde er noch bereuen!
 

Allmählich kamen beide bei den Takagis an. Leena war vor Erschöpfung eingeschlafen, so dass sie der Frau gar nicht gesagt hatte, wo genau die Takagis wohnten, wie gut, dass sie die Gegend schon kannte und es daher nicht zwingend notwendig war. Bei der Bremsung allerdings machte das Mädchen die Augen auf und sah, dass sie bereits angekommen waren. "Sie wissen ja, wo ich hinwollte! Das ist doch kein Zufall! Sie kennen Keichiro und wissen auch, wo er früher gewohnt hat... Wer, verdammt noch mal, sind sie?" Das wollte sie jetzt aber sofort wissen, da war etwas faul. Sharon schwieg und stieg wortlos aus, sie konnte verdammt stur sein. Leena schnallte sich ab und wartete, bis sie die Türen des Autos verriegelt hatte, dann folgte sie ihr zum Haus. ,Mit Antworten hat sie es wohl nicht so, oder?' Schmollend sah sie ihr nach und beobachtete sie dabei, wie sie klingelte. War das denn nötig? Bis zur Tür würde Leena es sicher noch alleine schaffen.

Die Tür ging daraufhin gleich auf, das Mädchen, welches öffnete, sah ihre Cousine nicht, weswegen sie gleich den Namen der für Leena unbekannten Frau sagte. "Was treibt dich hierher, Sharon?" Die Angesprochene seufzte leicht und deutete mit ihren Augen zur Seite, so dass Riina an ihr vorbeischaute und deswegen dann Leena dort stehen sah. "Kannst du mir das mal bitte erklären, wieso ihr beiden zusammen kommt?" wollte Riina wissen und ließ beide erst mal ins Haus.

,Sharon also... Nie gehört...' Leena seufzte leicht und setzte sich mit den beiden aufs Sofa. Riinas schwarze Katze sprang Sharon gleich freudig auf den Schoß, weswegen sie erschrak und mit einem kleinen Aufschrei aufsprang. "Ach man, hast du denn immer noch Angst vor Katzen...?" machte sich Riina lustig und holte den schwarzen Fleck auf ihren Schoß, weil sie ihre Katze über alles liebte. "Ja, hab ich, ich traue diesen Biestern nicht über den Weg." Leena setzte sich neben Riina und sah die Katze mit einem bösen Blick an. "Ja, die beißt und kratzt, die soll mir bloß fernbleiben, dieses hinterlistige Biest..." Riina schüttelte den Kopf, was regten die sich hier so wegen einer Katze auf?

"Lasst meine Katze in Ruhe", verteidigte Riina das Tier und streichelte ihr zartes Fell. "Also, wieso seid ihr denn nun gemeinsam gekommen? Das interessiert mich jetzt! Und rede dich bloß nicht raus!" Ein Halbmondaugenblick erschien auf Riinas Gesicht, der Sharon ein Seufzen entkommen ließ. "Ich musste mit deinem Vater im Hotel schlafen und als ich wiederkam, war die Kleine da und er hat... du kannst es dir denken, oder nicht?" Die 44-jährige hatte nicht vor, Details zu erzählen, das war ihr zuwider, Riina würde auch so wissen, was ihr Vater gemacht hatte, immerhin kannte die Kleine ihn mehr als gut... leider. "Was hat er wieder mit dir angestellt, Leena?" Die Angesprochene hob die Hände. "War halb so schlimm, ehrlich..." Ihre Cousine wusste ganz genau, wie Riina darauf reagierte, wenn ihr Vater sich an ihre Freundinnen ranschmiss, also spielte sie die Sache runter, weil sie immer so verletzt war, so einen Vater zu haben. "Mir ist nichts passiert, Riina-chan, mach dir keine Gedanken..." Guter Witz. Riina fasste sich an den Kopf und seufzte, obwohl ihr eher zum Heulen zumute war. "Sorry, im Moment wird mir alles zuviel. War's wirklich nicht so schlimm, Sharon?" Leena glaubte sie kein Wort, sie sagte ja auch nie was, wenn er sie anfasste, also wollte sie es von der Schauspielerin wissen. "Er hat ihr nichts angetan, wenn du das meinst. Ich glaube, ich geh dann auch wieder", meinte die Frau und erhob sich schnell, sie war froh, wenn sie draußen war und nicht mehr als nötig reden musste, sie wollte nicht, dass zu viele Bescheid wussten, außerdem kannte sie Leena kaum. ,Es ist ihr unangenehm über ihn zu reden, was ich durchaus nachvollziehen kann, ich rede auch nicht gerne über meinen Vater...' Riina stand auf und begleitete die Frau zur Tür, was Leena kritisch beäugte. "Ist das deine Cousine?" fragte Sharon flüsternd an Riina gewandt, doch diese nickte nur. "Was verhältst du dich so komisch?"

"Weil ich eine riesige Wut im Bauch habe, sonst nichts... Ich wusste, dass er solche Sachen tut, aber ich dachte nicht, dass ich ihm mal dabei zusehen würde, wie er an einer Schülerin rumfingert, sperr gut ab, wer weiß, was der tut, wenn ihm langweilig ist?" Beide seufzten, woraufhin die Ältere die Türklinke in die Hand nahm und sich verabschiedete. "Bye-bye, Riina-chan, wir telefonieren..." Sie machte nicht nur wegen Leena so schnell den Abflug, sie wollte auch vermeiden, Wataru zu begegnen.
 

Dieser hatte allerdings noch etwas vor und war ins Krankenhaus gegangen, um mit Kôji einen guten Freund zu besuchen, Sêiichî nämlich. Auf dem Gang begegneten sie dann Ryochi, der auf dem Sprung war. Er wollte gerade gehen, als ihm Riinas Bruder in den Weg kam. ,Oh Gott, bleibt mir nichts erspart, jetzt werde ich Sêiichî wohl decken. Ich will selbst mit ihm reden, Wataru würde ihm die Fresse polieren, wenn er erfährt, was er mit seiner Schwester macht. Ich armer Tropf.' Ein Seufzen entkam ihm. "Du bist echt spät dran, Wataru", Ryo blickte auf seine Uhr, "es ist bereits viertel vor Acht. Die schmeißen euch in einer viertel Stunde sowieso raus." Wataru griff sich verlegen an den Kopf und lachte leise, während Kôji für ihn das Sprechen übernahm. "Wataru-chan hat mal wieder die Zeit bei Yûmikô vergessen, also hab ich ihn abgeholt und wir kamen hierher. Akemi hat sich irgendein Virus eingefangen und hatte sowieso keine Zeit..." Ryo nickte und lehnte sich gegen die Wand. "Ihm geht's eigentlich wieder ganz gut..." Wie wahr das doch war, nicht zu fassen. ,Dem geht es ja wieder so gut, dass er Riina und Chris angraben kann...' Der Junge schüttelte den Kopf, behielt seine Gedanken aber wie geplant für sich. "Unverwüstlich, wie es scheint", kommentierte Wataru, wollte sich jetzt aber auch nicht länger mit dem Detektiv aufhalten, weswegen er voraus ging. "Also dann, man sieht sich, Ryo, bis dann", verabschiedete er ihn und lotste Kôji hinter sich her.
 

Während die beiden auf Sêiichîs Krankenzimmer zuschritten, kam eine andere Person aus dem Aufzug und lief dem Jüngeren regelrecht in die Arme. "Was machst du denn hier, Takahashi?" raunte Ryochi seinen Cousin an und zeigte einen verärgerten Gesichtsausdruck. "Lass meinen besten Freund in Ruhe, ich warne dich!" Seine Drohung sprach er ziemlich knallhart aus, was Takahashi lachen ließ. "Keine Sorge, ich bin auf dem Weg zu jemand ganz anderem, Sêiichî kann hier verrecken, das würde mich nicht im Geringsten stören..." Der 17-jährige ging an Ryo vorbei, dieser schaute ihm nur verachtend nach. ,Du Mistkerl!' Obwohl er ja gesagt hatte, er würde nicht zu Sêiichî gehen, behielt er ihn kurz im Auge, bis er in ein anderes Zimmer als Wataru und Kôji verschwand und der Detektiv beruhigt war. Trotzdem blieb er noch hier, um die Sache zu überwachen, man wusste ja nie. Vielleicht ging der Kerl ja in ein fremdes Zimmer, nur um ihn zu linken. Man musste da sehr wachsam sein...
 

Währenddessen waren Wataru und Kôji längst bei ihrem neuen Freund angekommen, wobei es eher Wataru war, der Sêiichî toll fand, was Kôji nicht so wirklich nachvollziehen konnte. Irgendetwas war da im Busch. "Hey, Sêi-chan, wie geht's dir?" wollte Wataru wissen und lächelte freundlich. Auch der Angesprochene schien über diesen Besuch sehr erfreut zu sein und musste einfach ein Lächeln zeigen. "Wenn's nach mir ginge, wäre ich bereits wieder draußen, aber die Ärzte haben gemeint, ich muss noch bleiben, weil ich einen Lungenschuss hatte und noch Komplikationen auftreten könnten", seufzte er und senkte leicht den Blick. Das klang gar nicht toll, Sêiichî sah auch ziemlich blass aus, so dass Wataru einen besorgten Gesichtsausdruck inne hatte. "Du armer Kerl, ich würde gerne wissen, wie das passiert ist. Sagst du es mir?" Für Verbrechen interessierte sich Chardonnays Sohn nun einmal, was Sêiichî verstand, nur was sollte er ihm sagen, wenn nicht die Wahrheit? "Ich hatte einen Verbrecher verfolgt", meinte er, was nicht mal gelogen war, er wollte es auch nicht mehr als nötig tun. "Ich möchte später mal zur Polizei gehen und kann Unrecht nicht geschehen lassen, weißt du?" versuchte der Schwarzhaarige zu erklären. Er wusste genau, was Watarus Plan war, weswegen er das nun sagen musste. "Ja, ich auch, das verstehe ich vollkommen, Sêi-chan", freute sich Wataru, was Kôji zu einem Seufzen brachte. Der war ja einfach zu beeindrucken, oh man. Aber was soll's, der Kerl war erträglicher als Takahashis Clique. "Es ist wirklich besser, wenn du noch hier bleibst, mit Lungenschüssen ist nicht zu spaßen", tadelte Kôji, wobei er Sêiichî etwas an Ryochi erinnerte, der auch ständig solche Sachen sagen musste, weil er sich Sorgen machte. "Ja, ich weiß, das habe ich heute schon mehrmals gehört, glaub mir, Kôji-san." Sêiichî schloss die Augen und lächelte geheimnisvoll. "Das heißt aber nicht, dass es mir hier gefällt, ich langweile mich hier nur zu Tode, während dort draußen Unrecht geschieht..." Wataru senkte deprimiert den Kopf, so sehr, dass seine Augen vor Sêiichî verborgen wurden. Das größte Unrecht, das es auf dieser Welt gab, war ja irgendwie sein Vater, das zog den Jungen nun mal runter, schließlich tat er alles, um seinem Sohn das Leben so ungemütlich wie möglich zu machen, aber aufgeben würde Wataru niemals, für ihn war sein Vater ein charakterschwacher Mensch, so einer hatte er nicht vor auch zu werden. "Das versteh ich, ich möchte auch nicht untätig zusehen. Ich war zum Beispiel, bevor ich Yûmikô besuchte noch im Präsidium, um Megure etwas zu helfen, der Mann ist echt nett, so einen Vater wünscht man sich." Sêiichî hatte solches Mitleid mit dem armen Jungen, er musste doch alleine darunter leiden, dass er solch einen Vater hatte. Genauso wie Riina, die litt auch darunter, wie sollte es auch anders sein!? "Ich kenne den Inspektor auch schon. Du hast Recht, er könnte glatt mein Vorbild sein." Sêiichî sah schwärmerisch aus, ja, genau so ein Mann wollte er mal sein. Einer, der seinen Job ernst nahm und half, wo er nur konnte. Und sein Wissen über die Organisation würde ihm dabei helfen, diese zu stürzen, es war nur eine Frage der Zeit. Nur deswegen war er ja in sie eingetreten, um besser an Informationen zu kommen, was er aber niemandem sagen konnte und wollte.

Wataru schaute auf seine Uhr und seufzte kurz. "Die machen hier sowieso bald dicht, wir werden jetzt gehen, Sêi-chan. Morgen steht ja diese wichtige Prüfung an. Ich wollte noch zu Shina, um zu lernen. Sie kann so unglaublich gut erklären."

Sêiichî grinste vor sich hin und ballte die Hände zu Fäusten, obwohl er am liebsten an die Decke gesprungen wäre vor Freude, jedoch nicht darüber, dass die beiden ihn schon wieder alleine ließen. "Geil, ich muss die Prüfung nicht schreiben", meinte er dann mit einem gehässigen Blick, weswegen die anderen beiden Oberschüler fast umgekippt wären und albern zu lachen anfingen. Das war mal wieder typisch, so ein fauler Hund. "Na dann, da kannst du ja froh sein", seufzte Wataru, der nicht wusste, wie er diese verdammte Prüfung überstehen sollte, er hasste dieses Fach. Wieso eigentlich ausgerechnet Geschichte? Er konnte sich eh keine Daten merken. "Jepp, bin ich auch, viel Glück, ihr zwei und sagt Shina einen schönen Gruß. Sie soll mich doch bitte mal besuchen, sie könnte ja mit Ryo kommen, wenn sie mir nicht traut..."

Wataru zwinkerte Sêiichî zu. "Ich werde sehen, was ich für dich tun kann..." Mit den Worten verabschiedete sich auch Kôji von Sêiichî, obgleich es das Einzige gewesen war, was sie geredet hatten, was Sêiichî doch etwas schade fand. Kôji schien nicht allzu schnell zu vertrauen, was aber nicht ganz verkehrt war, wie er fand, schließlich gab es viele Idioten auf dieser Welt. "Werd bald wieder gesund, Iwamoto, damit man wieder über dich lachen kann", grinste Kôji fies und verschwand dann mit seinem besten Freund zur Tür hinaus, während Sêiichî einen Schmolllaut von sich gab und sich dann zurück ins Bett legte, nachdem er sich aufgesetzt hatte. Irgendwie tat ihm seine Wunde nun wieder weh, es schien, als hätte er sich mit seiner Aktion heute, die er bei Chris gestartet hatte, etwas verausgabt.

9. November - Tag der Ermittlungen und Herausforderungen

Harharharharhar XD Viel Spaß, sag ich mal... der Teil ist laaaaaaaaaaaaange und hat auch sehr laaaaaaaaaaaaaange gebraucht, um verfasst zu werden...

ich bin tot XD endlich fertig... YEY XD

Es kommt ein Fall vor, gegen Mitte... behutsam lesen, damit ihr auch alles versteht X'D

Mal sehen, wie es so ankommt, ich bin jedenfalls zufrieden, und jetzt schaffe ich mich wieder weg XDD

Baibai.. schlaft schön und träumt was süßes %D *wegkuller*


 


 


 


 

Es war noch früh am Morgen. Kurz nach Acht in etwa. Die Patienten durften ab jetzt Besuch empfangen. Eine Schülerin der Teitan-Mittelschule bekam ebenfalls gerade Besuch von jemandem, den sie kaum kannte. Es handelte sich um jemanden, der heute Morgen schon zeitig mit seinem Vater aufs Polizeipräsidium gefahren war und hier ein wenig ermitteln wollte. Der Polizeipräsident hatte seinem Sohn erlaubt, die Befragung zu übernehmen, deswegen war er nun ins Krankenhaus gekommen, da er noch viel Zeit bis zur Schule hatte. Er wusste eben, dass er sich auf seine detektivischen Fähigkeiten verlassen konnte, weswegen er mal eine Ausnahme machte. Ryochi hatte einen Notizblock und etwas zu schreiben rausgeholt, damit er sich alles notieren konnte, was man ihm offenbaren würde.

Der 16-jährige zog eine Augenbraue hoch. "Was? Du kannst dich an den gestrigen Tag nicht mehr erinnern?" Das durfte doch wohl nicht wahr sein, dann war er ja umsonst hierher gekommen. "Denk mal genau nach, Kagawa-chan. Bist du auch ganz sicher? Kannst du dich denn auch nicht mehr daran erinnern, was am gestrigen Tag so alles passiert ist, oder nur an den Grund, weswegen du hier bist?" Er glaubte nicht, dass sie alles vergessen hatte. "Nein, nichts, alles wie weggewischt, aber doch, halt, da ist noch was, das übriggeblieben ist." Sie lächelte vor sich hin. "Ich war mit Kenji Eislaufen." Der Blick des Detektivs glich dem eines Autos, bevor er genervt seufzte. "Aha. Es interessiert mich aber eher, ob du mit irgendwem Streit hattest. Deine Eltern sagten, dass du schrecklich geschrieen hast, bevor du die Treppe runtergefallen bist, sie denken an einen Einbrecher, also musst du was gesehen haben." Riku schüttelte den Kopf. "Nicht, dass ich wüsste... es ist alles weg, das wichtigste ist ja geblieben." Konnte dieses Mädchen noch an etwas anderes denken, als nur an sich selbst? Wer wusste schon, was für ein Typ bei den Kagawas eingebrochen war? Schließlich war diese Familie ziemlich reich. Das stachelte die Verbrecher doch geradezu an, einzubrechen, aber anscheinend war Riku nur ihr eigenes Leben wichtig und nicht das von anderen. "Es wäre auch möglich, dass jemand versucht hat, dir was anzutun, weil du etwas gesehen hast. Schon mal daran gedacht?" Er seufzte genervt und verdrehte kurz die Augen. "Du siehst Gespenster, Tantei-san", lachte sie und nahm keines seiner Worte ernst. "Nicht ich, sondern deine Eltern, die denken, dass man bei euch eingebrochen hat und du jetzt in Gefahr bist. Sie machen sich Sorgen." Er selbst fand es schrecklich, wenn die Eltern sich sorgen mussten, was ihn auch ein wenig wütend machte, da er Egoisten eh nie verstanden hatte. Sie war so jemand. Hauptsache ihr ging es gut, was mit anderen war, war nebensächlich. "Die sind paranoid, mehr nicht." Er gab auf, sie wusste ja doch nichts. "Aber solltest du dich trotzdem noch an etwas erinnern, dann melde dich im Polizeipräsidium", meinte er noch, bevor er sich zum gehen wandte. Da das hier schneller erledigt war, als erwartet, wollte er noch mal zu Sêiichî gehen. Sein detektivischer Spürsinn hatte ihm verraten, dass es sich hier nicht um ein Erpressungsopfer handelte, das hätte er bemerkt, da ihn sein Sinn selten täuschte. Menschen, die erpresst wurden, verhielten sich anders als sie es getan hatte. Ryochi ahnte nicht, dass man ihn beobachtete...
 

Zwei schwarzhaarige Jungs beobachteten durch ein Fernrohr, was in dem Zimmer geschah. "Der ist voll in seinem Element, Takahashi... Du musst was unternehmen, aber schnell." Nachdem Toshizo diese Worte gesagt hatte, machte sich der Angesprochene auf den Weg, er hatte vor Ryochi zu stoppen, mit welchen Mitteln auch immer. Er passierte den Eingang und machte sich gleich auf den Weg zu den Aufzügen. Einer der Fahrstühle kam unten an und ein junger Mann stieg auf der anderen Seite ein, während der 17-jährige es auf seiner Seite tat. Takahashi konnte den für ihn momentan Fremden schlecht erkennen, da dieser eine Sonnenbrille aufgesetzt hatte und der Braunhaarige so ahnungslos in sein Gesicht schaute. Besonders clever war Takahashi ja nie gewesen. Nachdem die Aufzugtüren geschlossen waren, wagte es der 19-jährige seine Sonnenbrille abzusetzen, weswegen die beiden grünen Augenpaare aufeinander trafen. Dann knallte dieser seine Hand fest gegen den Knopf, der dafür zuständig war, den Aufzug zu stoppen. Takahashi erschrak beim Anblick dieser Augen, die grausam in seine schauten. Wie sah der denn auf einmal aus? Das machte ihm ein wenig Angst. Der Kerl in Schwarz blickte ihn vielsagend an. ,Oh mein Gott!' Takahashi stand direkt bei der Tür und wurde quasi dazu gezwungen den anderen anzusehen. ,Wieso lebt der denn noch??' Takahashis Gedanken fuhren Achterbahn. Er wollte weg von ihm, der ihn gegen die Aufzugstür drängte. Die Kleidung des Älteren verriet ihm, weswegen der 19-jährige vor Jahren verschwunden war, er gehörte derselben Organisation an, wie Takahashi jetzt. "Kannst du mir mal verraten, was du hier vor hast??" Ein barscher Ton fuhr in die Stimme des Schwarzhaarigen, mit einer solchen Tonlage hatte der Jüngere seinen Bekannten noch nie erlebt. "Ich weiß nicht, was du meinst, Akaja!" Er versuchte nicht zu zeigen, dass er sich wegen seiner kleinen Gefangenschaft unwohl fühlte. "Du musst mich verwechseln, Teran, ich bin nicht der, für den du mich hältst, ich will dir nur einen kleinen Ratschlag geben. Lass ihn in Ruhe, ansonsten..." Man wollte Takahashi eine kleine Kostprobe geben und holte die Waffe hervor, um sie ihm zwischen die Augen zu drücken. "Verstanden??"

Takahashi musste lachen, es war unmöglich, das Lachen zu verhindern. "Du wirst mich hier nicht umbringen, das würde dir nur Ärger machen." Ein Lächeln kam im Gesicht seines Gegenübers auf. "Hier vielleicht nicht, aber ich finde dich, schließlich habe ich dich eben auch erwischt, oder nicht? Darüber hinaus kriege ich einiges mit. Wenn du Sêiichî nicht zufrieden lässt, setzt es ebenfalls was, verstanden? Halte dich aus dem Leben der beiden raus, oder ich bring dich um." Andere hätten das lustig gefunden, Takahashi fiel jedoch voll und ganz auf das Theater rein. "Ist ja gut. Du kannst die Waffe runternehmen. Ich hab besseres zu tun, als die beiden abzuknallen, tze." Man war er froh, wenn er aus diesem Aufzug rauskam, ihm war schrecklich heiß vor Angst geworden. Sein Körper zitterte, was er vergeblich versuchte zu verbergen. "Du bist ja durchgeknallt", meinte er zu dem Schwarzhaarigen, der ihn erschreckt hatte. ,Wie schön, denk nur weiter so', dachte sich der 19-jährige und grinste fies in Takahashis Richtung, während er die Waffe wegsteckte und den Knopf von vorhin drückte, um die Funktion des Aufzuges wieder aufzunehmen. "Tja, denk dran, durchgeknallte Leute machen unberechenbare Sachen, also pass auf, was du tust, ich beobachte dich. Wenn mir was nicht an dir passt, komme ich wieder." Der 17-jährige war gar nicht scharf drauf ihn wiederzusehen. ,Man, hoffentlich bringen die dich um. Du wirfst meine ganzen Pläne über den Haufen.' Am liebsten hätte er ihm selbst den Rest gegeben, aber er war früher schon nicht gegen ihn angekommen, wieso sollte sich das geändert haben? Zu allem Überfluss trug der jetzt eine Waffe zu seinem Schutz, die er skrupellos benutzen würde. Takahashi hatte keinerlei Lust jetzt schon diese Welt zu verlassen.

Die Aufzugtür öffnete sich, woraufhin der Jüngere regelrecht nach draußen stürmte, um seinem Albtraum, der gerade begonnen hatte, zu entkommen.

Das 19-jährige Organisationsmitglied schaute auf seine Uhr, verließ ebenfalls den Aufzug und behielt Takahashi im Auge. Dieser nahm sich einen Aufzug und fuhr auf schnellsten Weg wieder nach unten, was dem anderen sehr gefiel. ,Ja, verschwinde von hier, so war's ja geplant.' Mit Genugtuung wartete er auf den nächsten Aufzug, um ebenfalls zu verschwinden, da er nur hierher gekommen war, um diesen Mistkerl zu verjagen. Was für ein Glück, dass er gerade in der Nähe gewesen war...

Wer wusste schon, was Takahashi mit der Waffe, die er jetzt besaß, so alles tun würde?? ,Du bist eher durchgeknallt, als ich', dachte sich der Schwarzhaarige und stieg in den nächstbesten Aufzug ein, der ihn nach unten führte. In dem Moment kam Ryochi gerade bei den Aufzügen an. Er rannte so schnell er konnte, doch erwischte den einen Fahrstuhl nicht mehr rechtzeitig, denn kurz, bevor er bei ihm ankam, schlossen sich die Türen und er musste auf den nächsten warten. "Mist", meinte er frustriert und seufzte kurz, bevor er sich entschied, die Treppe zu nehmen, da Sêiichî ein Stockwerk tiefer lag.
 

Sêiichî rührte sein Frühstück nicht an, da er an etwas dachte, das man ihm gestern gesagt hatte. Das Gespräch hatte ihm gar nicht in den Kram gepasst.
 

"Was würdest du tun, wenn der Boss dir befielt, mich zu töten, Vermouth?"

Ein Lachen kam über sie und sie sah ihn eiskalt an. "Ich würde kommen, um dich zu töten! Was soll das denn für eine dämliche Frage sein?"

"Du würdest das wirklich können?"

Mit einem seltsamen Lächeln schloss sie die Augen. "Falls das eintreten sollte, erwarte ich von dir, dass du dich wehrst! Schieß mich meinetwegen über den Haufen, aber lass dich nicht umbringen!"


 

Sêiichî bekam die Sache nicht aus dem Kopf. Das konnte nicht ihr Ernst sein. Die wollte ihm ja nur Angst machen. Das Schlimme war, dass sie überzeugend gewesen war. "Wie kann die denn so was sagen? Die spinnt doch! Als wenn ich sie anschießen könnte!" Er sprach mit sich selbst, in dem Moment klopfte es an der Tür und sie ging wenig später auf, woraufhin sein bester Freund eintrat.

"Hey, Sêi-chan, du siehst ja nicht gerade gesund aus." Ryochi beäugte das nicht angerührte Frühstück und machte sich sofort Sorgen. "Du musst was essen, um wieder zu Kräften zu kommen."

Musste das jetzt sein? Erschrocken blickte der Angesprochene auf. "Gomen, ich fühle mich heute nicht so gut, ich habe keinen Appetit." Er weigerte sich das Essen auch nur anzurühren, man konnte ihm nichts befehlen. "Also wirklich, Sêiichî, was für eine Laus ist dir denn über die Leber gelaufen, dass du keinen Appetit hast? Du stopfst doch sonst auch alles in dich rein, wenn es dich überkommt."

"Mit dem Resultat, dass ich Tage später, nachdem ich eine Fressattacke hatte, einen Schreikrampf kriege, weil mein Gewicht zugenommen hat." Der Detektiv musste leicht lachen. "Du Spinner, das klingt ja, als wärst du eine Frau. Ein paar Kilos mehr oder weniger ist bei dir doch egal..."

"Voll nicht! Ich fühle mich unwohl und mag mich nicht mehr im Spiegel ansehen, wenn da ein paar Kilos mehr sind." Also, der hatte sie echt nicht mehr alle. Ryochi schüttelte nur den Kopf und seufzte. "Als wenn man dir ein paar Kilos sofort ansehen kann." Er setzte sich zu seinem Freund ans Bett und bemerkte sofort, dass ihm irgendwas zu schaffen machte. "Was ist los mit dir? Du verschweigst mir was, ist doch so, nicht? Hast du irgendwelchen Kummer? Du weißt doch, dass du mir alles sagen kannst...", versuchte der 16-jährige nachzuhaken, so dass Sêiichî ihn ertappt ansah. "Aber, Ryo-chan, wie kommst du denn auf so was? Ich fühle mich heute nur nicht so toll... Körperlich, mehr nicht." Der Ältere klang, als wolle er seinem Freund das Ganze einreden.

"Du bist in Vermouth verknallt!" sagte Ryochi ihm auf den Kopf zu, so dass sein Freund rot anlief. "Sie ist interessant, mehr nicht", wehrte Sêiichî sofort ab und hob beschwichtigend die Hände. "Außerdem bin ich mit Riina zusammen."

"So, so", meinte der Braunhaarige vorwurfsvoll. "Wenn das so ist, dann hör endlich auf anderen hinterher zu rennen, wenn sie nämlich erfährt, wie du mit ihr spielst, bist du die längste Zeit mit ihr zusammen gewesen. Ich glaube nämlich nicht, dass das Mädchen darauf steht, von dir so verarscht zu werden. Reiß dich doch mal zusammen, darüber hinaus, bist du so bekloppt, oder checkst du es einfach nicht, dass diese Frau eine Runde zu alt für dich ist und nichts von dir will? Für die bist du höchstens ein netter Zeitvertreib. Hör einmal auf mich. Du kennst sie doch kaum." Sêiichî sah seinen Freund mit Halbmondaugen an. "Hey, ich spiele nicht mit der Kleinen, ich mag sie, verstanden? Und ich bin nicht in Vermouth verknallt, die Frau ist einfach nur, wie soll ich's sagen? Mir wird heiß, wenn ich sie auch nur angucke. Mein großes Ziel ist, sie rumzukriegen. So ein Unschuldslämmchen, wie du es bist, versteht das doch nicht. Hast du dir noch nie eine geile Frau angesehen und zu träumen begonnen?? Nimm dir mal eine Modezeitschrift vor und dann lass deinen Fantasien freien Lauf."

Er konnte es nicht fassen. War das echt sein Ernst? "Sêiichî, du bist hohl, das muss ich unbedingt mal loswerden. Was ist an der Frau denn so geil? Verrat's mir, damit ich Unschuldslämmchen das auch verstehe..." Ungewollt war Ryochi ein klein wenig bissig geworden, denn so unschuldig war er ja auch nicht mehr. Sêiichî bildete sich auf seinen Erfahrungsschatz schlichtweg zuviel ein.

"Hast du der Frau noch nie in den Ausschnitt geguckt?? Das kann doch nicht sein!" Das wiederum konnte Sêiichî nicht verstehen, da er bei jeder dahin schaute.

Ryochi kam um ein Lachen nicht drum herum. "Oh man. Ja, aus Versehen vielleicht, aber nicht absichtlich. Außerdem lässt die manchmal ja tief blicken, da kann man ja schon gar nicht mehr anders. Die nötigt die Kerle ja mit ihrem Aussehen quasi schon", seufzte er und fragte sich, wie oberflächlich man noch sein konnte. "Da freuen sich deine Hormone, wie?"

"Boah, was denn sonst? Oh mein Gott! Hat diese Frau Rundungen, ich könnte beim bloßen Anblick geil werden." So ehrlich wollte es der Detektiv nun auch wieder nicht haben. "Dir ist nicht mehr zu helfen, Sêi-chan. Du kriegst einen Orgasmus, wenn du sie nackt siehst, oder was?" Das war ja irgendwie ziemlich lachhaft, Ryochi musste sich jetzt etwas lustig machen. "Pass auf, dass du sie nicht rumkriegst und dich total blamierst, wenn die dich so heiß macht, dann kommst du sicher zu früh und sie hält dich für ein kleines Baby. Du bist ihr einfach nicht gewachsen, lass es lieber." Sêiichî wurde rot, wobei es wegen seiner Scham so war. "Du bist blöd, ich muss mir noch mal überlegen, ob ich mit jemandem befreundet sein will, der mich bei meiner Männlichkeit angreift", meinte Sêiichî beleidigt und senkte den Kopf. "Wenn's drauf ankommt, kann ich mich beherrschen, außerdem will ich es mir, wenn's so weit ist, nicht versauen. Des Weiteren hab ich gemerkt, wie sie vor Begierde gezittert hat, als ich sie geküsst habe. Ich lasse sie auf keinen Fall kalt, das weiß ich jetzt schon. Mal sehen, wann ich sie so weit habe, dass sie mit mir in die Kiste geht." Das durchtriebene Lachen, welches seinen Worten folgte, ließ Ryochi seufzen, so dass er sich umdrehte. "Bye-bye, ich muss gehen." Und schon war er zur Tür raus verschwunden. "Dem geht's zu gut", flüsterte Ryo zu sich selbst und schüttelte nur genervt den Kopf. "Der braucht mal wieder einen, der es ihm ordentlich zeigt, der dreht ja momentan ganz durch. Am besten so jemanden wie mein Bruder, der ihm schön die Meinung geigt." Ein etwas gehässiges Grinsen kam in seinem Gesicht auf.
 

Es wurde getuschelt und alle starrten gebannt auf die Neue. Viele von ihnen kannten das Mädchen und doch war sie eine neue Anwärterin für das Volleyballteam. Sie war davon überzeugt, dass sie es schaffen konnte. Die 15-jährige hatte einfach zuviel Freizeit, die sie für Sport nutzen wollte. Volleyball war da das Beste, schließlich spielte sie oft mit Freunden am Strand und kannte daher bereits die Regeln, so dass sie sich dafür entschieden hatte. Der Blick der Trainerin durchbohrte sie quasi, als er zum ersten Mal auf sie fiel. Sie hielt einen Ball in der Hand und fixierte das Mädchen. "Du willst also wirklich in unsere Mannschaft eintreten, Riina Takagi?" fragte Frau Matsudaira schnippisch, so dass Shina und Akemi sich fragend ansahen, während die Angesprochene überzeugt von sich selbst wirkte. "Sag mal, Shina, kommt es dir auch so vor, als wenn Matsudaira-san nicht will, dass Riina bei uns mitspielt? Alleine dieser Gesichtsausdruck, als wenn sie es ihr jetzt gleich total schwer machen will..." Die Detektivin beobachtete einfach nur und gab keine Antwort. ,Wir werden ja sehen, ob sich die Kleine unterkriegen lässt, aber so wie ich sie kenne...' Sie grinste vor sich hin und wartete darauf, dass die beiden anfingen.

Wataru hatte von Toshizo erfahren, dass Riina in den Volleyballclub wollte, so dass er nun zur Tür reinschaute und sich selbst davon überzeugen konnte, dass es stimmte. Die Trainerin hatte einen Tisch vors Netz gestellt und kletterte darauf. "Eine von euch gibt mir die Bälle, okay?" Ein brünettes Mädchen kam auf die Frau zu und rief ihr zu, dass sie das übernehmen wollte, woraufhin die Frau dankbar lächelte und Riina etwas vom Netz zurückging. Den ersten Ball hatte die Schwarzhaarige ja schon, so dass sie diesen jetzt werfen konnte. Mit voller Wucht kam der Ball auf einmal auf die Rothaarige zu und traf ihre rechte Gesichtshälfte. Der Ball hatte eine solche Wucht, dass die Mittelschülerin rückwärts zu Boden ging und dort liegen blieb. Shina und Akemi waren erschüttert, griffen jedoch noch nicht ein. ,Oh mein Gott, das war fies für den ersten Ball...' Wie Shina Watarus Schwester kannte, würde so etwas ihren Kampfgeist erstrecht erwecken. ,Zeigs ihr, Kleine, ich weiß, dass du das kannst!' Miyako, diejenige, die der Trainerin die Bälle zuwerfen wollte, erschrak. ,Voll auf die Zwölf, jetzt steh bloß auf, ich fühl mich eh alleine hier, Riina...'

Wataru schlug die Hände vor's Gesicht, er wusste schon, warum er diese Frau nicht mochte. Es hatte sich ja mal wieder gezeigt, zu was die fähig war. "Willst du dich schon ausruhen?" stichelte sie seine Schwester, so dass der 17-jährige eingreifen wollte, allerdings von seiner besten Freundin aufgehalten wurde. "Lass sie... Das war halb so wild, sie ist ja nicht aus Zucker. Und an so etwas gewöhnt sie sich besser, denn es kann immer mal vorkommen, dass man einen Ball abkriegt."

,Was machst du für eine brutale Sportart, Shina?' fragte er sich und seufzte kurz.

Riina erhob sich derweil langsam und kniff ein Auge zu. "Das war aber sehr gemein, finden sie nicht?"

Ein Lächeln umspielte die Lippen der Trainerin. "Du musst besser aufpassen, sonst kommt so etwas öfter vor. Können wir wieder, oder willst du schon aufgeben?" Riinas Augen funkelten, sie hatte nicht vor aufzugeben. "Werfen sie schon!" forderte sie die Frau noch heraus, so dass diese gemein lächelte und einen erneuten Ball, der ihr von der einen Spielerin zugeworfen worden war, in Riinas Richtung warf. Er kam in einem gefährlichen Winkel und steuerte ein weiteres Mal auf ihr Gesicht zu, doch sie ließ sich nach hinten fallen, so dass es ihr möglich war, ihn nach oben zu schlagen.

Das Getuschel ging von vorne los. "Hey, für eine Neue nicht schlecht, oder? Der Ball war extrafies, aber sie hat ihn erwischt, krass", meinte eine von Shinas Kolleginnen, welche selbst eine ausgezeichnete Verteidigerin war und kam auf diese zu. "Nicht wahr, Machida? Find ich auch, Matsudaira macht es ihr vielleicht auch deswegen so schwer, damit sie sich anstrengen muss." Sie beobachteten das Ganze und staunten ein wenig, als der nächste Ball in eine Ecke ganz rechts flog, allerdings war die Kleine schnell genug, um auch diesen Ball noch im Fallen mit einem Arm zu erwischen. Sie zischte kurz wegen der Stärke, welche ihren Arm für einen Moment zittern ließ und kniete dann am Boden - den Blick stets auf die Trainerin gerichtet, bevor ihr der nächste Ball zugeworfen wurde. Er flog direkt auf sie zu, so dass sie ihn schnell baggerte und dann Richtung Mitte hechtete, um den nächsten zu kriegen.

"Oh man, jetzt geht's erst richtig los", meinte Akemi unheilvoll, so dass Shina nur nickte. Die Bälle flogen einer nach dem anderen in verschiedene Richtungen, so dass das Mädchen drei von zehn Bällen knapp verfehlte und des Öfteren am Boden landete. Im Laufe der Zeit wurde sie immer besser und verpasste bald gar keine Bälle mehr, was die gesamte Mannschaft ein wenig beeindruckte. "Deine Schwester ist fix, sie hat sicher kein Problem bei uns mitzuhalten, was denkst du?" fragte Shina.

"Hey, das sind geworfene Bälle", sprach Shizuru Kanô dazwischen.

"Man muss auch genau spielen können, das schafft sie sicher nicht, da muss sie noch trainieren, sonst macht sie es euch schwer. Sie spielt viel zu ungenau."

"Och, Wata-chan, das kriegt man hin", meinte seine beste Freundin neckisch und ging auf die Trainerin zu. "Ich denke, das reicht. Jeder hat gesehen, dass sie spielen kann, wir wollen dann jetzt gemeinsam trainieren." Frau Matsudaira hätte die Kleine gerne total überfordert, aber der Kapitän hatte gesprochen, also überließ sie ihr das Feld. "Gut, dann teilt euch auf und veranstaltet ein kleines Testspiel."

Zwei Spieler trugen den Tisch wieder an seinen ursprünglichen Platz und gingen dann zur Mannschaft zurück.

Jeder nahm seine Position ein, wobei die sechs Besten gegen die Auswechselspieler antraten. So war es immer, sie wollten, dass die anderen aus sich rauskamen und zu kämpfen begannen. Riina wurde von einer Spielerin in die Mitte gezerrt und dort quasi hingestellt. "Egal, was passiert, Takagi, schlag den Ball nach rechts oder links vorne. Am besten schön hoch, aber nicht über's Netz. Kriegst du das hin?" fragte Hiroko Shimizu, welche Riina aus ihrer Klasse kannte, so dass sie nickte. "Natürlich, Shimizu, kein Problem..." Shina und ihre Leute standen derweil schon wie eine undurchdringbare Mauer, dass Riina fast die Angst überkam. ,Jetzt bloß keine Fehler...' sagte sie sich selbst und schaute nach links zu ihrer Klassenkameradin. "Hey, Okamoto, lass es krachen", forderte Shina und warf der rechten Verteidigerin den Ball zu, damit sie aufschlagen konnte. Die drei vorderen Spieler hatten den Blick auf den Gegner gerichtet und warteten darauf, dass der Ball übers Netz flog, um das Spielgeschehen zu verfolgen.

Kotomi Okamoto entschied sich für einen Aufschlag von oben und schon war der Ball vor Riinas Nase gelandet, so dass sie ihn zur linken Angreiferin spielte, welche ihn gekonnt hochspielte, damit Mai Kisara als Hauptangreiferin direkt an ihn rankam. Sie knallte Chisa Maehara mit der Rückennummer 6 den Ball direkt vor die Füße, so dass sie sich zu Boden fallen ließ und er sich wenig später wieder hoch über ihnen befand, um von Akemi gestellt zu werden und ihn Shina knapp über das Netz zu präsentieren. Diese sprang hoch und schlug den Ball mitten ins Feld. "Takagi!"

Punkt. Noch ehe das Mädchen den Blick auf den Ball hatte richten können, war er am Boden gelandet. "Macht nichts", meinte Miyako Omiya lächelnd, sie war das jüngste Mitglied und konnte durchaus verstehen, wenn die Rothaarige vor Nervosität den ersten Ball verpasste. "Sorry, das nächste Mal krieg ich ihn!" erwiderte diese voller Kampfgeist, was Shina richtig gut gefiel, so dass sie ihre eine Kollegin anwies, sie weiterhin anzuspielen und sie richtig aufs Korn zu nehmen. Mal sehen, wie viel sie so aushielt. Der Anweisung ihres Kapitäns Folge leistend, donnerte Kotomi Riina den Ball regelrecht zur rechten Verteidigungsseite, so dass Bewegung in die Sache kam. Die 15-jährige schlug den Ball mit der Faust nach oben. ,Sie hat pariert', sagte Shina in Gedanken zu sich selbst, ,dacht ich's mir.' Akane Kamagawa startete einen Blitzangriff, weil man ihr den Ball direkt vor die Augen knapp übers Netz gespielt hatte, so dass es im nächsten Moment an Naru Machida war, den Ball anzunehmen. Dieses Mädchen war sowieso die beste Annahmespielerin, so dass es ihr keinerlei Probleme bereitete, dem schnellen Angriff gerecht zu werden. Shizuru stellte den Ball, woraufhin Shina und Akemi im gleichen Moment hochsprangen und es schließlich Akemi war, die ihrer momentanen Mannschaft den Punkt holte. Der Ball kam direkt auf der rechten Außenlinie auf, unerreichbar für Miyako. "Hey, reißt euch zusammen, die machen uns ja sowieso fertig, aber ich will euch kämpfen sehen!" fauchte Kiyomi Niihama, so dass alle fünf zusammenzuckten. Als Aufpeitscherin war die Gute ja nie verkehrt gewesen, wenn sie doch nur mehr drauf hätte, als eine dicke Lippe zu riskieren.

Der nächste Aufschlag kam, wobei es wieder an Riina war, den Ball zu baggern, während die anderen zum Angriff übergingen, jedoch waren dann alle drei Angriffsspieler, einschließlich Shina zur Stelle, um den Ball abzublocken. Riina stürzte nach vorne und schnappte sich den Ball, welcher überraschend im Spiel blieb. Zwar flog er nun nach hinten, aber die beiden anderen waren ja noch da, um ihn sich zu krallen. Hiroko schlug ihn direkt zur Netzmitte, wo Mai Kisara schon dem Ball aufgelauert hatte. Chisa nahm den Ball, woraufhin Shina den hochgespielten Ball schlicht von der Mitte des Feldes aus in Riinas Verteidigungsgrenze schlug. Diese erwischte ihn zwar knapp mit einem Arm, jedoch flog er direkt nach links ins Aus. "Autsch...", kommentierte Hiroko nur und verzog das Gesicht, als hätte sie selbst Schmerzen erfahren, wobei es eher Watarus Schwester war, die sich sicher wehgetan hatte. Gebannt starrten alle auf die Rothaarige, die sich erst mal erheben und sich das Handgelenk reiben musste. ,Wo hat sie ihre Kraft getankt?' fragte sie sich wegen Shinas hartem Schlag und seufzte kurz. "So schlimm war's nicht." Alle atmeten erleichtert auf, wobei die Trainerin Riina missmutig beäugte, was Shina nicht verborgen blieb. ,Die hat was gegen sie, ach du Schande.' Kotomi sorgte wieder für eine rotierende Angabe, die sich den Händen der anderen gerne entzog. So war es auch diesmal, Miyako erwischte den Ball an der falschen Stelle, so dass er weit in das Hinterfeld flog und Riina dem Ball nachrannte. Schon war er wieder bei Shina gelandet, so dass diese direkt angriff. Der Ball drehte sich wie wild und sauste geradewegs in Riinas linke Verteidigungshälfte, knapp auf Hirokos Grenze, so dass beide dem Ball entgegen stürmten, ihn jedoch keine von ihnen erreichen konnte, so dass beide auf dem Feld liegend aneinander stießen. "Wie süß, im Liegen seid ihr ja schon mal klasse, gell?" neckte Akemi die zwei, so dass diese sich frustriert erhoben. "Macht keinen Mist, nehmt das gefälligst ernst", regte sich die Trainerin auf, so dass Shina seufzte. "Schlechte Laune", flüsterte sie Akemi zu, welche kurz grinsen musste.

Das restliche Spiel bot packende Dramatik, wobei es den Reservespielerin bis zum Schluss nicht gelingen wollte, auch nur die Angabe zu kriegen. Wieder war es Shina, die angriff, jedoch gelang es Riina im letzten Moment den Ball anzunehmen, so dass die anderen begeistert "Yeah" schrieen und es mit einem Zweierangriff versuchten. Mit viel Glück machten sie gegen Kotomi einen Punkt. "Hey, Takagi, dein Ball!" rief Mai Riina zu und warf ihr den Ball fest zu, so dass dieser sie beinahe vom Boden wegriss. "Wie?" Etwas nervös starrte sie auf den Ball, bemerkte dann aber, dass sie sich rechts hinten befand, was hieß, dass sie jetzt Aufschlägerin war. Aus dem Grund spurtete sie nach hinten. "Hau drauf, Riina", rief Shina der Schwester ihres besten Freundes zu, um sie anzustacheln, wobei ein selbstsicherer Blick ihr Gesicht zierte. Es war fast schon so etwas wie eine Herausforderung. Die anderen fragten sich, was da los war, sagten jedoch nichts. Riina stand noch immer etwas aufgeregt hinter der Absperrung und wurde von allen beobachtet, was sie noch nervöser machte. "Na gut", meinte sie und ging noch einen Schritt rückwärts, bevor sie den Ball mit einer sehr leichten Armbewegung über das Netz brachte. Er kam Shina entgegen, die schon hochkonzentriert dastand, doch plötzlich drehte der Ball weg, genau in dem Moment, in dem sie ihn annehmen wollte, so dass sie sich schnell bückte und den weggedrehten Ball im letzten Moment erwischen konnte. ,Das war fast zu knapp', dachte sich Akemi, wobei sie dem Ball im hohen Bogen dabei zu schaute, wie er gegen die Wand knallte. "Zufall", sagte Kotomi und drehte den Kopf weg. Sie als Stammaufschlägerin hatte es noch nie geschafft gegen Shina einen Punkt zu erreichen, weswegen sie so etwas einfach sagen musste. ,Du bist ja immer noch so eine schlechte Verliererin, Okamoto.' Akemi schüttelte nur den Kopf, wobei Shina eher beeindruckt war, als dass sie sauer gewesen wäre. "Hey, gut gemacht, da kann ich dir ja nur gratulieren, das war ein glatter Punkt." Hiroko fiel Riina um den Hals und freute sich wie ein kleines Kind, so dass Matsudaira aufstand und in die Runde brüllte. "Tut gefälligst nicht so, als wenn ihr gewonnen habt! Schaut zur Anzeigetafel, schämt euch! Darüber braucht ihr euch gar nicht erst so freuen!" Keiner lachte mehr, die Stimmung war tief gesunken. "Machen wir weiter, wir sind noch nicht fertig." Naru winkte wie wild zu Riina. "Huhu, hierher, los, schmeiß schon her!" Anscheinend war die jetzt ganz wild auf einen Ball von der Neuen, wie kindisch. Kotomi konnte sie nicht leiden, das stand jetzt schon fest, sie hatte gerade Angst ihre Position zu verlieren. Wie gewollt, bekam Naru einen Ball serviert. Wie es alle von ihr erwarteten, nahm sie dann Ball geschickt an und beförderte ihn zu Akemi, die ihn hoch pritschte, so dass Shina wieder zusammen mit Shizuru angriff, dem konnte niemand etwas entgegensetzen, da keiner die nötige Erfahrung hatte, um den Angriff der Zwei einzuschätzen. "Noch einer!" brüllte Naru Akemi zu, welche sich jetzt als Aufschlägerin behaupten würde. ,Alle auf Riina, wie fies', dachte sie sich und spielte Miyako an, da diese, wie sie fand, auch noch jede Menge zu lernen hatte. Diese stürzte zu Boden, ohne den Ball zu kriegen, so dass alle seufzten. Sie blieb am Boden liegen. ,Oje.' Shina schlüpfte unter dem Netz durch und rannte auf die Kleine zu. "Alles okay bei dir", fragte sie fürsorglich, so dass sich die 14-jährige unter Tränen erhob. "Ich hab's uns wieder versaut", meinte sie deprimiert und schluchzte auf. "Hey, hey, mach dir nichts daraus, wir alle sind schuld. Keiner von uns hat es geschafft. Du hast nicht alleine verloren." Nun konnte die Jüngste wieder lächeln, was Riina irgendwie stark beeindruckte. ,Die sind ein Herz und eine Seele, irgendwie süß.'

Akemi klopfte der sprachlosen Riina auf den Rücken. "Du hast ja ordentlich Kampfgeist bewiesen. Ich wusste gar nicht, dass du so gut spielst, dann hätte ich dich längst überredet, bei uns mitzumischen." Die 15-jährige machte ihrer Haarfarbe Konkurrenz und rieb sich die Nase. "Ich bemüh mich, wo ich kann, außerdem hatte ich einfach zuviel Zeit." Matsudaira kam auf alle zu und schaute missmutig in die Runde. "Setzt Riina keine Flöhe ins Ohr, das was sie heute geleistet hat, war Grundschuldniveau. Schmiert ihr keinen Honig ums Maul, nur weil ihr ein Angriffsschlag geglückt ist!"

,Muss die alles miesmachen?' fragte sich Akemi, die langsam aber sicher die Geduld verlor. "Mag ja sein, aber sie hat sich gut gemacht, finde ich, das sollte man auch nicht außer Acht lassen", gab Akemi zurück, während ihre beste Freundin sich um Riina kümmerte. "Also nach dem Einstieg spricht nichts mehr dagegen, dass du mitmachst, finde ich. Oder Matsudaira-san?" Sie lächelte absichtlich wie ein kleines Mädchen, nur um ihre Trainerin zu ärgern. "Du hast das ja schon entschieden, da bleibt mir ja nichts anderes übrig, als dir zuzustimmen, Teamchef." Alle Mädchen begannen zu lachen, wobei Riina das fast ein wenig peinlich war. Nur eine von ihnen lachte nicht, sie war sauer, weil man sie so in den Schatten stellte. ,Unfassbar, die punktet glatt gegen den Captain, das gibt sicher noch viel Stress, ich muss mehr trainieren.'

"Schluss für heute, das war ein langes und schweißtreibendes Spielchen, ihr Süßen. Geht nach Hause, wir sehen uns morgen", meinte Shina, die auch ziemlich geschafft aussah. "Wataru, du wartest, oder? Wir ziehen uns mal eben um." Kotomi verhielt sich ungewöhnlich ruhig, so dass Shina sie einmal sogar darauf ansprach. "Hast du was?"

"Nö, nö, bin nur etwas kaputt", log die 15-jährige, was die Detektivin jedoch sofort durchschaute, allerdings sagte sie nichts. ,Ach du Schande, jetzt fängt die mir wieder so an, da muss ich ja aufpassen, sonst macht die Unsinn mit Riina.' Sie kannte ihre Spielkollegin, sie ekelte bessere gerne mal weg. So etwas in der Art erwartete sie schon quasi. "Macht's gut", meinten die anderen, so dass Shina, Akemi und Riina letztendlich alleine zurückblieben, wobei Riina extralange brauchte, so dass die beiden auf sie warteten. "Trödelst du immer so?" fragte Akemi frech, so dass Riina leicht rot wurde. "Ja, nur ständig, liegt in der Familie." Die Zwei begannen zu lachen und zogen Riina letzten Endes am Handgelenk nach draußen. "Tut dir was weh, Imouto-chan?" wollte Wataru draußen besorgt von seiner Schwester wissen, so dass diese seufzte. "Mir geht's bestens, ich bin wie für so was geschaffen." Er seufzte leicht. Also, er blieb lieber beim Baseball, dabei passierten selten Unfälle, zumal er Pitcher war.

"Ich muss zum Karate", sagte Shina, wobei sie auf die Uhr sah. "Du bist eindeutig irre und mit zuviel Energie getankt, so siehst du Ryochi heute ja gar nicht mehr", meinte Akemi. Ein geheimnisvolles Lächeln spiegelte sich auf Shinas Lippen wider. "Och, der kommt heute noch zum Lernen, also sehe ich ihn wohl doch, da muss ich dich enttäuschen, meine Liebe. Aber du pass auf, sonst bist du morgen wieder krank, denk dran. Du hattest erst eine Grippe, die dich fast umgehauen hat, Mi-chan."

"So sensibel gemacht bin ich auch wieder nicht", beschwerte sich Akemi murrend und machte sich dann auf den Weg. "Bis morgen dann, brich dir keine Gelenke."

"Haha", meinte Shina beleidigt und verschwand dann um die Ecke.

Wataru blickte Akemi verwirrt an. "Und du? Gehst du nicht auch zum Karate?" Die Angesprochene zwinkerte ihm zu. "Ich gehe zu Kôji, den vermiss ich nämlich total, außerdem bin ich von meiner Grippe noch etwas geschwächt und würde wahrscheinlich umkippen, wenn ich nicht aufpasse. Ich gehe nächste Woche wieder. Gehst du noch mal ins Krankenhaus?" Wataru lächelte leicht. "Nein, ich bring mein Schwesterherz nach Hause." Riina seufzte. "Mein Gott, bist du peinlich, es ist fünf, ich komm alleine heim, geh du zu deiner kleinen Yûmikô." Der 17-jährige war rot geworden und drehte sich weg. "Nun sag nicht so was." Man war ihm das peinlich, von wegen er war peinlich, Riina war es, sonst niemand.
 

An einer Mauer gelehnt stand ein nachdenklicher Ryochi, er schien wohl über irgendetwas zu grübeln, so dass Shina, die auf dem Weg zum Karatetraining war, erst einmal auf ihn zuging. "Hey, was machst du denn hier?" holte ihn die 16-jährige aus den Gedanken und brachte ihn dazu aufzuschauen. "Hi, meine Süße, ich denke nach. Da habe ich mal die Gelegenheit frei zu ermitteln und was bringt es mir? Nichts, weil das Opfer sich an nichts mehr erinnern kann." Ein Seufzen entfuhr dem Detektiv. Sie setzte sich auf die Mauer und zog ihn an sich, so dass sie ihre Beine rechts an seiner Hüfte vorbei streckte. "Mhm, bist du sicher, dass sie nichts weiß? Es wäre möglich, dass man dir etwas vormacht." Daran hatte Ryochi ja auch schon gedacht, trotzdem schüttelte er den Kopf und drückte sie fester an sich. "Fehlanzeige, sie weiß wirklich nichts, ich habe sie sehr genau beobachtet. Ihre Eltern sagten allerdings, sie hätte wie am Spieß geschrieen, als wenn man sie hätte umbringen wollen. Weil diese Familie im Geld schwimmt, mache ich mir so meine Gedanken. Ich will immerhin verhindern, dass ihr etwas passiert. Es ist übrigens Riku Kagawa, dieses beliebte Mädchen aus Riinas Klasse. Sie ist 16 geworden." Es war irgendwie lustig, ein Mädchen, so alt war als Shina selbst, war in der Klasse von Watarus Schwester. "Ja, ich hab sie schon öfter auf dem Schulhof gesehen. Es würde mich nicht wundern, wenn man dieses verwöhnte Prinzesschen umbringen wollte. Sie nimmt sich viel raus, das macht die nur, weil sie denkt, sie wär's. Ihre Eltern sind reich, wie du sagtest und ihr wurde wohl als Kind alles in den Hintern geschoben. Außerdem ist ihr Vater Firmenchef. Der Kerl hat jede Menge Feinde, da gehe ich jede Wette ein." Ryochi hatte den Blick deprimiert gesenkt, es nahm ihn wohl sehr mit, dass er diesen Fall bisher nicht lösen konnte und Shina war auch klar, weswegen das so war. Ihr Freund war zu gerecht und konnte es nur sehr schwer ertragen Unrecht geschehen zu lassen, weswegen er Detektiv war. Das war der Grund dafür, er wollte Unrecht bekämpfen, was einer der Gründe war, weshalb die Detektivin ihn liebte. "Ich weiß, was du denkst, mein Detektiv. Und ich werde dir helfen, die Kleine zu schützen, dafür sind wir Detektive ja da, oder nicht?" Er sah sie bewundernd an, ein weiteres Mal durchschaute sie ihn und sah ihm direkt in die Seele. "Ich liebe dich, Shina Kudô", meinte der 16-jährige, nahm sanft ihr Kinn in die Hände und zog sie noch ein wenig näher an sich heran, woraufhin seine Lippen zärtlich auf ihren lagen und sie ihre Arme um seine Schultern legte, um ihn so fest wie möglich an sich zu drücken. Vorsichtig brachten die beiden Oberschüler ihre Zungen ins Spiel und begannen damit, die des Partners zärtlich zu necken. Genau in dem Moment bog Takahashi um die Ecke und konnte die Szene von dort aus beobachten. ,Du Mistkerl! Kommst hierher, schmeißt dich an das Mädchen ran, das mir gehört und präsentierst es mir auch noch schön! Irgendwann krieg ich dich und wenn deswegen andere draufgehen müssen.' Ein leises Knurren entfuhr ihm, als Ryochi es wagte, seine rechte Hand über Shinas Rock wandern zu lassen, für Takahashi sah das schon fast wie Sex auf dem Schulhof aus, er hatte das Gefühl, die würden noch weitergehen. ,Ihn lässt du also ran, du Flittchen? Wart nur ab, wenn ich dich mal alleine erwische! Was der kann, kann ich schon lange!' Er wandte sich sauer ab und ging in eine andere Richtung. Er wollte denen nicht die Bestätigung geben, dass ihm ihr Verhalten missfiel, er wollte lieber anders angreifen und sich an dem Mädchen rächen, also würde er darauf warten, dass Ryochi nicht in ihrer Nähe war, um zuzuschlagen.

Shina fühlte sich wohl bei Ryochi, was Takahashi entgangen war. Vor diesem hatte sie nämlich Angst, deshalb hatte sie sich gegen seine Attacken immer wieder wehren müssen, um sich selbst zu beschützen. Bei dem Detektiv war es eher so, dass er sie beschützte, sie konnte sich bei ihm anlehnen und darauf vertrauen, dass er ihr nicht wehtun würde, Takahashi hatte so etwas gleich im Vorneherein verhindert, indem er sie zwingen wollte, sich in ihn zu verlieben. Liebe war nicht erzwingbar, doch dieser Idiot würde das nie merken. Auch dem Detektiv war warm ums Herz geworden, es schlug um ein Vielfaches schneller als vorher, was sie spüren konnte, da ihre Körper dicht aneinander gedrückt waren. Die beiden lösten ihre Lippen voneinander, blieben allerdings in der Position von gerade eben. "Du hast ja Herzklopfen, Ryo, mach ich dich etwas nervös?" wollte sie frech grinsend wissen, so dass er ihr eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht strich und in ihre wunderschönen Augen blickte. "Nein, das nicht mehr, ich habe mir nur gerade die falschen Gedanken gemacht", neckte er sie zurück und grinste ziemlich frech, so dass sie wissen würde, woran er gedacht hatte. "Pass auf, sonst vergisst du noch, was du vorhattest."
 

Währenddessen hatte Takahashi gleich das nächste Opfer gefunden, wie es schien, er beobachtete ein junges Mädchen dabei, wie es auf das Krankenhaus zusteuerte und da sein Freund Toshizo eindeutig auf die Kleine abfuhr, wollte er sie etwas ausspionieren, also folgte der 17-jährige Riina unauffällig. Er schlich ihr nach wie ein Spürhund, ohne auf sich aufmerksam zu machen. Solche Sachen machte er nicht zum ersten Mal, weswegen er geübt darin war. ,Was will sie da?' fragte er sich und entschied ihr auch ins Krankenhaus nachzulaufen. Riina nahm den erstbesten Aufzug, so dass der Junge auf die Anzeigetafel blickte. Missmutig bemerkte er, dass er in genau dem Stockwerk angekommen war, auf welchem Sêiichî Iwamoto lag. Weil ihn interessierte, wo Riina hinwollte, fuhr er in den gleichen Stock und stieg, nachdem er sich umgeschaut hatte, aus. Sie war verschwunden, also ging er den Gang entlang, bis zu Sêiichîs Zimmer, wo er gleich Stimmen hören konnte, also lauschte er einen Moment.

"Ich hab dir was Süßes mitgebracht und etwas zu lesen, damit du dich nicht so langweilst, Sêi-chan", meinte die Rothaarige und gab ihrem neuen Freund einen leichten Kuss, bevor sie sich zu ihm ans Bett setzte. "Danke, Riina, ich werde noch verrückt, wenn das so weitergeht." Ein etwas durchtriebenes Grinsen zierte sein Gesicht, als er die Hand der Schülerin nahm und sie zu sich zog, was Takahashi durch einen Spalt ebenfalls mitbekam. ,Das darf nicht wahr sein! Sind wir denn vom Pech verfolgt, Toshizo??' Dass Riina hier war, reichte schon, aber das hier war der Gipfel. Sêiichî wagte es, sich an das Mädchen ranzumachen, das Toshizo liebte, wie konnte es dieser verdammte Scheißkerl bloß wagen? Das würde er noch bereuen...

Obwohl ihm fast schlecht wurde, beobachtete er die Zwei weiter und konnte sehen, wie Ryochis bester Freund die Rothaarige zu sich auf die Brust zog und fest in seine Arme schloss. ,Dafür bring ich dich um, Iwamoto! Du wirst meinem Freund nicht dieses Mädchen wegnehmen, das werde ich verhindern!' Wütend sah er ihnen dabei zu, wie sie etwas tuschelten, was er nicht hören konnte. "Ist das okay, Sêi-chan? Ich meine, deine Verletzung, sollten wir da nicht aufpassen?"

"Ist schon gut so, die Verletzung kann mich mal, ich will dich festhalten."

Sêiichîs Antwort trat jedoch sofort an Takahashis Ohren. Dieser Schleimer. Wie vielen Mädchen hatte dieser elende Hund auf die Weise schon das Herz gebrochen? Und er trug jedes Mal den Sieg davon, aber nicht mehr lange, das schwor er sich, außerdem würde er seinem besten Freund jetzt sofort erzählen, was er hier gesehen hatte...

Keiner hatte bemerkt, dass er beobachtet worden war, so dass sie weiter miteinander flirteten und die Zeit genossen, während der Beobachter sich genauso, wie er gekommen war, wieder aus dem Krankenhaus schlich. Er rief sofort Toshizo auf seinem Handy an, welcher sofort ranging und sich meldete. "Hey, Toshi, ich war gerade im Krankenhaus, Riina ist bei Iwamoto!" Schockiert schwieg der Angesprochene einen Moment, bevor er ein "Was?" rausbrachte. "Was will sie denn da? Die steht doch überhaupt nicht auf den Kerl." Der 18-jährige konnte es nicht fassen, das durfte doch wohl nicht wahr sein. Wenn Sêiichî wollte und man mitspielte, war es für den ein Leichtes, ein 15-jähriges Mädchen rumzukriegen. Er wollte sie beschützen und von Sêiichî fernhalten und wenn er seine Verletzungen verschlimmern musste, um das zu erreichen. "Danke, dass du es mir gesagt hast, ich werde was dagegen tun, bye, Takahashi." Schon wurde aufgelegt und man hörte nur noch das monotone Tuten im Handy.

Toshizo war zwar krank und lag im Bett, hatte aber vor jetzt noch mal wegzugehen, weshalb er sich umzog und wenig später das Haus verließ.
 

Riina kuschelte noch eine Weile mit Sêiichî, der außergewöhnlich brav war und sie nicht bedrängte, bis sie ihrer Uhr einen Blick zuwarf und bemerkte, dass es Zeit wurde. "Ich muss noch Hausaufgaben machen, was heißt, dass ich dich wieder verlasse, aber morgen komme ich wieder, klar?" Mit Enttäuschung in seinem Gesicht, blickte er sie an, als sie sich langsam von ihm löste, so dass er ihr Handgelenk schnell ergriff und sie zurückzog, woraufhin seine Lippen auf ihren lagen und der heiße Kuss, der folgte, sie fast erschreckte. Er drang stürmisch in ihren Mund ein und fing ein wildes Zungenspiel an, wobei seine rechte Hand ihren Nacken nahm und ihn streichelte. Es war ein ziemlich langer Kuss, alleine aus dem Grund, da es ein Abschied sein sollte. Wenig später löste sich das Mädchen dann doch mit etwas errötetem Gesicht widerwillig von ihm, da sie Luft holen musste. "Du sollst dich doch nicht so überanstrengen", tadelte Riina Sêiichî, um ihn etwas zu ärgern, wobei sie ihn fies anlächelte, weswegen er ebenfalls grinsen musste. "Tu ich schon nicht und du komm gut nach Hause. Pass gut auf dich auf, Sweetheart." Sie nickte. "Keine Sorge, es ist ja erst kurz nach halb Sechs. Und vorsichtig bin ich immer. Mach dir keine Gedanken. Und bis morgen." Seine eine Hand hielt noch immer ihre, so dass sie seufzte. "Sêiichî!" ermahnte sie ihn, aber sein Blick haftete an ihr, als würde er um sich herum nichts mehr registrieren. "Lass jetzt los."

"Am liebsten wär's mir, wenn du hier schläfst." Dreister ging es nicht mehr. "Baka, das würde meinem Bruder gar nicht passen, der würde sich nur Sorgen machen, außerdem bin ich morgen wieder da." Sie riss sich jetzt etwas unsanft los und streichelte kurz seine Wange. "Ruh dich schön aus, ja?" Die 15-jährige ließ von ihm ab und machte sich dann sofort auf den Weg, ohne zu wissen, dass draußen schon jemand auf sie wartete. Sie hatte kaum den Krankenhauseingang hinter sich gelassen, da ergriff jemand ihr Handgelenk. "Hey, Riina", meinte eine Stimme, so dass sie sich herumdrehte und in ein bekanntes Gesicht sah. "Hey, Toshi, ich dachte, du bist krank?" Der Angesprochene sah sie fasziniert an und seufzte dann. "Was wolltest du bei Iwamoto? Du willst doch wohl nicht auf diesen Macho reinfallen, oder?" Seine Stimme klang ruhig, obwohl er ziemlich aufgewühlt war, wegen der Dinge, die man ihm am Telefon gesagt hatte. Er hatte schreckliche Angst schon wieder jemanden an Sêiichî zu verlieren, noch dazu würde dieser Kerl ihr nur wehtun. Missmutig riss sich Riina von Watarus Klassenkamerad los und blickte ihn böse an. "Das geht dich nichts an, es ist meine Entscheidung, auf wen ich reinfalle und auf wen nicht. Du musst nicht auf mich aufpassen, ich habe schon einen Bruder, der das zur Genüge tut."

Ein Lächeln kam in Toshizos Gesicht auf, doch die Rothaarige drehte sich weg, um davonzugehen, so dass er sie zurückziehen musste. "Wer redet von einem Bruder, Schatz? Ich will als dein Freund auf dich aufpassen." Das Mädchen hielt inne, wahrscheinlich würde sie ihm gleich das Herz brechen, denn was er sagte, war schon fast ein Liebesgeständnis. Als er sie dann noch an sich drückte, ging es nicht mehr anders, so dass sie sich losriss. "Hör auf damit, Toshi, das Einzige, worauf du hoffen kannst, ist meine Freundschaft." Er sah sie hartnäckig an, packte ihre beiden Arme und sah ihr verbissen in die Augen. "Aber ich liebe dich, Riina." Ihr Körper zitterte, sie hasste, was sie tun musste und schloss deswegen die Augen, um ihn nicht auch noch ansehen zu müssen. Sie wollte nicht sehen, wie sie ihm das Herz brach, es tat ihr Leid. "Das schmeichelt mir, aber... ich... ich liebe dich nicht... deswegen gibt es keinen Weg, der uns zusammenführt. Ich liebe Sêiichî." Das Letzte bereute sie schon wieder, das hätte nicht sein müssen. "Nein, nein, nein, Riina!" Er schüttelte sie und schwenkte den Kopf hin und her, als wollte er ihr etwas einreden. "Glaub mir, er ist der Falsche für dich, er wird dir die Unschuld rauben und dir dein Herz brechen. Er kann nicht treu sein, er hat darauf ja nicht mal Lust, er hat ständig schlecht über die Liebe geredet und Leuten wehgetan, die so etwas empfanden. Hör bitte auf mich, mach dich nicht unglücklich." Nun ging der Typ aber zu weit, sie konnte es nicht leiden, wenn man ihr reinredete, also riss sie sich ein weiteres Mal von ihm los. "Wie oft noch? Ich will nichts von dir und gegen Gefühle ist man machtlos. Und ich lasse mir so schnell nicht das Herz brechen. Und meine Unschuld wird er auch nicht kriegen. Du solltest mich schnell vergessen." Wieder hielt der 18-jährige Watarus Schwester fest, wobei sie ihm nun doch in die Augen sah, in denen Trauer und Schmerz stand. "Ich will dich nicht vergessen. Komm bitte zu meinem Geburtstag, der ist schon bald." Riina schüttelte den Kopf, denn sie war nicht scharf darauf, seinen Freunden zu begegnen, das schreckte sie ziemlich ab. "Vergiss es, Takahashi wird da sein, ich kann den Kerl nicht leiden, auch wenn er dein bester Freund ist. Er hat Shina dumm angemacht und ist ein Scheißkerl! Außerdem hasst er Wataru, das habe ich nicht vergessen und du bist feige! Statt mal mit Takahashi zu reden und ihm zu sagen, dass du Wataru magst und er ihn in Ruhe lassen soll, siehst du zu, wie er meinen Bruder fertig macht. Nein, mit solchen Leuten will ich keinen Kontakt haben, vorher lasse ich mir zehn mal von einem Macho das Herz brechen, wie du sagst, er ist nicht so, wie ihr alle denkt. Er hat ein gutes Herz und kämpft für Gerechtigkeit. Er will Polizist werden, wie mein Bruder... Du müsstest endlich aufwachen und dich von Takahashi lösen, der Kerl verdirbt dich!"

"Iwamoto hat dich ja total unter seiner Kontrolle, es gibt nur einen Weg, dich aus seinem Bann zu befreien..." Mit einem unheilvollen Gesichtsausdruck sah er sie an, so dass sie sich fragte, was er wohl meinte, doch da spürte sie schon seine Lippen auf ihren, das alles drehte das Ganze in eine völlig andere Richtung. Im Moment war Toshizo nicht viel besser als sein Freund Takahashi, zumindest empfand sie das so. Nachdem das Mädchen den Schock überwunden hatte, landete ihre Hand klatschend auf seiner Wange, sie entzog sich ihm und hielt sich die Hand vor den Mund. Sie fasste noch immer nicht, dass er die Frechheit besessen hatte, das zu tun. "Na also, da haben wir's!" fauchte Riina ihn an und ging ein paar Schritte rückwärts. "Ich sagte dir, ich liebe dich nicht, aber was tust du? Du küsst mich, obwohl ich das nicht will, genauso wie dein toller Freund, lass mich in Ruhe, ich bin nicht scharf drauf, dir zu begegnen, bleib mir fern, verstanden?" Mit den Worten flüchtete sie vor ihm, der ihr schluckend nachschaute. ,Verdammt!' dachte sich der 18-jährige Oberschüler, kurz bevor Tränen seine Wangen nässten und er mit der Faust gegen einen Laternenpfahl schlug, was ihm nicht mal wehtat, denn das, was er fühlte, war bei weitem schlimmer. "Soll Chardonnay dich doch der Schwarzen Organisation zum Fraß vorwerfen, elende Missgeburt!" Er war so wütend, dass er alles getan hätte, um Sêiichî loszuwerden, auch über Leichen gehen.
 

Es war jetzt bereits halb Zehn und die Dunkelheit war längst über Tokyo hereingebrochen. Kôji war auf dem Weg zu Akemi, als sein Interesse auf etwas gerichtet wurde. Die Presse belagerte ein Hochhaus und ging der Polizei auf die Nerven. Nur mit Mühe schafften es die Polizisten, sie vom Eindringen in das Gebäude abzuhalten.

,Wie ich diese Futzis doch hasse.' Kôji schüttelte leicht den Kopf und ging mal näher ran, um zu erfahren, was da denn so interessant war.
 

"Wenn das so weitergeht, dreh ich noch am Rad, mein Gott", beschwerte sich eine schwarzhaarige Frau, die Kôji bereits kannte.

,Ach du scheiße, das auch noch! Yukis Flamme! Wo die sich rumtreibt, ist mein Cousinchen nicht weit.' Kôji hielt es für besser, ganz schnell das Weite zu suchen, um dem Kerl nicht zu begegnen, da sie Probleme miteinander hatten, so dass er an den Reportern vorbeistürmte.

,Hey, das ist doch... Kôji...', wunderte sich ein junger, dunkelhaariger Mann, der nun auch etwas vom Geschehnis mitbekam. ,Shuichi? Was macht der da drin? Und Kôji muss sich natürlich wieder einmischen.' Knurrend beobachtete Yuki seine beiden Cousins, er hasste Kôji, in solchen Momenten, in dem er sich wichtig machte, sowieso.

"Was ist passiert, Shuichi, was machst du hier?" fragte Kôji, so dass der Ältere seufzte. "Die untersuchen einen Fall, in dem jemand vergiftet wurde. Kaum zu glauben, dass die denken, ich könnte was damit zu tun haben." Kôji war leicht erschrocken und wandte sich drei Kriminalisten zu, die er schon kannte. "Hallo, Inspektor Megure, würden Sie mir freundlicherweise verraten, was hier passiert ist?"

Der etwas dickere Mann drehte sich herum und lächelte Richtung Kôji.

"Folgendes: Dieser Mann da, Masanori Waraoki, 43 Jahre alt, hat die Polizei alarmiert, da er einen Streit mitangehört hat, daraufhin ging er nach draußen und bemerkte wie dieser Mann", er zeigte auf einen jungen Horrorschriftsteller, der wegen gewisser Mordgeschichten im Gefängnis gesessen hatte, "aus dem Hotelzimmer des Opfers kam und sich ziemlich über sie aufgeregt hat." Kôji legte den Kopf schief, in dem Moment mischte sich ein weiterer Mann ein, der sich Ryuji Tanaka nannte und erst kürzlich nach Tokyo versetzt wurde. "Die Sache beunruhigte den Zeugen schon, als eine ältere Dame, die von Beruf Chemikerin ist, auftauchte und lange im Zimmer blieb. Sie war aber völlig ruhig, laut Waraokis Erzählungen und war überhaupt nicht verdächtig, allerdings würde ihr Beruf ins Mordmotiv passen. Diese junge Frau da, ist die Verlobte des Schriftstellers und wohnt 2 Zimmer weiter in einer Suite. Angeblich kam sie die ganze Zeit nicht aus dem Zimmer, doch keiner hat sie zur Tatzeit gesehen. Der Mann dort mit den langen Haaren, nennt sich Shuichi Akai und war angeblich hier, da er Wechselgeld brauchte, ziemlich haarsträubend. Er hätte auch runtergehen können, die beiden kannten einander, das gab er offen zu. Sie sind alte Jugendfreunde gewesen, da wollte er die Gelegenheit beim Schopf packen und sie mal eben besuchen. Sie waren alle hier, Miura, alle, jeder von denen könnte der Täter sein, doch an Spuren gibt es kaum etwas brauchbares."

Der Hauptkommissar ließ einen beunruhigten Blick auf die beiden fallen. "Sind Sie verrückt? Da können Sie ja gleich der Presse alles brühwarm erzählen, der Junge ist ja noch nicht mal 18, das geht den gar nichts an, machen Sie ihre Arbeit." Seufzend wandten die beiden sich ab, Kôji war empört, das konnte ja wohl nicht wahr sein, jetzt drehten die ihm einen Strick aus seinem Alter, er war doch nicht total bescheuert.

"Darf ich mal erfahren, was hier los ist?" fragte eine weitere Stimme, die Kôji seit einiger Zeit schon gut kannte. Man lächelte dem Detektiv, der gerade angekommen war, zu, so dass Kôji seufzte. ,Ach du Scheiße...' Bevor er seinen Gedanken weiterführen konnte, kam Yamada schon auf Ryochi zu, wobei er mehr als nur erfreut aussah. "Natürlich, Akaja-kun", sagte man ihm zu allem Überfluss noch, was Kôji nun doch ziemlich ärgerte, da man den Kerl anders behandelte, nur weil er der Sohn des Polizeipräsidenten war. Er bezweifelte, dass Ryochi bessere detektivische Fähigkeiten hatte, als er selbst. "So, ich bin also zu jung?" beschwerte er sich und verschränkte die Arme. "Aber er nicht, ja?" Ryo wandte den Kopf zur Seite, da er Kôjis Stimme gehört hatte. Wie er ihn ansah, als wollte er ihm an die Gurgel gehen. Mit einem netten Lächeln drehte er sich ganz zu seinem Klassenkameraden um. "Hey, was machst du denn hier? Willst du der Polizei helfen?"

"Ja, hatte ich vor, stell dir vor, aber mir sagen die nichts, dir vielleicht?"

"Hast du schon mal einen Fall gelöst? Die würden dir trauen, wenn es so wäre, nicht? Du solltest das lieber erfahreneren Leuten überlassen."

,Arroganter Wichtigtuer, Leuten, wie dir, oder wie hab' ich das zu verstehen?'

Mit einem Halbmondaugenblick kam er dem Blauäugigen näher, so dass er ihm tief in die Augen sehen musste. "Ja, hab' ich, zusammen mit deiner heißgeliebten Shina, also sei bloß vorsichtig, was du von dir gibst, Möchtegerndetektiv. Du kommst dir als Extrawurst ja ziemlich toll vor. Wärst du nicht Akajas Sohn, würde man dich genauso davonjagen."

"Hey, wir wollen doch friedlich bleiben. Du kannst mir ja gerne ein wenig helfen. Es interessiert mich jetzt, wie gut du bist." Das Ganze klang ja beinahe nach einer Kampfansage. "Ich messe mich nicht mit anderen, das ist Idiotie. Mich interessiert einfach nur der verdammte Fall und seine Auflösung."

"Na dann, komm", Ryochi schnappte sich Kôjis Arm und zerrte ihn hinter sich her, bis zu den Polizeieinsatzkräften. "Yamada-san, ich würde jetzt gerne alles wissen..."

Herr Yamada, der bis heute noch Hauptkommissar war, wiederholte die Erzählungen seiner Untergeordneten bis ins Detail, so dass Ryochi ihm gewissenhaft lauschte. "Wenn ich das richtig sehe, sind alle gleich verdächtig und keiner hat ein brauchbares Alibi. Und da es keine Spuren gibt, muss man eben anders an die Sache rangehen. Überlassen Sie mir mal die Zeugen, ich werde ihnen etwas auf den Zahn fühlen."

Ryochi sah sich die Personen etwas genauer an, wobei er bei Shuichi Akai hängen blieb. Sein gesamtes Auftreten sagte ihm, dass der Kerl unmöglich eine reine Weste haben konnte, also nahm er sich vor, dem Kerl jetzt eine Weile auf die Nerven zu gehen. "Sie sind also Shuichi Akai, 25 Jahre alt, FBI-Agent, richtig soweit?" Der Detektiv ließ eine gewisse Härte in seine Stimme fließen, um ihn etwas zu provozieren und dazu zu verleiten, dass er leichte Panik bekam. Leute, die etwas zu verbergen hatten, wurden meist nervös, wenn man sie durchdringend ansah, so wie er gerade, und ihnen zukommen ließ, dass man sie verdächtigte.

Der Mann gab einen schnippischen Laut von sich und verzog seine Lippen zu einem hämischen Grinsen. "Du bist doch noch grün hinter den Ohren, Kleiner, dir sage ich garantiert nichts!" Seine dunkle Stimme hatte etwas furchteinflößendes, was Ryochis Annahme nur bestätigte. Kôji allerdings zerrte an Ryos Jacke, da es ihm gar nicht passte, was er da tat. "Du verdächtigst einen FBI-Agenten? Einen Gesetzeshüter? Fang mal bei der älteren Dame an, die ist Chemikerin, immerhin wurde das Opfer vergiftet!"

"Du darfst mir helfen, Miura, die Zeugen überlässt du aber brav mir, klar? Und der da ist ziemlich verdächtig, also fange ich eben mit ihm an. Es ist oft nicht so, wie es auf den ersten Blick scheint. Keine Sorge, ich lasse keinen aus, darauf kannst du Gift nehmen." Man, war der schon wieder arrogant, kein Wunder, dass Sêiichî sein bester Freund war, so ein Macho passte zu dem Detektiv, der seine Klappe so verdammt weit aufriss.

"Wenn mir was nicht in den Kram passt, Akaja, mische ich mich ein, nur damit das klar ist." Oh Gott, was hatte er sich da nur für eine Nervensäge angelacht? Der war ja bald nicht mehr zum Aushalten. Was hatte Kôji überhaupt mit diesem Akai zu schaffen? "Hören Sie mir mal zu, Akai, Sie machen sich nur verdächtig, wenn Sie schweigen. Ich gehöre, ob es ihnen passt oder nicht, zur Polizei von Tokyo, also reden Sie schon, wenn Sie keinen Ärger riskieren wollen." Wie dieser Typ seinen Cousin anbluffte, das war doch die Frechheit schlechthin. Jedoch beließ es Kôji jetzt bei einem widerspenstigen Blick. Mal sehen, was er so ausgraben würde, das fand der Nachwuchsdetektiv nun doch interessant. Wenn er Fehler machte, darauf wartete Kôji quasi schon, würde er ihn korrigieren, dann konnte dieser Großkotz nicht mehr so angeben, wie bisher.

Shuichi bemerkte die empörten und verärgerten Blicke der Polizisten, weswegen er seufzte. "Ja, hast du richtig erkannt, ich bin Shuichi Akai, 25 Jahre alt und beim FBI", meinte der Mann in einem lustlosen Ton, da man ihm auf die Nerven ging. "Ja, und nun erklären Sie mir doch mal bitte, wieso Sie ausgerechnet zu der Frau gegangen sind, um Geld zu wechseln...? Hätte sie Sie sonst nicht reingelassen, wenn Sie ohne Grund gekommen wären, oder wie sieht es aus? Ich will alles über ihr Verhältnis wissen, jedes mickrige Detail!" Es missfiel Shuichi natürlich wie der junge Detektiv mit ihm redete, als würde er ihn bereits für den Täter halten, also musste er sich verteidigen. "Nein, sie hätte mich reingelassen. Aber da ich sie sowieso besuchen wollte, habe ich sie eben um Wechselgeld gebeten. Ist das so ungewöhnlich? Wir gingen in dieselbe Klasse, waren Freunde, ich hatte keinen Grund ihr was anzutun, außerdem musst du erst mal das Gift finden, mit dem man sie ermordet hat! So war es doch? Der Hauptkommissar hat dir doch gesagt, dass es Giftmord war, oder? Dann geh mal schnüffeln, ich wurde von oben bis unten durchsucht, wo sollte die Mordwaffe wohl sein? Laut der Zeugenaussage, war ich nicht draußen und hätte das Gift nicht verschwinden lassen können, also? Was willst du mir da jetzt anhängen, Kleiner!?" Ein Lachen kam über den FBI-Agenten, denn er nahm diesen Jungen schlichtweg nicht für voll.

Ryochi lächelte wissend und sah dem Mann mit einem bohrenden Blick in die Augen. "Sie sind Kettenraucher, nicht wahr? Ich kann es riechen! Darf ich ihre Schachtel Zigaretten sehen?"

"Wie bitte?"

Seufzend gab der Schwarzhaarige sich geschlagen und reichte, nachdem er sich gefangen hatte, die Schachtel an Ryochi weiter. Dieser betrachtete die Zigarettenmarke genaustens und machte sich ein Bild von dieser. Er schaute sogar hinein und prägte sich ihr Aussehen ein, bevor er es auf einen Tisch legte und in eine Tüte verpackte. "Beschlagnahmt! Inspektor, lassen Sie das bitte nach Giftspuren untersuchen."

"Wie lächerlich", Akai musste über den Detektiv lachen, der dachte, er könnte die Frau mit einer Zigarette vergiftet haben. Er ließ von Kôjis Cousin ab, obwohl der 16-jährige noch immer eine ziemliche Wut im Bauch hatte, da er ihm was anhängen wollte. Als nächstes ging er zu einem jungen Mann hinüber, der in etwa in Shuichis Alter war. "Was für ein Zufall, ein Exmörder als Tatverdächtiger. Leeren Sie bitte ihre Taschen und hoffen Sie darauf, dass man nichts bei ihnen findet, an dem Gift nachgewiesen werden kann."

Was für eine Unverschämtheit! Der Mann knurrte leicht, zog seine Jacke aus und warf sie in Ryos Richtung. Empört fing der Braunhaarige sie auf und leerte den Inhalt auf dem Tisch aus. Er hatte ebenfalls Zigaretten, allerdings eine andere Marke, einen Schlüsselanhänger, Traubenzuckerbonbons und ein paar Konzertkarten.

Ein Seufzen entfuhr dem Blauäugigen, schließlich war es möglich mit all diesen Sachen einen Giftmord zu begehen. Diese wurden ebenfalls in Beutel gepackt, während er sich wieder dem Horrorschriftsteller zuwandte. "Wie gut kannten Sie sich eigentlich?"

Kôji war nun ganz still und ließ Ryochi machen, schließlich war dieser Mann hier dafür bekannt, dass er ein Mörder gewesen sein sollte, auch wenn man den Medien nicht alles glauben sollte, er hasste Reporter, die alles aufbauschten.

"Yura Niihama war die Frau, welche die Geschichte über meinen angeblichen Mord schrieb und veröffentlichen ließ. Ich gebe ja zu, ich habe ein astreines Motiv, aber ich war es nicht. Ohne Beweise kannst du gar nichts tun. Nur zu... zieh mich doch gleich ganz aus, damit du auch nichts übersiehst." Der Mann breitete die Arme aus, so dass Ryochi ein Seufzen von sich gab. Man, war der aber bissig. Er wollte doch nur alles wissen, um Missverständnisse auszuschließen.

"Dazu wird es erst kommen, wenn das Mordinstrument nicht auftaucht, also keine Panik, Otaké-san."

"Ryooo~!" meinte jemand hektisch, stürmte auf diesen zu und blieb bei ihm stehen. "Ich war gerade im Präsidium und hab mitbekommen, dass du hier bist. Was ist hier denn los?"

Schlagartig verfinsterte sich der Ausdruck des Schriftstellers, als er diese Person am Tatort ankommen sah. ,Der hat hier jetzt gerade noch gefehlt.'

Der Detektiv schüttelte den Kopf und musterte seinen Freund prüfend. "Du gehörst eigentlich noch immer ins Krankenhaus, Sêiichî Iwamoto! Hast du es mal wieder nicht ausgehalten?"

"Das sagt der Detektiv, der es dort nie länger als eine Woche aushält. Mir geht es blendend, ich bin nur zu schnell gelaufen." Der 17-jährige wischte sich demonstrativ den Schweiß von der Stirn.

"Ist ja gut, Freundchen, du kannst mir helfen, aber überanstrenge dich nicht." Ryochi ärgerte seinen Freund ein wenig, so war es ziemlich oft, wenn einer von ihnen einfach aus dem Krankenhaus ausbrach. "Ich hab mir alles notiert, Sêi-chan, du kannst dir meine Notizen ja schnell reinziehen, dann weißt du am schnellsten Bescheid..." Sêiichî nahm den Notizblock und entdeckte genau zwei Namen, die ihm schon bekannt waren. "Ein Giftmord also, ich habe einen Verdacht..."

"Ich weiß, die Chemikerin, nicht wahr, Sêiichî?" Ryochi hatte in diese Richtung ebenfalls gedacht, es wäre immerhin möglich, auch wenn das wohl alle denken würden, wenn man eine Chemikerin verdächtigte. "Sie ist verdächtig, aber den anderen wäre es auch möglich gewesen", flüsterte er seinem um ein Jahr älteren Freund zu.

"Ja, die Zigaretten vergiften, was?" Ryochi nickte. "Es könnte auch die Verlobte von Otaké gewesen sein, wir sollten ihre Sachen auch mal inspizieren. Die hat sicher einen Lippenstift bei sich, so wie die aussieht..." Ein Schweißtropfen lief über die Wange des Jüngeren, als er Shiyako Kiuchis Äußeres andeutete. "Was hast du denn wieder? Mir gefällt das!" Sêiichî zog einen Schmollmund und legte einen trotzigen Ton in seine Stimme.

"Igitt, die ist doch in den Schminkkasten gefallen..." Der Braunhaarige seufzte und ging dann auf die junge, hübsche Frau zu. "Jetzt zu ihnen, meine Liebe", meinte Ryochi freundlich, wobei er sie auch anlächelte und ein wenig seinen Charme spielen ließ, so würde das sein Bruder machen...

Die Schwarzhaarige wollte sich ja eigentlich auf den Jungen konzentrieren, sah dann aber Sêiichî, blickte ihn böse an und ging auf ihn zu, woraufhin man einen Knall hören konnte.

"Du kleiner Mistkerl, dass du die Frechheit besitzt in meine Richtung zu gaffen. Machst du ja wohl bei jeder! Erst Yûsukes kleine Schwester, als die dann öde war, kamst du zu mir und zu Yakko! Denkst du, das lasse ich auf mir sitzen?"

Man, war die aber sauer, was hatte sein Freund denn da schon wieder angezettelt? Also wirklich, ständig begegneten sie irgendwelchen Frauen und Mädchen, die er schon mal angefasst hatte. Da bekam man ja richtig Angst. "Nett, dich wieder zu sehen, Shiya-chan, ist ja schon fast ein Jahr her." Er tat noch immer freundlich, immerhin hatte er die Ohrfeige wegen ihrer Freundin wohl verdient. "Tut mir Leid, bei solchen schönen Frauen, wie ihr es seid, kann ich nun mal nicht widerstehen." Ryochi versank derweil im Boden, der blamierte ihn ja wohl bis auf die Knochen.

"Nenn' mich noch einmal Shiya-chan, Sêiichî Iwamoto und du landest am Boden, haben wir uns verstanden, du kleiner Macho?!" Sie war sauer, was der sich rausnahm war ja auch ungeheuerlich.

Wie bissig die sonst so ruhige Frau werden konnte, verwunderte Sêiichî jedes Mal, doch genau so etwas brauchte er - ein Miststück. Er wäre nicht abgeneigt gewesen, wieder etwas mit der Schwarzhaarigen zu haben.

"Du kriegst wohl echt nie genug, was, Iwamoto?" meinte der schwarzhaarige Mann an Shiyakos Seite, was Sêiichî ein Seufzen entlockte, er hatte allerdings nicht vor, ihn zu verpfeifen, immerhin hatte der Kerl versucht, ihn zu erschießen. Außerdem war ihm ja nun klar, dass sie mit ihm verlobt war, es war daher besser, wenn er sie zufrieden ließ, sonst würde der 25-jährige noch ausrasten. Dass er ihn hasste, war Sêiichî ja jetzt klar. "Unwichtig, wir wollen hier einen Fall untersuchen, also, hätten Sie die Güte, ihre Taschen zu leeren, Frau Kiuchi?" meinte Ryochi, so dass sie, widerwillig zwar, ihre Jacke auszog, die Taschen ausleerte und ihre Handtasche an Ryochi weitergab.

Während dieser sich um die Sachen kümmerte, verschwand Sêiichî zu einer älteren Frau, die ihm nicht unbekannt war, auch wenn es ihm schwerfiel. So verrückt es klingen mochte, sie war seine Großmutter, er wollte ihr nun etwas auf den Zahn fühlen.

Kôji bemerkte, dass Sêiichî still und heimlich zu der Frau gegangen war, und versteckte sich etwas hinter Polizisten, um zu lauschen.

"Hey, Großmutter", meinte der 17-jährige etwas patzig und ziemlich unfreundlich - aber nicht seine Tonlage schockte Kôji, nein, viel eher die Identität der Frau.

Ryochi bekam von alldem nichts mit, da er zu sehr mit der Handtasche von Shiyako beschäftigt war. Wie erwartet, fand er dort Schminke, darunter ein Lippenstift, Lidschatten, Feuchtigkeitstücher und Puder. ,Die trägt ja allerhand mit sich rum.' Er ließ alles in einen Beutel fallen und übergab diesen der Spurensicherung, er war ja jetzt schon gespannt, ob irgendwo Gift nachgewiesen werden konnte.

"Ich geh dann mal das Zimmer unter die Lupe nehmen", meinte er zu Yamada, welcher nickte, so dass Ryochi nach oben verschwinden wollte, dann aber bemerkte, dass Kôji bestürzt aussah, weil er wohl irgendetwas mitbekommen hatte. Was war da denn jetzt bitte los? Der Detektiv machte einen Abstecher zu Kôji und Sêiichî, so dass er noch etwas entscheidendes mitbekam. "Was hast du, mein Junge?"

"Lüg mich jetzt ja nicht an! Was tust du hier und warum? Raus damit!"

,Mein Junge? Wie meint sie das?...' Ryo war doch sehr neugierig, er kannte die Frau nämlich nicht, er sah sie heute das erste Mal. Er wollte jetzt lieber wie Kôji eine Runde schnüffeln, da bekam man vielleicht mehr heraus, als würde man ihn fragen.

"Sêi-chan, Sêi-chan. Du musst nicht alles wissen", sie wuschelte ihm durch die Haare, was ihm einen mürrischen Blick gab. "Hör auf damit, ich bin kein Baby mehr!"

"Du bist immer noch mein Enkel", meinte sie mit einem Lächeln, aber das ließ Sêiichî ziemlich kalt, obwohl dieser sehr an seiner Familie hing. "Geh doch Takeshi im Gefängnis besuchen und lass mich zufrieden. Wenn du mir jetzt nicht endlich sagst, was du hier verloren hast, werde ich das der Polizei sagen! Wäre ja möglich, dass du einen Mord begangen hast, passt ja zu dir! Oder etwa nicht?!" Er sagte es ziemlich laut und provokativ. Was hatte er seinem besten Freund denn nun wieder nicht erzählt? Das interessierte den Detektiv nun doch. "Ganz ruhig, Sêiichî", meinte Ryochi, der sich ihm genähert und ihn etwas von der Frau weggezogen hatte, da er fand, dass sich der 17-jährige zu sehr aufregte. "Erklär mal, was du damit gemeint hast. Du verdächtigst deine Großmutter?!" Ja, es schockte ihn ein wenig. "Aber wieso? Das interessiert mich am meisten!"

Sêiichî gab ein genervtes Seufzen von sich. "Diese Frau hantiert tagtäglich mit Gift herum, vielleicht ist die mit Schuld, dass mein Vater verschwunden ist! Sie ist nicht ganz dicht, wie Takeshi, den fand sie ja schon immer toll! Erzähl's ihm ruhig, wie viele Leute du auf dem Gewissen hast! Na los doch, sag es!" Sêiichî wurde lauter, mit ihm gingen wohl gerade die Pferde durch. "Erzähl doch am besten gleich, dass Vater wegen eines Experimentes beinahe umkam! Wir warten, oder hat es dir die Sprache verschlagen?!"

Jetzt war es aber genug, die Frau holte aus und schlug ihrem Enkel mitten ins Gesicht. "Du ungezogenes Balg! So redet man nicht mit der Großmutter! Kein Wunder, dass deine Mutter immer geweint hat, wenn es um dich ging, du Flegel! Dich zu erziehen, hat sie stets fertig gemacht! Du musstest dich ja immer mit Takeshi zoffen! Dass ihr euch nicht vertragen konntet, hat sie schließlich umgebracht! Um sich selbst zu trösten, hat sie die Heldin gespielt und wurde dafür abgeknallt!" Alle schwiegen für einen Moment, waren zu geschockt.

Sêiichî hatte wirklich Pech mit seiner Familie. Jetzt nahm die Takeshi in Schutz, das war nicht mehr normal. "Hören Sie, er konnte nichts dafür, dass sie sich stritten, suchen Sie besser die Schuld bei seinem Bruder, der ihn ständig quälen wollte!"

"Unverschämtheit, wer bist du überhaupt? Herr Hauptkommissar, würden Sie bitte diese Kinder hier wegschaffen? Die haben hier nichts verloren!"

"Ich bin der Sohn des Polizeipräsidenten und darf mich hier aufhalten, Frau Erisawa!"

"Das ist mein bester Freund, also behandle ihn nicht so herablassend, verstanden? Dazu hast du nicht das Recht!" meinte Sêiichî, während er nun nicht mehr wütend, sondern verletzt klang und seiner Großmutter nicht mehr in die Augen sah. "Etwa Akaja?"

"Was dagegen?" gab der 17-jährige zurück und klang mehr als nur empört.

"Herrje, du fliegst also immer noch bei dieser Familie rum. Du weißt genau, dass die Iwamotos sich mit den Akajas nicht vertragen. Wenn dein Vater das wüsste, wäre aber der Teufel los."

Es reichte Sêiichî jetzt. "Hör auf, so über diese Leute zu reden, die sind mehr meine Familie, als ihr es je wart. Außerdem kennst du sie nicht persönlich, Mutter hat bloß zuviel geredet, dabei hat die ja selbst keine Ahnung! Und Vater schon gar nicht, der hatte zuviel mit seinen Forschungen zu tun, als dass er sich für so etwas interessiert hätte."

"Du weißt genau, dass dein Vater sich gewünscht hat, dass du in seine Fußstapfen trittst, stattdessen hängst du bei der Polizei rum, als wenn es von denen nicht genug gäbe. Die können doch nichts, deswegen machen sie so was. Wir Wissenschaftler machen viel mehr für die Welt." Oh Gott, Sêiichî drehte sich der Magen um. "Ja, Leute opfern, oder Ratten, wie?"

"Diese Leute können keine Kinder erziehen, vielleicht bist du deswegen so unverschämt?! Schau dir doch nur mal Yuichi Akaja an. Der haut doch glatt einfach von zu Hause ab. Da sieht man, wie unfähig Takeshi Akaja ist. Der findet nicht mal seinen ältesten Sohn. So einer ist der Polizeipräsident von Tokyo und so einer soll dein Vorbild sein? Dann wirst du mal genauso sinnlos!"

"Sinnlos?" Das war ein starkes Stück. Sêiichî kochte vor Wut. "Weißt du was? Halte einfach deine Klappe, du hast gar keine Ahnung, was los ist." Er lächelte zu Ryochi. "Ich mach das schon, geh du mal das Zimmer untersuchen, ja?"

Jetzt wollte er ihn loswerden, weil er dachte, er würde dieses Thema nicht verkraften?

Kôji blickte zwischen den Personen hin und her. Was war das bloß für ein Haufen?

"Die beleidigt meine Familie und ich soll gehen? Vergiss es!" Er sah der Frau in die grünen Augen. "Reden Sie nicht so über meine Familie, Sie kennen uns doch gar nicht und wissen auch nicht, was mit meinem Bruder passiert ist. Vielleicht lebt er nicht mehr, weil Leute wie Sie uns hassen?!"

"Ein anständiger Gesetzeshüter hätte ihn beschützt... Ich glaube ja eher, Yuichi hatte keine Lust mehr und hat das Weite gesucht!" Sêiichî konnte unmöglich zulassen, dass sie diesen jungen Mann so in den Schmutz zog, also zeigte er einen fast schon verhassten Blick, bevor er sie anbrüllte. "Halt den Rand, aber sofort! Er hat alles dafür getan, um ihn zu finden! Yuichi würde nie einfach so seine Familie verlassen! Vielleicht hatte er Probleme und wollte uns alle raushalten, das würde eher zu ihm passen, aber weil du keine Ahnung hast, redest du Müll! Rede nicht über Leute, die du nicht kennst! Du bist doch bloß sauer, weil Yuichi Takeshi mal die Nase brach, dabei war der Idiot selbst schuld, immerhin ging er mit dem Messer auf ihn los! Dein Liebling hat ihn vielleicht auf dem Gewissen, wenn das so ist, soll er sein Leben lang im Knast sitzen, dafür werden wir schon sorgen, sollten wir derartiges rauskriegen..." Der Detektiv sah jetzt zur Seite, ebenso wie Kôji, der fand, dass Sêiichî ja ganz schön Temperament hatte. "Vielleicht kille ich ihn auch eines Tages, wenn er wieder andere Menschen quälen will." Die Worte kamen nun doch ziemlich deprimiert und leise von ihm, das musste immerhin nicht jeder hören. "Ich will immer noch Polizist werden und die beschützen andere. Wenn ich einen unschuldigen Menschen retten kann, indem ich Takeshi erschieße, dann werde ich das tun!"

"Was ist bloß für ein herzloser Mensch aus dir geworden, Sêiichî?!"

Was für eine dämliche Frage, Kôji konnte es nicht fassen. Die Tante war ihm unsympathisch, außerdem verstand er nicht so recht, wer hier noch Takeshi hieß, er bekam nur die Hälfte mit, da er sich mit Sêiichîs Bekanntenkreis nicht auskannte.

"Du würdest deinen Bruder töten?" fragte Ikuko, seine Großmutter. Schweigen erfüllte die Runde.

"Echt, das würdest du? Hast du aber 'ne Macke, Iwamoto!" Kôji seufzte wehleidig, für ihn gab es keine Rechtfertigung für Mord.

Ryochi hatte ganz andere Probleme, Sêiichî hatte Dinge gesagt, die er so bisher noch gar nicht bedacht hatte. ,Das wäre der Oberhammer, wenn sein Bruder mitgewirkt hätte und er deswegen weg ist. Wenn das so ist, wird er sich ewig schuldig fühlen. Ich sollte mit diesem ewigen Selbstmitleid aufhören. Sein Bruder ist ein Arschloch...'

"Ja, ich würde ihn töten, aber nur aus Notwehr. Er hasst mich... das tat er immer. Aber ich... ich hasse meinen Bruder nicht, wie könnte ich denn?" Sêiichî schluckte jetzt. "Wenn ich Polizist werden will, darf ich auf Verwandte keine Rücksicht nehmen, so sieht es aus, deswegen bin ich nicht herzlos. Takeshi ist herzlos, nicht ich, das hast du wohl noch nie bemerkt. Er ist wohl am meisten sauer, weil ich schlauer als er bin. Vater hat nie in Erwägung gezogen, dass er sein Nachfolger werden könnte. Das Einzige, was der Kerl zu können scheint, ist anderen wehtun. Der hat einen Dachschaden."

,Jetzt zitiert er schon wieder meinen Bruder, nicht zu glauben.' Ryochi schloss die Augen, diese Situation belastete ihn. Oft, wenn er an ihn und sein Verschwinden dachte, lag er lange nachts wach und wenn er dann einschlief, hatte er Albträume, in denen sein Bruder brutal umgebracht wurde. Das war sogar schon seit Jahren so, seit damals, als er spurlos verschwunden war und sich nur ab und zu gezeigt hatte. Und doch bemühte er sich hier nichts davon zu zeigen, was ihm schwerfiel, schließlich war er als Detektiv anwesend. Solche Leute mussten ihr Herz verschließen, sonst wurden sie noch angreifbar.

"Takeshi ist nicht mehr mein Bruder, so einer kann unmöglich mit mir verwandt sein. Ich wünschte mir, ich wäre nie geboren worden, und wenn, dann will ich Eltern wie die Akajas. Aber das kann man sich ja nicht aussuchen, leider..."

"Wach auf, die sind schuld, dass du mit gewissen Verbrechern Ärger hattest."

Woher wusste die denn so gut Bescheid? Welcher Arsch hatte denen das bloß erzählt? Seltsam... Sêiichî wurde misstrauisch. Es gab nicht allzu viele Leute, die wussten, weswegen er damals angeschossen worden war. "Was ist, Ryochi Akaja, warum schweigst du nun?"

"Es reicht!" brüllte Sêiichî die Frau an. "Lass ihn zufrieden! Es war nicht seine Schuld!" Der 17-jährige konnte ziemlich aus der Haut fahren, wenn man versuchte seinem Freund wehzutun, genau das versuchte sie doch gerade. "Nein, ich lasse ihn nicht zufrieden, immerhin wurdest du seinetwegen niedergeschossen! Denkst du echt, das hat man einfach vergessen? Dein Vater ist immer noch sauer deswegen. Wenn der wüsste, dass du immer noch bei ihnen bist, ich sage dir, der würde ausflippen."

"Pah, dann soll er doch mal wieder auftauchen, guter Witz." Sêiichî seufzte. "Mir reicht's jetzt, lenk nicht ab und sag mir, was du hier verloren hast, wir wollen hier ermitteln, und nicht über Familiendinge diskutieren."

Um die Ecke standen die drei Kriminalisten und fragten sich, was da überhaupt los war. "Wissen Sie, was da los ist?"

"Ja, die Frau ist Iwamotos Großmütterchen. Scheint so, als wenn die sich nicht gerade mögen", sagte Yamada, der sich das nicht mehr geben konnte. "Gehen Sie schon hin, Megure und reden Sie Klartext mit der Frau. Die Jungs sind hoffnungslos mit dieser Ziege überfordert."

,Eine Ziege also, hoffentlich hat die das nicht gehört, das ist nicht mein Tag.' Megure gab ein Seufzen von sich und ging dann zu den Herrschaften hin. "Iwamoto hat Recht, zählen Sie doch mal die Gründe auf, weswegen Sie hier waren und was genau Sie in dem Zimmer getan haben. Keiner glaubt, dass Sie einfach so da waren. Woher zum Beispiel kennen Sie die Reporterin? Wie ist ihr Verhältnis? Wir sind ganz Ohr."

Wie schön, dass man die jetzt auf dem Kieker hatte. Sêiichî gab dem Inspektor den Notizblock. "Schreiben Sie bitte auf, was Sie sagt, wir gehen mit ein paar Leuten von der Spurensicherung nach oben." Der 17-jährige schnappte sich ein paar Handschuhe, zog sie sich an und schnappte sich dann Ryochi. "Los komm, nur weg von ihr, bevor ich ausraste."

"Bist du doch schon", sagte der 16-jährige kleinlaut, so dass Sêiichî sich zu allem Überfluss noch schuldig fühlte. "Nachdem, was sie sagte, wundert es dich da noch? Wie konntest du bloß so ruhig bleiben?"

"Uns mit ihr vor der Polizei zu streiten, macht einen schlechten Eindruck. Ich finde es nur beschissen, dass Kôji jetzt zuviel weiß. Das alles geht den nichts an. Ich musste ihm schon sagen, dass ich Chardonnay suche, dann das."

"Mach dich bloß nicht runter, die war noch nie normal. Sie hat ja auch zwei uneheliche Kinder. Und Kôji, der ist nicht so falsch, wie du denkst. Akemi wird schon wissen, was sie an ihm hat, ist doch so, oder nicht? Sie sieht nicht aus, als wenn sie sich in Schwachmaten verliebt, also." Sie kamen bei der Suite an und öffneten die Tür zu dieser, woraufhin sie eintraten und sich erst mal in dem kleinen, hübschen Zimmer umschauten.

Ryochi entdeckte einen Aschenbecher und schaute sich die Zigarettenstummel genau an. "Otakés Marke", sagte er und holte die einzelnen Zigaretten aus dem Aschenbecher. "Sie hat geraucht, da ist Lippenstift dran." Er überließ den Aschenbecher schon mal der Spurensicherung und blickte sich weiter um. Sêiichî hatte derweil den Schrank geöffnet und wühlte darin. "Mhm, die muss süchtig sein. Ein 1970er Chardonnay und zwei Pinot Gris aus dem Jahre 1974." Ryochi seufzte kurz. Musste diese Frau denn Chardonnay mögen? Da kamen bei ihnen die schlimmsten Erinnerungen auf. In einem Papierkorb fanden sie auch ein Tütchen von aufgebrauchtem Traubenzucker. Ein Mann von der Spurensicherung schaute sich die Spuren in diesem an und bemerkte sofort, dass es sich dabei nicht um Traubenzucker handelte. "Koks. Das auch noch." Sêiichî warf Ryochi einen Blick zu. Die beiden wagten sich nun an die Leiche und betrachteten sie genauer. "Sie hat das Zeug tatsächlich genommen. Alkohol hat sie auch getrunken, es war der Chardonnay."

"Sêiichî, bitte, ja?" Sie waren hier zusammen mit Erwachsenen, die sicher hellhörig werden würden, wenn sie bemerkten, dass sein Freund sich so gut mit Alkohol auskannte.

"Sie trägt den gleichen Lippenstift, den Shiyako trägt, bemerkt?" Ryochi rollte mit den Augen, allerdings hatte er das auch schon bemerkt. "Ja, ich bin gespannt, was die Spurensicherung sagt..." Er warf den beiden Männern einen Blick zu und wartete auf deren Antwort. "Es gibt Spuren von Gift an ihrem Mund und an den Zigaretten..."

"Mhm... warten wir ab, bis die da unten auch fertig sind. Ich schließe nicht aus, dass sie das Zeug nahm, nachdem sie sich geschminkt hat. Wenn sie dann rauchte..."

"Schon verstanden, Ryo, ich verstehe nur nicht, wieso sie das tun sollte. Es sei denn, sie arbeitet mit ihm zusammen, aber das glaube ich irgendwie nicht. Noch dazu stellt sich mir die Frage, wo sie das Gift herhaben. Vielleicht von Ikuko? Und wenn, man es doch gar nicht nachweisen, oder hast du schon eine Idee, Ryo?"

"Ideen habe ich erst, wenn feststeht, wie sie das Gift zu sich nahm..."

"Ein paar Fingerabdrücke als Beweis könnten auch nicht schaden", meinte Sêiichî, schließlich hatte die Spurensicherung nichts dergleichen erwähnt.

"Die hat hier nichts angefasst..."

Ryochi schüttelte nur den Kopf und ging zum Bett hinüber. "Ach herrje..." Das war jetzt doch echt zuviel des Guten. "Komm her, Sêiichî... solche Flecken hast du sicher schon mal gesehen, oder?" Da konnte ihr kleiner Experte ja mal seinen Senf zu abgeben.

"Ui, da hatte jemand vor seinem Abgang aber noch mal Spaß, wie es scheint."

"Fragt sich nur, mit wem, Sêiichî. Das hat keiner von denen erwähnt, wer weiß, was dabei noch rauskommt. Vielleicht war's Otaké und seine Freundin war eifersüchtig. Da hätten wir zumindest ein Motiv, aber abwarten, wir werden ja sehen..."

"Da kann alles mögliche gewesen sein... Vielleicht wollte er sie dazu bringen, irgendeinen Artikel zurückzuziehen? Sie hat den Kerl ja schon mal in die Pfanne gehauen. Also, wenn ich Sex mit einer hatte, würde ich mich doch nicht über sie aufregen, das passt doch gar nicht zusammen."

"Och, ich denke, das kriegen manche Leute auch noch hin. Auch wenn man etwas miteinander hatte, ein Streit kann schnell ausbrechen, wenn einer von den beiden etwas tut oder sagt, was dem anderen nicht passt, oder etwa nicht, du Experte?" Ryochi musste seinen Freund jetzt etwas ärgern, immerhin gab er hier maßlos an. Er dachte immer, er wüsste alles am besten, also kam der Jüngere nicht drum herum, ihn deswegen aufzuziehen.

"Hier ist nichts besonderes mehr, oder?" Der Angesprochene schüttelte nur den Kopf und zog Sêiichî hinter sich her. Die beiden verließen zusammen mit der Spurensicherung das Zimmer und gingen nach unten, wo gerade heftig diskutiert wurde.

"Ich bin nicht aus dem Zimmer gegangen! Sie können mir nichts nachweisen! Keiner hat mich draußen gesehen, weil ich eben nicht draußen war", meinte Shiyako seufzend, sie war es leid, dass man ihr unterstellte, sie sei die Täterin. "Beruhige dich doch, Shiyako", versuchte ihr Verlobter sie zu beruhigen. "Jeder weiß, dass die Chemikerin das Gift bei sich hat, also brauchst du keine Angst haben, die werden Sie sicher überführen."

"Unverschämtheit! Ich habe kein Gift bei mir! Nur, weil ich Chemikerin bin, bin ich noch lange nicht dieser Giftmörder! Hören Sie auf, mir das zu unterstellen, das ist Rufmord!"

"Darf ich Sie für einen Moment unterbrechen?" fragte Ryochi, so dass sich Yamada zu ihm herumdrehte. "Und, was gefunden?"

"Ja... Zigaretten, mit Lippenstift- und Giftspuren. Wie sieht's aus? Sind die Zigaretten vergiftet, oder... ist es der Lippenstift...?"

"Keins von beiden, Akaja-san", erwiderte Megure bestürzt, so dass auch Sêiichî das Gesicht verzog. ,Dann sieht es schlecht für eine Überführung aus... was machen wir denn jetzt?'

"Tja, sie hat aber vergiftete Zigaretten geraucht, genau die Marke, die Otaké hat... Das Gift haftet an ihnen. Irgendwie muss es ja dahin gekommen sein. Sie wird sich wohl kaum absichtlich vergiftet haben. Es muss entweder vom Lippenstift kommen, den sie benutzte, oder sie hat vorher Gift zu sich genommen...", meinte Sêiichî und schaute zu seiner Exfreundin hinüber. Eigentlich verdächtigte er sie ja nicht, sondern ihren tollen Verlobten, der vor kurzem versucht hatte, ihn loszuwerden, doch sicher sein konnte man nie. "Dann sollten sie die nähere Umgebung absuchen, vielleicht findet man ja noch etwas brauchbares", ordnete Tanaka an, so dass Sêiichî zu seiner Verwandten rüber ging. "Was hat sie eigentlich bei sich?"

"Kaugummis, ein paar Ringe, Schminke, Taschentücher und Schmerztabletten."

"Na toll." Das brachte sie jetzt auch nicht weiter. "Übrigens... lassen Sie mal den Traubenzucker untersuchen, wir haben was gefunden. Das Papier, indem er eingewickelt war,... da wurden Spuren von Koks gefunden." Ryochi fand das jetzt wichtig, weswegen er es dem Hauptkommissar sagte. "Das will ich jetzt genauer wissen..." Er ging zu Otaké hin, der einen leichten Schweißausbruch erlitt. "Ihnen ist klar, dass es verboten ist, solches Zeug an andere weiterzugeben, das nennt man auch Dealen, dafür kann man sie belangen."

"Man, dann machen sie das doch..." Der Mann tat, als würde ihn das nichts angehen.

"Na, da wären wir doch mal bei meinem Grund, nicht wahr, Otaké-san?"

Sêiichî blickte zu seiner Großmutter hin, die soeben das Wort ergriffen hatte. "Sie kriegen noch Geld von mir... Mit dem Zeug kann man viel klarer denken."

Bitte was? Na, die hatte doch wohl einen Vollschuss? Sêiichî konnte nicht fassen, dass sie so etwas tat.

,Muss die jetzt labern?' Es passte dem Mann nicht in den Kram, dass sie das tat. Sie machte das sicher nicht ohne Grund. Da steckte etwas dahinter.

"Na, ihr beiden", meinte Kôji zu Sêiichî und Ryochi, so dass diese ihn verwirrt musterten. "Lass mich raten, Miura-kun, du willst wissen, was wir wissen, he?" grinste Sêiichî frech, so dass man ihm einen Halbmondaugenblick schickte. "Wie witzig, Iwamoto! Mich interessiert eher, wieso du hier mitermitteln darfst und wieso ihr mich habt stehen lassen! Dass Akajas Söhnchen mitmachen darf, verstehe ich, aber Sêiichî?"

"Er ist fast schon mein Bruder, wenn du verstehst. Als wir noch in Kyoto gewohnt haben, hat er bewiesen, wie fähig er als Ermittler ist, also halt den Mund, Miura! Du hast nämlich keine Ahnung, wovon du da redest." Ryochi konnte es nicht leiden, wenn man auf seinen Freund losging, nur weil man neidisch war, immerhin war das bei Kôji der Fall. Er war neidisch und zwar auf sie beide. Das erinnerte den Detektiv viel zu sehr an Toshizo und Takahashi...

Währenddessen zofften sich Sêiichîs Großmutter und Otaké ziemlich heftig. "Ich war's nicht!"

"Das glaubt dir keiner, die wollte wieder eine Story über dich schreiben, und zwar, dass du drogenabhängig bist. Ist das kein Grund, für einen berühmten Schriftsteller, einen Mord zu begehen?" Sie gab ein Lachen von sich, Sêiichî schaute zur Seite und bemerkte die Wut, die Yûsuke wohl gerade beschlich. "Du bist drogenabhängig?" Er hielt sich die Hand vor den Mund. "Seit wann und wieso?" Man war nicht einfach mal so von irgendetwas abhängig, Gründe gab es immer.

"Halt die Schnauze, Iwamoto, das geht dich einen Scheiß an!" fauchte er den Jüngeren an, so dass dieser erst mal schwieg.

"Das wäre dir nicht bekommen, Otaké. Wer kauft schon die Bücher eines drogenabhängigen Schriftstellers?" Die Frau lachte gehässig, so dass seine Verlobte hinging und ihr mit der flachen Hand ins Gesicht schlug.

"Sie dumme Pute, Sie haben es ihr gesagt!" Die Frau war wütend, so dass Sêiichî nach vorne stürzte und sie festhielt. "Beruhige dich doch bitte", meinte er, so dass in Yûsukes Augen ein gefährlicher Glanz aufkam. "Lass meine Freundin sofort los, du Scheißmacho, sonst knallt's!" Ryochi stellte sich zwischen beide und hielt sie davon ab. "Hören Sie jetzt endlich auf damit! Das bringt doch gar nichts! Das ändert nichts!" Yûsuke schaute in Ryochis Augen und erkannte die Aufrichtigkeit in ihnen, was ihn beruhigen konnte. "Ist ja gut", meinte er und seufzte kurz. Sêiichî trennte Shiyako von seiner Großmutter und strafte diese mit einem bösen Blick, da sie zufrieden grinste. "Also doch kein Dealer, was?" Ryochi gab einen schnippischen Laut von sich. "Er hatte trotzdem die Gelegenheit."

"Tze, hör auf ihm was zu unterstellen, wo du ja nicht weißt, ob er es war. Es sei denn, du versuchst ihm was in die Schuhe zu schieben." Halbmondaugen sahen sie an, die ihrem Enkel gehörten. "Ich bin keine Mörderin, auch wenn du das so siehst, Sêi-chan." Sie schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme. "Genichi ist eher ein Mörder, als ich. Er sitzt im Knast, weil er seine Frau mit Gift zum verrecken gebracht hat. Er hat es mutwillig getan." Sie fuhr sich durch die kurzen rotgefärbten Haare. "Genichi hat ja auch einen an der Rassel, kaum zu glauben, dass der mein Onkel ist." Der junge Mann schämte sich im Moment für seine Familie. Wieso musste er zu einer Wissenschaftlerfamilie gehören? Genau das, was Vermouth angeblich ja so hasste, was er durchaus verstehen konnte. Die waren allesamt nicht so ganz normal. Sein Vater forschte zumindest nicht an Menschen, so weit ihm das bekannt war. Sein Bruder hingegen und seine Eltern, die taten es. Vielleicht gehörten die ja zur Organisation? Aber nein, das konnte nicht sein, dann wären sie sicher schon tot.

"Woher wissen Sie das, Kiuchi-san?" fragte Ryochi unscheinbar, so dass ihr ein Schweißtropfen über die Wange lief. "Hat Ihnen das etwa das Opfer erzählt?"

Kôji schaute grinsend zur Seite, der Junge hatte mit großer Wahrscheinlichkeit einen Volltreffer gelandet, mal sehen, wie sie sich rausreden würde.

Sie sah den Detektiv mit einem leichten Lächeln an. "Willst du mir etwa was unterstellen, Kleiner?" meinte sie, so dass er fies grinste. "Beantworten Sie doch bitte meine Frage, das wäre sehr liebenswürdig. Wenn nicht wird man denken, Sie haben was zu verbergen."

Yûsuke schloss die Augen und stellte sich vor seine Verlobte. "Ich habe es ihr gesagt", seufzte er, was Sêiichîs Augen dazu brachte, sich zu weiten. Der wollte mit Sicherheit doch gerade nur seine Verlobte schützen.

"Hör auf, Yûsuke, nimm nicht die Schuld auf dich, du warst es nicht, genauso wenig wie ich." Sie schaute zu der Chemikerin, die noch immer selbstgefällig grinste. "Da kann es ja nur sie gewesen sein, oder nicht, Hauptkommissar?" wollte Shiyako von Yamada wissen.

"Sieht eher danach aus, als hätten Sie die Frau getötet, um ihrem Verlobten zu helfen", gab Megure zurück, auch wenn er noch nicht ganz davon überzeugt war.

"Aber ich war nicht draußen, ich war die ganze Zeit im Zimmer."

"Was keiner beweisen kann", meinte Tanaka und schüttelte den Kopf. "Sie haben ein astreines Motiv. Nächstenliebe."

"Das sind Unterstellungen, ich nehme mir einen teuren Anwalt, dann werden Sie ja sehen, was Sie davon haben. Haltlose Anschuldigungen, ohne jegliche Beweise bringen Ihnen gar nichts."

"Frau Kiuchi", sprach Sêiichî die Frau an und ging zur ihr rüber, was Yûsuke missfiel, jedoch unternahm er diesmal nichts. "Haben Sie Frau Erisawa irgendwann mal gesehen? Und wenn ja, wann?" Sie schaute ihn verwirrt an. "Gestern, wieso?" Er nahm ihren Lippenstift. "Der sieht noch recht neu aus, haben Sie den schon benutzt?" Die Frau schüttelte den Kopf. "Kann es sein, dass Sie Frau Erisawa in einem Café getroffen haben, oder etwas derartiges?" Ryochi zog eine Augenbraue hoch und lächelte ihr zu. "Mit anderen Worten, hatte Sie Gelegenheit an Ihren Lippenstift ranzukommen?"

Alle schwiegen kurz. "Als ich auf der Toilette war... wieso?" Die 24-jährige fragte noch, knurrte dann aber. "Wollen Sie mir etwa was anhängen?"

Megure lächelte sie an und hob beschwichtigend die Hände. "Das hat keiner gesagt." Der Mann sah Sêiichî böse an, der einen Schmollmund zog und davonging, wobei er Ryochis Arm schnappte und ihn von den Kriminalisten wegzog. "Meine Großmutter war's, da besteht kein Zweifel, aber ihr Motiv interessiert mich. Ich weiß nicht, was du denkst, aber..."

"Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, aber ich denke, Shiyako sagt die Wahrheit. Ohne einen Beweis können wir nur keinem von denen was anhängen. Otakés Zigaretten sind clean, da war kein Gift dran, genauso wenig, wie an ihrem Lippenstift. Aber die Frau hatte denselben Lippenstift, also stimmt hier etwas nicht. Ihr Lippenstift wurde nicht benutzt, also hat sie ihn auch nicht abgewischt. Dann würde man Spuren finden. Du denkst, dass man ihr den Lippenstift geklaut hat, oder?" fragte Ryochi.

"Ja... was denn sonst? Sie hat ihr den Lippenstift geklaut und damit unser Opfer vergiftet."

Kôji wandte sich an Shiyako. "War sie bei Ihnen?"

Ryochi drehte sich herum. Wie bitte? Was hatte sein Klassenkamerad da eben gefragt?

Shiyako sah den Jungen verwirrt an. "Wie kommst du darauf, Junge?" wollte sie wissen.

"Weil alle nur fragen, ob es wirklich stimmt, dass Sie nicht bei dem Opfer waren. Da dachte ich eben, das Opfer könnte auch bei Ihnen gewesen sein." Ein unschuldiges Lächeln lag auf den Lippen des 16-jährigen Detektivs. "Ja, jetzt, wenn du fragst, sie war bei mir."

Ryochi nahm Sêiichîs Handgelenk und ging mit mürrischem Blick an Shiyako heran. "Was wollte sie bei Ihnen? Sagen Sie mir, was sie beide da gemacht haben."

"Ich bat sie, den Artikel nicht zu veröffentlichen, aber sie war stur. Sie war eigentlich eine Freundin von mir."

"Und weil sie nicht wollte, sind Sie hin und haben ihr den Lippenstift geliehen, der sowieso vergiftet war, nicht wahr?" Megure sah sie böse an, seiner Meinung nach, war die Sache klar. Ihre Hände zitterten. "Nein."

"Doch, Sie wussten, dass Gift dran war. Sie hat sich damit geschminkt und selbst vergiftet, ohne dass Sie rüber mussten." Nun standen Tränen in ihren Augen. "Ich will meinen Anwalt sprechen, ich werde jetzt nichts mehr sagen." Yûsuke legte einen Arm um sie. "Ich weiß, dass du es nicht getan hast und sie haben keinerlei Beweise", versuchte er sie zu beruhigen und lächelte ihr zusätzlich noch zu. "Danke für dein Vertrauen." Sie schmiegte sich an ihn und schloss die Augen.

Megure knurrte nur kurz und drehte sich weg. "Was jetzt?"

"Müssen wir sie alle wohl gehen lassen, wie es scheint. Es sei denn, wir finden endlich den Beweis." Ein Seufzen entfuhr Inspektor Tanaka. "Die Spurensicherung sucht noch alle Müllcontainer und die nähere Umgebung nach einem Lippenstift und Zigaretten ab, eines von beiden ist ja wohl der Beweis. Wir können diese Leute höchstens bis morgen Abend festhalten."

"Hoffen wir, dass etwas gefunden wird, sonst kommt es als Selbstmord durch." Die Runde schlug die Augen nieder, während sich Ryochi und Sêiichî auf eine Bank setzten. "Unfassbar, wir wissen in etwa, wie es ablief und können nichts tun, als abwarten. Wie ich solche Fälle hasse."

"Du hast Recht, Ryo."

Der Inspektor kam auf die beiden Jungs zu und lächelte. "Ihr solltet nach Hause gehen, es ist schon spät. Ihr habt getan, was ihr konntet. Die Spurensicherung wird den Tatort absperren und wir halten hier Wache. Wenn wir den Beweis finden, ist ja alles geklärt, dafür braucht man euch nicht."

Ryochi seufzte bloß. "Wir bleiben noch bis 11, vorher gehen wir nicht", meinte dieser bestimmt, so dass sich der Inspektor geschlagen gab und die beiden sitzen ließ.

"Ich schreibe meinem Vater eine SMS, damit er sich keine Sorgen macht." Sêiichî musste über Ryochis Worte seufzen, da er sonst nicht so brav gewesen war. Er tat das erst, seit Yuichis Verschwinden, damit seine Eltern sich nicht sorgten und dachten, er sei ebenfalls abgehauen. ,Ob er noch lebt, oder ob man ihn umgebracht hat?' Sêiichî schloss die Augen und hing seinen Gedanken an Ryochis älteren Bruder nach.

Kôji setzte sich neben die beiden, so dass Ryochi seufzte. "Du solltest nach Hause gehen, wir schaffen das ohne dich."

"Nö, ich gehe nicht, ich darf nach Hause kommen, wann ich will. Meine Mutter schläft ohnehin schon." Die beiden sagten nichts mehr, sie würden sich damit abfinden, das war vielleicht besser so, bevor sie sich wieder stritten.
 

Die Nacht brach herein und man hatte fast schon die Hoffnung begraben, als ein blonder Mann sich an den Polizisten vorbeischlich und hinter den drei Jungs zum Stehen kam. Er ging an ihnen vorbei, so dass Kôji ihm nachschaute. ,Das ist doch...' Der Mann ging zu Tanaka rüber redete ein paar Brocken mit ihm, doch Kôji konnte das Gespräch aufgrund der Entfernung nicht direkt mitverfolgen. Wie hatte er denn jetzt von dem Fall erfahren?

Wenig später konnte man Verwunderung im Gesicht eines der Zeugen entdecken. Yûsuke kam auf den Hellblauäugigen zu und ergriff sein Handgelenk.

"Jamie, was tust du hier?" Kôji stieß Sêiichî an, der am träumen war, von was auch immer. "Das ist nicht normal, findest du nicht auch?"

"Was denn?" Verpeilt musterte Sêiichî den Braunhaarigen, mit den roten Augen. Der Angesprochene hob den Kopf und entdeckte seinen Onkel bei Yûsuke, irgendetwas an deren Umgang war seltsam, etwas, das ihm nicht klar war und das ihm missfiel. Das durfte ihm schließlich auch passieren. Ein Detektiv und ein angeblicher Mörder, das war nicht mehr normal, keineswegs. Sêiichî hatte einen verärgerten Gesichtsausdruck inne, als er sich schnell erhob und zu den Zweien hinüber ging. "Hey, was treibt dich denn hierher?" Ein genervtes Stöhnen entkam dem Blonden, als er die bekannte Stimme hörte, so dass er sich herumdrehte und Sêiichî einen fast verachtenden Blick zuwarf, der diesen ein wenig erschreckte. War er denn noch immer sauer wegen der Sache neulich?

"Misch dich nicht in die Gespräche von Erwachsenen ein, verstanden?" Wie Jamie auf einmal mit ihm redete, trotzig erwiderte der Schwarzhaarige seinen Blick. "Danke, Onkelchen, wirklich nett. Und jetzt will ich die Wahrheit wissen! Was für Verbindungen hast du zu ihm?"

"Nichts, was dich etwas angeht!" schnauzte Jamie ihn an, was ihn auf eine gewisse Weise doch verletzte. "Deswegen musst du mich nicht so anmaulen..." Ryochi fragte sich in dem Moment nur, was geschehen war, dass Jamie Sêiichî so anmachte, der war doch sonst nicht so. Irgendetwas musste zwischen ihnen vorgefallen sein, das spürte er förmlich, die versprühten ja geradezu Funken mit ihrem Getue.

"Geh zu deiner Vermouth und lass mich zufrieden!" Jamie drehte sich herum und beachtete den 17-jährigen nicht mehr. Er nahm Yûsukes Arm und zog ihn etwas von Sêiichî weg, der wie bestellt und nicht angeholt dastand. Es sammelten sich Tränen in seinen Augen an, die er sich mit dem Ärmel wegwischte und schnell auf die Toilette verschwand.

"Was war denn das, Akaja?" Kôji seufzte kurz und dachte über Jamies Worte nach. "Schon wieder Vermouth, die scheint hier ja für allerhand Wirbel zu sorgen. Und Sêiichî sitzt mittendrin, willst du nichts unternehmen?? Ich meine, du bist ja sein bester Freund, von dir lässt er sich eher was sagen, als von mir!"

Shuichi Akai war wohl gerade damit beschäftigt den Detektiv und den Schriftsteller zu belauschen, man konnte es ihm am Gesicht ablesen, dass ihn irgendetwas brennend interessierte.

"Hattet ihr Zoff?" wollte Yûsuke wissen, als gerade Sêiichî unverhofft aus der Toilette kam und Akai noch etwas sagen hörte, was ihm gar nicht gefiel. "Vermouth, he? Ärgert die dich, Moore?"

"Nicht mich, mein Neffe hängt mit ihr rum, aber das kann dir egal sein..." Er versuchte ihn abzuwimmeln, doch das war nicht so einfach, der Kerl schien hartnäckig zu sein.

"Oha, die Schlampe macht es schon wieder, die ist das pure Gift, man muss echt aufpassen, damit man ihr nicht noch zum Opfer fällt!"

Ein Knurren kam über Sêiichî, der Yûsuke wegstieß und sich Akais Kragen schnappte. "Eine Schlampe??" Er war kurz davor auszuticken. Jamie seufzte, nahm Sêiichîs Hände, machte ihn wehrlos und zerrte ihn gewaltsam von Shuichi weg. "Jetzt reicht's mir aber, du drehst wegen der Ziege noch total ab!"

Akais Augen funkelten gefährlich. "Hey, das war doch nicht so gemeint, kennst du sie zufällig richtig gut?" Was sollte dieser gemeingefährliche, besessene Blick? Sêiichî hielt ihm stand, konnte aber nicht von sich behaupten, dass ihm dabei besonders wohl war. "Was heißt richtig gut?" wollte Sêiichî wissen und seufzte kurz.

"Hast du es mit ihr gemacht?" meinte Akai dreist mit einem Lachen.

Jamie ließ ihn abrupt los und wartete auf eine Antwort. "Was geht dich das an?" fragte Sêiichî, da er sich gelöchert und ausgequetscht vorkam er sich fühlte, als wolle man ihn für etwas benutzen.

"Sie ist eine Kriminelle, die ich suche..." Akai zündete sich seelenruhig eine Zigarette an und ließ seinen scharfen Blick auf dem Jungen ruhen. Was sollte er ihm sagen, er hatte ihn doch im Visier?!

Ein schnippischer Laut entkam dem 17-jährigen. "Hätte ich gerne so, aber bedaure, damit kann ich nicht dienen..."

"Wundern tut es mich ja schon, du weißt ihren Codenamen, das heißt..." Dem Jungen brach Schweiß aus. "Ach was, viel zu abenteuerlich, du gehörst nie und nimmer dazu, das wäre ja auch zu schön, um wahr zu sein, wenn du ihre wahre Identität kennen würdest..." Alle drei kannten sie, doch keiner sprach darüber ein Wort, der Kerl konnte sehen, wie er klar kam, keiner von ihnen würde ihm Hilfe leisten. Sie alle wussten, dass er nicht ganz normal war und gerne Killer verletzte, oder tötete.

"Tja", meinte Sêiichî, er mochte den Kerl irgendwie nicht, er hatte ihm schon mal gesagt, er solle die Finger von dieser Frau lassen. Aber, was man ihm verbot, wollte er noch mehr haben.

"Ich werde auch mal kurz auf die Toilette verschwinden", verkündete der FBI-Agent und war wenig später außer Reichweite. "Danke, dass du nichts an ihn weitergegeben hast." Kleine Schweißtropfen standen auf der Stirn des Oberschülers, als er dies sagte und kurz seufzte. "Ich kann das FBI nun mal nicht leiden und den schon gar nicht! Meine Halbschwester ist etwas komisch und findet den Verein toll. Ich habe diese Leute mal beleidigt, man war die sauer. Die hat wohl auch keine Ahnung, was gespielt wird. Und er da, vor ihm solltest du dich in Acht nehmen, er ist wie der Teufel hinter deinem Schätzchen her. Er würde dich auch ausschalten, um an sie heran zu kommen, also sei vorsichtig, obwohl du am besten von ihr wegbleiben solltest, aber so wie ich das sehe..." Jamie sprach nun nicht weiter, schloss die Augen und dachte seinen Satz zuende. Sêiichî gehörte zu ihnen, auch wenn Akai das witzig gefunden hatte, so war es das nicht. Er konnte ums Leben kommen. Und Akai könnte darin verwickelt sein, wenn sein Neffe anfing diese Frau zu beschützen. "Riskier nicht zu viel für sie, das muss nicht sein, außerdem ist die bisher ganz gut alleine klargekommen. Du willst doch nicht, dass ich sie anfange richtig zu hassen, oder?"

Tat Jamie das nicht schon? Sêiichî bevorzugte nicht zu antworten, denn er würde seine Frage sicher nicht zu seiner Zufriedenheit beantworten.

Yûsuke schüttelte den Kopf. "Was nun, Jay? Drehen wir Däumchen und warten, dass die mal ihre lahmen Ärsche bewegen!"

"Nö, nö, ich habe da noch eine kleine Überraschung auf Lager..." Der Blonde ging zu der rothaarigen, älteren Dame hin und begrüßte sie mit einem Lächeln. "Hey, Erisawa-san, lange nicht mehr gesehen", tat er freundlich. "Ich wollte dir nur etwas wiederbringen, das du verloren hast..." Ein Grinsen kam in seinem Gesicht auf, als er absichtlich lauter wurde, damit alle ihn hören konnten. Ryochi flitzte plötzlich zu ihm hin und entriss ihm den Lippenstift, den er in der Hand hielt. Da er Handschuhe anhatte, war das auch kein Problem. "Ich fasse es nicht, Moore-san. Wo... wo hast du den denn her?" Verwirrt besah der Braunhaarige abwechselnd den Lippenstift, dann den Mann.

Ein gehässiges Lachen kam von ihm. "Keiner von euch hat geahnt, dass sie mit dem Auto da ist. Ich habe eine Runde Verbrechen begangen und bin eingebrochen, aber das wird man mir sicher verzeihen. Wenn man mich verklagt, kann ich auch nichts tun, aber so ist wenigstens euer Beweisstück wieder da... Du solltest mal riechen, Sêi-chan, den DUFT kennst du noch von Kenichi..."

Sprachlos sahen sich die beiden Jungs an, so dass Kôji auch zu ihnen kam. "Was ist es für ein Gift, das interessiert mich...?!" Wissensdurstig blickte Kôji den blonden Mann und dann Sêiichî an, welcher den Lippenstift aufmachte und ihn sich in Nähe der Nase hielt. "Sie muss furchtbar gelitten haben... Wie unmenschlich mal wieder...", sagte er bekümmert und schüttelte nur den Kopf. "Das ist Arsen, damit hat Vater gerne rumhantiert..." Das Zeug war gefährlich, interessiert hatte es seinen Vater jedoch nicht. "Wenn das auf dem Lippenstift war... hat sie es nicht einmal bemerkt... Erst als sie erstickt ist."

Tanaka und Megure kamen auf die kleine Gruppe zu. "Lasst uns das mal überprüfen." Sie nahmen den Beweis an sich, was die Verdächtigen stillschweigend zur Kenntnis nahmen. "Das war echt dumm, ihn einfach im Auto zu verstecken, unten am Boden, wo man ihn sehen würde, sobald man reinschaut. So ist klar, wer es getan hat. Shiyako würde wohl kaum ihren Lippenstift einfach so in ein Auto befördern, außerdem ist sie ja nicht nach draußen..." Sêiichî griff sich an den Kopf. "Den Rest wird man auf dem Präsidium erledigen, nicht wahr?" Er schenkte Megure einen netten Blick und wandte sich dann ab. Die drei Kriminalisten führten die Täterin ab, auch wenn diese nur vor sich hingrinste.

"Was grinst die denn jetzt so?" fragte Ryochi die anderen, so dass Kôji nur seufzte. "Wahrscheinlich ist sie stolz auf ihre Tat, oder so in der Art."

"Denke ich auch", erwiderte Sêiichî, setzte sich wieder hin und legte seinen Kopf erschöpft auf den Händen ab. "Ich wäre gerne mitgefahren, ehrlich. Mich interessiert, warum sie das macht..." Jamie schaute sich um, doch ihm schien es, als hätte sich Yûsuke nun schnell aus dem Staub gemacht. Irgendetwas stank zum Himmel, doch was es war, wusste er nicht.

"Jetzt bin ich doch geschnappt worden, wie bedauerlich, aber tot ist sie trotzdem, das war ja auch das Wichtigste..." Die Chemikerin lachte demonstrativ, was die Kriminalisten seufzten ließ. "Sie werden jede Menge Zeit haben, um über ihre Tat nachzudenken, das ist sicher..."

"Wirklich sicher...?" Ein überheblicher Ausdruck kam in ihrem Gesicht auf, wenig später hörte man aufeinander folgende Geräusche.

"Sorry, i'm late...", meinte eine dunkle Frauenstimme, man sah sie kaum, sie wurde von den Schatten des Neumondes verschluckt, so dass alles, was man mitbekam, ihre bei den Leuten gefürchtete Stimme war.

"Doesn't matter, Madame!"

"Yes, it's true, nothing matters anymore, Samena!" Ihre Stimme wurde immer gerissener und ein gehässiges Lachen durchforstete die kalte Nacht. Ein erschrockener Laut verließ den Mund der älteren Frau. "...No, this isn't fair..." Man konnte ein Stöhnen hören, nachdem man ein Knacken hatte vernehmen können, woraufhin die hellblauen Augen der Killerin herzlos dabei zuschauten, wie die Frau einfach zu Boden ging und liegen blieb. Sie entwendete ihr alle Wertsachen und machte sich schnellstmöglich aus dem Staub, schließlich erwartete man sie heute noch. Der Boss wollte immer alles genau wissen, weswegen sie ihm Bericht erstatten musste. Alles war zu ihrer Zufriedenheit verlaufen. Ihr Ziel war tot und sonst wusste wirklich niemand von diesem Attentat, sie befanden sich also alle in Sicherheit. Niemand würde jemals den Grund für diese Tat erfahren.

Man konnte ein paar Grillen zirpen hören, ansonsten war absolute Stille, bis man ein Stöhnen hören konnte, das von Inspektor Megure kam, welcher sich langsam erhob und sich den Kopf hielt. "Was war das denn?" Er blickte zur Seite, wo die tote Frau lag, die Hand mit der Waffe gekrümmt.

Kein Zweifel, sie hatte sich selbst das Leben genommen, so schien es ihm zumindest. Tanaka wurde von Megure unsanft geweckt, so dass auch dieser wenig später die Frau sah, welche von einem Einschussloch zwischen den Augen geziert wurde. Das Blut war ihr über das Gesicht gelaufen und zu Boden getropft. "Jetzt hat sie sich ihrer Strafe entzogen..." Die beiden machten ein deprimiertes Gesicht, ihnen war schleierhaft, wie sie es geschafft hatte, sie auszuschalten, doch das würde wohl immer ein Geheimnis bleiben, was vielleicht auch besser so war...
 

Die anderen waren mittlerweile auf dem Nachhauseweg und unterhielten sich noch etwas.

"Irgendwas an der Sache war doch jetzt faul, oder Ryochi? Wer hätte schon ahnen können, dass die den Stift in ein Auto wirft, das nicht ihres war?"

Jamie schaute zu Boden. "Habt ihr die Farbe des Autos gesehen? Es war schwarz..." Kôji schaute den blonden Mann an, welcher die Hände in den Hosentaschen vergrub.

"Du willst sagen, sie gehörte...?" Sêiichî konnte das dennoch nicht so recht glauben. "Ob sie weiß, wo mein Vater steckt? Ich vermute sowieso stark, dass er für die Organisation arbeitet... Ist zwar weit hergeholt, aber den Verdacht habe ich schon ewig..."

"Warum gehst du nicht mal zu deinem Schätzchen und fragst sie? Die weiß das bestimmt! Dann würdest du mal sehen, dass du von ihr Hilfe nicht erwarten kannst! Sie würde dir nichts sagen, selbst wenn es so wäre..." Der Schwarzhaarige blieb jetzt stehen. "Sag' mal, das ist immer noch mein Problem, was ich tue. Kannst du endlich mal damit aufhören, mich zu belehren? Ich bin nicht komplett bescheuert und falle auf alles rein, was sie sagt..."

Kôji hielt sich weitesgehend aus dem Gespräch raus, auch wenn er sich gerne eingemischt hätte, so wusste er zu wenig, um mitreden zu können.

"Bitte, hört jetzt auf zu streiten...", flehte Ryochi, der es allmählich leid war.

"Wir streiten nicht, du kennst uns doch. Aber es passt mir nicht, dass er sie in die Kategorie Engelchen steckt, er soll endlich die Wahrheit erkennen und sich nicht vor ihr verstecken. Es wäre gut möglich, dass sie seine Mutter umgebracht hat, von daher..."

Ryochi dachte nun selbst darüber nach. Es war zwar nicht unmöglich, aber glauben konnte er es dennoch nicht so wirklich. "Das würde aber gar nicht zu ihr passen, Jamie, die bringt doch keine Leute um, nur weil sie ihr helfen wollen, des Weiteren war sie es, die es mir erzählt hat. Sie hätte genauso gut den Mund halten können, das wäre besser für sie, wenn sie denn die Mörderin wäre. Nein, das glaube ich nicht..."

"Dann hat sie damit zu tun, ist doch egal, aber unschuldig ist sie in der Sache mit Sicherheit nicht. Heul bloß nicht, Sêiichî, wenn du mal was übles über sie rausfindest." Ein spöttischer Laut kam über ihn. "Tze, wegen so was heul ich doch nicht. Keine Sorge."

"Tu nicht so als wenn du das Miststück auch noch kennen würdest!" fauchte Jamie ihn an, so dass Ryochi kurz zusammenzuckte. Was sie anging, wurde er ja ziemlich schnell wütend. "Auf gewisse Weise tue ich das auch und ich bleibe am Ball, sie tut mir doch eh nichts."

"Genau das macht dich naiv, Sêiichî", kam von Jamie, der jetzt stehen blieb. "Man kann nie so genau wissen, was gespielt wird. Wenn man es erfährt, ist es meist schon zu spät. Ich muss jetzt leider los, ich habe noch was vor. Macht keine Umwege, Jungs und kommt gut nach Hause, es ist ja nicht weit. Und du pass auf deinen Freund auf, Ryo, sonst macht er zuviel Unfug, kennst ihn doch!" Er zwinkerte dem 16-jährigen zu und Kôji blickte ihm nach, irgendwie fand er den Typ ja jetzt seltsam, aber er konnte nicht von sich behaupten, dass er ihn nicht mochte. Er schien Sêiichî nur zu beschützen. "Also dann, gute Nacht", meinten alle Drei zu ihrem Detektivenfreund und gingen schließlich in die andere Richtung. "Der Fall gefiel mir nicht, ich habe zu viel erfahren, was mir nicht in den Kram passt, aber ich muss dann auch allmählich, ich muss da lang, zur Schule, wisst ihr ja. Ich wohne da in der Nähe. Also, dann, passt auf, Tokyo kann bei Nacht gefährlich sein. Geht auf schnellstem Weg heim..."

"Machen wir!" riefen sie Kôji zu, der schon in eine Seitengasse abgebogen war. Sie warteten noch, bis er um die Ecke verschwunden war. "Hast du eigentlich schon etwas entscheidendes rausgefunden, Sêi-chan, oder tapst du noch im Dunklen?" wollte der Braunhaarige von seinem Freund wissen, woraufhin dieser den Kopf senkte. "Das bleibt vorerst mal mein Geheimnis, sorry. Was Chardonnay betrifft, sie kontrolliert ihn. Ich muss nur etwas wachsam sein und schwuppdiwupp, kriege ich den Kerl in die Finger..." Der 16-jährige blieb stehen und senkte seinen Blick ziemlich tief. "Ich habe keine Lust meinen besten Freund zu verlieren... Und Chardonnay erinnert sich bestimmt an dich, du solltest auf keinen Fall zu nahe an ihn rangehen, das würde nur im Desaster enden. Ich bitte dich sogar darum, dass du etwas Acht gibst." Ein mildes Lächeln kam in Sêiichîs Gesicht auf, bevor er Ryochi durch die Haare wuschelte. "Nur keine Angst, seit damals habe ich mich ziemlich verändert, das weißt du doch. Ich kann mich jetzt anders als damals gegen ihn verteidigen..."

"Ich weiß, lass das bloß keinen spitzkriegen, Kôji ist schon genug misstrauisch. Der muss nicht erfahren, dass du Killer tötest, der würde das nicht verstehen. Er mag uns sowieso nicht besonders, wenn dann noch so was rauskommt..."

Den Rest des Weges schwiegen sie lieber, bis sie bei Ryochis Zuhause ankamen, wo auch sein Freund immer willkommen war, so dass er diesmal dort übernachten würde.

20. November - Zwei Jungs, die auf Opferfang gingen...

Schon wieder 17 Seiten, soll das nun normal werden? *totkuller* %D

Anscheinend... der nächste wird wohl ein Lemonleinchen werden XDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDD

Ihr perversen könnt euch da ja wieder totfreuen, nee? >DDD hehehe

Wird aber wohl doch ganz schön versaut werden, uiuiuiuiui XD

Ist nichts nettes -.-"""""


 


 


 


 

Es wurde getuschelt, da die Lehrerin sich heute besonders viel Zeit zu lassen schien, so dass ein paar Jungs, die weiter hinten saßen, noch eine Runde plauderten.

"Ja, und dann sie gemeint, sie hätte Angst vor dir, hast du ihr etwa was getan?"

Sêiichî konnte vorne Takahashis irre Lache hören, was ihn sein Buch auf den Tisch hauen ließ. Er hörte seinem dummen Gelaber zu und verzog das Gesicht.

"Ich? Schau mich an? Sehe ich wie ein Schwerverbrecher aus? Rikuleinchen hat Komplexe, das ist alles, hör nicht hin!"

Toshizo stützte seinen Kopf mit der Hand ab und schaute gelangweilt zu Kenji rüber. "Die hat doch andauernd was. Du willst ja wohl diesem Weibsstück nicht mehr glauben, als deinen besten Freunden, oder doch?" Kenji gab einen schnippischen Laut von sich. "Du bist naiv, Takahashi hat schon so manchem Mädchen Angst gemacht, ich traue ihm durchaus zu, dass er sie mal falsch anfasst." Der 18-jährige schaute zu dem Braunhaarigen und sah ihn wütend an. "Wenn ich Derartiges rauskriege, waren wir lange Zeit befreundet, verstanden?" Unbeeindruckt sah ihn der Angesprochene an, bevor er spöttisch auflachte. "Meinst du echt, du kannst mir drohen? Verscherze es dir besser nicht, sonst geht's dir noch wie Iwamotoleinchen!"

Sêiichî verdrehte die Augen. Der hatte es ja anscheinend bitter nötig, so anzugeben und zu prahlen, aber so war er ja schon immer gewesen.

"Hey, Ryo-chan, hast du das gehört?"

"Jojo, ist in seinem Element als Kotzbrocken. Solange er Shina in Ruhe lässt, soll er tun, was er will, solange er nicht irgendwelche Mädchen hier anfällt, halte ich mich da lieber raus..." Er packte seine Bücher aus und schaute nach vorne, anders als die kleine Gruppe da hinten. "Die kriegen gleich 'nen Anschiss, Ryo-chan, wollen wir wetten?" Die Lehrerin fand es doch immer wieder nötig, Kenji, Takahashi und Toshizo anzuschnauzen, das genossen die beiden immer richtig.

Wenig später öffnete sich die Tür und alles verstummte augenblicklich. Die Lehrerin kam in Begleitung eines hübschen Mädchens mit goldblonden Haaren herein, so dass zwei Jungs kurz pfiffen. Sie war derartige Reaktionen gewohnt, so dass sich ein etwas eingebildetes Lächeln auf ihren Lippen wiederspiegelte.

Toshizo traute seinen Augen kaum, genauso wie Takahashi, Ryochi und Sêiichî.

"Was will sie hier?"

"Keine Ahnung, Ryo." Sêiichî zuckte mit den Schultern und wartete darauf, dass man ihnen ihre alte Bekannte vorstellte.

"Guten Morgen, allerseits, ich habe euch da jemanden mitgebracht", meinte Frau Matsumoto und rückte sich die Brille zurecht. "Sie kommt aus Kyoto und ist hierher umgezogen. Ich erwarte von euch, dass ihr euch benehmt und sie gut aufnehmt, verstanden?!" Es war doch immer wieder die gleiche Leier, die sie abzog.

"Natürlich, Frau Matsumoto, so ein hübsches Ding doch immer."

Shina verzog angewidert das Gesicht, als Takahashi seinen Spruch abließ. Der bemerkte selbst ja schon gar nicht mehr, wie widerlich er doch war. Ihr war schleierhaft, wie der überhaupt Freundinnen haben konnte. Anscheinend waren die alle so oberflächlich wie Aiko, da durfte sie so etwas nicht mehr wundern.

"Halt deine freche Klappe, Siturô, oder du fliegst raus!"

Das Klassenzimmer war von leisem Kichern erfüllt, weil man ihn mal wieder so anpfiff.

Saki verbeugte sich kurz. "Ich bin Saki Niiza, freut mich, euch kennen zu lernen." Sie lächelte nett vor sich hin und blickte kurz zur Lehrerin. "Such dir einen Platz und dann pack' deine Geschichtsbücher aus." Ein Nicken ihrerseits kam, bevor sie auf Toshizo zuschritt, welchem heiß wurde, so dass er sich etwas das Hemd zurechtrupfte. "Morgen, na ihr? Freut mich, dass wir uns wiedersehen."

,Heilige Fresse...' Toshizos Exfreundin schien sich noch für ihn zu interessieren, nicht zu fassen. Es war für Takahashi doch etwas seltsam, dass sie gleich hierher kam, statt zu Sêiichî, immerhin hatte sie den ja auch toll gefunden. Seitdem konnte er sie nicht mehr ab. "Hi, Saki-san, nicht zu fassen, da sind wir ja alle wieder vereint."

Toshizos seltsames Verhalten ließ Kenji ein Stöhnen entfahren. "Benimm dich mal nicht wie ein Vollidiot..."

"Was hast du denn gegessen? Oder hast du schon wieder gekifft?" machte Toshizo ihn an, so dass der Angesprochene ihm fast an die Kehle gesprungen wäre, schließlich wagte der es ja wohl nur so frech zu sein, weil Takahashi genau neben ihm saß. "Wirklich nett von euch. In unserer Runde sind Mädchen immer willkommen, ist doch so, oder nicht?" Ein hinterlistiges Grinsen kam in seinem Gesicht auf, bevor er Saki eine Hand auf den Hintern legte und sie vor versammelter Mannschaft quer über den Tisch zog. "Nach der Schule können wir uns ja eine Runde amüsieren, na?"

"Bei dir piept's wohl!" Sie riss sich los und setzte sich hinter Toshizo. Die Lehrerin machte schon ein mürrisches Gesicht, ließ es jedoch bleiben, die Sache zu kommentieren.

,Du verdammter Arsch! Blamier mich doch nicht an meinem ersten Tag... Wie sieht das denn aus?'

Shina blickte zu Ryochi, der die Augen geschlossen hatte und nicht gerade aussah, als würde er sich freuen. "Hast du das mitgekriegt, Shina?" meinte Akemi, fast schon bestürzt. "War nicht zu überhören, der kann's nicht sein lassen." Die beiden Klassensprecher seufzten nur. Wataru beugte sich etwas vor und flüsterte seiner besten Freundin etwas zu. "Dass die sich freiwillig zu denen setzt?" Yûmikô grinste vor sich hin. "Sie ist doch neu, vielleicht weiß sie nicht, wie die so sind?" Ryochi musste kurz lachen. "Guter Witz, die kennen sich sehr gut, glaub mir..."

"Ach du Schande", kommentierte Shina, wobei ihr fast schlecht wurde. "Wenigstens hat die nicht Takahashi angeflirtet, das wäre ja ekelhaft, wir haben genug dumme Hühner, die den toll finden, weil sie sie nicht alle haben." Kôji legte eine Hand auf Akemis Schulter. "Warum ärgert ihr euch immer so über den? Lasst ihn doch. Außerdem kennt ihr sie ja nicht."

"Ruhe jetzt! Ich will mit dem Unterricht anfangen!" brüllte die Lehrerin quer durch die Klasse, so dass alle schwiegen.
 

Jeder Schüler war ziemlich erleichtert, als die letzte Stunde vergangen war. Sie rannten förmlich aus dem Klassenzimmer. Takahashi beugte sich etwas über Saki, die ihm direkt ins Gesicht nach oben schaute, da sie noch saß und ihre Bücher wegpackte. "Was willst du schon wieder?" meinte die 16-jährige genervt, während er mit einer Hand ihr Kinn packte, fies grinste und ihr die Lippen aufdrückte. Shina und Akemi, die gerade dabei waren, rauszugehen, blieben stehen. ,Jetzt wird mir echt schlecht!' dachte Shina mit einem anwiderten Gesichtsausdruck.

Wataru bekam große Augen, er fasste es echt nicht. "Der hat ja Mut."

"Bitte, willst du den loben?" fragte Kôji etwas verdattert und schüttelte den Kopf.

Man konnte das Klatschen von Sakis Hand auf Takahashis Wange hören, bevor sie aufsprang. "Lass mich endlich in Ruhe, oder du lernst noch andere Seiten an mir kennen!" fauchte das Mädchen ihn an und machte sich schnell aus dem Staub. Anscheinend fand er sein Verhalten ja witzig, schließlich grinste er noch immer irgendwie sadistisch vor sich hin. Mit einem breiten Grinsen ging er an Shina vorbei, wobei er sich dicht an sie drückte, da sie im Eingang standen. Sie wich etwas zurück und drückte sich gegen den Türrahmen. ,Rück' mir nicht so auf die Pelle!' Als er auch noch stehen blieb, schob sie ihn von sich. "Mach, dass du wegkommst, oder es knallt!"
 

Toshizo saß auf einer Bank und las etwas, womöglich die Schülerzeitung, als Saki sich neben ihn setzte. Sie nahm ihm die Zeitschrift weg und betrachtete sie. "Seit wann interessiert dich Volleyball, mhm?" Der Junge erschrak und blickte in das Gesicht der hübschen Schülerin. "Ach, ich habe das nicht gelesen, ich habe nur rumgeblättert", redete er sich heraus und wurde leicht rot. Er hatte gerade einen Artikel über die Volleyballmannschaft gelesen, in welchem er erfahren hatte, dass sein Schätzchen jetzt wirklich auch dazu gehörte. Saki musste das nun wirklich nicht unbedingt wissen. "Willst du nicht zu Sêiichî?" startete der Schwarzhaarige einen Versuch, sie loszuwerden, immerhin hatte sie ihn in der Vergangenheit, genau mit dem betrogen.

"Der ist ihr schon zu öde, denke ich, nicht wahr, Sakileinchen?" Es schien, als wolle Takahashi die Blondine heute ärgern, aus dem Grund sah sie nach oben. "Kriegst du keine mehr ab und kommst deswegen zu mir??"

"Warum nicht? Du bist doch dafür bekannt, dass du mit jedem rummachst! Wie viel willst du für eine Nummer?" Ein stichelnder Ausdruck kam in seinem Gesicht auf, so dass Toshizo seufzte und aufstand. "Lass sie doch einfach in Ruhe und komm!" Er zog ihn am Hemdkragen hinter sich her. Auf so etwas hatte er echt keinen Bock. "Bye bye, Saki!"

"Hey, ich musste ihr nur mal sagen, was sie ist... eine dumme Hure!"

"Lass es bleiben... sie kann nichts dafür, dass sie auf Iwamotos verdammten Charme reingefallen ist." Warum beschützte er seine Exfreundin denn so, schließlich hatte sie ihn einfach betrogen und es dann auch noch breitgetreten, nur um ihm eins auszuwischen. "Du musst dich rächen, das kannst du nicht auf dir sitzen lassen!" fauchte der Jüngere seinen Freund an und riss sich los.

"Das bringt mir nicht viel."

"Doch, das gibt dir ein Gefühl der Genugtuung... Du wirst dich besser fühlen, wenn jeder weiß, was für ein Flittchen sie ist! Dann kriegt sie keinen mehr ab und kann heulen gehen!" Er lachte gemein auf, woraufhin Toshizo zu Boden schaute. "Ja, du rachsüchtiger Kerl. Aber du kennst doch Iwamoto! Der kriegt sie alle rum, sogar Riina hat er jetzt gekriegt, das ist so unfair. Ich will lieber ihm das Leben versauen, statt den Mädchen, die ihn toll fanden..."

"Das ist dein Bier, aber komm' mir nicht auf die Idee, mit der dummen Kuh noch mal was zu haben... So, wie du drauf bist, verknallst du dich noch in sie und dann rennt die wieder zu Iwamoto und wir haben den Salat..." Takahashi klemmte seine Schultasche unter den Arm und zog seinen Freund schließlich hinter sich her, als er nur noch schwieg. Wahrscheinlich hatte er auch noch Recht, mit dem, was er sagte. "Mach dir keine Sorgen um mich. Iwamoto kriegt schon noch sein Fett ab... Und Ryo-Baka eh."

"Ach was, es ist leichter, wenn der Kleine gaaaaaanz weit weg ist. Er würde ihm nur helfen und mit ihm der ganze Rest. Du kennst das doch. Ryoleinchen ist doch überall beliebt... Mir wird schlecht! Wir sind viel besser, aber an denen kleben die..." Die beiden ließen den Schulhof hinter sich. "Wo ist Kenji wieder?"

"Rikuleinchen trösten, was sonst? Das nutzt der doch aus, so gehört sich das..." Toshizo fühlte sich irgendwie einsam, wenn er so etwas hörte. "Toll, ganz toll... alle haben eine Freundin, bloß wir nicht..."

Als wenn das nicht gereicht hätte, sahen die beiden Wataru und Yûmikô, sie waren ausgelassen und fröhlich, alberten herum, bis sich die Schwarzhaarige ihrem Freund an den Hals warf, um ihn zu umarmen. "Kindergartenliebe, komm, Toshizo, das kann ich mir nicht geben, ist ja ekelhaft!" Er zerrte seinen deprimierten Freund weg von den beiden Turtelnden.

Wataru küsste seine Freundin kurz, sah dann aber Toshizo und Takahashi, was ihm ein Seufzen über die Lippen kommen ließ.

"Was ist denn los, Wataru?" wollte Yûmikô wissen.

"Ich finde es nur traurig, dass Toshizo mit diesem Arschloch rumhängt, er ist eigentlich gar nicht so wie er..." Yûmikô verstand ihren Freund manchmal nicht im Geringsten, er hatte oft Mitleid, das trübte seinen Verstand. "Er hat ihn sich als Freund eben ausgesucht, dagegen kannst du schlecht etwas tun. Und du weißt, was Takahashi von dir hält, also halte dich besser von Toshizo fern. Das würde nur in Streit ausarten, glaube mir." Sie hielt ihn fest und schaute ihm tief in die Augen, als man Wataru von hinten auf die Schulter klopfte. "Shina?"

"Jap, wer denn sonst? Hast du Riina gesehen? Wir suchen die nämlich!" Wataru verzog verwirrt das Gesicht und machte eine nachdenkliche Miene. "Ich weiß nicht... Vielleicht hat Sêiichî sie abgefangen??" Die Detektivin zog eine Augenbraue hoch. "Sêiichî? Was will sie denn mit dem anfangen?" Sie war geschockt. "Was hast du denn gegen ihn, Shina? Er ist doch ganz nett..." Das war Yûmikôs naiver Freund, eindeutig. Er dachte nie an das Schlechte im Menschen. "Er ist ein Macho, das macht mir Sorgen, deswegen... Sie hat Liebeskummer, wer weiß, was sie tun würde...?"

"Mal nicht den Teufel an die Wand, so was macht meine Schwester ganz sicher nicht... Sie ist doch erst 15 geworden..."

Wer wusste das schon?

Kôji kam wenig später auch dazu und sah die nachdenklichen Gesichter. "Was ist denn jetzt kaputt?"

"Sêiichî hat es auf Riina abgesehen, das ist kaputt..." Kôji fiel die Kinnlade runter. "Oh mein Gott... kann der sich denn nicht wenigstens einmal beherrschen?" Er schüttelte den Kopf. Akemi machte der an, Yûmikô und jetzt auch noch Watarus Schwester. Aber sonst ging es dem Kerl gut?

"Scheinbar ja nicht", gab Shina unter einem Stöhnen von sich.
 

Toshizo wollte unbedingt die Volleyballmannschaft beobachten, also gingen sie auf dem Gelände entlang und sahen eine von ihnen, wie sie gerade aus der Umkleide kam. Sie war etwas spät dran und nun alleine unterwegs. "Hey, ist das nicht Watarus kleine Schwester, Shizo-kun? So ganz alleine, das unschuldige Ding..." Takahashi leckte sich über die Lippen. "Du willst sie doch, oder? Dann nimm sie dir. Manchen Leuten muss man das Glück eben geradezu aufdrängen!"

"Ich weiß nicht... Was, wenn jemand kommt und uns sieht? Das würde nur Ärger geben... oder nicht?"

"Sei nicht so ein Feigling!" Er gab Toshizo einen Schubs, der sich gewaschen hatte. "Ich bin kein Feigling", entrüstete sich der Schwarzhaarige und machte ein mürrisches Gesicht. "Dann zeig ihr mal, was du so drauf hast", flüsterte ihm Takahashi zu, so dass Toshizo nickte. "Bring sie mal etwas zum Stöhnen..."

,Oh Gott, was?' Er hatte so etwas doch noch nie getan. Ihm wurde Angst und Bange, Schweiß lief ihm übers Gesicht und er begann zu zittern. Doch der Wunsch, sie zu berühren, war stärker und gewann den Kampf zwischen Verstand und Herz.

"Hey, Riina-chan!" Er rief ihr zu, so dass sie sich herumdrehte. ,Bah, Toshizo und sein bekloppter Freund, nichts wie weg!' Sie ignorierte, dass die beiden etwas von ihr wollten und lief einfach weiter, so dass Toshizo zu rennen begann und sich ihr Handgelenk schnappte. "Jetzt bleib doch mal stehen..." Er lächelte auf gewisse Weise lieb und zog sie etwas zu sich. "Was soll das jetzt? Hast du es immer noch nicht gerafft? Ich will nichts von dir!" Riina gab Toshizo einen deftigen Stoß gegen die Brust, so dass er nach hinten taumelte und gegen Takahashi stieß. Dieser gab ein Knurren von sich. "Du eingebildete, blöde Kuh!" schrie er sie an, zog sie grob am Arm an sich heran und knallte ihr mit links eine, damit sie gegen die Wand schlug. Tränen brannten auf einmal in ihren Augen. "Was bist du für ein herzloses Arschloch, Siturô!?" Er stützte beide Hände an der Wand ab und grenzte sie ein. "Behandle meinen Freund nicht so, dann werde ich auch nicht zum Arschloch!"

"Takahashi, bitte...", bettelte Toshizo. "Mach ihr doch keine Angst, das hat sie nicht verdient." Oh man, der war echt grenzenlos in die Kleine verknallt, dann wollte er mal nicht so sein...

Der Jüngere entfernte sich von ihr. "Gib ihm wenigstens eine Chance, oder hat er dir etwa was getan?"

"Wie oft muss ich es ihm noch sagen? Ich will nichts von ihm! Er ist genauso ein Ekel wie du geworden!" Freches Biest. "Er ist kein Ekel, du bist bloß eine eingebildete Schnepfe, so sieht's aus!"

Toshizo ging an sie heran. "Hast du denn kein Mitleid?" Es standen beinahe Tränen in seinen Augen, es fehlte tatsächlich nicht mehr viel. "Was muss ich tun, dass du mich an dich heranlässt? Ich bitte dich! Mach' es mir nicht so schwer! Ich liebe dich und würde alles für dich tun..." Fand sich der Kerl nicht auch armselig? Er rückte näher an sie heran und versuchte ihre Hände zu nehmen, doch sie schob ihn wieder weg. "Lass das, ich will nicht, dass du mich anfasst, das ist ja eklig..."

"Eklig?" Toshizos Augen weiteten sich, er sah sie deprimiert an. "Nein, Liebe ist was schönes..."

,Oh mein Gott, will er sich zum Affen machen? Er soll ihr die Hose runterziehen und keinen Schnulz von sich geben...'

Er packte sie und drückte sie fest gegen die Wand. "Bitte, Toshi, lass mich los, du tust mir weh, so wie Takahashi Shina immer wehtun will..." Er sollte endlich damit aufhören diesem Kerl alles nachzumachen, das machte ihr Angst.

"Ich tue dir überhaupt nicht weh, das habe ich auch gar nicht vor, ich will lieb zu dir sein..." Was für ein Witz sollte das jetzt sein? "Deswegen hast du deinen besten Freund mitgebracht, oder wie?" Sie versuchte sich zu befreien, doch er hatte mehr Kraft als sie und hielt sie gut fest. "Zappel' doch nicht so, dann kann ich dich ja nur festhalten..." Der Junge hielt es nicht mehr aus und drückte seine Lippen gegen ihren Hals, wobei ihr Körper dicht an seinen gepresst wurde. "Oh Gott, Riina, du riechst so gut..." Sie wurde rot, als er so schwärmte und drückte gegen seinen Körper. "Hör' auf damit, das ist nicht mehr lustig." Sie fing an wie wild zu strampeln und schlug ihm gegen die Schultern, so dass Takahashi ihre Handgelenke schnappte und sie nach hinten zog, somit wurde Riina an Toshizo gedrückt. "Los, zeig' ihr, wie gut du bist..."

Was sollte das denn jetzt heißen??? Sie sah nur eine Chance und gab einen Schrei von sich, so dass Toshizo ihr erst mal den Mund zuhielt. "Bist du bekloppt? Das soll keiner sehen... das wäre mir voll peinlich..." Aber Takahashi durfte zusehen, oder was meinte er? Hatte er den schon ganz vergessen?

Toshizo hatte noch eine Hand frei, die er nun vorsichtig unter ihr T-Shirt schob und mit ihr nach oben zu ihren Brüsten fuhr. Er ging mit ihr in ihren Sport-BH, machte es doch recht sanft. ,Hör auf, das will ich nicht!' Sie konnte keinen Mucks mehr von sich geben, sich nicht mal bewegen, so dass sie die Augen zukniff, in welchen schon heiße Tränen standen. ,Geh weg!' Er zog ihr T-Shirt hoch, ihr wurde kalt und ihr Herz begann wie wild zu schlagen. Sie hatte Angst, wollte nur endlich, dass er von ihr abließ. Er schob seine Hände wieder unter den Sport-BH, bis er über ihren Brüsten war. Sie war so niedlich gebaut, so unschuldig, genau so etwas wollte er. Toshizo fackelte nicht lange und leckte ihr über die rechte Brustwarze. Obwohl man ihr den Mund zuhielt, konnte man ihr leicht ersticktes Stöhnen vernehmen.

,Wie niedlich', machte sich Takahashi lustig, er wollte jetzt sehen, wie die beiden eine Nummer schoben, keine Liebkosungen. Riina versuchte Takahashi ihre Handgelenke zu entziehen, doch das gelang ihr nicht, also schaute sie nach unten, um ihm auf den Fuß zu treten, doch auch das erkannte Takahashi und stellte sich auf ihre Füße, um sie daran zu hindern. Währenddessen saugte sein Freund an ihrer Brustwarze, ihr wurde heiß und kalt. So etwas hatte sie eigentlich nie mehr fühlen wollen. Genau so war es mit ihrem Vater abgelaufen. Sie kamen an das Ganze noch näher ran, als seine Hand auf einmal in ihre Sporthose und in ihren Slip glitt. Sie gab einen erstickten, verängstigen Schrei von sich, konnte aber nicht die Beine zusammenkneifen, um ihn abzuhalten, also musste sie sich geben, wie er sie dort zu streicheln begann.

In dem Moment waren Schritte zu hören, die zu einer Spielerin und einer Begleiterin gehörten, die eine wollte sich heute das Training ansehen. Shina schaute schockiert direkt zu den drei Personen hin. Sie erkannte die Lage, schließlich waren ihr solche Sachen öfter schon mal passiert. Was die da mit Watarus Schwester anstellten, war nun wirklich ungeheuerlich. Yûmikô stürmte mit ihr nach vorne und schlug Takahashi erst mal ins Genick, zog ihn von Riina weg. Die 15-jährige sah dies und stieß Toshizo jetzt doch verdammt grob von sich, setzte mit einer Ohrfeige nach, die ihre gesamte Wut zeigte. "Ich hasse dich, du Ekel, ich zeige dich an!" brüllte sie ihm ins Gesicht, während Shina ihn mit einem Schulterwurf zu Boden streckte. Die Jüngste rannte in die Umkleide hinein und versperrte die Tür. Sie wollte nur alleine sein, ihre Ruhe haben und Toshizo nie wieder sehen. Ihn und seinen durchgeknallten Freund.

Währenddessen rappelte sich Takahashi wieder auf, als Shina Toshizo eine ordentliche Ohrfeige verpasste. "Hast du jetzt genauso den Verstand verloren, wie dein Freund??" fauchte sie ihn an und schenkte ihm einen bösen Blick.

"Geht ihr immer auf Mädchen los, wenn sie alleine sind, ihr feigen Schweine?" meinte Yûmikô und schlug Takahashi mit dem Handtuch, das sie von Shinas Schulter geklaut hatte.

"Ihr seid ja nur neidisch", prahlte Takahashi, so dass Yûmikôs Augen sich zu Schlitzen verengten. "In deinen Träumen, Siturô!"

"Euch ist klar, dass wir das melden werden, oder?"

"Mach das, Shinalein und dein Leben wird zum Albtraum!" gab Takahashi an die Hellbraunhaarige zurück und drohte ihr in Form eines wütenden Blickes. "Sehe ich aus, als wenn ich mir von dir Angst machen lasse, du Halbstarker?!" Yûmikô entrüstete sich. "Wenn es dick kommt, fliegt ihr beide von der Schule..." Sie grinste fies. "Wenn ihr Watarus Schwester auch nur noch ein einziges Mal belästigt oder ihr zu nahe kommt, sollte ich das sehen, dann glaubt mir, dann sind blaue Flecke euer einziges Problem, kapiert? Das grenzte ja schon an sexueller Nötigung, so was wird bestraft!"

"Du kleines Miststück!" fauchte Takahashi, stürzte auf Yûmikô zu, die ihm ein Bein stellte und ihm in die Kniekehle trat, bis er zu Boden ging. "Du kleiner Mistkerl, mach' dass du Land gewinnst, am besten, du wanderst aus! Wenn du wieder zur Schule kommst, hast du einen Termin beim Direktor, stell dich drauf ein... und dein supertoller Freund darf dir Gesellschaft leisten!"

Toshizo wurde bewusst, dass sie Riina zu etwas gezwungen hatten, ihm wurde unwohl, so dass er schnell hier weg wollte. "Komm, Takahashi, lass uns abhauen..."

"Ja, du feige Sau, hau ab, wenn es unangenehm für dich wird!" schnauzte Yûmikô ihn an und er zuckte zusammen. "Ich wollte doch bloß etwas nett zu ihr sein..."

"Das ging ja wohl voll schief..." Takahashi warf beiden noch einen bösen Blick zu, er hatte nicht vor zu gehen. "Pass auf, dass du mit deinem perversen Akaja nicht schwanger wirst und dann als Flittchen dastehst.." Ein abfälliger Ton kam in seiner Stimme auf, als er von Akaja redete.

Akemi, die ebenfalls Riina suchte und nun bei der Halle ankam, hörte das noch und verschränkte die Arme. "Schon wieder am Ärger machen, Siturô, hast du denn sonst nichts zu tun? Wie wäre es mal mit Lernen? So weit ich weiß, sind deine Noten ganz schön im Keller, genauso wie Toshizos... passt auf, sonst bleibt ihr noch sitzen..."

Das hatte ihnen gerade noch gefehlt, 3 Mädchen, die gemeinsam auf sie losgingen. "Fickt euch doch!" Takahashi hatte es satt, er ging Shina lieber an die Wäsche, wenn sie gerade alleine war, nicht wenn da noch Leute in der Nähe waren, die ihr helfen konnten.

Akemi ließ die beiden an sich vorbei und ging zu den anderen beiden hin. "Was war hier schon wieder los?" Shina stand die Zornesröte ins Gesicht geschrieben. "Die werden beide immer niveauloser... Toshizo wollte nett zu Riina sein und hat an ihr rumgefingert, der ist schon genauso schlimm, wie sein Freund. Die denken, wenn man nicht will, dürfen sie einen zwingen..."

"Wo ist sie?" Yûmikô blickte nach hinten. "In die Umkleide gestürmt, wir sollten besser mal nachsehen..." Die drei versuchten die Tür zu öffnen, doch diese war abgesperrt. "Sie muss echt Angst haben", sagte Yûmikô bedrückt, sie konnte solche Kerle nicht im Geringsten leiden, sie verabscheute Gewalt. "Riina-chan? Bist du da drin? Wir sind's bloß..."

"Komm da raus", startete Akemi einen weiteren Versuch. "Lasst uns durch die Halle gehen, daran hat sie sicher nicht gedacht..." Die Drei gingen in die Halle und öffneten von dort aus eine Tür, die zur Mädchenumkleide führte. Sie konnten die Rothaarige mit angewinkelten Beinen und mit dem Kopf auf diesen liegend, ausmachen. "Hey, sie sind weg, alles in Ordnung." Akemi und Yûmikô setzten sich eine links und eine rechts neben sie und legen einen Arm um sie, worauf sie gar nicht reagierte, man hörte sie nur schluchzen. "Das machen die nie wieder, wir passen schon auf, hast du gehört?" kam von Yûmikô, welche der Jüngeren über die Haare strich, so dass diese etwas den Kopf hob. "Die sind echt weg?"

"Ja, sind sie!" Shina beugte sich runter, sie wollte nicht von oben auf sie herab sehen. "Die bekamen Ärger mit uns und sind geflüchtet."

"Danke...", schluchzend wischte sie sich die Tränen weg. "Ich weiß ja, wie groß deine Angst vor so etwas ist, die sollten sich mal Gedanken machen, was aus ihnen geworden ist. Wenn du zuviel Angst hast, kann ich dich gerne nach der Schule abholen, oder ich schicke Wataru zu dir, was hältst du davon?" wollte die Hellbraunhaarige wissen. "Ich bin kein kleines Kind..."

"So hat sie es nicht gemeint, es ist nur besser so. Mit Takahashis Clique ist nicht zu spaßen. Und Toshizo ist drei Jahre älter als du und auch nicht gerade ein Schwächling. Dass er sich von seinem Freund hat helfen lassen, ist doch echt das Letzte, alleine hätte er dich sicher nicht wehrlos machen können..." Sie fing wieder an zu weinen, so dass Akemi sie an sich drückte. "Ist ja gut, ich wollte dich nicht daran erinnern..." Sie sah hilflos zu Shina und fragte sich, was genau sie gesehen hatten, was Akemi entgangen war. Es war aber auch eklig, was die Zwei abgezogen hatten.

"Ähm", Miyako stand in der Tür, da sie sich etwas Wasser hatte holen wollen, schließlich war der Rest schon am Trainieren. "Was ist denn hier los?"

Alle blickten in das Gesicht Miyakos, die völlig verunsichert in der Tür stand.

"Riina hatte ein paar Probleme mit zwei Jungs unserer Klasse", meinte Akemi und seufzte wehleidig, so dass Miyako auf die Rothaarige zukam. "Was haben die gemacht?"

"Spielchen gespielt", antwortete Shina trocken, aber doch leicht angewidert.

"Wer war das?" Miyako schaute in das Gesicht des Kapitäns.

"Arschlöcher!"

"Toshizo und Takahashi...", kam monoton von Riina, auch wenn man ein leichtes Zittern aus ihrer Stimme heraushören konnte. Miyako ließ den Ball fallen und starrte wie gebannt vor sich hin. In dem Moment erinnerte sie sich an eine sehr unangenehme Erfahrung. "Etwa Takahashi Siturô aus der Parallelklasse meines Bruders?"

"Ja, genau der Mistkerl und sein bester Freund...", erwiderte Akemi, wobei ihr Blick bei Shina hängen blieb, die sich das Verhalten Miyakos wohl genauer zu betrachten schien. "Hat der dir mal Angst gemacht?" Die Detektivin hatte wie so oft die Lage erkannt, ging zu dem Mädchen rüber, legte die Hände auf ihre Schultern und sah ihr direkt in die Augen. Die 14-jährige senkte den Blick, wich demonstrativ dem ihren aus und antwortete nicht.

"Was hast du denn mit Oberschülern zu tun, Miya-chan?" fragte Shina vorsichtig, so dass die Angesprochene ihren Kopf hob. "Ich meine, deine Reaktion von eben verrät mir, dass da irgendwas gewesen ist. Du musst ihn besser kennen, oder nicht?"

"Ja, Toshizo kann meinen Bruder nicht leiden. Die beiden haben andauernd irgendwelchen Zoff, deswegen bezieht er von dessen Clique ständig Prügel. Dann ist er zum Direktor gegangen, Toshizo bekam Ärger und ist dann zusammen mit Kenji gekommen." Sie legte ihren Finger an ihren Mund und biss sich auf den Fingernagel. "Die haben mich dann rumgeschubst, da habe ich mich gewehrt. Die waren grob. Ich habe es dann aber geschafft Kenji eine reinzuhauen. Toshizo hat mir dann gedroht, dass er seinen besten Freund holt." Sie seufzte, woraufhin Riina aufstand. "Da sieht man es wieder, Toshizo ist feige, er braucht für alles Takahashi. Manchmal glaube ich, dass der ihn nur mag, weil er für ihn andere angreifen kann."

"Takahashi wollte mich verprügeln, und was weiß denn ich, noch alles mit mir anstellen. Wenn Satomi, meine Schwester, nicht gekommen wäre, so hatte ich das Gefühl, hätten die mich krankenhausreif geprügelt... Takahashi hat mich an den Haaren gezogen und gegen eine Wand geschmissen, als sei ich ein Teddy, den man nicht mehr mag."

"Ist ja grässlich, aber so was von typisch für diese Idioten. Ich würde mich nicht wundern, wenn die in der Stadt kleine Kinder anfallen und ausrauben, oder so etwas in der Art", meinte Akemi. "Aber sonst fehlt dir nichts? Die haben dich nicht irgendwie angefasst, oder?" Der Rothaarigen war total schlecht, als sie ihrer Freundin diese Frage stellte. "Nein, die wollten mir nur Schmerzen zufügen, weil ihnen das anscheinend Spaß macht, und was haben die mit dir angestellt, dass du geweint hast?"

"Ich bin ein kleines Sensibelchen, Miya-chan, mir geht es schon wieder gut, die waren nur etwas gemein zu mir, hehe..." Sie grinste das Mädchen an, nahm den Ball an sich, der der Braunhaarigen runtergefallen war und zwinkerte ihr zu. "Und jetzt sollten wir zum Training, immerhin sind wir nicht gerade die Besten, also komm'..." Und schon war sie in die Halle gerannt und hatte die anderen stehen gelassen.

"Das war seltsam...", meinte Akemi.

"Nein, war es nicht", gab Shina zurück und zog ihre beste Freundin hinter sich her. "Du hast sie ja gehört und sie hat Recht, also gehen wir." Shina hoffte, dass sie durch etwas Training das Ganze loswerden konnte und nicht mehr daran dachte. Allerdings würde sie später wohl mit Wataru reden müssen, der Toshizo ständig in Schutz nahm.

Yûmikô ging hinter Shina und Akemi her und lugte über die Schulter von Ersterer. "Abreaktion?" kommentierte sie das Schlagen das Balles, der von Riina ausging. "Wenigstens heult sie nicht mehr, soll sie eben den Ball verprügeln, wenn's gut tut..." Yûmikô musste lachen. "Das erinnert mich jetzt doch sehr an mich früher. Wenn ich Probleme hatte, oder sauer war, habe ich es ganz genauso gemacht..." Akemi grinste fies, rieb sich leicht die Hände und sagte dann sehr verheißungsvoll: "Shina schlägt auch gerne auf den armen Ball ein, wenn ihr was nicht in den Kram passt, ist doch so, nicht?"

Die anderen, die gerade ebenfalls am trainieren waren, bemerkten, dass der Teamchef endlich wieder da war. "Die kommen heute aber echt spät...", sagte Kotomi und ging zu Shina rüber. "Schau sich doch mal einer diese Schreckschraube an. Jetzt haut die auf den Ball ein, als sei er ihr Feind, dabei kommt es nur auf die richtige Technik an."

"Ich weiß, du kannst das ja besonders gut, oder? Du kleine Besserwisserin denkst wohl wieder, du weißt alles, was? Sie ist wütend, deswegen prügelt sie ein bisschen auf den Ball ein, das hat dich doch gar nicht zu interessieren. Du weißt doch, dass ich es nicht leiden kann, wenn du über andere herziehst. Wenn wir weiter in derselben Mannschaft spielen wollen, solltest du dir das abgewöhnen. Hier macht niemand den anderen schlecht, ist das klar?" Kotomi warf den Ball vor Shina so fest es ging auf, als wollte sie ihr den Krieg erklären und sah sie wütend und trotzig an, ging dann aber lässig an ihr vorbei. Hinter ihr blieb sie stehen und lachte auf. "Wenn ich nicht aufgestellt werde, sondern deine neue Freundin, Shina, dann werden wir sang und klanglos verlieren. Ihr braucht mich, so ist das. Du bist ein mieser Kapitän, wenn du das nicht einsiehst. Nur, weil du mit ihrem Bruder eng befreundet bist, kannst du sie mir nicht so einfach vorziehen, dann muss sie erst mal gut genug sein, um mich zu übertreffen, aber das ist sie nicht. Wir können es aber gerne drauf ankommen lassen und sie geht nächste Woche für mich aufs Spielfeld, aber ich sage dir, dann fahren wir sicher nicht zur Meisterschaft!" Ein gehässiges Lachen war zu hören, bevor man ihre Schritte vernahm, die immer leiser wurden, je mehr sie sich entfernte.

Akemi gab ein Seufzen von sich. "Was jetzt, Teamchef?"

"Sollte sie sich abkühlen, oder nicht? Ich dachte für einen Moment, dass sie mir gleich den Ball ins Gesicht donnert. Die hat ihren Jähzorn doch gar nicht mehr unter Kontrolle."

"Hatte sie doch noch nie wirklich." Akemi schüttelte den Kopf und sah der Mannschaft dabei zu, wie sie alle, jeder für sich alleine trainierten. "Es wird mal wieder Zeit für ein gemeinsames Training und ich lasse mir von dieser Zicke doch nicht sagen, was ich zu tun habe. Ich werde sie noch mehr verärgern, glaub mir..." Ein etwas fieses Grinsen kam in Shinas Gesicht auf, so dass ihre beste Freundin sich gerade doch fragte, welche Gemeinheiten sie da so ausheckte. "Weihst du mich ein?"

"Mhm, was, wenn nicht, Mi-chan, versuchst du dann wieder meine fiesen Gedanken zu durchschauen, ja?" Das Mädchen mit dem Pferdeschwanz hüllte sich in Schweigen und ging zu den anderen, so dass ihre Freundin ihr missmutig nachschaute. "Wer weiß, auf was du wieder kommst? Vielleicht willst du ja eine blutige Anfängerin statt Okamoto aufs Feld stellen?" Shina blieb stehen, verdammt, wie hatte sie das bloß erraten?

Akemi fiel etwas die Kinnlade runter, als sie Shinas seltsames Schweigen bemerkte. "Das ist nicht dein Ernst, oder?" Sie schüttelte den Kopf und stellte sich direkt vor sie. "Mhm, mhm, mal sehen. Okamoto wird jedenfalls nicht mitspielen, das garantiere ich dir. Die kann nicht immer so weitermachen. Man muss ihr mal zeigen, dass sie damit nicht durchkommt. Und damit es auch richtig sitzt, mache ich wahrscheinlich auch nicht mit. Die tut doch jetzt wirklich so, als wenn sie die einzige ist, die ein Spiel gewinnen kann. Von Mannschaft hat die noch nichts gehört. Es dreht sich alles um sie, den Zahn ziehe ich ihr." Shina lächelte in Akemis Richtung. "Schau dir die anderen an, die kriegen das doch auch hin, nur sie nicht. Das muss eben geändert werden. Mit der einen oder anderen fiesen Methode. Das ist mir da ziemlich egal. Matsudaira wird mich sicher anzicken, wenn sie erfährt, wen ich da aufs Feld schicken will, aber da steh' ich drüber... Ausgerechnet die beiden, die wird einen Anfall erleiden..."

"Schick doch gleich das gesamte B-Team aufs Feld..." Was als Witz gemeint war, konnte allerdings auch in Ernst umschlagen, so wie die Hellbraunhaarige gerade schaute, war ihr das zuzutrauen. "Und das nur, um der zu zeigen, worauf es bei uns ankommt?"

"Ja, wir sind eine Mannschaft. Wenn sie Einzelsport betreiben will, sollte sie die Sportart wechseln, findest du nicht auch? Die kam eh nur hierher, weil's im Karateteam nicht so funktioniert hat und sie mir nachrennen musste."

"Sie wollte auf Teufel komm raus mit dir befreundet sein, nicht wahr?"

Ein Seufzen war zu hören, mehr brauchte es auch nicht, um Akemis Aussage zu bestätigen.
 

Unterdessen fand die Trainerin in der Umkleide der Jungen andere Beschäftigung, es ging nämlich ziemlich heiß her. Ein Stöhnen war zu hören, als seine freche Hand in ihren Slip ging und er sie, wie das Profis eben taten, reizte und mit dem Finger in sie eindrang. "Hey, du frecher Kerl, du würdest das echt hier machen? Frechheit!" beschwerte sie sich und entlockte ihm einen schmollenden Blick. "Du hast angefangen, Schätzchen, du hast mich provoziert, mit deiner ganzen Art, ich kann nicht anders", kam von ihm zurück, er lächelte fies und küsste sie stürmisch, wobei sie sich gegen den Schrank gleiten ließ. Seine Zunge umspielte wild die ihre, doch dann konnte man Geräusche von nebenan hören und beide beendeten ihr Spiel. Er ließ ihren Rock wieder runter und band sich die Krawatte neu. "Das ist echt nicht der Ort für so was, Ritsu, wir sollten uns außerhalb der Schule treffen..." Er betrachtete sein tolles Aussehen in einem Spiegel, woraufhin sie ihm provokant über die Brust fuhr. "Bei einem besonderen Schüler wie du doch immer. Jeder Zeit, Sêiichî..." Schon seit Wochen machte er mit der Frau in der Schule rum, obwohl es ja verboten war, doch genau das reizte ihn. Bisher war es beim Befummeln geblieben, doch ihre Worte verrieten, dass das nicht mehr lange so sein würde. Dann würde sie zu einer seiner Eroberungen gehören.

Er drehte sich herum und lächelte süß und unschuldig, wobei er Zweiteres wohl kaum war, schon seit zwei Jahren nicht mehr.

"Ich habe eine Bitte, Sêi-chan, du bist mit den Volleyballregeln vertraut, ist doch so, oder?" Oh man, woher hatte sie denn davon erfahren?

"Ich habe mich vor 2 Jahren damit beschäftigt, wieso?" Er sah sie schief an, es verwunderte ihn, dass sie so etwas wusste. "Ich brauche eine starke rechte Hand." Irgendwie hatte der Junge gehofft, sie würde so etwas vorschlagen, da konnte er ungestraft die Mädchen begaffen, ohne dass sie ihn rauswerfen konnten, das war durchaus mal was wert. "Ich soll beim Training helfen."

"Jap, euer Sportlehrer hat dich in hohen Tönen gelobt. Du seiest von seinem kleinen Haufen der beste Spieler und dass du Takahashi beinahe die Nase gebrochen hast..."

,Verzeiht der mir nie, dass er einstecken musste.'

"Ja, er hat sich überschätzt und bekam meinen Schmetterball mitten ins Gesicht, das sah vielleicht aus. Muss ganz schön wehgetan haben..." Ein Lachen war zu hören. Natürlich war Toshizo daraufhin aufgestanden, hatte den Ball genommen und ihm diesen volle Kanne übergeworfen, nur weil er nicht ertrug, dass Takahashis Nase geblutet hatte. Der war bei dem eben irgendwie nicht ganz dicht und nahm anderen alles übel.

"Die Mädchen können mal ein paar kraftvolle Bälle brauchen, sonst sehen wir bald alt aus, mit den ganzen neuen Nachwuchsspielern. Die rennen mir noch vor'm Ball weg. Du darfst mit Riina Takagi sogar Sondertraining veranstalten, dann rennt die den anderen nicht so zwischen den Füßen rum." Sêiichî tat, als hätte er ihre Abneigung nicht bemerkt, das war besser so.

"Okay, aber dann will ich ein Essen mit dir, heute Abend, plus Nachspeise..." Er sah sich auf der Siegerstraße, war doch klar. Er als Macho wusste ja auch, was zu tun war und bei ihr war das nicht schwer, denn sie war scharf auf ihn, das konnte man ihr ansehen. "Kriegst du, meinetwegen noch etwas mehr... Aber nicht heute, sagen wir in zwei Tagen... abgemacht?" Sie fuhr ihm durch die Haare und strich sie nach hinten. ,Wie kann man mit 17 so fantastisch aussehen und so männlich sein?' Sie tat es tatsächlich, sie fuhr auf ihn ab und wollte sich mal etwas mit ihm vergnügen. ,Mal sehen, ob er hält, was er verspricht...'
 

Yûmikô saß noch auf der Bank und schaute den anderen zu. Nicht zu fassen, wie stark das Niveau schwankte. Ihr waren bisher nur ein paar Spieler sonderlich aufgefallen, die besonders gut waren und die anderen weit hinter sich ließen. Jede von ihnen hatte irgendwie Schwächen, bis auf Shina und Naru. Zweitere hatte es zwar nicht so mit dem Angriff, doch konnte sie sich durchaus sehen lassen. Kotomi verpasste gerne mal Bälle, es war ihr schleierhaft wie die da hinten rechts positioniert sein konnte und sie dann auch noch gewannen. Sobald jemand die Ecke rechts anspielte und der Ball die Linie traf, verschätzte die sich total. Naru würde da viel besser hinpassen. Shina schien sowieso jeden kraftvollen Ball zu erwischen, schließlich war sie ja auch der Kapitän, Akemi verteilte meistens als Stellerin die Bälle, wenn nicht dann griff sie gemeinsam mit ihrer besten Freundin an, wobei die Reserve überhaupt nicht mithielt.

Wenig später stand ein junger Mann hinter ihr, das roch sie regelrecht an seinem aufdringlichen Parfüm, auch wenn er nicht viel davon mit sich herumschleppte. Sie drehte sich um und sah in Sêiichîs Gesicht. "Was hast du denn hier verloren?" fragte sie ihn, so dass er geheimnisvoll grinste. "Du wirst sehen..." Die Trainerin pfiff kurz in ihre Pfeife, um die Mannschaft zu sich zu rufen. "Ich will euch jemanden vorstellen!" rief sie, so dass alle in ihre Richtung blickten und auf sie zurannten, wie es üblich war. "Er wird euer neuer Co-Trainer, er hat damit schon Erfahrung. Er hat die Mädchenmannschaft der Sasaki-Mittelschule vor zwei Jahren trainiert und wird mir etwas helfen."

"Du hast echt die Sasakis trainiert?" fragte Akemi verblüfft, auch wenn sie angenehm überrascht war, dass er sich mit so was auskannte. "Ja, habe ich, bis unser Sportlehrer das übernahm... Ich, Ryochi und Hitomi haben oft als Kinder am Strand gespielt und deswegen konnte ich das schon ein wenig..." Er ließ Yuichi gewissenhaft weg, das tat er ständig, als hätte es ihn nie gegeben, so fiel ihnen das leichter. Ryochi mochte ja auch nicht mit jedem darüber reden. "Mit 13 habe ich ja auch in der Mannschaft gespielt, mit 14 habe ich aber aufgehört, weil es mir neben der Schule zuviel wurde, tja. So kam das alles, ihr könnt mich ja gerne testen."

"Du sollst uns ja nur trainieren, wir werden ja sehen, ob du dem gewachsen bist", gab Shina von sich und zeigte auf die Bälle. "Du kannst es uns ja mal so richtig zeigen." Sie sagte das geradezu wie eine Herausforderung, so etwas hatte sie ohnehin schon lange nicht mehr gehabt, jemand, der es mit ihr aufnahm. Deswegen versuchte sie ja auch Yûmikô derweil dazu zu überreden, in die Mannschaft einzutreten, aber auch, weil sie zuviel Zeit mit Lernen verbrachte und mehr Sport machen sollte.

Die beiden begaben sich auf Position, er auf der linken Seite des Spielfeldes, sie auf der Rechten, wenn man von der Tür aus zum Feld blickte. Akemi ging zu Sêiichî hinüber und brachte einen Ball mit. "Ich helfe dir..." Er sah zu ihr und lächelte.

"Schlag den Ball so fest du kannst, verstanden?" Der Schwarzhaarige entfernte sich ein Stück vom Netz, während ihm ein wenig Schweiß über das Gesicht lief. So stark wie Yuichi war er zwar nie gewesen, aber er konnte durchaus so fest zuschlagen, dass man sich verletzen konnte. "Ich hoffe mal, dass du weißt, was du da tust, Shina-san", sagte er, wobei er darauf wartete, den Ball über dem Netz zu sehen, was durch Akemis Wurf wenig später auch geschah, also sprang er nach oben und schlug ihn direkt in Shinas Richtung. Er legte viel Kraft in den Schlag, so dass der Ball sich rasend schnell näherte. Er flog auf ihre Bauchgegend zu und sie machte die Hände zusammen, woraufhin sie den harten Ball auf ihren Handgelenken spürte und er zur Sêiichî zurückflog. Etwas gezuckt hatte sie zwar, stand aber noch so wie zuvor, was ihn auf gewisse Weise beeindruckte. ,Die können auf ihren Kapitän echt stolz sein, da würde Kimiko Tokorozawa echt neidisch werden.' Der Kapitän der Volleyballmannschaft an Sêiichîs ehemaliger Schule war wie so viele mit ihm liiert gewesen, bis sie ihn satt hatte, weil sie herausfand, dass er auch noch andere Freundinnen hatte. Er trauerte dieser kleinen Freundschaft nun doch etwas hinterher, eine schlechte Partie war sie ja nicht gewesen.

Er entschied den Ball direkt zurückzuspielen, so dass Shina auf das Netz zuschnellte und kurz nach ihm hochsprang, in der Hoffnung ihn abzublocken, doch da ließ er den Ball zur Seite abdriften. Yûmikô war nun aufgesprungen und wollte zeigen, wie man als Mannschaft spielte, also nahm sie den Ball, der nach hinten flog mit einer Hand an. Shina kam gerade wieder auf dem Boden auf und schaute sich nach hinten um. Der Ball kam flach auf sie zugeflogen, direkt in Netznähe, also schlug sie ihn nach unten. Rasend schnell zischte der Ball an Sêiichî vorbei, der kurz klatschte. "Netter Überraschungsangriff und das obwohl ihr keine Partner seid..."

"So war es schon immer, sie kann jeden gut platzierten Ball spielen, ohne mit der Spielerin, die ihn ihr gibt, trainiert gewesen zu sein", meinte Akemi, die ein paar mehr Bälle holen ging. "Wollen wir ein Zweierspielchen machen? Davon profitieren wir doch alle, nicht?" fragte Yûmikô, da ihr der Ball des Jungen gefallen hatte. Sie brauchte auch mal wieder ein paar ordentliche Bälle, um in Schwung zu kommen.

"Meinetwegen..." Sêiichî zog die Augenbraue hoch, war doch sehr verwundert, dass die beiden Mädchen jetzt ein Spiel wagen wollten.

Während die restliche Mannschaft bei der Trainerin blieb und einige sich fragten, wer das Mädchen war, das gerade ins Training eingegriffen hatte, staunte der Rest nicht schlecht.

"Na, worauf warten wir dann noch, Sêi-chan, die sind ja ganz schön ehrgeizig, machen wir es ihnen eben schwer!" Akemi nahm die Herausforderung natürlich liebend gerne an. So ein Training bekam man nicht alle Tage.

Die anderen waren fast etwas neidisch, dass sie nur zu Viert spielen würden.

"Gerne, Süße", meinte er, gerade in dem Moment als Kôji zu den anderen stieß. "Was geht denn hier ab? Was hat der Macho hier verloren??" motzte der 16-jährige, woraufhin ein Junge neben ihm die Schultern zuckte. Er hatte hellbraune Haare und strahlend blaue Augen. "Hey, Oni-san", begrüßte Miyako, die seine kleine Schwester war. Beide strahlten. "Sêiichî Iwamoto wird Co-Trainer und Yûmikô vom Nagoya-United Team spielt jetzt mit dem Kapitän gegen Akemi und Iwamoto... Das wird was. Der Kerl kann angreifen, wird sicher spannend."

"Man, muss der sich denn so wichtig machen?" Es missfiel dem Dunkelhaarigen, dass dieser Angeber ausgerechnet mit seiner Freundin auf dem Feld stehen sollte. "Hoffentlich werden die ordentlich fertig gemacht, das würde ich dem Typ gönnen, wenn er sich so aufspielt..."

Der Teamchef des Basketballvereins war nun auch aufgekreuzt und hörte noch, was Kôji schadenfroh von sich gab. Es war niemand anderes als Shinas Freund Ryochi. "Dann wirst du heulen, Miura, weil Sêiichî nämlich früher mal Volleyball gespielt hat und damit sehr erfolgreich war. Fußball konnte er ja nicht ab, also hat er es im Volleyballteam versucht. Er hat die Mannschaft angeführt, also freu dich nicht zu früh." Wie es ihm Freude bereitete, Kôji zu ärgern, der grundlos eifersüchtig war, denn Ryochi war klar, dass Sêiichî Kôji mochte und sich kaum an seine Freundin ranmachen würde, schon alleine wegen seiner Sympathie nicht.

"Harhar, wir führen irgendwie alle eine Mannschaft an, stell dir vor. Ich bin nämlich Kapitän des Baseballclubs, du Angeber!" Anscheinend wollten die beiden jetzt streiten, was den Mädchen ein genervtes Seufzen entlockte. "Ja, ja und jeder will besser sein, habt ihr's jetzt bald?" wollte Naru wissen, die dieses Verhalten sehr albern fand. Die hatten das wohl alle nötig. Kotomi stand schon die ganze Zeit etwas abseits und beobachtete den Kapitän der Baseballmannschaft, denn er hatte es ihr angetan. Diese breiten Schultern, dieses aufrichtige Lächeln, sein Lachen, wenn er mal nicht mit jemandem wie Shinas Freund stritt. Alles an ihm eben, sie konnte Akemi nicht leiden, denn sie hatte den Jungen bekommen, den Kotomi für sich wollte. Sie hatte Kôji vor einem Jahr durch Shina kennen gelernt, doch da war er schon mit Akemi zusammen gewesen, weswegen sie nie eine Chance hatte, denn er hatte nur eines im Sinn: Akemi Miyano.

Sêiichî grinste vor sich hin, irgendwie waren sie heute alle hergekommen, um ihn beim Training zu beobachten. Anscheinend hatte das Ganze schon die Runde gemacht.

"Na, los, Mi-chan", rief Sêiichî, so dass Kôji Halbmondaugen aufgesetzt hatte, immerhin verniedlichte Sêiichî gerade ihren Namen, obwohl sie sich kaum kannten. Noch viel schlimmer jedoch war, dass sie nichts dagegen sagte. ,Was läuft da zwischen dir und Iwamoto??' Eifersüchtig beobachtete er die beiden ganz besonders und genau.

Die 16-jährige schlug auf, Shina nahm ihn aus der Luft, während sie rannte, Yûmikô spielte ihn hoch und Shina schmetterte ihn aus der Mitte des Feldes in das gegnerische Hinterfeld. Akemi machte eine kleine Bauchlandung, während ihrer Annahme. Der Ball flog nach rechts, wo es Sêiichî nur möglich war, ihn hochzuspielen, so dass Akemi schnell aufsprang, auf das Netz zurannte und einen Angriff startete, der von Yûmikô und Shina mit einem Zweierblock verhindert wurde. Sêiichî konnte den Ball gerade noch am Boden aufkommen sehen. ,Schlecht sind die aber echt nicht, da wird es die Sasaki dieses Jahr schwer haben, im Finale zu landen.'

Diesmal war es Shina, die aufschlug. Ihr Ball kam rasend über das Netz geschossen und verlangsamte sich ein wenig, so dass Sêiichî bei der Annahme hinfiel und Akemi beobachtete, wie der Ball nach hinten flog, so dass sie ihm nachrannte, ihn mit einem Arm wieder zurückschlug und er zu direkt vor Shinas Nase flog. ,Ach du...' Sie schluckte kurz, sah ihre beste Freundin hochspringen und den Ball auf Sêiichî zuspielen, der zu langsam war und ihn in die Magengegend bekam. Er kniff ein Auge zu. "Alle Achtung, Ryo-chan, deine Freundin kann ganz schön zuschlagen." Er musste zugeben, dass sie wirklich verdammt gut spielte und es mit ihm aufnehmen konnte, obwohl er als fast Erwachsener mehr Kraft haben müsste. Er war auf die Knie gegangen und hielt sich den Bauch, bevor er sich wieder erhob und sich leichter Schweiß auf seinem Gesicht bildete.

Und ein erneuter Aufschlag des Teamchefs war gegeben, der nun von Sêiichî erwischt und von Akemi hochgespielt wurde, so dass er endlich die Gelegenheit hatte, sein wahres Können zu zeigen. Beim Sprung holte er weit aus und schmetterte mit voller Kraft. Yûmikô schaltete schnell, landete auf den Knien und baggerte ihn dabei. Sie kniff dabei doch kurz ein Auge zu und erhob sich, indem sie sich mit der Hand abstützte.

,Die nächste, die meinen Ball kriegt, ich bekomme Komplexe', dachte sich Sêiichî, der das Gefühl hatte aus der Übung zu sein und das nur, weil zwei Mädchen seine Bälle erwischt hatten und spielen konnten, ohne vor Schmerz stöhnend am Boden zu landen.

Shina hatte ihn derweil gestellt, so dass Yûmikô ihn so schnell attackierte, dass der Junge dem Ball wieder nur nachschauen konnte.

,Verteidigung ist nicht deine Stärke, das merkt man sofort, Sêiichî, weil du Schiss hast, du könntest dir was brechen, och.' Ryochi war etwas schadenfroh, immerhin hatte er hier versucht anzugeben, das war die Strafe.

Beim nächsten Ball war es genug, wie er fand, also griff er direkt an. Damit rechneten die Zwei nicht, so dass keine von ihnen den Ball erreichte, der weit hinten im Feld aufschlug.

"Na, Bravo, Sêiichî... Hier, Mi-chan", Shina warf ihrer Freundin den Ball zu und machte sich nichts aus ihrem verpassten Ball.

Diese schlug gleich auf und gab Shina einen ordentlichen Aufschlag, welchen sie knapp retournierte und Yûmikô ihn nur mit Mühe stellen konnte, da er sehr schräg gekommen war. Er flog nicht sehr hoch, Shina beeilte sich und schlug ihn so fest es ihr möglich war zu Akemi, die nach ihm hechtete und ihn mit einer Japanrolle annahm. "Ja, Akemi, gib's ihnen!" feuerte Kôji seine Freundin an, so dass Kotomi leicht aufstöhnte. Wie er aber wieder strahlte, sie wurde ganz rot und sah ihn offensichtlich an, was Ryochi nicht unbemerkt blieb. ,Ach herrje, was hat die denn? Ist die etwa...?'

Sêiichî war diesmal wieder am Angreifen, Yûmikô wollte ihn abblocken, sprang hoch, als er den Ball volle Kanne gegen ihre Hände schlug und sie durch die Wucht mitgerissen wurde. Shina, die hinter ihr stand, schaltete sofort und stoppte Yûmikôs Fall, sie hätte sich mit Sicherheit verletzt. "Gemeiner Ball, also wirklich..." Schwer atmend blickte er zu den beiden rüber. "Du hast ganz schön Kraft, aus der Nähe kommt da keiner gegen an", sagte Shina. Yûmikô war erschrocken und würde ganz sicher keinen seiner Bälle erneut blocken. Das war ihr doch zu gefährlich.

Stille herrschte nun in der Halle. "Sorry, das war keine Absicht, Yûmikô-chan."

Wataru, der nur durch die Scheibe reinsah, hatte gesehen, wie gefährlich Volleyball oft war und machte sich Sorgen um seine so zartbeseelte Schwester. "Man, jetzt mischt Miko-chan da auch noch mit. Ich bleibe doch beim Baseball, ist ja krass, wie die spielen." Die Mädchen hatten doch gegen Sêiichî gar keine Chance, zumindest sah es ihm so aus, doch da täuschte er sich, sie würden sich bestimmt nicht von ihm besiegen lassen.

Kôji stand direkt vor der Tür und hörte Watarus Gebrabbel von draußen, so dass er die Tür öffnete. "Sag' mal, Wata-chan, warum versteckst du dich da denn?" Er war verwirrt und zog seinen besten Freund zur Tür herein, während man sie zur Seite stieß, da ein Ball zu ihnen rüber geflogen kam. "Hey, wollt ihr uns erschlagen?" Ryochi fing an zu lachen, es war aber auch zu witzig. Sêiichî legte eine Bauchlandung nach der anderen hin und ließ den Ball auch noch zur Tür abdriften, wo sie alle standen.

"Mhm... 6:4, jetzt fangen sie wohl erst richtig an, was?" Akemi und Sêiichî hatten es schwer, da Shina und Yûmikô recht lernfähig zu sein schienen und gerne Akemi abblockten, so dass Sêiichî dem Ball nachrennen musste, was nun echt schweißtreibend war. Er seufzte, während sich der 17-jährige einigen Schweiß aus dem Gesicht wischte. Seine schönen Haare klebten ihm schon im Gesicht, er hasste das.

Ryochi konnte ihm das förmlich im Gesicht ablesen, weswegen er sich noch mehr kugelte und den Bauch hielt. Schmollend stand der Schwarzhaarige auf und konzentrierte sich auf das Spiel - sollten die doch über seine Stürze lachen, war ihm doch egal.

Ein Knall ertönte, der von Yûmikôs Aufschlag kam. Als Akemi ihn annehmen wollte, prallte er ihr gegen das Kinn, so dass sie erst mal zu Boden ging.

"Ach du scheiße", meinte Wataru nur und hielt sich die Hände vor die Augen, er wollte Derartiges nicht sehen. "Hey, Mi-chan, ist alles okay?" fragte Sêiichî leicht besorgt, aber sie stand daraufhin gleich wieder auf. "Autsch, das tat fast schon weh, Miko-chan..."

Der nächste Ball kam. Um Akemi die Kanone vor der Nase wegzuschnappen, schlug Sêiichî ihn zurück. An seinem doch sehr harten Ball scheiterte diesmal Yûmikô, da die Entfernung kurz war und sie bei der Annahme versagte, indem der Ball verdammt flach nach hinten flog - unerreichbar.

Die nächsten Angriffe wurden von Shina und Sêiichî ausgetragen, keiner von ihnen wurde retourniert, bis es 14:14 stand und beide etwas nach Luft schnappten.

Ganze 2 Minuten lang waren Yûmikô und Shina damit beschäftigt, seinen Bällen nachzurennen, verpasst hatten sie bis jetzt allerdings noch keinen, bis es Yûmikô gelang einen Angriff zu starten und der Ball den Boden berührte. "So ein Mist." Akemi wischte sich nun auch etwas Schweiß aus dem Gesicht und wartete auf den Aufschlag. Diesmal drehten sie den Spieß herum und ließen ihre Gegner etwas laufen. Die meisten Bälle bekamen sie nur sehr knapp, wobei der Angriff ausblieb, denn sie konnten froh sein, wenn Shina und Yûmikô nicht den finalen Punkt kassierten, also versuchten sie nichts durchgehen zu lassen. Nach fast 2 ½ Minuten waren alle zum Zerreißen gespannt und drückten allen vier Leuten die Daumen.

Letztendlich war es Akemi, die angriff und von Shina geblockt wurde, woraufhin der Ball ganz knapp vor das Netz fiel und Sêiichî voller Hektik auf ihn zu sprang, es allerdings auch nicht mehr schaffte, ihn gescheit hochzuspielen, so dass er zur Seite und über den Boden sprang und er unter dem Netz lag, was die Stille brach und alle zum lachen brachte.

"Mannoman, ihr habt euch tapfer geschlagen, Mi-chan", sagte Shina, ging unter dem Netz durch und half Sêiichî hoch, der schmollend und frustriert aussah. "Glückwunsch, das war ein Sieg, ihr habt vielleicht Ausdauer."

"Hey, ihr auch", meinte Yûmikô, die einmal tief durchatmete.

"Ich schlage vor, dass du jetzt mit Takagi trainierst und zwar draußen, während wir hier Angriffe üben..." Shina verdrehte die Augen, jetzt jagte Matsudaira schon einzelne Spieler nach draußen, das war ja wohl nicht mehr zu fassen. "Und mit Yûmikô Otaké will ich mich unterhalten..." Der Groschen war gefallen, so dass alle auf Yûmikô zustürmten und ihr um den Hals fielen. "Mit dir werden wir sicher nicht ein einziges Spiel verlieren!" Die Arme war total überfordert und verstand die Welt nicht mehr. "Halt, stopp, Shina hat mindestens genauso viel geleistet, nur nicht zuviel Komplimente, ja?" Und das nur, weil sie Kapitän von Nagoya-United gewesen war, da vergaßen die doch glatt ihre Mannschaftsführerin. "Ich habe nicht vor, mich hier breit zu machen, bedaure, ich will nur mitspielen, das ist alles." Die ganze Scharade mit Sachen Mannschaftsführung war ihr eine Nummer zu groß gewesen, weswegen sie aus der Mannschaft ausgetreten war und jetzt freuten die sich hier tot. Na toll.

"Warum bist du so bescheiden? Du wurdest aus den 100 besten Spielerin ganz Japans zum Teamchef gewählt, du bist daher Japans beste Spielerin, da kann man sich ruhig mal was einbilden", kam von Chisa, die Yûmikô halbwegs im Arm hielt, was dieser unangenehm war, doch diesmal unternahm sie nichts dagegen, da es sich nicht um Jungs handelte. "Boah, klasse, ich erinnere mich noch an das letzte Endspiel gegen die Sasaki-Mittelschule, die mussten ganz schön einstecken", frohlockte Shizuru, die sowieso gerne den Mannschaftskopf gespielt hätte, aber sich mit der Nummer 3 zufrieden geben musste, da sie an Shinas Niveau nicht rankam. Sie war nicht schlecht, aber auch nicht so gut, um sie zu übertreffen, obwohl sie seit sie 12 war, zum Team gehörte und dieses früher sogar angeführt hatte, bis Akemi und Shina mitspielten. Sie nahm es ihnen jedoch nicht übel, dass sie sich in den Vordergrund gedrängt hatten, schließlich sorgten sie dafür, dass die Mannschaft erfolgreich war, solange war alles gut.

"Mhm, das Spiel gegen die Sasaki war ziemlich unausgeglichen, so weit ich mich erinnere, haben die 2:0 gegen United verloren. Hast du die da noch trainiert, Sêiichî?"

"Nein, da hatte ich gerade andere Probleme", er hustete leicht, oh ja, und wie er die gehabt hatte.

"An eines erinnere ich mich noch genau, den Sasakis fiel der Kapitän aus, das hat sich auf den Teamgeist ausgewirkt. Die wussten nicht mal mehr, wie man einen einfachen Schmetterball annimmt, die waren so mutlos, dass es aussah, als wollten sie gar nicht mehr gewinnen. Wieso spielte die eigentlich bei diesem wichtigen Spiel nicht mit? Weißt du das, Iwamoto?" wollte Naru wissen, da sie es interessierte, wenn die beste Mannschaft von denen aus Kyoto so haushoch verlor. "Sie hatte Liebeskummer", seufzte Sêiichî und drehte sich etwas weg, schließlich hatte er alles in die Wege geleitet.

"Oha", kam von Shina, die ihm einen fiesen Blick schenkte. "Und du warst schuld, was?"

Ryochi verdrehte die Augen, schüttelte den Kopf und seufzte anschließend auch noch. "Wie gut erkannt, du weißt mal wieder alles, ohne dass man es dir sagt."

"Hey, er hat sich so verdächtig herum gedreht...", erklärte die Schülerdetektivin, was Ryochi ein stolzes Lächeln gab. "Typisch du mal wieder, wann übersiehst du so etwas auch??"

Die meisten würden es nicht für möglich halten, aber er fühlte sich schuldig und es saß ihm noch immer, auch ein Jahr nach der Trennung, in den Knochen. Er hatte sie schließlich ins Herz geschlossen und sie zumindest gemocht. Zu dumm, dass alles rauskam und das nur, weil er nie sagte, dass er sie liebte, weil er sie nicht belügen wollte. "Na ja, das passt ja zu dir, dass du anderen das Herz brichst, oder etwa nicht?" stichelte die Hellbraunhaarige, so dass Ryochi sie schon aufhalten wollte. "Leena geht es ja nun nicht anders, wie es scheint. Pass nur auf, dass du dadurch keine Mädchenfreundschaften zerstörst..."

"Oje, man hat dir gesagt, dass Riina meine Freundin ist... da habe ich doch sicher bald Toshizo im Nacken, ich freue mich schon", gab Sêiichî sarkastisch von sich, was Shina nun doch interessierte. Sie vergaß, dass sie trainieren wollten und ließ die anderen spüren, dass sie Detektivin war. "Mich würde interessieren, was genau der gegen dich hat... Und überhaupt, die meisten mögen dich, aber Toshizos Freunde scheinen dich beinahe zu hassen... Hast du denen was getan? Bzw. Toshizo? Freundin ausgespannt?" Shina sollte damit aufhören, sie riss alte Wunden auf, was man an Sêiichîs Schweigen nun doch bemerkte. ,Oh Gott, Volltreffer', dachte sie sich. "Wenn das so ist, dann geschieht es dir Recht. Lern daraus und mach nicht so weiter..."

Alle schwiegen, bis Naru die Stille brach. "Hey, lasst ihn jetzt zufrieden, ich möchte jetzt auch ein paar Bälle. Was bringt es uns, wenn er Trübsal bläst und dann schlecht spielt, also los ihr!"

Die Rothaarige ließ ihren Freund stehen und ging stattdessen mit Miyako im Schlepptau so weit weg wie möglich. "Ihr verhaltet euch echt verliebt, ehrlich", meinte diese seufzend. Riina hörte ihr gar nicht zu, starrte nur auf den Ball und schwieg. Was hatte die denn jetzt? War es wegen Toshizo, der mit Takahashi befreundet war? "Hey, Riina!" Sie stieß ihr absichtlich in die Rippen, um sie aus ihrer Trance zu befreien. Die Angesprochene blickte zur Seite und sah sie unverständlich an. "Was ist?"

"Du warst weit weg."

"Mit mir ist alles in Ordnung, komm', wir trainieren." Was sie nicht sahen, war Matsudaira, die von hinten kam, Riina am T-Shirt schnappte und hinter sich her zerrte. "Nichts da, du verschwindest nach draußen und trainierst mit Sêiichî 100 Annahmen, kapiert?" Was sollte das nun wieder für eine Strafe sein? Was hatte sie dieser blöden Kuh denn bitte getan, dass sie so mit ihr umging?

"Herrje", seufzte Akemi, die mit dem Blick Matsudaira verfolgte.

"Eines noch, Takagi, auf dem Spielfeld haben Gedanken wie Freunde keinen Platz. Wenn ich dich noch mal dabei erwische, dass du unkonzentriert bist, weil du damit beschäftigt bist, Sêiichî anzuhimmeln, fliegst du, wir sind doch nicht im Kindergarten!"

Ryochi fand die Frau auch ziemlich nett, so wie die schon redete, steckte da aber Hass dahinter, nur warum? Er war schließlich auch Detektiv. Und wieso stand Wataru so teilnahmslos rum? Wäre das seine Schwester, würde diese Frau aber was erleben.

"Hören Sie jetzt auf damit!" lenkte der Braunhaarige ein, da er die Faxen dicke hatte. "So geht man nicht mit Mädchen um, sie hat doch gar nichts getan. Behandeln Sie sie gefälligst nicht wie Dreck, sonst gehe ich zum Schuldirektor und melde es!" Genau so etwas hatte Shina auch gerade sagen wollen, doch ihr Freund war ihr zuvor gekommen, was sie zu einem Grinsen brachte. ,Gib's ihr, die hat es nicht anders verdient', dachte sie schadenfroh und vermied ein Auflachen.

Ryochi wurde Wataru immer sympathischer, obgleich er ihn damals beinahe gehasst hatte, er war nicht so, wie sie alle gedacht hatten und verdammt viel Mut hatte er auch, Wataru selbst hätte sich nie getraut, so mit dieser Frau zu reden.

"Wir wollen doch nicht übertreiben", versuchte Matsudaira den Jungen um den Finger zu wickeln, doch dieser konnte so etwas gar nicht leiden, weshalb er ihre Hand wegstieß, die sie ihm auf die Schulter legte, er war nicht wie Sêiichî und fuhr darauf ab, dass Frauen ihn so betatschten. "Ich übertreibe nicht, das tun Sie zur Genüge, also bitte. Ich meine es ernst. Wenn ich Derartiges noch einmal sehen muss, waren Sie lange Zeit Trainerin!" drohte er ihr und sah sie mit einem rebellischen Blick an, was ihr missfiel, so dass sie einen abfälligen Laut von sich gab und sich von ihm entfernte. "Los, trainieren wir, bis später, Takagi!" Das Mädchen blieb bei Sêiichî stehen und schaute ihr trotzig nach. "Ich kann sie nicht ab, so wie sie mich!"

"Na, dann, gehen wir raus..." Ein giftiger Blick wurde an Sêiichî geschickt, als der es wagte, sie zu sich in die Arme zu ziehen. "Iwamoto, ich warne dich, lass die Mädchen in Ruhe, verstanden??" rief die Trainerin ihm zu, so dass er unschuldig lächelte. "Keine Sorge." Und verschwand mit seiner Freundin lachend nach draußen. ,Da hat sie sich ja genau den Richtigen ausgesucht', musste sich Ryochi über sie lustig machen, weil er seinen Freund ja wohl am besten kannte. Der und die Mädchen zufrieden lassen, wie blind war die denn? War sie seinem Charme erlegen, oder wie?

"Die hat dich aber gern, Sêiichî." So etwas musste Riina ihm sagen, die tat ja so, als würde er ihr ganz alleine gehören. Wenn die so weitermachte, hatte sie sie gleich zum Feind. Diese Frau erinnerte sie derbe an das Gegenstück zu ihrem Vater, der gerne an kleinen Mädchen rumspielte, nur waren es bei ihr wohl Jungs.

"Mich haben doch alle gern, Süße..." Er umarmte sie, so dass sie ihn von sich schob. "Achja? Komm' bloß wieder runter, ich kann dich so nicht leiden, das weißt du..." Ihr kleiner Macho hatte wohl zu heiß gebadet, aber sonst hatte der keine Probleme?

"Mach' so weiter und ich mag dich bald gar nicht mehr. Deine Arroganz stinkt ja..." Sie ging von ihm weg. "Jetzt zick' nicht so, wir wollten trainieren."

"Dann mach' mal und lass dein Machogehabe zu Hause, das passt jetzt nicht..." Ein genervtes Stöhnen kam von ihr. Er saß auf einem ganz hohen Ross und dachte, so etwas wie, verlassen werden, könnte ihm nicht passieren, da musste er aber sehr aufpassen, denn nicht alle waren total in ihn verknallt und ließen sich alles bieten. Sie war nicht Leena, die das zulassen würde, das würde Sêiichî schon noch früh genug bemerken, wenn sie ihn wieder anzickte.

Akemi musste lachen, als sie die beiden da draußen so sah und streckte den Kopf raus. "Sagt mal, Riina-chan, habt ihr nicht was vergessen?"

Verwirrt beäugte sie die Ältere, die ihr einen Ball zuwarf. "Hier, der wollte unbedingt von dir im Arm gehalten werden..." Die Rothaarige fing ihn auf und verstand, woraufhin sie nickte. "Ja, ja, Baka, du bist in Gedanken ganz woanders, deswegen hast du vergessen, einen Ball mitzunehmen... und jetzt schau nicht so..."

"Na, dann ihr Turteltäubchen, übertreibt es nicht, ja? Und lasst euch nicht von Matsudaira erwischen..." Wie frech die sein konnte, nicht zu glauben.

"Ja, Mi-chan, jetzt komm wieder her, sonst wird das nie was, alle warten auf dich!" meinte Shina, die sie von der Tür wegzog.

"Sind sie nicht süß?" Der Hellbraunhaarigen entfuhr ein Stöhnen. "Die sollen aber trainieren, nicht rumturteln, also wirklich."

Kôji beobachtete seine beiden Süßen und grinste vor sich hin. "Streitet ihr schon wieder? Falls ihr es schon vergessen habt, da ist das Feld", meinte er grinsend zu Akemi und zeigte nach hinten. "Klappe, geh lieber zu deiner Mannschaft, Kapitän!"

"Das Training fällt aber aus, ich werde euch jetzt etwas zuschauen..."

"Och nöööö, noch so eine Nervensäge, die uns angafft..."

In Kotomis Augen benahm sich Akemi gerade wie eine dumme Zicke, die Kôji gar nicht verdiente und da sie sowieso im Moment mit Shina anfing zu trainieren, ging die 15-jährige zu dem Baseballspieler und setzte sich zu ihm auf die Bank, wobei sie nett lächelte. "Hey, Kôji-san, wie geht's dir?" Eine zarte Röte lag auf ihrem Gesicht und sie wirkte dadurch ungewohnt schüchtern. Er sah zur Seite. "Hi, Koto-chan, mir geht's gut und dir?" Der Junge dachte sich dabei nicht besonders viel, in dem Punkt war er wie sein bester Freund - naiv.

"Redet deine Freundin immer so mit dir?" Sein Blick wandelte sich von naiv in ziemlich verblüfft. "Wieso interessiert dich das denn?"

"Ich finde, dass sie dich besser behandeln müsste, darum." Sie sah zu Boden, wagte es nicht, ihm ins Gesicht zu sehen, wobei sie ihren Ball fester hielt, als es nötig war. Es wirkte, als wolle sie sich aus Angst, er könne etwas bemerken, an den Ball klammern. "Erst bricht sie dir das Herz, indem sie dich verlässt, dann kommst du doch wieder mit ihr zusammen. Warum lässt du dir von ihr soviel gefallen? Das müsstest du nicht! Es gibt ein Dutzend Mädchen, die alles dafür tun würden, damit du glücklich bist." Und sie gehörte zu diesem Kreis von Mädchen, die sich allesamt in den Kapitän des Baseballteams verknallt hatten, die meisten waren Cheerleader, aber Kôji hatte nichts für sie übrig, beachtete sie ja nicht mal, er war nun einmal schon vergeben, damit musste die Schar klarkommen.
 

Während sich die beiden unterhielten, machte Sêiichî seinen ersten Schlag. Man sah es von drinnen nicht, aber er nahm ziemlich Rücksicht. Er wollte, dass sie sich an die Kraft, die dahinter steckte, gewöhnte, also wurde jeder Schlag ein klein wenig härter, was ihr nicht auffiel. Bis zum 20. Ball nahm sie jeden an, doch dann waren sie bei einer Stärke angekommen, die ihr Probleme bereitete. Der nächste kam so schnell, dass sie ihn nicht einschätzen und deswegen auch nicht kriegen konnte. Er blieb dabei und donnerte ihr den nächsten gegen den Unterarm. "Schlägst du auf einmal härter, oder kommt mir das nur so vor?" fragte sie unter rasendem Atem. "Ja, tue ich."

Es war jetzt mehr davon abhängig, wie nah der Ball an ihren Oberkörper rankam, ob sie ihn annahm, aber er machte es ihr gewissenhaft schwer, damit sie besser wurde, doch einmal schlug er ihn zu weit nach rechts, aus dem Grund flog er in Richtung einer der Bäume. Sie, die am Boden lag, stand auf, sprang dem Ball nach und erwischte ihn noch im Flug mit einer Hand. Sêiichî wollte sie noch wegen dem Baum warnen, doch da war es schon geschehen. Während des Aufpralles am Boden stieß sie mit dem Kopf gegen den Baumstamm, so dass er die Augen zukniff. Sie blieb regungslos liegen, weswegen er sofort zu ihr rannte. "Itaaaai!" schrie sie, stand langsam auf und fasste sich an die Stirn. "Du Idiot... das tut vielleicht weh."

"Hast du dir arg wehgetan?" Er hatte Angst, dass sie sich ernsthaft verletzt hatte und kniete sich zu ihr hinab. Sie sah ihm ins Gesicht. "Ich glaube, es geht schon." Der Schwarzhaarige seufzte erleichtert, bemerkte dann aber, dass Blut über ihre Stirn rann. "Von wegen." Er hob sie hoch, was ihr nicht gefiel. "Hey, was tust du da?"

"Für dich war's das heute, du blutest, so trainieren wir sicher nicht weiter." Die Mittelschülerin zappelte ein wenig, weil sie nicht von ihm durch die Gegend getragen werden wollte. "Zappel' doch nicht so, vielleicht hast du eine Gehirnerschütterung." Daraufhin unterließ sie das Zappeln und lehnte den Kopf an seine Brust. "Machst du dir etwa Sorgen um mich?"

"Was denn sonst?" Empört blickte er in das süße Gesicht seiner Freundin. "Aber du scheinst ja noch fit genug zu sein, um zu zappeln, was?"

Sie schmollte, was er einfach süß fand. Wie sie ihn mit den Augen anfunkelte. "Hey, so ein Blick macht dich echt sexy, da kriegt man Lust."

"Spinner..."

Wataru öffnete die Tür und sah die beiden. "Was... was ist denn nun kaputt?" stotterte dieser verwirrt und warf beiden einen fragenden Blick zu.

"Hast du meine Schwester gerade etwa sexy genannt? Sie ist doch noch ein Kind, du Baka!" schrie er ihn an, so dass Riina das Gesicht verzog. "Bitte, Wata-chan, nicht schreien, mein Kopf."

"Was ist damit?" fragte ihr Bruder unschlüssig, bis sie in sein Gesicht sah und er das Blut in ihrem erblickte. "Oh Gott, was ist denn mit dir passiert?"

"Gegen den Baum gesprungen, trifft es in etwa..."

"Sêiichî, spinnst du? Musst du so übertreiben??" Er war sauer, immerhin hatte er ihm seine kleine Schwester anvertraut, dann passierte ihr so etwas. "Bring' sie doch gleich ins Grab, ich hab' doch sonst nur noch meine Mutter!"

"Ganz ruhig, an der kleinen Wunde stirbt sie dir schon nicht..."

Wataru stürmte hin, nahm Sêiichî seine Schwester ab und sah ihn böse an. "Du nutzt mir das noch aus, sie will nicht, dass du sie so antatschst..." Das war immer noch ihr Bier, aber Wataru schien das wenig zu interessieren. "Ich habe nichts dagegen, wenn ihr zusammenseid, aber fass sie bloß nicht an, als wäre sie schon erwachsen, habe ich mich klar ausgedrückt?"

"Sie ist 15 Jahre alt und schon lange kein Kind mehr. Wenn du ihre Brüste gesehen hättest, würdest du so nicht denken..." Sêiichî lachte auf, er fand sein Verhalten richtig niedlich, wie er sie beschützte. Brüderliches Verhalten eben, so etwas kannte er schon zur Genüge. Wataru sah ihn finster an und schlug ihm mit der Faust auf den Kopf. "Du klingst wie ein Zuhälter, lass das gefälligst, oder ihr seht euch nicht mehr wieder!"

"Jetzt ist es gut, großer Bruder, Sêiichî hat mich nicht angefasst, er ist brav..."

,Noch...' Ja, er hatte durchaus vor, dem Mädchen mal an die Wäsche zu gehen, hatte nur noch nicht die Gelegenheit gehabt. Dass sie etwas zu bieten hatte, war ihm nicht entgangen. Es zeichnete sich unter ihrem T-Shirt schon etwas ab, das ihm aufgefallen war. Er würde sie gerne mal nackt sehen.
 

Es war kurz nach Acht am Abend, als ein schwarzhaariger Junge zu Hause ankam. Er rief durch das Haus, um auf sich aufmerksam zu machen, sonst würden seine Eltern ja nie mitbekommen, dass er überhaupt noch existierte.

"Tada ima!" Toshizo warf seine Schulsachen unachtsam in eine Ecke und ging nach unten, um sich etwas zu Essen zu holen. Sein Vater war gerade ziemlich in Rage beim Telefonieren.

"Der kann was erleben, das verspreche ich Ihnen!" Der Mann warf den Hörer auf, während Toshizo in der Tür stand und unschuldig und unwissend seinen Vater beobachtete, bevor dieser auf ihn zukam, ihn am Kragen nahm und heftig schüttelte. "Was hast du wieder angestellt, du ungezogenes Kind?!" Voller Wut brüllte er ihm ins Gesicht und zerrte ihn nach draußen. "Essen gibt es heute nicht, geh' an die frische Luft, nachdenken, was du wieder getan hast! Deine Klassenlehrerin rief an, dass du Mädchen belästigt hast, solches Verhalten dulde ich hier nicht, also raus hier!" Er gab seinem Sohn einen Schubs, woraufhin dieser vor die Tür flog und sofort zur Tür stürmte, doch in dem Moment flog sie zu. "Du kannst mich doch nicht einfach aussperren, ich habe keinen Schlüssel!"

"Hau ab, hier hast du erst mal nichts mehr verloren!" Toshizo wusste, was geschehen war, er hatte seinen Vater wieder enttäuscht und dieser konnte ihn nicht mehr leiden. Während er wie verrückt gegen die Tür hämmerte, bettelte er darum, wieder reingelassen zu werden, doch das interessierte keinen.

Der Mann hatte es getan, da es ihm stank. Immer wieder verbrach sein Sohn irgendetwas und er musste seine kostbare Zeit opfern, um zur Schule zu fahren.

Toshizo lehnte an der Tür, die Tränen rannen ihm über das Gesicht, es traf ihn immer extrahart, wenn sein Vater ihn so behandelte. Für ein bis zwei Minuten ließ er die Tränen gehen, wenn er alleine war, konnte er das schließlich. Ihn durfte nur niemand dabei sehen. Hoffentlich würde seine Mutter sich nicht wieder mit seinem Vater anlegen, das endete meistens in einem Heulkrampf seitens der Mutter. Die beiden stritten oft, sobald sie auch nur ein Widerwort einlegte.

Die Tränen wischte er sich nun weg und machte sich auf den Weg, zu seinem Freund, der ihn nicht rauswerfen würde, so wie es sein Vater getan hatte. Die beiden kannten sich nicht, da Toshizos Vater immer sehr beschäftigt war und daher die Freunde seines Sohnes nie zu Gesicht bekam.

Schließlich kam er bei einem doch recht großen Anwesen an. Ihre beiden Eltern waren reich, was man schon an ihren Häusern bemerkte. Oft hatte hier schon eine geheime Party stattgefunden. Toshizo konnte das nicht bringen, er hatte genug Stress mit seinen Eltern, als dass er leichtfertig Ärger riskiert hätte. Takahashi hatte damit keinerlei Probleme, da seine Mutter selten mal zu Hause und sein Vater schon seit einiger Zeit tot war.

Er betätigte die Klingel, konnte aber von oben schon Gelächter hören. "Boah nee, ich glaub', ich geh' wieder..." Seit einiger Zeit herrschten kleine Meinungsverschiedenheiten, die ab und zu eskalierten und das immer, wenn Kenji und Takahashi zusammen waren. Oft fühlte sich Toshizo wie zwischen die Fronten geraten, wahrscheinlich würde seine Freundschaft zu Kenji wohl an Takahashi zerbrechen, weil die beiden sich oft stritten und er das Gefühl hatte, dass Takahashi ihn nur duldete.

Daraufhin sah sein braunhaariger Freund aus dem Fenster und beobachtete den Schwarzhaarigen wie er dabei war, wegzugehen. "Hey, was machst du denn da? Komm' hoch!"

,Scheiße, was jetzt?' Er würde wohl kaum gehen, also seufzte er nur, öffnete das Gartentor und ging zur Tür. Takahashi ließ den Schlüssel runterfallen und Toshizo fing ihn auf, da ersterer wohl zu bequem war, jetzt die Treppen runterzukommen und er seinem Freund vertraute.

Er schloss auf, versperrte die Tür hinter sich, zog die Schuhe aus und rannte nach oben. Dort kam ihm gleich ein ordentlicher Zigarettenqualm entgegen, nachdem er die Tür aufgemacht hatte. "Jetzt verstehe ich, wieso das Fenster offen ist, da kriegt man ja keine Luft mehr..." Aus den Boxen der Anlage kamen Töne einer bekannten, angesagten Gruppe, die man unten schon hatte hören können, da sie nicht gerade leise eingestellt war, so dass man kaum ein Wort verstand. Die beiden unterhielten sich, heute schienen sie sich doch mal zu verstehen. Wenigstens etwas. "Könnt ihr das Ding mal leiser machen? Hier versteht man sich selbst ja nicht mal wirklich!" brüllte er, so dass Kenji ihm einen bösen Blick zuwarf. "Dann bist du taub!" Takahashi schnappte sich die Fernbedienung und dämpfte die Lautstärke etwas. "Bist du sein Buttler, oder was? Ich will das Lied zuende hören und das auf voller Lautstärke..."

Jetzt ging das schon wieder los, sie würden nur wieder streiten, also wollte er das Ganze schlichten. "Ist schon okay, ich sage nichts mehr, macht ruhig wieder lauter.." Toshizo setzte sich neben Takahashi und schwieg, was diesem missfiel.

"Wo waren wir? Ja, stimmt, bei Hitomi. Weißt du, dann sagte sie echt: Das kannst du nicht machen!" Kenji fing an zu piepsen und machte seine Freundin nach. "Ich daraufhin: Doch, das kann ich und ich werde es tun. Dann habe ich sie ausgezogen und es ging ordentlich zur Sache..."

"Hast du sie ordentlich geknallt, bis sie geschrieen hat?"

"Was denkst du denn, Takahashi-kun?"

Toshizo fühlte sich fehl am Platz. Er mit seiner ganzen Depression. Er hatte den Blick tief gesenkt, legte den Kopf auf den Armen ab und ignorierte eben, dass sie mit sich selbst beschäftigt waren, schließlich würde Kenji auch irgendwann gehen müssen, hoffentlich bald.

Kenji hatte eh nie wirklich interessiert, wie es Toshizo ging, weswegen er das auch diesmal ignorierte und sich lieber mit Takahashi unterhielt, obwohl er ebenfalls Toshizos bester Freund war.

,Diese Technoscheiße nervt mich allmählich.' Der Zigarettenqualm ließ ihn kurz husten. Die wollten wohl, dass er hier jämmerlich verreckte? Und wenn schon, wen würde das schon interessieren?

Takahashi blickte kurz zur Seite und sah, dass etwas nicht stimmte, weshalb er einfach die Musik ausmachte, was Kenji nicht in den Kram passte. "Hey, was soll das?"

"Du verpisst dich jetzt, verstanden? Wir haben was Privates zu bereden."

"Was ist so privat, dass ich es nicht hören kann?"

"Du musst nicht alles wissen..." Der 17-jährige machte die Zigarette aus, schnappte Kenji am Kragen und zog ihn nach draußen. "Toshizo ist da, da brauche ich dich jetzt nicht mehr, das ist die Wahrheit!" Es war ihm vollkommen egal, was der davon jetzt halten würde, schließlich könnte es passieren, dass er seine Freundin killen musste, was ihm auf gewisse Weise ziemlich egal war, genauso wie der Typ. Der war nur zum Zeitvertreib da, anders als der 18-jährige, der gerade gekommen war.

Kenji hatte heute keinen Bock auf Zoff und ging die Treppe runter. Man verärgerte den lieber nicht, der rastete doch so gerne aus, also ging er freiwillig.

"Was ist schon wieder passiert?" Die Hand Takahashis ruhte nun auf Toshizos Schulter. Der Junge hob jetzt langsam den Kopf. "Nichts schlimmes, bin bloß rausgeflogen, wegen der Sache heute..."

"Ach Gottchen, dein Vater ist ein echtes Sensibelchen..."

"Nein!" widersprach ihm der Schwarzhaarige. "Der hat nur keine Zeit und muss zur Schule, da wurde er sauer. Die haben ihn da nämlich hinbestellt..."

"Och, ich schicke die Anwälte meines Vaters dahin... Die nehmen die Lehrer etwas auseinander, dann war's das. Mutter ist eh bei einem Filmdreh, die kommt so schnell nicht her..."

"...Mein Vater hasst mich... ich bin dem doch lästig..." Daher wehte der Wind, dem Jüngeren war alles klar. "Und Mutter bereut es sicher allmählich, dass sie mich gekriegt hat."

"Das bereut so gut wie keine Mutter, glaub mir", versuchte er ihm Mut zu machen, steckte sich eine Zigarette an und hielt seinem besten Freund auch eine hin. "Nimm schon, das beruhigt die Nerven." Er wollte ihm glauben, weswegen der 18-jährige die Zigarette in seinen Mund steckte und sie sich von ihm anstecken ließ. "Ziehen, Baka..." Er zog daran, woraufhin sie zu glühen begann und er husten musste. "Na also, geht doch..." Ein fast schon nettes Lächeln lag auf den Lippen des Braunhaarigen, was auch den anderen lächeln ließ. "Danke..."

"Dafür sind Freunde doch da." Takahashi und Kenji hatten sowieso schon die Brandyflasche aufgemacht, weswegen er Toshizo jetzt ebenfalls etwas zu trinken gab. "Hier, damit du auf andere Gedanken kommst. Und vergiss deinen Vater, der wird sich schon wieder einkriegen!"

Es war nicht das erste Mal, dass sie auf dem Bett saßen und Alkohol tranken, hier interessierte es doch keinen, was sie taten. Manchmal beneidete Toshizo seinen Freund etwas, er hatte so gut wie nie Probleme zu Hause. "Darf ich eine Weile hier übernachten? Ich habe keine Lust dem Alten über den Weg zu laufen."

"Klar, solange du willst..."

Ein erleichtertes Seufzen kam von dem Schwarzhaarigen, der seinen Kopf gegen die Wand gleiten ließ, während er sich den Brandy regelrecht in den Rachen schüttete. Er wollte nichts anderes, als seine Probleme vergessen, das konnte er hier am besten.

Er versuchte seine Sorgen und Probleme damit quasi wegzuspülen, was meistens auch half, da er solange schüttete, bis er vergessen hatte, dass etwas gewesen war.

,Der ist nachher wieder restlos besoffen, aber egal, dann erzählt er mir wenigstens alles.'

Er hatte einen ordentlichen Schluck genommen und wischte sich wenig später über die Lippen. "Das tat gut", meinte er, auch wenn sich gerade schon alles drehte, so dass er sich zur Seite fallen ließ und da im Kissen seines Freundes liegen blieb.

"Sag' mal, Shizo-kun, was fandest du eigentlich an Saki, diesem Flittchen?"

"Die gefiel mir, warum?"

"Konnte die etwas Bestimmtes besonders gut?" löcherte Takahashi seinen besten Freund, das interessierte ihn nun wirklich.

"Ich weiß nicht, ob die etwas besonders gut kann, außer Kerle angraben." Der Ältere klang etwas deprimiert, wenn er an diese Person dachte.

"Na, hör mal, sie war deine Freundin... die hat sich doch sicher von dir durchvögeln lassen, oder etwa nicht? Also, was hat sie so gemacht? Hat sie dir einen geblasen?" Der Kerl nahm bei so etwas wohl nie ein Blatt vor den Mund.

"Nein... die ging ja lieber zu Sêiichî, mit dem rumpoppen." Der Jüngere sah, wie sein Freund wehleidig die Augen schloss. ,Dumme Kuh, die kann noch was erleben, die werde ich so erniedrigen, dass sie bei allen unten durch ist.'

"Mit wem hast du eigentlich dein erstes Mal erlebt, wenn nicht mit Saki?" Neugierig beobachtete er seinen besten Freund.

"Beschissenes Thema!" gab dieser zurück, was den anderen nun doch sehr verwunderte. "Du hast es mir nie gesagt... meins war in der Mittelschule.. auf der Jungentoilette..." Der Braunhaarige kullerte sich wegen seines eigenen Satzes. "Die hat sich von mir befummeln lassen, da haben wir es eben getan, besonders gut war sie aber nicht... die dachte, dass wir deswegen zusammen sind, was für ein Unsinn. Man, ist die mir aber hinterher gelaufen, anscheinend war ich doch ziemlich gut..."

"Du alter Angeber", grinste Toshizo. "Auf der Toilette, ist ja krass... Mit mir wollte bisher keine, tja. Deswegen habe ich es noch nie getan."

Schockiert besah Takahashi seinen Freund, bevor er einen Lachanfall erlitt. "Oh Gott, mein Freund ist eine 18-jährige Jungfrau." Er fiel rückwärts um und hielt sich vor Lachen den Bauch, es war einfach nicht wahr, das konnte doch nicht sein.

"Jetzt lach nicht, das ist nicht witzig." Die Röte stand Toshizo ins Gesicht geschrieben, es verletzte ihn sehr, dass sein Freund das so lustig fand und sich darüber amüsierte, dass Sêiichî mehr Erfolg hatte, als er. "Sorry, aber das ist jetzt echt krass..." Noch immer lachte der Braunhaarige, versuchte sich aber allmählich wieder einzukriegen. "Nun ja, es ist schon ziemlich abnormal, wenn man mit 18 noch keinen Sex hatte, also wirklich. Ich hatte ihn kurz nach meinem 14. Geburtstag. Und es schockiert mich gewissermaßen, dass Saki dich nicht rangelassen hat. Bah, die lässt sich lieber von Sêiichî ficken, ich geh kotzen!" Vor lauter Frust nahm er sich die nächste Zigarette und steckte sich diese an.

"Irgendwas mache ich wohl falsch, ihn lieben alle, bei mir rennen sie eher weg. Obwohl ich finde, dass ich viel besser aussehe, als er. Das deprimiert mich, weil ich nicht weiß, was ich dagegen tun soll. Ich weiß doch gar nicht, auf was die so abfahren."

"Willst du Tipps von mir? Die meisten muss man zwingen, ganz einfach. Wenn man erst mal geile Gefühle in ihnen weckt, können sie meistens nicht widerstehen und spielen mit, so dass es kein Zwingen mehr ist. Du darfst bloß nicht schüchtern sein und dich trauen."

Toshizo hatte nach der Sache von heute nur leider keine Lust mehr irgendwen zu zwingen. "Und danach hassen sie mich dann, toll. Das von heute war echt genug. Riina hasst mich, was soll ich denn jetzt machen?"

"Mit einer anderen üben, bis du gut genug bist..."

"Und dann hasst sie mich weniger, Takahashi? Doch kaum."

"Doch, wenn du besser wirst, dann wird sie dich auch mehr mögen. Die ist nur so sauer, weil du es nicht gut gemacht hast, das ist alles. Weiber sind eben so..." Er hatte früher auch die eine oder andere bittere Erfahrung machen müssen. Keine von ihnen wollte einen Kerl haben, der nicht gut im Bett war, so lief das eben.

"Mit wem soll ich bitte üben, wenn die alle zu Sêiichî rennen?" seufzte der Schwarzhaarige und schenkte seinem Freund einen fragenden Blick. "Also am einfachsten hast du es wohl bei Saki, weil die eben einfach billig ist und es mit einigen getrieben hat, außerdem kann die dir noch was beibringen. Weil sie nämlich so viele Kerle hatte, weiß sie genau, was zu tun ist. Ich kann es dir aber auch gerne mal vormachen..."

Ein Seufzen entglitt dem 18-jährigen. "Ich bezweifle, dass sie sich auf mich einlassen wird, die kann dich nicht leiden, wie Riina und schiebt die Schuld mir in die Schuhe. Ich frage mich, was die gegen dich haben, wirklich. Du bist doch der beste Freund, den man sich wünschen kann... Die haben echte Probleme."

"Ist doch unwichtig, außerdem solltest du dich bei anderen genauso anstrengen, wie bei deinem Schätzchen. Auf eine schnelle Nummer steht keine, soviel kann ich dir verraten, die wollen alle richtig heiß auf dich sein, bevor du ihn überhaupt reinstecken kannst."

Toshizo legte sich auf die Seite und sah seinen Freund an. "Wie viele hattest du?" Neugierig war sein Freund stets gewesen, es wunderte Takahashi daher gar nicht, dass er solche Fragen stellte.

"...15 oder so..." Die Wahrheit war, dass Takahashi gar nicht mitgezählt hatte.

"Krass, du bist ja ein richtiger Weiberheld."

"Bisher sind die immer zu mir gekommen. Sêiichî muss sie erst um den Finger wickeln, wie armselig." Der Gesichtsausdruck des Älteren verfinsterte sich augenblicklich. "Der will doch jedem zeigen, wie gut er ankommt. Irgendwie scheinen die Weiber drauf abzufahren. Trotzdem kann ich es nicht glauben, dass Riina echt mit dem zusammen ist. Spinnt die jetzt? Die steht doch kein Stück auf Machos."

"Wer weiß, was der Typ ihr versprochen hat?" Takahashi redete doch in einem sehr verächtlichen Ton, wenn es um Sêiichî und Ryochi ging, er hasste sie beide, die waren es nicht wert. Ryochi war ein Engelchen, das allen in den Arsch kroch, auch seiner Shina, die darauf auch noch hereinfiel. Und Sêiichî ein Playboy in ganz schlimmen Ausmaß, der auch noch Yuichi-Komplexe hatte und an Engelchen Ryo hing, als sei er sein Bruder höchstpersönlich. Eigentlich war der ja arm dran, mit seiner Tour, er versuchte immer besser als Yuichi zu sein, doch das würde er nie schaffen. Wenn die wüssten, dass der noch am Leben war. "Woran denkst du, du bist so still?!"

"Ich bin Yuichi begegnet!" Toshizo saß auf einmal kerzengerade da. "Wie bitte? Der lebt noch?"

"Der ist in der Organisation gelandet, ich weiß aber nicht, wie der da jetzt heißt, doch das finde ich schon noch raus. Der ging mit Knarre auf mich los und hat mir gedroht, dass ich Akajaleinchen und Iwamotoschweinchen in Ruhe lasse. Er hat sich ziemlich verändert, muss ich schon sagen. Ich war nahe dran, Schiss vor ihm zu kriegen, so wie der mich angesehen hat..."

Nicht zu glauben, Toshizo hatte geglaubt, der Kerl wäre schon vor Jahren ums Leben gekommen. "Traust du dem echt zu, dass er dir was antut?"

"Ja, das kann man ihm zutrauen..."

"Heißt das, dass wir die beiden in Ruhe lassen sollen?"

"Er wird wohl kaum Wache schieben, mach' dir nicht so viele Gedanken. Er hat mich nur im Krankenhaus erwischt, als ich auf dem Weg zu Iwamoto war. Mehr nicht." Das würde heißen, er würde sie nicht umbringen können, aber das wollte Toshizo ja eh nicht, er wollte lieber, dass Iwamoto litt, wobei man auch durchaus seinen besten Freund umbringen könnte, um ihm eins reinzudrücken, aber das sollten sie dann doch lieber mal auf Eis legen. Mit viel Glück löste sich das Problem von selbst, wenn man Ryochis Bruder schlichtweg einfach umlegte. Also mussten sie nur geduldig sein.

"Der war eh nie ganz dicht. Wie der die beiden immer beschützt hat, wie so ein kleiner Held. Und Sêiichî macht ihn andauernd nach, wie das nervt. Seit Yuichi weg ist, spielt er Ryos Beschützer, weil er denkt, dass er ihn dann noch toller findet... das Schlimme, es scheint zu klappen, die hängen, wie Pech und Schwefel zusammen..."

"Damit kann der nicht angeben, Akaja mag den nur so sehr, weil er seinem Bruder ähnlich ist, was der nicht mal merkt." In Takahashis Augen war das nun mal so. "Du hingegen bist ihm da meilenweit voraus, weil ich dich aufrichtig mag, und nicht, weil du irgendwem ähnlich bist. Du siehst, er ist dir nicht in allem überlegen."

"Aufmunternd..." Der Braunhaarige klopfte dem Schwarzhaarigen auf die Schulter. "Den Rest kriegen wir auch noch hin. Ich gebe zu deinem Geburtstag eine Party, das wollte ich dir eigentlich noch nicht sagen, aber Saki wird kommen, und wenn ich sie herzerre. Dann gehen wir hoch und schieben ein nettes Nummerchen, das wird geil, du wirst sehen..." Es war fast schon ein besessener Glanz in Takahashis Augen aufgetreten, als er ihm das verriet. Er würde Saki nett und höflich bitten, die Beine breit zu machen und sich auf sie einzulassen, das Angebot würde sie nicht ausschlagen.

22. November - Ein Geburtstagsgeschenk für Toshizo

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

1. Dezember - Eine Reihe angsteinflößender Geschehnisse

Melo hat sich mal wieder die Zähne ausgebissen und es ist zuviel, viel zuviel ._." Ich kann schon gar nichts Kurzes mehr schreiben, wahhhhhhhhh X'D Kommt damit klar, oder stirbt %DDDD

Nyo, kleine Widmung an ShinaKudo (weil ich einen Traum von ihr einbauen "durfte, sollte" X'D) und MasamiOkui, weil du es liest, Mi-chan ^-^

Ansonsten weiß ich nicht, wem ich das Teilchen noch widmen soll oO' dürfte auch reichen >P bleibt mehr für euch übrig XDDDDDDDDDDDDDDDDDDDDD

So, jetzt bin ich stolz auf mich ^-^ und kann mich verziehen XD

Viel Spaß ^^


 


 


 

Während sich die 23-jährige noch im Bad aufhielt, öffnete Sêiichî den Kühlschrank, um ihn zu füllen. Andere wären vor Lachen aus dem Bett gekullert, wenn sie sich das hätten geben können. Jemand, der auf natürliche Weise Faulheit bewies, mutierte zum hilfsbereiten Einkäufer. Auch sie war überrascht gewesen, als sie ihn gefragt hatte, ob er für sie einkaufen gehen würde, und er mit Ja geantwortet hatte. Sie lauschte etwas, als er seine Einkäufe im Kühlschrank verstaute und sich dann geschafft auf einen Stuhl fallen ließ. ,Zu was die mich so alles treibt??' Momentan war er so krass drauf, dass er alles dafür getan hätte, damit sie ihn endlich erhörte, aber wer dachte, er hätte sein Ziel schon erreicht, irrte sich gewaltig.

Da er im Bad wenig später das Geräusch der Dusche vernahm, machte sich in seinem Gesicht ein Grinsen breit und er kam nicht drum herum, sich zu erheben und zur Badezimmertür zu schlendern. Er hielt inne und lauschte etwas, wobei er kurz giggelte. Eine berühmte Schauspielerin hatte es dem Anschein nach nötig, sich selbst zu berühren, wie er anhand einiger Laute hören konnte. Er konnte es nicht fassen, dass sie lieber mit sich selbst spielte, als mit ihm. War er denn jetzt wirklich so uninteressant geworden, dass sie sich selbst vorzog, oder wusste sie bereits, dass er vor der Tür stand und tat das absichtlich, um ihn heiß zu machen? Sêiichî wusste es nicht so genau, ihre sexuellen Angewohnheiten waren für ihn Neuland, er kannte sie ja kaum, hatte bisher nur einmal ein Abenteuer mit ihr erlebt.

Der 17-jährige betrat leise das Badezimmer und blickte geradewegs zur gläsernen Dusche, er konnte die Umrisse ihres Körpers sehen, was ihn fast schon um seine mühsam aufgebaute Beherrschung brachte. Wie sah das denn aus, wenn sie aus der Dusche stieg und er mit einer Beule in der Hose vor ihr stand? Für wie abartig würde sie ihn dann denn halten? Vielleicht würde sie sogar gerade deswegen abweisend reagieren, weil sie es abstoßend fand? Mit einem schweren Schlucken und unregelmäßigem Atem schaffte er es letztendlich Ruhe zu bewahren, doch da schien die Blondine schon fertig zu sein, denn sie drehte das Wasser ab, wie er hören konnte. Es wurde mucksmäuschenstill, so dass das Öffnen der Duschkabine wahrer Lärm war. "Nanu, du bist ja schon wieder da", tat sie überrascht, blickte absichtlich einen Moment erstarrt zu ihm, nur, um ihn scharf zu machen, weil sie es genießen wollte, attraktiv, schön und jung zu sein. Wenig später band sie sich ein Handtuch um und ging relaxt an ihm vorbei bis zum Spiegel. "Siehst du doch, oder denkst du, ich bin eine Halluzination, Chris?" Er war empört, also wirklich, eine blödere Frage war ihr nicht eingefallen, oder?

"Mhm, nein, der Schweiß auf deiner Stirn sagt alles, du hast dir ein paar heiße Gedanken gemacht."

Oh Gott, wie direkt wollte sie denn noch werden und wieso warf sie ihn eigentlich nicht raus? Durfte er jetzt mal ein bisschen, oder was sollten die Neckereien?

"Gib mir mal die Creme da drüben, die macht meine Haut so schön zart."

Sêiichî blickte zur Seite und schnappte sich die Creme, von der die Frau sprach, um sie ihr in die Hand zu drücken, während er seinen Blick nicht von der Haut, die man erhaschen konnte, abwendete. "An meinen Rücken komme ich nicht ran, das darfst du machen!" Die Gewitztheit, die ihre Stimme annahm, erschreckte ihn ein wenig. Wenn die wüsste, was er sich da gerade ausmalte, würde sie ihn sicher ohrfeigen.

"Nur den Rücken? Wie beleidigend!" meinte er entsetzt und seufzte kurz.

"Sei nicht so gierig, Sêi-chan." Ja, sie hatte gewusst, dass er so reagieren würde, er wollte sie nämlich aus irgendeinem Grund ganz für sich. Es hätte sie ja schon interessiert, was der Baka mit seiner eigenen Mutter angestellt hatte, ohne es zu wissen, schließlich hatte ihre Cousine Vermouth darum gebeten, weiterhin als die Schauspielerin unterwegs zu sein, so dass man meinen könnte, die Frau wollte auf den Strich gehen. Natürlich hatte die 23-jährige Frau sauer reagiert und es stark unterdrückt, ihr ins Gesicht zu schlagen, für das, was sie da getan hatte. Und dann hatte sie es ihr untersagt, noch ein einziges Mal in Verkleidung Mist zu machen. ,Man, war die vielleicht beleidigt, aber selbst schuld, was macht die auch so was?' Sêiichî schmollte anscheinend, denn er hatte die Lippe vorgeschoben, was irgendwie niedlich aussah. "Na, mach' schon, so kannst du wenigstens meinen zarten Rücken anfassen, ist doch auch was, oder? Dass ihr Kerle immer so gierig drauf sein müsst." Mit einem spöttischen Unterton inne schüttelte die 23-jährige den Kopf. Die machte ihn allmählich rasend. Sie spielte bloß ihr Spiel, bei ihrer Figur war das ja auch kein Problem, er hatte das Gefühl, sie könnte jeden betören und rumkriegen.

"Ist ja gut, du Zicke, ich mach's, aber dazu muss das Handtuch weg." Wenn sie ihn schon ärgerte, musste er das auch tun, auch wenn sie so etwas sicher erwartete. Er war schließlich unverschämt und frech, wie sie schon einmal gemeint hatte, also musste er dem alle Ehre machen. Da stand sie nackt vor ihm, das Handtuch fiel langsam zu Boden und zeigte je weiter es hinabglitt mehr von ihrer Haut. Seine Augen weiteten sich und er wagte es nicht seinen Blick wieder von ihr abzubringen. Nur mit Mühe schaffte er es, nicht über sie herzufallen. Er wusste, es wäre falsch, das zu tun und sie würde nur wütend werden, auch wenn er es aus unerklärlichem Grund liebte, wenn sie außer sich war. Seine Hände zitterten, sein Körper brannte, er konnte ja kaum atmen vor Begierde. Langsam öffnete er die Flasche mit der Creme und machte sich etwas von der kalten, zähen Flüssigkeit auf die Hände. Sie zuckte kurz, als er seine Hände auf ihren Rücken legte und absichtlich mit seinem Körper nah an ihren kam, um ihr seinen heißen Atem in den Nacken zu hauchen. Vorsichtig ließ er jetzt seine Hände über ihren Rücken gleiten, immer um Beherrschung bedacht, damit seine Hände nicht einen ungewollten Weg gehen würden. Wenn Sêiichî in den Spiegel schaute, konnte er ihre Brüste betrachten, worum er einfach nicht drum herum kam und seinen Kopf bei ihrer Schulter ablegte. Auch sie sah in den Spiegel, allerdings wegen etwas anderem. Seine Augen waren es, die sie fasziniert betrachtete. ,Der kippt gleich um, wenn das so weitergeht, der Arme', amüsierte sie sich über seinen sehnsüchtigen Blick und ihre Grausamkeit, mit der sie ihn zappeln ließ. Er wusste, dass er nicht mehr durfte, als sie wollte, was ihn wahnsinnig machte.

Um ihre Intrige fertig zu stellen, drehte sie sich nun zu ihm herum und verschloss seine Lippen mit einem heißen Kuss. Stürmisch drängte sie ihn zu mehr, als auf das, was er gefasst war. Ihre heiße Zunge drang gierig zwischen seine Lippen und umschlang seine leidenschaftlich für ein kleines Spiel. Auf einen derartigen Kuss war der junge Mann nun gar nicht gefasst, weswegen er seine Ruhe verlor und wild bei ihrem Spiel mitmachte, während sie ihm vermittelte, sie wolle heute weitergehen, indem sie sein Hemd aufknöpfte und mit den Nägeln über seine Brust strich. Anscheinend hatte er ja nie etwas dagegen, denn er wehrte sich nicht, nein, viel besser, er wurde beinahe wahnsinnig vor Gier und ließ seine Hände über ihre Brüste wandern, doch da gebot sie ihm Einhalt und sah ihm in die Augen. "Noch nicht, erst bin ich dran." Ein etwas hinterlistiges Funkeln trat in ihre Augen und ihr Mund verzog sich zu einem gerissenen Lächeln. "Es muss immer nach deinem Kopf gehen, oder?" Da dieser freche Kerl wohl einfach nicht hören wollte und ihr Derartiges an den Kopf warf, nahm sie nun keine Rücksicht mehr und griff ihm in den Schritt. "Beantwortet das deine Frage, Sêi-chan?" Ihre Hand fing an sich zu bewegen, die wollte ihn wohl tatsächlich zur Weißglut treiben. All seine Wünsche würden heute erfüllt werden, da sich der 17-jährige sicher, so eine Frau wusste genau, was Männer wollten und sie war endlich dabei ihm das zu geben, was er von ihr wollte. Dachte er zumindest...

Seine Augen hatten sich automatisch geschlossen, als sie ihm zwischen die Beine ging, sein Körper bebte, was ihr äußerste Zufriedenheit schenkte, ihn so zu erleben, also trieb sie das Spiel noch weiter und öffnete einfach mit einem gemeinen Lachen seine Hose. "Mal sehen, wie viel du so aushältst, du Macho." Um ihn zu provozieren, setzte sie ihren durchtriebensten Blick auf, gerade in dem Moment, als er die Augen öffnete. "Mhm?" Verwirrt sah er in ihre eisblauen Augen, die jetzt noch einen Tick heller zu sein schienen, als sonst. Man hörte das Geräusch des Reißverschlusses, der geöffnet wurde und ihm Platz verschaffte, so dass ihm ein Seufzen entkam. Ihre Hand verschwand in seine Hose hinein und glitt in seine Boxershorts, um sein Glied erneut zu packen, diesmal jedoch direkt. Ein ersticktes Keuchen kam über ihn. "Wenn ich jetzt auch endlich dürfte, würden wir viel schneller zum Spaß haben kommen", schmollte er, was sie einfach köstlich fand. "Du wirst dich noch etwas gedulden müssen, my Darling, ich sagte doch, jetzt bin erst ich an der Reihe, schaff dir doch Geduld an." Leider Gottes hatte er so etwas nicht im Geringsten, wenn es um Sex ging - schon gar nicht bei ihr, weswegen ihm erneut ein Seufzen über die Lippen kam. Sie nahm seine mit Creme befeuchteten Hände und führte sie selbst über ihren Körper, weniger zärtlich, um sich nicht ins eigene Fleisch zu schneiden, denn - nein - sie wollte nicht mit ihm schlafen, wie er doch sicher annahm. Er wanderte, mehr unfreiwillig über ihre Beine und cremte nun doch mehr ein, als er zu hoffen gewagt hatte. Wozu brauchte diese Frau dieses Zeug? Ihre Haut war doch wunderbar glatt und geschmeidig.

"Schließ bitte die Augen, Sêi-chan", bat sie ihn mit zuckersüßer Stimme und ließ etwas von ihm ab.

"Was planst du denn da, du raffinierte Frau, mhm?" Erwartungsvoll und angespannt war er und so neugierig, auf die größte Überraschung wartend, ahnte er nicht, wie gemein sie ihn reingelegt hatte, denn in Wirklichkeit wollte sie nur Zeit haben, ihre Klamotten zu schnappen und sich anzuziehen, während er auf etwas Besonderes wartete.

"Wart's ab, du wirst Augen machen." Allerdings, das würde er, sie würde ihn ins eiskalte Wasser stoßen. Leise und unbemerkt zog sie sich jetzt ihre Dessous an und wenig später eine Hotpants und eine Bluse, die sie vorne zusammenband, schließlich hatte sie vorerst nichts Besonderes vor, nur um ihn weiter wahnsinnig zu machen, denn er hatte sicher noch nicht vor zu gehen, es sei denn, er würde ihre kleine Gemeinheit nicht verkraften.

"Sohoooo", verkündigte sie mit einem spöttischen Lachen, das ihn dazu brachte, die Augen zu öffnen, so dass er beinahe nach hinten gekippt wäre, als er das sah. "Aber... aber... was soll das denn?" fragte er mit unschuldiger Kinderstimme und Halbmondaugen kamen in seinem Gesicht auf. "Du gemeines Miststück, du hast mich reingelegt..."

Röte schlich sich in sein Gesicht, mehr wegen des Zornes, den er gerade auf sie verspürte, als wegen der Erregung, für die sie gesorgt hatte. "Man muss auch mal verlieren können, was, Cognac?" meinte sie, während sie die Augen halb schloss, was dem Ganzen einen fiesen Ausdruck verlieh. "Glaubst du echt, dass du mir jetzt so davonkommst, wenn du mich schon bis zum Äußersten reizt?!"

Die Frau hörte das noch, tat aber so, als hätte sie es nicht getan. ,Ich hab' andere Probleme als so was... ANGST!' Wovor hatte sie eigentlich solche Angst? Sich in einen 17-jährigen zu verlieben? Ihn dann wieder zu verlieren? Wieder zu leiden? Wovor, verdammt?!

Ihr Weg führte sie zu ihrer geliebten Couch, für einen Moment ließ sich die Blondine nach hinten fallen und hing ihren Gedanken nach.

Dass man ihn ignorierte, gefiel dem Jungen gar nicht, er wollte nicht links liegen gelassen werden, also rannte er nach draußen und fand sie in einer - für ihn - interessanten Position auf der Couch wieder - entspannend. ,Wie schön du aussiehst, wenn du mal keine gehässigen und bösen Gedanken hast, Vermouth.' Er ging langsam auf sie zu, blieb kurz vor ihr stehen und sah dann diesen Verband, der ihren Arm zierte, da sie die Bluse hochgekrempelt hatte. ,Wie sie sich das wohl zugezogen hat? Hat man sie gequält?! Und wer war das? Wie grauenhaft die doch alle sind!' Schon vorhin hatte er ihn gesehen, allerdings nicht weiter darüber nachgedacht. Sêiichî war noch etwas naiv, nie im Leben dachte er daran, dass sich die Frau selbst verletzt haben könnte.

"Sag mal, Darling", sprach der Schwarzhaarige sie an, holte sie damit demonstrativ aus den Gedanken, woraufhin sie die Augen öffnete und in seine aufrichtigen blauen Augen sehen konnte.

"Was denn?" gab sie zurück und sah ihn fragend an. Er schaute noch immer in ihr Gesicht und sie hatte das dumme Gefühl, er würde mitten in ihre Seele schauen. ,Was für ein interessanter Zeitgenosse du doch bist, Sêiichî Iwamoto...', dachte die 23-jährige und hielt den Blick standhaft aufrecht, weil sie es genoss seine Augen anzuschauen.

"Was ist das für eine Verletzung an deinem Arm?" Ihre Pupillen wurden kleiner, nun wich sie seinem Blick aus und legte ihre rechte Hand auf den linken Arm. Sie schaltete auf Abwehr, das war ihm wohl bewusst - wie sie seinem Blick auswich und schwieg, sagte mehr als tausend Worte. "Wer hat das getan?" Seine so unschuldige und naive Stimme ließ sie beinahe bitter grinsen. "Ist doch egal, welche kranke Person diese Verletzung verursacht hat, sie ist ja fast wieder verheilt." Sharon hatte keinerlei Lust über das Problem zu reden, schon gar nicht mit jemandem wie ihm. "Du solltest dich anziehen gehen, der Boss wartet", sagte sie, stand auf und verschwand im Schlafzimmer, als wolle sie sich vor ihm verstecken. ,Wie bitte? Wir haben mehr als 5 Stunden Zeit, uns vorzubereiten! Was hat sie denn jetzt? Sie hat sich doch nicht etwa...?'

Dort angekommen löste sie den weißen Verband von ihrem Arm und blickte die Wunde an, die fast vollständig verheilt war. ,Teufelszeug, es raubt dir nicht nur den Verstand, sondern auch die Seele. Nicht umsonst bist du immun gegen solche Gefühle... Ich will ein normales Leben, aber das darf ich nicht!' Verbittert starrte sie auf die Wunde, wobei sie sich auf die Unterlippe biss. Nur ungern erinnerte sie sich an die Momente, in denen sie sich selbst wehtat, um Gefühle in sich zum Leben zu erwecken - sie scheitete jedes Mal.
 

Die Klinge funkelte, wenn man sie gegen das Licht hielt. Ein besessenes, krankes Lächeln lag auf ihren Lippen, während sie das Messer in der Hand wandte. Langsam führte sie es zu ihrem Arm und ließ die glatte Seite des kalten Stück Metalls über ihre Haut gleiten - streichelte sich damit. Die Klinge war scharf, das wusste sie aus Erfahrung, denn das war ihr Messer. Jahre lang hatte sie es nicht mehr in der Hand gehabt, doch im Moment hatte sie es nötig. Die Demut zwang sie dazu, es in der Hand noch einmal zu wenden, so dass wenig später die scharfe Seite auf ihrer Haut lag. Mit leichtem Druck führte die 23-jährige die Klinge über ihre Haut und schnitt sich damit. Das befreiende Gefühl, das durch das Blut, das aus ihrem Arm trat, in ihr aufkam, löste das beklemmende Gefühl des Schmerzes auf, so war ihre Seele endlich wieder von der Qual befreit. Wie oft sie dies früher schon getan hatte, nur um diesem Schmerz zu entkommen, seit ihre Mutter starb? Sie hatte es vergessen...

Je mehr sie sich schnitt, umso schmerzunempfindlicher wurde sie. Und das Beste, keiner würde es erfahren, denn ihre Wunden heilten um ein Vielfaches schneller, als bei anderen - sie war abnormal - ein psychisch kranker Mensch, der so etwas brauchte. Es war nicht viel Blut, das austrat und doch reichte es aus. Es war schon frustrierend, wenn so eine Wunde nichts bei einem auslöste. Aber im Grunde konnte es ihr nur recht sein, wenn sie unangreifbar geworden war! Sie konnte keiner quälen, niemals wieder...


 

****
 

Der Boss freute sich außerordentlich, dass er einen seiner neuesten Killer endlich wieder zu Gesicht bekam. Der ältere Mann rauchte seine Pfeife und saß den beiden gegenüber. Warum zum Teufel schwieg er jetzt so vehement und wandte ihnen den Rücken zu?

"Dir ist doch klar, Enomoto, dass es keinen Weg zurück gibt und du dich mir verpflichtet hast, oder?"

Jeder, der das tat, bereute es früher oder später. Die blonde Frau an der Seite des jungen Mannes hatte kurz die Augen geschlossen, als sie sich die Worte noch mal durch den Kopf gehen ließ. ,Mit anderen Worten: Ist dir auch klar, worauf du dich einlässt und dass man dich umbringen könnte? Ich frage mich, ob du das wirklich schon kapiert hast!' Sie schaute wieder auf, direkt dem Boss entgegen, der nur kalt lächelte, was die Frau in der Spiegelung des Fensters sehen konnte, ebenso wie sein neuer Killer vor sich hin grinste. Zum Glück hatte der sich gut genug im Griff, um diesen Mann zu täuschen.

"Sehe ich aus, als wenn ich Angst vor irgendwas hätte?" fragte Cognac, der sich auch Kenji Enomoto nannte und lächelte auf eine ziemlich arrogante und selbstgefällige Weise, die Vermouth bis jetzt nicht kennen gelernt hatte, so dass sie zur Seite schielte. ,Lehn dich doch noch weiter aus dem Fenster, dann bringt man dich gleich um, Spinner.' Manche Leute lehnten sich ja gerne so weit aus dem Fenster, bis es nicht mehr weiter ging.

"Du musst ja sehr viel von dir halten, oder? Leute, wie dich, hatte ich viele und die sind alle leider schon tot, weil sie sich zuviel zugetraut haben." Ein zwielichtiges Lächeln trat in das Gesicht des Mannes, der sich jetzt wieder herumdrehte und den 21-jährigen musterte.

"Och, dann waren die eben zu schlecht, ich hab' nicht vor, irgendwen nachzumachen", sagte er gelangweilt und seufzte. "Ich will doch nur etwas spielen. Sie nicht?" Ein bösartiges Lachen war vom Killer zu hören. "Wer auch immer sie stört, überlassen sie ihn nur mir. Und er wird nie wieder Ärger machen. Ich verliere nie."

Der Boss lachte leise auf, anscheinend beeindruckte ihn das nicht. "Vertrauen muss man sich aber verdienen, mein lieber Cognac, davon bist du noch weit entfernt. Ich habe Killer, zu denen ich vollstes Vertrauen habe, du gehörst leider nicht dazu, aber das kann sich ändern, wenn du mir deine Loyalität unter Beweis stellst."

Die blonde Frau schüttelte den Kopf. "Es soll ja Leute geben, die es nie schaffen, das zu erreichen, nicht, Boss?" Anscheinend fand sie das ja lustig, so dass sie einen abfälligen Laut von sich gab und ihr Vater es als angebracht sah, ihr mal wieder Manieren beizubringen, weswegen er mit seinen ebenso eiskalten blauen Augen in ihre schaute, als wolle er ihr Angst einjagen. "Du gehörst leider auch nicht dazu, Vermouth, also werd' hier nicht frech, du weißt ja, nur ich habe die Gewalt, also sei still und überlass mir das Reden."

Ihr Grinsen verschwand, es ging ihr schwer gegen den Strich, wie er mit ihr redete, was man ihr ansehen konnte, doch das war ihr bei dieser Person ziemlich egal, er konnte ruhig sehen, dass sie wütend war, dieser Mann würde ihr ja sowieso nie etwas antun, weil er eine Schwäche für sie hatte.

Cognac fing an gehässig zu lachen, während seine Augen herausfordernd funkelten. "Gehen Sie immer so mit Frauen um? Dabei muss man doch nett zu ihnen sein, ist doch so? Einer Frau den Mund zu verbieten, ist aber echt nicht nett." Er wollte nur zeigen, dass er sich nicht sonderlich viel gefallen ließ und vor niemandem Angst hatte, nur aus dem Grund fing er an den Boss zu kritisieren. In seinen Augen war der Kerl sehr erbärmlich und das musste man ihm mal vermitteln.

"Da hat dir jemand einen Floh ins Ohr gesetzt, Cognac, ich bin nie nett. Weder zu Männern, noch zu Frauen. Das ist nicht meine Aufgabe. Und deine ist es nicht, mir reinzureden, das kann ich überhaupt nicht leiden, haben wir uns verstanden? Und wenn ich etwas nicht leiden kann, kann ich ziemlich böse werden. Merk dir eines, Kleiner, hier wird nach meinen Regeln gespielt und keiner von euch hat das Recht, mir dazwischen zu funken, das wird mit dem Tod bestraft."

Befehle hatte ihr Vater schon immer gerne erteilt, was er wieder unter Beweis stellen musste. Auch bei ihr tat er das ständig und sie hatte aufgehört, direkt gegen ihn anzukämpfen, weil sie ohnehin immer den Kürzeren gezogen hatte, stattdessen tat sie es jetzt indirekt. Und doch war die Sache mit Cognac nicht geplant gewesen, das war seine eigene, freie Entscheidung, die sie auch noch ziemlich beschissen fand, außerdem sollte er lieber etwas scheinheilig sein, als sich mit dem Boss anzulegen, das konnte verdammt schnell ins Auge gehen. Selbst einer der skrupellosesten Männer wagte es nicht den Boss zu verärgern, Cognac schien nicht zu wissen, wie gefährlich das war, er sollte endlich damit aufhören.

"Dann sind die Karten verteilt, oder?" mischte sich die Frau im Raum ein, weil es ihr am liebsten war, wenn sie so schnell wie möglich wieder verschwanden, bevor der Alte noch richtig austickte und seine Leute auf Cognac hetzte. "Ich denke, er ist jetzt brav, wenn nicht, bin da ja noch ich." Ein tadelnder Blick wurde auf den Jüngeren geworfen, der einen schnippischen Laut von sich gab. "Hey, von so einer charmanten, jungen Frau lasse ich mir doch gerne Befehle erteilen." Wie war das noch gewesen? Brandy hatte da doch so etwas fallen lassen, dass der Boss Vermouth ganz besonders mochte und kein Kerl sie anrühren durfte, diese Worte waren ihm im Gedächtnis geblieben, weswegen er ein weiteres Mal Öl ins Feuer goss. "Mhm, vielleicht komme ich dabei auch mal auf meine Kosten, ich lasse nämlich gerne mit mir reden, wenn man mal etwas nett zu mir ist." Das durchtriebene Grinsen in seinem Gesicht sagte aus, dass er durchaus Interesse an Abenteuern mit gefährlichen Frauen hatte und ebenso an Spielen, die in eine gewagte Richtung gingen und man nicht voraussehen konnte, was geschehen würde, genau so schien er es zu mögen. "Oioi, ich glaube kaum, dass du ihr gewachsen wärst, Freundchen", machte sich der Dunkelblonde lustig und tat, als würde er ihn nicht ernst nehmen, doch das tat er.

"Pah, ich werde garantiert nicht nett zu dir sein, Cognac, wenn du aufmuckst! Im Gegenteil, du solltest es lieber nicht wagen, aufzumucken, weil du dann erfährst, wie es ist, wenn man mich verärgert. Ich sehe nicht ein, nett zu sein, wenn dein Interesse darin liegt, mir auf die Nerven zu gehen!" Chantré betrachtete seine Tochter mit einem gierigen Blick. Wütend sah sie am schönsten und spannendsten aus, was Cognac nur zurückgeben konnte. Als er kurz zu diesem mächtigen Mann schaute, konnte er die Begierde in seinen Augen sehen, was es ihm fast schlecht werden ließ, immerhin handelte es sich um ihren Vater. "Da bin ich ja echt gespannt, Vermouth... Vor allem auch, ob du meinem Charme widerstehen kannst. Schwierige Frauen waren sowieso schon immer ein Hobby von mir." Genau, er sammelte solche Frauen wie Trophäen, zumindest als die Person, die er momentan war. Er spielte mit ihnen - etwas, das Sêiichî als er selbst nie tun würde. Er achtete darauf, dass keine Gefühle mit drin hingen, bevor er mit einer Frau zusammen war und ein Spiel wagte. Er wollte schließlich niemandem das Herz brechen. Ein Grund mehr, weswegen er die Finger von Leena wegließ. Die war doch total in ihn verknallt...

"Schön für dich, steck' dir deinen Charme an den Hut, Cognac, ich hab' Besseres zu tun." Sie ließ ordentlich ihre Arroganz raus, schließlich war ihr klar, dass sie im Moment beide ihre Rolle spielten. So, wie heute, war er schließlich noch nie gewesen.

"Kommen wir zum geschäftlichen Teil, ich will dir schließlich Arbeit geben, deswegen bist du ja gekommen, Cognac. Es handelt sich um jemanden, der die Organisation seit einigen Tagen verrät, ich will, dass er ausgeschaltet wird...", fing der blonde Mann an zu erzählen, während er den Kopf auf den gefalteten Händen bettete und die beiden genaustens beobachtete...
 

Endlich waren die beiden raus aus diesem verqualmten Büro, der Schwarzhaarige ging nun neben der Blondine her und grinste vor sich hin. "Der Boss ist echt interessant, alle Achtung, es wundert mich nicht, dass du seine Tochter bist." Für diese Aussage hätte Vermouth Cognac gerne ins Gesicht gespuckt, aber sie wusste, dass das zu Cognac gehörte und ignorierte es.

Sie verließen das Firmengebäude und begaben sich zu einem Parkplatz, auf welchem das Auto der Schauspielerin stand.

"Du bist ja so still, hab' ich dich jetzt etwa verärgert?" Ein gespielt schmollender Ton kam in seiner Stimme auf, sie öffnete wortlos die Türen und stieg auf der Fahrerseite ein. "Ach und jetzt sprichst du kein Wort mehr mit mir? Och, Liebling, mach doch nicht so ein Gesicht", versuchte er sie weiter zu ärgern und fing an zu lachen, bevor er sich neben sie setzte und sie mit einem faszinierten Blick beobachtete. "Wenn das so ist, für gewisse Dinge braucht man ja keine Worte, nicht wahr?" Es war etwas Provokatives in seine Stimme gefahren, etwas, das sie kurz in ihrer Bewegung, die aus Reinstecken des Zündschlüssels bestand, innehalten ließ. Es verging keine Sekunde da hatte Cognac auch schon seine Hand vor Vermouths Gesicht gegen die Scheibe gepresst und war ihr ziemlich auf die Pelle gerückt. Die andere Hand war hinter ihrem Kopf ebenfalls am Fenster zu finden und so nahm er sie geschickt etwas gefangen. "Lass die Spielchen, du kannst allmählich wieder damit aufhören", sagte sie übermäßig ruhig, so dass man meinen könnte, im nächsten Moment würde sie total die Fassung verlieren und ihm wütend ins Gesicht schlagen. "Ich weiß jetzt, dass du andere täuschen kannst, jetzt ist es gut, ja?" Aus irgendeinem Grund konnte sie Kenji Enomoto beziehungsweise Cognac überhaupt nicht leiden, der Kerl nahm sich schlichtweg zuviel raus. Sie wollte Männer rumschubsen und genau das ließ der Typ nicht zu, stattdessen unterdrückte er nämlich sie, was ihr missfiel. "Ist etwas nicht so gelaufen, wie es sollte, Schätzchen? Du siehst ja so wütend aus. Das macht deine Augen wunderschön, da kriegt man glatt Lust zu spielen." Jetzt schlug es dreizehn, wie kam er nur auf die Idee, dass er mit ihr spielen durfte?

Sêiichî war viel zu weich und hatte sich von ihr scharf machen lassen, er hatte jetzt mal Lust anders mit ihr umzugehen, anscheinend brauchte sie mal so einen Mann, dem sie keine Angst einjagen konnte und der nicht so zimperlich war, wie er. Da kam es ihm ganz recht, dass er eine Rolle spielte, etwas Spaß musste ja sein. Sie versuchte ihn wegzuschieben, doch da fasste er nach ihren beiden Handgelenken und drückte sie gegen die Scheibe, wobei sein Gesicht näher an sie rankam und er ihr tief in die Augen blickte. Standhaft erwiderte sie seinen Blick, was ihn reizte, so dass er 2 Zentimeter Platz zwischen ihren Lippen ließ und weiter in ihre Augen schaute, der Hoffnung erliegend, dass sie es nicht mehr aushielt und ihn küssen würde, aber sie schien keine Anstalten dazu zu machen. "Wenn das alles ist, was dich interessiert, wirst du nicht lange leben, Enomoto!" sagte sie eiskalt. "Du machst das schließlich nicht nur zum Spaß haben, also lass jetzt diese Faxen, die hab' ich nämlich dicke und rutsch rüber auf deinen eigenen Platz!"

"Was, wenn ich aber keine Lust habe, das zu tun, Miss Vermouth?" neckte er sie und hauchte ihr seinen heißen Atem entgegen. "Ich weiß doch, dass du das auch willst, also tu dir keinen Zwang an, uns sieht momentan ja keiner, schließlich sind deine Scheiben getönt, daher kann keiner ins Auto sehen."

Boah, der war nicht nur unheimlich frech, sondern auch abgehoben, jetzt bekam sie mal etwas von ihrer eigenen Medizin zu schmecken. War sie eigentlich genauso schlimm, wie er? Man selbst bemerkte so etwas ja meistens ziemlich spät.

"Der Einzige, der unter einem Zwang leidet, bist ja wohl du, nicht ich." Der hatte sie doch nicht mehr alle, allmählich war sie regelrecht am kochen, der konnte doch nicht so mit ihr umgehen, für wen hielt der sich eigentlich?

Zu seiner Verwunderung hielt sie tatsächlich stand, obwohl er sich wirklich ins Zeug legte, dann musste er eben noch dreister und frecher werden, wie er fand, also beseitigte Cognac den Abstand zwischen ihren Lippen und küsste sie. Die Ruhe selbst war sie, darauf wartend, dass er sich über sie hermachen würde, doch man irrte sich, wenn man dachte, dass sie darauf anspringen wollte. Wenn er seine Rolle spielen konnte, konnte sie das schließlich auch. Der entscheidende Moment kam, als Kenji seine Zunge in ihren Mund stieß und sie verlangend küsste. Okay, er machte es sehr gut und fast hätte die Blondine sich umentschieden und sich von ihm küssen lassen, doch sie fing sich rechtzeitig wieder und biss ihm erst mal auf die Lippe, so dass es zu bluten anfing, aber der junge Mann schien dadurch nur noch heißer zu werden. Seine Zunge umspielte ihre wild, so dass ihr Hören und Sehen verging. Sie hatte Sêiichî nicht so eingeschätzt. Er war ein kleiner Weiberheld, aber dass er dermaßen aus sich rauskommen konnte und auf Bisse abfahren könnte, war ihr bis eben unbekannt gewesen. Wenn ein 17-jähriger, der soeben einen 21-jährigen spielte, so perfekt sein konnte, musste sie das auch, selbst wenn sie auf so etwas im Grunde gar nicht stand, also begann sie an seiner Wunde zu saugen. Er war selbst schuld, daran war jetzt auch nichts mehr zu ändern, er wollte es ja nicht anders. Um das Ganze noch etwas zu steigern, biss sie ihm in die Zunge und zwar nicht gerade zimperlich, sie wollte schließlich, dass er damit wieder aufhörte. Der 23-jährigen wurde bewusst, dass sie, je biestiger sie wurde, ihn umso schärfer machen würde, so wie er gerade reagierte. Seine Hand schob ihren Minirock hoch, jetzt wurde die Sache heißer als zuvor und sie konnte nicht sagen, dass es ihr missfiel, wenn man sie so konkret anmachte. Dabei hatte sie sich geschworen, es diesem Bengel nicht zu leicht zu machen, schon gar nicht, wenn er andauernd Roulette mit seinem Leben spielte. Sie hatte schließlich auch Gefühle und mochte ihn bereits ziemlich, mit anderen Worten, sie war nahe dran, sich in ihn verlieben, wenn er sich dann noch umbringen lassen würde...

Ihre linke Hand ergriff seine, die so weit vorgedrungen war, dass er jeden Moment ihren Slip erreicht hätte, was wohl auch Sinn und Zweck der Sache gewesen war. Die andere Hand schob ihn von sich, so dass sich beide Augen trafen.

"Bist du feucht geworden, oder wieso hast du plötzlich Angst?" fragte er sie mit einem belustigten Grinsen, er hatte ihr Zittern gespürt, als seine Hand ihren Oberschenkel hochging. Sie war vor Erregung fast irre geworden. "Und wenn schon? Ich habe kein Interesse an Sex mit dir, deswegen, und nicht weil ich Angst habe, ich glaub', ich spinne!" Irgendwie war das ja jetzt lustig und sie musste anfangen zu lachen, bevor sie den Motor startete und ihn im Auge behielt, falls er sie wieder anfassen würde.

"Hättest du dann bitte mal die Güte, mir zu verraten, wieso du kein Interesse daran hast?" Cognac verstand das nicht, Sêiichî noch weniger. Er hatte sich wirklich Mühe gegeben und die ließ ihn jedes Mal anecken, machte das dieser Frau Spaß und sie tat es mit Absicht, oder steckten andere Dinge dahinter?

"Ich habe nicht mit ihm Schluss gemacht. Und ich lasse mich nicht von jedem, der ankommt, flachlegen, merk dir das! Es gibt Frauen, die gegen so etwas allergisch sind!"

Man, jetzt hatte sie es ihm aber gegeben. Er hatte doch nie behauptet, dass sie leicht zu haben war, irgendwas musste sie da ja falsch verstanden haben. "Ich wollte nicht deinen Stolz verletzen, ehrlich. Du bist sehr interessant und ich stehe nun mal auf dich. Wo ist dein Problem? Hast du Angst davor, dass es zwischen uns zu heiß werden würde, oder was?" Nun war er wieder ein 17-jähriger Junge und er selbst. "Oder du dich auch noch in mich verliebst? Mein Gott, sag mir endlich, was los ist!" Sêiichî war verzweifelt, er wollte schließlich niemanden verletzen und er hatte das Gefühl, genau das hatte er getan.

"Chardonnay hat sich schon beschwert, weil er mir nicht an die Wäsche durfte, aber das ist mir ziemlich egal, Kerle, die nur das Eine im Kopf haben, können eh keine Frau dauerhaft glücklich machen. Und im Moment steht mir nicht der Kopf nach einer Affäre. Vielleicht bin ich wirklich zu stolz, aber ich werde das nicht ändern. Such' dir eine, die drauf steht, aber nicht mich."

Das hatte er jetzt davon, der 17-jährige hatte nun das Gefühl, dass sie am Anfang angelangt waren. Alles, was er bisher bei ihr erreicht hatte, schien nicht mehr zu existieren. Man, die konnte ja echt grausam werden, dabei hatte er nur seinen Gefühlen freien Lauf gelassen und diese wollten, dass er mit ihr zusammen war. Was war eigentlich los mit ihm? Langsam mutierte er ja zu einem schwanzgesteuerten Arschloch, was ihm jetzt erst bewusst wurde und ihn ziemlich runterzog. Deprimiert schaute er zum Fenster raus und sagte kein Wort mehr, die Sache hatte ihn getroffen.

Ihr war nicht unbemerkt geblieben, was ihre Worte bei ihm angerichtet hatten, aber Reue verspürte sie nicht, er musste damit klarkommen. Er konnte eben nicht jede haben.
 

Spät am Abend, als es schon recht kalt draußen war, befand sich Cognac in einer abgelegenen Gegend. Bei ihm war ein Handlanger, der auf ihn aufpassen sollte, während er mit einem reichen Mann ein Geschäft abwickelte. Weit und breit schien niemand zu sein. Das einzige Geräusch zu vernehmen, war das des Windes, der ab und zu pfiff.

"Wie abgemacht, 200 Mio Yen. Wollen Sie nachzählen?"

"Das wird nicht nötig sein..." Diesen Job hasste er wirklich, Cognac hatte die Waffe in seiner Tasche und gleich würde er sie wohl einsetzen. "Man sollte niemals Geschäfte mit Zwielichtigen machen. Merken Sie sich das bloß für ihr nächstes Leben..." Sêiichî glaubte daran, dass man immer eine zweite Chance bekam, außerdem war er sicher, dass Gott existierte. "Wie?" Die Waffe wurde dem Mann gegen die Brust gedrückt. Sein Auftrag lautete: ~Schnapp dir das Geld, dann bring ihn um.~

Ein Schuss war zu hören, er schoss ihm statt ins Herz in den Kopf, kurz und schmerzlos, denn er hasste Quälereien. "Wenn du das wüsstest..." Den Namen nannte er nicht, jedoch meinte er damit seinen besten Freund.

Schuss Nummer zwei fiel, nicht eingeplant, was ihn aufschrecken ließ. Man hörte in der Nähe einen Mann vor Schmerzen schreien, Angstschweiß trat in Cognacs Gesicht. Ouzo, der Mann, welcher Acht geben sollte, dass Cognac keinen Unsinn verzapfte, schrie, als hätte man ihm einen spitzen Gegenstand irgendwohin gerammt und keuchte daraufhin noch immer.

"Ihr Scheißkerle denkt doch immer, ihr seid unbesiegbar, aber sobald man euch kriegt, hat man euch da, wo man euch haben will..."

Eine Stimme stichelte Ouzo, wohlbemerkt schien ihm das äußerste Freude zu bereiten. "Keine Mätzchen, du kommst eh nicht weit, du bist verhaftet!"

Ach du Scheiße... Cognac verlor keine Zeit. Dieser Killer war ihm ziemlich egal, er musste hier weg, bevor man ihn auch noch entdeckte, doch als er in eine Gasse einbog, hielt er inne, denn eine hübsche Frau hatte ihre Waffe schon auf ihn gerichtet. "Endstation, Kleiner..." Woher wussten diese Zwei, was hier stattfinden würde? Es war doch streng geheim, der Auftrag, als auch der Ort.

Bevor er parieren konnte, fiel auch aus ihrer Waffe ein Schuss und die Kugel bohrte sich in seine Hand, so dass er kurz schrie und seiner Waffe beim Fallen zu sah. Er wollte vorstürmen, doch da schrie man ihn bedrohend an. "Wage es nicht, oder du erfährst, was es ist, Schmerzen zu haben!"

Ouzo lag am Boden, hielt sich sein Bein, man warf Killer Cognac eine Waffe vor die Füße, die er mit einem Kick nach oben beförderte, sie auffing. "Bring sie um, Cognac, das sind Kriminalisten! Wir müssen jeden töten, der uns auf die Schliche kommt, ansonsten trifft es.. uns..." Er schrie schmerzerfüllt auf, denn man hatte ihm Handschellen angelegt. "Versuch' es doch, kleiner Cognac, schieß, na, mach', ich warte..." Die Augen des Schwarzhaarigen blitzten gefährlich auf, er erwartete, dass der andere Schwarzhaarige, den man Cognac nannte, gleich schießen würde. Er war flink genug, um ihm die zweite Waffe, die er sicher hatte, zu entreißen.

Er hatte nicht vor, ihn irgendwie bösartig zu treffen, er wollte nur schnell verschwinden, weswegen er dann doch einen Schuss auf den Kriminalisten abgab, wobei er nur seinen Arm streifte. Er konnte keinem Mann des Gesetzes Schmerzen zufügen, das war ihm zuwider.

"Nicht mal zielen kann er...", machte sich der andere lustig und feuerte einen Schuss ab, der Cognac unter Schmerzen in die Knie zwang. "Du bist ebenfalls verhaftet, mein Kleiner, wenn du brav bist, wirst du auch nicht unnötig leiden..."

Er kniete am Boden, wollte nicht aufgeben und schoss ein weiteres Mal, diesmal in den Arm des Kerls, doch das ließ diesen nur kurz zischen, so dass wenig später Cognac 5 Kugeln am Stück trafen.

Durch diese ging er wieder zu Boden. Blut strömte aus den Wunden in seinen Beinen.

Keiner rechnete damit, doch dann geschah es, mehrere Schüsse aus einer fremden Waffe fielen.

Die Kriminalistin drehte sich herum, konnte Schatten ausmachen, wusste jedoch nicht, zu welcher Person sie gehörten. In der Zwischenzeit hatte sich Cognac etwas aufgerichtet und entwaffnete die Polizistin. "Mich kriegt ihr nicht lebend, da müsstet ihr mich töten..."

"Hey, wir sind nicht wie ihr, wir entwaffnen euch und legen euch lahm, wenn ihr frech werdet!" warf der Grünäugige ihm zu, bemerkte dann aber, dass er mehrmals getroffen worden war, woraufhin schrilles Lachen ertönte, das eindeutig von einer Frau kam.

"Nette Methoden, wenn ihr zur Polizei gehört..." Man sah das Gesicht derjenigen nicht, doch kannte Hiroya Tokorozawa diese. "Vermouth auch noch, dass du dich mal wieder nicht raushalten kannst, Schätzchen, du kannst gerne auch ein paar Kugeln kriegen. Falls du nämlich denkst, ich bin außer Gefecht, hast du mich noch nicht wirklich kennen gelernt, du kleines Miststück!" lachte er. "Ich konnte deine Stimme hören, Iwamoto. Ich dachte, du willst Polizist werden? Hat mir meine Schwester so erzählt... Scheint so, als wenn du die Seite gewechselt hast.."

Vermouth entglitt ein animalisches Knurren, da Ouzo noch lebte und so auch noch hören konnte, was man sagte. "Iwamoto? Aber..." Wenn er jemals wieder lebend aus dieser Situation herauskommen würde, dann war Cognac fällig, immerhin hatte er den Boss belogen, was für eine Frechheit das doch war.

Ein gewaltiger Kugelhagel aus der Beretta der Frau kam dem Kriminalist entgegen, haute ihn sprichwörtlich von den Socken, es war unnötig ihn zu töten und doch schonte sie ihn nicht, gab ihm ordentlich Zunder, danach lud sie ihre Waffe neu, was Cognac im ersten Moment gar nicht fasste. Sie zielte doch wahrhaftig auf Ouzo und drückte ab, wobei sie gehässig auflachte.

"Jetzt bringt ihr euch gegenseitig um?" fragte die Frau aus der Ecke, so dass Vermouth der frechen Göre gleich auch mal eine Kugel verpasste, obwohl sie nicht mal mehr eine Waffe hatte.

Was war bloß mit der Frau los, drehte die jetzt vollkommen durch?

Sie zog Cognac einfach hoch, zerrte ihn in die Ecke. "Versucht es ruhig, uns zu kriegen! Das schafft ihr in dem Zustand nicht!" Hiroya sprang auf die Beine, schnappte sich seine Waffe und rannte beiden nach, wobei er doch etwas hinkte, aufgrund dessen schafften es die beiden auch, ihn hinter sich zu lassen. "So sehr ist die Frau ja noch nie ausgetickt, was hat die denn geritten?" wollte die Braunhaarige wissen und seufzte. Auch sie begann zu rennen, stieg in ihren Wagen ein. Zu dumm, dass sie viel zu spät davon erfahren hatten und Cognac deswegen mit dem Auftrag erfolgreich gewesen war.

Beide saßen nun im Auto, während er sich anschnallte und sich eine Zigarette ansteckte. "Mal sehen, wohin sie wollen..." Und schon gab er Gas in die Richtung, in welche sie gelaufen waren.

Vermouth versteckte sich in den Schatten der Mauern, wobei sie seinen rasenden Atem hören konnte. Dieses Kriminalistenpaar hatte wohl jeglichen Respekt vor ihnen verloren, so wie die Sêiichî behandelt hatten, noch dazu wussten die zuviel, eigentlich hätte man sie wie Ouzo einfach umbringen sollen.

"Arg, mein Bein, der spinnt wohl... ich bin doch nicht aus Pappe...", stöhnte Sêiichî, der sich unwillkürlich an die Frau klammern musste. "Sei still, die suchen nach uns..." Einfach gesagt, er hatte Schmerzen und sie verlangte, dass er die Klappe halten sollte?

"Ich weiß...", kam von ihm, wehleidig und mit einem Seufzen. "Tut mir Leid, dass du meinetwegen solchen Ärger hast..."

Nun hielt sie ihm den Mund zu, weswegen er nur durch die Nase atmen konnte und die Augen aufriss. Er konnte nicht mehr, seine Sicht verschwamm, doch wegen ihrer Hand konnte er sie nicht darauf aufmerksam machen. Er war wie ins Schwarze gezerrt, als würde er nicht mehr existieren.

Als sie dann bemerkte, wie lasch er da hing, brachte sie ihn schnell zum Wagen, achtete aber darauf, dass die beiden Bullen sie nicht erwischten und fuhr dann in ihre zweite Wohnung, nur für den Fall der Fälle, dass man sie doch verfolgen würde.
 

Die Tür wurde mit einem knackenden Geräusch geöffnet. Sie schloss sie hinter sich und ging, Sêiichî stützend, ins Schlafzimmer, ließ ihn auf dem Bett nieder sinken.

"Ich hätte die beiden wirklich erschießen sollen... was für eine Sauerei..." Sie klang zwar eingebildet, regte sich im Grunde aber nur darüber auf, wie man ihn behandelt hatte, immerhin hatte er nicht als erster geschossen. Gut, sie waren Kriminalisten, wussten aber doch wohl zu wenig, um sich anmaßen zu können, über sie zu urteilen. Ganz besonders über ihn, was konnten die schon großartig über Sêiichî wissen? Oder über Cognac...?

Ihr Weg führte sie ins Bad, wo sie Verbandsmaterial und chirurgische Instrumente holte, die sie vor dem Gebrauch desinfizierte, immerhin sollte er keine Blutvergiftung bekommen.

Dann begann sie die Kugeln rauszuholen, die doch recht tief gesessen, aber nur wenige Blutgefäße verletzt hatten. Trotzdem taten solche Einschüsse ziemlich weh. Die hatten ihrem Freund wehgetan, das würde sie ihnen niemals verzeihen. Wenn sie so was mit ihr machten, war das ja noch tragbar, aber nicht mit jemandem, wie ihm. Dachten die denn nie über ihre Taten nach? Hatten die nie ein schlechtes Gewissen, wenn sie jemanden niederschossen?
 

Der Bildschirm seines Computers im dunklen Zimmer flackerte. Ein leises Lachen war dem Kriminalisten gegeben. In seiner verschlüsselten Datei standen Codenamen, so weit das Auge reichte. Er hatte sie gesammelt und eingetragen, was er so über sie wusste, um ja nichts wieder zu vergessen. Alles, was darin stand, war seine persönliche Sichtweise, er studierte seine Killer. Heute kam ein neuer hinzu.
 

~

Zaire - Name: Juri Maruya: Ledig, liiert mit Giró, trickreich, gewitzt, aber sehr still. Sie ermordet ausschließlich die eigenen Leute.
 

Chardonnay - Name: Keichiro Takagi: Verheiratet mit Matsue Takagi, zwei Kinder, Riina und Wataru Takagi. Brutaler Zeitgenosse, liebt es über Frauen herzufallen, ist so gut wie nie alleine unterwegs, Soziopath, Affäre mit Vermouth, Kontakt zum FBI.
 

Jeremiah - Name: unbekannt, wurde von unbekannter Person erschossen, hinterlistiges Miststück
 

Flavis - Name: Yûsuke Otaké: Buchautor, saß schon einmal durch mich im Gefängnis, Geschwister: Shizuka, Yûmikô, Mikaru (Stiefschwester Leena Takada), Scharfschütze für Chardonnay
 

Château - Name: Emanuela Blaise, die Sängerin, Chardonnays Beschützerin und Tochter innerhalb der Organisation, Feindschaft mit Vermouth (?)
 

Aperol - Name: unbekannt, hat keinen Beruf, Killer mit Leib und Seele, Zusammentreffen nur möglich, wenn Gins Leute bei ihm sind, nie alleine, verdammt brutal
 

Brandy - Name: Shizuka Otaké: Flavis' Schwester, ist bei einem inszenierten Unfall augenscheinlich ums Leben gekommen, schon zum zweiten Mal, Vermutung, dass sie noch am Leben ist.
 

Seyval - Name: unbekannt, ungeschickter Waffengebrauch, Freundin von Vermouth (?), verkleidet sich gerne, Erpresserin
 

Gin - Name: unbekannt. Brutaler, mordlustiger Killer, zögert NIE, mag Blutbäder, Abneigung gegen Vermouth und Seyval
 

Sambucca

Drambuie

Ricard

Vodka - Namen unbekannt: Gins Partner

Ouzo - Name: unbekannt, starb durch Vermouth, die ihn erschoss, da wir ihn gestellt haben.
 

Gamay - Name: Masami Hayakawa (14 Jahre!): misslungener Auftrag, wahrscheinlich von Gin danach ermordet
 

Othello - Name: unbekannt, Schwerverbrecher, Neigung zu roher Gewalt, geschicktes Einsetzen seines Gewehres, trägt 5 Kurzwaffen bei sich und 10 Messer, steht wohl ziemlich hoch in der Rangliste
 

Giró - Name: unbekannt, Neuzugang, kam fast zur gleichen Zeit wie Flavis dazu, Schlägertyp, Erpresser, schießt selten, Frauenverachter wegen einer Psychose, wurde als Kind wohl von seiner Mutter vergewaltigt, war in mehreren Therapiesitzungen, hat eine Halbschwester
 

Vermouth: - Name: unbekannt, Verkleidungskünstlerin, skrupellos, gewitzt und gerissen, nie sie selbst, Soziopathin, ist sich selbst am wichtigsten, gleich nach der Organisation, sehr interessante und gefährliche Frau für die Menschheit, wickelt die Männer um den Finger, verdrehte Sichtweise unserer Welt
 

Jami - Name: Kenichi Ashida, Medizinstudent, Frauenheld, Macho, 4 Kurzwaffen, 1 Langwaffe, erschießt Vergewaltiger und Verräter des Bosses, steht direkt unter ihm wie es scheint
 

Cognac - Name: Sêiichî Iwamoto, Exfreund meiner Schwester, hat nach Erpressung einen reichen Mann erschossen, wurde von Vermouth aus der Lage gerettet, wollte früher immer zur Polizei!

~
 

Das war für heute erledigt, jetzt konnte er zusammen mit seiner Schwester seinem wohlverdienten Nickerchen nachgehen, bevor er morgen weiterermitteln würde. So weit ihm bekannt war, stand kein neuer Auftrag an.

Yuriko betrat das Zimmer und fand ihn vor dem PC sitzend wieder, mit einem selbstgefälligen Grinsen im Gesicht. "Was grinst du so? Fandest du das nicht auch schockierend, dass er bei ihnen mitmischt?" fragte sie ihren Bruder, der den PC runterfuhr und dann abschaltete. "Ich konnte ihn eh nie leiden, ich freue mich richtig, dem Ärger zu machen."

Sie seufzte leicht in sich hinein. Das war typisch, ihr Bruder dachte an nichts anderes mehr, dabei sollte er sich eher mal eine Freundin suchen. "Ich mag es nicht, wenn du so fies grinst und dein gutes Herz versteckst, um gehässig zu sein. Er ist 17 Jahre alt und hat sein Leben noch vor sich. Findest du das nicht auch krass?"

"Worauf willst du hinaus?" Er stand hektisch auf, holte sich seine Zigaretten aus der Jackentasche und zündete sie sich an, daraufhin ging er zum Fenster, öffnete es und schaute hinaus, wobei er ihr den Rücken zugewandt hatte. "Du willst mit Sicherheit nach ihm suchen, oder?"

"Der kommt mir so nicht davon! Ich musste schon zusehen, wie er meiner kleinen Schwester das Herz bricht, jetzt hat er den Bogen überspannt! Er ist ein Mörder, so werde ich ihn auch behandeln."

"Sei doch nicht so herzlos", sie musste das sagen, denn er vergaß wirklich sehr oft, dass es sich um eine Organisation handelte, die Versager sofort ausradierte. "Tut es dir denn nie Leid, wenn man sie nach der Verhaftung umbringt? In den meisten Fällen passiert das nun einmal. Im Grunde sind wir dann mit schuld, wenn Menschen sterben! Denkst du nie drüber nach?" Sie sprach sehr ruhig mit ihrem Bruder, Ausraster waren sowieso nicht ihre Art, außerdem konnte er schreiende Leute nicht leiden.

"Ob es mir Leid tut willst du wissen?" Ein belustigtes Lachen war zu hören. "Sobald man in diese Organisation einsteigt, ist das Schicksal desjenigen besiegelt. Ein richtiger Fehler und man ist draußen, auch wenn man dann sterben muss. Die Leute, die da einsteigen, kennen die Gefahr. Wenn sie Schiss haben und nicht sterben wollen, sollen sie es lassen. Jeder hat die Wahl..."

Die Ältere lehnte sich gegen die Wand, schloss die Augen. "Du solltest erst nachforschen, was Cognac angeht, damit du nichts verpasst und am Ende ein schlechtes Gewissen hast, wenn du einen 17-jährigen in den Tod treibst. Du musst dir im Klaren sein, was auf dem Spiel steht. Die meisten verdienen den Tod wahrscheinlich, weil sie so viel Schlechtes getan haben, aber ist dir aufgefallen, dass er uns leicht hätte töten können? Ich denke nicht, dass er ein böser Mensch ist und es ihm Spaß machte. Nein, ich denke, da steckt was dahinter. Ich bitte dich wirklich, handle nicht vorschnell..." Hiroya drehte sich hektisch herum und schlug die Hand gegen die Wand, direkt neben seiner Schwester. "Hast du einen Knall? Ich werde nicht untätig zusehen, wie Menschen sterben! DANN hätte ich ein schlechtes Gewissen!"

"Wie widersprüchlich, kleiner Bruder", meinte sie seufzend und mit einem gequälten Lächeln. "Wenn du ihn dir schnappst, wird man einen 17-jährigen töten, ist doch so. Bisher haben sie es ja immer wieder geschafft, unbemerkt reinzukommen und die Leute sterben zu lassen, jedes Mal auf seltsame und heimtückische Weise. Er hat zwar auf uns geschossen, aber wir sind kaum verletzt worden, obwohl dieser Ouzo wollte, dass man uns umbringt. Das lässt mich darauf schließen, dass der Auftrag, den Mann zu ermorden, vom Boss kam... Irgendwas ist im Busch. Wenn du nicht vorher nachforschst, wieso er da drin steckt, bist du ein schlechter Kriminalist."
 

Langsam schlug Sêiichî nun die Augen auf, schaute nach oben, wo er auf ihr Gesicht traf. "Ich lebe noch, ein Wunder... Bei den Schmerzen..." Ein Stöhnen kam über ihn, er spürte die Verletzungen, die hatten ihm wirklich einige beigebracht.

"Sei nicht so eine Memme, Sêiichî, das kann vorkommen..." Die Härte ihrer Stimme gefiel ihm nicht, genauso wenig, wie das, was er gesehen hatte. "Du hast sie fast umgebracht... was macht dich so grausam?" Mit welch naivem Unterton er jetzt sprach, das war eindeutig ein 17-jähriger Baka, der sie so noch nie erlebt hatte.

"Was mich grausam macht?... Ungerechtigkeit!" Verwirrt besah er sie, die ihren Blick abgewandt und sich wenig später herum gedreht hatte. "Wir sind Killer... es ist nicht ungerecht, uns wehrlos zu machen!" Sêiichî klang bedrückt, ja, er fühlte sich schlecht, immerhin hatte er einen Mordauftrag erledigt.

Die Frau drehte sich blitzschnell herum und schrie ihm etwas entgegen, so dass er am ganzen Leib zuckte und die Schmerzen stärker wurden.

"Ich hasse die Polizei, die haben keine Ahnung und tun, als seien sie die Guten... wenn sie dann mit gehässigem Grinsen auf uns schießen und uns verletzen, nur um uns zu erniedrigen!"

Ihre Worte waren wirklich schockierend, er hätte heulen können. "Dann wirst du mich in Zukunft auch hassen..." Er schloss die Augen, er wollte nichts und niemanden mehr sehen.

Fing er nun an, seinen Einstieg zu bereuen? Sie bereute bisher nur eines - dass sie ihn angebrüllt hatte.

"Du willst zur Polizei?" Ihre Stimme wurde sanfter, während die blonde Frau langsam auf das Bett zuschritt.

"Darauf wärst du nie gekommen, was?" Schnippisch, wie er nun mal sein konnte, warf er ihr das zu. "Ich weiß jedenfalls, dass ich nicht so werden will, wie die beiden..."

"Du wirst genauso werden, weil man auf uns schießen darf... Das ist eben so... Wir sind die Schlechten." Er hatte das Bedürfnis, sie zu umarmen, traute sich jedoch nicht. "Mag sein, aber ich weiß, dass etwas Warmes in deinem Herzen wohnt, Chris..." Er wollte sie nicht Vermouth nennen, diese Frau war eine Rolle und bösartig - er war vorhin schließlich Zeuge dessen gewesen.

"Nicht mehr Wärme als Kälte, Sêiichî..." Sie sollte so etwas nicht sagen, es tat ihm weh, er wollte Derartiges nicht von ihr hören.

"Nicht? Spürst du nicht etwas Warmes, wenn ich dich berühre?" Demonstrativ legte der 17-jährige seine Hand auf ihrer Wange ab und strich lächelnd nach unten. Ihr Herz begann plötzlich schneller zu schlagen, solche Situationen schafften es wirklich, dass Wärme in ihr Herz zurückkehrte, so sehr, dass sie schluckte. Kaum zu glauben, dass ein knallharter Polizist aus ihm werden sollte. "Bleib so wie du bist und vergiss nicht dich selbst, wenn du deine Rolle spielst... Das würde ich mit am meisten bedauern." Sie dachte, er könnte vergessen, wer er wirklich war? Dass sie das in Erwägung zog? "Dir passiert das ab und zu, oder?" Schweigen trat in den Raum, während er sie näher zog und wenig später im Arm hielt. "So wie vorhin..." Ein Seufzen kam von ihm. "Wenn mir so was jetzt andauernd passiert, kann ich einpacken, weil Ryo dann bald weiß, was ich mache. Der glaubt mir im Leben nicht, dass ich schon wieder krank bin..."

"Warum machst du so was auch? Das hast du dir jetzt echt selbst eingebrockt! Dachtest du, dass du alle täuschen kannst und dann auch noch keine Probleme hast? Vergiss es! Ich habe seit fast 20 Jahren Probleme mit dem FBI. Du hast es noch gut getroffen. Lass dich eben nicht erwischen, dann ist alles gut. Jedenfalls solltest du aus der Sache lernen. Das nächste Mal machst du es wie ich und verpasst denen auch ein paar Kugeln, damit sie dich in Ruhe lassen. Wir können uns Probleme mit der Polizei nicht leisten."

"Ich kann nur leider wirklich keine Polizisten verletzen... dazu haben wir überhaupt nicht das Recht!"

"Toll, echt toll, aber die haben das Recht, uns so zu behandeln, was? Die jagen uns doch wie die Tiere..." Wie abwertend sie klang.

"Sei nicht sauer... Wir sind nun mal, wer wir sind. Und ich werde keinen Polizisten über den Haufen schießen, wie du das getan hast. Musste das echt sein?" Er dachte wohl wirklich, dass die beiden sie einfach hätten ziehen lassen. "Dir scheint nicht bewusst zu sein, was der Boss mit uns anstellt, wenn wir von der Polizei einkassiert werden... Der zählt solche Killer gerne mal zum Müll. Willst du lieber umgebracht werden, als mal auf einen Kriminalisten zu schießen?" Sein Schweigen verriet ihr, dass sie damit einen Volltreffer gelandet hatte.

"Ich habe nicht das Recht, das zu tun. Schlimm genug, dass ich seinen Arm getroffen habe...Die tun nur ihre Pflicht. Die haben uns nun mal bei unserem Auftrag erwischt. Was hätten die denken sollen? Ich habe ganz in der Nähe einen Mann einfach erschossen... Ich an deren Stelle würde mich selbst auch als Abschaum ansehen, wenn ich es mitbekommen würde. Dann würde ich denjenigen auch einsperren wollen, das war es doch, was sie wollten."

"Das wäre ein kurzer Aufenthalt im Knast gewesen, sei dir dem sicher..." Vor allem war sie nicht die Einzige, die dort eindringen und jemanden ermorden konnte.

Allmählich wurde ihm jedoch schwindelig, alles drehte sich. Ihm lief Schweiß über das Gesicht. "Leg dich hin und ruh' dich etwas aus, die haben dein Bein gelöchert, du solltest nicht soviel reden."

"Ich muss ja wohl meine Meinung vertreten..." Er hielt sich eine Hand vor's Gesicht, ihm war dermaßen schlecht, dass er das Gefühl hatte, jeden Moment nach hinten umzukippen. So sollte er in die Schule gehen? Mit Sicherheit nicht. Da müsste er sich schon Unmengen Schmerzmittel einwerfen, um nicht zu zeigen, dass sein Bein verletzt worden war. Er tastete über den Verband, die Schmerzen innen waren höllisch. "Oh Gott, hast du Schmerzmittel? Ich glaube, sonst falle ich dir hier gleich noch in Ohnmacht..." Mit den Worten war er wirklich nach hinten gefallen. Die Blutungen hatte sie zwar stillen können, jedoch war er mit Sicherheit vom Blutverlust erschöpft. Man konnte es ihm ja ansehen.

Nach fünf Minuten öffnete er wieder schwach die Augen, sie saß noch immer da.

"Diese Schmerzen werden mich umbringen..."

"Tja, erwarte bloß nicht, dass ich dich bemitleide, du bist selbst schuld daran, jaha..." Gemeinheit, er sah sie frustriert an, allerdings hielt sie ihm dann ein paar Tabletten hin. "Nimm nicht zuviel davon, das ist ein starkes Schmerzmittel... Was hast du jetzt eigentlich vor?"

"Die nächste Woche krank sein, mindestens... Und die nächsten drei Wochen high zur Schule gehen, wie es aussieht. Wahrscheinlich penne ich dann im Unterricht wieder ein, weil das Zeug mich umhaut..." Medikamente hatte er sowieso nie wirklich vertragen, er bekam davon rasende Kopfschmerzen und ihm war oft übel. "Ich kann dir ein Attest fälschen, dann musst du gar nicht zur Schule, auch die restlichen 3 Wochen nicht..."

"Ja, dann besucht Ryochi mich und alles kommt raus, es wird schlimm genug werden, ihm was vorzumachen." Es war der Frau echt schleierhaft, was er da betrieb, andererseits durfte Yukiko auch nichts davon erfahren. "Er kennt dich doch. Sag' ihm, du hast dich wieder mit Verbrechern angelegt und was abbekommen. Das ist besser als ihm was vorzumachen. Er muss ja nicht gleich auf die Idee kommen, dass du bei uns mitmischst..."

"Ach ja? Ich glaube, er könnte es mir ansehen, manchmal hat er auch einen guten Riecher und stößt auf so Manches..." Er wollte nicht, dass sein Freund davon erfuhr, er wollte ihn immerhin nicht enttäuschen. "Ich muss nur schön brav bei meiner Rolle bleiben, dann wird es schon gehen", sagte er zu sich selbst, was kein Erwidern auf ihre Worte war.

"Baka, dein Freund ist eben Detektiv, die haben das so an sich."

"Ich will nicht, dass er sich meinetwegen Sorgen macht..."

Wie naiv war der eigentlich? "Sêiichî, das tut er bereits, seit du von Flavis mal eben über den Haufen geschossen wurdest. Der war so besorgt, dass er einfach umgekippt ist..."

Der junge Schwarzhaarige kniff instinktiv die Augen zu. "Es ist schädlich, so einen, wie mich, zu kennen..."

"Rede doch nicht solchen Unsinn, du bist immerhin stets für deine Freunde da."

"Und mache sie unglücklich."

"Mich hast du bisher nicht unglücklich gemacht, du darfst dich nur nicht unterkriegen lassen. Unglücklich werden erst alle, wenn du nicht mehr unter uns weilst, also tu alles dafür, damit du überlebst, das bist du deinen Freunden auf gewisse Weise schuldig." Das konnte unmöglich ihr Ernst sein, er konnte und wollte sich nicht an Leuten, wie denen von vorhin, vergreifen. "I'm going my way, you're going yours, alright?" Mit den Worten seufzte er einmal kurz und schlief dann wohl wieder ein. "Das Zeug fängt endlich an zu wirken, hoffentlich geht es ihm morgen besser, wenn er sich ein wenig ausgeruht hat. Zuviel Stress kann er jetzt nicht brauchen." Die Frau ging ins Bad und zog sich erst mal ein blutrotes Nachthemd an, das recht kurz war. Befürchten musste sie momentan nichts, denn er würde bis morgens durchschlafen. So würde er sie wenigstens nicht wieder anmachen, wie es seine Art war.

Nachdem die Blondine sich auch ihrer kleinen Verkleidung entledigt hatte, stieg sie zu ihm ins Bett und drückte ihn an sich, damit er schöne Träume hatte. Wenn er bei ihr im Arm lag, würde er sicher was Erotisches träumen und am Morgen bessere Laune haben.
 

Es war schon recht spät am Abend, als Shina nach Hause kam. Sie wunderte sich schon ein wenig, dass es so still war, denn kein Mucks war zu hören, so dass sie besonders gut lauschte. Man hätte eine Stecknadel fallen hören, so still schien es zu sein.

Auf dem Küchentisch fand sie wenig später eine kleine Notiz vor, die von ihrer Mutter war.
 

~Hey, Shina-chan, tut mir Leid, dass ich dir das auf dem Papier beibringen muss, aber ich musste ganz dringend jemanden aus meinem Freundeskreis besuchen. Ihr geht's nicht so gut, also bin ich sofort losgefahren. Minako habe ich mitgenommen, da sie diese Person besonders mag. Ich bin in etwa einer Woche wieder da, Schätzchen, du wirst ja sicher eine Weile alleine klarkommen. Shinichi übernachtet bei Ran-chan, Agasa kommt in Abständen aber bei dir vorbei, um nach dem Rechten zu sehen.

Bis in einer Woche, hab' dich lieb.
 

Mum...

~
 

Ein Seufzen entfuhr der Schülerin. Derartige Einfälle hatte ihre Mutter irgendwie ja ständig. Sie fuhr einfach weg und ließ alles stehen und liegen. Das war eine richtige Macke von ihr. Ihr Mutter hatte ab und zu eben nicht alle Tassen beisammen, auch wenn man das nicht aussprechen sollte.

Als es komplett dunkel geworden war, begann die 16-jährige damit, die Fenster und Türen zu kontrollieren, da sie sicher sein wollte, dass niemand rein konnte.

Nachdem sie damit fertig war, nahm sie etwas zu Essen zu sich, bis auf einmal das Telefon klingelte. Auf der Kommode an der Wand, wo das Telefon stand, hing ein Spiegel, auf den sie zuschritt und abnahm. In dem Moment schaute sie noch auf das Telefon. Sie nahm den Hörer hoch, wobei sie aus Reflex in den Spiegel schaute, in dem sich eine Gestalt widerspiegelte, so dass sie erst einmal zusammenzuckte und herumfuhr. Jemand stand in der Küchentür, ein 17-jähriger, der nicht in dieses Haus gehörte, was sie leicht panisch werden ließ.

Noch während sie sich herumgedreht hatte, war er auf sie zugegangen und stand nun ziemlich direkt vor ihr. Er war wie der Teufel höchstpersönlich hinter ihr her, jetzt war er da, und sie ganz alleine mit ihm, was Angstzustände in ihr auslöste.

"Du verdammtes Miststück! Mit Akaja bist du echt zu weit gegangen!" Mit den geschrieenen Worten bekam die sowieso schon verängstige Shina die flache Hand des Braunhaarigen mit voller Wucht ins Gesicht, so heftig, dass sie gegen die Kommode flog und das Telefon samt Spiegel zu Boden ging, was geradezu klirrte. Etwas benommen fiel sie vor seine Füße, direkt in die Scherben. Beim Aufprall, schnitt sie sich unter anderem in die Arme. Nachdem sie sich wieder einigermaßen gefangen hatte und wieder einen Gedanken fassen konnte, nahm sie eine der größeren Scherben und warf sie Takahashi entgegen, woraufhin sie aus der Küche nach oben ins Bad flüchtete. "Ich krieg dich schon noch, ich hab' ja Zeit, du kannst dich nicht vor mir verstecken!" brüllte er ihr wütend hinterher und wollte ihr dann nach oben folgen, doch bevor er die Treppe ganz passiert hatte, war eine weitere Person aufgetaucht. Diese war derjenige am Telefon gewesen und hatte noch gehört, was geschehen war. Aus dem Grund war er sofort losgerannt, da brachte das Rufen seiner Mutter, wo er denn so spät noch hin wolle, auch nichts. Während er wie der Teufel zu seiner Freundin gerannt war, hatte er noch die Polizei gerufen, wobei es schon ein Wunder war, dass man ihn verstanden hatte, schließlich war er ziemlich hektisch und total aufgelöst gewesen, fast schon panikerfüllt. Sein Vater hatte noch zu seiner Mutter gemeint, dass sie ihn lassen sollte, weil er sicher seine Gründe dafür hatte.

"Shinalein, ich komme jetzt rauf", meinte Takahashi mit einem psychopathischen Grinsen, was Ryochi jedoch sofort widerlegte. "Das sehe ich eher nicht so."

Der Angesprochene drehte sich zu seinem Cousin herum, den er mit einem regelrecht verhassten Blick ansah. "Was willst du denn hier, Akaja? Halt dich da gefälligst raus, diese Sache geht dich nichts an, du bist später dran, wenn ich mit ihr fertig bin, dann wirst du dafür büßen, dass du es gewagt hast, dich an meine Freundin ranzumachen und ihr die Unschuld zu rauben, die eigentlich mir gehörte."

Ryochi sah ihn völlig unbeeindruckt an. "Du warst noch nie ganz normal, aber das ist ja glatt 'ne Einweisung wert. Du tickst ja nicht mehr richtig, du armer Irrer."

Er hatte den ganzen Tag das Haus der Kudôs beobachtet und wusste, dass Shina ganz allein war, weswegen er sich jetzt holen wollte, was ihm gehörte. Da ließ er sich von seinem kleinen Cousin doch nicht so etwas sagen, trotzdem hatte er mit ihm überhaupt nicht gerechnet, er hatte mit überhaupt niemandem gerechnet. Ein mürrisches, unbeherrschtes Knurren kam von Takahashi, dessen Augen verheißungsvoll aufblitzten, als wolle er gleich über Ryochi herfallen und ihm den Rest geben, doch da konnte man Polizeisirenen aus der Ferne hören. Als er dies hörte, weiteten sich seine Augen, er stieß seinen Cousin gegen die Wand, so dass dieser kurz abgelenkt war und machte sich dann über den Hinterausgang aus dem Staub. Ärger mit der Polizei konnte er in seiner Situation wirklich nicht brauchen. Ryochi rannte ihm nicht nach, er wollte lieber nach seiner Freundin schauen, immerhin hatte er den zertrümmerten Spiegel und auch Blutspuren entdecken können, weswegen er von Sorge förmlich zerfressen zu sein schien. Vielleicht war sie ja schwerer verletzt, bei so einem Psychopath wie Takahashi konnte man das nicht ausschließen, es lag sogar recht nahe, deswegen suchte er sie jetzt. Aus seiner Angst wurde regelrechte Panik, so dass er die Treppe hoch stürmte und dabei fast diese hinauffiel, in all seiner Hektik, die durch seine Angst um sie entstanden war. Er suchte jedes Zimmer ab, wobei ihm die Blutspur am Boden sogar entfallen war, so eilig hatte er es gehabt, die Treppe hinauf zu kommen. Kleine einzelne Tröpfchen waren am Boden zu entdecken, was er erst sah, als er das zweite Mal an der Treppe vorbeikam. Ryochi folgte dem Blut und gelangte dadurch bei der Badezimmertür an, die allerdings verschlossen war, wie er wenig später beim ersten Versuch, sie zu öffnen, bemerken konnte. Der 16-jährige beruhigte seinen Atem, klopfte und bemühte sich im nächsten Moment ganz ruhig zu klingen, auch wenn er innerlich total neben der Spur war und sich natürlich Sorgen machte. "Hey, Shina, mach' die Tür auf, ich bin's." Ein knackendes Geräusch war zu hören, was vom Schloss kam, so dass er die Tür daraufhin öffnen konnte und eintrat. Er fand sie auf dem Boden sitzend vor, überall mit Blut verschmiert war sie. Seine Augen weiteten sich und seine Haut verfärbte sich in ein ungesundes Weiß, das fast wie das einer Wand wirkte. Sie war ebenfalls ganz blass, aber wohl aus einem anderen Grund, weswegen er zu ihr hin stürzte, wobei er noch fast wieder hinfiel und sich zu ihr hinab beugte, um sich das Ganze mal genauer anzusehen. Seine Freundin stand total unter Schock, sprach kein Wort mit ihm, sah ihn ja nicht mal an. Ihr Blick ging geradeaus, völlig starr und irgendwie wirkte er leer. Während er sie vorsichtig in den Arm nahm, holte er sein Handy aus der Jackentasche und rief den Notarzt, den sie, wie er fand, wirklich nötig hatte. Daraufhin fasste er neben sie zum Schrank, öffnete ihn und holte Handtücher heraus, alle, die er so fand und begann damit sie ihr um die Arme zu wickeln, die am meisten abbekommen hatten.

Als er damit fertig war, drehte er ihr bekümmertes Gesicht etwas zu sich herum. "Kannst du aufstehen und laufen?" wollte er wissen. Ein schwaches Nicken war alles, was er von ihr bekam, was ihm aber reichen musste.

Nachdem sie unten im Erdgeschoss ankamen, waren die Polizei und Professor Agasa bereits vor Ort. Besonders Megure und Agasa schauten schockiert auf die Hellbraunhaarige, die sogar im Gesicht Blut hatte, weil sie den Kopf auf ihre Arme gelegt hatte. Ryochi brachte sie erst einmal ins Wohnzimmer und brachte sie dort dazu, sich auf die Couch zu setzen, die anderen folgten ihm, nachdem sie sich wieder einigermaßen gefasst hatten - stillschweigend und weiterhin schockiert über den Anblick der Schülerin.

Megure schlug kurz die Augen nieder, bevor er seine Frage stellte. "Was ist passiert und wie ist es zu diesen Verletzungen gekommen?" Er konnte sich eine Menge vorstellen, wollte aber, dass man ihn aufklärte, immerhin wollte er die Wahrheit wissen, während Agasa nur deprimiert neben ihm stand und ihn Gedanken quälten, die ihm spontan durch den Kopf gingen. ,Wäre ich doch bloß früher gekommen, um nach dem Rechten zu sehen, dann wäre das nicht passiert.'

Inzwischen kam der Notarzt an und kümmerte sich um ihre Verletzungen, was sie nur halb wahr nahm. Wie in Trance begann sie zu sprechen. "Ich bin nach Hause gekommen und fand einen Zettel meiner Mutter auf dem Küchentisch, auf dem stand, dass sie mit Minako eine Woche wegfährt. Ich habe die Fenster und Türen kontrolliert und dann etwas gegessen. Das Telefon klingelte und ich ging ran. Als ich in den Spiegel vor dem das Telefon stand, schaute, war er auf einmal da. Er hat mich als Miststück beschimpft und wollte sich dafür rächen, dass ich mit Ryo zusammen bin." Sie zischte kurz während ihrer Worte, da der Arzt einzelne Splitter entfernte, die sich tiefer in ihre Haut gebohrt hatten. Ryochi fand, dass sie beängstigend ruhig und gelassen war, was ihn dazu veranlasste, jede ihrer Bewegungen genau zu beobachten.

Der Arzt wandte sich an die Polizei. "Sie steht noch immer unter Schock", meinte er und verband daraufhin ihre Wunden.

Sie hatte nie im Leben damit gerechnet, dass Takahashi von hinten einbrechen würde, sie hatte überhaupt nicht damit gerechnet, dass er hier sein würde.
 

Als die Spurensicherung und das ganze Team von Megure mit der Sicherung der Spuren, den Tatortfotos und den Fotos von den Verletzungen, den Zeugenaussagen und Derartigem fertig war, waren sie wieder ins Präsidium gefahren.

Die Hintertür wurde versiegelt und zwei Polizisten und Megure blieben noch am Tatort. Der Inspektor rief bei Yusaku in Amerika an, da Yukiko nicht zu erreichen war.

Man ging davon aus, dass man Shinichi auch noch angreifen würde, um sich zu rächen, also rief die Polizei auch Eri, Rans Mutter an, um diese zu warnen. Dem Mann konnte man förmlich ansehen, wie wütend er über diesen Fall war, auch wenn er sich bemühte, es nicht zu zeigen.

Nachdem alles so weit erledigt war, machte sich Megure dazu auf, zu gehen, so dass ihn der Professor, Ryochi und Shina zur Tür begleiteten. "So, ich gehe dann jetzt, aber wir bleiben in Kontakt. Ich werde alles daran setzen, dass man ihn bestraft, seid euch dem sicher." Er nickte kurz zum Abschied und verschwand dann zur Tür hinaus.

Als Agasa und Ryochi sich wieder von der Tür abwendeten, war Shina nicht mehr da. Weil das ihrem Freund nun überhaupt nicht gefiel, ging er sie suchen und fand sie schließlich vor der Kommode wieder, was er doch etwas verwirrt zur Kenntnis nahm. Sie war dabei die Scherben aufzuräumen, wobei sie recht monoton schaute.

"Was tust du denn da, Shina?" fragte er sie skeptisch, so dass sie ihm genauso monoton, wie sie dreinschaute, antwortete. "Ich will nicht, dass das hier so liegen bleibt." Hatte sie denn echt nichts besseres zu tun, als das? Ein Seufzen entkam ihm, bevor er auf sie zuging und Tränen sehen konnte, die auf die Scherben fielen, was ihn im ersten Moment schockierte.

Ryochi kniete sich zu ihr hinab, legte eine Hand auf ihre Hände, während er die andere nutzte, um ihr Gesicht zu nehmen und mit dem Daumen ein bisschen die Tränen von ihrer Wange zu streichen und versuchte sie ein wenig zu beruhigen. "Shh, hör auf zu weinen, es ist ja alles wieder gut, keine Angst, ich bin ja jetzt bei dir."

Auf seine Worte hin schaute sie zu ihm hoch und warf sich augenblicklich in seine Arme, wobei sie noch heftiger zu weinen begann. "Ich hatte solche Angst", schluchzte sie dabei und klammerte sich an die Arme ihres Freundes, weswegen dieser sie in die Arme schloss und an sich drückte, weiter darauf bedacht, für sie da zu sein und sie zu trösten.

Irgendwie war er ja deprimiert, aber die Wut war noch viel gewaltiger. Dieser verdammte Mistkerl nahm sich echt zuviel raus. Eine ganze Weile hielt er sie so im Arm, wobei sie sich auch selbstständig an ihn drückte, ohne die Tränen aufzuhalten, sie ließ sie gehen, er gab ihr mit dem sanften Streicheln seiner Hände auf ihrem Rücken das Gefühl, nicht alleine zu sein. Er wollte, dass sie wusste, dass er jetzt hier war und auf sie aufpasste.

Es zerriss ihm fast das Herz, wenn er sie so weinen sah, er war am Boden zerstört, versuchte aber es ihr nicht zu zeigen, schließlich war sie diejenige, die Angst hatte und beschützt werden wollte. Beschützer durften eben nicht zuviel davon zeigen, wie sehr es sie mitnahm, sie mussten stark sein.

Nach einiger Zeit beruhigte sie sich jedoch etwas. "Bleibst du bei mir? Ich will jetzt nicht alleine sein und will auch nicht hier schlafen, vielleicht kommt er ja wieder?" Sie klang richtig ängstlich und eingeschüchtert, was ihre sehr leise Stimme vermittelte.

Er fand es ziemlich schockierend, wie sie sprach und wie traurig sie dabei aussah, weshalb er sie noch ein wenig mehr an sich drückte. "Hey, natürlich bleib' ich bei dir, das ist doch keine Frage. Du kannst bei mir schlafen, das ist doch kein Problem." Ryochi küsste seine Freundin auf die Stirn und streichelte ihre Wange, woraufhin sie ihn schwach anlächelte, was sehr gedrückt aussah. Er lächelte gleich zurück und stand auf, reichte ihr die Hand, welche sie nahm und zog sie dann hoch. Sie gingen zu Professor Agasa hin und erklärten ihm, dass Shina wohl die Woche über bei Ryochi bleiben würde, wogegen er natürlich nichts einzuwenden hatte. Ryochi half ihr dann ein wenig beim Packen einiger Sachen. Als sie damit fertig waren, machten sie sich auf den Weg, auf welchem er sie immer dicht an sich gedrückt hielt, auch wenn sie kein Wort sprachen. Er spürte jedoch, dass sie froh war, denn sie drückte ihren Kopf gegen seine Schulter und ließ sich von ihm festhalten.

Sie kamen beim Haus an, gingen einfach hinein, da Ryochi einen Schlüssel hatte, woraufhin ihnen seine Eltern entgegenkamen. In dem Moment versteckte sie sich ein wenig hinter ihm und hielt sich an seiner Jacke fest. Sie war noch immer total mitgenommen und verhielt sich total schüchtern, ängstlich und eingeschüchtert, wie man sie sonst nicht kannte.

"Sorry, dass ich noch malabgehauen bin, aber es musste sein..." Er warf einen Blick nach hinten, zu seiner Freundin, die sich an ihn klammerte. "Siturô hat mal wieder gemeint, er kann sich alles erlauben und bei meiner Freundin eingebrochen."

Akiko Akaja brauchte einen Moment, um sich zu fassen, nachdem sie geschockt über die Worte ihres Sohnes war, bevor sie nach vorne schritt und ihm näher kam. "Das ist also deine Freundin, Ryo-chan, er hat ihr doch nichts Schlimmes angetan, oder doch?"

"Wir reden von Siturô", fiel da Takeshi ein, womit er auch noch ins Schwarze traf. "Schau sie dir doch an..." Beide sahen sich geschockt an. "Was hat der Kerl mit ihr angestellt, dass sie so aussieht?" Obwohl er innerlich ziemlich wütend darüber war, dass man dem Mädchen etwas angetan hatte, war er vollkommen ruhig und sprach sanft mit den beiden, auch um Ryochis Freundin nicht zu erschrecken, sie schien ja durch seinen Neffen sehr mitgenommen zu sein.

"Ich habe sie rechtzeitig finden können", meinte Ryo leise, auch wenn er sich Gedanken darüber machte, was noch alles geschehen wäre, wenn er nicht sofort geschalten hätte. "Sie ist in ein paar Scherben gefallen, daher die Verbände, er kam nicht richtig an sie ran, aber der Irre scheint zu denken, dass sie ihm gehört. Jetzt habe ich sie ihm weggenommen..." Ein Seufzen kam von ihm, so dass Takeshi seinen Sohn mit einem ernsten Blick ansah. "Wenn du Probleme mit ihm hast, komm' zu uns, Siturô hatte doch schon immer kleine Probleme mit dir."

"Ok." Ryo klang nicht so überzeugend, wie er es hatte sein wollen. Wahrscheinlich würden sie sich prügeln, wenn sie sich begegneten, er war so sauer, dass er das für möglich hielt. "Na ja, sie will nicht am Tatort bleiben, deswegen habe ich sie mitgebracht, ist doch okay so, oder?"

"Natürlich", meinte das Ehepaar im Gleichklang, wobei Akiko Shina besorgt und mitfühlend ansah. "Kein Problem, sie kann natürlich vorübergehend hier bleiben, wenn sie Angst hat. Ihr solltet nach oben gehen, ich mache euch eine Kanne Tee und bringe sie euch dann mit etwas Gebäck hoch."

"Danke", meinte Ryochi noch mit einem stolzen Lächeln, er war stolz darauf solche vernünftigen Eltern zu haben, damit waren ja nicht alle gesegnet.

Shina tat es ihrem Freund gleich und verbeugte sich kurz zum Dank. "Vielen Dank, Akaja-san." Auch die Eltern waren stolz, dass ihr Sohn eine so tolle Freundin mitgebracht hatte, umso schlimmer war es für sie, dass Takahashi auf sie losgegangen war.

Die beiden Schüler gingen nach oben, auf der Treppe nach er ihre Hand, lächelte sie an und lief dann zu seinem Zimmer.

"Gewonnen!" tönte es aus einem Zimmer nebenan, so dass Shina erschrocken zusammen fuhr und sich ängstlich an ihren Freund klammerte. "Das war nur Hitomi, meine Schwester", kam seufzend von ihm. "Sonst niemand." Warum schrie die hier so rum? Er fragte sich zwar, wer da noch war, fand es dann aber unwichtig und verschwand mit Shina und ihrem Gepäck in sein Zimmer. Er half ihr beim Auspacken und Verstauen der Klamotten in seinem Schrank, auch wenn die Sachen in ihrer Tasche blieben.
 

Ein Zimmer weiter warf eine Rothaarige Hitomi die Karten schmollend entgegen. "Du schummelst, Hito-chan." Zum dritten Mal in Folge war Leena im Kartenspielen von ihrer Freundin geschlagen worden. Sie war eine schlechte Verliererin und unterstellte ihr jetzt, dass sie beim Spielen betrogen hatte.

"Du kannst einfach nicht verlieren, Leena..." Ein Lachen entfuhr der 14-jährigen. "Geh' mich doch untersuchen, dann siehst du, dass ich keine Karten übrig habe, außerdem kannst du auch das Kartenspiel überprüfen." Sie streckte der Rothaarigen die Zunge raus.

"Ist ja gut, hören wir auf für heute, es ist schon spät..."

"Genau, es wird Zeit, dass du nach Hause gehst, Leena-chan."

Die Angesprochene sah ihre Freundin mit Engelsaugen an. "Muss das sein? Da begegne ich doch Riina, auf die habe ich keine Lust..."

Hitomi legte den Kopf schief, da es ihr spanisch vorkam, dass sie ihre beste Freundin nicht sehen wollte. "Ist irgendwas passiert?"

"Sie macht mit meinem Schwarm rum, das ist passiert."

"Dein Schwarm? Warum sagst du nie was? Wer soll das denn sein?"

"Sêiichî Iwamoto, der geht in Ryos Klasse und ist sein bester Freund. Allerdings muss ich sagen, dass die gar nicht zueinander passen. Sie sind zu verschieden. Das war doch schon immer so." Leena war oft oberflächlich, deswegen verwunderte es Hitomi kein bisschen, dass sie die beiden unpassend fand, weil Sêiichî nicht zuviel von sich selbst an Fremde weitergab. "Stehst du irgendwie auf Machos, oder was ist?"

"Er war der erste Junge seit langem, der mich beachtet hat, seit ich hier bin. Ich würde es Riina so gönnen, dass er sie für Saki Niiza sitzenlässt." Mit dieser Person konnte Riina doch konkurrieren, fand zumindest Leena. Saki sah doch tausend mal besser aus. Sie wusste eh nicht, was Sêiichî an ihrer Mitbewohnerin fand. Sie behandelte Jungs doch wie Dreck, war nicht besonders hübsch - Leenas Meinung nach - was also wollte der von ihr? Sie fand es doch sehr krass, was Watarus Schwester mit Toshizo anstellte, das zeigte doch ihren miesen Charakter, die kam eben ganz nach ihrem Vater. In dem Punkt legte sich Leena Takada zur Zeit gerne alles zurecht, wie sie es wollte.

2. Dezember - Die Herausforderung

Etwas benommen öffnete er gegen 5 Uhr am Morgen die Augen, bemerkte, dass etwas Warmes in seinem Arm lag und keine drei Sekunden später wusste er auch, was das war.

Sie war irgendwie in seinen Armen gelandet und hatte verdammt wenig an. Er konnte einfach nicht widerstehen, legte seine Lippen gegen ihren Hals und zog mit der Nase ihren Duft ein, bevor auch seine Hände ihren Einsatz fanden und er ihr unter das Nachthemd ging. Streichelnd fuhr er ihr erst über den Rücken, konnte sich dann aber nicht mehr wirklich beherrschen und schob sie ihr zu den Seiten, von da aus nach vorne zu ihren Brüsten. Sein Herz begann zu rasen, wenn er daran dachte, was er da überhaupt tat, schließlich könnte sie jeder Zeit aufwachen und alles zu Ende sein.

Schon seit etwa einer Stunde war sie wach und kuschelte an ihm, ohne dass er es bemerkte, was vielleicht auch besser so war, sonst würde er sich ja nicht so ungezwungen verhalten. Sie fand es schön, was er tat und wollte es genießen, ohne dass er sich dadurch etwas denken konnte. Sein Ego sollte mal etwas abstürzen, nicht das Gegenteil, deswegen versuchte sie ihn so lange wie möglich zappeln zu lassen, um nicht offensichtlich vor ihm schwach zu werden, weil er dann nur wieder denken würde, dass er jede haben konnte. Solche Leute verfielen schnell in einen Teufelskreis und verletzten Leute, weil sie ja nichts zu verlieren hatten und immer wieder etwas Neues finden würden, er sollte nicht auch so werden. Zu beliebte Männer trauerten doch nicht mehr, die suchten sich einfach Ersatz.

,Wie toll sie ist...' Gerne wäre er noch weiter gegangen, das war ihm jedoch kaum möglich, sie würde aufwachen und wütend sein, wenn er sie jetzt einfach auszog und sich gehen ließ. Wunschträume konnte man das wohl nennen. Er machte sich ein paar heiße Gedanken, wahrscheinlich hatte er vorhin noch von Derartigem geträumt, die Morgenlatte, die er hatte, sagte ja wohl alles.

Sie rührte sich, brummte etwas vor sich hin, so dass er die Augen erschrocken aufschlug, dabei war er gerade dabei gewesen, sie zu küssen, falls er das wenn schon nur bei ihren Lippen durfte, obwohl er das auch liebend gerne woanders getan hätte, was aber nun mal nicht ging. Was dachte er sich eigentlich? Heute hatte sie ihn doch schon mal brutal abgewiesen... Er wusste es selbst nicht, aber es zog ihn zu ihr hin.

"Bist du wach?" fragte er sie, nahm die Hände von ihr und legte sie brav auf ihren Rücken.

"Mhm", kam nur von der Blondine, die sich an ihn kuschelte, wie ein Kätzchen. Der Vergleich war doch albern, wenn, dann war sie eine Raubkatze, kein Kätzchen. Ihr Bein war auf einmal zwischen seinen, was ihm leicht unangenehm wurde. Sie rieb es an seinem, war wohl noch im Halbschlaf. Um sie ganz aufzuwecken, drückte er ihr die Lippen auf.

,Man, bist du wieder dreist.' Trotz ihrer Einwände wehrte sie sich kein bisschen, sie schlief ja noch, wie er dachte. ,Die hat ja einen hartnäckigen Schlaf', meinte er zu sich selbst und schob seine Zunge zwischen ihre Lippen. Wenn sie davon nicht aufwachte, dann...

,Dreister geht es nicht mehr.' Um ihm zu offenbaren, dass sie ihn hereingelegt hatte, ging die 23-jährige darauf ein und begann heftig nach seiner Zunge zu schnappen. Seine Augen weiteten sich nun wieder, während sie seine Zunge fast auffraß. Wenig später löste sie sich etwas von ihm und sah ihm in die Augen. "Kriege ich das jetzt immer, wenn du da bist, so als ~Guten Morgen~?" Dagegen einzuwenden hatte er nichts, das gab er offen zu. "Why not? Du wolltest nicht aufwachen, da musste ich improvisieren."

,Als wenn du gewollt hättest, dass ich aufwache, das hast du bloß getan, weil mein Bein zwischen deinen ist und du dir so was nicht erlauben solltest, Trottel. Wie kommt das auch rüber, wenn du an einer schlafenden Frau rumfummelst, he?' Ein amüsiertes Lachen kam von ihr, bevor sie ihm noch einen kurzen Kuss gab. "Wie geht's dir? Gut geschlafen? Und was ist mit den Schmerzen?"

"Das Schmerzmittel wirkt noch, denke ich, sonst hätte ich schon etwas bemerkt." Er hatte schon wieder Lust auf Sex, da konnte es ihm so schlecht ja nicht gehen. "Überanstrenge dich aber nicht, Sêi-chan, das endet sonst sehr böse." Das klang ja irgendwie ziemlich bedrohend. "Willst du dich an einem Schwerverletzten vergreifen, mhm?" Er sah ihr ein wenig betörend in die Augen, um sie weich zu kochen. "An wem, an dir?" Ein Lachen entfuhr der Blonden. "Hättest du doch bloß gerne so. Ich vergreife mich ganz sicher nicht an dir, das kannst du abhaken." Sein Gesicht machte leichte Andeutungen des Schmollens und seine Augen funkelten leicht herausfordernd. "Denk' gar nicht erst dran. Lass dir lieber was einfallen. Du müsstest ja zur Schule."

"Werde ich auch gehen."

"Huh?" Geschockt sah sie ihn an.

"Das kriege ich schon hin... Dann muss ich mir eben noch ein paar Tabletten einwerfen, du hast doch noch welche." Sie empfand das als nicht so gute Idee und schüttelte leicht mit dem Kopf, was aber nicht heißen sollte, dass sie ihm keine geben würde. "Spinner, bevor du nichts gefrühstückt hast, bekommst du nichts von mir, außerdem sei vorsichtig mit dem Zeug, sonst wirst du noch abhängig, das muss nicht sein."

Er lächelte lieb. "Keine Angst, ich mache es ja nur vorübergehend, damit die Schmerzen nachlassen und ich nicht deswegen einfach umkippe."

"Pass trotzdem etwas auf, so was kann gefährlich werden."

Jetzt war es an ihm den Kopf zu schütteln. "Darüber musst du dir nicht dein hübsches Köpfchen zerbrechen", währenddessen lehnte er seinen Kopf an ihren, schaute etwas runter, um in ihre Augen blicken zu können.

"Wie kommst du nur immer auf diese Ideen? Ich sage nur, wie es ist."

Wie gut, dass Gestern schon wieder vergessen zu sein schien, dabei hatte er gedacht, sie würde ihm ewig böse sein, weil er als Cognac wieder übertrieben hatte. Jetzt waren sie wieder ein Herz und eine Seele, das freute ihn ungemein.
 

Gegen neun Uhr am Morgen war es Sêiichî tatsächlich passiert. Nach knapp einer Stunde, kurz nachdem er die Tabletten zu sich genommen hatte, war er vor seinem Buch eingeschlafen und lag auf dem Tisch. "Iwamoto-san?" Mehrmals sprach die Lehrerin ihn an, doch er reagierte gar nicht, also ging sie hin und schlug mit einem Rohrstock auf den Tisch, bis er benommen die Augen aufschlug. "Guten Morgen, wenigstens gut geschlafen?" Er blinzelte und rieb sich die Augen, so dass die Klasse leicht zu lachen anfing. "Da du ja jetzt wieder wach bist, wird ein Eimer Wasser nicht schaden. Geh' zum Hausmeister, lass' dir einen Eimer und Putzmittel geben, füll ihn mit Wasser und mach' dich an die Arbeit den Boden vorm Klassenzimmer zu putzen, aber dalli!" Er konnte diese Lehrerin nun wirklich nicht leiden, sie wollte ihn quälen, genauso würde es doch enden, er war doch froh, dass er endlich am Tisch saß und sie schickte ihn in der Gegend herum. Murrend stand er auf, Ryochi sah zu ihm hoch, weil er fand, dass sein Freund ziemlich blass war. Der wollte doch nicht krank werden? "Ja, Frau Matsumoto." Sêiichî verließ den Raum und seufzte anschließend. Das war echt nicht sein Tag. Er fühlte sich schlapp und ausgelaugt, ausgerechnet an einem solchen Tag, sollte er die Putze spielen? Super gemacht.

Mit langsamen und sehr kleinen Schritten ging er den Gang hinab, bis zum Zimmer, in dem sich der Hausmeister aufhielt. Er klopfte an und wurde gleich darauf rein gebeten. "Entschuldigen Sie, ich brauche Eimer und Putzmittel, meine Lehrerin schickt mich." Der große Mann mit blauen Sachen stand von seinem Platz auf, gab Sêiichî einen Schlüssel in die Hand und grinste. "Dass ihr immer bestraft werden müsst. Zweiter Stock, Zimmer Nummer 22, das ist die Abstellkammer. Hol' dir, was du brauchst." Der 17-jährige nickte und machte sich auf den Weg.

Das Treppensteigen fiel ihm schwer, er brauchte für das eine Stockwerk fast fünf Minuten, weil er ständig stehen blieb und sich Schweiß von der Stirn wischte. Als er dann oben ankam, holte er sich die Sachen und verschwand wieder nach unten auf die Toilette des 1. Stockwerks. Er lehnte den Besen, den er mitgenommen hatte, da nichts anderes greifbar war, gegen die Wand, ließ Wasser in den Eimer laufen und gab auch etwas Putzmittel hinein, dann ging er wieder zurück in den Gang. Er warf den mit Putzmittel getränkten und ausgewrungenen Lappen auf den Boden und wickelte ihn etwas um den Besen und fing dann an zu putzen, auch wenn er sich schwach fühlte.

Er putzte den Gang hoch, wobei ihm leicht schwindelig war, weswegen er sich gegen die Wand lehnte. "Gleich kipp ich womöglich um, toll." Der Junge versuchte sich zu entspannen und schloss für einen Moment die Augen.

Man konnte Schritte hören, beziehungsweise er konnte es, sie näherten sich, weswegen er die Augen nun doch öffnete und wenig später seine Freundin sah. "Was ist denn mit dir passiert, Sêiichî? Hast du was ausgefressen?" Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen, als er sie sah. "Ich bin im Unterricht eingeschlafen, deswegen." Sie kam auf ihn zu und schmiegte sich dann an ihn. "Morgen erst mal", kam von ihr, bevor sie ihn sanft küsste und er sie in seine Arme zog. "Was machst du um die Zeit hier, Riina, mhm?"

"Ich habe zur nächsten Stunde und bin noch etwas zu früh, weil ich noch Miyako bei den Hausaufgaben helfen soll, aber", sie schaute auf ihre Armbanduhr, "es ist noch weit mehr als eine halbe Stunde Zeit." Nach genauerem Hinschauen fiel ihr auf, wie gequält er lächelte, er sah nicht besonders gesund aus, war viel zu blass. "Fehlt dir was?"

Der Schwarzhaarige seufzte leicht. Also, wenn sie das schon bemerkte, würde Ryochi das nachher sicher auch auffallen. "Ich hab' zu wenig geschlafen." Kaum war das von ihm gekommen, nahm sie ihm einfach das Putzzeug weg. "Gut, lass' mich das dann mal machen, es ist ja mit Sicherheit nur der Gang vor eurem Klassenzimmer, nicht wahr?"

"Ähm, mach' dir keine Umstände, geh' lieber zu Miyako und mach' mit ihr Hausaufgaben, ich schaff' das schon." Sein Problem war, dass sie ihm den Besen vorenthielt. "Lass mich!" Ein Seufzen kam von ihm, während sie den Boden anfing zu putzen und er nur zuschaute, was ihm nun doch etwas unangenehm war. Sie war doch nicht seine Putze und sie sollte es auch nie werden, er kam doch alleine klar.

"Du bist vielleicht ein sturer Esel, Riina..." Sie musste leicht lachen, denn genau das hörte sie andauernd. "Oh ja, das sagt Wataru auch immer, ich bin ein Dickkopf und muss mit dem Kopf durch die Wand, so langsam glaube ich das, wenn es alle behaupten."

Er schaute sie ein wenig schief an und musterte sie, sie sah irgendwie interessant aus, wenn sie da so putzte. "Wie geht's deinem hübschen Köpfchen? Alles wieder okay?" Es war ja schließlich alleine sein Verdienst gewesen, dass sie sich gegen den Baum gelegt hatte. Der flirtende Ton in seiner Stimme entging ihr natürlich nicht im Geringsten, er tat das ständig. "Meinem hübschen Köpfchen geht's wunderbar, Sêi-chan", meinte die Rothaarige leicht lächelnd, was auch ihm ein Lächeln gab. "Du solltest immer so lächeln, dann siehst du am schönsten aus", meinte er ihr wieder Komplimente machen zu müssen. "Und danke, dass du mir hilfst."

"Kein Problem, ich putze ständig zu Hause, immerhin muss ich Mutter ja etwas helfen."

Er schüttelte leicht den Kopf, als ihn ein Gedanke überkam. "Riku ist wieder aus dem Krankenhaus raus, oder? Ich meine, die geht ja in deine Klasse."

"Ja, das Prinzesschen ist wieder da", seufzte Riina, beugte sich zum Putzeimer runter und versenkte den Lappen im Putzwasser, bevor sie ihn auswrang. "Die hat mal wieder voll die Show abgezogen und wie alle um sie herumscharwenzeln. Die vergessen den Rest für sie. Die wollen doch eh nur mit ihr befreundet sein, weil sie so reich und bekannt ist... Wieso war die überhaupt im Krankenhaus? Hab' da nur was läuten hören."

"Die Treppe runtergefallen sagt man so..."

"Ja, wer's glaubt, wird selig..." Das klang ihr doch sehr weit hergeholt. Dieses Mädchen fiel nicht einfach so von der Treppe.

"Laut Ryo ist jemand bei ihnen eingebrochen, anscheinend hat sie denjenigen sogar gesehen, das vermutet er stark, aber sie erinnert sich an nichts..."

Riina schüttelte den Kopf, sie konnte sich nämlich noch genau daran erinnern, wie besorgt alle gewesen waren, nur sie war mit Miyako von ihr ferngeblieben, während der Rest sich bei ihr eingeschleimt hatte. "Natürlich, wer's glaubt... Ich denke ja eher, dass sie sich nur wieder wichtig machen wollte. Arme, arme Riku-chan, ihr geht es ja so schlecht, man muss sich ja um sie kümmern." Sarkasmus fuhr in ihre Stimme, immerhin war es immer wieder das Gleiche, wenn etwas mit dieser Schülerin nicht stimmte, rannten alle hin und wollten wissen, wie es ihr ging.

"Nein, das denke ich nicht. Ihre Eltern haben ausgesagt, dass sie wie am Spieß geschrien hat und dann unten bei der Treppe lag... bewusstlos natürlich. Die Sache ist echt mysteriös."

"Oje. Da hatte sie wohl noch mal Glück, oder? Es hätte auch schlimmer ausgehen können. Die Verbrecher Tokyos tragen doch fast alle Waffen bei sich, die sie auch einsetzen, wenn man ihnen zu nahekommt." Sie war zutiefst beunruhigt, in der Gegend, wo sie wohnte, passierte so etwas fast täglich. Manche Leute räumten dort ganze Häuser aus und erschossen die Bewohner, sobald sie die Polizei rufen, oder sie aufhalten wollten. Für einen Moment war sie deswegen recht nachdenklich geworden.

"Wurde bei euch auch schon mal eingebrochen?" fragte der Schwarzhaarige bedrückt und ziemlich besorgt, immerhin wusste er ja genauestens, wie es dort ablief.

"Uns wurde mal der Fernseher geklaut, mein Brüderchen hat wochenlang darum getrauert, weil er so ein schrecklicher Video und Videospiele-Freak ist. Einen Neuen konnten wir uns erst im nächsten Monat leisten, er hat so gelitten, der Baka." Ihr entfuhr ein Lachen, es war eben einfach zu köstlich gewesen.

"Mhm, kommt drauf an welche Videos", meinte Sêiichî, wobei er eher an hübsche Frauen dachte, die es in Filmen gab. "Welche mit Chris Vineyard zum Beispiel, da kriegt man schon ganz schön was zu sehen."

"Da muss ich dich enttäuschen, er schaut sich, wenn er denn was von den Vineyards sieht, eher welche von Sharon an, die dich nicht im Geringsten interessieren dürfte, so uninteressant wie sie für Leute wie dich ist, außerdem ist sie ja wohl kaum deine Altersklasse. Er mag die Filme ihrer Tochter nicht, so ein Pech, Sêiichî." Ihr war klar, was ihr Freund an Chris Vineyard fand, er war eben doch männlich.

"Oder Takahashis Mutter... sie macht gute Filme, sowohl als Regisseurin, als auch, wenn sie selbst als Schauspielerin mitwirkt. Die arme Frau... Sie hat nur ihren Sohn und der nutzt sie ja wohl nur aus..."

"Hinao Siturô, ja, ich hab' schon Filme von ihr und mit ihr gesehen, Sêiichî. Wataru hat jede Menge davon, wir schauen uns manchmal gemeinsam welche an. Leena hat mal gemeint, man sollte Takahashi fragen, ob er sie mit ihrer Mutter bekannt macht, sie ist nämlich eine kleine Träumerin. Sie denkt, wenn sie sie kennen lernt, könnte sie Schauspielerin werden, dabei könnte sie genauso gut Modell werden, weil ihre Mutter Modedesignerin ist und diese und ihr verstorbener Exmann eine eigene Firma haben. Ich lasse von so was lieber die Finger weg. Das ist mir zu stressig, da setze ich mich lieber für das Wohl der Menschheit ein, wie mein Bruder..." Sêiichî ließ seinen Blick schon eine ganze Weile auf ihr ruhen, machte nun aber doch erst recht große Augen. "Was echt? Wie stellst du dir das denn vor? Was willst du werden? Willst du auch zur Polizei?"

"Wollte ich früher mal, ja, aber ich denke nicht, dass ich dem gewachsen wäre, also habe ich mir gedacht, ich werde mal Anwältin und unterstütze das Rechtssystem im Hintergrund. Es gibt so viele Opfer, die verteidigt werden müssen, Anwälte braucht man genauso, wie Polizisten. Irgendjemand muss sie ja ihrer Strafe zuführen, oder nicht?"

"Das stimmt... Da hast du vollkommen Recht. Daran habe ich jetzt überhaupt nicht gedacht. Da hast du dir aber ja Einiges vorgenommen, was? Du musst einen guten Abschluss machen und danach Jura studieren. Traust du dir das zu?"

"Klar, ist eine Sache der schulischen Leistungen. Es ist zwar etwas schwieriger, als Polizistin, aber ich sehe da keine Probleme. Ich war bisher immer erfolgreich, was die Schule betrifft. Du musst dir da eher Sorgen machen, oder Toshizo. Wataru hat gemeint, dass du eine faule Socke bist..." Sie musste wieder lachen. Was ihr Bruder manchmal so mit nach Hause brachte und ihnen erzählte, ließ sie fast vor Lachen unter dem Tisch landen.

"Toshizo", meinte Sêiichî etwas traurig. "Er hat keine Lust zu lernen, weil er nicht weiß, wozu. Seine Eltern beachten ihn nicht besonders, er ist ziemlich unglücklich." Sie hielt in ihrer Handlung inne und fragte sich, wie es sein konnte, dass sich ihr Bruder und ihr Freund so ähnlich waren. Das, was er da eben von sich gegeben hatte, hätte genauso gut von Wataru stammen können. "Dass du das so sagen kannst, ohne verhasst zu klingen? Immerhin hasst er dich ziemlich, das habe ich schon mitbekommen. Er will mich von dir trennen, weil du ja so ein schlechter Typ bist. Als er das sagte, klang er voller Hass... Richtig beängstigend." Während ihrer Worte wurde sie recht leise und nachdenklich. "Takahashi verdirbt ihn, da kann man sagen, was man will. Die Arschlochnummer kaufe ich ihm jedenfalls nicht wirklich ab, er ist doch im Grunde friedlich. Dem ist so ziemlich alles entglitten. Wo soll das bloß enden?" fragte Riina.

"Er wird in der Firma seines Vaters enden...", antwortete Sêiichî daraufhin, "das ist von seinem Vater bereits beschlossen, vielleicht hat er deswegen keine Lust mehr, weil jeder für ihn entscheidet. Er sollte endlich aufwachen und selbst Entscheidungen treffen, ich finde es beschissen, wenn die Eltern uns vorschreiben, was uns Spaß zu machen hat. Mein Vater wollte gerne, dass ich Forscher oder Wissenschaftler werde, oder gleich Erfinder. Und dann sollen wir ihre Fehler korrigieren und besser sein als sie, nur weil sie welche gemacht haben."

Riina stellte den Besen gegen die Wand, da sie ihre Putzarbeit beendet hatte. "Diesbezüglich verstehe ich meine Eltern auch kein bisschen. Vater will Wataru am liebsten zum Verbrecher erziehen, obwohl er Polizist werden will und meine Mutter... sie findet, wir sollten weniger gerechte Berufe ausüben. Sie sagte: Ihr könnt ja auch Ärzte werden und so Menschen helfen. Sie meint eben, wir sollten nachgeben, damit sich die Familie wieder versteht! Dabei ist das unser Leben und wir entscheiden selbst, welchen Weg wir gehen! Eine Zeitlang konnte ich meine Mutter deswegen nicht mehr wirklich leiden, weil sie Wataru immer angemault hat. Jedes Mal war der Grund sein Berufswunsch. Er soll Rücksicht auf seines Vaters vorheriges Leben nehmen. Ein Polizist hat damals seine kleine Schwester erschossen, seitdem hasst er die Polizei. Sie tut so, als wenn wir das absichtlich machen würden."

,Das hat der Mistkerl doch gar nicht verdient, dass man rücksichtsvoll mit ihm umgeht. Wie blind kann man als Frau denn sein? Wie kann man so einen Kerl denn nur lieben?' Sêiichî verstand das nicht im Geringsten und verzog leicht das Gesicht. "Ich verstehe deine Mutter auch nicht, kein Stück."

"Tja", mehr fiel ihr darauf jetzt auch nicht mehr ein, wenig später schaute sie auf die Uhr. "Jetzt muss ich aber los." Sie verabschiedete sich noch auf die gleiche Weise, wie sie ihn begrüßt hatte, indem sie ihn sanft küsste, dann winkte sie ihm beim Weggehen noch und verschwand in ihr Klassenzimmer. "Noch sieben Stunden davon zwei Sport und Volleyballtraining, ich glaub', ich pack's nicht mehr..." Er machte sich auf den Weg zum Hausmeister, um die Sachen zurückzubringen, wobei Schmerzen in seinem Bein aufkamen und er stark zu schwitzen begann.

Als die Sachen an ihrem ursprünglichen Ort waren, ging er noch einmal auf die Toilette und nahm eine weitere Tablette, weil er das Gefühl hatte, sonst noch total zusammen zu brechen.
 

Im Klassenzimmer der 3A der Mittelstufe war noch wenig los, so dass Hiroko, Miyako und Riina die Einzigen waren, die bisher aufgetaucht waren, da noch über eine viertel Stunde Zeit bis zur nächsten Stunde war. "Hey, ihr Zwei, da bin ich." Sie hängte die Schultasche neben ihren Tisch und setzte sich an diesen, die anderen um sie herum. "Physik ist ein blödes Fach, ich verstehe nur Bahnhof, hilfst du mir?"

"Ich hab's doch versprochen, Miyako, also..." Riina erklärte ihr ein paar Formeln, die sie für die Aufgaben benötigte, wobei Hiroko nur zusah.

"Sag' mal, Riina, wie geht's deinem Bruder so?" wollte Miyako wenig später leicht errötet wissen.

"Wieso interessiert dich das denn?"

"Nur so..." Die Rothaarige schlug das Buch zu und schaute ihrer Klassenkameradin in die Augen. "Dem geht's gut."

"Hat er eigentlich eine Freundin?"

Hiroko fing an zu lachen. "Ich hab's geahnt, dass das kommt."

"Ich habe ihn bisher noch nie mit jemandem gesehen..." Die beiden anderen sahen sich grinsend an. "Mhm, er ist mit Yûmikô liiert. Wusstest du das denn nicht, Miya-chan?" meinte die Braunhaarige in der Runde und schüttelte den Kopf. "Das ganze Team spricht davon."

"Nein, mir entgeht doch andauernd etwas..."

"Mich interessiert eher was mit Shizuru und Takahashi los war... Der hat sie neulich voll fies abserviert..."

Riina hob den Kopf und knurrte leicht. "Der schon wieder... Hat der sonst keine Interessen, Hiro-chan?" Sie konnte diesen Kerl nun wirklich nicht leiden.

"Der soll sie so fest gestoßen haben, dass sie hinfiel. Ein ziemlicher Rowdy, wie kann man denn auf den abfahren?" fragte Hiroko mit einer hochgezogenen Augenbraue.

"Wenn man Shizuru heißt und auf böse Jungs steht...", antwortete Miyako und seufzte leicht.

Draußen stand jemand und lauschte dem Gespräch der Mädchen, da man ihm befohlen hatte, dass er mal etwas in Riinas Privatsphäre schnüffeln sollte. ,So, die steht also auf Takagi, das ist ja interessant. Da kann Chardonnay ja etwas spielen...'

"Shizuru war stinksauer, sag' ich euch, sie meinte: Der Mistkerl soll zur Hölle fahren, da würde er hingehören."

"Da hat sie den Nagel ja auch auf den Kopf getroffen, Hiroko, der kann unmöglich normal sein", kam von Miyako die den Kopf auf den Händen abstützte.

"So ein brutales Schwein. Wer weiß, was der als nächstes macht? Shizuru sollte vorsichtig sein, mit dem ist nicht gut Kirschen essen. Der kommt gerne mit seiner kleinen Gang und überfällt Leute, wusstet ihr das?" wollte Hiroko interessiert wissen.

Miyako rieb sich die Schläfen. "Es gibt Leute, die es mit dem auch schon zu tun hatten, glaubt mir, ich kenne ihn, genauso wie mein großer Bruder ihn kennt..."

,Junichi, diese Memme', dachte der Zuhörer und lachte innerlich. Der war doch überhaupt nicht seine Kragenweite. Mit dem kam ja sogar Toshizo klar, wenn er alleine war. Satomi war da etwas anderes, die war ein Biest. Man könnte sie ja mal wieder mit ihrer kleinen Schwester ärgern, das würde ihm die größte Freude bereiten, also würde er Chardonnay brav erzählen, was er herausgefunden hatte.
 

Es war doch recht kalt draußen geworden. Riina hatte es eilig in die Halle zu kommen, nachdem sie sich umgezogen hatte und rannte ein wenig, dann stellte sich ihr aber jemand in den Weg, der seine Zigarette, die er bis eben geraucht hatte, zu Boden warf, obwohl das auf diesem Gelände verboten war. "Geh' mir aus dem Weg, Siturô!" Sie versuchte an dem Älteren vorbei zu kommen, er packte sie allerdings grob am Handgelenk und zerrte sie um die Ecke. "Ich muss mal mit dir reden, Riina!"

"Ich habe mit dir nichts zu bereden, also lass mich auf der Stelle los und nenn' mich nicht Riina! Das habe ich dir nicht erlaubt!" schrie sie ihn an, die nahm sich mal wieder verdammt viel raus, dazu hatte dieses Miststück doch gar nicht das Recht. Sie machte ihn wütend, so dass er sie gegen die Wand warf und sie dann einengte. "Ob's dir passt oder nicht, du wirst mir jetzt zuhören!" Er fauchte sie wütend an, so dass sie kurz zuckte. "Verdammt noch mal, du kannst gerne noch mal Ärger kriegen, das von neulich hat wohl nicht gereicht, was? Du willst von der Schule fliegen."

"Hier ist niemand, mich kann also niemand verpetzen!" Er sprach noch immer sehr laut, schrie fast mit ihr, sie versuchte ihn von sich zu bekommen, doch er war stärker und ganz dicht bei ihr. "Du dummes Miststück bist schuld daran, dass Toshizo wieder mit Saki rummacht. Dieses Flittchen wird ihm nicht guttun, du wirst hingehen und ihm sagen, dass du Sêiichî verlassen hast und jetzt mit ihm zusammen sein willst, kapiert? Ansonsten kann ich noch ganz anders mit dir verfahren!"

"Meinst du, du kannst mir drohen, Shiturô?" Sie trat ihm fest gegen das Schienbein, um sich zu befreien, weil es ihr nicht behagte, wenn dieser Mistkerl so nahe an sie rankam. Der Tritt hatte zwar gesessen, reichte allerdings nicht aus, um ihn lange genug außer Gefecht zu setzen, um abhauen zu können, also schnappte er sie sich wieder und schlug ihr mit der Hand mitten ins Gesicht, so dass ihre Lippe aufplatzte. "So willst du es anscheinend haben!" Ein zweites Mal schlug er zu, noch etwas fester als zuvor, so dass ihr Kopf mit vollem Karacho gegen die Wand knallte, dann zog er sie an ihren Haaren zu sich. "Ich mein's ernst, du kommst heute noch mit ihm zusammen, oder du erkennst dich nicht mehr wieder, weil ich dich so verprügele, dass man dein Gesicht nicht mehr sieht!"

"Du bist ja nicht ganz dicht, das tut weh, lass das!"

"Was, wenn nicht? Gehst du Sêiichî holen? Den können wir gerne auch fertig machen, wenn du das unbedingt willst!" Er zog sie an den Haaren hin und her und schüttelte sie kräftig. "Außerdem soll's ja wehtun, du machst meinen besten Freund unglücklich, das kann ich ja nicht zulassen..."

"Wie nett von dir...", kam ironisch von ihr, "mir kommen die Tränen! Ich kann weder dich noch Toshizo leiden, mit solchen Leuten will ich nichts zu tun haben." Sie trat wieder zu, weswegen auch er wieder zuschlug. Man hörte um die Ecke das Aufschlagen ihres Kopfes gegen die Wand, wenn er sie wieder geprügelt hatte.

"Was war das?" Akemi, die den ganzen Tag schon an Shinas Seite war, lauschte dem Geräusch und erkannte wenig später auch die Stimme der Schülerin. Beide stürmten um die Ecke, wo sie die beiden Personen sichteten. "Boah, jetzt schlägt es aber 13, Shina hat dir wohl nicht gereicht, du mieser Hund!" fauchte Akemi Takahashi an. "Lass' jetzt deine Finger von Riina, kapiert?"

"Hey, Shinalein... Schön dich wieder zu sehen, du siehst irgendwie blass aus..." Takahashi sprach spöttisch mit ihr, was die Hellbraunhaarige irgendwie doch wütend machte, weil er klang, als sei er stolz auf seine Taten, den Zahn musste man ihm jetzt aber ziehen. "Pass' auf, dass du nicht gleich blass wirst ja?" gab sie frech zurück und zog ihn an seinem Hemd nach hinten, woraufhin sie bestimmte Karatetechniken einsetzte, um ihn unter Kontrolle zu bringen. "Ich weiß nicht, was in deinem Kopf vorgeht, aber lass' sie in Ruhe, das gilt auch für deinen Freund! Noch ein einziges Mal und man hält euch durch eine einstweilige Verfügung von ihr fern, ja? Das könnt ihr gerne so haben!"

Akemi zog eine Augenbraue hoch, da es ihr seltsam vorkam, wie mutig sie jetzt wieder war, andererseits war das total typisch. Wenn es um andere ging, musste sie ihnen eben helfen.

"Geht's dir gut Riina?" Sie betrachtete sich ihr Gesicht genauer und stellte fest, dass ihre Frage doch sehr ironisch klang. "Hau' endlich ab, Shiturô, du hast genug Schaden angerichtet, merk's dir, wenn du noch jemanden anfällst wird dir kein Anwalt mehr helfen können..."

"Was für eine Drohung, Süße, ihr könnt mir doch gar nichts entgegenbringen, ich habe Anwälte, die euch alle fertig machen..."

Der war ja größenwahnsinnig, fand Akemi zumindest. "Ich würde es nicht drauf ankommen lassen..."

Er steckte seine Hände mit einem überheblichen Gesichtsausdruck in die Hosentaschen und schloss die Augen. "Denk' an meine Worte, Riinalein, mhm?"

Die beiden Mädchen warteten, bis er außer Reichweite war und verschwanden mit ihr dann in die Umkleide.

"Was hat er damit eben gemeint? Hat der dir irgendwie gedroht?"

"Ich soll heute noch mit Sêiichî Schluss machen, nichts weiter..." Sie klang zwar gelangweilt, doch in Wirklichkeit hatte Riina ziemliche Angst.

"Das sagst du ja so, als wäre das nichts", seufzte Akemi, doch in dem Moment erschien ein blondes Mädchen im Umkleideraum. "Wenn ich du wäre, würde ich tun, was er verlangt, sonst kommt er mit seinem Messer und schnippelt in deinem Gesicht herum..." Shina und Akemi erschraken leicht, als sie Saki in der Tür erblickten, weil keiner mit ihr rechnete. "Was hast du denn mit ihm erlebt, dass du so etwas sagst?"

Die Angesprochene seufzte leicht. "Ich habe heute mit Ryo gesprochen... es ging um Takahashi und was man gegen ihn unternehmen kann..."

Sêiichî erschien ebenfalls hinter Saki und wollte nun auch wissen was gespielt wurde. "Was ist hier los gewesen? Hat Takahashi mal wieder einen Ausraster gehabt?"

Saki konnte nicht fassen, dass er ihr hinterher gegangen war und sah ihn wütend an. "Man, Sêiichî, du musst nicht alles wissen..."

"Ich finde schon, dass es mich was angeht, wenn etwas mit meiner Freundin nicht stimmt, also...? Außerdem will ich wissen, was du eben mit Ryo zu reden gehabt hast. Du willst doch nichts von dem, oder?"

Die beiden Oberschüler aus dem Volleyballteam sahen sich verwirrt an.

"Sêiichî, du spinnst, natürlich will ich nichts von deinem Freund. Ich habe mit ihm nur über seinen Cousin geredet, weil er mich bedroht... Da hat er mir gesagt, dass er seine Freundin angefallen hat und der Inspektor veranlasst hat, dass es zur Anzeige kommt. Akiko Akaja versucht jetzt alles, damit er bestraft wird, die ist immerhin Staatsanwältin..."

"Er hat dir gedroht, Saki? Mir ist schon aufgefallen, dass du den nicht leiden kannst..." Nach ihren Worten seufzte Shina leicht, so etwas entging ihr nun mal nicht, zumal es ziemlich eindeutig war.

"Er wollte mir das Gesicht ruinieren, wenn ich nicht zu Toshizos Geburtstag komme, um mich von dem flachlegen zu lassen... also bin ich hingegangen..."

"Gott, ist ja richtig eklig", meinte Akemi ablehnend und verzog deswegen das Gesicht.

"Drohen kann er wohl am besten und zuschlagen", kam von Shina, die rechts neben Riina saß, welche auf einmal ungewohnt still war und nichts mehr sagte. "Wenn ihr Toshizo eklig findet, was haltet ihr dann von seinem besten Freund? Der wollte es auch mit mir... mir kommt gleich alles hoch, der ist ein echtes Ekelpaket."

"Sag' nicht, der hat dich gezwungen?" Akemi erschrak wegen Shinas Worten, zumal sie aufgesprungen war. "Mehr oder weniger... Er wollte Toshizo zeigen, wie das geht, weil der noch nie Sex hatte, das geht doch nicht, findet Takahashi, in seinem Alter..." Die Runde seufzte tief in sich hinein. "Und was willst du jetzt machen, Saki?" wollte Akemi wissen, auch wenn ihr die Schülerin nicht gerade sympathisch war.

"Der verunstaltet mich, wenn ich petze..."

"Hast du doch schon", meinte Riina jetzt leise. "Sei dir im Klaren, dass du ihm keine Vergewaltigung anhängen kannst, weil du dich hast erpressen lassen. Außerdem würde ihm Toshizo mit Sicherheit helfen... Der ist doch total in den vernarrt, er hat eben sonst keinen, der ist doch zu bedauern."

"Du hättest schon vorher zur Polizei gehen sollen, Saki... Und dich nicht von ihm erpressen lassen", musste Shina noch hinzufügen, wobei sie sich besser nicht vorstellte, was die gemacht hatten.

"Und was war jetzt mit dir, Riina?" fragte Sêiichî interessiert, ließ die Sorgen jedoch im Hintergrund, denn er machte sich welche, wollte es bloß nicht gleich direkt zeigen.

"Nichts Besonderes", flunkerte sie, weil sie genau wusste, dass er sich dann mit Takahashis kleiner Gang, von der Hiroko noch erzählt hatte, anlegen würde. Das wollte sie verhindern, damit ihm nichts zustieß, auch wenn er sicher auf sich aufpassen konnte.

"Nichts Besonderes? Das kaufe ich dir nicht ab." Er sah ihr eindringlich in die Augen, was Shina für einen kleinen Moment an seinen besten Freund erinnerte. ,Der ist ja genauso hartnäckig.'

"Es war aber nicht schlimm, glaub' mir." Anders als ihr Bruder konnte sie sehr überzeugend sein, auch wenn Sêiichî spüren konnte, dass sie ihm etwas verschwieg. Was es sein sollte, wusste er jedoch nicht. "Wenn du Probleme mit Takahashi hast, sag's mir, der soll sich mal nicht zu viel rausnehmen..." Sêiichî hatte einen entschlossenen Glanz in den Augen, er würde wohl ziemlich viel riskieren, um sie zu beschützen. "Es war doch nichts..."

"Er hat dich doch hoffentlich nicht geschlagen, oder?"

Akemi hatte geahnt, dass Sêiichî nicht auf den Kopf gefallen war, natürlich hatte er ihre aufgeplatzte Lippe bemerkt.

"Meinst du meine aufgeplatzte Lippe? Ich war mal wieder zu dämlich einem Ball zu parieren, das ist alles, ich muss mehr trainieren." Und schon war sie aufgestanden und quasi vor ihm geflohen, weswegen der Schwarzhaarige leise seufzte und zu Shina schaute. "Ist das wirklich die Wahrheit?"

"Ich war nicht dabei, wenn du das meinst."

Das, was hier ablief, konnte man wohl Mädchengeheimnisse nennen, Akemi fühlte sich deswegen leicht unwohl, eine gute Lügnerin war sie eben einfach nicht. ,Warum spielt sie denn jetzt mit?' Da auch ihre Freundin in die Halle ging und sie alle stehen ließ, folgte sie ihr ebenso wie Sêiichî, der sich allerdings auf die Bank setzte und Shina und Riina beim Training zusah. ,Da ist doch irgendwas faul...' Skeptisch war er von Anfang an gewesen, jetzt noch mehr. Die Beiden taten, als sei nie etwas gewesen und vergaßen sich im Spiel.

"Mach' dir nicht zu viele Sorgen, Sêiichî", kam von Akemi, sie hatte die Hand auf seine Schulter gelegt und sah ihn jetzt aufmunternd lächelnd an.

Miyako rannte zu den beiden Spielerinnen hin und spielte einfach mit - der Rest war ja noch nicht aufgetaucht.

Kotomi betrat die Halle, versteckte sich aber hinter der Tür und bespitzelte so das Trio. Es sah für sie so aus, als wenn sich da drei gefunden hatten, da war sie wohl abgemeldet. ,Ja, ja mach' dich nur Shina sympathisch und schleime dich bei ihr ein, damit kommst du niemals durch!' Voller Hass schnappte sie sich einen Ball, wurde dann aber von Matsudaira geschnappt und aus der Halle gezerrt. Im Umkleideraum ließ die Frau die Hand der Schülerin los. "Was wird das?" Beide sahen sich an, in Matsudairas Gesicht lag ein fieses Grinsen. "Du hasst sie, nicht wahr?" Kotomi schaute noch recht skeptisch, sie wusste mit den Worten ihrer Trainerin nichts anzufangen. "Geh' zu Riinas Sporttasche, schnapp' dir ihre Wasserflasche und mach' Folgendes..." Die Frau hielt dem Mädchen einige Tabletten hin, so dass diese sofort verstand, was sie von ihr verlangte und sie war keinesfalls abgeneigt, es zu tun, wenn dieses dumme Weibsstück, das ihre Position gefährdete, nur endlich verschwand.
 

Die anderen waren mitten im Training, als Yûmikô auftauchte und sich ihre Trainingsjacke auszog. "Hey ihr...", begrüßte sie die kleine Gruppe, so dass Shina ihr einen Ball zuwarf. "Du darfst aufschlagen. Ich will mal etwas ausprobieren." Sie blickte zur Seite, wo Akemi war. "Mi-chan, du kommst zu mir, klar?" Die dunkelbraunhaarige Oberschülerin ging unter dem Netz hindurch auf die andere Seite und begab sich in Position. "Miya-chan, du gehst bitte nach hinten, Riina zu Yûmikô nach vorne, okay?"

"Ist gebongt, Chef...", kam von Miyako.

Yûmikô ahnte vom Plan des Kapitäns und blickte kurz nach hinten, wobei sie Miyako den Ball zuwarf. "Na, dann, zeigt es ihnen..."

Miyako und Riina waren jedoch total ahnungslos und total verwirrt über das Verhalten Shinas, nahmen es allerdings hin.

Sêiichî zog eine Augenbraue hoch, als er sich das so betrachtete. "Jetzt macht sie aus Riina doch glatt Yûmikôs Stellerin..." Er war gespannt zu erfahren, ob es funktionieren würde...

Shizuru, die nun auch endlich aufgekreuzt war, sah, was sich da abspielte. Ihr Gesichtsausdruck hatte nichts Gutes zu verheißen. ,Wenn das Zusammenspiel klappt, brauche ich gar nicht mehr zu kommen', dachte sie sich und seufzte kurz, während sie zu Miyako sah, die nun den Ball flach über das Netz beförderte, der von Naru angenommen und von Shina hochgespielt wurde, so dass Akemi angriff und Miyako den Ball knapp annahm, damit Riina ihn hochspielte und es schließlich Yûmikô war, die ihn steil hinabspielte und für Akemis Sturz rückwärts sorgte. ,Sie war nicht umsonst Kapitän von United, hast du keine Angst, dass du deine Position verlieren könntest, Shina, oder was ist jetzt dein Plan?' Sie stand wieder auf und wartete auf den Nächsten, doch das Spiel blieb gleich. Egal, wie sehr sich die Schülerin bemühte, an Yûmikô kam sie nicht vorbei, sie an ihr aber schon. Einmal war sogar Naru geschlagen, was Jubel auslöste.

,Ich hab's geahnt', durchfuhr es Shizurus Gedanken, jedoch wurden diese gestört, als Kotomi ihr auf die Schulter tippte. "Shina dreht durch, findest du nicht auch? Zwei Anfänger als wichtige Spieler, das ist doch Unfug... Man muss was gegen sie alle unternehmen, findest du nicht auch?" Shizuru drehte sich zu ihrer Cousine um, wobei sie leicht seufzte. "Welche Intrigen spuken dir jetzt schon wieder durch den Sinn?"

"Ich bin dafür, dass wir gleich ein Spiel gegen sie spielen und sie richtig blamieren", flüsterte Kotomi zurück, wobei sie einen sehr gemeinen, fast psychopathischen Blick zeigte. "Wir hetzen Riinalein und Miyakoleinchen mal etwas über den Platz, das halten die nie lange durch."

"Wenn es weiter nichts ist..." Shizuru winkte Shina zu. "Hey, wir wollen mitspielen, was haltet ihr von einem richtigen Match? Reserve gegen uns, wie immer eben."

"Klar...", meinte Shina, dabei konnte man gut testen, wie sie in einem richtigen Spiel spielten. Kotomi war auf einmal total freundlich, rannte zu Riina hin und lächelte sie sogar an. "Hier, bevor wir richtig loslegen, trink' mal was..." Innerlich war sie voller Vorfreude, genauso wie Matsudaira, die sich das Ganze von etwas weiter hinten ansah. ,Wenn das klappt...'

Die Mädchen spielten noch etwas für sich, bis sie mit dem eigentlichen Spiel begannen.

Diesmal war das Glück auf der Seite des Reserveteams, das in Führung ging. Yûmikô holte ihnen einen Punkt nach dem anderen, wobei die gesamte Mannschaft ihren Teil dazu beitrug. Sie spielten, wie sie noch nie gespielt hatten. Dabei war jeder auf allen Positionen tätig, weswegen es dazu kam, dass Riina und Kotomi als Gegner auf dem Platz standen und beide als Aufschlägerin endeten. Die 15-jährige Rothaarige schlug also auf, Naru nahm den Ball an, Akemi pritschte ihn hoch und Kotomi schlug ihn von hinten zu Riina. Sie drehte den Ball extra an, um der anderen die Annahme zu erschweren. Als das Mädchen ihn annehmen wollte, flutschte er ihr weg und sprang nach hinten, wobei sie auch noch stürzte und am Boden landete.

"Yey, Punkt, habt ihr den gesehen??" gab Kotomi an und freute sich über ihren gelungenen Angriffsschlag, woraufhin man ihr den Ball gab, da sie ja jetzt aufschlagen musste. ,Lauf mal schön, Riina, wird ein Heidenspaß werden...' Kotomi schlug den Ball in einem großen Bogen, so dass er direkt auf die rechte Seite flog und Riina ihm nachhechtete. Sie erwischte ihn, konnte ihn allerdings nur über das Netz spielen, so dass Shizuru jetzt angriff und sie den Ball noch beim Sprung in die rechte Seite bekam. Das A-Team holte Punkt für Punkt auf und mit jedem dieser ging es dem Mädchen schlechter. Sie fühlte sich ausgelaugt und schwach, weswegen es ihr immer schwerer fiel solchen Bällen nachzurennen.

Bis es zum Satzball kam und diesmal Miyako geschlagen am Boden liegen blieb.

Riina kniete am Boden, so dass Akane zu ihr hinging und sie am Arm hochzog. "Bist du bescheuert? Solche Bälle müssen wir kriegen, sonst haben wir ja gar keine Chance mehr! Wenn du im nächsten Satz nicht etwas besser bist, hast du nicht mal im Reserveteam etwas verloren!"

Miyako mischte sich sofort ein. "Jetzt mach' sie nicht für alles verantwortlich!"

"Halt du dich da raus, du kannst genauso wenig mithalten, Kleinkind!"

"Schluss jetzt, ihr seid schlechte Verlierer!" brüllte Shina den beiden entgegen, so dass diese schwiegen. "Ihr müsst als Mannschaft spielen, sonst wird es immer wieder so ausgehen."

Mai zog Akane von den beiden weg und musterte Riina. "Alles in Ordnung? Du siehst so blass aus..." Die Angesprochene erschrak, weil sie nicht damit rechnete, dass man sie ansprach. Ihr war so komisch und sie hatte das Gefühl, sie würde gleich umkippen.

Kotomi gab Akemi den Ball. "Deiner, und weiter geht's!"

Nur widerwillig begab sich die Braunhaarige nach hinten, wobei sie an ihren gewonnenen Satz zurückdachte. ,Merkwürdig, irgendetwas stimmt da nicht! Sie waren so gut, aber dann...' Sie schloss die Augen, öffnete sie dann jedoch wieder und gab dem Gegner einen Ball.

Shina fiel während des Spieles auf, dass Shizuru und Kotomi ausschließlich Riina anspielten, normalerweise dürfte das kein Problem sein. Sie war in Sachen Annahme ziemlich sicher und trotzdem landete sie andauernd am Boden. ,Als wenn man ihr die Kraft entzogen hat... Das ist ja unheimlich...' Dem Kapitän fiel jetzt auch Matsudairas Gesichtsausdruck auf, sie schien sehr zufrieden zu sein. ,Oh mein Gott, die stecken doch nicht etwa mit der Trainerin unter einer Decke...?'

Der nächste Ball kam, dagegen konnte sie auch nichts tun, diesmal traf er Riina böse in die Magengegend, so dass sie einfach in sich zusammenfiel und liegen blieb. Der Schweiß in ihrem Gesicht tropfte auf den Boden. Miyako half ihr hoch, die Ältere kniff ein Auge zu. "Mir ist so schlecht, ich kann nicht mehr..." Es war überhaupt nicht ihre Art, so schnell aufzugeben, doch sie landete erneut auf den Knien und zitterte.

"Sind wir vielleicht etwas empfindlich?" triumphierte Kotomi und kicherte albern.

"Gar nicht!" Die Rothaarige erhob sich erneut und ballte die Hände zu Fäusten. ,Jetzt erst recht!'

Naru machte den Aufschlag, Miyako baggerte ihn, so dass er über Riina war, die nach oben schaute, jedoch alles nur noch verschwommen wahrnahm und es deswegen nicht mehr schaffte ihn hochzuspielen, so dass er nur knapp über dem Netz war. Yûmikô parierte und schlug ihn ins Feld, wo ihn niemand erreichen konnte. "Der war toll, Riina..." Sie drehte sich herum, da sie keine Antwort bekam, in dem Moment kippte das Mädchen einfach um und blieb auf dem Rücken liegen. ,Ich hab's geahnt, warum habe ich nichts unternommen?' Shina stürzte nach vorne, unter dem Netz durch und hob Riina zu sich auf den Schoß. "Sie ist ohnmächtig... Matsudaira, kommen sie, aber schnell..."

Die Frau kam auf alle zu. ,Vielleicht war die Dosis doch etwas zu heftig für eine 15-jährige...', dachte sie sich. Als das Mädchen dann wieder zu sich kam verdrehte sie leicht die Augen. "Wo bin ich?"

"Auf dem Volleyballfeld, du bist umgekippt", meinte Akemi. "Sag' doch, wenn es dir schlecht geht, dann machst du Pause..."

"So ging es mir noch nie..." Das war alles, was Shina wissen wollte, sie stand auf und warf Shizuru und Kotomi einen bösen Blick zu. "Ich erwarte eine Erklärung! Findet ihr das etwa fair, jemanden rumzuscheuchen, dem es schlecht geht? Und jetzt weicht mir bloß nicht aus, ich weiß, dass ihr das wusstet! Aber woher? Was habt ihr gemacht?" Shizuru erschrak und hob beschwichtigend die Hände. "Ich hab' damit nichts zu tun..."

"Die ist einfach ein Schwächling, das ist alles", meinte Kotomi abwertend sagen zu müssen. "Sie passt einfach nicht ins Team..." Shina sah diese gehässig an. "Dass du das denkst, kann ich mir denken. Dir wäre es doch am liebsten, sie wäre schon wieder weg."

"Ja, weil sie das Team im Stich lässt, wenn es drauf ankommt, du hast doch gesehen, wo das endet..."

Die Teamchefin schaute jetzt noch gemeiner, wie zuvor und lachte kurz auf. "Oh ja, das endet da, dass sie im nächsten Spiel mitwirkt, wenn es ihr besser geht, du aber nicht... hast du das verstanden?"

"Matsudaira, das können sie doch nicht zulassen!" versuchte Kotomi die Trainerin aufzuhetzen, obwohl sie das wohl kaum musste.

"Weißt du, was du da tust, Shina Kudô?"

"Ich bin vollends bei Verstand. Ich habe diesen Plan schon die ganze Zeit, ich will euch allen beweisen, dass der Plan funktionieren wird. Miyako wird zusammen mit Naru verteidigen, Riina und Akemi sind Stellerinnen und helfen vorne beim Angriff, der von Yûmikô und Chisa ausgeführt wird..."

Akemi glaubte sich verhört zu haben, weswegen sie die Schultern ihrer Freundin nahm und sie schüttelte. "Ja und du..?"

"Ich werde nur zusehen und euch anfeuern... Da könnt ihr mal zeigen, was in euch steckt. Wenn wir gewinnen, Matsudaira, werden Riina und Miyako feste Spielerinnen, was halten sie davon? Nur eine kleine Wette, na?"

"Ohne dich wird die Mannschaft sowieso verlieren, wieso also nicht? Wenn du dir das Team zerstören willst, dann tu das..." Matsudaira drehte sich weg, sie glaubte wirklich nicht, dass sie das erste Spiel ohne den Kapitän gewinnen konnten, auch nicht, wenn Yûmikô Angreiferin Nr. 1 spielte. Mit Miyako in der Verteidigung konnten die doch gar nicht gewinnen... unmöglich.

"So, dann ist für heute Schluss, geht euch ausruhen, das gilt besonders für dich, Riina..." Die Angesprochene zog sich an Akemis Hand hoch. "Alles klar..."

"Hast du was Falsches gegessen, oder wieso bist du so schwach?"

"Ich denke eher, dass sie was Falsches getrunken hat..."

Als Kotomi Shinas Worte mitbekam, zitterten ihr die Knie. Obwohl sie nichts Konkretes sagte, wusste sie, dass Shina klar war, wieso es der Neuen so schlecht ging, aus dem Grund verschwand sie unauffällig nach draußen, zog sich um und fuhr sofort nach Hause.
 

Die Teamchefin war ganz froh, dass für heute Feierabend war, da das Schmerzmittel wohl nicht mehr wirkte und ihr die Arme wehtaten.

Akemi bemerkte jetzt erst, dass sie ja Verbände an den Armen hatte. "Tut das eigentlich nicht weh?"

"Nicht, wenn man mit den Händen spielt, und den Ball nicht auf die Gelenke bekommt", verteidigte sie sich, auch wenn das ihrer besten Freundin jetzt gar nicht gefiel. "Du solltest trotzdem Pause machen."

"Werde ich ja auch, dafür habe ich vorhin gesorgt."

Die Dunkelbraunhaarige seufzte leicht in sich hinein. "Hauptsache, du warst unvernünftig, was? Was, wenn dir ein kleines Malheur passiert wäre und du dich dann noch schwerer verletzt hättest?"

"Es ist aber nicht passiert, also ist alles gut, Mi-chan." Derartige Vertröstungen war die gleichaltrige Schülerin an ihrer besten Freundin schon gewohnt. "Das nächste Mal lässt du es aber dann doch lieber sein", meinte Akemi, wobei sie ihre Stimme so anhob, dass es fast drohend klang.
 

Währenddessen war Sêiichî auf dem Weg zum Direktor, um sich über Takahashi erneut zu beschweren, auch wenn die Schulleitung keinerlei Lust dazu verspürte, sich mit den Anwälten dessen Vaters anzulegen. Vor welchen Vorwürfen hatten die eigentlich Angst?

Die Beschwerden seines Beines waren wieder schlimmer geworden, so dass er jenes wieder hinter sich herzog und einmal stehen bleiben musste, um tief durch zu atmen. ,Da muss ich jetzt wohl durch...' Sein Körper hatte keine Lust mehr, da er noch immer Blut verlor. Er hätte das Bett hüten sollen, damit die Wunde nicht wieder aufging, doch genau das war jetzt passiert, zu allem Überfluss wirkten die Medikamente nicht mehr richtig und ihm wurde übel. Der 17-jährige klammerte sich an die Tür, um nicht umzukippen, was sich als unnötiges Unterfangen herausstellte, da er dann einfach in sich zusammensackte, das bekam er schon gar nicht mehr mit. Seine Glieder gaben nach, so dass er ohnmächtig am Boden landete und liegen blieb.
 

Noch vollkommen verwirrt öffnete Sêiichî wenig später die Augen und blickte sich um. War er eben nicht erst noch an der Tür gewesen? Wieso lag er denn jetzt im Bett?

Seine Frage fand eine Antwort, als er die Tür hörte und wenig später Ryochi den Raum betrat.

"Du hast einen Knall, das muss man dir mal wieder sagen! Kannst du mir mal verraten, was du wieder angestellt hast, dass du einfach so im Flur umkippst?" Erschrocken wollte der Junge aufspringen, doch man hielt ihn davon ab, indem man ihn zurück aufs Bett drückte. "Und bleib' erst mal liegen."

Man würde Sêiichî ausquetschen, das wusste dieser jetzt schon, so wie Ryo ihn ansah, er wusste jetzt natürlich, dass etwas nicht stimmte. "Ich hab' mich mal wieder anschießen lassen, aber es ist nichts Ernstes...", versuchte er ihn zu beruhigen, was ja nur die halbe Wahrheit war, diese würde er ihm nach wie vor verschweigen, mehr war allerdings auch nicht drin.

Der Angesprochene konnte nicht glauben, was man ihm da auftischte. "Nichts Ernstes? Es ist also nichts Ernstes, wenn du einfach in Ohnmacht fällst? Aber sonst hast du keine Probleme? Hör endlich auf, mit deinem Leben zu spielen, du weißt genau, dass ich das nicht leiden kann! Musstest du wieder mit Killern spielen? Irgendwann bringt dich noch einer um!" Ryochi war in Rage und ließ es seinen Freund spüren, immerhin hatte er ihn, bei seiner Ankunft gleich geohrfeigt, nur weil er Killern nachrannte, er hatte eben gewusst, wo das enden würde. "Ich habe keine Lust, dich zu beerdigen, verdammt noch mal!" Das war das Donnerwetter, wie es Sêiichî schon gewohnt war. Es sah immer so aus, wenn er sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte. "So schnell stirbt man auch wieder nicht..."

"Das sagst du so daher, dann passiert es doch, es kann immer etwas passieren, aber man muss es nicht unbedingt so herausfordern, wie du es immer tust." Er fasste sich an den Kopf, Sêiichî schaffte ihn, er dachte eben, er konnte alles schaffen, fast als wäre er unsterblich, aber das war ein Hirngespinst, das musste er endlich verstehen. "Hast du kein schlechtes Gewissen, wenn du dich so aufführst? Willst du, dass unsere Eltern wieder unglücklich werden? Von mir ganz zu schweigen, kaum zu glauben, dass ich dir so egal bin." Ryo schloss die Augen und hoffte, dass die Worte bei ihm ziehen würden und er in Zukunft wenigstens vorsichtiger wurde, mit Verbrechern würde er trotzdem wahrscheinlich zwangsläufig immer zu tun haben.

"Ich gebe mir wirklich Mühe, aber du weißt doch, dass ich nicht stillschweigend zusehen kann. Ich muss handeln, denn sonst habe ich ein schlechtes Gewissen. Ich muss Menschen helfen, das ist meine Bestimmung. Ich habe zu viel erlebt, um andere Menschen ihre Scheiße bauen zu lassen, so wie mein missratener Bruder, der einfach meine Freundin vergewaltigte, nachdem er sie angeschossen hat." Unwillkürlich war Wut in die Stimme des Jungen gefahren, denn immer, wenn er an seinen Bruder dachte, wurde sie in vollem Maß ausgelöst.

"Deswegen musst du nicht absichtlich der Verbrechergegend Besuche abstatten, außerdem tust du das oft nur, um dir selbst eine Daseinsberechtigung zu beschaffen, dabei hast du sie längst. Du bist kein Mistkerl wie Takahashi, der so etwas braucht, Sêiichî! Ist dein Leben echt so wenig wert, dass du das nötig hast?"

"Du hast Recht, wahrscheinlich bin ich es nicht mal wert, mit dir befreundet zu sein, wie hältst du es bloß mit mir aus?" Der weinerliche Ton in der Stimme seines Freundes verriet Ryo, dass da noch mehr war, irgendetwas war anders als sonst. Hatte er vielleicht mal den falschen Killer ermordet? "Unsinn!" fuhr er Sêiichî dann scharf an. "Wie kannst du nach all der Zeit bloß so was sagen? Du bist mein bester Freund und das nicht ohne Grund, daran solltest du denken. Du bist es, weil du mir in den schwersten Stunden meines Lebens immer beigestanden hast, selbst als ich halb tot im Krankenhaus lag. Dafür bin ich dir dankbar, andererseits könnte ich dich verprügeln, wenn du wieder verletzt worden bist, ich will ganz einfach nicht, dass dir was zustößt, das musst du verstehen. Du bist eben jemand, der sich überall einmischen muss, gut, ich will dich nicht ändern, ich mag dich so, du solltest nur vorsichtiger sein. Ich will mir keine Gedanken um dein Leben machen müssen, wenn du wieder halbtot im Krankenhaus liegst und man dir keine Überlebenschance gibt, das hatten wir vor kurzem doch schon einmal, du weißt gar nicht, wie beschissen es mir deswegen ging..."

"Entschuldige, ich will dich ja auch gar nicht enttäuschen und trotzdem tue ich es, weil ich einfach kein Unrecht vertrage. Aber deswegen brauchst du dich nicht um mich sorgen, ich war nicht unvorsichtig, ehrlich. Außerdem hat es nur mein Bein erwischt, halb so wild."

"Dann gehst du zum Arzt und lässt dich ab morgen mindestens zwei Wochen krankschreiben und keine Widerrede..."

"Wenn es dir dann besser geht, Kleiner."

Wer hier wohl der Kleine war? Ryo passte ja schließlich auf Sêiichî auf, damit er keine Dummheiten machte, im Grunde taten sie es jedoch gegenseitig.

"Wieso mir? Dir soll's besser gehen, du Chaot." Der Detektiv seufzte, auch wenn ihm klar war, dass Sêiichî gar nicht vorgehabt hatte, dass er davon erfuhr. Ihm würde so etwas aber mit Sicherheit nicht entgehen. "Das wird es nicht, wenn du dein Bein belastest, auch wenn du sicher Medikamente genommen hast und der Schmerz dadurch nachgelassen hat, die Verletzung lässt sich damit nicht kurieren, dafür brauchst du Ruhe, also, hör auf mich, auch wenn es dir widerstrebt."

"Jetzt weißt du es sowieso, ich wollte es vermeiden, weil ich genau gewusst habe, wie du dann reagierst. Von dem her, brauche ich auch nicht zu Schule kommen, es sollte nur so aussehen, als sei alles gut."

"Du hättest dich schminken sollen, du warst so blass, dass ich gleich gesehen habe, dass dir etwas fehlt, Baka."

Dass er so blass gewesen war, war ihm total entfallen.

 

4. Dezember - Feuertaufe

 

 
 


 

Vor Acht Uhr war noch jede Menge in der Sporthalle der Teitan-Schule los, obwohl man allen diesen einen Tag freigegeben hatte, auch den Schülern, die heute nicht bei dem Spiel dabei sein würden.

„Du bist ein Schwächling, jetzt steh’ auf, oder wir werden nachher verlieren!“ schrie eine Frau durch die Halle, sie warf die Bälle heute extrem hart und scheuchte drei Mädchen durch die Halle. Alle drei sollten in der Verteidigung spielen, zumindest hatte das der Kapitän so angeordnet, was Matsudaira zwar nicht passte, sie aber nicht davon abhielt, mit ihnen zu trainieren. Hiroko und Riina hatten kaum Probleme, ihre so harten Bälle zu kriegen, das war der 31-jährigen auch zuwider, also gab sie mehr oder weniger den Kampf gegen sie auf und konzentrierte sich auf Miyako, die leichte Probleme bekam. Was Annahmen anging, war sie nicht so schnell wie die anderen beiden und landete mehr als nur einmal auf der Schnauze.

„Was ist jetzt?“ Miyako schaute hoch zu der Lehrerin, die erneut einen schnellen Ball kommen ließ, so dass die 14-jährige die Augen aufriss und sich mit dem Arm schützte. Ein Stöhnen kam dann über sie.

„Hey, das reicht jetzt!“ Den nächsten Ball nahm Riina, da sie sich vor ihrer Freundin ausgebreitet hatte.

„Hast du auch noch nicht genug?“ Es kam wieder ein Ball, der sie diesmal hart auf den Handgelenken traf und sie nach hinten schleuderte. Sie flog über Miyako und landete rückwärts am Boden. Währenddessen waren Naru und Shizuru wie die Verrückten losgestürmt, um Sêiichî zu suchen, der sich auch noch in der Schule aufhielt, um das dreckige Spiel der Trainerin zu beenden. Wer trainierte auch schon kurz vor einem Spiel noch einmal? „Sêiichî, endlich haben wir dich gefunden“, meinten die beiden zu dem 17-jährigen, der sich mit Ryochi unterhielt. „Kommt Shina denn nicht mit dir?“

„Ich bin nur wegen Sêiichî hier. Euer Kapitän kommt erst, kurz bevor ihr zur Halle fahrt, keine Panik.“

„Keine Panik? Matsudaira richtet unsere Verteidigung gerade zu“, meinte Naru, so dass Sêiichî die Augen leicht zusammenzog. „Los komm, Ryo, das sehen wir uns an und sorgen für Ordnung.“

Wenig später rannten sie los und kamen eine Minute später bei der Halle an, wo nun Hiroko dabei war, Riina vor den Bällen zu schützen, da sie sich erst einmal wieder vom Boden erheben musste. „Hören Sie doch endlich auf, auf Miyako rumzuhacken“, kam von Hiroko, die ein Ball in die linke Brust traf, so dass sie zu Boden ging. „Hey, AUFHÖREN! SOFORT!“ Sêiichî schrie wütend durch die Halle, als er die drei da so sehen konnte, man, hatte er vielleicht eine Wut im Bauch. „Was sind Sie für eine Trainerin, die ihre Spieler vor einem wichtigen Spiel noch mal so hart ran nimmt? So sind sie nachher erschöpft und können nicht spielen, wollen Sie das?“ Ryochi empfand die Frage seines Freundes als ziemlich dämlich, denn genau das wollte diese Frau doch, das war ihm klar. „Ach, Sêi-chan, wir werden so oder so verlieren, so wie die spielen. Mit so einer Mannschaft kann man nie im Leben gut spielen.“ Sêiichî setzte Halbmondaugen auf. „Überlassen Sie das doch bitte mir und den Spielern, wir regeln das schon. Jedenfalls bringt dieses Training nichts, es schadet uns nur, also hören Sie jetzt damit sofort auf, oder ich sag der Schulleitung Bescheid!“ Er wurde ruppig, was man seiner Stimme entnehmen konnte. „Ist ja gut, du hast ja Recht, bis später dann.“ Sie ließ die Personen einfach zurück, woraufhin man ein Schluchzen hörte und wenig später sehen konnte, dass es von Miyako kam, die einen Ball weg schob und sich die Hände vor das Gesicht hielt. „Ich spiele nicht mit, ich habe keine Lust mich zu blamieren.“

„Hey“, Sêiichî beugte sich zu dem Mädchen hinunter. „Du schaffst das schon, und du bist nicht alleine...“ Riina sah mit einem Lächeln zu ihrem Freund hinauf, der die 14-jährige zu beruhigen versuchte. „Du musst ihr zeigen, dass du das kannst, und sie Unrecht hat, das schaffst du schon. Sie will euch im Grunde nur anspornen.“

‚Ach komm', Sêiichî, sei nicht so naiv, sie hat was gegen sie, das ist alles. Sie hat gegen diese drei Mädchen etwas, warum auch immer. Die will sie nicht anspornen, sondern rausekeln.’ Ryochi seufzte und schüttelte den Kopf, sein Freund war doch sonst nicht derartig naiv, wieso denn diesmal? Verfiel er dem Charme dieser Frau, oder wie hatte er das zu verstehen?

Wenig später konnte man Stimmen vom Ausgang aus hören. „Hey, Jungs, was macht ihr denn hier?“

Ryochi drehte sich herum, da ihn die Stimme seiner Freundin ansprach. „Ich dachte, du kommst erst später?“

„Dachten wir auch, aber wir konnten es einfach nicht mehr abwarten. Und ihr Drei, seid ihr sehr aufgeregt, oder hält sich das in Grenzen?“ Die Hellbraunhaarige mit dem Pferdeschwanz fragte das recht frech, wollte sie damit jetzt auch noch aufstacheln. „Geht eigentlich so, Shina-san“, gab Hiroko zurück. „Miyako hat da, glaube ich, eher Probleme. Sie denkt nämlich, sie ist nicht gut genug, und dass wir ihretwegen verlieren werden.“

Es stand ein ebenfalls hellbraunhaariges Mädchen, jedoch mit offnen Haaren, neben der Detektivin und lächelte aufmunternd. „Es wird schon schief gehen, niemand wird euch den Kopf abreißen, egal was passiert. Bleibt locker, dann wird schon alles gut gehen. Und wenn ihr den Ball vor die Nase kriegt, schlagt eben drauf.“

„Wie meinst du das, Machida-san?“ Miyako hatte sich jetzt erhoben.

„Dass ihr auch mal angreifen könnt, wenn ihr die Möglichkeit habt, Überraschungsangriffe sind schließlich wichtig, auch aus der Verteidigung heraus. Und die Ekota ist nicht schlecht, sonst hätten sie es nicht bis ins Finale geschafft, um an der Landesmeisterschaft teilzunehmen, ihr werdet euch also schon anstrengen müssen. Aber durch harte Aufgaben wächst der Mensch, nicht wahr?“
 

„So sehen wir das auch, nicht, Riina?“ meinte Hiroko, so dass die Angesprochene ihr einen Blick zuwarf. „Sicher, anders würde uns ja öde werden. Aber wie spät ist es überhaupt?“

„Kurz nach Acht. Ihr habt noch über eine halbe Stunde Zeit.“ Die Drei Mädchen seufzten. „Warten ist so was von öde, wir sind eigentlich nur hergekommen, um noch etwas auszuprobieren, dann kam die Trainerin und hat sich eingemischt.“ Halbmondaugen waren in jedermanns Gesicht erschienen. „Typisch, die merkt nicht, wann sie nervt“, sagte Shina mit einem Seufzen, woraufhin alle die Halle verließen und sich die Spieler erst einmal ihre Schulkleidung anzogen. Daraufhin gingen sie zum Bus, der auf sie wartete, es war außer ihnen noch niemand da, also unterhielten sie sich noch eine Weile, bis der Rest auch aufkreuzte. Die komplette Mannschaft wollte zusammen fahren, doch eine von ihnen schien zu fehlen.

„Sind wir komplett?“

„Bis auf Kotomi sind wir es, ja.“ Naru verzog das Gesicht zu einem gehässigen Grinsen. „Ich dachte eigentlich, sie würde kommen und darauf hoffen, dass wir verlieren. Wahrscheinlich hat sie jetzt Angst, dass das nicht der Fall sein wird. Von mir aus kann die gerne wegbleiben.“ Shina warf ihrer Kollegin einen Blick zu. „Am besten sie kommt nie wieder, oder wie meinst du das?“

„Man wird ja wohl noch hoffen dürfen, oder? Sie zerstört irgendwann das Team, wenn sie so weitermacht.“

„Keine Sorge, ich hab sie im Griff. Sie wird einsehen müssen, dass es nicht sie alleine war, die uns zum Sieg brachte, dazu gehört immer die gesamte Mannschaft, aber erklär dem Mädchen so was. Die hält sich für die Beste, mal sehen, wie lange noch.“

„Ich finde es doch immer wieder unfair, über jemanden zu lästern, der nicht da ist“, legte Shizuru ein und ging zum Bus, um einzusteigen.

‚Blöde Kuh’, dachte sich Naru, sie kam mit der Schwarzhaarigen mit am wenigsten zurecht. ‚War ja klar, dass die wieder zusammenhalten, obwohl sie sich im Grunde gar nicht abkönnen.’ Die beiden hatten doch einfach nur Angst vor der Konkurrenz.

Matsudaira drehte sich herum. „Fahrt ihr schon mal zur Halle, ich komme nach.“

‚Jetzt geht sie ihre Lieblingsspielerin anschleppen’, dachte Ryochi, nahm Shinas Arm und zog sie hinter sich her.

„Von mir aus.“ Sêiichî folgte den beiden und gesellte sich dann zu den Mädchen der hintersten Reihe, weil dort auch seine Freundin, Akemi und Kôji zu finden waren.

„Wataru hat sicher verpennt, wie immer eben...“ Die Gruppe fing an zu lachen und rechnete damit, dass Riinas Bruder erst später dort aufkreuzen und gar nicht mit dem Schulbus fahren würde.

Yûmikô schaute aus dem Fenster, ihr war unwohl, was Shina als erstes auffiel. „Du trägst nicht die Verantwortung, lass dir das gesagt sein, das bin immer noch ich, also mach dir keine Gedanken darum, wie es laufen wird.“

Der Motor des Busses startete schon und wenig später fuhr er auch los, woraufhin man Rufe hinter sich hören konnte. „Oh neeeee“, meinte Shina, woraufhin Yûmikô aufstand und durch den Bus rief. „Da will noch jemand mit, halten Sie an!“

Keuchend kam Wataru daraufhin eingestiegen und kämpfte sich nach hinten durch. „Besser später als nie, was?“

„Ihr seid zu früh...“, beschwerte sich der Oberschüler, wurde dafür aber von seiner besten Freundin mit Halbmondaugen angeschaut. „Du bist eher zu spät, Wata-chan, nicht die Tatsachen verdrehen.“

„Warum hast du mich nicht geweckt, Riina?“ Ein Seufzen entkam ihm.

„Das habe ich versucht, aber du hast gesagt, noch fünf Minuten, deswegen habe ich dich eben zufrieden gelassen.“

Wataru schnaufte und setzte sich zu Ryochi, der vor Shina und Akemi saß.

„Dir kann man’s auch nie Recht machen, oder, Wataru? Sonst bist du froh, wenn sie dich zufrieden lässt“, meinte Shina, um ihn zu ärgern, weshalb der Junge noch mehr seufzte und sich nach hinten in den Sitz sinken ließ.

„Meine Nerven.“

Sêiichî hatte Halbmondaugen aufgesetzt, als er nach hinten kam. „Du sitzt auf meinem Platz, Wataru, ist dir das klar?“

Ryochi hatte einen riesigen Schweißtropfen an der Wange und schüttelte den Kopf. „Musst du denn immer neben mir sitzen, Baka? Hast du sonst keine Freunde hier? Hast du wieder Ärger gemacht?“

Ihm war doch klar, was sein Freund immer anrichtete, zumindest bei Jungs, die schon eine Freundin hatten. Da konnte er ja von Glück reden, dass Sêiichî seine Freundin in Ruhe ließ – ihm würde er so etwas ja nie antun. Trotzdem musste er an ein Gespräch mit einem anderen Freund zurückdenken. Dieser traute Sêiichî nämlich sehr wohl zu, dass er sich an Shina heran schmiss.
 

„Ich mache mir Sorgen, früher war er ganz anders.“ Der braunhaarige Junge schwelgte ein wenig in Erinnerungen und dachte daran, wie sein Freund früher gewesen war. Er hatte offenherzig, wie er sein ganzes Leben lang gewesen war, an seinem Umfeld und den Menschen geklammert, das hatte sich mittlerweile auf unscheinbare Weise immer mehr geändert. Seit er seine erste Freundin gehabt hatte, war er nicht mehr derselbe Junge. „Er traut keinen Mädchen mehr, also verschließt er sich vollkommen und lässt niemanden an sein Herz heran. Ich weiß zwar nicht, was damals geschehen ist, aber als Shizuka verschwunden ist, ging alles den Bach runter. Er hat angefangen, Mädchen auszunutzen, jedoch nur solange, bis sie sich nicht in ihn verliebt haben. Dann hat er sie verlassen. Irgendwann fing er damit an, sich richtige Liebschaften zu suchen, Frauen, die reifer als er sind. Frauen, mit denen er schlafen kann, ohne dass sie sich gleich in ihn verlieben. Er ist gegen dieses Gefühl quasi resistent geworden, wenn man es so sieht. Das ist es, was mir Sorgen bereitet. Ich kenne ihn mein Leben lang und weiß, dass er ein gewisses Maß an Liebe in seinem Leben braucht. Seine körperlichen Beziehungen reichen ihm doch gar nicht, vielleicht macht er den Fehler seines Lebens und hängt sich an die Falsche. Da frage ich mich, wieso er mit Riina zusammen ist. Er liebt sie doch gar nicht, zumindest kann ich keine Indizien dafür entdecken.“

Shina schloss leicht die Augen. „Also doch ein Mistkerl, der andere nur ausnutzt. Warum nimmst du ihn in Schutz, wo er so tief gefallen ist?“

„Freunde bleiben Freunde, egal, was passiert, außerdem...“

„Mhm?“ Ihr Freund wirkte bedrückt, weswegen sie sich neben ihn setzte und seine Hand in ihre nahm.

„...hat er mir quasi schon mal das Leben gerettet. Mag ja sein, dass er Dinge tut, die beschissen sind, das heißt aber nicht, dass ich ihn weniger mag. Außerdem tut er so was nicht, um sich zu beweisen, er braucht das einfach, sonst kommt er sich vereinsamt vor. Damit hatte er schon immer so seine Probleme. Er kommt alleine nicht so ganz klar. Das war immer so und das wird wohl auch immer so bleiben. Es ist schon lange her, dass er ein aufrichtig glückliches Lächeln gezeigt hat. Er tut immer bloß so, darauf darf man nicht hereinfallen. Er schleppt irgendwelchen Kummer mit sich herum und spricht mit keinem Menschen darüber, das wird ihn irgendwann vollkommen kaputtmachen. Normalerweise kann er nämlich absolut nicht schweigen. Würdest du dir da nicht auch Sorgen machen?“

„Vielleicht versucht er dich vor irgendetwas zu schonen und frisst es deswegen in sich hinein?“ Eine Außenstehende kam auf solche Gedanken, dann musste es ja wohl so sein. „Es gibt nichts, was er mir nicht sagen könnte. Es muss übel sein, wenn er Hemmungen hat, darüber zu reden...“ Der 16-jährige nahm seine Schultasche, woraufhin Shina ebenfalls aufstand und mit ihm zu den Klassenzimmern ging. Während sie gingen, wurde Ryochi immer nachdenklicher. Er dachte darüber nach, was so furchtbar sein konnte, dass sein Freund nur schwieg. ‚Da ist was faul und ich werde es rauskriegen...’

„Warum ist er eigentlich so geworden? Es scheint mir, als würde er niemandem wirklich seine Gefühle zeigen... Und das gilt nicht nur für Mädchen.“ Ihre Vermutung war vollkommen begründet, fand er zumindest, es hätte ihn schon gewundert, wenn ihr das nicht aufgefallen wäre. „Das hat mit der Vergangenheit zu tun und was er mit seinem Bruder erlebt hat. Die beiden hassen sich, obwohl man bei seinen Gefühlen sicher nicht von Hass sprechen kann. Takeshi hasst ihn total, das kann man nicht anders sagen, aber Sêiichî... der denkt, er muss sich ändern, damit Takeshi ihn akzeptiert. Das hat noch nie funktioniert und ich glaube mittlerweile auch nicht mehr daran. Letztendlich ist das Ganze ja bloß eine Schutzmaßnahme, damit er ihn nicht mehr piesacken kann. Er hat sich früher alles zu Herzen genommen und mehr als einmal nach den Attacken seines Bruders geheult. Er war richtig verletzlich, was das angeht. Allerdings hat er seit ungefähr vier Jahren nicht mehr geweint, es kommt einem fast vor, als wenn er sich das abgewöhnt hat, wie Rauchen, oder Trinken.“

„Menschen, die nie weinen, sind meistens psychische Fracks, weil sie dafür sorgen, dass sich alle Probleme anhäufen, bis man einfach nicht mehr kann...“ Shina konnte davon ein Lied singen, sie hatte Vieles auch einfach in sich hereingefressen und irgendwann keinen Ausweg mehr gewusst. ‚Er macht es wie ich. Er schützt sich selbst hinter einer Mauer... Irgendwie kann ich ihn jetzt besser verstehen.’
 

Es war kurz nach Unterrichtsschluss, Ryochi beeilte sich etwas mehr als sonst, so dass er als erster in der Tür stand und anschließend auf seinen Freund wartete, der wenig später auch rauskam und an ihm vorbei gehen wollte. Er hielt ihn am Handgelenk fest und zog ihn zurück. „Ich muss mal mit dir reden.“ Der Ton in der Stimmes seines besten Freundes erschreckte Sêiichî, weshalb er sich gewissenhaft bemühte, keine Nervosität zu zeigen. Er hatte das böse Gefühl, dass Ryochi etwas ahnte, hatte Angst davor, dass alles rauskam und er ihn als Freund verlieren könnte. „Worüber denn?“

„Ich habe dich beobachtet und finde, du verhältst dich seltsam. Mit dir stimmt etwas nicht!“ Wie so oft bemerkte er, dass es sich um einen Detektiv handelte, weswegen er ein strahlendes Lächeln aufsetzte, das ihn jedoch nicht täuschen konnte, wie Sêiichî hoffte. „Was soll nicht stimmen? Mir geht’s wunderbar! Nur leider muss ich jetzt los! Training und so, wir sehen uns...“ So lief es jetzt seit Tagen ab, er wich ihm konzequent aus und tat dann, als wäre alles in bester Ordnung. Dachte der Baka eigentlich wirklich, dass er ihm das abkaufen würde? Oder ging er ihm deswegen so aus dem Weg, weil er dachte, dass etwas herauskommen könnte? Nur was sollte das sein? Hatte das vielleicht mit Chris zu tun? Betrog er seine Freundin schon wieder, oder was war los? Nein, das konnte es nicht sein, solche Sachen hatte Ryochi immer als erstes gewusst, es musste schlimmer sein. Nur was konnte so schlimm sein?

Toshizo kam mit Takahashi jetzt auch aus dem Klassenraum, jedoch blieb Zweiterer stehen. „Na, hängt der Haussegen bei euch leicht schief, oder warum lässt der dich einfach stehen? Sieht ja ganz so aus, als wenn da irgendjemand wichtiger wäre, als du, was?“ Mit einem schadenfrohen Gesichtsausdruck ging der Ältere jetzt weiter.

‚Was weiß der schon?’

„Kümmere dich um deinen Mist, Siturô, und lass ihn in Ruhe!“ fauchte ein Freund Ryos den anderen jetzt an, so dass sich Toshizo nun einmischte. „Und du lass meinen Freund in Ruhe! Wenigstens wissen wir jetzt, woher der Wind weht, Ryochi Akaja!“ Toshizo lachte jetzt auch. „Sêiichî hat bemerkt, dass er nicht auf dich zählen kann, das wird’s sein. Kein Wunder, kaum klammert der nicht an dir, gibst du dich mit anderen ab. Da würde ich mich nicht wundern.“

„Wie Recht du hast, uns kann das ja nicht passieren, stimmt doch, oder Shizo?“

‚Ja, man, weil Toshizo dir hörig ist, du Schwachmat’, dachte Ryo nur und ging an ihm vorbei, als sei nichts gewesen. Takahashi wollte ihm sowieso nur wehtun, also hörte er nicht auf ihn, was der dachte, war ihm ziemlich egal.

„Jetzt gebt euch den Arsch wieder“, Kenji wirkte leicht belustigt, auch wenn die Worte von Takahashi ihn keinesfalls belustigten, nein, es belustigte ihn etwas anderes. ‚Pass bloß auf, dass Toshizo nicht mal seine Meinung über dich ändert, du arroganter Arsch und du am Ende ohne ihn da stehst und andere dann so was zu dir sagen. Das würde ich so was von genießen.’

„Los, komm weg hier, gehen wir zum Training“, meinte Takeru, der sich eben gerade mit Takahashi angelegt hatte und ging mit Ryochi nach draußen. „Was ist eigentlich wirklich mit dir und Iwamoto los? Habt ihr Probleme?“

Der Detektiv schaute sich etwas um, weil er nicht wollte, dass die falschen Personen etwas mitbekamen, so dass sie schließlich auf dem Sportplatz Halt machen und sich ins Gras setzten, da hier niemand war, schließlich war Winter, da trainierten die meisten in den Hallen.

„Also eigentlich haben wir keine Probleme. Er scheint irgendwas zu haben, aber ich weiß nicht was. Er verschweigt mir irgendwas. Ich kann mir aber auch nicht vorstellen, was so schlimm sein könnte. Bisher haben wir uns so gut wie alles anvertraut. Vielleicht ist er aber auch einfach nur seelisch wieder so am Boden, dass er mir das nicht aufhalsen will. So ist er eben. Das tut er oft. Er denkt, dass man damit nicht klarkommt und dann rennt er weg...“

„Dabei sagt man, dass man gerade, wenn man schlecht drauf ist, seine Freunde braucht.“ Ein Seufzen entfuhr dem anderen. ‚Sag das diesem Baka, immerhin hat er vielleicht schlimmere Probleme, als so mancher andere in unserem Alter. Ach was, es gibt Leute, die hat’s sicher noch schlimmer getroffen...’

Es ging nicht darum, dass Sêiichî schlecht drauf war, bei ihm war das schwerwiegender. Sein ganzes Leben bestand doch daraus, gegen andere anzukämpfen, dabei ging es nicht mehr um einfache Probleme wie Liebeskummer, bei ihm war das eben anders. Er rannte mit einer Waffe durch die Gegend, um den Helden zu spielen und setzte sich gegen seinen älteren Bruder durch.

Während Ryo noch total in Gedanken versunken war, redete Takeru darauf los, so dass dieser, als er keine Antwort bekam, gegen den Arm seines Freundes stieß. „Erde an Ryo. Denk’ nicht zu viel nach. Das wird schon. Außerdem sollten wir langsam mal beim Training aufkreuzen, danach ist ja immer noch Zeit. Ist er nicht bei den Mädchen? Dann geht er etwa um die gleiche Uhrzeit nach Hause wie du, du könntest ihn ja abfangen. Pass’ bloß auf, wenn er so oft im Volleyballteam lungert, dass er sich nicht in deine Freundin verliebt.“

Der Detektiv schüttelte den Kopf. „Das würde er nie tun.“

„Manchmal ist man gegen Gefühle machtlos...“

Der wollte ihm doch nicht weismachen, dass Sêiichî sich in Shina verliebt hatte? Was für ein Unsinn sollte das denn sein?

„Was, wenn er mit Watarus Schwester nur zusammen ist, weil sie tabu ist?“

„Daran denke ich besser nicht, obwohl es mich noch erleichtern würde, wenn es so ein mikriges Problem wäre. Nein, ich denke, es ist schlimmer...“ Er stand jetzt auf, so dass Takeru zu ihm hochschaute. „Mag sein, aber jetzt gehen wir trainieren!“

„Ja, Kapitän.“ Die beiden vergaßen jetzt die Probleme und rannten zur Halle, wo die anderen sich schon versammelt hatten. Wie gesagt, war danach ja auch noch Zeit.
 

Als Ryo seine Augen wieder öffnete, hatte sich Sêiichî ohne ein Wort vor ihn gesetzt – alleine. Er sah richtig unglücklich aus, während er so aus dem Fenster sah. ‚Du bist doch sonst nicht so empfindlich... Was hast du bloß wieder? Schweig doch nicht, wozu hat man Freunde?’

Auch Wataru fiel auf, dass Ryochi jetzt niedergeschlagen und still wirkte.

‚Ob die beiden wohl Streit hatten? Das klang ja ganz danach.’

Wataru sorgte sich ein wenig und dachte darüber nach, wie schnell Freunde entzweit werden konnten, das hatte er vor kurzem ja selbst erst schmerzhaft erfahren müssen, als er seine Gefühle zu seiner besten Freundin mit Liebe verwechselt hatte. Aber welche Probleme sollten die beiden schon haben? Sie waren beide Jungs, da fiel so etwas schon mal weg, immerhin standen sie beide auf Mädchen, wie man hatte bemerken können, oder tat Sêiichî etwa nur so, als wenn er auf Mädchen abfuhr? Aufgrund seiner Gedanken schaute Wataru jetzt doch sehr dämlich und zog den Kopf ein, als wäre ihm etwas peinlich.

„Irgendwie sitzen alle falsch“, meinte Hiroko mit ihrer lauten Stimme und schlang einen Arm von hinten um Riina, obgleich sie vor ihr saß. „Du zum Beispiel gehörst zu deinem Freund! Der sitzt ja so alleine und bläst Trübsal, du solltest zu ihm rüberrutschen.“

Miyako zog einen Schmollmund. „Du willst ja bloß Knutschereien sehen, du Perverse.“

„Ich hab sie sich noch nie küssen sehen! Da ist sie mit so einem Typen zusammen und man merkt nichts davon.“

In dem Moment wurde die Rothaarige total rot im Gesicht und machte den Anschein, als wolle sie sich im Sitz vergraben, als sie daran dachte, wie viel andere wirklich von dieser Beziehung wussten. ‚Wenn es nach ihm gehen würde, dann würden wir ja auf dem Schulhof alles Mögliche machen.’ Erst neulich hatte er sie besucht, war ins Badezimmer gestürzt und hatte sie halb überfallen. Sie erinnerte sich noch ganz genau, worin das fast geendet hatte.
 

Man hatte Sêiichî ins Haus gelassen, da Wataru sowieso gerade auf dem Sprung gewesen war, weswegen er dem Schwarzhaarigen geöffnet und ihn hochgeschickt hatte. Wataru wusste ja nicht, was seine Schwester gerade tat, sonst hätte er das sicher nicht getan.

Das Geräusch der Dusche zog den Jungen magisch an, weswegen er vor der Tür stehen blieb und ein Ohr gegen diese legte. Ihm war klar, dass sie ein unschuldiges Mädchen war. Dass sie gerade duschte, gefiel ihm sehr, er machte sich, wie immer bei weiblichen Wesen, zu viele heiße Gedanken und bekam Lust.

Als dann die Dusche aufhörte zu rauschen, nutzte er die gebotene Chance und klopfte gegen die Tür, ohne dabei ein Wort zu sagen.

Es war schon öfter vorgekommen, dass ihr Bruder gegen die Tür klopfte, da er überraschend noch einmal ins Bad musste, also band sie sich ein knappes Handtuch um, schließlich war es nur ihr Bruder. Ahnungslos, wer wirklich vor der Tür stand, öffnete die 15-jährige die Tür und erschrak, als sie Sêiichî sah. Augenblicklich stieg ihr die Röte ins Gesicht, so dass sie etwas stammelte, was wohl keiner von beiden wirklich verstanden hatte, auch sie nicht. In dem Moment, als sie ihre Sprache wiedergefunden zu haben schien, stürzte er nach vorne und umarmte sie. ‚Oh Gott.’ Was dachte der Kerl da eigentlich zu tun? Er konnte ihr doch nicht einfach so die Bude einrennen, noch dazu, wenn sie fast nackt war. „Würdest du mich loslassen, bitte?“

„Warum denn?“ flüsterte er ihr ins Ohr und fing an ihren Hals mit zarten Küssen zu verwöhnen. „Warum?“ Sie dachte sich verhört zu haben. „Weil ich kaum etwas anhabe.“

Widerwillig löste er sich von ihr und blickte mit einem süßen und unschuldigen Lächeln in ihre Augen. „Das muss dir nicht peinlich sein.“

„Ist es nicht, nur unangenehm.“ Sie schob ihn mit sanfter Gewalt von sich. „Ich bin gleich wieder da, bis gleich.“

Und schon war die Tür geschlossen und seine Chance vergangen, nicht zu fassen. Stimmte denn in letzter Zeit in der Tat etwas nicht mit ihm, oder wieso bekam er andauernd Körbe? Ließ sein Charme etwa nach?

Ihr Herz schlug wie verrückt, der Kerl hatte sie fast nackt gesehen. Es war ein seltsames Gefühl und irgendwie machten ihr solche seit einigen Jahren schon etwas Angst. Schnell schnappte sie sich ihre Klamotten und zog sie sich über. ‚Was denkt der sich überhaupt dabei? Denkt er, dass ich quasi darauf gewartet habe, dass er mich so sieht? Der spinnt ja.’ Sie seufzte und entschied sich für ein T-Shirt und eine Jeans, da konnte er sich ja kaum angemacht fühlen, oder?

Sêiichî hatte sich in ihrem Zimmer breitgemacht und auf das Bett gesetzt, so dass sie wenig später die Tür hinter sich schloss, nachdem sie hereingekommen war.

Schockiert sah der 17-jährige seine Freundin an, die nun vollständig angezogen war, was ihm nicht passte, schließlich war sie ihm vorhin quasi ausgeliefert gewesen. Er trauerte dieser Chance doch sehr nach.

„Ich habe dir Kirschen mitgebracht, weil du die ja so gerne magst...“ Ein Lächeln lag auf seinen Lippen, bevor er die Kirschen auf dem Nachttischschrank abstellte, sie gehörten zu seinem neuen Plan, den er sich eben zurechtgelegt hatte. Er musste sich nur bemühen, sie etwas zu entkleiden, dann konnte nicht viel schief gehen.

Riina ging auf ihn zu, warf sich aufs Bett und kuschelte sich an ihn. „Lieb von dir, danke...“ Ihr Duft zog ihn an, weswegen er sich in ihr Bett legte und sie an sich zog.

Stille herrschte, in welcher er einfach nur mit ihr da lag und etwas kuschelte. „Du hast es ja ganz schön warm hier drin“, seufzte er, so dass sie grinste. „Und jetzt möchtest du, dass ich dich ausziehe, stimmt’s?“ Das Mädchen musste kichern, sie kannte ja schließlich ihren Pappenheimer. „Würdest du das tun, Riina?“ Er fuhr ihr sanft durch die offnen Haare und sah sie lächelnd an. „Kommt drauf an, Sêi-chan. Wenn du mir versprichst ganz brav zu sein, erlaube ich dir das...“

„Ich bin doch immer brav!“ Wie witzig er sein konnte, aber gut, sie würde ihm eine Chance geben, er musste ihr dann schon beweisen, dass sie ihm vertrauen konnte. „Gut“, kam von ihr, bevor sie sein Hemd aufzuknöpfen begann, wobei etwas Schweiß über ihre Stirn rann. ‚Sie macht es wirklich.’ Nun war Sêiichî voller Vorfreude und malte sich schon die verrücktesten Dinge aus, doch man sollte den Tag nicht vor dem Abend loben.

Während sie ihn langsam auszog, strich er mit der Hand unter ihr T-Shirt, wogegen sie noch nichts unternahm, da es nicht aufdringlich wirkte. Er streichelte ihr ja nur den Rücken, das war eigentlich ganz angenehm und schön, also ließ sie ihn weitermachen. Seine andere Hand streichelte ihr über die Hüfte, die ja noch von ihrer Hose bekleidet war. Vorsichtig nahm er ihr Kinn und legte seine Lippen auf ihre, um diese mit einem sanften Kuss zu verwöhnen, was sie genoss.

Nach einer Weile löste er sich wieder, blickte ihr tief in die Augen und schob das T-Shirt hoch.

„Was machst du da?“ fragte sie ihn verwirrt, so dass er sie unschuldig und lieb anlächelte.

„Ich finde es viel gemütlicher, wenn wir weniger anhaben.“ War es eine Falle, oder nicht? Ihr war dies nicht so ganz klar, aber enttäuschen wollte sie ihn auch nicht, immerhin war er ja ihr Freund, dem sie eigentlich Vertrauen entgegen bringen musste. „Du willst aber nicht...?“

„Was?“ Er tat schockiert.

„Du willst es doch jetzt nicht mit mir machen, oder?“ Die Angst klang durch ihre Stimme hindurch, so dass er seufzte.

„Ich möchte kuscheln...“ Wenn er nicht mit ihr schlafen durfte, dann wenigstens etwas berühren und küssen, das konnte ja auch ganz schön sein. Außerdem konnte man so auch jemanden verführen. Je mehr es ihr gefiel, je schöner sie es fand, umso eher würden sie es tun, also musste er sich nur viel Mühe geben, um sie zu kriegen. War doch mal ganz spannend.

„Okay...“ Die Rothaarige ließ nun zu, dass er ihr T-Shirt auszog, woraufhin zwei Finger ihren Hosenknopf öffneten.

„Was denn...?“

Er brachte sie sanft zum Schweigen, indem er seinen Zeigefinger auf ihren Mund legte. „Keine Angst, ich tue nichts, was du nicht magst, okay? Vertrau mir!“

Mit einem Schlucken, da ihr Mund trocken wurde, nickte sie, sie wollte ihm auch nicht wie eine Zicke vorkommen, also verschwand auch ihre Hose von der Bildfläche. Irgendwie war das Ganze peinlich, weswegen sie sich die Decke nahm und sie über ihre beiden Körper legte. „Sorry, aber ich komme mir irgendwie so nackt vor...“

„Du bist aber nicht nackt!“ lachte er und drückte ihren Kopf an sich.

„Ich fühle mich aber nun mal so und jetzt lach nicht!“ Sêiichî schüttelte nur den Kopf, drehte sich etwas zur Seite und blickte ihr geradewegs in die silbergrauen Augen, dabei ließ er seine Hand über ihren Arm gleiten, bis er ihren Ellenbogen erreichte und diese auf ihrer linken Brust ablegte. „Sêiichî, ich bitte dich...“ Er schmiegte seine Wange an ihre und begann seine Hand zu bewegen, was aber irgendwie nicht unangenehm war. „Was machst du bloß mit mir?“ Sie klang so unschuldig, wohl war sie das auch. Das machte ihn auf gewisse Weise auch etwas stolz, immerhin hatte er sie abbekommen, kein anderer.

Er verwickelte sie in einen heißen Kuss, legte ein Bein zwischen ihre und bewegte dieses, was sich anfühlte, als würde er ihren Oberschenkel streicheln. Seine Zunge begann mit ihrer zu spielen, ihr wurde dabei ganz heiß. Er war geschickt und wusste, wie man Frauen aus der Reserve lockte, der kleine Schlingel. Seine Hand wanderte in ihren BH hinein, wo er ihre Brust in die Hand nahm. Sie passte genau in seine Hand, da sie weder zu klein, noch zu groß war, wie er fand. Ein unterdrücktes Stöhnen gab sie in seinen Mund ab, löste sich wenig später von ihm. „Oh Gott...“

„Mhm?“ Er lachte. „Gut, oder schlecht...?“

„Schön...“ Röte lag auf ihrem Gesicht.

„Hättest du was dagegen, wenn ich dir den BH auch ausziehe? Anfassen tue ich dich da ja eh schon, mhm?“

Ein Seufzen entkam ihr. „Meinetwegen, aber weiter gehen wir nicht, verstanden?“ Oh Gott, das würde heißen, sie lag im Slip hier rum, das machte ihr ein wenig Angst.

„Gut...“ Er öffnete hinten den Verschluss, schob die Träger weg und zog sie ihre Arme hinab, woraufhin der BH jegliche Beachtung verlor. Seine Hände lagen nun beide auf ihren Brüsten, während er sie küsste und ließ sie diese massieren. Die Wärme war unbeschreiblich schön, wie sollte sie sich dagegen denn wehren?

Seine Zunge entfernte sich sanft von ihren Lippen, fuhr dann aber über ihren Kehlkopf, was ihr einen Schauer über den Rücken jagte und sie leise keuchen ließ. Er wanderte mit der Zunge zwischen ihre Brüste und küsste dann wenig später eine ihrer Brustwarzen. Erschrocken keuchte sie auf. „Nein, Sêiichî, das geht mir jetzt wirklich zu weit, lass das bitte...“

Er sah flehend in ihr Gesicht. „Wieso denn? Ich mag das...“

„Ich... ich bin noch nicht.. so weit...“, meinte sie stotternd, während sie knallrot anlief. „Warum? Traust du mir nicht? Denkst du, dass ich dich bloß verführen will?“

Toll, jetzt dachte der Baka auch noch, sie würde ihm misstrauen, dabei stimmte das ja überhaupt nicht, sie hatte nur Angst, nicht mehr zurückzukönnen.

„Es ist nur...“ Sie drückte ihren Kopf gegen seine nackte Brust. „Wir sind noch nicht besonders lange zusammen... ich mag das jetzt noch nicht machen. Wenn du das willst, musst du warten...“ Einerseits war sie fies, das wusste sie, er sehnte sich nach ihr und sie schob ihm einen Riegel vor, doch bereute sie es nicht, er musste sich schon etwas mehr ins Zeug legen, wenn er weitergehen wollte, auch wenn sie sich da ein wenig selbst belog. „Du sagtest kuscheln, aber das, was wir da machen, geht darüber hinaus, dafür bin ich einfach noch nicht reif genug, du verstehst?“

„Ja, das versteh’ ich, klar, außerdem zwinge ich niemanden...“ Ein bestimmendes Nicken kam von ihm. „Das ist schön, du verstehst das... das mag ich an dir...“ Als kleine Belohnung küsste sie nun seinen Hals und verwöhnte seine Haut etwas mit ihrem Mund und ihrer Zunge. Alles war ja nicht tabu, nur spezielle Sachen, wozu diese hier nicht gehören sollte. Sêiichî schloss einfach die Augen und ließ sie von seiner Haut kosten, es schien ihr zu gefallen, also hatte auch er seinen Spaß daran.

Sie ging runter und hauchte ihm Küsse auf die Brust, was ein leises Stöhnen von ihm kommen ließ, das in ein lautes umschlug, als ihre linke Hand seinen Bauch zu verwöhnen begann. „Riina, mhm!“ Ihm wurde ganz anders, wenn man seinen Bauch kraulte, er hatte das Gefühl unter der Decke einzugehen und wenig später war es auch so weit: Das Blut sammelte sich in seinem Glied an und ließ sich dieses versteifen.

Dass etwas nicht stimmte, bemerkte sie wenig später, denn Sêiichî war nun mucksmäuschenstill und unterdrückte krampfhaft die Lustgeräusche, die ihr ganz gut gefallen hatten. „Du bist auf einmal so komisch. Hast du was? Du liegst irgendwie verspannt da.“

Genervt seufzte er und sah in ihre hübschen Augen. „Ich bin kirre, das ist.“

Verwundert sah sie ihn an, dabei weiteten sich ihre Augen. „Du Perverser, ich habe doch gar nichts getan...“

„Ich.. na ja...“, er spielte etwas den Unschuldigen, „du bist meine Freundin, dir fällt es eben leicht, mich zu erregen.“ Er schob die Lippe vor und schmollte sie an, das brachte sie ziemlich zum Lachen, er sah so nämlich recht süß aus. „Möchtest du die Dusche benutzen?“ kam von ihr unter Lachen, so dass seine Augen sich in Halbmonde verwandeln. „Nein, was ganz anderes...“ Er nahm ihre Hand und legte sie auf seine Hose. „Das nämlich.“

„Du spinnst.“

„So? Du hast mich erregt, also entregst du mich wieder, okay? Das wäre fair, oder nicht?“ Ihr Blick ruhte auf ihm. „Vergiss es, ich werde dich da noch nicht anfassen, du gehst kalt duschen, ich warte auf dich, zack, zack!“ Wie gemein sie ihn abweisen konnte, das fasste er einfach nicht. „Ich sag’ es auch keinem, wenn du das machst, das ist doch was vollkommen Harmloses...“

„Nein, heißt Nein, Sêiichî, wenn du das willst, bin ich die Falsche dafür...“ Seufzend erhob er sich. „Na gut, nicht aufregen, Süße... bis gleich...“

Toller Tag, wirklich. Ein fast nacktes Mädchen auf Touren, das ihn abwies und ihn nicht mal befriedigen wollte, während er jetzt ins Bad ging, um sich einen runterzuholen. So etwas hatte er noch nie machen müssen. Keine hatte ihn dermaßen hängen lassen und unter die Dusche geschickt, bis auf diese Blondine, sie war die Einzige, die da mithielt. Die beiden waren wirklich interessant, sie fielen nicht komplett auf seinen Charme herein, umso glücklicher würde es ihn machen, wenn sie ihn erhörten, aufgeben würde er jedenfalls noch nicht, er hatte Ausdauer und vertrug ziemlich viel. Sie mochten ihn ja beide, waren jedoch stolz genug, um sich nicht alles bieten zu lassen, das imponierte ihm und machte das Ganze spannend und interessant.

Während sie fies grinsend im Bett lag, konnte sie unter der Dusche einige Laute hören, die ihr verrieten, dass ihr Freund gerade wirklich Hand an sich legte, um sich zu beruhigen, was sie irgendwie sehr amüsant fand. Es tat ihr echt Leid, dass sie ihn hatte hängen lassen, doch davor, billig zu wirken, und es mit ihm zu tun, hatte sie fürchterliche Angst. Sie hatte es nicht absichtlich getan, um dem Macho eins reinzuwürgen.
 

„Träumst du, Riina-chan?“

Erschrocken hob die Rothaarige ihren Kopf, als Miyako sie ansprach.

„Nein, nein“, sagte sie verlegen und spürte wenig später die Arme der Schülerin, die sie umschlungen hatten. Miyako drückte ihre heißgeliebte Freundin an sich und wirkte glücklich.

Hiroko beobachtete die beiden und fand das Verhalten doch ein wenig peinlich.

‚Miyako hängt sich an jeden, den sie kriegen kann... Ich würde mich da in Grund und Boden schämen.’

„Du bleibst bei mir, nicht wahr?“

„Klar, Sêiichî ist zwar mein Freund, aber euch hab ich auch gern...“

Yûmikôs Blick fiel auch kurz auf die kleine Mädchengruppe, die zur Rechten saßen, was sie schmunzeln ließ. ‚Die sind ja irgendwie süß...’ Ihr fiel es schwer, die Finger von Wataru zu lassen und nicht ständig an seiner Seite zu sein. Aber Riina hatte wohl Recht. Man sollte seine anderen Freunde nicht wegen Jungs vernachlässigen, das war unfair.

Der Bus war mittlerweile losgefahren und es würde nicht mehr lange dauern, bis sie die große Sporthalle erreichen würden.
 

Die Mädchen hatten sich in ihre Umkleidekabine zurück gezogen, während Sêiichî zusammen mit Ryochi und Kôji schon draußen das Feld aufsuchte und dort eine Mannschaft trainieren sah. Der Kapitän trainierte seine Mannschaft im Alleingang. „Hey, die ist ja richtig laut“, meinte Kôji und schluckte, als er sich die hart geworfenen Bälle so ansah.

„Ich frage mich, ob das eine so gute Idee war.“

Sêiichîs Worte waren nicht nur von Ryochi und Kôji gehört worden, sondern auch von Shina, die ihm von hinten auf die Schulter klopfte.

„So, das fragst du dich? Da hat jemand aber wenig Vertrauen in unser Können.“

Ihr Freund drehte sich herum, als er ihre Stimme vernahm, ebenso wie Kôji und Sêiichî.

„Schau dir die doch an“, flüsterte dieser dem Kapitän zu.

„Wo steckt Wataru?“ lenkte Shina ab, so dass Ryochi leise lachte.

„Der hat wahrscheinlich mehr Muffensaußen als seine Schwester. Er hat die Ekota-Schule trainieren sehen und musste dringend etwas zu Trinken holen.“

„Der Baka schon wieder. Sie wird sich schon nichts brechen, also wirklich. Es wundert mich, dass er noch nie einen Baseball an den Kopf bekommen hat.“

Wataru gesellte sich kurz darauf zu der Gruppe und seufzte. „Die sind richtig gut, nicht wahr? Sie verpassen so gut wie keinen Ball... Das geht nicht gut.“

„Mal den Teufel nicht an die Wand“, meinte Kôji und schüttelte den Kopf.

„Natürlich sind die richtig gut, Wata-chan“, erwiderte Shina, „sie haben es ins Finale geschafft, denkst du denn, dann wären sie schlecht? Das ist die Feuertaufe, wenn wir verlieren, verlieren wir eben. Aber glaub mir, diese Mannschaft wird bis zum Umfallen kämpfen. Sie wollen sich schließlich auch mal beweisen. Sie werden sich extra anstrengen, um Matsudaira zu zeigen, dass sie etwas können, weil diese das immer wieder bezweifelt und die Reservemannschaft runtermacht. Die sind bockig, glaub mir. Außerdem habe ich Akemi gesagt, sie soll die Spielführerin übernehmen.“

Eine Spielerin fiel mit einem Aufschrei zu Boden, nachdem sie den Ball verpasst hatte und wurde von ihrem Kapitän regelrecht zur Sau gemacht, so dass Kôji und Ryochi sie mit Halbmondaugen musterten. ‚Was für’n Weib ist das denn? Warum schreit die eigentlich so mit ihrer Mannschaft rum? Meint sie, dann geben sie sich mehr Mühe? Um Himmels Willen! Die klingt wie Matsudaira.’

Shina konnte den beiden wohl ansehen, was sie dachten und musste sie aufklären. „Das ist Matsudairas Nichte, wundert euch das?“

„Oh mein Gott“, sagten Ryochi und Kôji mit einem Seufzen, „nein.“

Kôjis Gedanken waren sowieso in diese Richtung gegangen, wieso sollte es ihn wundern?

Die Mannschaft kam nun aus der Umkleide, so dass die Jungs sich zurückzogen, ebenso wie Shina. Ryochi hatte Shina auf einmal aus den Augen verloren und suchte die Halle ab, jedoch war es mittlerweile voll geworden und er konnte sie nicht finden. ‚Wo ist sie bloß hin?’

Kôji rannte zu Akemi hin und redete irgendetwas mit ihr, was keiner verstand, wahrscheinlich wünschte er ihr viel Erfolg.

Kotomi und Trainerin Matsudaira saßen oben ziemlich weit vorne in der zweiten Reihe, wie Shina sehen konnte, die einen Platz ganz vorne reserviert hatte. Sie setzte sich hin und beobachtete, wie sich ihr Team aufwärmte, dabei schaute sie auf ihre Uhr.

‚Lass dir nicht zu viel Zeit mit deinem Flug! Hoffentlich kommst du noch rechtzeitig, du kannst doch nicht einfach so ihr erstes Spiel verpassen! Beweg deine vier Buchstaben endlich hierher, du hast es versprochen, Baka.’ Sie erwartete noch jemanden, doch diese Person war noch nicht aufgetaucht.
 

Der Schiedsrichter pfiff mit seiner Pfeife, so dass sich die Mannschaften in einer Reihe aufstellten. Die Teitan-Spielerinnen machten einen doch sehr nervösen Eindruck. Sie hatten passend zur Uniform ihrer Schule ein blaues Dress mit weißen Streifen an den Ärmelseiten und den Hüften. In Kanji stand auf der linken Brustseite in Grün der Mannschaftsname, da es heute noch keine Aufstellung in Nummern gab, an dieser Stelle würde bald aber jeder eine Nummer haben.

Riina schaute sich mehrmals in der Halle um und wirkte dadurch sehr aufgeregt. ‚So viele Leute...’

Miyako klammerte sich einmal an ihren Arm, sie hatte eine Heidenangst, dass sie schlecht sein würde, immerhin waren ihre Geschwister hier.

Die beiden Kapitäne – Yûmikô übernahm für die Teitan das heute, knobelten um ihr Aufschlagsrecht, wobei die gegnerische Mannschaft dieses erhielt, so dass es an dieser war, jetzt womöglich zu punkten.

Jetzt geht’s los, dachten alle wahrscheinlich, sie waren zum Zerreißen gespannt und der Schweiß stand ihnen auf der Stirn.

„Riina, mir ist auf einmal furchtbar schlecht, ich glaub, ich kipp um“, meinte Miyako, die ihren Blick auf die aufschlagende Spielerin richtete, die niemand anderes als der Kapitän der Ekota-Schule war. Sie sah zu ihnen rüber, mit diesem Gewinnerblick, total überheblich.

Als der Ball dann auf Miyako zu geflogen kam, zitterten ihre Knie, weshalb sie ihn zwar berührte, er allerdings nach hinten flog, wo Riina ihn stoppte und zu Yûmikô spielte, welche den Ball mit einem gekonnten Schlag in eine Kanone verwandelte, so dass eine Spielerin zwar nach ihm hechten konnte, ihn dabei wegen seiner Schnelligkeit nicht mehr erwischte.

Jetzt stand Miyako vor Riina am Netz, weil die Positionen gewechselt werden mussten. Akemi hingegen direkt in der Mitte und Yûmikô links.

Hiroko als Aufschlägerin versuchte es mit einem Sprungaufschlag. Der Ball berührte knapp vor der Annahmespielerin den Boden.

„Spinnt ihr, das sind Anfänger! Seid mal nicht so lahm!“ schrie Matsudairas Nichte, so dass die Tante ihre Arme verschränkte und zu grinsen begann. „Jetzt werden wir keinen einzigen Punkt mehr machen, pass nur auf, Okamoto-chan.“

In der Halle war es bis auf ein wenig Klatschen völlig ruhig, geradezu gespenstig, bis der Aufschlag ertönte, der direkt in die Mitte des Feldes flog, wo eine Spielerin ihn knapp über das Netz spielte und die mittlere Verteidigerin, der Kapitän ihn schnell ins gegnerische Feld schlug. Der Ball kam wie der Blitz geflogen, so dass Riina ihm nur nachsehen konnte, bevor er hinten in die linke Ecke schoss und über den Boden sprang.

‚Dem konnte man ja kaum folgen, die weiß wirklich, was sie tut.’

Nach dem Ball starrte die gesamte Mannschaft zu der Angreiferin, sie waren sprachlos und bekamen es mit der Angst zu tun.

Bis auf Yûmikô, die ein leises Knurren von sich gab. „Das kriegt sie wieder.“

‚Wenn die noch mal an den Ball kommt, sehen wir echt alt aus, wir müssen sie daran hindern...’ dachte sich Akemi, die von Yûmikôs Ruhe überrascht war. ‚Wie kann sie nur so gelassen sein?’

Yûmikô hatte bereits eine Art Lösung gefunden und schaute nach oben, als sie den Schlag hörte. Kurz darauf sprang sie und schlug direkt zurück, als eine Art Antwort auf den Punkt von eben.

Ohne eine Chance gelangten sie den Aufschlag zurück. „Na, nur nicht unterkriegen lassen!“ rief Yûmikô, als sie sich zu den restlichen Teammitgliedern herumgedreht hatte, um sie zu ermutigen.

Man merkte deutlich, dass sie die Position des Kapitäns schon öfter eingenommen hatte.

Yûmikô hatte, wie es ihr gefiel, den Aufschlag, sie fixierte die Spielerinnen und suchte sich ein Opfer aus. Als sie eines gefunden hatte, beförderte sie den Ball kraftvoll knapp über das Netz.

Die rechte Verteidigung nahm ihn an, so dass der Kapitän erneut angriff. Diesmal bekam Miyako die Kraft dieses Mädchens zu spüren und landete am Boden, nachdem sie den Ball mit der Faust versucht hatte, in der Luft zu halten. Er kullerte jedoch nach hinten und sie erhob sich langsam.

„Alles in Ordnung mit deiner Hand?“ fragte Riina, was Miyako mit einem aufsässigen Blick beantwortete. Sie kniff die Zähne zusammen, um nicht zu weinen, dann lief ihr etwas Blut aus dem Mund.

„Was ist eigentlich passiert?“ wollte Akemi wissen und half ihr hoch. „Der Ball ist mir nach der Annahme ins Gesicht geflogen, mir geht’s aber gut. Die hat ja ganz schön Kraft.“

Akemi seufzte und begab sich wie der Rest wieder in Position.

Auf der Tribüne war ein Junge aufgesprungen. „Setz dich wieder, Jun-chan, sie steht ja wieder.“

„Das sah aber böse aus, hoffentlich geht es ihr wirklich gut! Was ist das denn für ein brutales Miststück?“

„Ganz ruhig“, meinte seine Schwester Satomi und drückte ihn zurück auf seinen Platz.

Shina schaute sich nach hinten um und sah es noch. ‚Ihr macht euch zu viele Sorgen. Sie hält mehr aus, als ihr denkt.’ Die Hellbraunhaarige schaute sich noch etwas hinten um, doch der Mann war noch immer nicht gekommen, was sie seufzen ließ. Sie drehte den Kopf wieder zum Spielfeld und sah gerade noch den Aufschlag. Yûmikô wagte es ein weiteres Mal, ihn direkt zu kontern, doch wurde abgeblockt. ‚Ach herrje, nicht die Nummer...’, dachte sich Shina, als Riina im letzten Moment den Ball zu fassen bekam, wobei sie sich einmal kurz überschlug und am Boden kniend nach dem Ball Ausschau hielt, der nach hinten abgedriftet war.

Akemi stellte ihn und Miyako griff überraschend an. Die Gegner waren zu überrascht davon, keiner hatte ihr einen Angriff zugetraut, deswegen landete er auch inmitten des Feldes.
 

Jetzt herrschte wieder Gleichstand und Riina befand sich rechts als Aufschlägern, als sich ein junger Mann an die Hellbraunhaarige auf der Tribüne heranschlich. Er setzte sich klammheimlich neben sie, so dass sie erschrocken zur Seite sah. „Schleich dich nicht so an, das ist nicht witzig! Wo warst du denn?“

„Am Flughafen wurden meine Koffer vertauscht, Shina... Wer ist denn die Rothaarige da, die hinter der Linie steht, mhm? Die kommt mir aber bekannt vor.“

Shinas Augenbraue zuckte, als ihr Cousin auf Riina zu sprechen kam.

„Das kann nicht dein Ernst sein, oder? Du bist trotz Brille total blind, ehrlich. Schau mal genau hin...“ Sie würde ihm nicht sagen, wer das war. Wenn er darauf nicht von selbst kam, war er selbst schuld. Da war er drei Jahre außer Land und vergaß seine beste Freundin. Der hatte sie ja irgendwie auch nicht mehr alle. Gut, sie war weit weg, aber man erkannte doch seine Freunde, oder etwa nicht?

„Wieso nicht? Danke auch, du bist nett. Das ist ja auch nur eine Sonnenbrille.“

„Eine Sonnenbrille im Winter, ich sag ja, du bist nicht normal. Wieso kommst du mit Sonnenbrille? Du siehst wie so ein Spion der ganz schlimmen Sorte aus! Wenn die anderen dich sehen, kriegen die ja einen Schreck“, lachte das Mädchen. „Trotzdem schön, dass du endlich aufgetaucht bist.“

Der Dunkelbraunhaarige zog seine Sonnenbrille etwas tiefer und beobachtete das Mädchen genau. ‚Die dürfte in Shinas Alter sein... Wer ist das bloß? Wieso komme ich nicht darauf? Sie hat Ähnlichkeit mit jemandem, aber sie ist doch noch klein... Das kann sie nicht sein... unmöglich... Zu erwachsen.’

Ein sehr schneller Aufschlag erfolgte, der sich je weiter er in das gegnerische Feld eindrang, verlangsamte.

„Der geht ins Aus“, rief der Kapitän, so dass die annehmende Spielerin ihn nicht annahm, allerdings wurde er so langsam, dass er ganz locker vor ihr zu Boden ging.

„So viel zu, der geht ins Aus, das sehe ich, Kapitän.“

„Hey, die spielt gut, willst du mir nicht doch verraten, wer sie ist? Ich kenne sie, oder?“

„Dann ruf mal alle Rothaarigen zurück in dein Gedächtnis, vielleicht kommst du dann drauf.“

„Ich erinnere mich da aber nur an eine... tze...“

‚Dann wird sie das sein, Baka... Wieso denkst du eigentlich, dass sie es nicht ist? Bist du echt blind?’ Was hatte er denn gedacht, wie sehr sie sich in drei Jahren verändern würde?

„Jetzt pass etwas besser auf“, meinte eine andere.

Akemi warf den Ball zu Riina, die jetzt ja ein weiteres Mal den Ball angeben durfte und sich entschied, die Gegner etwas zu erschrecken. Sie steckte viel Kraft in den Ball und beförderte mit einem sehr tiefen Schlag, der zwischen Aufschlag von unten und von oben schwankte, über das Netz. Durch den Dreh ihres Armes flog er einen Bogen und war schwerer zu erreichen. Sie war gespannt, ob das bei ihnen funktionieren würde. Bei Kotomi klappte es jedes Mal. Trotzdem hatte das Mädchen nicht vor, das alles zu oft zu widerholen, weil man sich dann zu leicht daran gewöhnen konnte.

Wie erwartet, verpasste die Annahmespielerin den schnellen Ball und sie gingen somit zwei Punkte in Führung.

Kotomi seufzte. „Ich hasse sie, Matsudaira, sie sollte sich verletzen, dann verlieren wir... Am besten sie ist auch noch schuld daran, diese dumme Kuh, die auch noch besser aufschlägt als ich...“ Sie hatte große Lust, ihr den Rest zu geben – sie zu vergiften oder zu erdrosseln, am besten recht grausam. „Reg dich nicht so auf, Okamoto-chan. Sie hat auch ihre Schwächen. Suga wird sie herausfinden und diese Schwächen angreifen, dann liegt sie schneller am Boden, als du schauen kannst...“

„Hoffentlich tut sie sich dabei schön weh...“

„Wenn Suga richtig angreift, gibt es immer Verletzte, also freu dich, wenn sie ihre Schwächen herausbekommen hat, dann gibt’s Zunder.“

Auch wenn der nächste Aufschlag weniger von Erfolg gekrönt war, behielt die Teitan-Schule die Oberhand, es war Yûmikô, die in Zusammenarbeit mit Akemi und Riina die Punkte holte.

Jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, in dem Suga eine Lösung für die unerreichbaren Schmetterbälle, der ehemaligen Nagoya-Schülerin gefunden hatte. Zwei Spielerinnen sprangen hoch und blockten den nächsten Ball einfach ganz leicht ab, so dass er neben Yûmikô zu Boden ging. Niemand konnte es verhindern. So machten sie es bei jedem Angriff, bis sie den Satzball erreicht hatten.
 

Die Teitan-Spielerinnen keuchten heftig, ihnen fehlte fast die Luft zum Atmen, trotzdem wollte keiner zulassen, dass dieser Punkt passierte.

„Jetzt wird’s wohl spannend, was, Shina-chan?“ fragte der Braunhaarige seine Cousine, weshalb diese nur nickte. „Ich bin gespannt, wie sie aus diesem Desaster wieder rausfinden... und sie werden es, daran glaube ich fest...“

Der Aufschlag kam mit einem Karacho, welches Hiroko rückwärts zu Boden warf, dabei hatte sie den Ball knapp annehmen können, so dass Miyako sehr weit außerhalb des Feldes angelangte, um ihn noch im letzten Moment zurückzubaggern. Er flog dermaßen hoch, dass Yûmikô diesmal nicht angreifen konnte, was jedoch Suga tat. Sie sprang hoch und knallte Riina den Ball regelrecht vor den Latz, wobei sie sich auf die Knie fallen ließ und ihn einfach hochzuschlagen versuchte, was ihr gründlich mieslang. Sie spürte nur einen starken Schmerz im Handgelenk und der Ball flog zur Seite, wo keiner mehr an ihn heran kam, weil er gegen die Wand schlug.
 

Matsudaira lachte leise sadistisch auf und grinste vor sich hin, als sie beobachtete, wie sich die Rothaarige ihr Handgelenk hielt. „Siehst du, Okamoto-chan, wie ich es dir prophezeit habe.“

„Au Backe, das sah ja schon wieder so böse aus, die ist ja richtig gefährlich.“

„Tja, dass der erste Satz flöten geht, das habe ich erwartet, Sushi... Es war klar, dass es so endet, aber wir haben ja noch zwei Sätze, in denen wir den Sieg an uns reißen können, also bleibe ich ganz ruhig und schaue mir alles bis zum Ende an. Verloren oder gewonnen hat man, wenn das Spiel zuende ist, oder etwa nicht?“

„Du bist heute ja richtig optimistisch, obwohl du dein Reserve-Team aufgestellt hast... Was macht dich so sicher?“

„Ich kenne meine Mannschaft, die gibt nicht auf...“
 

Unten begaben sich die Spielerinnen zu den Bänken, um sich ein wenig auszuruhen.

„Bist du bescheuert?“ schnauzte Sêiichî seine Freundin an. „Wenn du weiter so auf Risiko spielst, dürfen wir dich gegen Ende ins Krankenhaus fahren. Nur ein Idiot würde so einen Ball aus dieser kurzen Entfernung noch annehmen! Du musst total irre geworden sein, das zu versuchen!“ Er war richtig wütend auf sie, wie es schien, was das Mädchen aber nicht einsah.

„Was denn? Soll ich halbherzig spielen und mir weniger Mühe geben? Shina hat gesagt, wir sollen unser Bestes geben, um zu gewinnen, daran halte ich mich... und schnauz mich nicht so an, ja?“ Der konnte doch nicht so mit ihr reden.

„Was tust du, wenn du dir das Handgelenk verstauchst? Dann fällst du aus! Willst du das? Dann mach so weiter.“ Er wusste wahrscheinlich alles besser, natürlich, er hatte ja schon vor Jahren Mädchen trainiert und selbst gespielt, er kannte sich aus, sie nicht, oder was?

„Es ist nicht das erste Mal, dass ich so spiele, ich weiß, was ich mir zumuten kann. Das hat höchstens einen Moment gekitzelt... So schlimm war das nicht. Ich war nur nicht darauf gefasst, dass sie mich so hart angreifen würde... Noch mal passiert mir das nicht.“

Naru reichte ihr lächelnd ein Handtuch. „Ihr habt den Satz verloren, aber ihr wart nicht schlecht für euren ersten Einsatz, den nächsten Satz holt ihr euch... da bin ich sicher.“ Das war sie wirklich, weil nämlich jede auf ihre Weise gut gespielt hatte. Es fehlte nur noch so etwas wie ein Konzept, aber das Ding würden sie auch noch schaukeln.
 

Shina und ihr Cousin schauten sich das Ganze von oben an.

„Oha, der Trainer ist ja ganz schön sauer... Ich frage mich, was er ihr gesagt hat... Die scheint aber ja richtig aufmüpfig zu sein, oioi.“

„Und da weißt du noch immer nicht, wer sie ist? Das glaube ich nicht! Oder willst du nur denken, sie sei es nicht?“

„Ach, dann soll das Riina sein?“

Shina lachte über ihn, weil er ihr diese Frage so ungläubig stellte. „Sie ist fünfzehn geworden, nicht dreizehn. Sie ist kein kleines Kind und sieht auch nicht so aus, schockiert dich das jetzt etwa? Und sie wird immer frecher – das gefällt dir doch, also.“

Der Braunhaarige sah seine Cousine mit Halbmondaugen an. „Willst du mir irgendwas unterstellen?“

„Nein, nein, ich kenne dich nur, und weiß das einfach. Hast du Angst, oder wieso redest du dir ein, sie sei ein kleines Kind, mhm? Du bist doch schon groß, da stehst du drüber.“

„Musst du mich aufziehen?!“

„Du willst es doch so... Mein Gott, du benimmst dich wie ihr Bruder, der fährt auch gerade die Beschützerschiene. Er hat doch neulich echt gemeint, sie wäre ja noch so klein, fang nicht so an. Die reißt dir den Kopf ab, wenn du sie klein nennst.“

„Wenn sie mich noch kennt...“

„Ich bezweifle, dass sie so doof ist, wie du...“

„Danke...“ Er schmollte seine Cousine an, die ihn heute als den größten Baka der Welt hinstellen wollte.
 

„Du, Riina... der Typ da oben, der bei Shina sitzt, der schaut dich die ganze Zeit schon so seltsam an... der sieht vielleicht zum Fürchten aus... der da mit der blauen Sonnenbrille...“ meinte Miyako, so dass Riina sich nach Shina umblickte, die sie wenig später gefunden hatte.

‚Ach herrje, wer ist das denn? Sieht ja fast wie Tatsuji aus... aber das wäre zu schön, um wahr zu sein, wenn er hierher kommen würde. Das kann man getrost ausschließen.’ Sie lächelte in Richtung Miyako. „Dann lass ihn eben.“

Auch Sêiichî schaute jetzt nach oben. ‚Shina kennt solche Typen? Das habe ich ihr gar nicht zugetraut, der ist doch mindestens 20...’
 

Durch die hervorragenden Blocks der Ekota-Schule war es der Teitan-Schule nur sehr schwer gefallen, mitzuhalten, weshalb es tatsächlich passierte. Suga und ihr Team gingen in Führung, dabei bekamen sie sogar ihren Matchball.

Kotomi und die Trainerin freuten sich schon über die herannahende Niederlage.

Shina stand etwas Schweiß im Gesicht, damit hatte natürlich keiner gerechnet. Wenn jetzt nicht ein Wunder geschah, würden sie sich vom Turnier verabschieden.

Nach einem abgeblockten Angriff von Miyako war es Hiroko gerade so gelungen, den Ball am Aufkommen am Boden zu hindern, indem sie über diesen rutschte und ihn mit der Faust erwischte, woraufhin er ins hintere Feld flog und Akemi ihn kraftvoll nach vorne schlug, wo er zu hoch ging, deswegen konnte Yûmikô dieses Mal nicht angreifen, was Suga gleich wieder ausnutzen musste, um Riina, die hinten stand, anzugreifen. Der Ball kam blitzschnell von der linken Hälfte des Netzes geschossen und landete knapp neben dem Arm der Schülerin, der versucht hatte, unter den Ball zu kommen. Sie rutschte bis zur Linie, wo das Ausfeld war und blieb dort liegen, ohne den Ball erwischt zu haben.

Schweigen herrschte in der Halle, der junge Mann neben Shina schien schon halbwegs zu beten, schließlich hatte er aus der Entfernung nicht genau sehen können, wo der Ball jetzt wirklich aufgekommen war.

Es schien, als wäre der Linienrichter auch nicht so überzeugt von seinem Urteil, bis er die Fahne hob, was hieß, dass der Ball knapp über die Linie geschossen war.

Das Publikum begann lautstark zu protestieren, andere verliehen ihrer Freude Ausdruck.

Miyako war rechts vorzufinden, es hing jetzt alles von ihrem Aufschlag ab, das gefiel ihr überhaupt nicht, da musste sie jetzt aber wohl durch.

Weil sie Sugas Spiel jetzt mittlerweile kennen gelernt hatten, lauerten Akemi, Yûmikô und Mai vorm Netz. Es war wie prophezeit, dass Suga versuchen würde Miyakos leichten Aufschlag direkt zurückzuschlagen, was alle Drei richtig erkannt hatten. Deswegen war es ihnen möglich, ihn abzuschwächen, als sie ihn versuchten zu blocken. Hiroko berührte ihn als Zweite im Mittelfeld. Sie hatte es geschafft ihn hoch zu spielen, so dass Akemi überraschend angriff und die vorderen Spieler total überrumpelte, als sie den Ball über die Hände der Blockerinnen zur Seitenlinie stieß, wo er leicht wie eine Feder aufkam. Aufgrund dessen, dass Blocks oft viel vom Angriff verbargen hatten sie auch eine Schwäche, die Akemi für sich zu nutzen gewusst hatte. Die Abwehr wusste nämlich nicht, was auf sie zukam.

Nun herrschte ein Gleichstand von 14:14 und alles war wieder offen.

Es musste jawohl bitter für die Ekota-Schule sein, so knapp den Matchball einzubüßen.

Kôji, der das Ganze ebenfalls beobachtet hatte, gab einen Laut von sich: „Yatta!“ Er freute sich natürlich, dass es seine Freundin gewesen war, die den Ausgleich möglich gemacht hatte, was Kotomi, die ganz in der Nähe saß, mitbekommen musste. Sie hatte für einen Moment einen traurigen Blick im Gesicht. ‚Diese dumme Pute, die muss auch weg...’ Sie hasste dieses Weib, das schuld war, dass sie Kôji nicht haben konnte, dann musste die diese verkorkste Mannschaft auch noch zum Erfolg führen. Das war definitiv nicht ihr Tag. Hoffentlich schafften die es nicht noch, über sich hinauszuschießen. Es war ja schlimm genug, dass sie knapp an einer Niederlage vorbei gekommen waren. Kotomi hätte es natürlich gefallen, wenn Riina für das Desaster verantwortlich gewesen wäre, dann hätte sie endlich etwas gegen dieses Mädchen in der Hand gehabt. Das Glück war allerdings auf der Seite der Rothaarigen.

Die Aufgabe ging erneut an Miyako. Es war eine altbewährte Taktik, niemals den gleichen Spielzug zweimal hintereinander auszuführen, deswegen rechneten die beiden am Netz auch nicht damit, dass die drei vorderen Teitan-Spielerinnen einen erneuten Block einkalkuliert hatten. Suga griff den Aufschlag wie gehabt direkt an, diesmal aber war es Akemi möglich, den Ball mit beiden Handflächen zu erwischen, weshalb er abprallte und knapp nach Sugar zu Boden gehen wollte, doch da ließ sich die Nummer zwei fallen und bekam ihn. Die Nummer drei griff an, doch, weil sie bei weitem nicht so gut war, wie ihr Kapitän, schlug Yûmikô ihn ebenfalls direkt zurück. Dadurch gewann der Ball eine noch größere Härte und war unmöglich zu erreichen.

Miyako machte ihren Aufschlag, der diesmal nicht direkt geschmettert wurde, Suga war wohl von den drei Blockerinnen abgeschreckt und wagte es nicht. Die mittlere Abwehrspielerin nahm den Ball mit beiden Händen an, er wurde gestellt und schon war es wieder Suga, die angriff. Diesmal vor Miyakos Füße. Kotomi konnte sich für einen klitzekleinen Moment freuen, doch dann erwischte Miyako den Ball derartig perfekt, dass die Hellbraunhaarige hätte heulen können. Da war sie die Schlechteste in der Mannschaft und bekam so einen Ball, das war doch nicht mehr wahr. Suga war allseits gefürchtet, aber dieses kleine Mädchen schaffte es dennoch. Wo nahm die nur ihren Ehrgeiz her?

Und weil sie Akemi ja so hasste, musste sie Riina einen Ball stellen, obwohl sie das eigentlich andersherum trainiert hatten. Was allerdings das Schlimme daran war, war der Erfolg, den sie davon trugen. Suga wurde doch tatsächlich vom Schmetterball einer Anfängerin geschlagen. Das war wirklich nicht mehr zu fassen. Die Reservemannschaft hatte mehr Glück als Verstand.

Die Halle begann wieder zu toben, immerhin war die halbe Teitan-Schule anwesend, man hatte ihnen ja extra frei gegeben, damit sie sich das Spiel ansehen konnten.

Matsudaira hatte die Arme vor der Brust verschränkt. „Reines Glück, die tun ja so, als hätten wir schon gewonnen... ich muss mal mit meiner Nichte reden...“

Kotomi schaute zur Seite, wo ihre Trainerin saß. „Wie?“

„Ich will nachhelfen...“

„Na dann... lassen Sie sich nicht erwischen...“ Die Trainerin verschwand heimlich zu der gegnerischen Mannschaft, wobei sie aber an Shina vorbei musste, die ein leises Seufzen von sich gab. „Warte hier, Tatsuji, ich bin gleich wieder da...“

Die Hellbraunhaarige stand auf und rannte zu den anderen runter, wo sie Ryochi darum bat, Sêiichî zu stecken, dass Matsudaira wohl gerade zum Teamchef der Gegener gegangen war, um fröhlich Schwächen auszuplaudern.

Daraufhin ging der Braunhaarige zu seinem Freund und klopfte ihm auf die Schulter.

„Matsudaira geht petzen. Sie will Suga die Schwächen der Mannschaft aufzählen, du solltest dir schleunigst etwas einfallen lassen...“

„Also wirklich“, meinte Sêiichî daraufhin, „will die mich blamieren? Ich war doch so nett zu ihr...“

„Ist nicht dein Ernst, oder?“

„Nicht das, was du da jetzt wieder denkst...“ Und ob es das war, aber das war ihm jetzt irgendwie peinlich, weil diese Frau einfach nur billig und leicht zu haben war.

„Du Riina... tu mir einen Gefallen“, flüsterte ihr Freund dem Mädchen zu, was nicht nur die Mannschaftsmitglieder sahen, sondern auch die Leute, die auf der Bühne saßen.
 

‚Was ist da denn los?’ fragte sich Tatsuji, dem der vertraute Umgang der beiden nicht entging. Der Trainer hielt seine beste Freundin halb im Arm, das war ja wohl nicht normal, oder? Es sah ihm so aus, als hätten die beiden etwas miteinander. Aber Riina und ein Älterer? Das passte irgendwie nicht. Sie hatte doch Angst vor Männern. ‚Das würde mich doch jetzt wirklich mal interessieren...’

Er sah irgendwie schmollend aus, als Shina wiederkam und sich zurück an ihren Platz setzte. „Was hast du denn?“

„Nichts, nichts... Ich finde nur, dass die beiden sich komisch verhalten...“

Die Hellbraunhaarige lachte nur kurz, ging ansonsten aber nicht darauf ein, auch wenn man ihn gut hätte aufziehen können. Sie wollte es allerdings Riina überlassen, ihm davon zu erzählen. Dass er sich Schwachheiten auszumalen schien, war ja an seinem Gesichtsausdruck abzulesen. Dann seufzte er auch noch so vor sich hin, das war jawohl zum Schießen.
 

Riina war empört von Sêiichîs Worten und warf Matsudaira einen bösen Blick zu, bevor sie mit dem Ball in der Hand auf das Spielfeld ging und den Blick schweifen ließ. So, wie Yûmikô es immer machte, suchte sich Riina jetzt auch ihr Opfer aus. Sêiichî hatte diese Spielerin beobachtet und festgestellt, dass sie eher ungeschickt war. Deswegen sollte Riina sie auch etwas ärgern gehen. Matsudaira war ja so gemein, ihre Schwächen aufzuzählen, da konnte sie deren Schwächen auch auf faire Weise ausnutzen. Sie hatten das schließlich alleine durch dieses Spiel herausgefunden.

Ihr Plan ging auf, und die Rothaarige konnte zwei Punkte erzielen, bis eine andere Spielerin ihre Kollegin deckte und für diese den Ball annahm. Dann ging die verdammte Schererei mit Suga von vorne los. Diese konzentrierte ihre Angriffe auf Riina und Miyako. Die Rothaarige sollte dadurch ermüden und Miyako etwas kalt gestellt werden, damit sie nicht wieder mit irgendwelchen Überraschungsangriffen kam.

Bei ihren Angriffen täuschten sie immer mehr das Stellen vor, das sich schnell als getarnter Angriff entpuppte. So war es den Blockerinnen nicht möglich einzuschreiten, schon gar nicht, als Yûmikô und Akemi nach Riinas gestelltem Ball hochsprangen und den Ball schnell zu Boden schlugen. Wenn ein Angriff nicht so endete, dann sprang Riina mit beiden hochgestreckten Händen hoch und schlug den Ball von der Seite aus ins Feld.

Nach fünf Punkten Vorsprung begann die Ekota-Schule jedoch aufzuholen. Suga dachte sich wohl, wenn es technisch nicht ging, dann eben mit Gewalt. Sie schlug zu, was das Zeug hielt, wobei es schwer war, die Bälle zu retournieren, da sie einerseits unberechenbar geflogen kamen und dann auch noch in einer heftigen Härte. Damit hatte ganz besonders Miyako Probleme. Riina und Hiroko landeten des Öfteren Mal am Boden, was sie aber nicht abschrecken konnte. Miyako verpasste die Bälle zwar nicht, sie waren aber zu stark für sie, weswegen sie meist gar nicht sehr hoch kamen und demnach nicht weitergegeben werden konnten.

Gegen Ende des Spiels war es ein einziges hin und her. Machte eine Mannschaft einen Punkt, holte die andere sofort wieder auf. Ein paar Mal kam es zum Matchball, doch keiner der Mannschaften hatte diesen bisher für ihre Gunsten nutzen können, bis sie total erschöpft auf dem Feld standen. Keiner von ihnen sah ein, als Verlierer vom Platz zu gehen. Sie kämpften um jeden einzelnen Punkt.

Irgendwann nach zehn Minuten stand es schon 18:17 für die Teitan-Schule. Durch einen gut platzierten Schmetterball Yûmikôs war es so weit gekommen.

Miyako hatte jetzt wieder Aufschlag, gab diesen an und er kam locker über das Netz geflogen, direkt vor Suga, die jetzt hinten stand und es mit einem gekonnten langen Schmetterball versuchte, der nach oben schoss und dann einen leichten Bogen flog. Riina war es in diesem Moment total egal, wie sie fiel, Hauptsache, sie erwischte den Ball dabei, dadurch rollte sie ein wenig über den Boden, was man auch Japanrolle nannte.

Der Ball war sehr flach, so dass Akemi leicht in die Knie ging und ihn hochspielte. Mai und Yûmikô sprangen hoch, daraufhin setzte die Kurzhaarige zu einem Schlag mit rechts an, die Blockerinnen der Ekota-Schule sprangen hoch, doch da wandte sie ihren Körper in der Luft und schlug den Ball an ihnen vorbei. Während eines Hechtsprungs erwischte der Kapitän diesen schnellen Ball noch, allerdings nur mit dem Ringfingerknochen, weshalb er nach hinten flog, wo eine Spielerin wie wild hin stürmte, den Ball sogar noch davon abhielt, ins Feld zu fallen. Sie erwischte ihn allerdings so unglücklich, dass er zur Seite flog und dann gegen die Wand prallte.

Damit war das Spiel vorbei, was natürlich alle wussten, nicht nur die Zuschauer. Deshalb ließen sie sich erst einmal auf den Boden fallen, sie waren total k.o., aber glücklich und zufrieden, nur Akemi, Yûmikô und Riina standen noch und bedanken sich bei dem Gegner für das aufregende Spiel.

Sêiichî war von der Bank aufgesprungen und jubelte mit dem Publikum, während Kotomi und Matsudaira ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter zogen.

„Ich sag’s ja ungern, Koto-chan, aber hast du diese Annahme gesehen? Von Riina kannst du diesbezüglich wohl noch etwas lernen... Und was Akemi angeht... die hat ihr eigenes Spiel entwickelt...“

Die Angesprochene seufzte und erhob sich. „Ich geh dann, das Spiel ist eh für uns gelaufen.“ Sie hatte keinen Grund mehr, noch hier zu bleiben, außerdem konnte sie das ganze Loben von Matsudaira nicht mehr ertragen. Wer war sie denn? Eine Anfängerin?
 

„Na, was ist, Sushi, soll ich dir Beistand leisten, oder kannst du sie alleine besuchen? Du weißt doch bestimmt noch, wo sie wohnen, nicht wahr?“ Ein fieses Grinsen erschien auf Shinas Lippen, die ein weiteres Mal ihren älteren Cousin ärgern musste, weil er sich so komisch aufführte.

„Du kannst mich ja mal... ja, ja, das schaffe ich noch...“ Warum dachte sie eigentlich die ganze Zeit, dass er Angst vor diesem Treffen hatte?

„Dann ist ja gut, ich würde sicher stören, also dann, dewa mata.“

‚Bitte was? Bei ihr piept’s wohl, sie wird auch immer frecher...’ Er schaute ihr schmollend nach und drehte sich dann weg. Der 20-jährige machte sich auf den Weg in die etwas düstere Gegend, in die er schon als Kind oft gegangen war, auch wenn das sehr gefährlich war, wenn man noch ein Kind war. Mittlerweile war er aber ein erwachsener Mann, also war es nicht mehr so gefährlich, fand er.
 

Wataru war noch zu Yûmikô gegangen und seine Mutter noch arbeiten, deswegen war Riina später ganz alleine zu Hause. Sie kümmerte sich um die Pflanzen in ihrem Zimmer und in dem ihrer Mutter, ebenso wie um welche im Wohnzimmer. Ihr war langweilig, Sêiichî hatte irgendetwas anderes vor, von dem sie nicht wusste, was es war, also musste sie sich irgendwie beschäftigen. Da fiel dem Mädchen ständig irgendetwas im Haushalt ein, sie konnte davon einfach nicht die Finger lassen.

Gerade, als sie nach Hause gekommen war, hatte sie sich etwas Bequemeres angezogen, das doch etwas freizügiger war. Ohne daran zu denken, was sie denn da genau anhatte, ging sie zur Tür, nachdem es an dieser geklingelt hatte. Bewaffnet war sie ja eigentlich immer mit Tränengas, so auch dieses Mal, sie hatte keine Angst vor ungebetenen Besuch. Die Rothaarige riss die Tür auf und auf einmal stand da der Mann von vorhin, auf den sie in der Sporthalle aufmerksam geworden war. ‚Das gibt’s doch nicht, hab ich Halluzinationen...?’ Sie holte tief Luft, schnappte sich seinen Ärmel und zog ihn ohne ein Wort herein.

‚Oh, oh... was ist das denn für ein Anfall jetzt?’ Er ahnte Schreckliches.

„Baka“, war das erste, was ihm wütend entgegen kam.

„Nette Begrüßung“, gab er zurück und zog sich die Sonnenbrille ab, um sie in seiner Jacke zu verstauen. „Bekomme ich keinen Begrüßungskuss, oder so etwas in der Art?“

„Auch noch frech werden, was? Ich hab dich gesehen! Du hast mich wie ein Luchs beobachtet! Du hättest ruhig mal runter kommen können, um Hallo zu sagen! Stattdessen erschreckst du mich! Du bist wirklich ein toller bester Freund!“ Während sie das doch sehr jähzornig sagte, sah sie ihn mit Halbmondaugen an und verschränkte die Arme, bevor sie einen Schmollmund zog.

„Oioi, das Kätzchen zeigt mal wieder seine Krallen...“

„Oioi, das Essen kann sprechen.“

„Musst du mich gern haben, dass du mich essen willst“, versuchte er sie zu ärgern und verdrängte, was sie da gesagt hatte. ‚Immer dieser blöde Name... Ich bin kein Sushi.’

„Pass auf, dass ich dir nicht ein Ohr abbeiße, wenn du schon so etwas von dir gibst.“

„Da kriegt man es ja mit der Angst du tun. Aber wie rennst du eigentlich hier rum... das ist doch... ähm...“

„Mhm?“ Sie schaute an sich runter und errötete etwas. „Wo schaust du mir denn hin? Man sieht schon, du bist älter geworden... Männer sind eben doch pervers... pöh!“ Die 15-jährige drehte sich von ihm weg und bemühte sich, nicht zu zeigen, dass er ihr gefehlt hatte, vielleicht benahm sie sich deswegen so, sonst gingen noch irgendwelche Gefühle mit ihr durch.

„Ich wusste bis eben nicht mal, dass du so was trägst...“ Tatsuji seufzte und ging ihr nach, wohin auch immer sie wollte. „Erzähl mal etwas, es hat sich sicher einiges geändert, was, während ich weg war, oder?“

„Wie kommst du darauf? Was willst du eigentlich wissen?“ Warum fragte er nicht gleich direkt, ob hier ein Junge ein und aus ging? Das konnte man ihm ja beinahe ansehen, dass er an so etwas dachte. ‚Männer...’

„Na ja... wie geht’s euer Familie?“

Beide waren in der Küche angekommen und setzten sich dort auf zwei Stühle, wo sie sich in die Augen blickten.

„Nicht anders als damals... glaub mir.“

„Das klingt irgendwie negativ...“ Er machte sich Sorgen, immerhin war er meilenweit weg und wusste schon seit langem nur noch das, was ihm seine Cousine erzählte.

„Warum stellst du so viele Fragen? Es ist doch vollkommen egal, was hier los ist, du verschwindest ja doch wieder...“

Sein Seufzen klang wie der Weltuntergang, er hatte ja geahnt, dass sie wütend sein würde. „Soll das heißen, wir sind keine Freunde mehr? Auch wenn du mir wieder nicht glaubst, ich habe an dich gedacht.“

„Hattest du eine Freundin und deswegen keine Zeit, oder was war der Grund? Du hast dich ja eine ganze Weile nicht gemeldet...“ Sie klang ziemlich enttäuscht von ihm, was ihm gar nicht gefiel.

„Ja, das auch... und Stress... und na ja... ich bin eine Weile halbtot ins Bett gefallen...“ Er versuchte sie mit einem süßen Lächeln weichzuklopfen, das hatte bisher immer funktioniert.

‚Im wahrsten Sinne des Wortes...’ Ja, er war halbtot ins Bett gefallen, weil irgendwelche gestörten Leute ihn durch die halbe Stadt gejagt hatten, aber das wollte er ihr nicht auf die Nase binden. „Hast du was von deinem Vater gehört?“ wechselte Tatsuji das Thema, weil er ihn im Moment wirklich brennend interessierte. Amerika hatte der Mistkerl ja schon seit geraumer Zeit verlassen, es war also möglich, dass er wieder in Japan war.

„Lass uns nicht mehr über den reden... der hat sich verzogen und das ist gut so.“

Wenn sie ihm auszuweichen versuchte, machte sie ihm nur umso klarer, dass irgendetwas geschehen war, genauso wie jetzt. „Und wie sieht’s in deinem Leben aus, alles in Ordnung, oder gibt es Probleme?“

Wenn er so dumm fragte, musste man ihn erschrecken. „Na ja, ich habe mich sehr verändert... Neulich zum Beispiel habe ich mich total an Shinas Freund rangeschmissen und wollte ihn ihr ausspannen... Ist das nicht eine Sensation?“

„Habt ihr euch gestritten?“ Wenn man sie so reden hörte, könnte man wirklich denken, sie hatten sich heftig zerstritten.

„Nein, sie ist so gutmütig... sie verzeiht mir, aber ich verzeih mir nicht, weil ich eine kleine Egoistin gewesen bin. Mir hat so was gefehlt, aber keine Angst, ich habe jetzt keinen Ersatz für dich oder so etwas. Dich kann man nicht ersetzen, so einen Baka doch nicht.“

Es wäre ihm eigentlich ganz recht gewesen, wenn jemand dagewesen wäre, der auf sie aufpasste, oder jemand, der ihr einfach nahe stand und den sie an sich heranließ, statt ihm nachzutrauern, aber das war doch wieder typisch. „Selbst Baka.“ Tatsuji hielt es nicht mehr aus, er konnte nicht mehr still dasitzen, da kam es ihm vor, als wäre sie zu weit weg, deswegen stand er auf, ging um den Tisch herum, wobei sie ihn verwirrt musterte und zog sie dann am Arm hoch. Ehe sie sich versah fand sie sich in seinen Armen wieder, dann brach alles hervor. Eine gewisse Sehnsucht, die sie begleitet hatte. In Form von Tränen konnte man sie hören und auch sehen. „Ich dachte schon, du kommst nie mehr...“, schluchzte die 15-jährige und klammerte sich an ihm fest.

„Du siehst doch, dass ich wieder gekommen bin, wie ich es dir damals versprochen habe... Weißt du denn nicht mehr, was ich gesagt habe?“

Und ob sie sich erinnerte. Es war so ein verdammt scheußlicher Tag für sie gewesen. Mit einer fetten Grippe hatte sie im Bett gelegen und Wataru war einfach ohne sie zum Bahnhof gefahren, was sie ihm heute noch übel nahm. Die damals 12-jährige war alleine losgestürmt und hatte ihn dort gerade noch so erwischen können. Mit 40 Grad Fieber zwar, doch das war vollkommen egal gewesen. Sie war ihm in die Arme gesprungen und hatte wie jetzt geweint, doch jetzt mehr wegen der Freude, die sie verspürte, nicht so wie damals aus Angst, ihn nie wieder zu sehen. Gerührt hatte er gesagt „Ich werde wieder kommen, ich werde nicht ewig weg bleiben“ und gelächelt, da war sie zufrieden gewesen, sie hatte ihm doch geglaubt, oder? Wie hatte sie dann daran Zweifel hegen können?

„Kannst du noch mal so für mich lächeln, wie damals?“

Die Tränen wurden mittlerweile weniger, trotzdem standen sie noch in ihren Augen. „Du sahst so unglaublich süß und glücklich aus, als du mich angelächelt hast. Du hast gesagt, du würdest wieder kommen, ich hab dir geglaubt. Meinst du, es ist noch so wie früher, oder haben wir uns entfremdet?“

Kaum zu fassen, worum sie sich wieder Sorgen machte. „Ach was, wir sind noch dieselben Menschen, wieso also sollte sich daran etwas geändert haben? Wir sind nur etwas älter geworden.“

„Stimmt schon, du warst immer älter und du wirst immer älter sein. Als Kind fand ich das ganz toll, und ich finde es immer noch toll.“ Welches 15-jährige Mädchen war nicht stolz, wenn sie sich mit einem nun schon Erwachsenen so gut verstand? „Aber es stimmt doch, es ist nicht mehr so wie früher. Ich bin nicht 10 und du nicht 16, wir spielen weder Fußball, noch klettern wir zum Baumhaus... das wäre doch jetzt total kindisch.“

„Manchmal kann man sich nicht genug Kindheit bewahren.“ Er senkte kurz den Kopf, versteckte den Gedanken aber doch recht gut. Immerhin hatte man ihr viel von ihrer Kindheit genommen – ausgerechnet zu dem Zeitpunkt war er so weit weg gewesen. Als wenn Keichiro darauf gewartet hätte, dass ihr kleiner Beschützer ihr nicht helfen konnte.

„Das klingt, als wenn du zum Baumhaus raus willst, das ist aber hoffentlich nur ein Scherz, oder? Ich bin von heute noch total k.o. Das Spiel war echt anstrengend, ich würde gerne ins Bett.“

„Mhm, ich könnte unter die Dusche gehen und dann schlafen gehen. Der Flug war auch nicht ohne, ich konnte nicht schlafen, so aufgeregt war ich. Du hast doch nichts dagegen, wenn ich heute hier bleibe, oder doch?“

Irgendwie wusste sie nicht, was sie darauf antworten sollte, sie musterte ihn nur. ‚Sêiichî würde mir wahrscheinlich den Kopf abreißen. Er ist ja noch älter, als mein Freund... Er weiß ja nicht mal was von ihm.’ Beide hatten die Erfahrungen gemacht, dass sie bei Fremden auf solche Meinungen stießen. Oft hatten ältere Leute mit dem Finger auf sie gezeigt, besonders als er schon etwas älter gewesen war. ~Guck mal, der könnte ja ihr großer Bruder sein...~ Dabei hatte sie doch schon einen Bruder, wie waren die nur auf so etwas gekommen? Wie würde das jetzt aussehen? Außerdem verband sie eine besondere Freundschaft, welcher Freund würde das wohl verstehen? Sêiichî ganz sicher nicht, auch wenn er selbst einen besonderen Freund namens Ryochi hatte. Leider war sie nur ein Mädchen und ihr Freund ein Mann, da dachte man doch gleich in andere Richtungen – irgendwie nervte das. Selbst ihr Vater hatte so etwas gedacht und sie ganz schnell trennen wollen – mit welchem Mittel auch immer. Das ging so weit, dass ihre Mutter sich auf seine Seite stellte und Riina sich solche Sprüche wie „Der ist zu alt, um ein Freund von dir zu sein“ anhören musste.

„Ich vielleicht nicht, aber meine Mutter sicher schon.“

„Ach, deine Mutter wieder. Was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß.“

Wie dachte er sich bitte vor ihrer Mutter zu verstecken? „Die kriegt so ziemlich alles mit... Sie müsste schon weg sein, also über Nacht in diesem Haus... das schaffst du nicht, sie würde so oder so rausbekommen, dass da jemand zu viel ist...“ Im nächsten Moment schien sie einen Geistesblitz zu haben, weshalb er auf ihre Worte nichts erwiderte, dann grinste sie fies. „Es sei denn, wir sind gar nicht hier...“

„Aha?“

Riina klatschte in die Hände. „Du kriegst deinen Willen! Wir schlafen im Baumhaus.“

„Ähm... da müssen wir uns aber dick einpacken, sonst sind wir morgen krank.“ Seine Worte klangen nun wirklich nicht nach Ablehnung, was seine Verrücktheit anging, hatte er sich wohl überhaupt nicht verändert.

„Natürlich! Du wusstest doch, dass es kalt sein würde, also hast du sicher jede Menge Klamotten dabei, ich kenne dich doch...“

„Dann pack du schon mal deine Sachen, oder soll ich dir helfen und du kommst noch mit ins Hotel? Ich muss mir ja auch etwas holen, weil ich sonst in dem, was ich jetzt anhabe, noch erfriere. Da oben ist es noch kälter, als hier unten, darauf kannst du wetten.“

„Das weiß ich auch, ich beeil mich...“ Jetzt wurde das Mädchen hektisch. Ihm war jetzt bewusst, dass sie doch noch jung war, immerhin freute sie sich schon ziemlich. Das war aber auch vielleicht etwas, was sich nie ändern würde. Es freute ihn ebenfalls, wenn sie wie ein kleines Mädchen strahlte und sich freute. Dann sah sie so unglaublich unbeschwert aus, etwas, was sie selten zeigte, weil ihr Vater ein Mistkerl war, der das aus ihr fast vertrieben hatte. Am liebsten hätte der Kerl sie wohl zu einem kalten Menschen erzogen... wie gut, dass er dabei immer erfolglos gewesen war.

Er schaute ihr dabei zu, wie sie so schnell wie möglich ihre Klamotten einpackte. Echt schlimm mit ihr – früher hatte sie oft mit dem Gedanken gespielt, von zu Hause abzuhauen, sie hatte es nur wegen Wataru nicht getan, wahrscheinlich war diese Familie auch nicht mehr das, was sie mal gewesen war. Jedenfalls hatte sie nie ihre Eltern zu Hause festgehalten, sondern einzig und alleine ihr Bruder. Das war mit Sicherheit noch immer so.

„So, fertig“, verkündigte sie und er zuckte leicht zusammen, weil der Mann in Gedanken gewesen war.

„Okay, aber duschen will ich eigentlich schon noch“, meinte der 20-jährige, „leider weiß ich nicht, wo das Badezimmer ist, zeigst du es mir?“ Seine Worte hatten einen Grund. Nein, er hatte nicht vergessen, er hatte es nie gewusst. Riina war total dagegen gewesen, dass er zu ihr kam, weil das nur Ärger gemacht hätte. Ihre Eltern konnten ihn nämlich schon damals überhaupt nicht leiden, genauso wenig wie ihr Vater Shina hatte leiden können – wenigstens hatte Matsue sie geduldet, anders als ihr Mann. Was jedoch Tatsuji anging, war sich das Ehepaar immer total einig gewesen, also waren die Kinder eben oft einfach weg geblieben und her gekommen, um sich heimlich etwas zu Trinken zu holen, weil sie gerade in der Nähe gewesen waren.

„Klar, zeige ich dir das Badezimmer...“ Es war schon ein komisches Gefühl, die Hand des besten Freundes zu schnappen und ihm zu zeigen, wo das Badezimmer war, weil er sich hier nicht auskannte. Man konnte es ja beinahe an den Fingern abzählen, wie oft er hier gewesen war. Sie musste immer wieder daran denken, als diese verdammte Scheune gebrannt hatte. Wenn Wataru nicht gewesen wäre, dann wäre das kleine Mädchen damals hinein gerannt, um ihren Freund zu retten, dabei wäre sie mit Sicherheit ums Leben gekommen, so jung wie sie damals noch war. Ob Wataru wohl klar war, wer das Feuer gelegt hatte? Ihr Bruder war leider was ihren Vater anging, weitaus naiver als seine Schwester. Zwar hatte sie als kleines Mädchen nie daran gedacht, dass ihr Vater ihren Freund hatte umbringen wollen, später allerdings schon, weil er es immer wieder versucht hatte, sie davon abzuhalten, mit ihm wegzugehen, auch damit, ihr Hausarrest zu erteilen. Es war immer wieder darauf hinausgelaufen, dass die Rothaarige einfach von zu Hause ausriss und bei den Fujimines landete. Selten waren sie dort geblieben, da musste es schon stürmen und schneien, damit sie nicht nach draußen gingen. So viel Unsinn hatten sie gemacht. Wie sah diese Freundschaft wohl jetzt aus? Dieselbe konnte es ja nicht mehr sein. ‚Hoffentlich bleibt er noch etwas... ich mag seine Nähe...’

Riina ließ seine Hand los. „Da ist das Bad, ich bin dann in der Küche und packe uns noch was zu Essen ein, ja?“ Dann war sie ganz schnell verschwunden, um nicht der Versuchung zu erliegen, ihn zu bespannen, oder den Eindruck zu machen, dass sie vor der Tür stand.

Eigentlich hatte sie es ja auch gar nicht vor, wie würde er das wohl finden, wenn ihn eine 15-jährige bespannte? Bestimmt total berauschend. Andererseits interessierte er sie als Mann schon irgendwie, er war ja noch immer etwas älter.

Das Mädchen versuchte sich wirklich auf den Kühlschrank zu konzentrieren und packte sogar Sandwiches und Kuchen ein, er war doch sicher total an Amerika gewöhnt, immerhin studierte er da ja. Trotz allem waren auch Reisbällchen dabei, doch als sie damit fertig war, zog es sie zur Treppe, von wo aus sie schon die Dusche rauschen hörte.

‚Ich kann ja mal einen Blick riskieren.’

Mit ein paar Hintergedanken schlich sich die 15-jährige die Treppe hoch. ‚Da gibts sicher noch mehr zu sehen, als bei Sêiichî...’ Wenn ihr Freund das gewusst hätte, hätte er sich in seinem Ego gekränkt gefühlt, er war ja sehr eitel und fand sich total männlich. Bei dem konnte man nicht einfach mal ungestraft gucken. Wenn Sêiichî erfuhr, dass man ihn sexuell anziehend fand, würde er doch gleich sonst was mit einem anstellen wollen. Bei ihm hatte Schauen schon etwas mit Lust zu tun, der war eben etwas komisch.

Sie öffnete sehr leise die Tür, die er nicht abgeschossen hatte, was natürlich Glück für sie war. Wie nah man wohl rangehen konnte, ohne dass er etwas davon bemerkte? Riina öffnete die Tür noch etwas weiter und schloss sie hinter sich. ‚Ist ja unser Badezimmer... wenn er rauskommt, tue ich so, als würde ich was am Waschbecken machen.... hehe.’

‚Was macht sie hier drin?’ Natürlich hatte er die Tür und Schritte gehört, trotz des Wassers. Gut, dass er sich schon ein Handtuch genommen hatte, wer wusste schon, was sie bezweckte? ‚Tut mir Leid, aber den Gefallen tue ich dir nicht.’

Das Wasser wurde abgestellt und er band sich das Handtuch um, woraufhin er die Dusche öffnete und sie am Waschbecken sah. „Damit hast du jetzt nicht warten können, was?“ fragte er mit einem etwas scheinheiligen Lächeln, was sie mit einem nervösen Lächeln ihrerseits erwiderte.

‚Oha, oha... hat der ja nen Körperbau, tut mir ja so Leid, Sêiichî, aber es gibt Freunde, die dich noch übertreffen...’ Das durfte man ihm wirklich nicht sagen, wer wusste schon, wie er reagieren würde? Er konnte ja verdammt sensibel sein, das war ihr aufgefallen. ‚Ich guck ja nur, da ist nichts dabei.’

„Nein, ist dir das etwa peinlich?“

„Wohl nicht so peinlich wie dir, so wie du grinst, oder war das Absicht?“ Es war ihm sowieso klar, also konnte er auch so frech sein, zu fragen.

„Absicht? Was denn? Ich hatte schon vergessen, dass du hier bist...“

„Wieso bist du dann noch hier? Ich will mich anziehen... Oder willst du zusehen?“

Eindeutig, er wollte sie aufziehen und Röte in ihrem Gesicht entfachen. „Nur zusehen, oder soll ich dir helfen?“

„Ja, klar, denkst du, das schockt mich? Da musst du dir schon was Besseres einfallen lassen.“ Er winkte ab und drückte ihr seine Klamotten in die Hand. „Na, dann mach mal.“

Perplex schaute das Mädchen auf seine Klamotten. „Wie jetzt? Ich soll dir das anziehen? Etwa...“, sie schaute an seinem Handtuch hinab, „alles?“ Wie sie dieses Wort betonte, war einfach nur lustig, er verkniff sich das Lachen und versuchte todernst rüber zu kommen.

„Ja, klar, alles, du willst doch?“ Wer bespannte ihn hier schließlich? Jetzt hatte sie die Gelegenheit alles zu sehen, oder wurde ihr das jetzt zu heiß? Irgendwie wollte Tatsuji seine beste Freundin ja nur schocken und sehen wie sie rot anlief.

‚Ich glaube, so viel will ich dann doch nicht sehen’, dachte sie sich und lachte albern.

„Ehehe, du bist doch schon groß, das schaffst du selbst“, meinte die 15-jährige dann doch sehr rot und nervös geworden, „bis gleich!“

Wie erwartet war sie schneller aus der Tür verschwunden und hatte diese hinter sich geschlossen, als man schauen konnte.

Der 20-jährige öffnete die Badezimmertür, wo sie hochrot und mit rasendem Herzen stand. „Du? Wie soll ich mich anziehen, wenn du meine Klamotten mitnimmst?“ Was denn? Wieso schaute sie ihn so schockiert an? Es war doch eine berechtigte Frage.

„Du bist ja immer noch so ein Flegel!“

Schon warf sie ihm die Klamotten entgegen und diese trafen ihn, bevor die Rothaarige die Treppe runterrannte.

„Fall da nicht runter, du weißt doch, dass die Treppe sehr steil ist und du es schon mal geschaffst hast!“ rief er ihr noch schmunzelnd nach.

‚Natürlich bin ich ein Flegel... ach ja, so hat man mich schon lange nicht mehr genannt, das hab ich ja fast schon vermisst!’

Der junge Mann zog sich seine Klamotten an und ging dann gemütlich die Treppe runter.

„Hast du dich von deinem Anfall wieder erholt, Kleine?“ fragte der Dunkelbraunhaarige, als er die Küche betreten hatte.

„Ich bin nicht klein, ich bin 15 Jahre alt, da ist man nicht mehr klein“, schmollte sie, so dass der 20-jährige ihr mit dem Finger über die Nase fuhr.

„Im Gegensatz zu mir schon, oder willst du das abstreiten?“

„Deswegen musst du nicht darauf rumreiten! Es sind ja nur 5 Jahre, 10 Monate und 1 Tag, mein Lieber, das ist doch nichts.“

Ein Schweißtropfen lief ihm über die Schläfe, weil ihr Temperament wohl mit ihr durchging. „Wart’s nur ab, wenn ich erst mal volljährig bin, bist du mir nicht mehr so viel voraus, pöh!“

„Äh, ja, Riina, da musst du aber noch 5 Jahre warten, bis du sagen kannst, du bist groß“, ärgerte er sie weiter, so dass sie ihn mit Halbmondaugen ansah. „Solange musst du es wohl dulden, wenn ich Kleine sage, so ein Pech, was?“

„Das ist gemein von dir, ich lasse mir etwas einfallen, womit ich dich ärgern kann, pass bloß auf.“

„Na dann, mach mal“, lachte er, ihr Schmollen war einfach köstlich, er könnte sie stundenlang ärgern, wenn sie ihn dann immer so anschmollte.
 

Das Baumhaus war doch recht hoch, so hoch hatten beide es nicht in Erinnerung. „Und, wagst du es noch da hoch, oder hast du mittlerweile Ängste entwickelt?“

„Ich habe doch keine Angst da hoch zu klettern, was denkst du dir?“ Schon hatte sie begonnen, hochzuklettern.

„Fall nicht runter.“

Als beide dann oben waren, schienen sie überwältigt zu sein. „Komisch, das Ganze nicht mit den Augen eines Kindes zu sehen, oder?“

„Oje, ich hab’s anders in Erinnerung...“, sagte er und stützte sich an der Absperrung ab. „Ich hoffe doch, dass das noch stabil genug ist, immerhin war ich da 10, als ich das Ganze hier gebaut hab...“

„Shinichi ist mal fast runtergstürzt, als wir hier waren. Yûsaku hat sich das mal angesehen und fand, dass wir das sein lassen sollen. Yukiko hat ihn dann bequatscht, dass er das Ganze sicherer macht. Ich denke nicht, dass man jetzt noch da runter fällt. Wäre Shinichi wirklich gefallen, ich glaube, er hätte das nicht überlebt, wir waren schon lebensmüde, oder? Also, der Blick auf die Wiese ist immer noch atemberaubend, nicht wahr? Das fand ich nämlich eigentlich immer.“ Man konnte vom Baum aus eine riesige Wiese sehen, wo sie früher immer Fußball gespielt hatten. Shinichi hatte damit ja schon früh angefangen. Sie hatten sich immer volle Kanne in den Dreck geworfen. Nur Ran hatte sich gesträubt, da mit zu machen, sie hatte lieber zugeschaut, wie Shinichi sich jedes Mal verletzte, wenn er spielte. Und dann hatte sie ihn verarztet, man, waren das noch Zeiten gewesen. Wenn das Gras frisch gemäht gewesen war, hatte man sich da gerne mal blaue Flecke zugezogen, oder sich die Knie aufgeschürft. Andere waren ja auch mal vom Baum gefallen, als sie daran gebaumelt hatten. Kein Wunder, dass sich ihre Eltern ständig gesorgt hatten.

Tatsuji seufzte, er fand es immer wieder schön mit einem Freund Zuflucht im Baumhaus zu suchen. „Ja, richtig romantisch. Wenn ich gerade eine Freundin hätte, würde ich sie mit hier hoch nehmen, die wäre sicher sehr beeindruckt von dem Ausblick.“

„Untersteh dich!“ wurde er daraufhin angemault und total aus seinen Tagträumen gerissen. „Hier gehören nur wie beide hin! Wenn du deine Freundin hier oben haben willst, dann wirst du schon mich nehmen müssen!“ Das war ihr Versteck, ein Geheimnis, aber der wollte seine Freundin hierher bringen, so etwas war ihr nie in den Sinn gekommen. Was genau sie da sagte, war ihr gar nicht so ganz bewusst. Die Einzigen, die heute nicht hier waren und die Erlaubnis hatten, hier zu sein, waren Shinichi und Ran. Früher war das schließlich auch so gewesen. Als Tatsuji nach Amerika gegangen war, hatte sich Riina noch enger mit den beiden angefreundet und war noch öfter hier gewesen, als sonst immer. Leider war Ran immer etwas eifersüchtig gewesen, weil die Rothaarige älter als sie war. Sie hatte wohl befürchtet, dass sich ihr Freund an eine andere hängen könnte. Unbegründet war es ja auch nicht so ganz gewesen.

‚Weiß die eigentlich, was sie da sagt...?’ Er wollte nicht auf ihren Worten rumreiten, weil es eigentlich total absurd war. Nein, sie war nicht in ihn verliebt, wenn sie Gefühle für ihn hatte, dann gingen sie eher in eine schwärmerische Richtung. „Du bist ja mal wieder witzig, wirklich... Meinetwegen kannst du deinen Freund später ruhig mal mit hier hoch nehmen, da habt ihr eure Ruhe, so wie wir immer, mir ist das egal...“ Warum klammerte sie denn so an dieser alten Behausung? Gut, sie hatten sich hierher immer zurückgezogen und nur Ran und Shinichi wussten von diesem Ort, aber konnte man da nicht auch etwas übertreiben?

„Nein!“ widersprach sie ihm, sie wollte niemanden sonst hier haben, und diesen in das Versteck einweihen. „Das ist unser Platz ganz alleine, da hat niemand sonst was verloren... Auch nicht ER!“ Vielleicht war sie da etwas eigen und klammerte sich wirklich an die Vergangenheit, aber ihrer Meinung nach wäre das fast schon ein Verrat an ihrer Freundschaft.

Natürlich verstand er das, wenn sie es eben so wollte, würde er sich daran halten. Es gab ja noch andere romantische Orte.

ER?“ fragte der 20-jährige etwas überrascht und wandte den Blick von der Aussicht Riina zu und sah ihr in die Augen. „Gibt es da jemanden, dem du dein Herz geschenkt hast?“ Das interessierte ihn nun wirklich. Vor allem wie und wer er war. Wie er sie behandelte und ob sie überhaupt zusammen passten, auch wenn er da jetzt etwas den Beschützer raushängen ließ. Bis eben hatte er nicht mal daran gedacht, dass sie schon jemanden haben konnte, wieso überraschte ihn das so, wenn seine hübsche beste Freundin mit 15 Jahren schon einen Freund hatte? Außerdem hatte sie das verdient. ‚Hoffentlich hat sie da auch die richtige Wahl getroffen...’

„Ja, gibt es.“ Es war seltsam, was ihr in dem Moment durch den Kopf ging. Wenn er sie nicht gefragt hätte, hätte sie ihm nie gesagt, dass sie jemanden hatte. ‚Gott, warum fühle ich mich jetzt so schlecht?’ Musste sie ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie das sagte, was sie gerade dachte? „Nun ja... was seine Prinzipien angeht... habt ihr etwas Ähnlichkeit...“ Sie seufzte. ‚Aber auch nur da, ansonsten seid ihr euch nicht ähnlich...’ Es war fast schon eine Entschuldigung, die sie Sêiichî sendete, weil sie ihn mit einem anderen Mann verglich.

Was war das denn? Er schaute sie mit einem skeptischen Blick an. Irgendetwas an ihren Worten war seltsam. „Du bist vielleicht eine. Auf was du so achtest. Du hast wohl schon Vorstellungen, was du mal für einen Mann heiratest, was?“ Was ihre Zukunft anging, machte er sich weniger Gedanken, sie würde schon den Richtigen abbekommen und glücklich werden. Was so etwas anging, sollte sie ja ziemlich vorsichtig sein.

„Wie kommst du denn darauf?“

„Seine Prinzipien... anscheinend sind seine Prinzipien am Wichtigsten?“

Tja, es war genau das, was sie an ihrem besten Freund immer am meisten geschätzt hatte. Seinen Sinn für die gerechte Sache.

„Das liegt an meinem Vater. Ich will keinen, der ihm auch nur im Entferntesten ähnlich ist. Am besten er ist das Gegenteil, so wie du oder mein Bruder.“ Deswegen eckte Toshizo ständig bei ihr an, er erinnerte sie einfach zu sehr an ihren Herrn Vater, der von anderen verlangte, dass sie taten, was er ihnen befahl. Sie konnte ja nicht wissen, dass Sêiichî auch etwas von ihrem Vater hatte – sie war noch total ahnungslos und dachte nicht daran, dass er wie ihr Vater es immer bei ihrer Mutter getan hatte, fremdgehen würde.

„Er ist ein abschreckendes Beispiel, nicht wahr? Aber sag doch mal, wie er so ist! Du machst mich richtig neugierig. Wie ist er sonst so? Von seiner gerechten Ader abgesehen.“ Tatsuji wollte nicht daran denken müssen, was Keichiro getan hatte, nachdem er nach Amerika gegangen war. Shina hatte ihn angerufen und ihm alles erzählt. Trotzdem wollte er sie nicht darauf ansprechen, um nicht irgendwelche Wunden aufzureißen. Er würde auch so erfahren, wie es um sie stand, wenn er mehr über ihen Freund wissen wollte. Dass sie, was so etwas anging, etwas ängstlich war, wusste er ja. Aber konnte dieser Junge damit umgehen? Jungs in ihrem Alter waren ja meistens unmöglich.

„Was willst du noch alles wissen? Du verhörst mich ja richtig!“ Sie seufzte.

„Dann sag mir eben, wie ihr euch kennen gelernt habt, das interessiert mich auch.“ Irgendwie musste man aus ihr doch etwas herausbekommen.

„Kennen gelernt? Er bekam eine geknallt.“

Er zog die Augenbrauen hoch. Da hatte dieser Junge sie wohl gleich von ihrer ganz netten Seite kennen gelernt, oder wie sollte man das verstehen?

„Nett, und dann?“

„Nun ja, ich mochte ihn eigentlich, wollte es mir aber nicht eingestehen, weil er andauernd mit anderen Mädchen geflirtet hat. Als er an meinem Geburtstag dann einen Unfall hatte, war mir auf einmal klar, wie sehr ich doch eigentlich an ihm hänge. Im Krankenhaus hat man ihm keine Überlebenschance eingeräumt, mir war hundeelend. Tja, er hat es dann doch überlebt, seitdem sind wir zusammen. Er konnte meine Tränen nicht mehr sehen und hat mich geküsst...“ Sie hatten schon einen seltsamen Weg genommen, das war wahr. Musste eigentlich immer erst so etwas geschehen, damit man bemerkte, wie sehr man jemanden schätzte? ‚Ich sage mal besser nicht, dass er genauso lebensmüde ist, wie du.’

„Oje, du ziehst so was an, oder?“ Er hatte davon gehört, was in den letzten paar Jahren passiert war.

„Was meinst du?“

„Dir sterben gerne Freunde weg.“ Nachdenklich schweifte sein Blick in die Ferne. ‚Was seine Gründe hat...’ Er konnte von Glück reden, nicht zu diesen Freunden zu gehören, um ein Haar wäre es ihm nämlich auch passiert. Und er wusste auch, warum das so war. Es war kein Schicksal, eher ein Unglück, das diese Familie umgab. Mord war schließlich auch kein Schicksal, sondern Ungerechtigkeit. Genau das betrieb dieser Mann doch. Leider hatte man ihn bisher nie fassen können. Manchmal bereute er, nach Amerika gegangen zu sein. Gut, er war Keichiro dort einmal begegnet, was wirklich kein schönes Zusammentreffen gewesen war, aber größenteils trieb dieser Mistkerl in Japan sein Unwesen, und das war keine Untertreibung.

Er und niemand anderes hatte dafür gesorgt, dass seine Freundin Kummer hatte. Vielleicht war ihr das nicht ganz bewusst, ihm schon. Man musste den Kerl schnell schnappen, immerhin hatte er es auf gewisse Weise auch auf Shina abgesehen. Solange der hier frei rumlief, würde niemand in Sicherheit sein. Keichiro hatte sie alle verflucht, damals, als er Matsue geheiratet hatte, war es schon geschehen. Dem Mann wünschte man keine Kinder, er war unfähig, mit ihnen umzugehen.

„Ja, kann man so nennen... Unsere Welt ist grausam, da muss man gut auf alle aufpassen. Manchmal glaube ich, dass ich verflucht bin, oder so etwas.“

‚Du bist ja auch verflucht, und zwar von deinem Vater.’ Nein, wahrscheinlich war es ihr wirklich nicht bewusst. Vielleicht war es auch besser so, denn sonst würde sie sich nur Vorwürfe machen, wenn Menschen starben, nur weil sie ihre Freunde waren. Keichiro war eben herzlos. Dem Mann war doch egal, ob er Fremde tötete, Hauptsache seiner sogenannten Familie ging es dabei schön schlecht. Warum er das bei Riina tat, war ihm bisher noch unklar. Bei ihm selbst war es wohl Eifersucht gewesen, aber wieso brachte er arme, unschuldige Mädchen um? Wofür wollte er seine Tochter bloß bestrafen? Dafür, dass sie zu ihrem Bruder hielt? Das war ihm zuzutrauen.

„Schau mal, die Sonne geht unter“, unterbrach Riina seine Gedanken, er schaute in den Himmel, der in Orange und leichtes Rot getaucht war.

„Ja, du hast Recht, ich wusste gar nicht, dass es schon so spät ist...“, murmelte er, als er ihren Körper nahe bei sich spürte, weil sie einen Arm um ihn gelegt hatte.

„Von hier oben sieht das immer noch total schön aus.“ Ihr Kopf lag nun auf seiner Schulter und er fuhr mit der Hand über diesen.

„Natürlich, das ändert sich ja auch nicht, was hast du denn gedacht?“ Der Anblick, der Sonne, die nur noch halb zu sehen war, vertrieb auch seine Gedanken und ein Lächeln spiegelte sich auf seinen Lippen wider.

„Solch ein Anblick macht das Leben schon lebenswert, findest du nicht auch?“ fragte sie ihn, was sehr schwärmerisch klang.

„Stimmt... du musst unbedingt mal mit einem Heißluftballon fliegen... Das ist auch toll... Besonders, wenn die Sonne dann hinter den Bergen verschwindet.“

„Du stehst voll auf so etwas, oder? Ich kann mir richtig vorstellen, wie du mit deiner Freundin im Heißluftballon fliegst... Aber stimmt, das muss ich mal ausprobieren, irgendwann mal.“

„Hey, an was denkst du da jetzt?“ Jetzt war es an ihm, etwas zu schmollen.

„Ich? Ich denke nur auf deine Art. Wer weiß, was ihr da oben tun würdet?“

„Du bist ganz schön frech, pass bloß auf, dass du nicht mal mit einem Mann in einem Heißluftballon festsitzt.“

„Da kannst du beruhigt sein, der Einzige, dem ich so sehr vertraue, um das mit ihm zu machen, bist du. Wenn ich also einen Mann mitnehme, dann bloß dich.“

So war er doch noch an seine Informationen gekommen. Natürlich, er hatte nicht umsonst gehofft, dass sie keine Schäden zurückbehalten hatte. Sie hatte Angst vor Männern, weil ihr Vater sich versucht hatte, an sie heran zu machen. Kein Wunder, dass sie vorsichtig geworden war. Shina hatte ihm mal gesagt, dass Riina es den Jungs verdammt schwer machen würde, was die Detektivin nachvollziehen konnte. Das war die Zeit gewesen, in der das Mädchen überhaupt nicht gut auf fremde Jungs zu sprechen gewesen war. Vielleicht waren sich Shina, sie selbst und Riina durch ihre Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht deswegen auf gewisse Weise ähnlich und zickten gerne herum, wenn ihnen etwas nicht passte. Das war gut möglich. Auch wenn es bei Riina wohl noch schlimmer war, oder doch nicht? Seine Cousine sagte ja auch nicht alles. Wie schlimm die Überfälle auf Shina gewesen waren, wusste er nicht.

„Du, wir sollten schlafen gehen, ich bin restlos im Eimer.“ Ihr Kopf auf seiner Schulter wirkte auf ihn wie Blei, wahrscheinlich fühlte sie sich auch noch so. Sie hatte ihn einfach auf ihn drauf fallen lassen und die Augen geschlossen. „Oder ich schlafe im Stehen ein...“ Oh ja, das merkte man. Sie war ja bereits kurz davor.
 

Zwei Jungs hatten sich eher zufällig auf der Brücke Richtung Haido getroffen und begonnen sich zu unterhalten. „Du siehst irgendwie besorgt aus.“ Der Dunkelbraunhaarige musterte den Schwarzhaarigen.

„Bin ich auch... sie ist nicht zu Hause, Wataru hat bei mir angerufen...“ Sêiichî seufzte und senkte den Kopf. Er hatte sich von Kôji weggedreht und starrte auf das Wasseer hinaus, was ihn nachdenklich wirken ließ.

„Und?“

„Er war besorgt, aber ich konnte ihn halbwegs beruhigen, als ich sagte, sie sei bei mir... Ich muss sie schnell finden, wer weiß, was sonst passiert?“

Diese Aussage machte auch Kôji nachdenklich, der die Arme verschränkte und in den Himmel blickte, statt den 17-jährigen anzusehen.

„Es ist noch nicht so spät, Riina taucht schon wieder auf... aber was ich dir noch sagen wollte, Sêi-chan...“

Verblüfft blickte der Ältere zum Jüngeren, der ihn jetzt doch ansah. „Finger weg von meiner Freundin, oder ich mach dir die Hölle heiß, das kannst du mir glauben! Sie ist meine Freundin, als komm nicht mal auf schweinische Gedanken, du Superheld!“

Ein kindliches Lachen kam von Sêiichî. „Du bist ja eifersüchtig...“ Er lächelte aufrichtig und machte nicht den Anschein eines Lügners. „Da kann ich dich beruhigen... Wenn mich etwas mit Akemi verbindet, dann ist das nur Freundschaft, außerdem würde ich dir das nie antun. Ich mag dich... ich wäre froh, wenn wir Freunde sein könnten.“

Das Ziel hatte Sêiichî schon seit einer Weile, er konnte nur zu gut Kôjis Eifersucht verstehen, wenn jemand Akemi zu nahe kam. Er selbst verspürte so etwas in letzter Zeit selbst vermehrt. Deswegen war er dem Jungen auch nicht böse, er fand ihn eher sympathisch.

„Meinetwegen können wir Freundschaft schließen... Du scheinst ja nicht so ein übler Typ zu sein, wie zuvor gedacht...“ Jetzt lächelte auch Kôji. „Denk dran, das war ein Versprechen, Tomodachi!“
 

Man hörte ein paar Grillen zirpen, doch das war nicht der Grund dafür, dass sie sich zum widerholten Mal herumdrehte.

„Der Schlafsack macht Geräusche, wie soll man da schlafen?“ fragte der Dunkelhaarige mit einem Seufzen, er war müde, aber sie hielt ihn wach.

„Gomen... irgendwie ist’s kalt in dem Teil...“

„Dann komm zu mir...“

Wie gut, dass es nun stockdunkel geworden war und man ihre Röte nicht sehen konnte. „Weiß nicht...“ Besser nicht, sie war in einem Alter, in dem man so etwas nicht mehr machen konnte, dachte sie sich zumindest.

„Wie, du weißt nicht?“ Verwirrt musterte er seine beste Freundin, die den Kopf fast schon in dem Schlafsack versteckte.

„Das konnte man als Kinder vielleicht machen... jetzt nicht mehr“, schmollte ihn die 15-jährige an, weshalb er sich im nächsten Moment nicht mehr halten konnte.

„Wieso ist das lustig?“

„An was denkst du, dass du so etwas sagen musst?“

„Jetzt erst recht nicht“, meinte die Rothaarige weiter schmollen zu müssen und zog den Reißverschluss zu. Der machte sich doch echt über sie lustig, nicht zu glauben und dachte jetzt auch noch, dass sie irgendwelche Gedanken hatte. Man, das war so peinlich, sie wäre liebend gerne im Boden versunken oder hätte sich in Luft aufgelöst.

Um das Mädchen etwas zu ärgern, riss er den Reißverschluss mit einem Ruck auf und war plötzlich über ihr.

„Hilfe, was wird das denn?“

Tatsuji sah aus wie der Wolf im Schafspelz, der völlig unschuldig schaute, nur um im nächsten Moment anzugreifen.

„Attacke!“

Sie gab einen Schrei von sich und versuchte ihn von sich zu bekommen, auch wenn es nur Spaß war. Wenig später war sie nur noch am Lachen, weil er sie durchkitzelte und ihr keine Chance zur Widerwehr ließ.

„Das ist unfair, du bist doch viel kräftiger als ich!“ beschwerte sie sich und piekte ihm mit dem Finger in die Seite.

„Ach, was wäre denn fairer?“

„Du gehst von mir runter und ich geb mich geschlagen, das ist ein fairer Kompromiss, oder nicht?“ Das rothaarige Mädchen versuchte ihren Freund mit einem flehenden Blick weichzuklopfen, so dass er seufzte.

„Und du kommst zu mir.“

„Aber wehe, du nutzt das aus, um mich noch mal zu kitzeln, dann haue ich dich.“

‚Glaube ich eher weniger...’ Sie und ihn hauen, das war doch ein Witz. Noch nie in seinem bisherigen Leben hatte sie so etwas getan, und sie würde auch garantiert nicht damit anfangen.

„Eigentlich würde ich auch gerne schlafen, also rutsch rüber...“

Der kalte Zug, der sie erfasste, gefiel der 15-jährigen überhaupt nicht, deswegen schlüpfte sie zu ihm in den Schlafsack, was jedoch total eng war.

„Da kriegt man ja Platzangst...“

„Kleine Übertreiberin...“ Er drückte ihren Kopf irgendwo zu sich an die Schulter, sie sollte jetzt bloß nicht rumhampeln, er war k.o. und wollte nichts sehnlicher als träumen und sich dabei ausruhen können. Ihre seltsame Nervosität, die er eh nicht verstand, ließ ihn darauf schließen, dass es sicher weniger ruhig sein würde.

Sie lag ganz ruhig neben ihm und gab keinen Mucks von sich, hatte ihre Hände um seine Schultern gelegt und drückte ihm gegen seine doch recht stark gebauten Arme.

„Sag mal, was wird das denn jetzt?“ Also Schlafen war wohl wirklich nicht drin, oder? Die brachte ihn noch mal um den Verstand oder wie hier wohl eher um den Schlaf.

„Machst du Krafttraining, oder so etwas? Früher warst du ja noch nicht so stark gebaut.“

„Oh man, das kommt dir nur so vor, weil du noch klein bist... und jetzt schlaf endlich!“ Sie überstrapazierte wirklich seine Geduld. Vorhin noch war sie ihm fast an der Schulter eingeschlafen, jetzt hatte sie noch genügend Energie, um die verrücktesten Sachen festzustellen.

„Ich kann aber nicht schlafen...“ Sie klang fast ein wenig deprimiert, da war die kleine Wut, die er gehabt hatte, schon wieder vergessen.

„Was denn? Etwa meinetwegen?“ Es schien ihm, als wäre er schuld an ihrer Nervosität, was daran liegen konnte, dass sie nun einmal weiblich war.

‚Also früher warst du wirklich unkomplizierter...’

„Ja... ich hab dich so lange nicht gesehen, da möchte ich gar nicht schlafen, dann verpasse ich ja deine Anwesenheit.“ Während ihrer Worte spürte er ihren Kopf an seinem Hals und drückte diesen jetzt ein wenig fester an seinen Körper.

„Baka...“ Anders konnte man es schon nicht mehr ausdrücken, immerhin redete sie vollkommenen Unsinn.

„Wieso? Du gehst ja schließlich wieder... und lässt mich auf dem Trockenen sitzen, wenn ich ständig daran denken muss... wie... wie soll ich denn da schlafen können?“ Riina drückte ihren Kopf fest an ihn und klammerte sich an seinen Klamotten fest, als hätte sie Angst, er würde sich sonst in Luft auflösen.

Sie war schon ein Klammeräffchen, doch das störte ihn nicht weiter, er verstand ihre Reaktion, immerhin war er ganze drei Jahre schon weg gewesen, so etwas würden andere Freundschaften wahrscheinlich gar nicht erst überstehen. Dass sie noch so an ihm hing, wie früher, beruhigte ihn auch etwas, was es ihm aber nicht leichter machen würde, wieder nach Amerika zu gehen. Das jedoch wollte er durchziehen, nichts würde ihn davon abhalten, seinen Weg weiterzugehen.

 

 

24. Dezember - Merry Christmas... Teil 1

Wie immer zu dieser Jahreszeit machte sich in der Rothaarigen Unruhe breit. Weihnachten stand vor der Tür, doch konnte sie diesem Fest rein gar nichts abgewinnen. Es bedeutete für sie Ärger, nicht Spaß. Immer an Weihnachten, ganz besonders am Tag der Bescherung hatte ihr Vater unheimlich miese Laune. Je schlechter seine Laune war, umso gemeingefährlicher wurde er, was darauf zurückführte, dass er das Fest hasste. Und was hasste er mehr als Weihnachten, weil er am 24. Dezember geboren worden war?

Warum er seinen eigenen Geburtstag so hasste, wusste seine Tochter gar nicht, aber sie vermutete, dass ihre Mutter es wusste, sie hatte nämlich - ähnlich wie ihr Exmann selbst - an Weihnachten miese Laune, was hieß, dass ein normales Weihnachtsfest in diesem Haus unmöglich war.

Wataru rannte schon seit Stunden zwischen Badezimmer und seinem eigenen Zimmer hin und her, rätselnd, was ihm wohl am besten stand. Wenn es um so etwas ging, war er beinahe schlimmer als eine Frau.

Shina hatte ihm erlaubt, seine Freundin mitzubringen, und wenn er eine Verabredung mit Yûmikô hatte, drehte er scheinbar vollkommen durch. Es endete in nervösem Geschrei.

„Nein, nein, nein, das kann ich doch unmöglich anziehen“, rief er durch das Haus, und rannte zurück in sein Zimmer, um sich das nächste Kleidungsstück zu holen.

Mit einem Knall war nun wieder die Badezimmertür zugefallen und sie musste lachen. Gott sei Dank war sie ja nicht so schräg drauf.

Das Telefon klingelte, was nur sie selbst registrierte. Wataru war zu beschäftigt mit seinen Klamotten, als dass er das Telefon gehört hätte und sonst war niemand im Haus. Ihre Mutter war einkaufen gegangen und musste danach arbeiten, sie würde also vor Einbruch der Dunkelheit nicht zurückkommen, sie hätten allen möglichen Mist anstellen können.

Riina schnappte sich den Hörer und nahm das Gespräch an. „Moshi moshi, bei Takagi.“

„Hi, ich bin’s, Ryochi...“

Erschrocken hätte sie fast den Hörer fallen lassen, sie hatte mit einem Anruf von Ryochi nicht gerechnet. Wieso sollte er auch hier anrufen, wegen ihr schon gar nicht. „Ähm, du, Wataru ist beschäftigt, ich fürchte, der hat jetzt keine Zeit für dich.“

„Mit Wataru will ich im Moment auch nicht sprechen, sondern mit dir.“

Verwirrt schwieg Riina. Er wollte was? „Wieso willst du denn mit mir sprechen und nicht mit Wataru?“ Das konnte der Detektiv doch nicht so einfach machen, er hatte schließlich eine Freundin. Riinas Fantasie spielte etwas verrückt, jedenfalls dachte sie an alles mögliche, nur nicht an das, was der wirkliche Grund für seinen Anruf war.

„Ich will dich zu uns einladen.“

Ihr blieb kurz die Luft im Hals stecken und sie musste tief durchatmen, um zu antworten. „Das geht nicht.“ Die Rothaarige klang total leise. Wochen vor ihrem Geburtstag hätte sie sich über einen solchen Anruf gefreut, obwohl jetzt tat sie das auch, versuchte aber nicht allzu viel davon zu zeigen.

„Wieso nicht? Sêiichî wird auch kommen, und weil ich weiß, dass bei euch Weihnachten nicht so der Bringer ist, dachte ich, dass ich dich einlade.“ Es war doch total harmlos, er wusste gar nicht, was in ihrem Kopf vor sich ging. Sêiichî wohnte alleine, dass er eingeladen wurde, war klar gewesen. Und sein Vater hatte klar und deutlich gefragt, ob Sêiichî denn eine Freundin hatte, die er mitbringen würde. Nun ja, Sêiichî würde im Traum nicht daran denken, so etwas zu tun. Er hatte immer einen regelrechten Hehl um sein Liebesleben gemacht, wahrscheinlich dachten Ryochis Eltern, dass er noch unschuldig war. Das wollte Ryochi endlich mal ändern, er wollte seine Eltern etwas mit dem Sêiichî, den er immer ertragen musste, konfrontieren. Das war nur gerecht, immerhin bändelte Sêiichî mit mehreren Mädchen gleichzeitig an, vielleicht konnte sein Vater ihm, was das anging, mal Manieren beibringen.

„Ach, wegen Sêiichî.“ Sie schien sich zu freuen, jedenfalls klang ihre Stimme ganz danach. Riina war erleichtert, dass das der Grund war, jetzt konnte sie diese Einladung auch annehmen.

„Na gut, wenn Sêiichî da sein wird, dann komme ich auch.“

„Gut, wir gehen um sechs in die Kirche. Wenn du da nicht mit willst, kannst du ja so um sieben zu uns kommen, ansonsten treffen wir uns dort.“

„Okay, ich denke, ich kann Wataru dazu überreden, mit in die Kirche zu kommen“, meinte sie, jedoch nicht, weil sie übermäßig an den Herrn im Himmel glaubte, sondern weil sie seit Jahren nie zur Weihnachtsmesse gegangen waren.

„Okay, dann bis später.“ Dass sie damit quasi Sêiichîs Eltern treffen würde, das verschwieg Ryochi ihr erst einmal, man würde Watarus Schwester schon früh genug aufklären.
 

Die Kirche war wunderschön dekoriert gewesen, Riina könnte glatt jetzt noch schwärmen, allerdings verhielt sie sich recht ruhig in der Gegenwart von Ryochis Eltern. Sêiichî lief neben ihnen her, mit verschränkten Armen und einem Gesichtsausdruck, als wäre er nicht gerade erfreut darüber, dass sein bester Freund ausgerechnet Riina eingeladen hatte. „Mach nicht so ein Gesicht, das fällt ja auf“, sagte Ryochi in einem Flüsterton, um Sêiichî etwas zu sticheln. „Was ist dein Problem?“

„Ich habe keins, vielleicht hast ja du eins.“ Es wirkte auf den Detektiv, als hätte Sêiichî die Streitlaune gepackt, kein Wunder, er hatte ihn jetzt schon böse auflaufen lassen.

„Was für Probleme soll ich haben? Du bist doch hier derjenige, der ein Problem zu haben scheint, immerhin willst du unseren Eltern deine Freundin vorenthalten...“ Sie waren etwas abseits, so dass man nicht bemerkte, wie sie sich unterhielten, allerdings wandte Riina bald ihren Kopf um, da sie bemerkt hatte, wie Sêiichî mehr nach hinten gerutscht war – also wie ihr Freund benahm er sich wahrlich nicht, mehr distanziert, was ihr so gar nicht gefiel. Er hätte doch zumindest ihre Hand halten können, als Zeichen dafür, dass sie zusammen waren, aber nichts dergleichen, nur ein schlichtes Hallo hatte er von sich gegeben, als sie sich begegnet waren – geradezu als würden sie sich nur flüchtig kennen... Sie war wirklich enttäuscht von ihm.

Den Blick senkend lief sie neben Ryochis Vater her, zu welchem sein Sohn auf einmal aufschloss. „Hey, Riina-chan, wir sind gleich da, dann gibt’s was Warmes zu trinken“, er sagte es mehr, um sie aufzuheitern, da ihm ihr Blick aufgefallen war. Checkte Sêiichî nicht, dass er sie mit seinem Verhalten nicht nur kränkte, sondern auch verletzte? Man musste ihm dieses verdammte Getue austreiben. Sein Plan war gemein und vielleicht sogar hinterhältig, aber sein Freund hatte eine kleine Abreibung durchaus verdient, fand der Detektiv.

Sie waren nun angekommen. Natürlich war Ryochis Eltern bereits aufgefallen, dass mit der Kleinen etwas nicht stimmte, man hatte ihnen auch nicht gesagt, was sie war. Eine Freundin... oder? Etwas an der Sache war seltsam. Während der Verstand des Ehepaares rauchte, schmollte Sêiichî noch immer, doch war er froh vom Kalten ins Warme zu kommen.

Sêiichî froren fast die Hände ab, zumal er mal wieder auf warme Handschuhe und einen Pullover verzichtet hatte. Unter seiner blauen Jeansjacke trug er nichts anderes als ein Jeanshemd in schwarz.

Er war eben ein Macho, der lieber fror, als einen warmen Pullover zu tragen, man sagte es ihm ständig, vor allem Ryochis Mutter, aber der Junge konnte nie hören, wenn er dann die Quittung in Form einer Erkältung bekam, wurde gejammert, was das Zeug hielt, so kannte er ihn.

Wenigstens hatte er seine Lederjacke zuhause gelassen – Ryochi wusste auch ganz genau, weshalb. Weil sie ihn einfach macholike rüberkommen ließ, deswegen hatte er die Jeansjacke an, die Ryochi lange nicht an ihm gesehen hatte, aber er besaß sie wohl, wie er bewies, noch.

„Ist dir kalt, Sêi-chan?“ fragte Hitomi, allerdings nur, um ihn etwas zu ärgern, da er doch recht bibberte, als sie von draußen ins Warme kamen.

„Ja, ist mir, warum betonst du das so, Hito-chan?“

Sowohl Ryochi und Hitomi, als auch deren Eltern mussten auf einmal anfangen zu lachen. Sêiichîs toternste Frage und sein Gesichtsausdruck dabei, sie konnten dieses Naive nicht fassen. Er wurde hier geärgert und war so verpeilt, es nicht mitzubekommen...

Nur Riina hatte nicht mehr als ein kleines Lächeln gezeigt.
 

Gleich darauf begaben sie sich ins Wohnzimmer, wo sich der bereits geschmückte Weihnachtsbaum befand. Riina schaute nach oben. „Der ist ja riesig.“

„Den haben Sêiichî und Ryochi ausgesucht, natürlich hat sich besonders Sêiichî total überschätzt, wir mussten dem Baum schon die Spitze kürzen, weil er viel zu groß war.“ Takeshi hatte es gesagt und schmunzelte dabei.

„Ja, er überschätzt sich immer maßlos, so ist das eben“, erwiderte Ryochi auf die Aussage seines Vaters hin, „ich habe ihm ja gesagt, dass er nicht ins Wohnzimmer passt, aber Baka wollte nicht hören.“

„Nenn mich nicht immer Baka, Ryo, ich bin keiner!“ Totel empört und bestürzt kamen die Worte über seine Lippen, während er kaum merklich errötete, jedenfalls waren seine Wangen schon leicht rosa.

„Doch, doch! Weil du nicht mal Offensichtliches bemerkst.“

„Lass uns doch bitte das Thema wechseln.“

„Ja, gut, wie du meinst. Ich denke, du solltest unseren Eltern allmählich mal deine Freundin vorstellen, es ist ungezogen, es nicht zu tun.“

„Aber er hat sie uns doch schon vorgestellt, nicht wahr, Sêi-chan?“

Erstarrung trat in Sêiichîs Gesicht und dann begann der Schweiß zu fließen. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Akiko hatte ihn zufällig mit einer jungen Dame in der Stadt gesehen, die zu Sêiichîs Pech aber leider nicht Riina gewesen war.

„Ach ja, hat er das?“ fragte Ryochi mit einem Blick zur Seite, der nicht nur fies, sondern auch verdammt gehässig wirkte.

„Also, na ja, wie soll ich es erklären? Na jaaaaa~“, stammelte Sêiichî, er suchte nach einer passenden Ausrede, doch ihm fiel im Moment leider nichts Passendes ein.

„Du wirkst ja ganz nervös, ist ja süß, dass du so schüchtern wirst.“ Hitomi fand das wohl mehr als nur spannend und lustig, weshalb sie auch noch lachte und damit Sêiichî eine gewaltige Röte ins Gesicht trieb.

„Schüchtern? Sêiichî? Schüchternheit ist für ihn mittlerweile ein Fremdwort, gell, Sêi-chan?“ ärgerte Ryochi seinen besten Freund, so dass dieser ihm schon böse, warnende Blicke zuwarf.

„Was soll das denn heißen?“

Ryochi begann zu husten und ließ dann die Bombe platzen. „Also, als Sêiichî an unsere Schule kam, hat er kein Mädchen ausgelassen, er hat jede angegraben, nicht zu glauben, oder? So ein schlimmer Finger ist er!“

Riina schwieg, sie hatte keine Lust, zu verraten, dass er das bei ihr auch getan hatte und sie eine von vielen gewesen war, sie hasste es, daran zu denken. Mittlerweile vertraute sie ihm, da musste sie sich um seine Vergangenheit ja keine Sorgen mehr machen, oder?

„Also wirklich, Sêiichî, man spielt nicht mit Frauen, habe ich dir das nicht schon einmal gesagt?“

Nun hob die Rothaarige doch etwas den Kopf, da sich Ryochis Vater benahm, als sei er Sêiichîs Vater höchstpersönlich. Als der Schwarzhaarige seinen Blick dann senkte und reuevoll aussah und sich auch noch beinahe entschuldige, kippte sie fast aus den Latschen.

„Ich weiß, ich habe es nicht vergessen, und ich spiele nicht mit Herzen, damit du es weißt.“

„Aber sag mal, Ryochi, wer ist denn jetzt das Mädchen? Du hast gesagt, sie ist eine Freundin, aber woher kennt ihr euch? Erzählt mir mal eure Geschichte.“ Akiko war daran interessiert, mehr über dieses Mädchen zu erfahren.

„Ich dachte, du kennst Sêiichîs Freundin, Mutter.“

Warum konnte sein Freund nicht einfach den Mund halten? Das hatte jetzt sein müssen, oder wie? Jetzt hatte der Schwarzhaarige ein gewaltiges Problem.

„Seine Freundin sah aber ganz anders aus.“

Hitomi fasste sich an den Kopf. Würden jetzt Sêiichîs dunkelste Geheimnisse herauskommen, und wieso tat Ryo das überhaupt? Er war doch sonst auch nicht so fies veranlagt? Konnte es sein, dass Sêiichî seine Freundin betrog und ihr Bruder gerade für Gerechtigkeit sorgte?

„Das kann ich erklären“, sagte Sêiichî leicht nervös, „das war eine gute Freundin, die du für meine feste Freundin gehalten hast, es war ein Missverständnis...“

Ein Missverständnis? Nicht zu glauben, wie frech er ihren Eltern ins Gesicht lügen konnte, oder war es die Wahrheit? Ryochi glaubte nicht an Wunder.

„Du sagtest, sie ist deine Freundin...“

„Ja, das sagt man eben so. Ich meinte damit nicht, dass wir ein Paar sind.“

„Sie hing an deinem Arm... darf das also jede?“

Riinas Augenbrauen zuckten. Wer um alles in der Welt hatte sich da bitte an ihren Freund rangeworfen?

„Ist das etwas total Verbotenes?“ seufzte Sêiichî, er verstand nicht, wieso seine Mutter so reagierte. Wenn sie wüssten, dass er mit diesem Mädchen, das eher eine Frau gewesen war, sogar geschlafen hatte, wäre er wohl rausgeflogen, oder was? Wie gut, dass das niemand außer er und die Frau wusste.

„Wenn man eine Beziehung führt, finde ich das schon etwas daneben...“ Takeshi schüttelte den Kopf. „Aber Sêiichî muss ja selbst wissen, was er da tut und ob er die Eifersucht seiner Freundin schüren will – er muss noch viel lernen, er ist ja erst 17 Jahre alt.“

„Ich werde bald 18“, schmollte Sêiichî, er fühlte sich, wie ein kleines Kind, so behandelte man ihn doch.

„Oh ja, im Willen durchsetzen ist er nicht übel“, Ryochi konnte sich das jetzt einfach nicht mehr verkneifen. „Um nicht zu sagen, er tut, was ihm passt. Man merkt schon, dass ihm die Eltern fehlen.“

„Aber, er hat doch Eltern.“ Takeshi und Akiko waren schockiert. Sie waren doch jetzt seine Eltern, seit sich seine eigenen aus dem Staub gemacht hatten. „Er ist ja jetzt hier, also passen wir auf ihn auf.“

Toll gemacht, das war alles, was Sêiichî in den Sinn kam. Deswegen wohnte er doch alleine, dann bestimmte er die Regeln. Wollten sie ihn jetzt etwa dazu drängen, wieder hier einzuziehen? Er mochte dieses Zusammengehörigkeitsgefühl, aber in seiner Situation war er alleine besser dran.

„Ich brauche keine Eltern mehr zum überleben, ich jobbe neben der Schule und finanziere mir meine Wohnung alleine, also bin ich unabhängig. Meine sogenannten Eltern können meinetwegen bleiben, wo der Pfeffer wächst.“

Akiko schaute wegen Sêiichîs Kälte in der Stimme zu ihrem Mann hoch, sie konnte nicht glauben, dass das der Sêiichî von früher war.

Natürlich war es Sêicihî nicht so egal, er tat immer nur so, im Grunde ging es ihm sehr nahe, was mit seinem Vater geschehen war. Er hatte ja die Vermutung, dass er mit der Organisation zu tun hatte und sich nur versteckte.

„Ach ja, und womit finanzierst du deine Wohnung, Sêiichî? Als was arbeitest du?“

Genau mit einer solchen Frage hatte der Junge natürlich gerechnet. Takeshi war nicht umsonst der Polizeipräsident von Tokyo, er liebte Tatsachen einfach viel zu sehr – der Schwarzhaarige seufzte. „Ihr werdet ja ohnehin keine Ruhe geben, bis ich es gesagt habe, also sage ich es eben. Ich arbeite für ein japanisches Magazin, aber so etwas lest ihr ja nicht...“ Ein komisches Grinsen erschien auf dem Gesicht von Sêiichî, als er das sagte, es war nicht einmal gelogen, dass er es getan hatte. Dass er damit immer sein Geld verdiente, das war allerdings ein riesengroßer Bär, den er allen aufband.

„Was machst du für versaute Sachen, los spuck es aus, Sêiichî?!“ Ryochi wollte jetzt Fakten. „Für was für ein Schmuddelblättchen verkaufst du dich?“

Sêiichî wurde rot. „Wie bitte? Doch nicht für so was.“ Dass man ihm das zutraute...? Und dann sprach er das noch vor ihren Eltern aus, wie peinlich.

Riina hustete, sie fragte sich allerdings auch für welches Magazin er so arbeitete, weshalb sie auch gleich Fragen stellte. „Was ist das für ein Magazin? Was arbeitest du da denn?“

„Mein Gott, ich schrieb Berichte, mittlerweile posiere ich für kleine Mädchen, die sich gerne coole Typen angucken, das hat nichts mit versauten Sachen zu tun...“

„Na, die Arbeit will ich gerne kennen lernen, wir können dich doch mal besuchen, nicht wahr?“ Die beiden Erwachsenen machten sich einfach Sorgen um Sêiichî, nicht, dass er doch von der rechten Bahn abkam und so etwas, wie Ryo schon vermutete, machte, deswegen wollte Akiko auch unbedingt dahin und ihr Mann würde das garantiert auch wollen.

„Das ist doch was ganz Normales, was soll dieser Kontrollzwang?“

„Tja, Sêiichî, was sträubst du dich, hast du etwas zu verbergen?“ Ryochi hatte die Lage erkannt, der Angesprochene sah es schon an seinem Gesicht, mit den Augen eines Detektivs. Dass er etwas zu verbergen hatte, stimmte, doch war sein Job nicht das größte Problem. Er würde ein paar alte Freunde besuchen und sie darum bitten, ihn wieder für sie arbeiten zu lassen. Schreiben konnte er immerhin und was Fotos anging, nun ja, er war sehr fotogen, zumindest solange, bis die Fotografin nicht Chris Vineyard hieß. Er wollte gerade wirklich nicht an so etwas denken, er war hier in seiner Rolle als Mustersohn gefangen, er wollte niemanden enttäuschen müssen. Wenn sie wüssten, dass er des Öfteren nachts unterwegs war, um Aufträge auszuführen...

„Sind wir jetzt alle zu einem Verhör hergekommen, oder wollten wir Weihnachten feiern?“ Sêiichî wollte dieses Thema nun vom Tisch haben.

„Wir kommen darauf zurück, das kannst du ruhig glauben, Sêi-chan“, erwiderte Akiko Akaja, sie ließ sich nicht einfach so abwimmeln, aber das wusste Sêiichî auch so, dieser war nur froh, dass das Thema erst einmal ruhen würde.
 

Die 35-jährige wusste nicht, was sie davon zu halten hatte, aber sie war ein freundlicher, liebenswürdiger Mensch, der jeden empfing, auch Fremde, eigentlich ganz besonders solche. Sie rechnete mit einem Bettler, oder Derartigem, doch nicht mit einem Mann, der einen besonderen Status hatte. Dass er einen Mantel trug, der sehr teuer wirkte, überraschte sie dann doch. Er stand mit dem Rücken zu ihr, so dass nur seine langen, blonden Haare sichtbar waren. Vielmehr waren sie goldfarben und gelockt. Sie erschreckte sich bei dem Anblick fast. Als er dann mit einem Lächeln den Kopf nach hinten wandte und sich anschließend herumdrehte, stutzte sie. „Guten Abend, Sie wollten mit mir sprechen.“ Sie hatte die Hände gefaltet und stand artig vor ihm, wie ein unschuldiges Kind. Unter ihrem schwarzen Gewandt trug sie noch etwas Weißes, wie es bei ihrem Berufszweig üblich war. Seine Augen glänzten plötzlich ganz fasziniert.

„So muss eine Frau Gottes aussehen“, meinte er mit dem Kopf etwas seitlich geneigt und sie weiter bestaunend. „Ich dachte, die Nonnen seien hier ausgestorben.“

Sein Gerede war keine Antwort auf ihre Frage, doch wurde sie nun nicht wütend, sondern blieb freundlich. „Was kann ich für Sie tun?“

„So vieles, wie mir zum Geburtstag gratulieren.“ Er hatte etwas Abgehobenes, aber sie ließ sich nicht von ihm beirren und legte die Hände aneinander, um sich zu verbeugen.

„Entschuldigen Sie! Wie unhöflich!“ Sie segnete ihn und lächelte dann.

„Kommen oft Leute, die mit mir Geburtstag haben?“ fragte er sie, sein Blick ruhte auf ihr, jeden Teil ihres Körpers versuchte er zu erahnen. Sie hatte seiner Meinung nach wirklich viel zu viel an. In der Kirche war es, wie er fand, sehr warm, wie konnte man denn hier nur so rumlaufen? Ihr Beruf war ihm ohnehin zuwider.

„Das weiß ich nicht, denn die meisten reden darüber gar nicht erst, sie kommen, um zu beten. Viele Leute sind Buddisten und gehen eher zu einem Schrein, als in eine Kirche.“

„Dumme Leute, dabei ist das Christentum doch gerade das schönste am Glauben. Ich kenne keinen egoistischeren Gott, als unseren Herrn da oben im Himmel.“

Der Mann war äußerst seltsam und spottete dann auch noch über Gott in der heiligen Kirche. War er nur gekommen, um sich über Gott zu beschweren?

„Was ist Ihnen widerfahren, dass Sie so denken?“

Dass sie es wirklich wissen wollte, wunderte ihn eigentlich, aber sie wollte ihm bestimmt helfen, so wie es alle wollten, wenn sie davon hörten, dass er Gott verabscheute. Und diese Gläubigen konnten etwas anderes gar nicht erst akzeptieren.

„Er hat mich geopfert, Schwester! GEOPFERT!“

Sie zuckte am ganzen Leib zusammen, als er das letzte Wort so ausspie und näher an sie heranschritt, doch da wich sie einen Schritt zurück. „Unser Gott ist dafür da, um Gutes zu tun. Wenn Ihnen also etwas Schlimmes passiert ist, dann ist das Schicksal schuld, nicht er.“

„Ach nein? Gott ist immer unschuldig, was? Dann hören Sie mir mal zu, Sie Besserwisserin! War es etwas Gutes, als er seinen eigenen Sohn opferte? War es etwas Gutes, als er uns Menschen die Unsterblichkeit nahm? Antworten Sie! Er lässt uns an schrecklichen Krankheiten sterben! Er lässt zu, dass die falschen Menschen unsere Welt regieren! Er als Herrscher sollte das tun, aber er lässt uns einen freien Willen... Wissen Sie auch, was das heißt?!“ Ein grausames Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Er lässt Rachsüchtigen freies Feld, eigentlich muss ich ihm danklbar sein, so kann ich mich endlich für meinen Tod rächen!“

„Was denken Sie, wer Sie sind, so zu sprechen?! Sie urteilen über ein Wesen, das Sie niemals gesehen haben!“

„Ich bin am 24. Dezember zur Welt gekommen! Ich hasse diesen Tag! Ich bin immer ganz schrecklich mies gelaunt an diesem Tag! Ihr Gott wird auch Sie opfern, schöne Frau! Seien Sie ihm dankbar! Ist er nicht NETT!?“

So ganz konnte sie ihm nicht folgen, jedenfalls kam Unbehagen in der Schwester auf, sie war mit ihm ganz alleine, sie wünschte sich jemand weniger verrücktes würde die Kirche betreten, zumal sie nur dem Priester hier behilflich war.

„Warum sollte er so etwas wollen?“

„Aus demselben Grund, aus dem er damals seinen Sohn im Stich ließ! So wird er auch Sie im entscheidenen Moment im Stich lassen... Was sagt uns das? Es bringt uns nicht das Geringste an ihn zu glauben! Das schützt uns nicht vor Schaden! Ich bin ein Mörder und Vergewaltiger, aber laufe hier frei rum und komme sogar in eine Kirche hinein, um dort meine Hände an eine hübsche Frau zu legen, die ihr Herz Gott verschrieben hat... Das ist das perfekte Geburtstagsgeschenk für mich, vielleicht wird sich danach meine Laune etwas bessern!“

Kaum hatte der Mann es ausgesprochen, schrie sie auf. „Hilfe! Hier ist ein Verrückter! Hilfe!“

Er stand ihr grinsend gegenüber, während sie vor Angst losschrie. Sie schrie immer weiter, bis er zu lachen begann. „Die Tür ist zu! Der Einzige, der Sie noch hören könnte, ist der Priester, mit seinem Gesundheitszustand geht es nur leider unglücklicherweise den Bach runter... Er ist nicht in der Lage, Ihnen zur Hilfe zu eilen, das kann niemand!“ Mit anderen Worten, man konnte ihn nicht aufhalten, die Polizei scheiterte daran ja ständig, er hatte sich die Mittel und Wege geschaffen, solch gute, dass er wirklich abgehoben war und sich für unschlagbar hielt.
 

Mittlerweile saßen Sie am Tisch im Wohnzimmer und amüsierten sich mit ihren Geschenken, die unter dem Baum gelegen hatten. So ein tolles Weihnachten hatte Riina schon lange nicht mehr gehabt. Sêiichî hatte sein Geschenk mit unter den Baum gepackt und sie damit überrascht. „Das ist aber wirklich lieb von dir, dass du mir etwas schenkst.“

„Nun hör mal, das gehört sich so“, umschmeichelte Sêiichî seine Freundin, weshalb Ryochi nur den Kopf schüttelte. Er trug ja mal wieder sehr dick auf und das wahrscheinlich, weil ihn sein schlechtes Gewissen plagte.

Riina war leicht rötlich und kramte ein hübsches Päckchen mit Schleife hinter ihrem Rücken hervor, welches sie dem 17-jährigen hinhielt. „Das ist für dich, hoffentlich gefällt es dir!“ Sie hoffte seinen Geschmack getroffen zu haben, sie hatte lange danach gesucht und war schon ganz verzweifelt gewesen.

Sêiichî nahm es in seine Hand und rüttelte nur ganz leicht, falls es zerbrechlich war, nicht zu beschädigen. „Mhm, was kann das sein? Das klappert, ist das eine Flasche Schnaps?“ Vielleicht war es ein Weinbrand, bestenfalls ein Cognac, das hätte ihm in den Kram gepasst, auch wenn er keinen billigen Cognac trank, sondern meistens teuren.

Wegen seiner Worte bekam er von Takeshi einen Schlag auf den Hinterkopf. „Schnaps, du bist erst 17, damit darfst du noch eine ganze Weile warten! Es gibt keinen Schnaps!“

„Das war doch nur ein Scherz, Oto-san“, meinte der Angesprochene mit einem Schweißtropfen an der Schläfe. Natürlich, er trank Alkohol, wieso musste ihm das vor ihren Eltern rausrutschen?

Riina glaubte sich verhört zu haben, aber hatte Sêiichî Ryochis Vater gerade mit Vater angesprochen? Es brannte in ihr, zu erfahren, was das sollte, also musste sie fragen. „Wieso nennst du Ryochis Vater eigentlich Vater? Mir ist sowieso schon aufgefallen, dass ihr ein enges Verhältnis habt. Darf ich wissen, was los ist?“ Sie war so neugierig, weil es nicht ganz normal war. Damit lenkte sie jedenfalls auch vom Alkohol ab, wie sie dachte. Sie hasste das Zeug, ihr Vater schüttete es bestimmt noch immer förmlich in sich hinein, bis er keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Hoffentlich machte er heute nicht wieder die schrecklichsten Sachen! Am besten war an Weihnachten sich zu Hause zu verkriechen...

„Lass es mich so erklären“, fing Takeshi Akaja an, „Sêiichî hat einen 10 Jahre älteren Bruder, der sehr eifersüchtig gewesen ist. Seine Eltern waren beide berufstätig und arbeiteten länger, als die meisten Leute, also hatten sie nur sehr wenig Zeit, die dann für ihren kleinen Sohn Sêiichî draufging. Sein Bruder hat sich wohl vernachlässigt gefühlt und einen regelrechten Groll gegen Sêiichî gehegt, deswegen war er sehr oft bei uns.“

Akiko lächelte vor sich hin. „Er war ein total süßes und liebes Kind, das wir gleich ins Herz geschlossen hatten, also haben wir in die Wege geleitet, dass er unser Pflegekind wurde. Irgendwo musste er ja bleiben, wenn seine Eltern so selten Zeit für ihn hatten, dass er mit seinem Bruder in diesem großen Haus wohnte... Außerdem war er ihm so nicht mehr ausgeliefert, indem er bei uns einzog.“

‚Ja, nicht mehr so wie jetzt, was?’ dachte Ryochi sarkastisch, verkniff es sich jedoch, das Ganze auch noch auszusprechen...

„Drückt bitte nicht so auf die Tränendrüse, so schlimm war es auch wieder nicht!“ Es war ihm unangenehm, wenn Riina davon erfuhr, dass er eine richtige Heulsuse gewesen war.

„Meine Eltern werden dir jetzt Stunden lang Storys über Sêiichî erzählen, darauf kannst du dich verlassen“, flüsterte Ryochi der Rothaarigen zu, weshalb sie lächelte.

„Das stört mich überhaupt nicht.“

„Ihn aber wahrscheinlich, er mag’s nicht so, wenn man ihn an seine Vergangenheit erinnert.“

Sêiichî blickte erbost zur Seite. „Was tuschelt ihr beiden eigentlich so? Gibt’s etwas, was ich nicht wissen soll?“

„So was soll es auch geben“, erwiderte Ryochi auf die so dämliche Frage hin, wenn Sêiichî es eben ganz genau wissen wollte, konnte er dafür ja nichts.

„Ryo-chan wird deiner Freundin schon keinen Quatsch erzählen, Sêi-chan, oder hast du vor der Kleinen etwas zu verbergen?“ meldete sich nun auch Hitomi zu Wort, die Sêiichîs Verhalten einfach lustig fand und ihn ärgern musste.

„Sêi-chan, so werde ich dich ab jetzt auch immer nennen“, meinte Riina, da gerade alle begannen ihn zu ärgern, wollte sie auch mitmischen...

„Das tut sowieso jeder, der mir nahe steht, also meinetwegen“, gab Sêiichî offen zu, dass er nichts dagegen einzuwenden hatte, wenn man ihn so nannte, das überraschte Riina nun doch etwas. Er wollte doch immer einen auf supercool und stark machen, und da fand er es schön, wenn man seinen Namen verniedlichte?

„Pass auf, ich nehme dich beim Wort.“

„Mach das ruhig.“ Er drückte sie etwas an sich und hinterließ auf dem Gesichtern seiner Zieheltern einen zufriedenen Gesichtsausdruck. Von dem lieben und sanften Jungen war nicht alles mit der Zeit verloren gegangen, wie er ihnen damit bewies.

Es war für ihn ein Zeichen von Zuneigung, zumal das eine japanische Art war. Ryochi hatte ihn schon damals, als sie klein gewesen waren, gleich mit Sêi-chan angesprochen, daraus war eine Art Gewohnheit geworden. Seitdem nannte man ihn immer so. Und zu Yuichi und Ryochi hatte Sêiichî von selbst meistens Yuichi-onisama und Ryo-niichan gesagt, weil beide mehr wie zwei Brüder für ihn gewesen waren. Bei Yuichi war es immer fast Verehrung gewesen, deswegen –sama. Er neigte dazu, es sehr zu übertreiben. Yuichi hatte dem kleinen Sêiichî das –sama jedoch nach einer langen Prozedur wieder abgewöhnt, da er sich dabei etwas unwohl gefühlt hatte. Zu mehr als Onisan hatte er ihn jedoch niemals gebracht. Aber aus dem Alter waren sie raus, jetzt nannte Sêiichî beide Ryo und Yuichi, er selbst verniedlichte meistens nur Mädchen. Nur manchmal rutschte ihm bei beiden ein Yu-chan oder Ryo-chan raus.
 

Ein blonder Mann mit einigen Strähnen, die ihm ins Gesicht fielen, öffnete das riesige Tor zur Kirche, er wollte dieser erst einmal noch einen Besuch abstatten, bevor er ein paar Leute besuchte. Er linste hinein und entdeckte niemanden, also war die Messe schon vorüber, schade eigentlich, dass er nicht eher gekommen war. Die beiden Türen fielen hinter ihm zu, er ging Richtung Altar, um dort zu Gott zu beten. Es war eine hübsche Kirche. Sie lag in Higashikurume-City, Tokyo. Er war in Tokyo zu Besuch und wollte sich, wenn er Zeit fand, ohnehin ein paar Sehenswürdigkeiten ansehen, aber viel mehr war er zufällig hier und opferte nun 5 kostbare Minuten, um sie sich ansehen und ein Gebet hier zu lassen.

Es war ja normal, dass Kirchen nach Gottesdiensten gleich wie leer gefegt waren, aber irgendetwas stank hier. Er konnte es fühlen, seine Sinne täuschten ihn wirklich nur sehr selten. Das ungute Bauchgefühl verstärkte sich mit jedem Schritt und als er den Altar erreicht hatte, sah er auch, weshalb.

„Oh shit!“ Er flitzte um den Altar herum und ging in die Hocke, um die Frau, oder sollte er sie nicht Frau, sondern Nonne nennen, zu betrachten. Sie lag mit zu den Seiten ausgebereiteten Armen direkt vor der großen Jesus-Statue. Der Blauäugige sah auch, ohne dass er ihren Puls mit den Fingern suchte, dass sie nicht mehr lebte. Er fasste sie nur an, um ihre Körpertemperatur zum Teil festzustellen, sie war noch warm, was für ihn eine sehr bittere Erkenntnis war. Seine Feststellung sagte aus, dass sie noch gar nicht lange tot war. Gedanken kamen ihn in den Kopf, Hirngespinste wie: Warum bin ich nicht eher hergekommen? Auf den ersten Blick fielen ihm die zerfetzten Kleidungsstücke auf, die ihr fast gänzlich entrissen worden waren. Wut loderte in den Augen des Mannes auf, er kannte sich mit Verbrechen aus, deswegen konnte er so gut darüber urteilen, was hier geschehen war. Kein halbwegs normaler Verbrecher würde so etwas tun, es handelte sich um einen Gott verachtenden Frauenhasser, der auch noch total durchgeknallt war. Da fiel ihm auch sofort einer ein, immerhin war er ihm durch seinen Wohnort in Amerika schon vermehrt begegnet, wenn auch nicht persönlich.

Der blonde Mann schnappte sich sein Handy, auch wenn es sehr unhöflich war, wenn man Handys in Kirchen benutzte, so wollte er es jetzt tun – es war ja auch eine absolute Ausnahmesituation. Er kontaktierte seinen Partner, natürlich arbeitete Jamie in Amerika nicht im Alleingang. Im Nachhinein war er diesem dankbar, dass er sich aufgedrängt hatte, wenn auch mit ein paar recht frechen Worten.

„Ich lasse dich nicht alleine gehen“, hatte er bestimmt gesagt, „das gibt sonst Chaos.“ Ja, sein Freund wollte immer Ordnung haben und alles musste geregelt ablaufen, sonst ging es ihm nicht so gut, trotzdem verstand er sich mit dem Spinner mehr als nur gut – sie lagen auf gleicher Wellenlänge. Obwohl sein Freund auch beim FBI sein könnte, hatte er sich dagegen entschieden, um mit Jamie die Detektei zu eröffnen, von welcher jeder ihrer Verwandten gesagt hatte, sie würde nicht laufen... Sie hatten gemeinsame Verwandten – so gesehen - und diese liebten das FBI abgöttisch.

„Hi, Jamie“, meldete sich eine amüsierte Männerstimme, „was ist nun wieder schief gelaufen?“ wobei er ihn gleich etwas aufzuziehen versuchte, da er älter war.

Der Angesprochene seufzte leicht. „Daran bin ich diesmal nicht schuld... Ich wollte bloß in eine Kirche gehen, um kurz zu beten, du weißt doch, dass ich nicht an einer Kirche vorbei komme, ohne reinzugehen. Und dann habe ich hier etwas sehr Unangenehmes gesehen.“

„Ein Fall? In einer Kirche?“

„Ein sehr appetitlicher Fall, L, ich hoffe, du hast noch nicht zu Abend gegessen... Da wird dir schlecht, egal wie hart du auch im Nehmen sein magst.“

„Ich habe schon vieles, was unappetitlich war, nach dem Frühstück erlebt, das weißt du. Mich haut so schnell nichts um, Jay.“ Der Mann am Telefon glaubte das nicht, er wollte es mit eigenen Augen sehen, bevor er etwas glaubte. Er war ein Mensch, der sich nur auf seine Augen verließ, nicht so wie sein Freund Jamie, auch dachte er sehr rational und vernünftig.

Gott sei Dank war sein Freund kein Japaner, sonst hätte er auch noch mit Jay-chan angefangen, so wie Sêiichî es immer tat, er konnte das bei seinem Namen nicht leiden.

„Aber es war Chardonnay, L. Er war das, weil er seine Spuren hier förmlich verteilt hat, der will uns und die Polizei bloß ärgern. Deswegen streunert er ja so.“

„Dass du das sagst, verrät mir, dass es wohl eine ziemliche Sauerei sein muss.“

Der blonde Detektiv erhob sich und ging sich in der Kirche umsehen, es konnte nicht sein, dass die Schwester alleine hier gewesen war, er rechnete mit weiteren Toten. Als er den Vorhang zurückzog und sich die Kabine ansah, in der sich der Priester umzog, fand er nichts, also begab er sich zu der Beichtstätte und fand dort Blutspuren.

„Unser hinterhältiger Freund hat den Priester auf dem Beichtstuhl umgelegt. Das wundert mich jetzt gar nicht, er war ihm bei der Frau im Weg.“

Ein längeres Schweigen kam von seinem Freund, er seufzte tief. „Der Kerl macht nur Ärger, den muss mal einer kriegen. Wenn du mir sagst, in welcher Kirche du genau steckst, komme ich sofort vorbei.“ Sie waren gerade beim Essen, aber wenn es um einen Fall ging, war er schneller weg, als der Blitz.

„Es ist die Presbyterian Church in Higashikurume in Tokyo.“

„Fein, bis gleich, ich beeil mich.“

Das Klicken verriet ihm, dass sein Freund aufgelegt hatte und sich garantiert schon seine Jacke übergeschmissen hatte, bevor er gesagt hatte, er würde sich beeilen, so kannte er ihn, immer auf dem Sprung für etwas.

Jamie hatte allerdings nicht nur vorgehabt, diesen einen Anruf zu tätigen, nein, er würde noch jemand anderen anrufen, der sich darüber zwar bestimmt am heiligen Abend nicht so freuen würde, aber da sie sich durch einen weiteren Bekannten recht vertraut waren, würde er nicht erst im Polizeipräsidium anrufen...
 

Sêiichî hatte einen richtigen Adrenalinschub bekommen, weshalb er laut irgendwelche Weihnachtslieder zusammen mit den Eltern sang und total abdrehte, als hätte er zu viel getrunken, dabei hatte man ihm nicht einmal ein Glas gegönnt, doch die ausgelassene Familienfeier sollte nicht so bleiben, denn wenig später hörte man das Telefonklingeln. Natürlich dachte man an nichts Schlimmes, sondern mehr an Grüße von außerhalb Tokyos, die überbracht werden wollten, doch war dem diesmal nicht so. So oft hatte das Telefon geklingelt und es war ein fröhliches Weihnachtsfest gewünscht worden, es würde wieder so sein...

Als das Telefon klingelte, sprang Hitomi auf und tänzelte zum Telefon. „Akaja desu... Mit wem spreche ich?“ fragte sie und hörte wenig später Jamies Stimme, die sie sofort erkannte. „Jay-chan!“ rief sie, so dass alle am Tisch verstummten und es Sêiichî war der zum Telefon raste, allerdings drängte sich Takeshi vor und bat seine Tochter um den Hörer.

„Fröhlich Weihnachten, Jamie“, meinte der Mann erst einmal, weshalb Sêiichî leicht schmollend schaute, da er als erstes mit ihm hatte reden wollen. „Ist was passiert?“

„Fröhliche Weihnachten euch allen. Leider ja, es ist etwas passiert. Ich würde dich bitten, das Ganze nicht an die große Glocke zu hängen, aber wie immer an Weihnachten macht unser alter Freund Ärger. Wahrscheinlich ist mein Neffe auch wieder da, was? Vor allem er sollte nicht damit in Berührung kommen. Und er darf nicht erfahren, um was es sich dabei handelt.“ Jamie hatte ganz bestimmte Gründe, das zu sagen, er wollte nicht, dass Sêiichî schon wieder in einen Mordfall rund um Chardonnay verwickelt wurde – wie es gekommen war, war bei weitem schlimm genug.

„Es wird nicht einfach werden, ihm was vorzumachen. Wenn ich plötzlich weg müsste, würde er sofort merken, dass Alarmstufe Rot herrscht“, flüsterte der Mann ins Telefon, nachdem er die Tür zugemacht hatte, und so ungestört sprechen konnte.
 

Sêiichî setzte sich neben Ryochi und boxte ihm gegen den Arm. „Da ist was faul, er hat nicht umsonst die Tür geschlossen, wir dürfen das nicht hören. Gleich wird er sagen, er muss noch mal weg, wollen wir wetten?“

„Dann müsste es schon äußerst schlimm sein, dass er noch mal weg muss... An Weihnachten sind genug andere Kräfte im Präsidium, wenn also etwas passiert ist, wird er denen das Feld überlassen. Es muss auch mal ohne den obersten Chef gehen, das klappt auch in jeder Firma.“

„Wir sind aber keine Firma, sondern die Polizei.“ Das hieß, dass sie auch an Feiertagen oder Sonntagen im Einsatz sein mussten, wenn es verlangt war. Doch das schreckte Sêiichî nicht ab, er würde auch an Sonntagen arbeiten, das war ihm total egal. Man musste nur das passende für sich finden, dann war einem wenig Freiheit egal.

„Was heißt da wir?“ seufzte Ryochi, er glaubte es nicht, dass Sêiichî sich echt schon dazu zählte.

„Es gibt noch Plätzchen, greift zu“, forderte Akiko die Kinder auf, wobei sie nur vom Thema ablenken wollte, sie wusste, dass Sêiichî sich gerade fragte, was gespielt wurde und auch sie hatte im Gespür, dass Sêiichîs Onkel nicht einfach so anrief, er wäre eher persönlich vorbei gekommen, wohl war ihm das nicht möglich. Bestimmt war es ein Notfall.

Sêiichî konnte es gerade gar nicht leiden, wie man ihn veräppeln wollte, er war Detektiv und kein kleines Kind mehr. Er und Ryochi konnten selbstständig ermitteln, was sollte das also? So schlimm war es, dass sie nicht helfen durften? Das hieß für ihn, dass es sich um etwas total Schlimmes handeln musste, wahrscheinlich hatte Chardonnay, wie immer an Weihnachten, auf seine Art Party gemacht... Der Gedanke machte ihn ziemlich sauer. Dass dieser Kerl an Weihnachten immer so durchdrehen musste... Was hatte er wohl diesmal für ein Massaker angerichtet und für wie viele Tote gesorgt?

„Ich mag jetzt keine Plätzchen mehr, die machen dick.“ Sêiichî schob sie zu Ryochi, er konnte ja, wenn er wollte.

„Mach kein Theater und tu nicht so, als wenn die Plätzchen bei dir was anrichten würden... Ist ja richtig schlimm mit dir.“

Sêiichî war einfach nun mies gelaunt, weil er nicht mit Jamie hatte sprechen dürfen und nun auch noch nicht erfahren würde, was wieder passiert war.

Es dauerte knappe fünf Minuten, bis Takeshi zurück ins Wohnzimmer kam und Sêiichî ihm gleich einen trotzigen Blick zuwarf.

„Was ist, dürfen wir auch noch mit Jamie reden, oder hat er jetzt ganz plötzlich keine Zeit mehr?“ Er war sicher den Nagel auf den Kopf zu treffen.

„Er hat in der Tat keine Zeit, um mit euch zu plaudern, zumindest nicht jetzt. Er will später aber mal vorbei schauen. Ich muss auch noch mal beruflich weg. Ich bleibe aber nicht lange. Ihr bleibt hier, ich gehe alleine.“ Das war jedenfalls schon mal klar gestellt.

Sêiichî würde nichts mehr dazu sagen, das bestätigte ihn nur. Erst als Takeshi nach draußen gegangen war, meinte er zu Ryochi, dass er es ja gewusst hatte.

„Regt euch nicht auf, er hat ja gesagt, es dauert nicht lange.“ Während sie das sagte, ging sie schon einmal zur Tür und verriegelte diese mehrfach. Es waren einzelne Schlösser, die sie allesamt abschloss, als müssten sie befürchten, es würde eingebrochen werden, aber das diente nur dem Fall der Fälle, dass die beiden Jungs ihrem Vater würden folgen wollen. Wobei Ryochi in dem Fall vernünftiger als sein Freund Sêiichî war, auf ihn musste man wirklich höllisch aufpassen, sonst büxte er ihnen aus. Die Fenster wurden auch mit einem Schloss verschlossen, damit man es nicht öffnen konnte, um abzuhauen.

Weil der Junge mit allen Wassern gewaschen war, flitzte sie auch wenig später nach oben und verschloss auch dort die Fenster mit einem Sicherheitsschloss, dass es nicht so leicht zu knacken galt.

Riina schaute sich im Wohnzimmer um. Es war mehr als seltsam, dass die Mutter der beiden alle Fenster verriegelte, es war also etwas im Gange, etwas Schreckliches musste es sein. Sie dachte gleich daran, dass Weihnachten war und zog sich etwas nachdenklich von Sêiichî zurück, was diesem natürlich auch auffiel.

Er sah zu Ryochi und machte eine Geste mit den Augen, das musste diesem reichen, dass er ihm sagen wollte: Siehst du, habe ich es nicht gesagt?

Die Rothaarige nahm ihr Handy und entschuldigte sich bei den anderen, um zu telefonieren.

„Ich muss mal kurz telefonieren“, meinte sie, tippte auf dem Handy herum, wandte sich um und rief dann als erstes ihren Bruder an, zumindest versuchte sie es. Der Handyakku war sehr schwach und die Verbindung so gut wie gar nicht vorhanden, sie erreichte ihn also nicht. „Verdammt!“ fluchte sie, dass sie dermaßen die Ruhe verlor, war in dieser Situation für Sêiichî normal, sie machte sich wohl Sorgen um jemanden.

Er holte sein Handy aus der Tasche und meinte lauttstark: „Hier ist kein Empfang, wenn wir telefonieren wollen, müssen wir nach draußen!“ Das kam ihm gerade recht, so konnte Akiko mal schön wieder die Tür entriegeln, doch diese grinste nur überlegen.

„Wir haben ein Haustelefon, das kann man auch zum Telefonieren nutzen, dazu muss man nicht vor die Tür gehen, Sêi-chan.“

Ryochi war fassungslos darüber, dass Sêiichî versuchte ihre Mutter so reinzulegen, er wusste doch genau, dass sie sich nicht von ihren Kindern reinlegen ließ, das wäre ja auch sehr schlimm gewesen, zumal sie Staatsanwältin war.

„Von Handy zu Handy ist es aber billiger. Mit dem Haustelefon ist das doch viel zu teuer.“

„Versuch’s gar nicht erst, Sêiichî Iwamoto, ich werde nicht aufschließen. Wenn ihr telefonieren wollt, dann macht es mit dem Haustelefon, ansonsten muss das eben warten.“

Wenn Sêiichî nicht schon vorher gewusst hätte, dass es schlimm war, so wusste er es jetzt, weil sie nicht die Tür aufschließen wollte.

„Riina, du kannst das Haustelefon benutzen“, meinte Ryochi, „du hast es ja gehört.“ Warum auch immer sie unbedingt telefonieren wollte und dabei schon Tränen in ihren Augen standen, er konnte es ihr ja anbieten, wenn ihre Mutter nichts dagegen hatte. Er mochte es nicht sonderlich, wenn Mädchen weinten. Wahrscheinlich dachte sie, ihr Vater war hier und wollte wissen, ob es ihrem Bruder gut ging, aber es war schlimmer, als er befürchtete...

Riina nickte und ließ sich von Ryochi und Sêiichî, der natürlich gleich wie ihr Schatten hinterher ging, zum Telefon bringen, sie nahmen es von der Station und hielten es ihr hin. „Hier.“

Mit zittrigen Fingern tippte sie eine Nummer auf dem Telefon, wobei sich in ihrem Gesicht deutlicher Schweiß abbildete.

Ryochi befürchtete, dass sie genauso schlimm war, wie Sêiichî. Wieso dachten sie, dass es ihr Vater war, gegen den ihr Vater gerade ermitteln wollte? Weil er förmlich rannte, als der Anruf gekommen war, oder war da etwas, was ihm gänzlich unbekannt war?

Während Riina telefonieren wollte, zog er also seinen besten Freund hinter die Tür.

„Sag’ mal, Sêiichî, ihr seid beide ja total aufgewühlt. Was weißt du, was ich nicht weiß, mhm? Was ist hier los? Wieso ist sie so mit den Nerven runter? Nur wegen des Anrufs? Warum denkt ihr, dass es auf Teufel komm raus Chardonnay gewesen sein muss?“

„Er macht wahrscheinlich Party, heute ist sein Geburtstag“, war Sêiichîs nicht an Ironie zu überbietende Antwort auf Ryos Frage. Es war eben so, Chardonnay machte an Weihnachten immer auf seine eigene Art und Weise eine Party, die aus seinem Hass bestand, er hasste diesen Tag, deswegen fielen diese Partys sehr blutig aus.

„Riina weiß das wohl genauso gut, wie ich. Kein Wunder, sie ist ja auch seine Tochter, sie muss ihn ja kennen. Allerdings verstehe ich ihre Panik gerade nicht so ganz.“

Man konnte diese Panik sehen, beide taten das, als sie hinter der Tür wieder hervorkamen und sie mit dem Telefon hin und her ging.

„Wataru, endlich! Gut, dass du bei Shina bist! Bleib da bitte, geh nicht nach Hause, okay?“

Der Junge am Telefon brauchte einen Moment, um zu verstehen, weshalb seine Schwester so sehr daraufbestand, dass er nicht draußen herumstreunerte. So ängstlich wie sie wieder war, musste man doch nicht sein. Viel zu spät wurde ihm bewusst, dass sein vater an Weihnachten ja immer so schlechte Laune hatte, dass es zu Streit kam – das hatte sich mit den Jahren verschlimmert, nun wurde er an Weihnachten blutrünstig. Seine Schwester war besorgt um ihn, das ließ ihn lächeln. „Mach dir keine Sorgen, Rii-chan, ich bleibe über Nacht, dagegen hat, denke ich, niemand etwas, hier kann mir nichts zustoßen. Bist du eigentlich alleine zu Hause?“ Ihre Angst übertrug sich auf Wataru, seine Stimme zitterte sogar als er sprach.

„Nein, nein!“ kam wie vom Blitz getroffen von ihr, sie sollte nur verhindern, dass er dann doch noch nach Hause stürmte. „Ich bin bei Ryochi.“

„Was machst du da denn?“

„Also, na ja, das ist eine lange Geschichte, die ich dir lieber morgen erzähle...“ Sie hatte nicht viel Zeit, beziehungsweise viel Geduld, ihm alles sofort zu erzählen, sie hatte vor noch andere Leute anzurufen...

„Wie gemein von dir, mich so auf dem trocknen sitzen zu lassen! Aber wenigstens bist du da gut aufgehoben, Ryo ist ja bestimmt nicht alleine dort.“ An Sêiichî dachte Wataru gerade gar nicht, er kam nicht auf die Idee, dass er auch dort sein würde. Eigentlich ja unlogisch, aber wenn man Wataru hieß, kam einem alles logisch vor, weil er ein Chaot war, es war seine Art Logik.

„Tut mir Leid, ich habe hier keinen Empfang, ich telefoniere mit dem Haustelefon, es ist sehr unhöflich, zu lange Gepräche zu führen. Also dann, amüsier dich gut. Mata neee~.“ Sie seufzte tief und legte dann auf.

Wataru hielt das Handy verdutzt in der Hand und starrte dieses an, als wüsse er nicht, was er davon halten solle, dem war auch so. Mit den Schultern zuckend steckte er es zurück in seine Hemdtasche und kümmerte sich nicht weiter darum, als der penetrante Piepston eines anderen Handys losschlug und ihn sich umdrehen ließ. Verwundert betrachtete er Shinas Cousin, der sein Handy zur Hand nahm und das Gespräch annahm. „Hey, schön, dass du anrufst, Riina. Ich bin bei meiner Familie. Wir sind alle eingeladen und feiern gemeinsam, und wo bist du?“

Wataru fiel buchstäblich die Klappe runter fast bis zum Boden, als er hörte, dass seine Schwester gerade auch Tatsuji angerufen hatte. Er hatte vor ein wenig die beiden zu belauschen...

„Ich wollte dich bitten, heute da zu übernachten, es ist stockfinster draußen und die Straße ist sogar glatt. Es ist gefährlich, heute noch zu fahren“, meinte die Rothaarige sehr bedrückt in ihrer Stimmlage, sie wollte nicht, dass irgendwer ihrem Vater begegnete, deswegen würde sie zu jedem, der ihr wichtig war, genau das sagen, dass sie nicht mehr weggehen sollten...

Ob es wohl wirklich nur mit dem Glatteis auf den Straßen zu tun hatte, dass Riina so panisch auf ihn wirkte? Tatsuji glaubte das nicht, er hatte den Verdacht, dass es daran lag, welches Datum sie hatten. Ihr Vater hatte heute seinen großen Tag, wahrscheinlich befürchtete sie, dass er in der Nähe war. Er war nicht dämlich, er beschäftigte sich mit diesem Mann, er war so etwas wie der erste richtige Versuch des Mannes seine Fähigkeiten zu erproben. Doch das tat er schon Jahre lang, er versuchte zu verstehen, doch kam er immer nur zum selben Ergebnis, nun auch da er Psychologie studiert hatte, hatte er seine Meinung nur minimal geändert. Riinas Vater hatte ein Problem damit gegen Schwächere wie seine eigenen Kinder zu verlieren und wollte sie quälen. Der Kerl war eine Gefahr. Zwar waren es seine Semesterferien, die verbrachte er jedoch nicht nur damit, sich zu amüsieren. Er hatte auch mal etwas nach dem Rechten sehen wollen... Ob es allen gut ging.

„Ich kann ja nach Hause laufen“, gab Tatsuji angstlos von sich, er legte sie herein, nur um zu erfahren, ob er richtig lag – er würde aber seinen Kopf verwetten. Gleich würde sie bestimmt richtig in Panik verfallen. „Man muss ja nicht mit dem Auto fahren.“

„Dann rutschst du vielleicht aus und brichst dir was!“ kam gleich darauf von der Rothaarigen. „Du, das geht so nicht... Dann wirst du am Ende noch krank, wenn du dir schon nichts brichst! Ist es denn so schlimm, heute Nacht nicht mehr nach Hause zu gehen?“

„Ich habe noch was vor... Ich werde nach Hause gehen müssen“, es war eigentlich gelogen, aber er hatte Recht gehabt, sie verfiel total in Panik, Keichiro war hier, zweifelsfrei, oder zumindest befürchtete sie das. „Bleib ganz ruhig, Riina, mir wird schon nichts passieren... Du weißt doch, ich habe einen Schutzengel. Ich habe so viele Gefahrensituationen bereits überstanden.“

„Sei nicht so leichtfertig, irgendwann kommt immer ein erstes Mal! Selbst wenn du bisher Glück hattest, so kann dich dein Glück irgendwann verlassen! Da ist es wie in der Liebe...“

Was redete sie denn da? Dass Riina von Liebe sprach, einfach so, das klang ja als würde sie an so etwas nicht glauben. Es stimmte zwar, die Liebe konnte einen auch einfach so verlassen, aber man sollte sich nicht verrückt machen. „Würde dich das abhalten? Mich nicht. Du musst dir wirklich keine Sorgen machen, es gibt nichts auf dieser Welt, das mir einfach so passieren kann. Ich bin vorsichtig.“

„Aber...“ Aber ihr Vater war da draußen, Tatsuji war seit Jahren ein Opfer dieses Mannes. Wenn die beiden sich begegneten, das wollte sie sich nicht vorstellen. Von allen Personen, die Riina mochte, war eine Person besonders wichtig, was ihrem Vater natürlich nicht entgangen war, es würde ihm die größte Freunde machen, diese Person zu quälen, oder gar zu töten...

Tatsuji wusste genau, was nach dem Aber noch kommen wollte, was Riina aber nicht aussprach. Wieso nicht? Sie hatte Angst vor ihrem Vater, wieso sprach sie das nicht offen aus? Manchmal war sie ihm wirklich ein Rätsel, wie in diesem Moment. Er war ihr bester Freund, wenn sie ihm nichts davon sagte, dass sie Angst hatte, wem denn dann? Niemandem? Fraß sie es in sich hinein? Lebte einfach so damit?

„Aber was?“

Die Stille war über Riina herein gebrochen, sie wusste wohl nicht, was sie darauf erwidern sollte, jedenfalls grübelte sie nicht so sehr über die Wahrheit, sondern mehr über Lügen, das sollte sie nicht. „Du denkst dein Vater dreht durch.“ Er hatte kein Problem damit, die Wahrheit auszusprechen und tat es im Endeffekt auch, damit sie Bescheid wusste. „Ich weiß, dass das der Grund ist, weshalb ich bleiben soll, wo ich bin.“

Den Schockmoment musste die Rothaarige erst einmal überwinden, bevor sie etwas sagen konnte. „Wie kommst du darauf?“

„Ich kenne sowohl dich, als auch deinen Vater. Er muss aber gar nicht in der Nähe sein. Nicht jedes Jahr kommt er nach Tokyo, nur um seine Familie zu ärgern, das denke ich nicht. Nur weil er letztes Jahr da war, muss es dieses Jahr nicht genauso sein.“

„Das weißt du auch schon?“ Wie wunderschön, dass es sich so sehr rumsprach, da konnte man sich bald nirgends mehr blicken lassen, sie war doch unten durch, zumindest hatte sie das Gefühl, dass die meisten Eltern ihre Kinder von den Takagis versuchten fernzuhalten, vielleicht hätten sie doch umziehen sollen...

„Natürlich weiß ich das... Er ist dafür bekannt, an Weihnachten wegen seiner schlechten Laune Laune auszuflippen, Yûsaku hat mit mir darüber geredet. Er war auch besorgt um mich, weil Keichiro mich ganz besonders gern hat. Er wollte mich warnen, aber was in Amerika los war, wusste ich längst, da war er schockiert und dachte, ich würde etwas gegen ihn unternehmen.“ Dumm für Yûsaku, dass Tatsuji bereits gewusst hatte, dass Keichiro Weihnachten hasste. Das hatte der Kerl jawohl oft genug gezeigt. Schon damals, als sie alle noch Kinder gewesen waren. An Weihnachten war Stress und Streit vorprogrammiert gewesen. Irgendwann war es dann richtig schlimm geworden. Mit Mord und Todschlag rund um den 24. Dezember, am 25. war meistens schon wieder Ruhe, es war wirklich nur dieser eine Tag. Dass das mit seinem Geburtstag zusammenlag, konnte man sich leicht denken...

„Yûsaku kennt meinen Vater eben, also solltest du auf die Erwachsenen hören, Tatsuji.“ Sie seufzte auf, wer hörte schon auf eine 15-jährige? Das war nun einmal eine Tatsache, er war älter und hörte bestimmt nicht auf sie.

„Ich bin auch erwachsen!“ meinte Tatsuji doch etwas trotzig, er war 20 Jahre alt, und sie tat, als könnte er keine Verantwortung übernehmen, das gefiel ihm natürlich gar nicht.

„Yûsaku ist aber erwachsener als du. Da kannst du sagen, was du willst.“ Der freche Ton in ihrer Stimme ließ ihn noch ein bisschen mehr schmollen, sie hatte ihn erfolgreich geärgert.

„Und du bist klein, Rii-chan!“ konterte auf ihre Frechheit hin, da der Student genau wusste, dass sie auf klein sein und diesen Spitznamen sehr empfindlich reagierte. Sie etwas zu veralbern, wenn sie ihn so ärgerte, machte ihm richtig Spaß.

„Das ist nicht witzig, ich mache mir ernsthafte Sorgen, es wäre nicht das erste Mal, dass er einfach so versucht, dich umzubringen – er kann dich nicht ausstehen, er hasst dich abgrundtief, noch dazu gehörst du zu den Kudôs, das ist wohl sein eigentliches Problem. Deine Tante hat er ja auch versucht zu piesacken, und nur weil Yûsaku und eine Bekannte sehr gut auf seine Frau acht geben, ist ihr nichts passiert. Aber wer achtet auf dich?“

Tatsuji wusste schon ganz genau, was er antworten würde, ihm fiel da nur eine Antwort ein. Sie war ganz simpel und man musste eigentlich damit rechnen, denn er war nicht so der Typ, der sich von anderen beschützen ließ und diese den Kopf hinhalten ließ. Er würde zwar sich nicht als Schwächling ansehen, wenn man ihn rettete, aber er fand es jetzt nicht besonders toll, schließlich musste jeder Mensch irgendwie auf eigenen Beinen stehen.

„Ich selbst, denn ich brauche keinen Aufpasser. Yukiko ist vor allem eine Frau, die meisten Frauen sind deinem Vater nun einmal unterlegen, Frauen sind schließlich sein Spezielgebiet, mit mir würde er niemals so leicht fertig werden. Damals war ich auch noch ein Kind, mittlerweile bin ich kein Kind mehr, ich bin ihm gewachsen, glaub mir, wenn ich das sage.“ Er versuchte auch ganz sanft zu sprechen, um auf Riina einzuwirken, er wusste wie ängstlich sie wegen ihres Vaters war, man konnte fast davon reden, dass es eine Herausforderung war sie wieder zu beruhigen.

„Das haben einige gesagt, bevor sie von ihm umgebracht worden... Sie haben gesagt, er kann ihnen keine Angst machen, so wie sein eigener Bruder, der bereits tot ist... Du hast doch sicher davon gehört?“ Riina war fest entschlossen, Tatsuji Angst einzujagen, auch wenn das alles andere als leicht war. Jedoch hatte sie die Rechnung ohne Sêiichî gemacht, der neben ihr auftauchte und das Ohr an ihren Kopf legte, um mitzuhören. Er wollte endlich wissen, wer Tatsuji war, das war eindeutig ein männlicher Name. Er hatte gedacht, sie hatte bis auf ein paar Ausnahmen etwas gegen Jungs und Männer machten ihr so richtig Angst? Wie kam sie dann bitte dazu, so mit einem zu reden? Da war doch etwas faul... Sie ging so vertraut mit ihm um, als würde er ihr wahnsinnig nahe stehen, so ähnlich wie ihr Bruder, das Gefühl hatte der 17-jährige. Dass sie sich wegdrehte, sagte auch einiges, er sollte nicht mithören, sie wollte ihm etwas verschweigen.

Riina glaubte es einfach nicht, entweder war Sêiichî schrecklich neugierig oder er misstraute ihr gerade. Sie konnte nicht fassen, dass er einfach so bei ihrem Gespräch zuhören wollte, zumal er die Hälfte doch sowieso schon mitbekam. War das der Grund?

„Warum willst du mich beruhigen? Du bist mir so wichtig, ich will dich nicht auch noch verlieren“, kam von der Rothaarigen, sie hatte das Telefon fest an ihr Ohr gepresst und man hätte meinen können, dass sie den Hörer zerquetschen wollte, so stark wie sie ihn mit beiden Händen umklammerte. „Ich kann mich nicht beruhigen, wenn ich weiß, dass mein Vater Jagd auf dich machen würde!“

Schockiert erkannte Sêiichî die Wahrheit in ihren Worten, er vernahm ganz deutlich ihre bebende Stimme und dass sie beinahe anfing zu weinen, so verzweifelt und in Sorge war sie um denjenigen am Telefon. Er war männlich und seiner Ansicht nach gab es so etwas wie nur Freundschaft einfach nicht zwischen Mann und Frau.

„Bitte beruhig dich, Riina, ich weiß, das ist schwer für dich, aber mir passiert schon nichts. Genieß doch einfach das Weihnachtsfest und denk nicht an deinen Vater. Das will er doch nur, deswegen schickt er dir ja immer seine Grüße, er will, dass du panisch wirst und Fehler machst...“ Sie ging voll drauf ein, jedes Mal wieder, das musste Keichiro doch wirklich Spaß machen, wenn sie sich immer so verrückt machen ließ.

„Du verstehst nicht, er ist definitiv unterwegs... Hier in Tokyo! Er hat seine Spuren hinterlassen, also bleib bitte, wo du bist, oder ich komme vorbei!“ Die 15-jährige vergaß dabei ganz, dass Akiko Akaja sie quasi eingesperrt hatte, daran dachte sie überhaupt nicht.

„Sei vernünftig, Riina, das ist ja schlimm mit dir... Du selbst weißt, dass er Weihnachten alles andere als liebt, du musst dich ihm nicht in die Hände spielen! Kommt nicht in Frage, dass du um diese Uhrzeit noch herkommst!“ Nun wurde Tatsuji aber ein wenig sauer.

„Ich bin nicht alleine. Heute würde ich mich auch gar nicht alleine vor die Tür wagen, du kannst die Sorge wieder wegstecken. Außerdem gefällt mir die Idee, dich zu besuchen... Wann haben wir schon die Gelegenheit uns zu sehen? Du bist immer so weit weg.“ Riina wurde leiser und Sêiichî immer schockierter. Wie redete sie denn mit diesem Kerl? Sie klang, als sei er ihr heimlicher Geliebter und sie hätten eine Fernbeziehung...

„Wo steckst du denn? Die Frage hast du mir vorhin ja nicht einmal beantwortet, das war wirklich unhöflich von dir“, machte Tatsuji einen auf beleidigt, dabei war er das nicht. Sie dachte nur an ihren Vater und hatte wohl nicht einmal richtig zugehört, so aufgewühlt war sie.

„Bei den Akajas, Ryochi war so nett, mich einzuladen, weil auch mein Freund dort ist.“

„Hört er uns auch zu?“

„Ähm, ja... Sehr interessiert sogar.“

Mit Halbmondaugen und verschränkten Armen stand Sêiichî vor ihr, er schaute sie an, als würde er gleich total ausrasten, sein durchdringender, misstrauischer Blick sagte das aus. „Sag mal, wie lange willst du noch mit ein und derselben Person telefonieren und das auf Kosten anderer? Kannst du mir das mal verraten, SCHÄTZCHEN?!“ Beinahe hätte er ihr das Telefon weggenommen und somit seine gute Kinderstube vergessen...

„Nun ist er böse – ich denke, es führt kein Weg daran vorbei, Ryochi wird bestimmt auch gerne Shina besuchen, hehe. Also bis gleich.“ Sie ließ Tatsuji nicht die Wahl, sondern legte auf, nachdem sie sich verabschiedet hatte. Nicht nur Sêiichî war total misstrauisch, auch Ryochi hatte einen fragenden Blick im Gesicht, jedoch nicht, weil er vor Eifersucht gerade aus allen Nähten zu platzen drohte.

„Diese Person muss dir wirklich wichtig sein, wenn du dich so sehr sorgst.“

„Ja, ein bisschen zu wichtig, finde ich, das gebe ich mir nicht.“ Sêiichî drehte sich weg, er war tödlich beleidigt, so dass Ryochi doch ein leicht schadenfreudiges Grinsen im Gesicht hatte. „Wer wird denn gleich so pampig werden?“ Gerade Sêiichî war eifersüchtig, derjenige, der auf zwei Schienen gleichzeitig fuhr, wenn es um Beziehungen ging. Wenn zwei denn ausreichten, nicht wahr? Er war der letzte, der sich Eifersüchtelleien leisten konnte. Jetzt wusste er wenigstens mal, wie so etwas sich anfühlte.

„Ja, ich kenne ihn schon sehr lange, ich war damals vier Jahre alt, als ich ihn das erste Mal gesehen habe. Wir sind gleich ganz dicke Freunde geworden, verstehst du, Ryo? Er ist Shinas Cousin musst du wissen“, ihr Kopf senkte sich automatisch und sie sprach leiser, „mein Vater mag ihn nicht sonderlich...“ Man sah Watarus Schwester sofort an, dass sie das Wissen stark belastete. Zu wissen, dass ihr Vater jemandem hasste, den sie wohl sehr ins Herz geschlossen hatte. „Das verstehe ich, dass du so besorgt bist. Das wäre ich auch.“ Er dachte an seinen Bruder, der verloren gegangen war, und an Sêiichî, der eine männliche Zicke war, den er aber sehr gern hatte, ähnlich wie seinen Bruder liebte er ihn.

Während Sêiichî sich ins Wohnzimmer verzogen hatte, weil er so beleidigt war, bleib Ryochi draußen vor der Tür mit Riina. Sie war total nervös und lief hin und her.

„Ich rede mit meiner Mutter, okay?“ Mit diesen gesagten Worten, legte er eine Hand auf die Schulter der Jüngeren, lächelte aufmunternd und öffnete die Tür zum Wohnzimmer. „Oka-san, ich muss mal mit dir reden...“ fing er an, so dass sie ihren Sohn, der einen ernsten Blick aufgelegt hatte, fragend ansah und grübelte, was es wohl war, dass er diesen Blick zeigte.
 

Es war windig und es schneite. Die Straße war ganz knapp bedeckt mit dem weißen Puder, das über die Straße Gehen machte schon diese typischen Geräusche, die er von sich gab, wenn man durch ihn stampfte – das Knistern fand die hellbraunhaarige wirklich schön, es einnerte sie an das letzte Weihnachten, vielleicht war schon morgen die Straße richtig voll mit Schnee, so dass man darin springen konnte, ohne den Boden zu berühren.

Sie ging die Straße entlang, gerade wurde es dunkel und die Laternen gingen an, so fühlte sich die 15-jährige schon viel wohler. Dunkelheit mochte sie nicht sonderlich, trotz ihres Alters schlief sie abends nur mit ihrer kleinen Lampe auf dem Nachttisch ein.

Sie war aus Langeweile noch einmal spazieren gegangen. Ihr Vater musste länger arbeiten und das an Weihnachten, sie verstand nicht, wieso er ausgerechnet heute so spät nach Hause kommen sollte. Die ganze Woche über war er vor seiner Tochter heimgekommen, doch heute schien jemand etwas gegen sie beide zu haben. Es war Weihnachten und sie war ganz alleine zu Hause. Manchmal fühlte sie sich wirklich einsam, aber man sollte ja nicht jammern, denn auch wenn sie zusammen mit ihrem Vater ein kleines Apartment bewohnte, fühlte sie sich wohl bei ihm. Er war der beste Vater auf der ganzen Welt...

Nur heute war sie ein wenig enttäuscht, alleine Weihnachten feiern zu sollen und er hatte sich auch nicht mit dem Handy bei ihr gemeldet. Allmählich befürchtete sie, dass ihm vielleicht etwas zugestoßen war, deswegen stand sie nun auch auf der Brücke und kramte ihr silbernes Handy aus der Jackentasche, um den Versuch zu starten, ihn anzurufen.

~Der gewünschte Gesprächspartner ist vorübergehend nicht erreichbar... The person you are calling is not available at present... Der gewünschte Gesprächspartner ist vorübergehend nicht erreichbar... ~ Das war alles, was ihr eine Frauenstimme mitteilte, weshalb die Grünäugige nach mehrmaligem Hören seufzte und den roten Knopf drückte, um das Gespräch zu beenden.

Es waren nicht gerade viele Autos unterwegs, weshalb man das Heranfahren eines solchen sofort hörte. Das Geräusch der Reifen wurde lauter, bis es vorbei zu rauschen schien, doch abrupt wurde es leiser und hörte schließlich ganz auf. Ein Quietschen war zu hören, weshalb die 15-jährige Schülerin den Kopf zur Seite wandte und zu dem Auto blickte. Eine Frau mit hellbraunen Haaren saß in diesem und winkte das Mädchen zu sich heran. Dieses war so verblüfft, aber da sie sehr hilfsbereit war, ging sie sofort zu dem dunkelblauen Auto hin. Sie schaute direkt hinein, bestimmt wollte diese Frau mit dem netten Lächeln nur den Weg irgendwohin wissen. „Was kann ich für sie tun?“ fragte die Kleine, was die Frau noch viel mehr lächeln ließ.

„Sumimasen! Wo finde ich diese Straße?“ Sie deutete auf einen Stadtplan, so dass sich die Kurzhaarige ihre Haare hinter das Ohr klemmte und den Namen ablas.

„Immer geradeaus, die dritte Straße rechts, dort ist ein Café, das nennt sich Café Poirot. Da ist die Straße, die Sie suchen, gleich rechts.“ Sie wunderte sich kein bisschen, denn in dieser Straße war sie öfter, dort über dem Café wohnte die Freundin des kleinen Bruders einer sehr guten Freundin. Ganz in der Nähe war auch ihr zu Hause, sie wohnte nicht weit weg von diesem großen Anwesen, das die Straße regelrecht in etwas Besonderes verwandelte. Obwohl sie so ein großes Haus bewohnten, waren sie kein bisschen abgehoben. Die Hellbraunhaarige wohnte am Ende der Straße in einer regelrechten Sackgasse, wenn sie aus dieser raus wollte, lief sie automatisch bei den Kudôs vorbei.

„Vielen Dank, du hast mir sehr weitergeholfen, Kleines.“

Die Angesprochene lächelte zurück, sie hatte ein komisches Gefühl bei dieser Begegnung, an irgendwen erinnerte sie diese Frau, sie hatte so ein warmherziges Lächeln, das sie einfach zu ihr hinzog.

„Kein Problem, habe ich gerne gemacht.“

Die Frau kurbelte die Scheibe ihres bescheidenen Autos hinauf und nickte, bevor sie mit ihrem Auto die Brücke verließ und das Mädchen ihr nur nachschauen konnte, was sie auch tat.

‚Was sie da wohl will?’

24. Dezember - Merry Christmas... Teil 2

Nach einem fast fünfminütigen Gespräch hatte Ryochis Mutter eingewilligt, ihre beiden Söhne und Riina zu den Kudôs rüber zu fahren, als Ryochi sie darum gebeten hatte. Er hatte ihr klar gemacht, dass sich Riina ein wenig sorgte und nach dem Rechten sehen wollte. Sie hatte das Mädchen ein bisschen beobachtet, sie telefonierte noch immer und jedes Mal schien sie das Gleiche zu sagen...

„Bitte bleib heute zu Hause, geh nicht mehr weg, es ist schon dunkel und weißt du, ich habe läuten hören, dass wieder ein Serienkiller unterwegs ist. Also bitte, Naru, geh heute nicht mehr weg.“

„Ach, ein Serienkiller... Wie hoch ist wohl die Wahrscheinlichkeit, dass er ausgerechnet mir über den Weg läuft? Wenn man immer nur ängstlich ist, darf man sich ja gar nicht mehr rühren. Ich mache mir darum erst Gedanken, wenn er vor mir steht.“

„Bist du total verrückt? Das nennt sich auch mit dem Leben spielen!“ Riina war stinksauer auf ihre beste Freundin. Wie konnte sie nur so leichtfertig sein? Ihr Vater war gefährlich, wieso kapierte das keiner?

„Hey, dieser Killer spielt mit seinem Leben, wenn er sich an mich rantraut, Riina. Ich bin ausgerüstet, meine beiden Cousins sagen immer, ohne mein Spray soll ich nicht aus dem Haus gehen, das tue ich auch gar nicht, und ich kann mich gut genug verteidigen, du weißt doch, ich war in einem sehr guten Selbstverteidigungkurs. Der Freund meines Cousins Naoya ist ein Karateass, er hat mir einiges beigebracht. Er ist so verdammt männlich und stark, wenn ich mich gegen so einen behaupten kann, dann gegen jeden, ne, Riina-chan?“ Von wem sie genau sprach, wusste die Rothaarige nicht, aber sie hatte das Gefühl, Naru überschätzte sich und unterschätzte diesen Serienkiller.

„Das würde ich jetzt nicht so betonen... Warum wollt ihr alle nicht auf mich hören?“

„Was heißt denn hier alle?“ Naru traute ihren Ohren kaum. Sollte das heißen, dass Riina noch mehrere davor warnte, rauszugehen? Also, das war wirklich extrem, wieso war sie bloß so? Sie war bei weitem nicht so informiert, wie beispielsweise die Kudôs.

„Na ja, alle eben, denen ich sage, dass sie nicht mehr weggehen sollen.“ Die 15-jährige gab ein Seufzen von sich, das sehr bedrückt aber auch etwas genervt wirkte.

„Und das wären wie viele?“ Also, wenn sie es so sagte, interessierte das die Hellbraunhaarige doch ziemlich.

„Mein Gott, meine Freunde! Ich rufe meine Freunde an, um sie zu warnen.“

„Das verstehe ich nicht, Riina, wir alle schauen Nachrichten. Wenn also was los ist, dann musst du uns nicht extra vorwarnen. Ich bekomme gleich Besuch von einer guten Freundin, die mit ihrem älteren Bruder kommt, ich muss mich noch fertig machen, ich bin nämlich eingeladen mit ihnen wegzugehen, du siehst, dass du dir viel zu viele Sorgen machst. Es war nie die Rede davon, dass ich alleine gehen werde“, nun lachte Naru, sie nahm die Sache eben nicht so ernst wie Riina, zumal sie deren Vater auch absolut nicht kannte. Weder hatte sie von ihm gehört, noch war sie ihm begegnet, was wohl auch besser so für sie war...

„Du hast ganz schön viel mit Jungs zu tun, Naru.“

„Er ist kein Junge, Riina, er ist ein Mann, er ist 22.“

„Oh Gott, was? So alt schon?!“ Riina war schockiert von Naru, sie hatte diesen schwärmerischen Ton in der Stimme ihrer Freundin deutlich gehört. „Sag nicht, dass du Interesse an einem 22-jährigen hast?“

Naru musste lachen, Riina klang dermaßen schockiert, dass sie das einfach tun musste. „Hey, ich bin in einem Alter, in dem man schon heiraten darf. Da ich ohnehin keine Eltern mehr habe, und alleine wohne, kann mich ohnehin niemand daran hindern.“ Die 16-jährige ärgerte ihre Freundin, hey, sie würde bald 17 werden, da war es doch wohl nicht schockierend, wenn man schon auf Männer stand. Außerdem waren die Jüngeren bescheuert. Sie hatten nur das Eine im Kopf, so wie dieser Iwamoto, selbst wenn er gut aussah, sie bevorzugte reife Männer, die sich schon ausgetobt hatten...
 

Gerade, als eine Hellbraunhaarige in die Straße einbog, sah sie die rot aufleuchtenden Polizeisirenen. Ganze drei Autos standen in der kleinen Gasse. Sie fragte sich schon, ob irgendetwas passiert sein konnte. In ihrer Wohngegend war es immer weitest gehend ruhig, da passierte selten etwas, was Polizei erforderte.

Als sie näher kam, fiel ihr auf, dass die Polizei direkt vor dem Eingang ihres Zuhauses geparkt hatte, was einfach sofort auffiel, also lief sie schneller und lugte hinein. Alle Lichter brannten, die Tür stand viel zu weit offen und man hörte Diskussionen.

Sie verstand nur wenig, aber als sie die Tür passiert hatte, war das, was die Hellbraunhaarige sehen konnte, einfach nur Chaos. Der Ständer für die Jacken der Gäste war umgefallen, die Jacken, die auf dem Ständer stets gehangen hatten, lagen am Boden. Der Raum war voller Männer, die am Boden knieten und sich im Raum umsahen.

„Was geht hier vor sich?!“ fragte sie dazwischen und sah fragend durch die Runde. Obwohl sie sich Vieles vorstellen konnte, wollte sie es von der Polizei wissen. Dass es sich bei allen Anwesenden um Polizisten handelte, war ihr klar.

Doch die Küche sah noch viel schlimmer aus: Geschirr war zu Bruch gegangen, Weinflaschen zerbrochen und der Inhalt ergoss sich über den Steinboden.

Als sie näher an einen der Ermittelnden heran ging, erkannte sie in ihm einen Verwandten und lief schneller, wobei sie jedoch daran gehindert wurde durch die vielen Scherben zu laufen – ein junger Polizeischüler hielt sie fest. „Du kannst da jetzt nicht hin, Kleine, hier wurde eingebrochen…“ sagte er mit sanfter Stimme und sie schaute zur Seite, direkt in seine Augen. „Koi-chan?“

Der 19-jährige, schwarzhaarige junge Mann hielt sie sehr fest, damit sie nicht noch mehr Unordnung, in das sowieso schon vorhandene Durcheinander brachte.

„Was, wer soll denn bei uns einbrechen?“

„Dein Vater ist reich, da gibt es viele Gründe für einen Einbruch…“ antwortete er und sie schüttelte ungläubig den Kopf. Sie glaubte nicht, dass ihrem lieben Vater jemand etwas Böses tun könnte. Man konnte sagen, sie lebte in einer Wunschvorstellung.

Das rotbraunhaarige Mädchen musste auch nicht zu dem jungen Mann hingehen, er kam freiwillig zu ihr hinüber, sie hatte das Bedürfnis sich etwas hinter Koichiru zu verstecken und hielt sich an seinem Arm fest.

„Wo steckt dein Abschaum von Vater? Treibt er sich wieder rum?“ fragte er in einem unbarmherzigen Ton und schien wütend über etwas zu sein.

„Werd doch nicht gleich sauer, Tokorozawa-san.“ Sie wagte es nicht, seinen Vornamen zu sagen, obwohl sie ihn kannte. Was hatte er nur wieder gegen ihren Vater? Er war doch der beste Mensch auf Erden…

„Ich bin nicht sauer, ich habe dir eine Frage gestellt, und deine Antwort verrät mir, dass du nicht weißt, wo dein eigener Vater sich herumtreibt! NICHT ZU FASSEN! Da lässt er seine Tochter an Weihnachten alleine…“ Das bestärkte seine Annahme nur.

„Ich denke es reicht, Hiroya, sie hat dir nichts getan, also mach sie nicht so an“, mischte sich der Jüngere in die Sache ein und fuhr seinen so genannten Freund scharf an. Was auch immer ihn gebissen hatte, er sollte sich mal etwas zusammen reißen.

„Jüngere haben mir gar nichts zu sagen, ich bin hier der Ermittlungsleiter, sag mir nicht, was ich zu tun oder zu lassen habe…“

„Keiner kann was für eure zerrüttete Familie, das ist ein Fall, keine Familienangelegenheit. Und ob ich jünger bin, spielt keine Rolle. Wichtig ist nur, dass du mal wieder zu stolz bist, zuzugeben, dass man sich nicht so vorbei benimmt! Wenn du so weiter machst, warst du mal Ermittlungsleiter.“

„Sonst noch was, Koichiru?“ Es schien ihn nicht sonderlich zu interessieren, immerhin stand er in der Rangordnung weit unter ihm – Gott er dachte schon wie diese Leute.

„Ja, ich könnte ja mal Yamada-san erzählen, was du hier abziehst. Dass du mit deinem Vater nicht zurecht gekommen bist und dich jetzt in Tokyo befindest, dafür können die ganzen Leute nichts, also reiß dich endlich zusammen!“ Er meinte es im Grunde nur gut, dass Hiroya ein Hitzkopf war, würde er damit wohl nicht ändern, aber er konnte ihm die Hörner, die er auf seinem Kopf trug, zurechtstutzen.

„Können sie sich immer noch nicht leiden?“ fragte Hiroko den um 4 Jahre älteren, dieser schüttelte den Kopf. „Na ja, zwei Sturköpfe eben, und Hiroya lässt sich ja ungern Befehle erteilen, nicht Hiroya? Du solltest dir aber eines merken, Hiroya, hier in Tokyo bist du nicht der Sohn des Polizeichefs, noch ist dein Vater in der Nähe, um dir den Arsch zu retten, vergiss das bloß niemals.“ Koichiru war dieses Affentheater eigentlich leid.
 

Riina hatte nun alle ihre Freunde alarmiert, in ihrer Angst jemandem könnte etwas zustoßen und sie waren auch kurz davor, beim Kudô-Anwesen anzukommen. Sie erreichten es kurz nach halb Neun am Abend, eine unsittliche Uhrzeit für einen Besuch, doch das schien die Kleine keinesfalls zu interessieren, sie war so in Sorge, dass sie vergaß, was sich gehörte und was nicht. Sie stieg als erste hinten aus, noch ehe Ryochi und Sêiichî Anstalten gemacht hatten, es ebenfalls zu tun.

Riina war es auch, die sofort zur Tür lief und klingelte.

Es dauerte für sie eine halbe Ewigkeit, bis endlich jemand die Tür öffnete.

Tatsuji, der schon mit Derartigem rechnete, war es, der zur Tür gegangen war und nun mit einem Seufzen hier stand und den Kopf schüttelte. „Ich hab’s geahnt…“

Was etwas genervt klang, war für Riina eine Trotzreaktion, doch war sie mindestens genauso stur, wie der junge Mann. „Baka-Sushi! Ich kann nicht zulassen, dass dir noch etwas zustößt, du unmöglicher Kerl…“ In ihren Augen standen Tränen, sie war vor Sorge fast umgekommen, was ihm nun doch einen traurigen Blick gab und er ihr mit seiner sanften Hand über ihre roten Haare strich.

„Du bist der Baka von uns beiden, denkst du wirklich, ich würde in jede Gefahr rennen? Du musst mich doch kennen.“

Sie war so erleichtert, dass er hier war, dass sie total übersah, wie überzogen ihre Handlungen auf andere wirkten. Sêiichî hatte nämlich schon die Arme vor dem Körper verschränkt und beäugte den augenscheinlich Älteren mit strengen Blicken, er musterte ihn ganz genau und fragte sich, wer das wohl war. Er würde sie wohl gleich danach fragen, um seine Neugierde zu befriedigen.

Riina schmiss sich an Tatsuji und drückte den Kopf gegen seine Brust, da sie um einiges kleiner war.
 

Zwei in etwa gleichaltrige Mädchen saßen auf kleinen Kissen und tranken Tee. Sie musste ihre Freundin aufmuntern, sie schien über etwas verärgert und machte den Anschein, ein wenig deprimiert zu sein, also begann die Schwarzhaarige ein Gespräch, in dem sie sie zu besänftigen versuchte. „Mach nicht so ein Gesicht, er wird sich bestimmt noch melden… Er hat mich schließlich hierher geschickt.“

„Lass uns den Tee austrinken und dann spazieren gehen, mir ist danach.“ Naru wollte nicht über den jungen Mann reden, er hatte sie versetzt und schickte ihr stattdessen seine Schwester zur Unterhaltung, der Typ war echt unmöglich, das hielt sie aber noch immer nicht davon ab, ihn zu mögen – sehr sogar.

Als vorhin seine Schwester an der Tür geläutet hatte, war sie aufgesprungen und hatte ihn erwartet, sie hatte fest damit gerechnet, dass er es war, dann in ihr Gesicht zu sehen, war wie ein Schlag mit der berühmten Bratpfanne.

„Naru, es ist spät… Wir befinden uns in einer Großstadt, das kann gefährlich sein“, erwiderte die Schwarzhaarige, was Naru die Augen rollen ließ.

„Ich kann das nicht mehr hören… Um diese Uhrzeit passiert in diesem Stadtteil nur sehr selten etwas und selbst wenn, Hiroya hat mir beigebracht, wie man sich verteidigt, warum also sollte ich Angst haben? Du kannst auch gerne hier warten, ich kann alleine auf mich aufpassen, du musst nicht mitkommen, wenn du Angst hast, Kimiko.“

Naru stand auf und wollte sich schon auf den Weg machen – alleine.

„Chotto matte!“ rief man ihr nach und auch die um ein Jahr Jüngere stand von ihrem Platz auf, um ihr nachzulaufen. Sie beobachtete Naru dabei, wie sie sich ihre Jacke anzog und auch ihre Schuhe überstülpte. „Was denn? Ich warte nicht auf einen Vollidioten, dem was anderes wichtiger ist, der kann mich mal… Ich hätte jetzt Lust auf Karaoke, du kannst aber auch gerne hier warten, ist kein Problem, ich lasse dir einen Schlüssel hier.“

„Spinnst du? Ich lass dich nicht alleine gehen!“ Schon hing dieses kleine Etwas an Narus Arm und sie musste lächeln. „Was, willst du mich jetzt beschützen, oder wieso hängst du da, Baka?“ Sie stupste ihr gegen die Stirn und ließ ihr einen Schmolllaut entfahren. „Du bist blöd, Naru!“

Obwohl die Schwarzhaarige wusste, was Hiroya davon halten würde, ging sie mit Naru, sie wollten Spaß haben, wieso nicht? Sie war aus dem Alter raus, in dem sie sich von ihrem Bruder jeglichen Spaß verbieten ließ – er war manchmal ziemlich gemein zu ihr, aber meistens nur aus Sorge.

Die beiden Mädchen verließen das Haus und machten sich auf den Weg mitten ins Vergnügen. Außerhalb war es viel lebendiger, sie wohnte in einem recht ruhigen Stadtteil, dabei liebte sie das Leben da draußen.
 

Mittlerweile war es schon sehr spät geworden, Sêiichî hatte kein Wort gesprochen, er saß einfach nur auf der Couch, hatte die Beine übereinander geschlagen und die Arme vor der Brust verschränkt – kurzum, er wirkte ziemlich bockig. Sein Schweigen war wie die Ruhe vor dem Sturm.

Es schien alles in Ordnung zu sein, Riinas übermäßige Sorge passte ihm nicht in den Kram, er schmollte sogar, dass man ihm so wenig Beachtung zukommen ließ. ‚Nimmt die mich überhaupt noch wahr? Jetzt hat sie nur noch Augen für diesen Kerl…’ Er schnaufte einmal extrem, als wolle er Aufmerksamkeit erregen, was Tatsuji bemerkte, so dass der Braunhaarige seinen Blick auf den jungen Mann richtete, der da saß, als würde er gleich platzen vor Eifersucht. Hatte der sie eigentlich noch alle? Sie war doch viel jünger als er, was für Schwachheiten bildete er sich wohl ein?

Als Ryochi ihm mit dem Ellenbogen einen Stoß versetzte, weil er einen Furcht einflößenden Eindruck machte, ignorierte Sêiichî es gekonnt, es war ihm so egal, wie abweisend es aussah.

Er saß ziemlich am Rand und hatte die Hand schon in die Couch gekrallt, nur ganz ruhig bleiben, er wollte hier keinesfalls anfangen zu stänkern.

„Also, ich werde nun mal nach Hause gehen… Hat mich doch sehr gefreut…“ Tatsuji lächelte Riina zu, in dem Moment sah Ryochi wie die Hand seines Freundes beinahe das Sofa ruinierte, zumindest hätte man meinen können, er tat es, so fest wie er hinein krallte. Äußerlich war er kühl, aber diese Handlung sagte etwas anderes, er war ziemlich geladen. Man, war der eifersüchtig, wenigstens wusste er jetzt mal, was so manches Mädchen wegen ihm hatte durchmachen müssen, hatte er doch verdient. Wehe er würde sich hier aufspielen.

„Ich werde dich begleiten…“

Es reichte – in dem Moment als Riina das sagte, sprang er auf und Ryochi zuckte minimal zusammen, befürchtete er doch gerade das Schlimmste, dass Sêiichî schreien würde, aber weit gefehlt. „Viel Spaß, ich will jetzt ins Bett… Ich gehe auch!“ Er verbeugte sich einmal vor Shinas Familie und diese verspürte nicht die Lust dazu, sich das Grinsen verkneifen. Hatte er etwas nicht verkraftet – och der arme Sêiichî, sie hätte wirklich beinahe gelacht.

„Kommt überhaupt nicht in Frage, du bleibst hier!“ meinte Ryochis Mutter und Sêiichî warf ihr einen Blick zu, dass man beinahe Angst bekam.

„Ach und wieso, wenn ich fragen darf? Und ich will jetzt nichts von irgendwelchen Scheißkillern hören! Diese elende Besorgnis stinkt mir nämlich gerade, ich will einfach nur nach Hause in mein Bett – alleine sein!“

Und nun sprach er so mit seiner Mutter, war ja nicht zu glauben. Ryochi musste tief Luft holen, aber er hielt ihn nicht davon ab, zur Tür raus zu marschieren. Reisende sollte man nicht aufhalten und es tat ihm wahrscheinlich ganz gut, wenn er mal etwas nachdachte.

Riina bemerkte nun auch endlich mal Sêiichîs schlechte Laune und blickte zu Ryochi. „Was hat er denn jetzt?“

„Er ist rasend eifersüchtig, weil du ihn so wenig beachtest und dich auch noch mit einem anderen gut verstehst“, grinste Ryochi, während Riina zu schmunzeln anfing.

„Baka… Aber so süß.“

Ryo fasste sich an den Kopf, das glaubte er nun echt nicht…

Auch Yukiko fand es nicht sehr angebracht, nun auch noch laut zu werden. „Das ist nicht süß, das ist unmöglich! Was für ein Benehmen und das in fremdem Hause, ich kann es nicht glauben, dass das Sêi-chan sein soll, er hat sich sehr verändert.“

Ryochi versank im Boden, er schämte sich gerade sehr für seinen Freund, der sich nicht im Griff hatte. „Sumimasen!“ Er entschuldigte sich an Sêiichîs Stelle, weil es ihm so furchtbar peinlich war, wie er sich aufführte.

„Das ist nicht deine Aufgabe, dich für ihn zu entschuldigen, Ryo-chan“, meinte Yukiko und hatte wohl schon gleich eine Knuddel- und Knutschattacke vor, so dass Ryochi ein wenig auf Abstand ging, aus dem Alter war er nun echt raus.
 

Sêiichî war froh, diesen Typen nun endlich nicht mehr sehen zu müssen, wütend war er allerdings noch immer und kickte einen Kieselstein vor sich hin. „Ich kann den nicht leiden… Er tut so auf supernett… Ich kann das nicht leiden, und wie er um sie herum geiert, ist ja widerlich…“ Dass er bei Chris noch viel schlimmer agierte, das bedachte er nicht.

Ganz in der Nähe hörte er Stimmen, die ihm bekannt waren, also versteckte er sich hinter einer Mauer und lauschte ein bisschen. Aber wer lange Ohren machte und Leute belauschte, die etwas beredeten, musste damit rechnen, Dinge zu hören, die ihm gar nicht gefielen.

„Dann geht Iwamoto also in deine Klasse, das ist doch nicht wahr… Nehmt euch bloß vor ihm in Acht, er ist nicht so harmlos, wie er aussieht, er ist ein ganz schlimmer Finger…“ Sie glaubte nicht, dass er dazu gelernt hatte, denn das Mädchen, dessen Stimme Sêiichî bestimmt nicht so schnell vergaß, war längere Zeit mit ihm liiert gewesen und hatte auch noch sein damals schlimmstes Geheimnis erfahren – mit diesem Geheimnis hatte sie wohl gerade vor Hausieren zu gehen, oder wie sah es aus? Und dann noch ausgerechnet mit Naru sprach sie über so was, sie würde doch sofort mit Riina darüber reden… Wie man es auch drehte und wendete, er hatte Angst davor, dass sie zu viel plauderte und alles am Ende noch aufbauschte. Frauen waren eben so, wenn sie mal verletzt wurden, übertrieben sie gleich maßlos. Seiner Meinung nach hatte sie das ja auch schon damals getan. Dass man ihn ohrfeigte, das hatte er nun echt nicht verdient.

„Inwiefern schlimmer Finger? Ich lasse mich sowieso nicht täuschen, ich habe sofort bemerkt, dass er ein ziemlich großer Macho ist.“

„Macho ist untertrieben, Naru, sehr untertrieben…“

Die Hellbraunhaarige war ganz Ohr, das klang ja spannend, was für Sachen hatte dieser Kerl abgezogen, dass sie das sagen musste?

„Dafür gibt’s keine Worte… Ich kann dir nur erzählen, was er getan hat, dieser Vollidiot!“

Naru bemerkte, wie die Schwarzhaarige langsam sauer wurde und machte große Augen. „Los, erzähl!“

Nein, nein, nein, sie sollte das um Himmels Willen für sich behalten, was wurde das? Wollte sie ihre Freundin vor ihm warnen? Herrje, die konnte ihn doch ohnehin nicht leiden. Aber er hatte gerade nicht den Mumm, sich in das Gespräch einzumischen. Man würde bemerken, dass er Leute belauschte und beide würden ihm wahrscheinlich sonst was erzählen. Naru war – er fand sie interessant, keine Frage – manchmal etwas Furcht einflößend. Und beide auf einen Schlag, das wollte er sich doch am liebsten ersparen.

„Na, er ist fremdgegangen, und das nicht nur eins oder zweimal…“ Die 16-jährige schloss die Augen, es tat weh daran zurückzudenken, es war einfach nur grausam gewesen, was er getan hatte. Und er konnte von Glück reden, dass ihr Bruder nicht alles mitbekommen hatte, er hätte Sêiichî bestimmt umgebracht.

„Er steht auf ältere Frauen, mit denen ist er in Lovehotels gegangen. Meistens gegen Abend, wenn es schon dunkel war. Saki Niiza und Sojuro Tatsuno haben ihn mal dabei erwischt… Ich wollte es ja nicht glauben, aber als ich es dann mit eigenen Augen gesehen habe, fühlte ich mich doch ziemlich bescheiden. Sêiichî scheint das normal zu finden, das Wort Treue existiert nicht in seinem Wortschatz, denn ich bezweifle, dass er weiß, was das ist, geschweige denn, dass er weiß, was Liebe ist. Er ist einfach ein Vollidiot… Er kann furchtbar nett sein, man mag ihn sofort, aber im Nachhinein…“ Ein Seufzen war von ihr zu hören. Die Enttäuschung schien wohl sehr groß zu sein.

„Dann stimmt’s also… Das Gerücht ging schon in unserer Klasse umher. Vielleicht steigert das sein Selbstwertgefühl, dem würde ich nicht nachtrauern…“

„Wenn das so einfach wäre… Aber er hat das Talent sich in die Herzen der Menschen einzuschleichen, mit seiner gesamten fürsorglichen Art. Er war der verständnisvollste Mensch, den ich kannte und von so jemandem betrogen und belogen zu werden… Soll er sich doch seine Liebschaften nehmen. Wenn es ihm Spaß macht, aber ich will nicht, dass du auf ihn reinfällst, deswegen habe ich es dir auch erzählt.“

„Keine Sorge, ich kenne da schon jemanden… Aber dem erzähle ich etwas, wenn er aufkreuzt. Er hat mich einfach sitzen lassen… Der kann was erleben, glaub mir.“

„Lass dir nur nichts gefallen… Aber Moment…“ Sie erhob sich. „Du bist in meinen Bruder verschossen? Bist du von allen guten Geistern verlassen?!“ Sie schüttelte Naru, um Gottes Willen, jetzt drehte sie wohl vollkommen durch!

„Ja, schon lange, schüttel mich nicht so…“

Sêiichi stand noch immer um die Ecke, er seufzte tief. Ihre Worte hatten ihn getroffen, auf irgendeine unscheinbare Weise. ‚Glaubt sie, dass ich noch mal so blöd bin…? Ich habe mir nichts dabei gedacht, ich habe Liebe und SEX mit irgendwelchen Frauen getrennt, aber es war wohl etwas viel des Guten, ich wusste gar nicht, dass sie selbst mich gesehen hat, ich dachte, sie hätte anderen mehr geglaubt, als mir…’ Das brachte ihm jetzt aber auch herzlichst wenig, vergangen war vergangen und er hatte eine neue Freundin, an der er sich nun die Zähne ausbeißen konnte.

„Was heißt da schon lange?“

„Na, schon seit er mich vor dem Ertrinken bewahrt hat, was sonst?“ Naru musste lächeln, für einen Moment vergaß sie sogar, dass sie sauer war.

„Tickt ihr noch ganz sauber?! Ihr habt sie jawohl nicht alle!“

Gerade wollte Kimiko sich noch äußern, da fuhr sie jemand von hinten an und sie sprangen ein ganzes Stück von der Bank weg, auf der sie gesessen hatten.

Naru hatte sich so erschrocken, dass ihr fast das Herz stehen blieb.

„Was schreist du so rum?! Man, hast du mich erschreckt! Wer hier wohl spinnt!?“ Bei aller Liebe, das ließ sie sich nicht gefallen.

„Ihr lauft doch nachts auf Tokyos Straßen rum… Ich hab euch gesucht, verdammt noch mal! Ich dachte, dass euch vielleicht was zugestoßen ist, als ich vorhin bei dir ankam, Naru… Und dann ist keiner da… Ich habe schon an Entführungen gedacht!“

Er warf auch seiner Schwester einen ernsten Blick zu. „Hab ich dir nicht gesagt, ihr sollt auf mich warten? Ihr seid schlimmer, als kleine Kinder! Ich habe Vater versprochen, auf dich aufzupassen, und du machst so was! Wie immer eben! Das ist ja nichts Neues! Wärst du ein braves Kind, wäre dir die Sache mit Iwamoto erspart geblieben! Wenn ihr von fremden Männern angefallen werden wollt, dann macht so weiter!“

Er behandelte sie wie kleine Kinder, sie waren keine kleinen Kinder, was fiel ihm ein. „Was soll das jetzt wieder? Lass deinen Frust woanders raus, es war meine Idee…“

Kaum hatte Naru das ausgesprochen, flog ihr Hiroyas Hand entgegen und er traf sie doch recht hart auf der Wange, so dass sie ein ziehender Schmerz durchfuhr. Ohne dass sie es verhindern konnte, brannten ihre Augen und Tränen stiegen in diese. „Bist du jetzt glücklich? Du spinnst doch!“ Sie drehte sich herum. „Ich finde den Weg alleine!“

Ihm war die Hand ausgerutscht, er schluckte und sah ihr nach, wie sie wegrannte.

Ganz eindeutig sah man, dass sie nun weinte, dabei war Naru nun wirklich keine Heulsuse, die wegen jeder Kleinigkeit weinte. Als sie außer Reichweite war, fuhr Kimiko ihren Bruder an, der so eine Blindschleiche war. Und so einer war bei der Polizei…

„Du bist so ein Hornochse… Erst lässt du sie Stunden lang warten und dann ohrfeigst du sie noch… Du hast von den Gefühlen einer FRAU keine Ahnung!“

Sêiichî schlich sich langsam davon, er wollte nicht von ihm gesehen werden, das hätte ihm gerade noch gefehlt. Was hatte der Kerl schon wieder für eine Laune, war er schon wieder von der Organisation geärgert worden, oder was war los?

Hiroya blickte seine Hand an, er hatte richtig zugeschlagen in seiner grenzenlosen Wut. „Ach, halt den Mund, du verstehst gar nichts!“

„Wie?“

Hiroya ließ seine Schwester stehen, das war vielleicht sehr dumm von ihm, aber er dachte nicht nach, zumindest nicht rational, geschweige denn vernünftig, er wollte die Sache nur nicht so stehen lassen. Wie konnte er sie schlagen, das war unverzeihlich… Seine Beherrschung war nicht sonderlich ausgeprägt, seit er bei diesem Fall gewesen war und den Braten gerochen hatte, er würde in Tokyo eine Menge Arbeit haben, das war schon mal sicher – sie schienen ein Nest in dieser Gegend zu haben. Es war ihm nun ganz Recht, dass man ihn hierher verfrachtet hatte.
 

Naru war einfach los gerannt, bis sie eine rote Ampel daran hinderte. Sie blieb stehen und atmete keuchend. Die Hellbraunhaarige war noch nie in ihrem Leben vor jemandem geflüchtet, zumindest bis zum heutigen Tag.

Damit rechnen, dass er ihr nachlaufen würde, tat sie nicht, weshalb es für sie schockierend war, seine Stimme im nächsten Moment hinter sich zu hören.

„Gomen!“

Einen schnippischen Laut von sich gebend, drehte sie den Kopf halb zu ihm herum und sah ihn, wie er seine Arme um sie legte und sie auf einmal an ihn gezogen wurde. „Was wird das?“

„Bist du eigentlich so ein Baka, oder tust du nur so? Der Gedanke daran, dass dir etwas zustoßen könnte, bringt mich fast um… Ich will nicht, dass ihr zwei um so eine Uhrzeit ganz alleine ohne Schutz hier draußen rumlauft. Die Welt ist voller Schufte.“

Was dachte er sich? Sie war doch kein kleines Mädchen, das sich nicht verteidigen konnte.

„Keine Sorge… Der Schuft, der sich mir nähert, hat nichts Gutes von mir zu erwarten, der kann sein blaues Wunder erleben.“ Sie war zuversichtlich und glaubte wirklich daran, dass ihr niemand etwas anhaben konnte, während er sie aus genau diesem Grund noch fester an sich drückte.

„Sei nicht so naiv! Nicht jeder lässt sich durch etwas Selbstverteidigung beeindrucken!“ Sein Griff hatte etwas Besitzergreifendes und sie überlegte schon, ob sie versuchen sollte, sich zu lösen. Seine starken Arme drückten sie so fest an sich, dass sie sich kaum rühren konnte.

Hiroya dachte an diesen Chardonnay und dass heute sein Tag war – sein Tag sich für sein missratenes Leben zu rächen. Er würde jeden, der ihm über den Weg lief, Grausames antun, das war sicher. Und Naru und Kimiko liefen bei Nacht draußen in der Kälte rum, noch dazu in solchen Ecken, wie dieser. Er war einfach ausgetickt, weshalb er sich bei ihr entschuldigte, ihr ins Gesicht geschlagen zu haben.

„Wieso kannst du nicht hören? Willst du, dass man dich anfällt? Ich kann dir gerne mal zeigen, wie man das macht.“ Wenn man ihr Angst einjagen musste, würde er auch das tun…

Hiroya hatte es nicht nett gesagt, obwohl er es nett meinte – viel mehr hatte seine Stimme etwas furchtbar Heimtückisches und Grausames.
 

Währenddessen fröstelte seine Schwester vor sich hin, sie saß auf der Bank und wartete auf die beiden, die jetzt wohl viel zu besprechen hatten.

Zur gleichen Zeit hatte sich ein schwarzhaariger Mann im Alter ihres Bruders schon sehr nah an seine Beute heran geschlichen, als er plötzlich Schritte hörte, die ihn nach rechts gucken ließen.

Mit leicht wütend funkelten Augen nahm er zur Kenntnis, dass er wohl von seinem kleinen Opfer würde ablassen müssen – solange dieser Typ in der Nähe war.

Er legte seine Hand auf ihre Schulter und sie guckte überrascht, fast erschrocken hoch.

„Was machst du denn bitte schön um so eine Uhrzeit hier? Wo ist dein Bruder?“

„Hey, Koichiru – der ist deiner Schwester nach. Und wehe der entschuldigt sich nicht, dann kann er was erleben – elender Kotzbrocken.“ Sie seufzte, manchmal war er einfach nur kalt und herzlos – wie konnte Naru sich bitte in ihn verlieben? Sie war doch nicht so dämlich, wie sie selbst bei Sêiichî, oder? Oder war es ihrer aller Schicksal, durch solche Männer zu leiden, um dann zu erkennen, wie sehr sie sich in ihnen getäuscht hatten? Sie war sicher, dass ihr Bruder sie enttäuschen würde, er hatte es nicht so mit Gefühlen, schon gar nicht mehr für irgendwelche Frauen. Das einzige Gefühl, was er wirklich zuließ, war sein Hass. Dieser hatte die Liebe, die einst in ihm wohnte, verdrängt.

„Da sagst du was…“ Koichiru konnte ihr nur beipflichten, was ihr Bruder heute wieder abgezogen hatte, war das Letzte und jetzt war er noch widerlich zu seiner Schwester. „Wir sollten sie besser suchen, bevor er wieder vollkommen ausflippt und ich ihm dann die Visage polieren muss!“ Er schnappte nach ihrer Hand und zog sie von der Bank weg und geradewegs hinter sich her. „Wo sind sie lang gegangen?“

„Das ist die falsche Richtung… Naru ist hier lang!“ Kimiko zeigte zum Ausgang des Parks, in dem sie sich aufhielten.

„Gut, aber mal eine Frage“, er blickte sie ein klein wenig verstimmt an, irgendetwas gefiel ihm an der Sache nicht. „Warum seid ihr in dieser Gegend? Ich meine, hier laufen jede Menge Idioten rum, außerdem sind hier so viele Kneipen…“

„Wir wollten uns amüsieren.“

„Ihr gehört um so eine Uhrzeit nicht hierher, da quatschen euch nur Penner an! War das ihre Idee?“ Na ja, er kannte seine Schwester, wahrscheinlich hatte es sich genau so abgespielt, manchmal war sie so ein Dummkopf. Immer wollte sie allen beweisen wie stark und angstlos sie war. Seit ihre Eltern gestorben waren, war es schon so. Naru hatte nicht geweint…
 

Der schwarze Schatten bewegte sich und verfolgte die beiden mit dem Blick. Warum war er nicht eher hier vorbei gekommen? Heute war doch sein Glückstag, an diesem Tag wäre es ihm sehr leicht gefallen, diesem Polizist zu schaden, der ihm immer wieder in die Quere kam. Der 21-jährige hatte die Demütigungen nicht vergessen. Es musste für den Kerl eine Wonne sein, zu erfahren, dass er auf der Gegenseite des Gesetzes stand und er ihn wie Dreck behandeln konnte. Dazu hatte er doch nur einen Grund gesucht, damals als er davon erfahren hatte, was mit seiner älteren Schwester passiert war – diese war von ihm – dem Schatten – nämlich mehrmals betrogen worden. Er war sich keinerlei Schuld bewusst und konnte ihren Bruder nicht verstehen, der einen heftigen Streit angefangen hatte. Sie waren noch so jung gewesen – fast Kinder. Was nicht hieß, dass er sich geändert hatte. Im Gegenteil, er war der größte Macho aller Zeiten und stolz darauf.

Seine kleine persönliche Rache reichte ihm noch nicht. Er wollte mehr, ihn am Boden liegen sehen. Doch das war nicht einfach, dieser Kerl neigte dazu, einfach die besseren Karten zu haben und wenn man es genau betrachtete, so war er ihm Stärketechnisch nicht gewachsen. Hiroya war es, der Kenichi jagte, nicht umgekehrt, wie der Boss es wohl gerne gehabt hätte. Er wartete so sehnsüchtig auf den Befehl, ihn abzuknallen, doch war dieser bisher immer ausgeblieben. Er würde ihm alle Mörder, die er schätzte, auf den Hals hetzen – hätte er es denn gedurft. Leider war er seinem Boss gegenüber zu loyal, um die Initiative zu ergreifen.
 

In der Zwischenzeit befand sich Naru mit dem Rücken gegen einen Laternenpfahl gedrückt wieder und versuchte Hiroya von sich zu drücken, der sie massiv bedrängte. „Lass mich jetzt endlich los, ich denke, du hast genug Freude daran gehabt!“ Aus der Ferne sah es aus, als würde er dem Mädchen sonst was antun, dabei zeigte er ihr nur, wie schwach sie doch war. Sie wollte ja nicht hören, also musste sie fühlen.

Er bekam nie genug. Gerade in diesem Augenblick stellte er sich vor, jemand würde das ernst meinen. Sie war doch noch ein unschuldiges Mädchen. Leute wie dieser Jami, für den wäre sie ein gefundenes Fressen, aber in dem Punkt war er nicht besorgt, sie würde diesen Kerl kein Stück an sich ranlassen – er war keiner, der Frauen so anfasste, wenn sie es nicht zuließen und das würde sie auch nie. Allerdings sollte keiner je überhaupt in Versuchung kommen, sie irgendwie anzufassen. „Na, und du willst dich wehren können!? Du bist nur ein 16-jähriges Schulmädchen, ein kleines Mädchen, verstehst du? Ein erwachsener Mann wird spielend mit dir fertig, Kleines! Das ist die Realität!“
 

„Wa-Was zum Teufel gedenkst du da mit meiner kleinen Schwester zu tun?!“ raunte jemand Hiroya von hinten an und er zuckte eine Millisekunde zusammen. Und dann wurde er doch sehr überraschend in den Haaren gepackt, was ganz schön zwickte. Er selbst griff nach der Hand, die ihn geschnappt hatte und versuchte sie aus seinen Haaren zu lösen.

„Das verstehst du vollkommen falsch, Koichiru!“

Doch im nächsten Moment hatte der Jüngere ihn nicht nur weggezerrt, sondern ihm einen Kinnhaken verpasst, weshalb Hiroya auf dem Boden landete, aber gleich wieder am Kragen hochgezogen wurde. Zorn spiegelte sich in Koichirus Augen wider. „Du Scheißkerl, wie kannst du es wagen, meine Schwester anzurühren?“

„Sie will angerührt werden!“

Entsetzt von den Worten seines Freundes, und dass er trotz blutiger Lippe noch so widerlich grinsen konnte, dass er fast austickte, zitterte er am ganzen Leib. Er hatte das Bedürfnis ihn zu ermorden, jedenfalls zu diesem Zeitpunkt.

„Wenn du ihr auch nur noch einmal zu nahe kommst, bring ich dich um!“ drohte er dem um 3 Jahre älteren Mann, wobei seine Stimme passend dazu bedrohlich klang, man musste ihn einfach ernst nehmen. Der 22-jährige scherzte nicht…

„Dann sag deiner verdammten Schwester, dass es DUMM ist, um diese Uhrzeit hier rumzulaufen! Da kann sie sich auch gleich den Wölfen zum Fraß vorwerfen, das dumme Mädchen!“

Und nun sagte er noch, seine Schwester war dumm. Vielleicht war seine kleine Schwester einfach nur enttäuscht, dass er sie links liegen gelassen hatte, wer war daran dann also schuld?

„Mach sie nicht so runter! Keiner beleidigt meine Schwester! Wenn sie also so ein dummes Mädchen ist, dann lass sie einfach in Ruhe!“

„Oni-san“, hörte man mit einer lieblichen Stimme, dass es einfach nur komisch klang, irgendwie ironisch. „Du bist - so ein verdammtes Ekel! Ich kann nicht glauben, dass du mein Bruder sein sollst! Du bist bei weitem schlimmer als Iwamoto je sein könnte! Selbst er hätte sich nie so vorbei benommen!“ Kimiko schnaufte, er machte sie einfach nur wütend. Ihr Vater hatte ihm wohl die Gehirnzellen weggeprügelt, oder wie war das zu verstehen? Mittlerweile war er noch viel schlimmer, als ihr kontrollsüchtiger Vater, nach dessen Pfeife jeder tanzen sollte. Und Hiroya kam nicht gegen ihn an – war darin vielleicht sein Problem verborgen? Weil er gegen ihn nicht ankam, ihm unterlegen war, behandelte er alle anderen so? Und dann sagte er so was in Anwesenheit ihrer Freundin. Sie tat ihr wirklich Leid, wie konnte sie sich nur so in ihm täuschen? Er war ein riesengroßes Rindvieh. Merkte er nicht, wie sehr er sie damit verletzte?

„Hast du sonst noch was auf dem Herzen, Koichiru?“

„Ja…“ Der Angesprochene warf Hiroya gegen die Laterne, was diesem wohl nicht sehr beeindruckte. „Ich nehme deine Schwester mit nach Hause, sie schläft heute bei uns, denn bei dir zu übernachten ist ja lebensgefährlich. Du Blödmann hast sie einfach alleine sitzen lassen… Du hast jawohl ein Rad ab, Freundchen. Du solltest dich was schämen. Statt auf sie aufzupassen, amüsierst du dich damit, dich an meine Schwester ranzumachen!“

Hiroya war es allmählich ganz schön leid, sich das alles anhören zu müssen, vielleicht hätte Koichirus Vater ihm mal Respekt beibringen sollen – am besten mit einer Tracht Prügel, die hätte er für seine frechen Worte durchaus verdient. „Wer hat dir das erlaubt, sie mitzunehmen?“

„Ist immerhin besser, als wenn sie bei ihrem unfähigen Bruder bleibt! Denk mal drüber nach! Und wage es ja nie mehr, in die Nähe meiner Schwester zu kommen!“

Er lächelte zu Naru, sein Blick hatte sich Schlag auf Schlag in die Nettigkeit in Person verändert. „Lass uns gehen, Imouto-chan.“

Seine Schwester schien gar nicht so sehr davon begeistert. „Oni-chan, bitte beruhig dich… Hiroya ist eben ein Holzkopf.“

„Kimiko… Wie oft habe ich dir gesagt, dass du mich nicht Oni-san nennen sollst, es heißt… ONI-SAMA!“ Das letzte Wort brüllte er ihr förmlich entgegen.

Koichiru holte mehrfach Luft, was in einem Lachkrampf endete. „Oni-sama? Wie lachhaft ist das denn? DAS hättest du wohl gerne. Lasst uns hier abhauen, da verpestet jemand die Luft, er ist ja abgehoben! Pass bloß auf, Hiroya, dass du nicht irgendwann mal ganz tief fällst. Mit deinem ganzen Benehmen machst du dir nämlich nicht gerade wenig Feinde… Achte besser darauf, dass deine Freunde dich nicht irgendwann mal so verabscheuen, dass du keine mehr hast.“ Es war eine Warnung, auch er hatte dieses Verhalten dermaßen satt, dass er sich fragte, was er mit so einem Freund sollte.

„Nicht mal deine kleine Schwester hast du im Griff.“

Dieses Mal war es nicht Koichiru, der sich wegen der Worte mit Hiroya anlegte, sondern Naru. Es war längst überfällig, also traf ihn ihr Schlag besonders überraschend, er hatte nicht damit gerechnet, dass sie so etwas tun würde. Der Schmerz dieser Berührung saß ihm tief in den Knochen. Sie hatte, sie hatte wirklich. Geohrfeigt hatte dieses freche Stück ihn. Jeden anderen hätte er dafür jetzt wohl ziemlich verprügelt, wenn man ihn geschlagen hätte, er stand jedoch still wie eine Salzsäule da und hörte ihren Worten zu – auf gewisse Weise mit stiller Faszination.

„Niemand hat mich im Griff, merk dir das!“

Der junge Mann war sprachlos, kein Wort kam von ihm, was ihm nun überhaupt nicht ähnlich sah.

„Du hast Recht, lass uns gehen, Oni-chan.“

Die kleine Dreiergruppe ließ Hiroya stehen, dieser wagte es im Moment auch nicht ihnen nachzulaufen. Es sah ihm nicht ähnlich, war aber eine typische Reaktion darauf, dass Naru ihm eine Ohrfeige verpasst hatte. Er ließ seine eigene Hand über seine Wange gleiten – sie schmerzte ungeheuerlich. Was für ein Schlag, er war beeindruckt davon, wie hart sie doch zugeschlagen hatte. Und dann grinste er. ‚Freches Stück…’
 

Sêiichî hatte alles mitangesehen und war doch ein kleines bisschen froh, dass ihn diese Wut nicht getroffen hatte. Sowohl Hiroyas, als auch die der beiden Geschwister. Bei so einem Bruder konnte Naru ja nur so sein, wie sie nun einmal war. Und er fand sie ungemein interessant.
 

Naru hatte unheimliche Wut im Bauch. Was bildete der sich eigentlich ein? Wären sie nicht schon auf dem Weg, hätte sie ihm wahrscheinlich noch einmal eine gedonnert.

„Dass ihr mir nicht noch mal um so eine Uhrzeit draußen rumlauft, ihr Zwei. Wenn ihr weggehen wollt, dann sagt’s mir, ich gehe gerne mit.“

Naru war einfach nur ärgerlich, sie zog beleidigt einen Schmollmund. „Baka yaro!“

„Ach, Imouto-chan, nimm es dir doch nicht so zu Herzen, er ist eben so.“

‚Natürlich nimmt sie sich das zu Herzen, Baka… Sie hat mir vorhin erzählt, was sie von ihm hält.’ Man hörte die Schwarzhaarige seufzen.

„Warum lasst ihr euch von ihm runterziehen, ihr beiden? Er braucht mal wieder etwas zum Abreagieren, er sollte Boxen gehen.“ Koichiru ging es nun viel besser, nachdem er seinem Ärger Luft gemacht hatte.

„Was meintest du vorhin eigentlich?“ wechselte Kimiko das Thema, sie waren bei ihrem Gespräch leider nicht sehr weit gekommen. „Was hat mein Bruder heute wieder gemacht, was dich sehr geärgert hat?“

„Er hat schon wieder auf Hirokos Vater herumgehackt, und sie damit ziemlich verletzt. Er denkt nicht an die Gefühle anderer, wenn er ihnen einfach sagt, was er von bestimmten Leuten hält. Er ist darin so radikal, dass es mich ziemlich angekotzt hat. Es wurde nämlich bei ihnen aus irgendwelchen Gründen eingebrochen. Ihren Vater konnten wir nicht erreichen, das hat Hiroya so angenervt, dass er pampig geworden ist – aber wenn er so weitermacht, werde ich unserem Vorgesetzten Bericht erstatten. Es kann nicht angehen, dass er tut, was er will. Dazu hat er doch gar nicht das Recht, dadurch hebt er nur noch mehr ab. Was ist bloß in ihn gefahren? Er war nicht immer so mies drauf.“

„Er hat sich in den Kopf gesetzt, Michirus Tod zu rächen – dass ihr Mörder bereits tot ist, legt ihm ziemliche Steine in den Weg. Dass er es nicht mehr kann, macht ihn fertig.“

„So ist das…“ Man merkte an Koichirus Aussage, dass man ihm das niemals erzählt hatte.

Naru klemmte sich unter Koichirus Arm und lehnte den Kopf an ihn. „Da kann ihm keiner helfen, oder? Vielleicht sollte er eine Frau finden.“

„Zwecklos… Oder es war einfach die Falsche, die es versucht hat.“ Kimiko wurde bei dem Gedanken einfach nur schlecht. Nee, das war wirklich nicht die Richtige für ihn gewesen. Seine Letzte, so etwas hatte er dann auch wieder nicht verdient. „Komm nicht auf irgendwelche Ideen, Naru. Er muss da alleine rausfinden, da kann ihm keiner helfen, auch du nicht.“

Koichiru gab ein Lachen von sich. „Denkst du, meine Schwester spielt mit dem Gedanken, die Frau, die ihm hilft, zu spielen? Ach bitte… Wie kommst du auf das schmale Brett.“

„Sie hat eine zu ausgeprägte Fantasie.“ Narus Augen wurden zu Schlitzen, nicht dass sie ihrem Bruder noch auf irgendeine Weise mitteilte, was sie wusste. Das hätte ihm wohl überhaupt nicht gefallen. Besser er wusste nichts davon.

„Wenn es nur meine Fantasie ist, dann ist ja gut.“ Unwillkürlich musste sie an Hirokos Leben in Kyoto denken, es war ihr nicht gut dort gegangen, mit der ganzen Familie um sich herum. Im Grunde gab sich keiner mit ihr ab – außer sie selbst, bis sie diesen schrecklichen Streit gehabt hatten, was sie noch immer bedauerte, da sie kurze Zeit später überraschend nach Tokyo gezogen waren. Aber vielleicht war es gut so, wenn sie mit ihrem Vater so weit weg wohnte. Er war ihr ein und alles und ein wirklich toller Mann, wie konnte man ihn so verachten? Er hatte eben nicht geheiratet, sondern widmete sich einzig und alleine seiner Tochter – er verdiente wirklich Respekt und er hatte ihr vollstes Mitgefühl, wo man ihn immer so gemieden hatte. Ihr Vater hatte mal gesagt, er gehörte nicht zur Familie, dabei war er der leibliche Bruder ihrer Mutter. Und sie hatte nichts dazu gesagt. Wieso ließ sie sich das gefallen?

„Ano… Naru… Hast du Kontakt zu Hiroko? Hast du nicht mal erzählt, dass sie auch immer noch Volleyball spielt?“

Naru war etwas überrascht wegen der Frage und guckte sie verwirrt an. „Ja, tut sie, warum fragst du?“

„Lass das besser, ich glaube nicht, dass sie so begeistert davon wäre. Als sie gehört hat, dass Sêiichî mit dir zusammen war, hat sie gemeint, dass ihr gleich schlecht wird. Das, was da in Kyoto passiert ist, ich glaube nicht, dass da was zu retten ist.“

Koichiru schüttelte den Kopf. „Irgendwie verhält sich Hiroko mir gegenüber seltsam… Mhm…“

Naru und Kimiko sahen sich an, aber keine von ihnen verstand, was er damit meinte…
 

Die Polizei war mittlerweile gegangen und hatte alle Spuren gesichert, trotzdem verspürte Hiroko nicht das Bedürfnis in dieser Wohnung zu sein. Und von ihrem Vater fehlte bisher immer noch jegliche Spur. Das hatte er noch nie getan. Sie hatte mittlerweile Todesangst, dass ihm etwas passiert sein könnte – wo er doch der einzige aus ihrer Familie war, zu dem sie noch Kontakt hatte.

Sie ahnte ja nicht, welches Szenario sich gerade in diesem Moment abspielte. Sie war vollkommen ahnungslos, wusste nicht, weshalb Hiroya so einen starken Groll gegen ihren Vater hegte. Aber das sollte sie – zu ihrem Bedauern – noch früh genug erfahren…

11. Januar - Erstens kommt es anders und zweitens schlimmer

Weihnachten war der erste Tiefschlag. Der Zweite würde folgen – ohne, dass sie es ahnten.

Angefangen hatte es damit, dass Riina spurlos verschwunden und Sêiichî zutiefst beunruhigt gewesen war, so dass er sogar mit Kōji darüber geredet hatte. Es stellte sich heraus, dass ein Freund aus Amerika sie verschleppt hatte, wie Sêiichî noch behauptet hatte. Er sei sogar ihr bester Freund, hatte sie gesagt, aber es sei nichts passiert. Das wollte er ihr mal so glauben. Während sie sich um diese Kleinigkeiten Gedanken machten, fehlte von einer Klassenkameradin jegliche Spur.

Der Januar begann mit Fehlzeiten, doch da es sich um jemanden handelte, den kaum einer leiden konnte, außer merkwürdige Typen – Naru würde Sêiichî wohl zu ihnen zählen – ignorierte man das. Nur Sêiichî blickte immer wieder auf den leeren Schülerplatz und fragte sich, was mit ihr los war. Nach zwei Wochen fragte er direkt einen Lehrer, der ihm auch nichts Weiteres sagen konnte. Außer, dass ihr Bruder sie entschuldigt hatte. Er sei von außerhalb zu Besuch, um seine Schwester zu pflegen. Ihre Eltern waren auf Geschäftsreise, da musste er sich um die Kleine kümmern.

Obwohl man ihm versicherte, der junge Mann würde sich gut um Schwesterchen kümmern, ließ ihm die Sache keine Ruhe und er entschloss sie zu besuchen. Also machte er sich des Nachmittags auf den Weg zu ihr. Ryochi mochte sie nicht und auch bei den Anderen war sie wenig beliebt. Nachdem sie Sêiichî in der Vergangenheit schon beinahe gestalkt hatte, würde keiner verstehen, dass er sie trotzdem besuchen wollte.

Seine Versuche auf sich aufmerksam zu machen, wurden ignoriert. Er klingelte und klopfte mehrmals, fast zehn Minuten lang, doch niemand öffnete ihm.

Ein Postbote, der zufällig vorbeikam, entschloss schließlich den Jungen aufzuklären.

„Junger Mann, Sie werden hier niemanden antreffen“, sagte er und Sêiichî drehte sich zu diesem herum.

„Wie meinen Sie das?“

„Hier hat sich vor einigen Tagen ein regelrechtes Drama ereignet, es war schrecklich.“

„Wie? Was ist hier denn vorgefallen?“

„Einbrecher haben sich ins Haus geschlichen und den Bruder von Niiza-san brutal hingerichtet.“

„Wie bitte?“ Der Schwarzhaarige rannte zu ihm und wirkte sichtlich aufgewühlt. „Und wo ist sie jetzt?“

„Die Nachbarn sagten mir nichts Genaueres, nur dass sie unter Schock stünde und sich im Klinikum befindet. Sie mussten sie psychologisch betreuen. Sind Sie ein Freund?“

„Ein Klassenkamerad. Danke für die Auskunft.“ Brutal hingerichtet – automatisch taten sich ihm blutige Bilder vor dem geistigen Auge auf. Er dachte über diese Sache eine Weile nach und entschied nachzuforschen, um herauszubekommen, in welchem Klinikum sie war. Dort würde er sie auf jeden Fall besuchen und ihr sein Beileid aussprechen. Soweit ihm bekannt war, hatte sie ein sehr enges Verhältnis zu ihrem Halbbruder. Allein die Vorstellung, dass seinen Geschwistern so etwas Grausames angetan werden würde, ließ es ihm ganz schlecht werden. Nicht einmal seinen richtigen Bruder wollte er brutal hingerichtet sehen. Wenn er gewusst hätte, wie bald sie sich wiedersehen würden, hätte er den Gedanken an ihn vermieden…

 

Am Nachmittag hatte Sêiichî das Krankenhaus ausfindig gemacht, in dem sie lag. Völlig abgeschottet; er durfte nicht einmal zu ihr. Völliger Zusammenbruch hörte er die Ärzte sagen. Wenn er etwas herausbekommen wollte, fand er das immer raus, auch wenn sie nicht redeten. Er belauschte die Ärzte. Einer von ihnen kam ihm schon von Weitem bekannt vor, doch hatte er ihn noch nicht in einem Arztkittel gesehen. Er ging nicht etwa hin, sondern belauschte auch ihn, da sie bei weitem noch nicht so bekannt miteinander waren, wie sie es noch werden würden…

„Die Sache scheint dich ganz schön mitzunehmen. So etwas passiert öfter, als du glaubst, Ashida-san. Den Verletzungen zu urteilen, hat sie versucht sich zur Wehr zu setzen, da ist er völlig ausgetickt und hat sie wie ein Vieh im Keller gehalten. Du musst unbedingt behutsam mit ihr umgehen. Finde erstmal raus, was ihr noch so fehlt. Sie redet kein Wort, so traumatisiert ist sie. Du bist doch ein sehr einfühlsamer Mensch, vielleicht findest du noch ein bisschen mehr heraus. Schade, dass die ihn sofort getötet haben…“ Was genau hinter diesen Worten steckte, wusste Sêiichî zu dem Zeitpunkt nicht, der junge Mann jedoch wusste es. „Na, wenigstens ist der Perverse nicht mehr da, um ihr noch mehr anzutun“, sagte er nachdenklich und nickte dann. „Ja, ich kümmere mich drum, immerhin handelt es sich um eine Verwandte, einer unserer Leute.“

„Ich verlass mich auf dich“, sagte er wenig später und ließ ihn allein zurück. Der Blick, den er ihm hinterherwarf, hatte etwas Seltsames, als hätte er was zu verbergen.

Sêiichî würde behaupten, dass er diesem Typen, der dabei getötet worden war, keine Träne nachweinte, es kein bisschen bedauerte. Nachvollziehbar. Er selbst war einfach nur geschockt. Ihm war Yoshio ein paar Mal in Kyoto begegnet. Aber, dass er seiner Schwester etwas antun würde, hätte er nicht geglaubt.

Kurz, bevor der 21-jährige zu ihr ins Zimmer gehen konnte, sprach er ihn doch an.

„Was für ein Zufall.“

Erschrocken drehte sich der Angesprochene herum und staunte ebenfalls nicht schlecht, war aber höchst misstrauisch.

„Was machst du denn hier? Zufall? Daran glaube ich nicht.“ Schon gar nicht, wenn diese Zufälle mit Personen zu tun haben, mit denen Vermouth zu tun hat. Er lächelte freundlich und ließ sich nichts weiter anmerken.

„Was machst du hier im Krankenhaus wirklich?“

„Eine Bekannte – ich hatte mich schlau gemacht. Sie ist seit Tagen verschwunden. Die Nachbarn haben mir dann erzählt, dass ihr Bruder eiskalt umgebracht wurde. So, wie sie klangen, war es ein einziges Massaker, richtig brutal. Saki Niiza ist ihr Name, weißt du mehr darüber?“

„Wie kommst du darauf?“ Sofort blockte der junge Arzt ab, er wollte nicht über diese Geschichte reden. Hat der uns belauscht? Gefiel ihm nicht, er ließ sich nicht gern ausspionieren.

„Ist das nicht ihr Zimmer?“

„Der Arzt hat Anweisung gegeben, dass niemand – ich betone – niemand – außer das Krankenhauspersonal zu ihr darf. Sie ist in keinem guten Zustand. Bitte geh jetzt wieder.“

„Kann ich nicht doch kurz zu…“

„NEIN!“ fuhr man ihn scharf an. „Geh!“

Kenichi öffnete die Tür und schloss sie direkt vor der Nase des Anderen.

„Also wirklich… Was läuft hier für ein Spiel ab?“

Er entschloss jemanden zu fragen, der ein bisschen williger sein würde, zu reden – zumindest glaubte er das in diesem Moment. 

 

Zu seinem Leidwesen hatte sie das Hotel gewechselt und er musste zunächst einmal sich bei ihr melden, um zu erfahren, wo sie sich im Augenblick aufhielt. Zwar schaffte er es, ein Treffen mit ihr zu arrangieren, aber gleich, als er sie traf, hatte er das Gefühl, sie war mit den Gedanken irgendwo, aber keinesfalls anwesend hier bei ihm.

„Was hast du gesagt, Sêiichî, kannst du was wiederholen?“ Er stöhnte genervt, das konnte ja nicht ihr Ernst sein?

„Ich fragte, ob du die Okitas kennst?“

„Sagt mir gar nichts“, antwortete sie, blickte aus dem Fenster, wobei sie wirkte, als würde sie einen bestimmten Punkt fixieren, aus welchem Grund auch immer. Ihr Gesicht war gelangweilt abgewendet von ihm und er hatte irgendwie das blöde Gefühl, dass sie ihn belog.

Ich habe Jami im Krankenhaus angetroffen“, sagte er jetzt.

„Aha.“

„Was, aha? Er wollte mich nicht zu meiner Klassenkameradin lassen, ist das denn zu glauben?“

„So etwas soll vorkommen, da musst du nicht gleich beleidigt sein.“

Jetzt schenkte sie ihm ihren Blick und sah ihn mit einem Lächeln an. „Also, was wolltest du Wichtiges?“

„Mit dir über die Okitas reden.“

„Kenne ich aber nicht. Dann können wir ja zu einer anderen Sache kommen.“

„Willst du mich verkohlen?“ Es ärgerte ihn, da sie sein Problem als etwas Unwichtiges abtat, nur weil die Dame den Namen nicht kennen wollte.

„Jami hat mich total angefahren, nur weil ich zu einer Klassenkameradin wollte. Was soll das denn? Da läuft doch irgendeine faule Sache. Was vertuschen die?“

„Wenn Jami dich angefaucht hat, liegt das wohl daran, dass dich diese Sache nichts angeht, Cognac!“ Der Satz ärgerte ihn noch viel mehr, immerhin hatte er vor gegen diese Organisation vorzugehen.

„Der Bruder meiner Freundin soll brutal abgeschlachtet worden sein… Ich will wissen, wieso!“

‘Damn it! No! You better not know more about this matter! Why you always need to stick your nose into the matters of other people?’

Sêiichî wusste instinktiv, dass sie etwas verbarg, schließlich handelte es sich um einen ihrer Leute. Genau das hatte der Arzt zu Jami schließlich gesagt. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie nicht mehr darüber wusste.

„Die Organisation wird ihr aber nichts antun, Chris, oder? Wenn sie eine Angehörige eines Mitglieds ist, dann… oder?“

War das sein einziges Problem? Sie seufzte. Sêiichî würde Weiteres verhindern wollen, oder nicht? Sie konnte nicht zulassen, dass er sich in so etwas einmischte.

‚Tja, Jami als Frauenkenner wird es schon herausfinden, ob man ihr etwas antun muss, oder nicht. Auch ohne, dass du mehr weißt, muss es ja nicht so weit kommen. Ich bin sicher, dass er eher nicht verraten wird, ob sie mehr über die Karasuma Corp. weiß. Er soll ihr Vertrauen gewinnen und aus ihr herausquetschen, was sie weiß, ob es uns schaden oder nützen wird. Du bist jung, du wirst für Gerechtigkeit kämpfen wollen. Du gerätst da nur unter die Räder, weil du nicht stillhalten kannst. Okita jedenfalls hat seine gerechte Strafe bekommen. Am Ende findest du diese Strafe noch zu hart. Dann hat man einen Perversen eben abgeschlachtet. Was interessiert uns das? So etwas braucht man nicht auf dieser Welt.‘ Sêiichî war einfach zu jung, um das schon zu verstehen, dass das Gesetz manchmal nicht gerecht war. Sie glaubte zu wissen, wer für diese Ermordung gesorgt hatte. Die Organisation bedauerte es noch nicht einmal, höchstens, dass sie nicht mehr herausfinden konnte, ob er seiner Schwester irgendetwas verraten hatte.

<“Sie hat es nicht gesehen, dafür wurde gesorgt… Der Mistkerl wurde nicht vor den Augen seiner Schwester gefoltert und danach erlöst. Aber eines kann ich dir sagen, es war brutal und der Gnadenstoß auch wirklich eine Erlösung.“>

Ihre Ärzte hatten sie im Krankenhaus behandelt, da sie ein reiches Mädchen war. Man würde schon irgendwie Verwendung für sie finden. Dafür, dass man sie aus den Fängen ihres Bruders befreit hatte, musste sie jedenfalls auf Lebenszeit dankbar sein. Ob sie es war, konnte man nicht sagen. Wenn sie nichts über Karasuma wusste, dann würde man sie wahrscheinlich auch nicht einweihen, es sei denn sie war zu etwas Großem nutze.  

Vermouth wusste ganz genau, welche Art von Leuten in dieser Sache involviert waren. Nur, weil sie Sêiichî mochte, musste sie ihm nicht ihr gesamtes Wissen mitteilen.

„Komm nicht auf die Idee, Jami zu nerven und zu bedrängen. Das kann er nicht ausstehen“, warnte sie ihn, in der Hoffnung, dass einmal seine Vernunft siegte.

„Juckt mich das?“

„Natürlich nicht – du bist irre. Man muss sich aber nicht überall einmischen, das macht einem nur Ärger, Sêiichî. Tu mir den Gefallen und versuch nicht mehr über ihn rauszufinden.“

„Warum sagst du das so? Das klingt, als gäbe es da einiges zu erfahren.“

„Über jeden gibt es Dinge. Menschen mit Geheimnissen können nicht leiden, wenn man bei ihnen rumschnüffelt, also lass das!“

„Ist er so gefährlich, dass seine Geheimnisse herauszufinden, mit dem Tod bestraft wird?“

„Die Gefahr besteht, immerhin hast du auch etwas zu verbergen. Wenn man deine Geheimnisse versucht herauszufinden, guckst du auch dumm aus der Wäsche. Lass ihn einfach zufrieden.“

„Er soll mich einweisen, allein deswegen will ich mehr von ihm wissen. Zum Beispiel seinen Namen. Den kennst du doch sicher, nicht? Wenn wir zusammenarbeiten wollen, möchte ich, dass du ehrlich zu mir bist.“ Ehrlichkeit hatte nichts damit zu tun, ob man redete oder schwieg, jedenfalls nicht in ihrer Welt.

„Eines möchte ich klarstellen. Ich verrate meine Kollegen nicht an Schnüffler, auch nicht an dich.“

Sêiichî grummelte und sah sie verärgert an. „Wunderbar, also kannst du Jami leiden?“

„Genug, um nicht alles über ihn auszupacken, nur weil du so neugierig bist.“

„Der Arzt hat ihn angesprochen, aber ich habe den Namen nicht richtig verstanden… Es war irgendwas mit -da am Ende. Kannst du mir nicht wenigstens seinen richtigen Namen sagen? Dann kann ich allein mehr rausfinden und du musst nicht reden.“

Chris begann zu lachen und schüttelte den Kopf. „Du kannst ja mal Jami fragen, wie er heißt. Wenn du Glück hast, verrät er es dir. Wenn nicht, tja, dann eben nicht.“ Ihr Gesicht zierte ein Grinsen, überlegen und fast ein wenig gehässig. Ihren richtigen Namen verriet man ja auch nicht an jeden Spinner, nur weil der ein bisschen nett war. Denen würde sie was husten.

Sêiichî wusste, dass hier einiges faul roch. Am Ende kannte er diesen Kerl noch irgendwoher. Die Welt war kleiner, als man glaubte. Er war allerdings richtig beleidigt, dass sie nicht reden wollte.

„Ich frage dich nie wieder was.“

„Hell yes. Du gehst mir nämlich ganz schön auf die Nerven mit deinen vielen Fragen. Hör endlich auf so offensichtlich in der Organisation Interesse an allem zu zeigen – damit schaufelst du dir dein Grab!“

Das waren die letzten Worte, die sie ihm noch zukommen ließ. Er war so angefressen, dass er nicht mal Lust hatte, sie anzuflirten oder sonst was zu tun. Nicht einmal bleiben wollte er.

Sie war echt erleichtert, als er aufgebracht endlich vom Stuhl aufsprang und sie noch einmal wütend ansah, bevor er mit einem „BYE!“ die Tür zuschlug.

„Immer diese jungen Wilden“, sagte sie seufzend – ihr Problem war nicht, dass sie glaubte Jami würde ihm irgendetwas zuleide tun. Eher befürchtete sie, dass die sich noch verstehen würden. Das würde nicht gut ausgehen…

 

Nicht nur Sêiichî interessierte sich brennend für den Fall. Auch die Polizei. Da es sich um einen Fall in der Region Tokyo handelte, war es schon verblüffend, wenn sogar Kriminalisten aus anderen Regionen außerhalb auf einmal Interesse zeigten. Da der Polizeipräsident bereits wusste, um welche Leute es sich handelte – denn er kannte einen, der ihn informierte – wurde dieser Fall top secret gehandelt. Die Presse interessierte sich auch immens für diesen – doch diese bekam genauso wenig Informationen wie die Schule, auf die die Schülerin ging.

Der junge Kriminalist hatte zu seinem Pech keine hohe Position, er war nur der Sohn eines Hochrangigen. Da hatte Takeshi Akaja leichtes Spiel.

Zwar war der 22-jährige mehr als schlecht gelaunt, als er wiederkam, aber seine Schwester wunderte sich nicht darüber. Ihr Bruder war der festen Überzeugung, dass er mit seiner Aussage etwas erreichen könnte und der Polizei von Tokyo sogar behilflich sein könnte, aber er war nur auf taube Ohren gestoßen.

„Die sind so dämlich, Yuri, die wollten mir nicht mal zuhören. Da läuft ein gefährlicher Killer rum, da sollten sie dankbar um jedes Wort sein. Frechheit, wie die mich behandeln. Ich soll Beweise bringen, wenn ich mich schon an den Ermittlungen beteiligen will. Das gibt’s doch gar nicht. Ich weiß, wer dieses Blutbad angerichtet hat. Sind die denn blind?“

„Blind wahrscheinlich nicht, aber unwissend“, sagte die 24-jährige und versuchte ihren zornigen Bruder zu beruhigen.

„Na, noch schlimmer. Die sind nur erfolgreich, weil man so wenig über sie weiß!“

„Reg dich nicht so auf.“

„Doch, ich rege mich auf. Über Vollidioten tue ich das immer. Kein Wunder, dass die Schwarze Organisation immer noch das tut, was sie will.“

„Manche Fälle bleiben besser ungelöst“, sagte sie kühl, doch sie stieß nicht gerade auf Verständnis.

„Was soll der Scheiß? Auf wessen Seite stehst du eigentlich?“ ranzte er sie an und sie blickte runter. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, schließlich nahm sie jemanden nicht in Schutz, von dem sie mehr wusste, als dass er ein Mörder war.

„Ich war im Krankenhaus, Hiroya. Die Schwester von Giró ist traumatisiert, so sehr, dass eine Befragung wirkungslos wäre. Sie redet mit keiner Menschenseele. Takuya Iwasaki hat sich in den Computer gehackt – die Kleine wurde vorsorglich aus dem Haus gebracht, ehe sie sich an Giró vergangen haben. Die hatten kein Interesse daran, ihr etwas anzutun. Das hat ihr Bruder bereits zur Genüge. Bestimmt waren diese Leute nur halb so schlecht, wie du glaubst.“

„Sag mal, hast du sie noch alle? Das Haus ist ein Schlachtfeld gewesen. Egal, was dieser Typ mit seiner Schwester getan hat, findest du, das rechtfertigt derartige Grausamkeiten?“

Yuriko begann zu zittern und dann wurde sie richtig laut. „Ob ich sie noch alle habe? Zu wissen, dass dein Freund jemanden umgebracht hat reicht aber, um ihn mutwillig zu verletzen?“

„Spinnst du? Wir Kriminalisten dürfen Menschen anschießen, wenn sie nach verübter Tat versuchen zu fliehen!“ schleuderte er zurück.

„Dir macht es aber Spaß, ihm wehzutun! Ähnlich ging es diesen Leuten garantiert auch, als sie ihn verletzten!“

„Wirfst du mich gerade mit eiskalten Killern in eine Schublade?“

„Wenn du es genau nehmen willst, ja!“

Hiroya holte aus und knallte ihr kräftig eine.

„Der Typ hat versucht mich umzubringen – hast du sein Grinsen im Gesicht gesehen, mit welch einer Genugtuung er die Waffe gezogen hat? So einem muss man Angst einjagen, nichts anderes steckt dahinter!“

„Natürlich – es ist auch nicht so, dass er Abschaum wäre, du bist bloß Kriminalist. Dir ist ja erlaubt, zu schießen, ihm nicht!“

„Er scheißt auf Gesetze, damit lasse ich ihn nicht davonkommen, egal wie lange ich ihn kenne.“

„Ohne mich, da mache ich nicht mit! Du kannst dich allein mit ihm bekriegen!“ Sie sprang aus dem Auto, so wütend machte sie das. Er leugnete also, dass es ihm Freude bereitete, ihn zu erniedrigen und dass er sich für etwas Besseres hielt, nur weil er eine Waffe tragen durfte? Yuriko hatte genug gehört. Ihr Wissen war ausreichend, um all das nicht gut zu finden. Es war das erste Mal, dass sie ihn so anpflaumte. Gutes Zureden brachte nichts. Ihr Bruder hatte einem 17-jährigen ins Bein geschossen, ohne zu wissen, was ihn in die Organisation geführt hatte.

Vielleicht war es dumm von ihr – wer wusste das schon – auch jetzt noch an das gute Herz von Menschen zu glauben, die sie schon als Kind gekannt hatte. Aber sie wollte nicht wahrhaben, dass einer von denen in der Lage wäre ihren Bruder zu töten. Vielleicht war er von Hass und Neid angetrieben, weil sein Leben den Bach runtergegangen war. Dass er seine Eltern so früh verloren hatte, dass er jede Hand nahm, die ihm gereicht wurde. Auch die von Bösewichten, die ihn nur benutzen wollten. Als Handlanger oder als wer weiß was ihnen noch einfiel? Sie wussten doch mittlerweile, dass sich diese Organisation gerne an Rettungsmissionen beteiligte, nur um dann Gegenleistungen zu verlangen. Deswegen studierte ihr alter Freund ja nun Medizin. Als Gegenleistung für die Scheiße, die er so trieb? Eine Scheiße, die darin enden würde, dass man ihn für immer einsperren würde. Nur, weil er dumm und naiv in jedem einen Retter sehen wollte, der sich um die Dinge kümmerte, mit denen sonst kein normaler Mensch etwas zu tun haben wollte…

Irgendwer musste ihn stoppen, aber doch nicht mit roher Gewalt… Ein Appell ans Gewissen brachte bei einigen Verbrechern etwas, sie schwor darauf, dass auch er so jemand war. Um sich selbst zu vergewissern, musste sie ihn nur erst einmal zur Rede stellen.

 

23:55 Uhr – kurz vor Mitternacht. Früher schaffte er es nicht. Überstunden waren an der Tagesordnung, auch 40 Stunden Dienste musste man einkalkulieren. All das wusste er bereits. Auch in der Klinik war man nicht davor gefeit, bis zur absoluten Erschöpfung zu arbeiten. Er war so froh, seine Schicht hinter sich zu haben. Manchmal glaubte er sogar, dass er einem derartigen Job nicht gewachsen war, aber er hatte sich schon immer irgendwie durchgeschlagen, egal, was ihm auch bevorstand. Am liebsten wollte er mit dem Taxi fahren, so übermüdet war er. Beim Öffnen seines Autos fiel ihm sogar einmal der Schlüssel runter. Wie ungeschickt, wie unaufmerksam und fahrlässig. Als er sich zu seinem Schlüssel runterbeugte, hörte er das Laden einer Waffe.

„Keine Bewegung!“ Er hielt inne, als er die Stimme hörte.

„Ganz schlechter Scherz“, sagte er belustigt, völlig angstfrei. Das wurmte die Person, dass er sie nicht ernstnahm.

„Es ist keiner. Du tust jetzt haargenau das, was ich dir sage.“

„Ach ja, wirklich?“ Ob wohl er davon wusste?

„Du steigst jetzt ins Auto, dann fahren wir gemeinsam zu deinem Apartment.“

„Wow – könnte mir sogar gefallen.“ Derartige dumme Sprüche zu klopfen, darin war er fast schon Weltklasse.

Er wendete sich ihr zu, die ihn wild entschlossen mit ihrer Pistole bedrohte. „Dazu musst du mich nicht bedrohen, das weißt du schon? Zu Frauen bin ich meistens nett, es sei denn, sie verdienen es nicht.“

„Nur für den Fall, dass wir gesehen werden – es wäre schließlich sehr dumm von dir, dich mit mir erwischen zu lassen, ganz egal, welch einen Ruf du dir da auch angeeignet hast.“ Sie verzog nicht die Miene, auch nicht wegen seines Spruchs. Dabei musste sie doch wissen, dass er seine Worte teuflisch ernstmeinte.

„Ich bin ein ganz normaler Mensch nach der Arbeit – die Kanone könnte eher seltsam wirken. Man könnte denken, du wüsstest etwas über mich, also nimm sie besser weg. Dann darf ich dich auch im Auto mitnehmen.“ Seinem netten Lächeln traute sie nicht, sie kannte viele seiner Seiten, auch die total hinterhältige.

„Steig ein und keine Faxen!“ sagte sie, ihn weiter bedrohend. Er seufzte bei so viel Verbohrtheit .

„Ich kann nicht fassen, dass du so etwas tust“, meinte er, spielte dann aber dieses Spiel mit. Sein Blick war umhergeschweift, kontrollierend, ob er irgendwo ein paar seltsame Gestalten sehen konnte. Denn die könnten sie dann verfolgen und die junge Frau noch direkt in seinem Auto erschießen, nur weil sie befürchteten, er sei ihr ins Netz gegangen. Manchmal waren sie so radikal. Nicht jeder und nicht alle, aber genügende.

‚Was ist bloß aus dir geworden, mhm? Hat Hiroya geschafft, dir einzureden, dass du mich bedrohen musst, damit ich überhaupt willig bin, ein Wort mit dir zu wechseln? Ich war damals total in dich verknallt. Meinst du echt, ich tu dir einfach so was?‘ Es war irgendwie ja schon verletzend.

Er fuhr aus der Parklücke, während ihre Waffe auf seine Schulter zeigte.

‚Wenn ich wollte, würde ich dich entwaffnen und auf dem Rücksitz knebeln. Andere würden dich da noch vergewaltigen, bevor sie dich töten. Meinst du, dass wir so dämlich sind, uns von so einer törichten Kriminalistin einsacken zu lassen?‘ Vermutlich wusste sie es nicht besser. Dass sie bei ihm noch an einen netten Kerl geriet. Der Brutalität verabscheute und ihr nicht gleich aus Spaß Todesangst einjagen würde.

Es war kaum zu fassen, dass sie ihn wohl noch vom Auto bis in die Wohnung mit der Waffe traktieren wollte. Er hatte angehalten und machte keinerlei Anstalten auszusteigen. Wenn er wollte, biss sie auf Granit. Dann mal sehen, wie weit sie wirklich bereit war zu gehen. Hiroya würde im Zorn auf ihn schießen, wenn er nicht gehorchte, so war er eben. Sie konnte doch niemandem ernsthaft was antun.

„Na los, steig aus!“

„Wenn die Nachbarn das sehen, halten sie dich noch für geisteskrank. Ob du für die Polizei arbeitest, oder nicht… Ich bin echt beliebt in dieser Gegend, keiner würde je auf die Idee kommen, dass ich was angestellt haben könnte, also nimm jetzt endlich das Ding runter, weil du dich damit nur lächerlich machst.“ Mit ähnlichen Worten hatte er auch schon die Wut ihres Bruders entfacht. Weil er sich auf der sicheren Seite sah, schließlich konnte niemand ihm auch nur einen Mord nachweisen, nicht wahr? Das war ihrer aller Trumpf: Im Zweifel für den Angeklagten.

„Du bist ein widerlicher Scheißkerl, was ist aus dem netten Jungen geworden, der du einst warst?“

„Widerlicher Scheißkerl?“ amüsierte er sich. „Meinst du? Also, ein widerlicher Scheißkerl würde jetzt sagen, dass der nette Junge von der bösen älteren Schwester seines besten Freundes um den Verstand gebracht wurde. Ach, stimmt, das ist noch zu nett ausgedrückt…“ Wie wenig er sie ernstnahm, würde sie noch merken. Und zwar in dem Moment, als er herumschnellte und sie zucken ließ. Bei der schnellen Bewegung wäre es am gesündesten gewesen, die Waffe, die sie geladen auf ihn richtete, auch zu benutzen. Seine Hand landete direkt neben ihrem Gesicht und er kam dicht an sie.

„Du denkst wohl Männer haben grundsätzlich nicht die geringsten Gefühle. Kein Wunder, du bist die ältere Schwester eines Kerls, der keine Gefühle besitzt. Wie solltest du ein anständiges Männerbild auch nur kennen. Vater ein Trinker, Schläger und Fremdgänger. Um dich herum sind echt nur Scheißkerle. Ich wünschte, du würdest deinem Deppen von Bruder verklickern, dass er keinerlei Chance gegen uns hat, damit ich nicht immer auf ihn schießen muss. Stattdessen lauerst du mir auf und reißt alte Wunden auf. Du willst den netten Jungen wiederhaben? Dann tu gefälligst was dafür, ansonsten kriegst du weiter den Scheißkerl, Idiotin!“

„Du meinst, das beeindruckt mich? Glaubst du, dass ich wegen deines Geschwalls die Waffe runternehme?“

„Herzchen…“ Seine Hand griff die Waffe und er sah sie mit einem ernsthaft verstimmten Blick an. Er sah, dass ihre ganze Hand nur so zitterte und sie sich beinahe vor Angst in die Hose machte. „Das Ding bringt dir nichts, wenn du nicht bereit bist, zu schießen…“ Gegen Ende war die Stimme ruhiger und sanfter geworden, mit einem Hauch Sorge. „Hat dir dein blöder Bruder nicht gesagt, wie gefährlich ich bin? Dass man mich wehrlos machen muss. Mit ein bisschen Training schaffst du das auch.“

„Du bist ja krank“, sagte sie entsetzt. „Meinst du, dass mir das Spaß macht?“

„Bestimmt nicht. Nimmst du sie jetzt runter?“

Yurikos Waffe wurde losgelassen und sie ließ die Hand sinken. Zwar zögerlich, aber sie tat es.

Ihr Bruder wäre bestürzt, zu wissen, dass sie in seinem Auto saß und mit ihm sogar in seine Wohnung wollte. Der Kerl hätte Schiss um ihre nicht vorhandene Unschuld. Er hatte eben keine Ahnung, bestimmt glaubte er noch an den heiligen Geist. Seine Schwester würde niemals etwas mit einem Kerl wie ihm anfangen.

„Braves Mädchen. Jetzt darfst du mit rein“, sagte er mit einem Schmunzeln und zwinkerte ihr zu. Sie hatte ziemliche Wut im Bauch, weil er jetzt noch mit ihr flirtete und sich darüber amüsierte, wie er sie kleinbekommen konnte, nur weil sie nicht gewagt hatte, gleich zu schießen.

Sie gingen in seine Wohnung, wie alte Schulfreunde es tun würden. Als er die Tür hinter sich schloss, machte sie den Anschein doch irgendwie Unbehagen zu spüren.

‚Ja klar, ich bin so ein Frauenheld, da muss man ja Schiss kriegen, dass ich noch in der Tür über sie herfalle. Herrje…‘

„Ich will dir nichts Böses, wirklich nichts. Aber du solltest endlich mit diesem Kleinkrieg aufhören. Jetzt, bevor es zu spät ist. Wenn du so weitermachst, wirst du dafür am Ende am Galgen hängen.“

„Ach, wieso denn?“ fragte er ketzerisch mit einem Lachen. „Hast du eine Ahnung, mit was du es zu tun hast? Wir kommen doch mit allem davon.“

„Meinst du, ja? Du warst damals ein kluger Junge, wie kannst du an so etwas nur glauben? Die Justiz schläft nicht. Eines Tages schnappen sie dich. Und dann? Wenn du ein bisschen Reue zeigst, kommst du vielleicht milde davon.“

„So?“ So eine dumme Frau. Sie wusste nicht das Geringste. Kein Wunder, ihr Wissen baute auf der Idiotie ihres Bruders auf. „Habt ihr denn den geringsten Beweis gegen mich in der Hand?“ Sein Grinsen wurde teuflisch, fast etwas triumphierend, weil alles, was sie wussten, Mutmaßungen waren.

„Reicht es nicht, dass wir dich mit einer Pistole gesehen haben? Du hast keinerlei Befugnis eine zu benutzen. Und… Wie passt das zusammen? Medizinstudent mit Waffe? Irgendwie pervers, nicht? Allein wegen unerlaubten Waffenbesitzes bekommen wir dich dran!“

„Bei meinen guten Beziehungen komme ich da mit einer Geldstrafe raus. Weiter? Noch was? Hah… ich werde alles leugnen, darauf kannst du bauen. Du kannst also die Sorge wegstecken… Das, was ihr da gesehen habt, waren Spielzeugpistolen. Die würden deinen Bruder paranoid nennen und ihn aus dem Verkehr ziehen. Ups.“  Er schritt auf sie zu und lächelte ihr charmant zu.

„Machen dir diese kranken Spielchen mit ihm auch noch Spaß?“ Yuriko sah ihn traurig an, er glaubte aber auch noch etwas anderes in ihren Augen zu versehen – Verachtung.

„Was glaubst du?“

„Du weißt doch, wie sensibel er ist.“

Kenichi prustete los bei so viel Naivität. „Sensibel, dein Bruder? Dass ich nicht lache.“ Jetzt wurde er ärgerlich. „Verdammte scheiße, ich bin auch sensibel!“  fuhr er sie an, so dass sie zusammenzuckte. „Der und sensibel, der hat schon in der Grundschule alle Schwachen immer gehänselt und sogar die jüngeren Mädchen in den Dreck gestoßen. Wie kann er auch nur im Geringsten sensibel sein, wenn er Menschen so behandelt? Als er rausgekriegt hatte, dass ich dir hinterherschaute, hat er mir angedroht, mich in den Arsch zu ficken! Voll sensibel!“  Allein die Wortwahl – nichts davon war sensibel. Yuriko schämte sich für ihren Bruder, für seine manchmal raue Art und Weise, wenn er wütend wurde.

„Das kannst du doch nicht ernstnehmen. Er spuckt große Töne, das ist alles!“

„Ja, ist aber ein ekelhafter Feigling, der sich nur groß und stark fühlt, wenn er anderen Leid zufügen kann. Damals, als diese Organisation sich für ihn interessiert hat, hat er sich feige hinter mir verkrochen und wie Espenlaub gezittert… Und denjenigen, der ihn vor den bösen schwarzen Männern beschützte, den schießt er jetzt mit Freude an. Er ist und bleibt ein Feigling. Ich bin nicht mehr da, da verkriecht er sich noch gern hinter Papa.“ Er hatte keinen Respekt vor dem Typen. Nicht im Geringsten. „Damals wollte ich, dass er mir hilft, zu verduften, das war ihm zu gefährlich… Da sagte er eben, hast du dir selbst verbockt, Kenichi, also heul nicht!“ Er wurde mittlerweile richtig wütend, es war doch immer das Gleiche. Dieser Typ raubte ihm den letzten Funken Verstand.

„Wenn du es beenden willst, stell dich der Polizei!“ Ihre Hände lagen mit einem Mal in seinem Gesicht. Unglaube erschien in selbigem. Sie stellte sich das ein bisschen einfach vor.

„Ihr habt wirklich keine Ahnung.“ Es gab immer wieder Fälle, die glaubten, so etwas tun zu können, um ihr Gewissen zu erleichtern. Das Ganze endete immer gleich. Sie wurden umgebracht. Er wollte nicht sterben. Vielleicht war das feige, aber… „Ich will nicht sterben, ich will noch ein bisschen leben. Damals wollte ich nur raus da, aber mittlerweile habe ich da meinen Platz gefunden.“

„Ich fass es nicht.“  Sie war wirklich fassungslos, dass es ihm dort wohl wirklich gefiel. „Dass du Menschen ermordest, um dein Leben zu schützen, okay. Das kann ich dir nachsehen. Aber musstest du dich an so einer Schweinerei wie der Hinrichtung von Yoshio Okita beteiligen? Er wurde brutal und herzlos hingerichtet!“

„Ja und? Er wurde hingerichtet – sagt sie mir – pff. Was interessiert mich, ob dieser Bastard hingerichtet wurde? Ist mir doch scheißegal!“

Ihre Augen weiteten sich. Sie glaubte einfach nicht, dass es ihm so egal war. „Hiroya hat Recht, dir ist nicht zu helfen. Du hast komplett den Verstand verloren.“

„Und mein Motiv?“

„Was soll damit sein?“

„Na, kennst du mein Motiv, warum mir das egal ist? Warum ich dort noch ein bisschen bleiben will? Mhm?“

„Kann mir auch egal sein, so wie dir das Ableben dieses Typen.“

„Er hat seine Schwester so schwer missbraucht, dass sie nie mehr im Leben Kinder bekommen kann“, sagte er traurig, dann fuhr die Wut in seine Stimme. „Das Arschloch hat‘s verdient möglichst grausam um die Ecke gebracht zu werden. Ob ich es war oder nicht, steht nicht zur Debatte, aber gut finde ich es. Dazu stehe ich…“

„Dein Vater hätte dem nie zugestimmt…“ Stille. Man hätte die berüchtigte Stecknadel im Heuhaufen fallen hören.

„Ich bin nicht mein Vater.“ Anhand des Ausdrucks im Gesicht, den traurigen Augen und dem verbissenen Kauen auf seiner Unterlippe, merkte sie es. 

„Das musst du nicht sein, aber ich will nie wieder mit dem Wissen leben, dass du so etwas Abscheuliches tust. Egal, was jemand verbrochen hat. Jemanden so brutal hinzurichten, dazu haben wir Menschen nicht das Recht. Dafür gibt es keine Rechtfertigung.“

Kleinkarierte Grütze. Also sollte man den ganzen Abschaum so weitermachen lassen, oder was wollte sie damit sagen? Das Ding wuchs ihm schon lange über den Kopf. Er hätte gewünscht, derartige Abgründe niemals kennengelernt zu haben. Natürlich gab es Unrecht, aber solch widerwärtige Perversionen lernte man besser nicht kennen. Abgründe, die so tief reichten, dass sie alles verschlingen konnten. Auch einen selbst. Er wäre nie so geworden, hätte er die abartigen Taten einiger aus der Organisation nicht kennengelernt. Das wog mehr, als die Versuche von ihnen, einen Mörder aus ihm zu machen. In Momenten, in denen ihm dieses Unrecht begegnete, war er sogar gern ein Mörder.

Er blieb stumm, starrte nur rebellisch runter, weil er sie nicht ansehen wollte. Dann verabscheute sie eben, was er tat, das konnte ihm ganz egal sein.

„Äußer dich dazu!“

„Du wirst damit leben müssen, dass du jemanden kanntest, der so etwas Abscheuliches tut, ansonsten musst du mich eben aus deinem Gedächtnis löschen.“  Vielleicht mochte das hart klingen, aber man konnte niemanden zwingen, jemanden kennen zu wollen.

„Das ist alles, was du dazu sagst? Vorher hast du noch gesagt, du seist ihm mich verknallt.“

„Ich WAR“, er hob die Stimme und senkte sie dann wieder, „in dich verknallt. Mit 15. Jetzt sicher nicht mehr. Jetzt lebe ich nach dem Prinzip, wer nicht will, der hat schon. Halte dich und deinen Bruder von dieser Organisation fern, wenn euch euer Leben lieb ist. Es gibt keine Garantie, dass euch nicht doch irgendwann etwas zustößt.“ Wenn die wollten, wurden sie jeden los. Inklusive ihm selbst, wenn er etwas Dummes machte.

„Ach, was bist du naiv, wir sind Polizisten, das schließt aus, dass wir so etwas können. Wärst du nicht in diese Scheiße geraten, dann wärst du bestimmt ein guter Kerl geworden. Vielleicht…“, sie kam ihm sehr nahe und hauchte ihm ins Gesicht, „…wäre dann aus uns etwas geworden.“ 

In dem Moment hasste er sich, sein Leben, einfach alles. Er wollte schreien vor Wut, dass sie ihm so etwas Gemeines sagte. Wenn das Wörtchen wenn nicht wär…

„Dazu müsstest du dich mit deinem Vater anlegen. Es ist einfach so etwas zu sagen, was nicht sein kann. Du gehst jetzt besser…“ Sie hörte ihn schneller atmen, kein Wunder, dass er sie schnellstmöglich aus der Wohnung schmeißen wollte. Bestimmt würde er hinter der Tür noch anfangen zu heulen – aber erst dann. Es tat ihr nicht einmal Leid, vielleicht würde er all das, was er tat, jetzt doch mal überdenken.

„Wehr du dich gegen diese Machenschaften und ich wehr mich gegen meinen Vater. Noch so eine kranke Tat und dich frisst der Teufel.“

„Tze – macht mir keine Angst.“ Beide sahen dem Anderen nicht mehr in die Augen. Yuriko wusste, dass sie gegen ihren Vater nicht ankommen würde. Dass sie dieses Versprechen auch dann nicht halten könnte, wenn er so eine Tat nie wieder beging. Aber auch eine Lüge hatte ihren Zweck. Das Bild vom blutrünstigen Mörder passte überhaupt nicht zu ihm. Noch glaubte sie, dass man ihn retten konnte, anders als ihr Bruder, der in ihm jetzt nur noch Abschaum sah. Sie könnte niemals eine Kugel auf ihn abfeuern. Das war auch Mut, oder nicht?

 

Zufall – daran glaubte er nicht. Andere wiederum glaubten an diese. Sêiichî zum Beispiel, der Yuriko heulend aus Jamis Wohnung rennen sah. Der Zufall wollte ihm das Leben in aller Grausamkeit zeigen. Das hässliche Antlitz der Fratze all des Unglücks, was ihnen seit Jahren widerfuhr. Er war schockiert, eine Polizistin aus seiner Wohnung rennen zu sehen – noch dazu die Schwester dieses Kerls, der ihn vor nicht langer Zeit so böse angeschossen hatte. Warum genau sie so weinte, wusste er nicht, aber er war in einer Familie großgeworden, in denen Schauspielerei alltäglich gewesen war. Doch diese Tränen waren kein Schauspiel, weil sie geschahen als keiner hinsah.

Ja, der böse Zufall. Es war so einfach, das Auto vor seiner Haustüre. Das Nummernschild würde reichen, um seinen Namen rauszufinden. Nein, es ging simpler. Ihn nach Hause verfolgen, um dann an der Tür zu schnüffeln. Er schlich sich in den Hausflur und inspizierte dort die Klingeln nach Namen, die er von früher – aus Kyoto – kannte. Im fünften Stock fiel ihm dann der Name Ashida ins Auge. Nicht sofort wusste er, dass er das war. Ihm fiel da eher ein junges Fräulein ein. Die beste Freundin der jungen Frau, die eben noch so aufgelöst davongelaufen war. Er war erstarrt.

Geistesblitze, die ihm direkt vor Auge erschienen. Wie ein Bombeneinschlag, dass es ihn fast umhaute.

Sie rannten, wie der Teufel vor der herannahenden Gefahr davon. An ihre Stimme erinnerte er sich besser noch als an ihr Gesicht. „Lauft, lauft so schnell, ihr könnt! Das sind die Bösen!“

Kinder von knapp zehn würden das eher noch als Fun abtun, beim Spielen, wer hat Angst vorm schwarzen Mann. Dass es blutiger Ernst war, wusste höchstens sie, die schon erwachsen war. Sie hatte sie gescheucht, damit sie auch ja so schnell wegrannten, wie sie konnten.

Auf einmal waren sie verschwunden. Zumindest zwei der Jungs. Da war die junge, hübsche Frau mit der Brille zurückgelaufen, um ihren Bruder und seinen besten Freund zu suchen. Warum Sêiichî sich so gut erinnerte? Als Wildfang erinnerte man sich an jedes Abenteuer, besonders an die gefährlichsten. Gerade er wollte ja unbedingt überall dabei sein, er war kein Feigling. Gerade vor dem Ältesten, Yuichi, wollte er zeigen, wie mutig er war. Jedes normale Kind würde, wenn Schüsse ertönten in die entgegen gesetzte Richtung wegrennen, er war hingerannt und hatte sie gefunden. Verletzt am Boden liegend. Da sie erwachsen war, hätte er ihr niemals helfen können, da war er doch wieder zu den anderen zurückgelaufen und hatte seinen Tou-san mitgeteilt, dass jemand mit der Pistole geschossen hatte. Sie hatten ihre Leiche gefunden, doch die Jungs waren unauffindbar.

Die Aussage der Kinder wurden als Fantasien und Märchen abgetan, keiner glaubte, dass sie die Truppe gesehen hatten, die auf sie geschossen hatten.

Er war noch jung und erinnerte sich nicht mehr genau daran, was sein Vater und seine Mutter des Abends gesprochen hatten. An eines jedoch genau.

Das war eiskalter Mord von Profikillern.

Eins dieser Ereignisse, weswegen er sich in den Kopf gesetzt hatte, eines Tages zur Polizei zu gehen, wie sein Tou-san.

Weitere Worte fielen. Kindesentführung.

Es hat nie eine Entführung gegeben, die Kinder spinnen sich da etwas zusammen. Der Ashida-Junge war von zuhause ausgerissen – er war eben ungezogen. Schwänzte Schule und versaute dem einzigen Sohn der Tokorozawas durch seine bloße Anwesenheit die Zukunft, da er ihn zu komischen Dingen hinriss. Gut, dass er abgehauen ist.

Wann auch immer der alte Tokorozawa den Mund aufmachte, kam sein Sohn als Unschuldslamm davon, der andere wurde kräftig durch den Dreck gezogen. Weil er ein bisschen wild war und lieber tobte als zu lernen.

So weit er sich erinnerte, durfte Hiroya nicht mal sagen, dass Kenichi sein Freund war, da bekam er Prügel von seinem Vater, damit er es nie wieder sagte.

‚Der alte Mistkerl… Er war schon immer abgehoben. Jetzt ist sein Sohn genauso.‘

Mit einem Mal hatte er richtig Schiss. Wenn Ashida Jami war, dann… Dann war er im Arsch. Es würde mit dem Teufel zugehen, wenn der Ältere sich nicht an sie alle erinnerte. An Yuichi, der knapp zwei Jahre jünger war, Ryochi, so alt wie der zweite Sohn der Ashidas. Und er selbst, an Sêiichî, die Heulsuse, die sich von Yuichi hatte tragen lassen… Nicht nur war er dann enttarnt, dann wusste man auch von all seinen Ängsten. Als die Tür aufging – es kam ihm fast wie Zeitlupe vor – war er erstarrt vor Schock. Das Gesicht desjenigen war gegen Boden gesenkt, dieser sah ihn also nicht gleich, aber er schaffte es auch nicht außer Sichtweite zu kommen, ehe der Andere den Kopf heben konnte.

Ihm blieb fast das Herz stehen. Warum eigentlich? Er hatte ihn ja bereits gesehen. Dennoch hatte er das Gefühl, dass sein Herz so kräftig schlug, um befürchten zu müssen, der Andere würde es auch mitbekommen.

Eigentlich wollte der 21-jährige nur schnell an den Briefkasten. Da rannte er fast in Sêiichî hinein.

„Was willst du denn hier?“

Sêiichî lächelte nervös. Chris hatte ihn gewarnt – er sollte ihm nicht auf den Zeiger gehen, trotzdem hob er die Hand, doch jeglicher Ton, der über seine Lippen wollte, wurde verschluckt.

„Ich habe gefragt, was du willst!“ Jamis Laune war nach der Konfrontation mit Hiroyas Schwester unterirdisch, deswegen ging er ihn an. Nicht, weil er ihn nicht leiden konnte. Vielleicht war es auch die Müdigkeit nach dem langen Krankenhausdienst.

„Zufall?“

Ein Seufzen war zu hören. „Schon wieder? Ich kann Lügner nicht riechen, also wie wär’s, wenn du zugibst, dass du mir hinterher schnüffelst. Bin ich irgendwie spannend?“

„Ich wollte meinen neuen Kollegen besser kennenlernen“, sagte er, versucht zu lächeln, nicht nervös, oder falsch, sondern ehrlich.

„Ach du scheiße! Komm morgen wieder. Ich muss ins Bett.“

„Wie bitte?“

„Krankenhausdienst – bye!“ Er rannte an ihm vorbei, holte die Post und verschwand wieder hinter der Tür.

„Man sieht sich.“ Eine dämlichere Unterredung hatte Sêiichî noch nie gehabt. Was war nur los mit ihm? Angst war wirklich zu nichts gut, sie war nicht förderlich, wenn man Ermittler war. Wie sollte er da zu einem guten Polizisten werden?

Ins Bett gehen, um null Uhr – das kam ja gar nicht in Frage. Was für ein langweiliger Typ…

Sêiichî gehörte selbst längst ins Bett. Er war 17 und musste zur Schule. Da entschloss er tatsächlich nach Hause zu gehen und sich nach dem Schreck etwas Ruhe zu gönnen.

Gegen halb eins lag Sêiichî im Bett und schrieb Ryochi eine Nachricht, der antworte ihm im Halbschlaf: ~Was ist denn?~

~Ich kann nicht schlafen…~

~Deswegen darf ich auch nicht? Mach den Fernseher an und schau etwas Stinklangweiliges, dann schläfst du automatisch ein :P~

In der Tat war das eine gute Idee, sonst grübelte er über die Vergangenheit und dachte darüber nach, wem er davon erzählen konnte, ohne ihn gleich in Gefahr zu bringen. Ryo bestimmt nicht. Es war nicht so, dass er ihn nicht für belastbar hielt, aber mit seinem älteren Bruder war etwas sehr Ähnliches geschehen. Nachdem er schon Angst gehabt hatte, man würde ihn einfach abknallen wie Ashidas Schwester, wenn er zu mutig war. Mittlerweile wussten sie wenigstens, dass er lebte. Trotzdem würde diese Geschichte seine Gedanken genau in die Richtung lenken, dass es dieselbe Organisation war, in die sein Bruder verschwunden war. Es blieb ihm also keine Wahl, als die Scheiße allein zu verarbeiten oder zu seinem Vater zu gehen. Bei seinem Vater gab es nur das Problem, dass er Fragen stellen würde, zum Beispiel wie er an die geraten konnte. Wie er an sein Wissen gekommen war. Ob er wieder Im Alleingang geschnüffelt hatte. Das sollten sie doch nicht, das war gefährlich.

 

12. Januar - Auf der Flucht

 

Noch vor dem Zubettgehen, hatte auch die Amerikanerin eine Nachricht bekommen, die sie einfach zum Handeln animierte. Es gefiel ihr nicht, aber von diesem Kerl konnte man sowieso keine Vernunft erwarten. Sie baute da lieber auf Menschen, die sich weit besser im Griff hatten. Erst einmal musste sie die Person, die es auch betraf, davon in Kenntnis setzen, was sie bereits wusste. Nicht, dass sie stets alle Karten auf den Tisch legte, sie manipulierte, wo sie nur konnte. Auch die Menschen, die sie vielleicht sogar mochten. Wirklich jeder wurde von ihr behelligt, wenn sie es brauchte. Sich Männer Untertan zu machen, war ihr ein Leichtes. Jetzt noch mehr, als früher.

Deswegen war auch sie um Punkt acht Uhr im städtischen Klinikum, in welchem auch die Organisation einige ihrer Mitglieder eingeschleust hatte. Leute, mit guten Referenzen, manchmal sogar gefälscht. So konnten sie potenzielle Verletzte sofort behandeln – so wie es von IHM gewünscht war.

She was such a bitch and she knew it.

Ins Krankenhaus zu kommen war für alle gefährlich – am meisten für sie selbst. Wo andere Weißkittel herumspazierten, war auch Merlot nicht weit. Sie würde sich gewiss nicht freuen, Vermouth dort zu erspähen, daher hatte sie auf ihre Tricks zurückgegriffen, um nicht sofort entdeckt zu werden. So war sie im Schwestern-Dress unterwegs und ging unbehelligt die Gänge auf und ab, wie alle anderen Schwestern bei der Arbeit auch. Sie schaffte es sogar unerkannt fast direkt neben den Ärzten zu stehen, dabei sah sie einmal aufs Neue Dinge, die sie nur ungern zu Gesicht bekam.

„Oh, es freut mich ja so, dich hier zu wissen, lieber Kenichi.“ Da wurde einem speiübel, schon bei den Worten, noch widerlicher fand sie die Versuche den 21-jährigen bei jeder Gelegenheit anzutatschen. Armer Kerl, aber er hatte bisher immer gelächelt und sich nichts anmerken lassen, dass es ihm garantiert unangenehm war. Das sollte es, immerhin war sie 41, also 20 Jahre älter als der angehende Arzt. Man sollte ihr die Hände abhacken, dass sie einem Typen so auf die Pelle rückte, der genauso gut ihr Sohn sein könnte, was ihr gewiss besonders gut gefiel. Diese schmutzigen Hände, die über seine Brust geglitten waren, seinen Arm streichelten und zu guter Letzt wagte sie noch, ihm die Wange zu küssen. Für andere sah das wohl eher harmlos aus, sie mochte den jungen Mediziner eben. Sie sah so viel Potenzial in all ihren Taten, dass sie sie am liebsten weggeschickt hätte. ‚Widerwärtig, ich hätte doch zur Arztrolle greifen sollen. Oberarzt am besten. Die Gefahr, dass ich dann auffalle, wäre aber zu groß gewesen. Kann sie nicht in ihren OP verschwinden? Das ist ja schließlich ihr Lieblingsort.‘

„Wie geht das Ganze jetzt weiter? Ich meine, die Operation ist voll gelungen, jedenfalls funktionieren die lebenswichtigen Organe.“ Seine Stimme klang deutlich niedergeschlagen, da lächelte die Chirurgin aufmunternd.

„Wir werden sie noch einmal operieren, damit auch ihr Gesicht wieder so aussieht, wie zuvor. Die junge Frau hält viel von sich, sie würde sich auf der Stelle umbringen, wenn sie Narben davonträgt. Wenn du möchtest, kannst du mir assistieren. Da kannst du jede Menge lernen, vielleicht entscheidest du dich ja doch in eine chirurgische Richtung.“

„Weiß nicht, das letzte Mal hat mir eigentlich gereicht.“ Er war an seine Grenzen gekommen, obwohl er durchaus wusste, dass Merlot ihn für Operationen einspannen wollte. Solche, die beinhalteten, ungeborene Kinder zu sichern, wie sie das Prozedere nannte. Frauen, ihre Kinder aus dem Leib zu holen, die eigentlich todgeweiht waren, klang zwar nach einer guten Sache, aber was dann geschah… Selbst, wenn sie diese Kinder sowieso abtreiben wollten… Sie diese nicht wirklich abtrieben, sondern sie anders verwendeten, hatte etwas von Diebstahl. Beim letzten Mal, dass sie ein Baby aus einem Bauch geholt hatten, hatte er sich übergeben. Er war dafür nicht gemacht – Punkt. Das wusste er jetzt schon. Er hielt ja noch nicht einmal etwas von operativen Eingriffen zur Abtreibung. Das sagte er nicht jedem, aber er selbst wusste es, das war ja genug. Bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, konnte man solche Dinge noch mit Medikamenten bewältigen. Diese setzten automatische, natürliche Abläufe in Gang, so konnte der Körper selbst arbeiten, es war keine rohe Gewalt im Spiel, so wie bei dem einen Mal, wo er dabei gewesen war.

„Überleg es dir. Es lohnt sich auf jeden Fall aufzuräumen. Das ist nichts Anderes, als das, was du manchmal tust.“

„Du tätest mir einen Gefallen, wenn du mir eine Psychologin zur Unterstützung schickst. Es ist kaum möglich ein Wort mit ihr zu wechseln. Das bringt keinen weiter. Tust du mir den Gefallen?“

Kenichis Art und Weise Frauen um Gefallen zu bitten, war auch widerwärtig. Vermouth musste diesem Kerl noch mal klarmachen, dass er bei Merlot besser ein bisschen distanzierter arbeiten sollte, als sie mit seinen wunderschönen Augen anzuklimpern, auf die die kranke Frau zweifelsohne abfuhr. Er hatte bestimmte Weisen, eine Frau zu allem zu bringen. Auch zu Dingen, die sie erst nicht wollte, danach aber doch. Merlot machte das am Ende noch riesigen Spaß, ihn dazu zu bringen, sie zu brauchen.

„Oh, ich glaube, das ist mir ein Leichtes. Natürlich. Du machst einen verdammt guten Job!“ kam von ihr und sie strich noch einmal mehrmals über seinen Arm und nahm sogar kurz seine Hand. Fast wurde es ihr zu bunt, vor allem die Tonlage der Ärztin, mit der sie sagen wollte, mit gewissen Gegenleistungen konnte er alles von ihr bekommen. Sie wartete einen Augenblick, bis die Rotbraunhaarige von Dannen gegangen war und er noch total erleichtert seufzte, dass er sie wieder los war.

Jami, we need to talk. Instantly.” Kurz und knapp in Englisch. Ihr Aussehen sprach Japanisch, da wusste er sofort Bescheid.

„Du sollst doch nicht herkommen“, flüsterte er, sah sich mehrmals um und blieb bei der Tür zu einem der Ärztezimmer hängen. „Komm, da rein!“ Beide verschwanden in dem Personalraum, in dem sich die Meisten umzogen. Gerade gab es keinen Dienstwechsel, also würde auch keiner reinkommen. Alle waren bereits plangerecht zum Frühdienst erschienen, der nächste Wechsel würde noch eine ganze Weile dauern, da war nie viel los. Dennoch, sollte überraschend jemand reinschneien, würde das komisch wirken. Angehender Arzt mit Schwester allein in der Umkleide. Ja, er wusste, was die denken würden, aber auch dafür gab es Lösungen.

„Was ist so dringend?“ fragte er hektisch, nur zu gern, wollte er das schnell hinter sich bringen. Es war einfach gefährlich.

„Cognac ist zu neugierig“, sagte sie.

Belustigtes Männerlachen. „Oh ja, das kann man so sagen. Wissbegierig wie ein Kind.“

„Er ist nicht so erwachsen, wie du.“

„Das sind die Wenigsten.“

Traurige Umstände hatten dazu geführt, dass er mit 21 schon so reif war. Man hatte seine Kindheit gestoppt und ihn quasi dazu gezwungen, sämtliche Torheit, seine ganze Bockigkeit, jeglichen Spaß – ja alles, was Kinder so gernhatten, abzulegen. Man unterband es, Platz war nur für Gehorsamkeit. Ähnlich erwachsen waren nur diejenigen, die es früh mit der Organisation zu tun gehabt hatten. Kinder in der Organisation, man raubte ihnen einfach alles, was Spaß machte. Die wuchsen nicht gesund auf und irgendwann würden sie sich dafür rächen. Dafür, dass ihnen die Kindheit gestohlen wurde. Aber ihr hörte ja niemand zu – also würde sie alles einfach geschehen lassen.

„Er ist jung, seinem Alter entsprechend-“ Nicht einmal gelogen. „Der Kerl hat keine Ahnung, wo er sich befindet und was Wissen mit einem machen kann. Ich wollte dich eigentlich nur darum bitten, dass du ihm bitte NIEMALS deine Geschichte erzählst.“

Das konnte einen schon belustigen. Vermouth hatte nie Angst, dass man Geschichten von ihr erzählte, davon profitierte sie noch. Dann fürchtete man sie nämlich.

„Wenn ich dich nicht kennen würde, würde ich sagen, du hast Interesse an ihm. Dass du Angst hast, er erfährt, was du nicht schon alles getan hast. Aber das würde eben nicht zu dir passen. Also was genau befürchtest du, was passiert, wenn er meine Geschichte kennt?“ Jami hatte die Hände in den Arztkittel gesteckt und die Augen geschlossen. Er wüsste nicht, was an seiner Geschichte so schlimm klingen sollte, dass irgendwer dann vor ihr wegrannte. So ein Typ doch nicht. Den Interessierten solche Geschichten überhaupt nicht, höchstens wie er bei einer Frau landen konnte.

„Er ist sensibler, als du denkst. Das könnte einiges anrichten. Vielleicht verkraftet er es nicht.“

„Das wäre in der Tat nicht gut, wenn er so sensibel ist, passt er auch gar nicht hierher.

Man hörte die blonde Frau seufzen. Es war nicht so, dass er allein mit dieser Meinung war. „Es geht dabei nicht um mich, Jami, sondern eher darum, was Chardonnay getan hat… was er vorhatte. Am besten erfährt er nichts davon, das bekommt ihm eben nicht.“

„Er soll nicht so werden, wie ich. Ein Chardonnay verachtender Kerl, der nach neuen Möglichkeiten sucht, ihm ans Bein zu pissen…“ Es war eine Mutmaßung.

„Cognac verachtet solche Menschen bereits, man würde das nur verschlimmern. Du hast genug Verbündete, halt ihn da bitte raus.“

„So, er verachtet so etwas. Dann sind wir eh Verbündete, ohne dass er mich unterstützt. Davon gibt’s mehr als genug, ich brauche ihn nicht.“

„Da bin ich froh. Es wäre fatal, würde er gleich nach seinem Eintritt bei uns völlig aus der Haut fahren und jemand Wichtigen erschießen.“ Die Worte hatte sie in sein Ohr geflüstert. Jami war lange dabei, hatte sich genügend beliebt gemacht, um sich Derartiges mal herauszunehmen, so wie einige seiner Mitgefährten auch. Cognac war neu, da hatte man nicht über die Strenge zu schlagen.

„Keine Sorge, ich werde ihm nicht meine Geschichte aufhalsen. Red sowieso nicht gern darüber…“ Wenn er sie erzählte, gab er ein Stück weit Schwäche zu.

Ein dummes Balg, was sich gern überschätzte, bockig und zornig war. Das man so sehr erziehen musste, dass Menschen sterben mussten. Ein bisschen weniger Widerwehr und vieles wäre nicht passiert. Manchmal wünschte er sich auch einfach ein bisschen mehr Glück. Es gab Andere, denen war vieles erspart geblieben. Wenn er davon sprach, gab er Schwäche zu, das tat er nicht gern. Er wollte gern weiter ernst genommen werden und nicht als Schwächling dastehen.

„Na, da kann ich ja beruhigt sein.“

Sie hatte gut reden, denn ein guter Freund würde ihm sicher guttun. Aber Freundschaften innerhalb der Organisation waren gefährlich. Dann hatte man plötzlich soziale Bindungen und auf die wollte man nicht verzichten. Davon profitierte nur die Organisation, nie man selbst. Das war etwas, was man ihm früh beigebracht hatte. Am besten man vertraute niemandem und ließ keinen an sich heran, sonst würde man seine Freunde am Ende noch töten müssen. Wenn man jemanden gut leiden konnte, dann half es auch nicht, betrogen und verraten zu werden. Das endete nur in Trauer und Zorn.

Im Grunde war das traurig, er hatte schon mal versucht sich mit einem Kerl – in ähnlicher Situation – anzufreunden, der hatte darauf aber keine Lust.  Man hatte ihm auch erklärt, dass es so besser war. Sie waren beide Söhne von Kriminalisten – die durften nicht auffallen. Wenn ausgerechnet sie befreundet wären, könnte man Verdacht schöpfen. Dieser Kerl litt weit weniger unter seiner Einsamkeit, als er. Das war schon bewundernswert, Jami machte es nur sauer, wenn andere stärker waren.

Job done – sie hatte ihn allein in der Kabine zurückgelassen. Auch sie ließ nichts an sich heran, sonst hätte sie bestimmt ein bisschen mehr mit ihm geredet. Vielleicht mal gefragt, wie es ihm ging. Ziemlich bescheiden, um genau zu sein. Er hätte gerne jemanden gehabt, der ihn jetzt unterstützte. Er würde sich jemand Anderen suchen – er konnte nicht in dieser Wohnung bleiben… Ein neuer Ort, neue Sicherheit. Kein Mensch konnte sagen, was sie jetzt tun würde. Ob er nicht noch etwas aus ihr herauspressen konnte, um ihm auf den Sack zu gehen. Er wollte diesen Typen nicht in seinem Umfeld haben. Das war mit mehr Ärger verbunden, als ihm lieb war. ‚Hiroya und mich voneinander fernzuhalten ist kein leichtes Unterfangen. Der Kerl ist einfach zu anhänglich.‘ An ihm lag das nicht.

Jami erschrak sich richtig, als die Tür aufging. „Ist noch was?“ fragte er sie, da sah sie ihn ernst an.

„Halt ihn von unserem Problem fern, das wäre genauso schlimm, wie deine Geschichte.“

Daraufhin schloss sie die Tür wieder und er seufzte. „Immer bleibt der unangenehme Mist an mir allein hängen. Wunderbar.“ Aber er hatte sich ja freiwillig gemeldet – in jeder Hinsicht. Er wollte Medizin studieren, um zu helfen, weil ihm das mehr Spaß machte, als Leute zu töten. Da musste er dann wohl durch. Dass die Organisation sein Einfühlungsvermögen noch dazu missbrauchen konnte, dass er das Wissen über die Opfer beschaffte, kotzte ihn aber schon ungemein an. Ihr Vertrauen gewinnen, damit sie redeten. Das machte ja keiner gern. Es gab ein Stück weit Macht, wenn man Dinge über Andere wusste. Zeug zum gebrauchen. Zum Glück hatte die Organisation noch keine Droge erfunden, die Gedanken steuern, manipulieren oder herausfinden konnte. Er wäre so was von tot. Und bevor sie ihn kriegen konnte, würde er sich lieber selbst die Kugel geben. Denn Bestrafungen in der Organisation waren manchmal langwierig und bei weitem grausamer als ein schneller Tod.

Vermouth war auch paranoid. Immer hatte sie Bedenken, ob jemand reden könnte. Er hätte Cognac nie zu dem Opfer gelassen. Das war nicht für jedermann was. Misshandelte Frauen, tief in einem Abgrund, das verkraftete man nicht auf Anhieb. Oder eben nie.

 

Es gab Leute, die waren mit allen Wassern gewaschen, die würden es immer wieder probieren. Auch mit perfiden Mitteln. Vielleicht würden die ihm nichts sagen, weil er neu war. Womöglich würden sie ihm so viele Steine vor die Füße werfen, wie sie konnten. Doch das konnte ihn nicht stoppen, wenn er etwas in seinem Dickschädel hatte. Was Chris konnte, konnte er schon lange. Wahrscheinlich wäre sie mehr erschüttert, als beeindruckt von seinem vorwitzigen Tun. Er fand sich jedenfalls atemberaubend. Auch, wenn ihm die Aufmachung an sich nicht so besonders gefiel.

Der Auftrag lautete, jeden von ihrem Zimmer fernzuhalten, der da nichts verloren hatte. Da es sich um ein normales Krankenhaus handelte – lediglich mit jeder Menge Leute, die nebenbei für die Organisation arbeiteten, ging auch das schlichte Personal auf und ab. Zwei Minuten reichten, um zumindest zum Zimmer zu gelangen, ohne bemerkt zu werden. Den größten Kick gab es ihm, wie er es schaffte, sogar an den Organisationsmitgliedern – vor allem ihm – vorbei zu kommen. Nichts davon war aufgefallen. Es gab immer Schlupflöcher und er hatte ja einige Idole, denen er nacheifern wollte.

Er feierte schon seine eigene Genialität, noch bevor er es wirklich geschafft hatte, das Zimmer abzuhorchen. Es hätte auch gewiss schlimmer kommen können, als dass man ihn erwischte und ihm das nicht mal sagte. Kurzerhand war er an den Jungen herangeschlichen und hatte ihn eiskalt niedergeschlagen.

„Wer nicht hören will, muss ja fühlen.“ Dass diese Jugend immer so viel Ärger machen musste. Vermouth wäre sicher begeistert, dass jemand auf ihre Trickkiste zurückgriff. So viel Raffinesse hatte sie dem Typen wohl nicht zugetraut, er schon. Opa hatte mächtig Eindruck auf den Kleinen gemacht, deswegen bediente er sich allerhand Tricks, auch sich zu verkleiden. Stümperhafte Verkleidung würde er sagen, das konnte ja Baileys besser. Noch dümmer, dass keiner es gemerkt hatte – nicht mal Jami - dem würde er was erzählen… Oder auch nicht. Er konnte gemeiner sein. Denn es gab Leute, die ihn unter Kontrolle kriegen würden. Es wurde mal langsam Zeit für ein ernsthaftes Gespräch mit seinen Eltern, die natürlich nicht blicken lassen würden, wer ihnen gesagt hatte, was der Junge da trieb. Er würde auch noch Sharon darüber informieren, dass er ein ganz schlimmer Finger war und sie sich noch ein bisschen mehr vorsehen musste. Am Ende war ihr das peinlich, dass die kleine Kröte sich überall durchmogelte, danach würde sie wohl wütend sein. Weil er ungezogen war und nicht auf sie hörte… Da gab es Andere, die waren besser erzogen.

 

Am späten Nachmittag wurde die Tür geöffnet und Orangensaft auf einem Tablett serviert. Eine freudestrahlende Mutter sah ihn an, er erhob sich total erschrocken und sah sie wie ein Weltwunder an. „Warum liege ich im Bett, Mama?“ fragte er entrüstet, schaute an sich runter und schüttelte verwirrt den Kopf. Bis eben hatte er noch Krankenhauskluft getragen, um sich bei Saki Niiza reinzuschleichen, jetzt lag er im Bett, als wäre er krank oder so was.

„Du bist ohnmächtig geworden, aufmerksames Krankenhauspersonal hat dich dann versorgt und deine Identität festgestellt. Dann haben sie angerufen, damit ich dich abhole. Du hast so tief und fest geschlafen, dass ich dich im Krankenhaus lassen wollte.“

„Wie?“ Er verstand gar nichts mehr. Irgendwo gelauscht hatte er und jetzt war er hier.

‚Hoffentlich hat er keine Kopfschmerzen, immerhin wurde er k.o. geschlagen.‘

Radikal, aber es war zu seinem Besten. Sie hatte die Information, dass sie ihn nicht wieder abhauen lassen sollte, immerhin schnüffelte er in Sachen, die ihn in seinem Alter nicht zu interessieren hatten.

Ikūshirō wollte unter keinen Umständen, dass Sêiichî noch mehr dort rumschnüffelte. Entweder begegnete er dort seiner Erzeugerin oder er fand irgendetwas anderes Fatales heraus. Am besten sollte man Ashida den Mund zukleben, nicht, dass er doch noch irgendwie quatschte.

Es fehlte ihnen noch, dass er rausbekam, wo Yuichi war, dann wurden sie Sêiichî überhaupt nicht mehr los, weil er ihn dann unterstützen wollte, egal wie alt er war. Da mussten sie ihn jetzt stoppen, egal, wie sehr er bocken würde.

„Trink den Orangensaft, ja? Du brauchst Vitamine, wo du ja immer so wenig isst.“

Übertriebene Fürsorge – so was nervte ungeheuerlich, aber es war seine Mutter, also strahlte er sie genauso an, wie sie ihn.

„Okay.“

„Du hast auch ein bisschen Fieber, besser ist, wenn du die Tage ein bisschen zuhause bleibst.“ Ihm war in der Tat ein bisschen warm, also griff er sich an den Kopf, der ihm auch ein wenig schmerzte. „Ich hab totale Kopfschmerzen, fast schon Brummschädel.“ Er ließ sich zurück ins Bett fallen und keuchte dann. „Aua…“ Er rieb sich den Hinterkopf. Bestimmt hatte er ein bisschen doll zugeschlagen. Immer gleich so radikal… Aber lieber eine dicke Beule als eine Kugel im Kopf…

 

Unterdessen sah der 18-jährige Toshizo seinen um ein Jahr jüngeren Freund mit suppentellergroßen Augen an.

„Kannst du mal aufhören so zu gaffen, das nervt!“ ranzte er ihn an, dabei konnte der Schüler nichts dafür, dass es ihn schockierte und ein Rätsel war, er starrte wie gebannt auf dem eingegipsten Arm.

„Was in aller Welt… Wie ist das denn passiert?“

„Ich war ungeschickt…“ Takahashi drehte sich weg, um zu verbergen, was für eine Wut im Bauch er hatte.

„Du warst bitte was? Das warst du doch noch nie…“ Normalerweise waren es vorwiegend Frauen, die Ausreden erfanden, wenn man ihnen etwas getan hatte. Und, weil Toshizo ihn kannte, wusste er auch instinktiv, dass er sich den gebrochenen Arm anders zugezogen hatte. Allerdings waren sie nicht allein, also gab er vor, ihm zu glauben.

„Also mit Gips am Arm kann ich ihn nicht brauchen“, sagte der Andere; da zuckte der 18-jährige, denn aus irgendeinem Grund glaubte er, dass er jetzt als fünftes Rad am Wagen doch mal randurfte.

‚Gerade wüsste ich lieber, wer meinem besten Freund den Arm gebrochen hat… Den zermalme ich…

Beim genauen Hinsehen, war klar, dass er mit jemandem aneinandergeraten sein musste, denn sein Gesicht schimmerte leicht grün. Sie waren Raufbolde, da bekam man manchmal was ab. Takahashi hatte richtig Prügel bezogen – aber man musste ihm noch lang nicht den Arm brechen. Er würde später noch einmal nachhaken, wer ihm so etwas angetan hatte.

 

Man hatte nichts als Ärger mit unfähigen Müttern. Kein Wunder, dass alle in ihr die perfekte Mutter sahen, im Gegenzug zu all den anderen Frauen, die ihre Kinder nicht verdienten. Damals hätte sie selbst zu große Angst gehabt, genauso ein Fehlschlag zu sein, wie diejenigen, die sie kannte. Anscheinend merkten sie selbst nicht einmal, wie unfähig sie waren. Sollte man seine Kinder nicht bedingungslos lieben?

Was sollte man aber auch von denen erwarten? Sie betrogen ihre Männer – aber nicht nur solche kannte sie – ihr Vater war genauso gewesen. Dass seine ehemalige Geliebte – Samantha Lohan - überhaupt noch wagte, ihr unter die Augen zu treten, war ungeheuerlich. Wenn Samantha gewusst hätte, wer Chris Vineyard noch war, hätte sie diese Dreistigkeit bestimmt nicht besessen. Serena war ihr dankbar für alle Hilfe, deswegen hütete sie Sharons Geheimnis, wie sonst nichts.

Diese unfähige Mutter, mit ihren widerwärtigen Affären – daran würde man sich immer erinnern, immerhin war Serena ein uneheliches Kind, entstanden durch eine Liebschaft zwischen Richard und Samantha.

Wie stolz sie ihr vor kurzem erzählt hatt, dass sie mit Tak nun gebrochen hatte, weil er ihre Nichte dem Teufel ausgesetzt hatte. Samantha selbst war ja fehlerlos, da kam es Sharon beinahe hoch. Sam schlief mit verheirateten Männern, machte treue Ehefrauen, wie ihre Mutter und ihre Tante Jo unglücklich, verließ ihren Mann aber deswegen, weil er seine Verbindungen zur MAFIA nutzte. Ein übler Scherz. Und wie pflegte Serenas Mom immer zu sagen? Sie war keine Frau, die Männer benötigte, die Männer brauchten höchstens sie. Oh, diese arme Irre. Damit lag sie ihrer armen Tochter schon seit dem Kindergarten im Ohr: Don’t be a woman that needs a manBe a woman a man needs! Kein Wunder, dass ihre Tochter so verstört war und sich selbst einreden musste, keine Männer zu brauchen. Auf der einen Seite war Sam wütend auf Tak, kam aber zu Chris, weil sie ja so eine starke Persönlichkeit war, sie sollte sich gefälligst darum kümmern, dass ihre arme Nichte nicht unter die Räder kam. So etwas musste sie sich bieten lassen, von einer hochmütigen Primadonna, die glaubte, nur weil sie berühmt war, müssten alle nach ihrer Pfeife tanzen. Solche Menschen zeigten ihr immer, wie sie niemals werden wollte, egal wie viele Oscars sie vielleicht gewinnen würde – Stars waren wirklich schreckliche Vorbilder.

Sie käme nie auf die Idee, zu sagen, sie bräuchte keine Männer. Obwohl sie doch ganz gern die unabhängige Frau spielte, die besser war, als alle Männer zusammen.

Männer konnten sehr nützlich sein, außerdem würde die Menschheit wohl aussterben ohne sie – das vergaß die gute Sam immer ganz gern.

Nicht, weil sie diese Person irgendwie mochte, wollte sie sich um alles kümmern, sondern weil sie eben zur Familie gehörten. Sie selbst war zwar nicht mit der 20-jährigen verwandt, aber ihre Halbschwester war es. Das genügte. Sie war weniger vorlaut, als Serena. Die war auch hilfsbedürftig, doch man sah es ihr nicht im ersten Moment an. All diejenigen, die ihre Geschichte nicht kannten, hätten sie nie für eine schüchterne oder gar ängstliche Person gehalten. Allein ihre Art zu reden, war eine völlig andere. Vanessa sprach immer sehr leise, Serena hingegen liebte es, die Stimme zu erheben und doch ein wenig überheblich zu klingen. Das gefiel Sharon nicht, ihr ganzes Selbstbewusstsein baute auf dem Verhältnis zu ihrer Halbschwester auf. Diese war in der Organisation allseits gefürchtet, ein Wort von Seyval und Vermouth würde gnadenlos über einen herfallen. Das wussten die Meisten, deswegen ließen sie ihr das großmütige Getue durchgehen, warteten aber auch nur auf eine Gelegenheit, sie fertig zu machen. Vanessa hatte keinem was getan, außer ein bisschen schüchtern zu wirken. Gerade die Männer sahen in ihr das potenzielle Opfer, während Serena ihr eigenes Schauspiel aufrechterhalten konnte.

Ihre Mutter, dieses Biest, war in Sharons Augen keinen Deut besser, als Sêiichîs. Das durfte auch keinen wundern, immerhin waren Samantha und Yohko eine beachtliche Zeit eng befreundet gewesen. Auch das war nicht normal, schließlich hatte sich Samantha unter die Familie gemischt; den Vater zum Seitensprung verführt; also fast komplett die Familie zerstört. Sie selbst würde dieser Frau nie vergeben, auch wenn ihr Vater ein Schwein gewesen war. Man sagte, dazu gehörten immer zwei. Wie konnte man nur die Konkubine des Vaters auch noch mögen? Diese Frage war so leicht zu beantworten, man fühlte sich von der Mutter nicht genügend geliebt. Yohko und sie selbst waren immer Rivalen gewesen, dabei hatte Sharon bestimmt niemanden darum gebeten, sie wie ein weiteres Kind zu sehen. Yohko würde sie auf Lebzeit alle dafür hassen. Da klammerte man sich eben lieber an die Geliebte.  

 

~Kann ich dich um einen Gefallen bitten? Könntest du es vielleicht einrichten, mir dabei behilflich zu sein, meine Sachen zu packen? Ich will so schnell, wie irgend möglich, raus aus diesem Loch. Ich will nicht von diesen Personen gefunden werden.~

Der Hellbraunhaarige hatte gerade eine Nachricht von seinem Senpai erhalten. Da konnte er kaum an sich halten und strahlte, obgleich die Nachricht bei weitem nicht so positiv klang, als dass man sich darüber freuen sollte. Sein Patenonkel beobachtete ihn, wie sein Gesicht aufblühte und er wild auf dem Handy tippte. Eine erfreuliche Nachricht von einem Mädchen wahrscheinlich. So, wie er aussah, war er Feuer und Flamme für diese Person.

„Wenn du mit der Schreiberei fertig bist, würde ich mir wünschen, dass du bei deiner Aufgabe den gleichen Elan an den Tag legst, wie beim simsen.“ Obwohl es streng klang, war ein Hauch Belustigung in seiner Stimme verborgen, da drehte sich der Junge um.

„Kann ich heute etwas früher gehen? Ich habe noch was vor!“

„Wenn du es schaffst, dein Handy für eine Stunde zufrieden zu lassen, vielleicht.“ Es wunderte ihn eigentlich nicht, dass der Junge sich mehr für sein Handy interessierte, als für eine Zielscheibe. Das war auch gut so, es sollte nicht genauso ein schießwütiger Wahnsinniger aus ihm werden, wie andere, die für die Organisation ausgebildet wurden. Für ein Organisationsmitglied war er sogar recht locker. Andere hätten den Jungen wahrscheinlich verprügelt, wenn er nicht gehorchte. Er war gerade einmal 16 geworden und vollzog im Moment die letzte Ausbildung zum Allrounder. Zweifellos ein vielversprechender Zuwachs für ihre Gemeinschaft. Einerseits war das positiv, denn dann würde man ihn als brauchbar ansehen und ihm nichts Böses antun wollen. Andererseits wurden diese Menschen dann auch benutzt. An einem Ort, wo Menschen wie Taschentücher gehandhabt wurden, wenn sie nicht genug Potenzial aufwiesen; dann fanden sich Bessere. Sie befanden sich auf dem Schießplatz und erprobten allerhand Waffen. Nicht, weil es allen so großen Spaß machte, Kinder zum Killer zu erziehen, sondern weil es so gewünscht war. Sie rekrutierten und investierten in allerlei. Der Junge war bei weitem pflegeleichter als die Person, die ihm geschrieben hatte. Da wusste Plavac noch nicht, wer es gewesen war.

Aus der Ferne konnte man eine Frau mit Sonnenbrille entdecken, nur bei genauem Hinschauen, würde man sie identifizieren. Jedenfalls hatte der Junge sie nicht entdeckt, da er ihr den Rücken zugewendet hatte. Dann wäre er sicher total nervös geworden und hätte das komplette Magazin verschossen.  Bisher waren es Platzpatronen und sie alle hofften, dass er nie mit scharfer Munition arbeiten musste. Er versuchte sie immer zu beeindrucken, das war sofort aufgefallen, er klammerte sich unheimlich an diese Frau, ebenso wie an ihn; seinen Lehrer. Sein Vater war ein Taugenichts, die Mutter unauffindbar, da hatte die Organisation sich um ihn gekümmert – wie die Samariter. Aber er war am Ende doch nur eines: Ein Werkzeug zum Benutzen. Wie sie alle.

Er beobachtete, wie präzise der 16-jährige bereits auf die Scheibe schießen konnte und dabei nicht einen Schuss danebensetzte.

„So, Feierabend“, verkündete der 39-jährige. Keji Minamoto atmete erleichtert aus, er machte sich nichts aus Pistolen. Ehrfurcht hatte er vor den Dingern, denn er hatte gesehen, was sie anrichten konnten.

„Wer hat dir da eigentlich vorhin geschrieben? Verrätst du es mir?“

Die anwesende Blondine lief auf seinen Rucksack zu, nahm sich das Handy und schaute rauf.

„Schauen wir doch mal“, sagte sie grinsend, geradezu stichelnd, da kam der Junge angelaufen.

„Ich bin doch kein Kind mehr.“

Das sah sie anders, deswegen wurde sein Telefon kontrolliert. „Jami will also wieder einmal abhauen – immer das gleiche Spiel. Warum geht er ausgerechnet zu dir damit, mhm? Habt ihr Freundschaft geschlossen?“

Obwohl sie sich wie eine Erziehungsberechtigte benahm, wehrte sich Keji nicht gegen diesen Einfluss, Plavac fragte sich ja wirklich, wann er sie als Mutter bezeichnen würde, es war verblüffend, dass er seine Gefühle nie so genau zeigte.  Bei Gelegenheit musste er den Jungen unbedingt fragen, was ihn davon abhielt, wenn er doch wollte. Hatte er Angst davor abgelehnt zu werden oder steckte gar etwas anderes dahinter?

„Und, wie macht er sich?“ fragte sie die andere anwesende Person, diese zuckte mit den Schultern. „Man kann ihm kaum noch etwas beibringen, außer den Ernstfall. Plastikpatronen und scharfe Munition sind zwei paar Dinge. Wer weiß, wie das unter Stresssituation abläuft? Vielleicht schießt er dann alle daneben. Wer weiß?“

Sie sah mit einem Lächeln zu dem Jungen. „Denk immer daran, du musst gar nichts. Wenn du Unbehagen verspürst, musst du uns das wissen lassen. Wir verhindern dann schon, dass du scharfe Munition verwenden musst. Die Organisation wird vorerst zufrieden damit sein, wenn sie erfährt, dass du einsatzfähig bist.“

„Ihr bringt mir Sachen bei, die ihr von mir fernhalten wollt? Was ist das für eine Logik? Ich habe keine Angst vor Waffen, ich hoffe nur, dass mir erspart bleibt, auf einen Freund zu schießen.“

„Dein Aufgabenbereich wird ein anderer sein. Rattenfänger haben wir schließlich genug!“ Sie schien darüber verstimmt zu sein, dass überhaupt jemand auf die Idee kommen könnte, ihn auf einen Freund anzusetzen. Das würde keiner hier zulassen.

„Du solltest deinen Freund, bevor du ihm so freudig zusagst, erstmal fragen, warum er aus DEM LOCH raus will.“ Sie war lieber vorsichtig als nachsichtig und kontrollierte alles.

„Ist das denn wichtig? Außerdem steht der Grund in der Nachricht ja schon drin, Sharon!“

„Er hat dir also erzählt, wer die sind?“

„Ich weiß ‘ne Menge!“ haute er großspurig raus und sie grinste.

„Dann hau mal raus, was du so weißt“, wollte sie wissen.  Dieses Kind .

Erschrocken sah er sie an. Er bereute doch ein wenig so angeberisch getan zu haben. „Man darf doch Geheimnisse, die Freunde einem anvertrauen, nicht einfach so weitergeben…“

Geheimnisse hüten zu können, war eine gute Eigenschaft, daher legte sie die Hand auf seinen Kopf und lächelte stolz. „Das ist sehr anständig von dir, aber manchmal hilft es auch, wenn man redet, damit einem geholfen werden kann. Dein Freund hat viele Probleme und es wäre nicht sehr klug sie ausgerechnet dir anzuvertrauen, lieber jemand Erfahrenem, der ihm auch helfen kann.“ Davon ließ er sich überzeugen, Vermouth schadete in erster Linie nur Personen, die Derartiges verdienten. Einige würden ihn naiv nennen, dass er das glaubte, aber er war davon überzeugt.

„Wenn nur andere erkennen würden, dass er Hilfe braucht… Dieser Kerl trampelt doch bei jeder Gelegenheit auf ihm rum. Und dessen Schwester, in die er verliebt war, hat nicht einmal so viel Charakter, dass sie ihn verteidigen würde, obwohl sie ihn mochte. Vielleicht mag sie ihn immer noch, will aber ihren Bruder nicht verärgern. Er wünscht sich einfach, dass sie ihn zufriedenlassen und er auf keinen von ihnen schießen muss. Aber sie kleben an ihm, also muss er das manchmal. Ich könnte das nicht.“

Chris seufzte, sah aber kurz zu ihrem Partner. Manchmal musste man auf Menschen schießen, die man mochte, das wussten sie beide sehr genau. So etwas nicht zu können, war aber keine Schande. Sie überließ ihm das Feld.

„Manchmal muss man ausgerechnet auf diejenigen schießen, die man liebt, um sie zu beschützen, Keji. Das klingt vielleicht hart, aber manchmal ist es auch klug, gar nicht zu zeigen, dass man jemanden mag. Sie zu mögen“, er sah leicht zu Chris, „kommt auch nicht immer gut an, deswegen geben einige vor, ihr zu misstrauen, oder sie nicht ausstehen zu können. Andere wiederum sehen sie als potenzielle Quelle direkt zum Boss. Das sind meistens Heuchler.“

Keji sah runter, all das bedrückte ihn immer. „Er fürchtet sich davor, dass er auch mal auf sie schießen wird.“

„Wenn er muss, wird er es tun. Hoffentlich ist sie dann ein bisschen dankbarer, als ihr Bruder.“ Plavac schloss die Augen. Keji musste ihm nicht erzählen, dass jeder Schuss auf diesen Kerl seinen Zweck erfüllte. Sie sollten ihm Angst einjagen, damit er ihnen nicht zu nahekam. Da der Typ total verbohrt, selbstherrlich und überzeugt war, alles schaffen zu können, klappte das natürlich nicht ganz so gut, wie Jami sich das vorstellte. Tokorozawa war grundsätzlich arrogant, genauso wie sein Vater. Da konnte er doch nicht vor einem Jüngeren kuschen. Selbst dann nicht, wenn es ihn das Leben kosten sollte. Der Kerl merkte ja nicht einmal, dass er ihm unterlegen war. Wenn Jami wollte, brachte er ihn um – sie waren eine große Gemeinschaft, das war viel schlimmer. Jami würde jede Menge Hilfe finden, wenn er sie wollte. Ein Wort zum Boss, dass sein Freund ihm Ärger machte und man stellte eine Truppe zusammen, die diesen hochmütigen Kerl abschlachtete. Er sah zu Chris, diese wirkte zornig – wegen ein paar Kinder, die sich in einem Kleinkrieg befanden.

„Man sollte dem Jungen mal klarmachen, dass er falschliegt, wenn er glaubt, er sei uns gewachsen. Ein Krankenhausaufenthalt würde ihm guttun.“

Es klang nicht direkt durch, aber Keji verstand, was sein Patenonkel damit meinte. „Ich fürchte, keiner außer ihm, darf ihm was antun…“

„Dann ist er aber selbst schuld. Vielleicht sollte er dann selbst mal wagen, ein bisschen mehr sprechen zu lassen, als seinen Mund. Vielleicht versteht sein Freund dann endlich, was passiert, wenn er sich weiter so maßlos überschätzt. Das kommt davon, wenn Kinder dumm sind und zudem noch alles glauben, was die Eltern ihnen so sagen. Weil Erwachsene ja immer Recht haben.“

„Ist das nicht gut, wenn man den Eltern glaubt?“ fragte der Junge, woraufhin Chris lachte.

„Nur, wenn die Eltern ihre Macht nicht für das Falsche einsetzen. Ich halte nichts davon, Kinder zu irgendwas zu zwingen. Tokorozawa zwingt allen seinen Willen auf, deswegen kann Yuriko Tokorozawa auch nicht dazu stehen, was sie vielleicht für irgendwen empfindet, weil Papa ihr das nicht erlaubt.“ Ihre Worte klangen zynisch, aber sie hatte trotzdem irgendwie Sympathie für die junge Frau. Sie hoffte, dass sie eines Tages schaffen würde, sich gegen ihren herrischen Vater zu wehren, so wie sie selbst es früher getan hatte. Das Dumme an solchen Männern war, dass man nicht gegen sie ankam, jedenfalls nicht, wenn sie zu jedem Mittel griffen. Das ging nicht, wenn man weiter Daddys Good Girl bleiben wollte. „Vielleicht sollte man mal mit Tokorozawas Schwester reden, vielleicht hört sie eher zu…“

„Da habe ich ja was angerichtet“, seufzte Keji, sie lachte daraufhin.

„Nur, wenn ich ihr begegne, weil sie sich der Organisation nicht fernhält, so wie ihr seltendämlicher Bruder. Wahrscheinlich ist es auch nicht möglich, sie allein anzutreffen, weil er wie ein Schatten an ihrer Seite ist.“

„Na, wenigstens eine gute Eigenschaft“, sagte Plavac und zuckte anschließend mit den Schultern. Es gab schlimmere Typen als ihn.

 

Es war einfach immer spannend, diesen Kindern dabei zuzusehen, wie sie sich verhielten. Nicht bloß, weil sie Kinder mochte, sondern weil sie immer wieder überraschende Dinge taten. So wunderte sie am Ende eigentlich gar nicht mehr, dass ihr Junge tatsächlich einen Wohnungsschlüssel hatte. Zwar war der sicherlich nicht zum Teilen vorhanden, aber Keji vertraute ihnen eben, deswegen hatte er sie mitgenommen – unter der Bedingung, dass sie ihm auch halfen, ohne bei seinem Freund allzu sehr zu schnüffeln. Er wusste, dass das nicht gut ankommen würde und Chris hatte freudestrahlend verkündet, dass man einem Trugschluss erlag, zu glauben, sie würde die Gutmütigkeit eines Kindes ausnutzen. Darüber konnte man die Augen rollen, oder lachen; der Zweck heiligte ja die Mittel. Hätte man irgendetwas befürchten müssen, hätte sie hier alles auf den Kopf gestellt, um irgendein schmutziges Geheimnis ans Tageslicht zu bringen.

In den letzten Jahren hatte der junge Mann häufig den Wohnort gewechselt, nicht immer mit Freuden. Er war eben sprichwörtlich AUF DER FLUCHT. Vor wem genau war nie so ganz klar. Die Organisation glaubte, er rannte vor der Polizei davon, damit sie ihn nicht fand – das vermisste Kind. Er hatte ja entschieden, zu bleiben. Daher wollte er auch nicht gefunden werden. Es juckte der Schauspielerin ja schon ein bisschen in den Fingern, ein bisschen in seinen Sachen zu kramen, sie tat es jedoch nicht ganz so auffällig, dass ihr Junge es als solches empfunden hätte. Es waren nur sie drei – Leute, die keinem etwas Böses wollten, ohne Grund. Wenn dem so gewesen wäre, sie hätten einiges gefunden, womit sie ihm Schwierigkeiten machen könnten.

„Unfassbar, was man hier alles findet. Klüger wäre, wenn er alles verbrannt hätte. Es muss nur mal die falsche Person bei ihm zur Tür reinfallen und schon…“

„Bringt man ihn um? Wieso? Weil er Bilder aus seiner Jugend hier aufbewahrt und seine Familiengeschichte nicht einfach verbrannt hat?“ fragte Plavac, der seinem Sohn beim Packen des Koffers half, während Chris sich um die Regale kümmerte. Dabei kamen ihr auch jede Menge Erinnerungen unter, die sie natürlich kommentieren musste. ‚Als ob du deine Familie einfach so streichen könntest. Wenn du das schaffst, dann können wir weiter darüber reden, was klüger wäre.‘ Sie hing selbst an allen, die sie Familie nannte. Es würde ihn nicht wundern, wenn sie sogar noch Bilder von ihrer Cousine hätte, egal wie sehr sie sich hassten. Die Schuld suchte sie sowieso meist bei sich selbst; und aktuell vertrug sie sich sogar mit der verhassten Person, weil diese nicht wusste, mit wem sie es zu tun hatte. Ein Miststück wie Chris Vineyard war wohl leichter verdaulich als ihre perfekte Mutter. Das war irgendwie bedauerlich. Wahrscheinlich bereitete es Sharon noch die größte Freude, sich so zu ändern, dass Yohko sie endlich leiden konnte. Diese Frau würde austicken, wenn sie einmal dahinterkam – die Sache ging eh schon viel zu lange gut.

„Ist doch so. Wenn er so tun will, als wäre der Tod seiner Schwester und seiner Eltern einfach so an ihm vorüber gegangen, sollte er so etwas nicht in seiner Wohnung haben.“

„Hast du noch Bilder von deinem Dad?“

Erschrocken sah sie sich zu dem Schwarzhaarigen um; fassungslos, dass er annahm, sie würde irgendetwas aus diesen alten Zeiten noch irgendwie aufbewahren. Dieser Mann hatte die Familie zerstört, wieso sollte sie irgendein Andenken an sie aufbewahren?

„Das Hochzeitsfoto deiner Eltern zählt für mich auch dazu, auch wenn es nur zur Hälfte ihn beinhaltet.“

„Das habe ich noch“, gab sie sich geschlagen, klang dabei aber irgendwie resignierend. Es gab auch eine Zeit, in der ihre Eltern mal glücklich gewesen waren, bevor sie geboren wurde. Es war ja im Grunde sowieso ihre Schuld gewesen. Nicht? Als Jugendliche hatte sie das so gesehen. An ihres Vaters Stelle hätte man lieber sie selbst umbringen sollen. Nein, sie war wenig dankbar über die Ermordung ihres Vaters gewesen. Dieses dumme Mädchen – jetzt war sie nicht mehr so dämlich; sagte sie sich jedenfalls.

„Sollte die Organisation ihm Untreue unterstellen wollen, weil er Bilder seiner Familie in der Wohnung hat, sollte man denen mal erzählen, dass du das auch tust; ganz egal, was du erlebt hast. Dann muss der alte Mann sich auch fragen, wie loyal du bist. Wetten, da würde er seine Meinung ganz schnell ändern und all diejenigen auslachen, die Jami verdächtigen? Wenn es um dich geht, will er ja blind sein.“ Es war abscheulich und fast wollte sie säuerlich werden. Sie nutzte diese Gunst und sie kostete sie sogar vollständig aus, um damit anderen auf die Nerven zu gehen, aber gut fand sie es noch lang nicht, den Boss dafür noch auszulachen. Immerhin war er es gewesen, der einen Schützen in ihr Haus geschickt hatte, um ihren Vater zu töten. Nicht, weil er der Organisation nichts nutzte, sondern weil man sich daran gestört hatte, was er noch so getan hatte. Mittlerweile war sie auch brav dankbar für diese Hilfe.

„Du meinst, wenn er mir das durchgehen lässt, muss er ihm das auch durchgehen lassen? Oh, das tut er nur, wenn ich ein gutes Wort für ihn einlege, wie schon mal.“

Keji hob den Kopf. „Er kann dich ziemlich gut leiden.“

„Aha“, antwortete sie verkniffen und versuchte sich so zu drehen, dass er ihr nicht ins Gesicht sehen konnte. Plavac musste das nicht, er wusste auch so, dass sie nicht gemocht werden wollte und sich darüber jetzt ärgerte, schon gar nicht von Kindern, denen sie etwas getan hatte. Dabei hatte sie nicht einmal etwas so Verwerfliches getan. Jami war nicht dumm, der wusste, dass er ihr eher dankbar sein sollte, schließlich hatte sie nicht zugelassen, dass Chardonnay ihn eiskalt umbrachte. Dabei hätte man damit den Bullen so richtig eins reinwürgen können – was sowieso im Sinn des Psychopathen war. Er hasste die Polizei so sehr, dass er ihnen immer vernichtende Niederlagen bereiten wollte. Wahrscheinlich war das noch sein wahrer Grund in die Organisation einzutreten. Der ganze Rest kam erst später.

„Und was glaubst du hält er von mir, Keji?“ Das war viel interessanter, immerhin war er einer derjenigen, die auf seine Familie angesetzt worden waren.

„Du bist einer von Chardonnays größten Feinden. Rate mal“, meinte Keji, er fand diese Frage so was von überflüssig.

„Er hat auf seine Mutter geschossen, wie kann er ihn mögen?“

„Dass er ihn mag, sagte ich ja auch nicht. Ich wollte nur andeuten, dass Chardonnay ihm wichtiger ist. Er hat ja auch alles in die Wege geleitet. Sonst keiner. Den juckt nicht, wer so auf seine Familie angesetzt wurde. Das sind doch eh nur Handlanger.“

Es klang nicht schön, immerhin ging es dabei um sie alle. Unwahr war es deswegen allerdings nicht. Sie alle waren Handlanger; vollkommen richtig. Keiner suchte sich aus, wen er töten wollte oder nicht; zumindest sollte es aus Anokatas Blickwinkel so sein. Nicht jeder hielt sich da auch brav dran. Das waren die wirklichen Feinde.

„Als nächstes sagst du mir noch, dass Rivaner und Sylvaner zu seinen Freunden gehören“, amüsierte sich Chris, doch Keji seufzte nur.

„Die mögen Chardonnay, also frag nicht.“

„Klar, den darf keiner mögen – gleich auf die Abschussliste“, sagte Plavac trocken.

„Man, muss Merlot ihn da ja anwidern…“, flüsterte die Schauspielerin und hatte gleich wieder im Sinn, wie sie sich ihm gegenüber verhielt.

„Die ist eine Frau, der verzeiht man so etwas.“

„Was das angeht, muss ich ihm wohl nochmal ins Gewissen reden.“

Keji wunderte sich, wo sie ja sonst keinem aus der Familie direkt schaden wollte, aber genau danach klang es. Nach Gehässigkeit gegenüber ihrer Cousine. Das musste man annehmen, wenn man ihre genauen Beweggründe nicht kannte.

„Er ist 21, lass das mal besser sein, sonst fühlt er sich noch von dir bemuttert. Dafür ist er zu alt.“

„Du hast nicht gesehen, wie sie um ihn herumscharwenzelt“, entgegnete die Blondine mit angewiderten Gesichtszügen.

„Ist das so schlimm?“ fragte Keji unschuldig – Schweigen kehrte ein.

‚Ja, ich finde es schlimm, wenn eine Frau mit ihrer Vergangenheit sich an einem so jungen Mann zu schaffen macht und man direkt sieht, dass sie ihn verführen würde. Widerwärtig.‘ Sie sah in diesem Verhalten noch viel mehr, Dinge, die sie nicht sehen wollte. Schon gar nicht, wenn man ihr ins Gesicht sagte, dass er sie an den eigenen Sohn erinnerte… Da konnte einem schon speiübel werden.

 

Geschafft ließen sie sich in der Küche auf die Stühle fallen.

„Bleibt nur noch die Frage zu klären, wo er mit all dem Kram jetzt hinwill? Ich halte es für keine gute Idee, wenn die Zwei eine WG gründen, da kommen sie nur auf Blödsinn. Nur falls du gedacht hast, dass du das so einfädeln kannst, Kleiner.“

Schmollen war in seinem Gesicht zu sehen, wenig später kam auch schon der Satz dazu: „Menno…“

„Ach, ich habe da eine bessere Idee“, frohlockte Chris, so dass beide sie fragend ansahen, so freudig sie klang, doch ihr Gesicht sagte noch viel mehr. Sie hatte die beste Idee überhaupt…

„Na, da bin ich ja mal gespannt.“  Plavac amüsierte sich jetzt schon, weil sie sich selbst so feierte.

„Ich kenne jemanden, wo er bestimmt liebend gerne eine Weile bleiben würde und sich auch bisschen von den Scherereien, die er so mit seinen komischen Freunden hat, erholen kann.“ Am genialsten fand sie, wie beide keine Ahnung hatten, was sie meinen könnte.

„Sag nicht…“ Also zumindest glaubte sie, dass keiner darauf kommen konnte. Plavac hatte allerdings durchaus eine Idee, was im Kopf seiner alten Freundin gerade für ein Film ablaufen könnte.

„Armer Kerl“, sagte er, jedoch weiterhin durchaus amüsiert. Es war nie witzig für diejenigen, die von ihr in die richtige Richtung geschoben wurden. „Hoffentlich sehen die Beteiligten das auch so.“

„Ich brauche sowieso eine zuverlässige Person, die ein bisschen aufpasst, wenn ich gerade nicht da bin. Damit schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe.“

„Wovon spricht sie, Shiro?“ Keji war komplett verwirrt, da beugte sich Plavac zu ihm und flüsterte ihm dann etwas ins Ohr. „Von einer Person, die Jami wohl mag und sich über einen starken Mann im Haus sehr freuen würde, weil sie ein potenzielles Opfer sein könnte.“

„Aber er mag doch nur Yuriko Tokorozawa…“

Ihr Junge klang traurig, deswegen wollte sie ihn mal ein bisschen aufklären. „Ach, was du nicht sagst. Weil er sie mag, kann er sonst keine andere mögen? Na, dann solltest du ihn mal sehen, wenn er auf sie trifft. Dann verwirfst du diese Meinung ziemlich schnell. Die Beiden haben nur noch nicht so ganz begriffen, was sich zwischen ihnen abspielt, ich bin aber nicht blind.“

Belustigtes Lachen war zu hören, so überzeugt war sie davon. „Da frage ich mich, was genau du gesehen hast. Dass du glaubst, du hast Recht. Davon abgesehen, dass Jami ja sowieso jeder Frau helfen würde, war er bei ihr noch ein bisschen mehr als nur hilfsbereit.“

„Habe ich gar nicht mitbekommen… Was hat er denn noch so getan?“

„Du kannst ihn ja mal fragen, wie er zu ihr steht. Mit Glück verrät er es dir nicht direkt, sondern kommt völlig ins Straucheln.“

„Wieso das denn?“ Keji war jung und unerfahren, deswegen kam er noch nicht drauf.

„Weil der Gute denkt, keiner merkt es, dass er in sie verguckt ist.“

„Wie vorsichtig ausgedrückt. Er ist in sie verguckt.“ Chris amüsierte sich darüber, schließlich hatte Serena ihr schon mitgeteilt, dass dieser Kerl ihrer Cousine mittlerweile schon nachschlich, weil ein paar zwielichtige Kerle sie kurz nach ihrem Einstieg direkt versucht hatten, mit Gewalt einzuschüchtern.  Die wussten ja sogar ihr mit ihrer Unschuld zu drohen. Es könnte ihr ja genauso ergehen, wie Serena. Dagegen hatte Sharon ganz gewaltig was. Es war also gar nicht so verkehrt, wenn Jami sie beschatten ließ, um im rechten Moment aufzukreuzen. Das letzte Mal – so hatte Serena jedenfalls gemeint – war er gerade rechtzeitig gekommen, bevor sie ihr etwas antun konnten. Chardonnay sei aber rechtzeitig geflohen, so dass er sich nur die Anderen zur Brust genommen hatte.  Die wussten auch mittlerweile, was er davon hielt, einer Frau mit der Jungfräulichkeit zu drohen. Sie war fix und fertig gewesen, schließlich sah man einer Frau so etwas nicht an. Sharon war nicht so dämlich. Es war doch kein Wunder, bei den Geschichten, die Serena ihrer Cousine über sich selbst erzählt hatte, bekam diese doch bei jedem Mann gleich Panik. Aus Angst, ihr könnte das Gleiche widerfahren. Es war auch nicht klug, einem unschuldigen Ding, wie Vanessa so eine Geschichte zu erzählen. Auch nicht als Warnung vor den bösen Männern. Wahrscheinlich würde Serena sie noch beneiden, wenn Jami irgendwelchen anderen Kerlen zuvorkam und sie am Ende etwas Schönes im Bezug auf diese Sache erleben konnte, anders als sie. Sharon wusste heute noch nicht, wie schlimm diese Reaktion wirklich sein würde, denn bisher hatte sie ihre Halbschwester für einen guten Menschen gehalten, der lediglich verletzt worden war und jetzt auf Rache aus war. Dass sie zudem Minderwertigkeitskomplexe hatte, zeigte sie ja nie jemandem. Typisch Schauspielerin; unehrlich mit anderen, aber vor allem mit sich selbst.

 

Gegen Nachmittag erreichte eine Nachricht den Polizeipräsidenten, der sich schleunigst auf den Heimweg machte. Auch Ryochi, der gerade nach Hause kam, wirkte verblüfft darüber, dass das Auto seines Vaters bereits vor dem Haus parkte, er also viel früher zuhause war, als sonst. Da beschleunigte er automatisch. Sein Vater kam nie ohne Grund eher nach Hause…

Er öffnete die Tür mit dem Hausschlüssel und hörte dann noch einige Gesprächsfetzen, die seine Mutter und sein Vater fallen ließen.

„Natürlich habe ich ihn von einem Arzt untersuchen lassen. Du musst dir vorstellen, er hat sich von irgendeinem Laien das Bein flicken lassen, nur um zu vertuschen, was er so treibt. Er ist schlimmer als Yuichi früher.“ Keiner hörte das gern, schon gar nicht der Schülerdetektiv; seine Sorgen waren nicht unbegründet gewesen. „Du musst mit ihm reden, Anata, auf mich hört man ja nicht. Sprich ein Machtwort, bitte. Er bringt sich sonst noch um. Du weißt doch, dass er unbedingt so werden will, wie Yuichi.“ Das gefiel keinem von Beiden.

„Findest du nicht, dass ein Machtwort bei Sêiichî nicht mehr viel bringt? Wie oft haben wir bei ihm schon ein Machtwort gesprochen?“

„Dann finde wenigstens raus, wer auf unseren Sohn schießt.“

„Ich rede mit ihm, mach dir keine Sorgen, Liebste.“ Er küsste seine Frau auf die Stirn. „Wo ist er?“

„Muss das Bett hüten. Ich lasse diesen ungezogenen Bengel garantiert nicht mehr so schnell allein vor die Tür.“

Ryochi grinste, fast ein bisschen fies. Das hatte dieser Esel jetzt davon, jetzt wurde er richtig bemuttert. Ob Sêiichî wohl ansatzweise sagen würde, was bei ihm schieflief? Er versuchte niemanden zu belasten und den Eltern keine Sorgen zu bereiten. ‚Die Verletzung ist also noch nicht verheilt… Kein Wunder, wenn irgendein Stümper sie behandelt hat.‘

 

Takeshi Akajas Schritte kamen schwer die Treppe hoch, so dass auch der im Bett liegende bereits wusste, er war auf dem Weg. Ehrlich gesagt hatte er doch ganz schön Schiss vor den Fragen. Weil er nicht vorhatte, sie zu beantworten. Dann stritten sie womöglich und er bekam Hausarrest, was auch immer… Da musste er durch…

Als dann dieser lächelnde Mann in sein Zimmer kam, öffnete sich sein Mund richtig echauffiert, er hatte mit einer richtigen Schelte gerechnet und wurde dann nur angelächelt…

„Na, mein Sohn, hast du wieder den Helden gespielt?“ Er setzte sich zu ihm ans Bett und wuschelte ihm einmal über den Kopf.

„Meine Frisur, Papa“, schmollte er, da grinste Takeshi noch ein bisschen mehr.

„Ist sowieso vollkommen ruiniert und soweit ich weiß, musst du ein bisschen das Bett hüten. Da ist sowieso egal, wie du aussiehst.“

„Willst du nicht schimpfen?“

Die Hand zerzauste die Haare noch ein bisschen, dann sah er ihn etwas ernster an. „Ach, du machst doch sowieso immer, was du willst, Junge. Nur eine Frage, hältst du das für gesund? Wir sind unter Männern, du kannst mir alles sagen. Also, wie kam es zu deinem verletzten Bein?“

Erschrocken riss er die Augen auf, dann wendete er den Blick verbissen ab, dabei griff er sich die Bettdecke. Merkliches Zittern ging von seinen Händen aus. „Junge, wir wissen, dass du gefährliche Spielchen spielst. Mir kannst du nichts vormachen. Ich reiße dir nicht den Kopf ab, was auch immer du mir sagst.“

Trotz der Worte zitterte er immer noch, er schluckte und sah dann zu dem Mann, den er mittlerweile seinen Vater nannte. „Papa, ich … Ich wollte bloß helfen. Einer Frau helfen, weißt du? Dann war da der Sohn von Tokorozawa!“ Was er tat, nannte sich Rache, er würde diesem Typen so dermaßen ans Bein pissen, dass er es nicht mehr vergaß.

„Er hat auf dich geschossen, Sêiichî?“ Welchen Grund konnte es dafür geben? Er wusste es ja eh schon. Für ihn war eine Mitgliedschaft in einem Verbrecherring noch lange kein Grund, auf jemanden zu schießen. „Erzähl mir die ganze Geschichte.“

„Tokorozawa behandelt alle wie ein Stück Vieh“, kam von ihm mit einem verärgerten Ton. „Sogar auf eine schöne Frau wie Chris Vineyard wird so ohne Weiteres geschossen. Es ist doch so, dass Kriminalisten das nur in akuten Gefahrensituationen dürfen, oder nicht? Tokorozawa nennt sie Verbrecherin – reicht als Grund! Solch ein elender Schweinehund!“

„Bist du sicher, dass sie nichts gemacht hat?“ Sêiichî war ein 17-jähriger, chaotischer Heranwachsender, der sich mit wachsender Begeisterung fürs schwache Geschlecht einsetzte, auch dann, wenn dieses absolut keine Hilfe benötigte oder wollte.

„Sie hat die Waffe nicht auf ihn gerichtet, zumindest nicht als Erstes!“

Man konnte dem Jungen glauben, oder eben auch nicht. Er bezweifelte, dass Sêiichî alles aus den Fingern saugte, aber man konnte auch nicht sicher sein, ob er nicht ein paar Dinge durcheinander warf. Nicht, dass er ihn als Lügner bezeichnen wollte, aber Frauen und Sêiichî waren eine eigene Geschichte. Umso schlimmer, dass er ihren Namen sogar nannte. Es war eine Überraschung, in der Tat. „Bist du in sie verliebt?“ Ungeachtet dessen, was man ihm gerade mitgeteilt hatte, war ihm wichtig die Gefühle seines Sohnes zu kennen.

„Was?“ Schock, Unglaube – er schüttelte sogar etwas verwirrt den Kopf. „Wieso ist das denn wichtig?“

„Ich will alles wissen!“

Zum ersten Mal sah man die Schamesröte in Sêiichîs Gesicht treten und er wollte sich auf der Stelle in Luft auflösen. So eine unangenehme Frage.

Sie hat mir geholfen, hätte ich da etwa weglaufen sollen? Für Tokorozawa bin ich jetzt ein Feind, denn ich tue mich mit ihr zusammen. Der Schuss ins Bein war seine Antwort darauf. Zum Glück ist sie nicht auch getroffen worden…“ In seinen Worten klang klar hervor, dass er nicht zulassen konnte, dass jemand so etwas tat.

Natürlich könnte er jetzt die ganze, schreckliche Wahrheit erzählen. Dass er dem Laden beigetreten war. Sie Kollegen waren, die zusammengearbeitet hatten, einen Auftrag gehabt hatten. Doch, was dann? Wenn sich ihr gemeinsamer Vater in diese Sache einschaltete, verlor er am Ende sein Leben.

<“Sie ist völlig ausgetickt, Takeshi. Als Tokorozawa, dieser selbsternannte Gott, Sêiichî ins Bein geschossen hat. Ich musste ordentlich aufräumen, sonst hätte die Polizei sie deswegen noch zur Verantwortung gezogen, weil sie auch diesen Kerl verletzt hat. Der kann froh sein, dass sie ihn mit dem Leben davonkommen lassen hat. Die war wie eine Furie. Sein Wohlergehen war wichtiger als irgend so ein Gesetz.“> durchfuhr es ihn. Diese Erzählung verriet viel, genügend, um sich darüber im Klaren zu sein, dass Gefühle immer stärker waren, als der Verstand.

Sêiichî biss sich auf die Lippen. „Ich bin sicher, dass sie das damals war“, murmelte er, dabei dachte er sich wahrscheinlich, dass man ihn nicht gehört hatte. Doch dem war nicht so. Er war mit einem Mal völlig abgedriftet. Mit einem verträumten Lächeln, ganz weit weg. Für einen kurzen Moment, er sah richtig, als er wieder im Hier und Jetzt ankam.

„Meinst du die Person, die du damals gesehen hast? Diejenige, die du deinen Schutzengel nennst?“

Da entglitt Sêiichî nun vollends die Fassung und er sah seinen Vater sprachlos an. Bis heute hatte er geglaubt, sie hielten das für eine Spinnerei, für eine Halluzination in einer schwierigen Situation. Er konnte dazu erst einmal absolut nichts sagen, so verblüfft war er.

„Ich hab sie gesehen… Wirklich…“ Man schien ihm zu glauben, da waren diese Worte überflüssig, trotzdem sagte er sie immer wieder.

‚Nicht bloß du…‘ Es gab andere, die sich genauso immer nach den Schäfchen umsahen und dabei auch solche Momente erspähten.

„Beruhig dich, Sêiichî. Alles ist gut. Keiner sagt von dir, dass du spinnst.“ Höchstens Unwissende, die könnten denken, er spönne sich da etwas zusammen.

„Aber du musst ein bisschen vorsichtiger sein, gerade mit solchen Gefühlen.“ Seine Hand lag auf der Schulter des Jungen, so fest, dass er das Gefühl hatte, sie bohrte sich ins Fleisch.

„Aber…“

„Weißt du, womit du es zu tun hast, Sêiichî? Hattest du Einblick?“

Ihm war schlecht. Es war ja auch idiotisch zu glauben, dass er nichts wüsste. Nach all den Jahren. Sein eigener Sohn war in diesen Laden eingetreten. Da legte man noch mehr Elan an den Tag, um alles über sie herauszufinden.

„…Mit den Leuten, die Yuichi haben…“ Deutliches Zittern klang aus seiner Stimme. „Ich weiß, dass sie dazu gehört.“ Er sollte sich schämen, es so auszusprechen.

‚Wie man‘s nimmt.‘  Es gab Gründe, weshalb man ihn zuhause abgeliefert hatte. Weil es brenzlig wurde. Zu gefährlich für jemanden seines Alters. Außerdem war sie bestimmt erleichtert, wenn man ihn dahin brachte, wo er besser aufgehoben war.

„Aber die haben noch andere Leute…“ Sêiichî wirkte irgendwie ängstlich und kauerte sich schließlich zu einer kleinen Masse zusammen, umfasste seine Beine und machte einen Buckel. „..K-K..enichi Ashida“, stammelte er. ‚Ich frage mich, welcher Tätigkeit wohl Yuichi nachgeht. Ob’s ihm auch einigermaßen geht…‘

Sêiichî mochte das schockieren. Ihn nicht, er wusste es schon lang, dass Beide dazu gehörten. „Ich weiß nicht, was da läuft, aber ich glaube, einiges.“

Welch eine verwirrende Aussage, er sah zu seinem Vater. „Habt ihr schon die Verantwortlichen schnappen können, die mit der Ermordung von Okita zu tun hatten?“

„Du weißt, dass du dich aus diesen Dingen raushalten solltest.“

Widerspenstig sah Sêiichî seinen Vater an. „Wieso? Ryochi darf ja auch ermitteln.“

„Na, so würde ich das jetzt nicht nennen. Ryochi ist wenigstens vernünftig und nicht so vorwitzig, wie du. Bei ihm brauchen wir uns nicht ständig um sein Leben zu sorgen. Bei dir hingegen… Hast du überhaupt eine Ahnung, wie besorgt deine Mutter um dich ist? Vergiss bitte niemals, dass wir dich lieben und daher: Sei ein bisschen vorsichtiger. Das Leben ist kostbar.“

„Ja…“, kam es kleinlaut über seine Lippen.

 

Wenig später kam der Hausherr die Treppe hinab und sofort blickte ihm sein jüngster Sohn entgegen. Mit einem fragenden Blick, den er ebenso diesem schenken könnte.

Wenn Sêiichî jemandem mehr erzählte, dann war es Ryochi. Dieser wusste ganz genau, als sich ihre Blicke trafen, dass man ihm auf den Zahn fühlen würde. Zwar schwieg sein Vater noch einen Moment, aber dann wank er ihn heran und sie verschwanden in der Küche.

„Und, hat Sêiichî dir etwas gesagt?“ wollte der Junge wissen.

„Vielleicht. Dir? Glaubst du wirklich, dass er bei mir reden wird? Du bist doch sein bester Freund. Außerdem würdest du ihm hinterherschnüffeln, wenn du ihn verdächtigst, irgendetwas Gefährliches zu tun, oder etwa nicht, Ryo? Manchmal muss man auch seine Freunde verraten, wenn sie dabei sind, sich selbst zu schaden. Da erzähle ich dir aber nichts Neues, oder?“ Der Familienvater wusste, dass diese Bengel am Ende doch zueinander hielten, das war ehrenhaft, aber nicht immer klug.

„Würde ich dich das fragen, wenn er mir immer noch alles erzählen würde?“ Sein 16-jähriger Sohn wirkte sogar ein klein wenig verletzt, als er es so sagte. „Der macht immer mehr Zeug ohne mich. Bestimmt wegen damals.“ Weil Sêiichî ihn an Yuichis Stelle beschützen musste und dabei fast gestorben wäre. Dieses Ereignis würde er wohl nie vergessen. Einerseits jagte es ihm genügend Angst ein, um mit seinen Eltern zu reden, wenn Sêiichî etwas Dummes machte. Aber es hatte auch etwas von Machtlosigkeit und als ob er seinen Freund langsam verlor. Er wollte immer noch genauso an seiner Seite sein, wie damals… Sie waren beste Freunde, fast das ganze Leben lang. Wieso also fühlte es sich jetzt nicht mehr so an? Weil Sêiichî sich jetzt auch sein Bruder nannte? Und sich alles nur noch darum drehte, dass man ihn ja beschützen musste, wie Yuichi es getan hatte?

 

Am späten Abend klingelte im Haus von Familie Masuyama das Telefon. Das Dienstmädchen nahm ab und ließ nach der Person rufen, die man sprechen wollte. Die junge und hübsche Blondine kam wenig später aus ihrem Zimmer und sprintete zum Telefon.

„Good evening. It’s Chris. Could I ask you a favor?”

„Hello, my dear. What is it?”

„We have a little problem. Jami had some trouble with his past, you see. He wants to run away from it. He asked my boy to pack his things quickly. I cannot allow the both to play around together. That would only cause more problems. Can you take care of him?”

„Oh, do you think, that’s a better idea, then leave him with your boy?”

„Fits perfectly.  Do you have a problem with that? He is a nice person, as you know.”

„It’s not me, more I wonder how Serena will think about it. Sure, she won’t be amused about another man in the house.”

Nie im Leben hätte die Anruferin geglaubt, dass ihre Schwester ein Problem sein könnte, weshalb sie jetzt entnervt seufzte.

„Get her on the phone, I’ll talk to her!” verlangte Chris verstimmt. Was sollte dieser Unfug? Er war doch kein Monster, so wie ihr Peiniger.

Vanessa verstummte kurz. „I‘ll go and get her”, sagte sie, bewusst ziemlich leise und ging dann mit einer traurigen Miene nach oben. Sie wusste ohne zu fragen, was ihre Cousine dazu sagen würde…

Sie öffnete die Tür und sah sie an. „Chris is on the phone. She wants to talk to you.”

„What does she want?” Serena schien sich zunächst zu fragen, wie dringend es war, denn ihrer Meinung nach war sie gerade schwer beschäftigt.

„Talking to you…“ Sie wagte nicht, ihre Bitte selbst vorzutragen, hielt ihr die Tür auf und blickte ihr dann besorgt nach.

„Ist etwas passiert?“ fragte der Mann, mit dem sie dinierte überrascht an die Blonde gewandt.

„Chris bittet um einen Gefallen. Ich befürchte, dass Serena davon weniger begeistert sein könnte?“

„Worum geht es, meine Liebe?“ Sie lief auf den Hauseigentümer zu und seufzte schließlich.

„Einer meiner Bekannten sucht eine Bleibe. Chris glaubt, hier sei er gut aufgehoben.“ Ihre Miene wirkte todtraurig, als sie an ihm vorbei ging und dort den Vorhang beiseiteschob, um hinauszublicken.

„Kann Serena ihn nicht leiden?“

„Sie kann keinen Mann leiden.“ Noch nicht einmal dich. Du bist nur Mittel zum Zweck. Noch einen Mann hier wird sie nicht ertragen.

 

„Yeah, it’s me. Also, was willst du? Vanessa hat schon so ausgesehen, als wäre jemand gestorben.“ Der Nachklang ihrer Stimme war voller Hoffnung, dass es die richtige Person wäre…

„Euer Haus ist riesig, Serena. Ihr habt doch sicher ein Zimmer für einen Gast, oder? Van traut sich nicht, dich zu fragen, dass sie gern helfen will. Sie glaubt, du hättest etwas dagegen.“

„Wen willst du herbringen?“

„Jami. Er kann eine Weile bei euch wohnen, oder? Es muss schnell gehen. Diese idiotischen Leute sind hinter ihm her. Wenn die so weiter machen, muss er noch einen von ihnen erschießen.“

„Oh, can he please stop crying? Other people suffer more than him. Then he has to kill them. So what?” Dumme Menschen verdienten es nicht anders, oder etwa nicht? Was musste sie das jucken?

 

Plavac sah, wie Chris zu zittern begann und beobachtete dabei, wie sehr sie sich zusammenriss, um nicht wütend ins Telefon zu brüllen. „What did you just say? Unbelievable. I just begged you for a small favor. Is it too much to beg you once to help me out?”

„Why you want to help this guy? Is he so useful?”

„That’s none of your business. Do I have to ask your husband directly?”

„You can be such a bitch.” Sie seufzte. „Mal sehen, was er dazu sagt. Ein Gast macht sehr viel Arbeit.“

„Dein Mann hält das für eine gute Idee, Serena. Dann ist deine Cousine nicht so einsam.“

In der Ecke stand das verängstigte Ding, was sie selbst sich wie eine Halbgöttin fühlen ließ und strahlte freudig, anscheinend hatte sie ihn schon eingeweiht.

„Habe ich hier denn überhaupt nichts mehr zu sagen, Kentaro?“

„Ach komm, sie würde sich sehr freuen.“ Ihr Blick richtete sich auf ihre Cousine – das sah man, wie die sich freute. „Aber ich übernehme keine Garantie, dass ER sich benimmt. Er ist ein hübscher Kerl. Nicht, dass er meine Cousine verführt.“

„Er kann ein Gästezimmer haben. Da wird kaum etwas passieren.“ Außer, dass sie sich öfter begegneten. Und wenn ihre Cousine ihn ins Zimmer lassen wollte, dann war das allein ihre Entscheidung.

„Auf deine Verantwortung.“ Sie näherte sich ihrem Mann und flüsterte ihm leise etwas zu. „Er ist total wild auf sie. Man kann sie keine Sekunde aus den Augen lassen. Er wird alles probieren. Sie hat’s ihm angetan, weißt du?“

Ihr Mann verstand überhaupt nicht, was ihr Problem war, ihre Cousine war schließlich im heiratsfähigen Alter. Noch dazu schien sie sich zu freuen, wenn ihr Bekannter mehr Zeit mit ihr verbrachte. Das machte das Verhalten umso grotesker.

„Ich bin auf meinem Zimmer“, sagte Serena schnippisch und ging total hochnäsig an allen Anwesenden vorbei.

Dieses dümmliche, leichtfertige Ding würde schon sehen, was sie davon hatte, einfach so einen Kerl zu sich einzuladen.

Der 36-jährige nahm das Telefon und begrüßte die junge Frau.

„Sie ist ein bisschen launisch in letzter Zeit. Mein Haus ist für alle Freunde der Familie geöffnet“, meinte er und die Schauspielerin grinste durchaus ein bisschen hämisch. Damit meinte er vorwiegend sie, ihre Freunde waren auch seine Freunde. Jetzt konnte seine eingebildete Ehefrau sich richtig aufregen. Sie war noch ein bisschen fassungslos, was Serena ihr gerade gesagt hatte.

„Was war los?“ wollte der Schwarzhaarige wissen, woraufhin sie mit einem traurigen Lächeln mit einem einzigen Wort antwortete: „Starallüren?“

Kurz darauf war die Haustür zu hören und Keji stürmte der Person entgegen. „Wir haben alles schon gepackt, wir können gleich los. Eine Unterkunft hast du auch schon.“ Ihm wurde noch dazu spitzbübisch der Ellenbogen in die Seite gestoßen.

„Hab ich?“

Die Verwirrung wurde so richtig komplett, als er erst den Schwarzhaarigen und dann die Blondine in seiner Wohnung entdeckte.

„Habt ihr ihm etwa geholfen?“

„Ich hab sie eingespannt, Kenichi, bin ich nicht gut?“

„Ohne Worte.“ Er war noch so unbeschwert, sogar noch ein bisschen blauäugig. „Hoffentlich erzählst du nicht jedem alles über mich.“

„Nein, nur den Beiden, weil sie gute Menschen sind!“ Der aufgeweckte Junge lief in die Gefahr, den falschen Menschen zu vertrauen, zum Glück konnte man diesen Zweien wirklich vertrauen – dann, wenn man auf der rechten Seite stand…

„Und wo genau soll ich jetzt hin?“

„Na, zu den Masuyamas!“ entkam Chris, da bemerkte sie wie wenig ihm das zu gefallen schien. „Sag mal… Ist zwischen dir und Serena was vorgefallen? Sie hat genauso geklungen, wie du jetzt aussiehst.“ Sie war ein wissensdurstiger Mensch, deswegen wollte sie diese Sache jetzt genauer hinterfragen.

„Serena kann mich nicht ausstehen“, sagte er, ohne die Miene zu verziehen, denn es war ihm ziemlich egal, was diese Frau von ihm dachte.

„Ich werde diese Frau nie verstehen“, sagte Chris dazu. „Wie kann man Männer nur so hassen?“

„Bei ihrer Vergangenheit ist das doch kein Wunder.“

„Mag sein, aber deswegen muss man nicht jeden als Feind betrachten. Aber Vanessa wird dich mit offenen Armen empfangen. Mister Masuyama hat ja zum Glück auch noch etwas zu sagen, deswegen wird seine Frau das jetzt schlucken müssen.“

Ihm schien unter der Brücke schlafen, klang attraktiver, als sich mit der Diva rumplagen zu müssen…

 

So einen gutherzigen Mann wie Kentaro Masuyama, der einen fast Fremden wie einen guten Freund begrüßte, verdiente diese Tussnelda nicht einmal. Er war ein guter Kerl, der seine Frau beschützte, trotzdem wusste Kenichi, dass sie ihm das keineswegs so dankte, wie es angebracht wäre, oder wie ihr Mann es verdient hätte. Er befürchtete, dass ihre Liaison nicht einmal etwas mit Liebe zu tun hatte, sondern mit seinem Geld und der Macht des Vaters.

Sie war nicht einmal da, um ihn auch zu begrüßen und willkommen zu heißen, wie man es von einer anständigen Dame erwarten würde, stattdessen machte alles ihr Mann.

Nachdem Kentaro ihn willkommen geheißen hatte, begrüßte auch Vanessa ihn, mit einem leicht schüchternen Lächeln.

„Ich freue mich, dich wiederzusehen. Ich hörte, du hattest Ärger. Willst du mir vielleicht davon erzählen, was vorgefallen ist?“ zeigte sie sich interessiert, man sah ihnen hinterher. „Ich zeige dir erst einmal dein Zimmer, was hältst du davon?“

Kentaro drehte sich zu der kleinen Gruppe Menschen, nachdem er kurz den Blick hinter Kenichi und Vanessa schweifen ließ.

„Meine Frau hat einen fürchterlichen Aufstand gemacht. So sehr, dass sie schon zu Bett ist. Der junge Mann wirkt doch sehr nett, wissen Sie, Miss Vineyard, was sie für ein Problem mit ihm hat?“

„Oh, Frauen können wahre Geheimniskrämer sein, deswegen kann ich dazu leider nichts sagen.“

„Stimmt leider. Sie befürchtete aber wohl, dass er sich nicht benimmt. Man sagt ja von jungen Männern, sie seien umtriebig.“

„Falls Sie erlauben, würde ich Ihre Frau gern noch einmal besuchen. Ich weiß, das ist unhöflich, aber ich denke, die Kopfschmerzen sind vorgeschoben. Ich werde versuchen dahinterzukommen, was mit ihr los ist.“

Ikūshirō bemerkte, wie Keji seiner geliebten Patentante besorgt nachsah, als sie die Treppe hinaufging.

„Warum machst du dir Sorgen?“

Keji streckte sich zu seinem Ohr und flüsterte in dieses: „Ich kann die eingebildete Schnepfe nicht leiden.“

Eine Sache, die sie gemeinsam hatten. „Unser guter Jami wohl auch nicht so…“ Es war verdächtig, denn er war prädestiniert, jeder Frau eine Chance zu geben. Diesem heißen Feger wollte er nicht einmal begegnen. Er hatte da durchaus einige Ideen, woran das liegen könnte.

„Wir warten draußen“, sagte er zum Hauseigentümer, legte die Hand auf Kejis Rücken und schob ihn raus. Dort konnten sie sich freier unterhalten. Sie konnten ja schließlich nicht unhöflich werden, nur weil sie die Gattin des Guten nicht besonders mochten.

 

Er entschloss, sich mit Keji im Auto zu unterhalten, völlig ungestört. „Hat dir Jami mal gesagt, was er gegen Seyval hat?“

„Nein, leider nicht. Aber das muss er auch nicht, ich denke, das liegt einfach an ihrer unsympathischen Natur.“

Es stimmte, Seyval war ein falsches, unsympathisches Frauenzimmer, was bisher aber mit allem davonkam, was sie so machte. Sharon hatte bereits akzeptiert, dass ihre Schwester eine ganz schöne Diva war, aber sie war bei weitem toleranter, als manch einer glaubte. Gerade bei Seyval würde er sich wünschen, dass sie mal ein bisschen kleinlicher war.

„Ich glaube, sie ist bei Jami angekrochen, damit er für sie arbeitet. Also bei mir hat sie es auch schon probiert. Sie war bereit gut zu bezahlen.“ Er verschonte den 16-jährigen davon, es genauer zu erläutern, wie weit sie gehen würde, um diesen Kerl loszuwerden. „Ich wette, Jami war das Ganze zu heikel und er hat abgelehnt. Leute, die ihr nicht helfen, mag sie ja grundsätzlich nicht. Da fragt man sich doch glatt, ob sie Sharon aus der Familie verbannen würde, wenn sie aufhören würde, für sie zu kämpfen.“

Keji wirkte bedrückt und sah runter. „Genau deswegen kann ich sie nicht leiden. Ich bin sicher, dann wäre ihre Schwester nur noch halb so wichtig.“ Vielleicht taten sie ihr Unrecht, aber ihr ganzes Verhalten war darauf ausgelegt, ihre Schwester einzuspannen, immer dann, wenn ihr etwas über den Kopf wuchs, durfte sie die Retterin in der Not sein.

„Ich glaube, dass es zwischen den Beiden bald zu Streit kommt. Das habe ich so im Gespür, Kleiner. Vielleicht erfährt man es dann.“ Solche Gespräche brauchte man mit Sharon gar nicht anfangen, sie war unheilbar stur und hielt gerade noch an ihrem Familienzuwachs fest. Aber auch einer guten Person wie ihr würde es irgendwann reichen.

„Aber da ist noch etwas anderes, was ich dich unbedingt mal fragen wollte, Kleiner“, sagte er. Es klang keineswegs irgendwie bedrohlich oder beängstigend, eher ganz neutral.

„Was denn?“

„Wenn sie wie eine Mutter für dich ist, wieso sagst du zu ihr nicht auch Mama?“ Ikūshirō wurde Zeuge davon, wie das Kind tödlich blass wurde, geradezu, als sei es etwas total Furchtbares gewesen. „Wovor hast du Angst?“

Es dauerte lang, bis der Junge den Mund aufmachte. Nicht ohne vorher die Augen zuzukneifen, ein eindeutigeres Zeichen der Angst konnte man ihm nicht geben.

„Ich will sie nicht verweichlichen. Wenn ich sie Mama nenne, dann ist das nicht gut. Dann wird sie alles für mich machen, oder?“

‚Und wenn ich dir sage, dass das zwecklos ist? Dass sie so oder so alles für dich tun würde? Ach man, Junge.‘ Er hatte schon lang gespürt, dass der Kleine lieber zu ihm kam, hatte sich dabei aber nichts weiter gedacht, weil er eben ein Junge war, die besprachen ihre Sorgen lieber mit einer männlichen Person. Dann war ihm aufgefallen, dass er konsequent vermied, sie Mutter zu nennen, obwohl er keine andere hatte, die er Mutter nennen könnte. Sie war seine Mutter, das stand für ihn außer Frage, weil sie sich wie eine solche um ihn kümmerte, für ihn sorgte und auch verzweifelt war, wenn es ihm nicht gut ging.

„Das ist eine seltsame Logik. Mir schien eher, dass Liebe Menschen stärken kann. Nicht schwächen.“ So etwas Dämliches hatte seine alte Freundin vor vielen Jahren auch gesagt. Liebe würde verletzlich machen. Am besten man hatte niemanden – schockierend. Jetzt fing dieses Kind auch noch an, Gefühle zu unterdrücken. Das sollte er nicht.

„Wenn ich es zu sehr zeige, dann…“

„Ja, was dann?“ Dann war sie richtig glücklich. Mehr noch als jetzt.

„Diese Organisation wird sie benutzen. Das will ich eben nicht. Sie werden es merken, weil sie es dann nicht mehr verheimlichen kann, dass ihr mehr als meine Lehrer seid“, sagte er in einem schwermütigen Ton und sah ebenso traurig aus.

„Ich kann dich nicht dazu zwingen, aber willst du denn dein ganzes Leben lang auf alles Schöne verzichten, nur weil es in irgendeiner Weise verletzbar oder angreifbar machen könnte? Willst du dich und andere damit womöglich traurig machen? Natürlich ist es von Vorteil, wenn es nicht jeder weiß, aber die betreffenden Personen.“ Wenn er jetzt schon so dachte, würde er sich komplett verschließen.

„Aber sie sieht doch nicht unglücklich aus – warum soll ich alles schlimmer machen?“

Eine gute Frage. Aber wieso schlimmer? Er kannte den Jungen seid er ein Baby war, er hatte ihn wachsen sehen. Auch wusste er, dass wenn er von etwas überzeugt war, es nur sehr schwer war, ihm vom Gegenteil zu überzeugen. Das konnte vorteilhaft sein, allerdings nicht immer.

Chris klopfte gegen die Tür, bekam allerdings nur unleidliches Gemecker von ihrer Schwester. Sie grinste vor sich hin und öffnete frech die Tür.

„Ich sagte, ich will nicht gestört werden!“

„Auch nicht von deiner lieben Schwester?“ Ein bisschen nutzte sie die Familienbande, um doch wichtig genug zu sein, sie nerven zu dürfen. Ihre Schwester lag in ihrem schicken Schlafkleid auf dem Bett, den Kopf tief ins Kissen gedrückt, erhob sich jedoch beim Erklingen der Stimme. Offensichtlich hatte sie doch allen Ernstes geweint und musste sich die Tränen wegwischen.

„Was bedrückt dich? Willst du’s mir nicht sagen?“

„Ach, dieses teenagerhafte, liebestolle Getue. Das Turteln der Beiden. Wie lange soll ich das jetzt bitte aushalten? Allein beim Gedanken wird mir ganz anders.“

„Freust du dich denn nicht ein klein wenig für deine Cousine?“ fragte die Hellblonde und setzte sich neben sie aufs Bett.

Es klang fast wie ein Vorwurf, dabei war das typisch für ihre Schwester. Sie war nicht das Miststück, was anderen ihre glücklichen Momente missgönnte, das waren Merlot und Baileys.

„Wenn ich das nur so sehen könnte. Es tut nur weh, verstehst du das nicht? Sollen sie sich doch ineinander verlieben, aber können sie das nicht hinter verschlossenen Türen machen? Ich will das nicht so direkt mitkriegen. Was hast du dir dabei nur gedacht?“

Serena tat immer so stark und jetzt das. „Nach all der Zeit dachte ich, dass du es aushalten kannst. Jedenfalls hast du so geklungen, als du IHN geheiratet hast.“

„Als ich ihn geheiratet habe?... Wenn ich nur in der Lage wäre einen Mann zu lieben… Es ist nicht nur, dass sie so einen jungen Mann an Land zieht, dann auch noch dieses glücklich Verliebte, was ich niemals kennenlernen konnte. Sagt sie mir noch so ins Gesicht, dass sie bewusst auf ein Liebesleben verzichtet. Sie will jungfräulich in die Ehe gehen…“ Warum sollte sie dürfen, was ihr selbst nicht vergönnt war? Nicht all diese Gedanken konnte sie mit ihrer geliebten Schwester teilen, denn die würde eher noch mit ihr schimpfen, wie sie so etwas nur sagen konnte. Sie war eben ein besserer Mensch. Sie würde das nicht gut finden.

„Dass es in der heutigen Zeit überhaupt noch so etwas gibt, ist schön“, sagte Chris dazu, mit einem leichten Lächeln. In der heutigen Zeit lebten Paare ohne Trauschein zusammen und wechselten mehrere Male die Partner, früher war das nicht so gewesen…

„Völlig übertrieben. Als ob man so den Traummann findet. Sie scheint daran zu glauben. Jetzt bringt sie Jami um den Verstand und macht ihn unbrauchbar.“

„Serena, das hast du nicht wirklich gesagt?! Was meinst du denn damit, sie macht ihn unbrauchbar?“ Menschen, die sich verliebten, waren nicht unbrauchbar, mehr noch das Gegenteil.

„Sie verweichlicht ihn. Immer, wenn sie sich begegnen, kommt es mir vor, als würde er sonst wo schweben, aber keinesfalls auf dem Boden der Tatsachen. Du hast doch selbst gesagt, dass so etwas ungeheuer schwach macht…“

Abwehrend schüttelte sie den Kopf, obwohl es stimmte, dass sie so etwas schon einmal gesagt hatte. Sorge um andere, Liebe und Zuneigung machten schwach und angreifbar. Doch sie machten noch etwas ganz Anderes, sollte man auf sie verzichten - vor allem einsam.

„So etwas Blödes habe ich gesagt? Siehst du, ich bin keineswegs perfekt. Auch ich irre mich mal. Für ihn ist es genau das Richtige. Er fühlt sich von allen verraten und gehasst. Ein bisschen Liebe wird ihm guttun, stimmt das etwa nicht?“

Es war zwecklos, ihre Meinungen gingen meilenweit auseinander. Serena hatte auch keine Kraft für Diskussionen. Sie würde all ihre Kraft brauchen, um die Zwei zu ertragen. Es war fast zu hoffen, dass Vanessa gar nicht den Mumm hatte, ihm zu nahe zu kommen. Er hätte ihn gewiss, er würde sie sofort fressen. Sie fand dieses geierartige Verhalten von Männern schon immer irgendwie widerlich.

„Dann machst du das am Ende für ihn, nicht für meine Cousine?“

„Traust du mir so etwas zu?“ So etwas Unlauteres. Das war doch gar nicht ihre Art. „Ich denke, sie kann ihn vor dem Abgrund retten.“

„Du bist so poetisch, Sharon. Und wer rettet uns am Ende?“

„Manchmal geht es nicht um das eigene Leben, sondern nur um das von anderen.“ Eine Sache, die Serena ganz bestimmt nicht verstand. Wie jemand sich selbst für andere opfern konnte.

 

Keji riss die Tür auf, genau in dem Moment, als sie zurückkam, er sprang raus, hielt ihr die Tür auf und starrte sie einfach nur an. Sie wirkte traurig, doch seine Geste schaffte es, dass sie lächelte.

Dann stieg sie ein und er sprang hinten ins Auto. Natürlich nicht, ohne sich über die Lehne zu ihnen nach vorn zu beugen. „Was hat sie gesagt, das dich so traurig macht?“ fragte der Junge bekümmert, wurde dann aber in die Wange gekniffen, weil er einfach so süß war. Er ließ sich das anstandslos von ihr gefallen. „Darf ich das nicht wissen?“

„Ach, ich habe in der Vergangenheit viel Blödsinn geredet, so wie das eben ist, wenn man jung ist. Du wirst auch noch Meinungen revidieren, von denen du heute noch überzeugt bist.“

Was auch immer Serena gesagt hatte, es hatte offensichtlich gesessen. Das Beste würde sein, sie setzten Keji zuhause ab und redeten dann allein. Wahrscheinlich war es etwas Schlimmes, etwas, was nichts für Kinderohren war. Wortlos fuhr er los und überlegte, ob sie überhaupt Laune hatte zu reden. Keji hatte sich angeschnallt, als der Motor gestartet worden war. Jetzt sah er nicht ihr Gesicht, das blickte betrübt aus dem Fenster.

Es stimmte, dass sie komische Dinge gesagt hatte, schockierende Dinge. Nur was genau es jetzt gewesen war, konnte er nicht sagen, egal wie lange er sie kannte. Manche Dinge blieben für immer ein Rätsel.

13. Januar – Jeder gegen jeden Teil 1

Es war noch dunkel, als der Schwarzhaarige die Treppe herunterkam. Es war ruhig, vermutlich schliefen alle noch. Auf dem Weg hinab, suchte er die Küche. Diese war nicht schwer zu finden, wenn man nur dem Duft folgte. Frische Brötchen würde er wetten. Da fing ihn eine Bedienstete ab.

„Good morning, Mister Ashida“, sprach sie ihn an und er drehte sich erschrocken zu ihr herum. Bei seinem Erfahrungsschatz sollte ihn so etwas nicht mehr erschrecken, dennoch…

Ihm entgegnete ein freundliches Lächeln.

„Bitte folgen Sie mir ins Esszimmer“, wies sie mit leichtem Akzent an, zweifellos war sie keine Asiatin. Anders als der Hausherr.

„Ich muss ganz früh los, für Essen ist keine Zeit.“

„Aber ich habe Anwei-“

„Nicht notwendig“, entgegnete er, als ihn eine liebliche Stimme ansprach.

„It’s okay, Thes. I care for him.”

Perplex richtete sich sein Blick auf die Dunkelblonde, die ihn anstrahlte. „Care?“ Natürlich hatte er die Worte verstanden, so ungläubig er klang, er hatte genügend Zeit in Amerika verbracht, dass er die Sprache tadellos beherrschte. „Wieso bist du schon wach? Es ist fünf“, kommentierte er die unglaubliche Sache.

„Ja, ich bin früh aufgestanden, da ich wusste, wie wichtig ein gutes Frühstück ist, wenn man kaum Pausen hat.“

„Was?“ Das sollte keinen Mann schockieren, trotzdem war das der Fall. Sie legte beide Hände aneinander.

„Du hast richtig verstanden. Ich bin deinetwegen schon auf. Komm, ich gebe dir dein Frühstück für unterwegs.“ Er wurde am Handgelenk genommen und einfach mitgezogen.

„Darfst du das überhaupt? Serena-san wird ausrasten.“

Die junge Dame von 20 Jahren blieb stehen und sah ihn verärgert an. „Das ist mir egal. Komm!“

Sie gingen in die Küche, wo sie ihm ein in Stoff gewickeltes, kleines Bündel vor die Nase hielt. Jetzt mit ein bisschen mehr Scham im Gesicht. „Lass es dir schmecken.“ Seine Hand griff zaghaft nach dem Bündel und nahm es entgegen.

„Ich bin überwältigt. Das machst du jetzt aber nicht jeden Morgen, oder?“ Scheinbar konnte er sein Glück kaum fassen.

„Mich um dein Wohlergehen kümmern? Du fühlst dich doch nicht etwa bemuttert? Dann tut’s mir leid.“

Kenichi stellte das Bento neben sich auf dem Tisch ab, jedoch nur, weil er die rechte Hand frei haben wollte, mit der er jetzt die ihre griff, und ihr einen wahren Schreckmoment bescherte, als er sie sanft zu sich zog, so dass sie ihm zwei Schritte näherkam. Der Zug an ihrer Hand war nicht grob, nur ein bisschen plötzlich, ehe er wieder etwas lockerließ.

„Mich stört es nicht. Sofern du deswegen tust, weil ich dir wichtig bin.“

Der Schrecklaut war noch drüben im Esszimmer zu hören, so laut war die Schnappatmung von ihr. Ihre Lippen bebten, als sie ihn fixierte, dabei in die wunderschönsten Augen der Welt sah und für einen Moment alles um sich herum vergaß. Gott, ihr Herz schlug einige Takte schneller, als sie seine Worte langsam begriff. Er wollte wichtig für sie sein. Ohne ihn wäre sie vermutlich so arm dran wie Serena. Dann hätten die Hyänen sie zerfleischt. Er hatte sie davor bewahrt. Wie könnte er da nicht wichtig sein? Doch halt, meinte er damit etwa, dass er mehr wollte…? Freunde? Nein, ganz sicher hatte er anderes im Sinn. Kein Wunder, dass sie nun errötete und schambehaftet wirkte.

„Du bringst mich in Verlegenheit. Geh jetzt!“ sagte sie beharrlich, legte die Hände auf seine Oberarme und strich einmal sanft darüber. Es schauderte ihn angenehm, da es das erste Mal war, dass sie ihn wirklich anfasste. Eine kurze Geste. Sie zog beinahe erschrocken von sich selbst beide Hände zurück und an ihren Körper. Er nahm wieder ihre Hand und strich einmal darüber. „Aber-“

„Fahr vorsichtig.“ Die junge Frau nahm allen Mut zusammen, schnellte vor und drückte ihm den Kuss schnell auf die Wange, dann riss sie sich von seiner Hand los und stürmte aus dem Raum. Verrückt. In den letzten Jahren hatte er wahrlich nichts anbrennen lassen, aber ihr Küsschen brachte ihn aus dem Konzept. Er war kurz bewegungsunfähig. Das Einzige, was funktionierte, war seine eigene Hand, die sich gedankenverloren über die Wange fuhr, auf die sie ihn gerade geküsst hatte. Dann erst kam ihm der Gedanke und er rief nach ihr. „Vanessa, warte!“ Er stürmte los, der davonlaufenden Frau hinterher und erwischte sie kurz vor der Treppe. Dort umschlang er sie von hinten und beide blieben stehen.

„Du musst doch gehen…“ Ihre Stimme zitterte. Aber sie ließ sich von ihm festhalten. Dennoch klang sie scheu. Er fischte die langen Haare aus ihrem Nacken – das machte sie nervös und zittrig – und ließ sie auf die andere Seite fallen, damit er Platz hatte. Sein Kopf kam ihr sehr nahe, direkt neben ihr Gesicht.

„Ich revanchiere mich, wenn ich von der Arbeit zurück bin“, flüsterte er, legte die Arme noch etwas mehr um sie und hielt sie noch einen Moment länger fest. Ihn so nah zu haben machte sie kribbelig.

Ihr ganzer Körper bebte. Dann küsste er sie ganz langsam und vorsichtig auf die linke Wange, sanfter als sie jemals von einer Person geküsst worden war. Ihr Gesicht war feuerrot.

Seine Hände ließen sie los, aber sie wagte es nicht, sich zu ihm zu drehen, aus Angst, er könnte dann vollkommen die Beherrschung verlieren und sie direkt auf den Mund küssen. Natürlich wusste sie, dass er in sie verliebt war. Das war kaum zu übersehen, oder?

„Bis später.“ Jetzt stürmte sie endgültig die Treppe hoch, weg von ihm. Er hatte sogar die Angst, sie könnte stürzen, so eilig hatte sie es.
 

Vom Getrampel der Blondine wurden einige aufgescheucht, vor allem ihre Cousine, die doch allen Ernstes deswegen kurz darauf in der Tür stand. Mit verschränkten Armen. Und die Jüngere anstarrte, als hätte sie etwas verbrochen.

„What’s with that noise? Are you nuts? Didn’t you see the time? It’s five in the morning.”

„Oh, I’m sorry, Serena.”

„Why you run up the stairs? at such an hour?” Die Neugierde siegte und das errötete Gesicht gab Anlass zur Sorge. Auch, wie sie sich vehement in ihre Kleider griff und den Stoff zerknüllte.

„Vanessa! Did he do something to you?” Die Ältere wusste ganz genau, dass Kenichi bereits zur Arbeit musste – sie wusste alles – ja genau, alles! Nur was war vorgefallen? Das wusste sie nicht, aber sie wollte es in Erfahrung bringen.

„What?“ Erschrocken riss sie die Augen auf und begann fast zeitgleich wie wild den Kopf zu schütteln. „How can you ever think something bad about him? He is such a gentle person.”

Gerade so vermied sie, die Augen zu rollen, als ihre Cousine zum ersten sofort wusste, von wem die Rede war und zum zweiten auch gleich sagte, dass er eine liebevolle Person war.

„Yes, he’s gentle. Just as long, as he needs time to seduce you. Stupid woman!”

Das glaubte sie nicht. Er hatte sie so verdattert angesehen, nur weil sie sich um ihn kümmern wollte, das war nicht gespielt, niemals.

„Are you jealous? Yes, you are jealous!”

„About what?” Serena kam aus der Tür gelaufen, direkt auf sie zu und engte sie direkt an der gegenüberlegenden Wand ein. „About the games, the men play, to get a woman? Don’t make me laugh. All men are animals. They are only nice as long as you keep them at distance. So don’t let him too near, got it?”

Was auch immer Serena hatte, diese war total sauer. Auf Kenichi? Sicher nicht. Auf alle Männer? Schon eher. Sie selbst sah nicht in jedem Mann ein Monster. Schon gar nicht in ihm. Er war doch nun wirklich der netteste Mensch, den sie kannte. Und sie stufte ihn nicht auf seine Männlichkeit herab.

„Why should I? He makes me happy only with his attendance. Don’t destroy this, okay?”

Serena lachte. “He will ruin the entire thing himself, no need for me to do. I know you. When his animal comes out the cage, you are the first one to run. So, if you wanna go on to be stupid, then take him in your room. You will see how he reacts.”

Schock trat der Jüngeren ins Gesicht. Allein die Idee, ihn so hinterhältig zu testen, entrüstete sie.

„So, you really think only because of a stupid room and a bed he will lose his good manners? He’s not such a person.”

„Person? Doesn’t matter. He’s a man and know what, he is just waiting to enter your room. Than you can say by to your holy innocence. Try keep it. If you take him, you will see he’s a simple man. He just wanna fuck, like all of them. And he won’t wait for you to say yes. Neither at the weeding nor at your simple yes. No guy will take a woman with whom he can’t be sure she knows how to do it.”

Es war zu viel, einfach zu viel. Ein klarer Angriff auf ihre Ehre, ihre Bestimmung und ihren Selbstwert.

„I don’t wanna marry a man who makes my love depending on whether the intercourse is good or not. If he loves me, he will wait. Don’t interfere in my matters, okay? That’s none of your business!” Ihre kleinlaute Cousine verschlug ihr mit dem anmaßenden Ton die Sprache.

„How dare to talk to me like this?”

„It would make you sick if I’m right, isn’t it true? You are afraid. Can it be you had a crush on him and he didn’t want you, Serena?”

Konfrontationen waren nicht Vanessas Gebiet, sie war still und leise und hielt meist den Mund. Die Vorlaute von ihnen war sie selbst. Deswegen war sie auch so schockiert. „Did Chris teach you this, huh? Even if you try, they will always see the sheep in you. Even Kenichi knows, how to deal with you. He will drag you into it with lovely words and you will lose your guard. You aren’t in the position to ever reject a guy.“

„I can no longer bear your bitterness. You should care for your man instead of trying to make me insecure. You cannot. He’s a good man. Nobody can tell me the opposite.”

She’s totally under his spell. Under these circumstances she will be getting laid by him. Soon. Stupid. Good man. He killed people. The wrong ones. Seems she forgot about this little thing. Surely she will remember when the next time reaches and he needs to protect her again. Last time he was able to hide his ugly doings when it comes to men hurting women. A pity he didn’t used his magnum. She would be afraid of him then. Stay calm, Serena. Maybe it will be from use.’

Es stieß ihr auch ziemlich bitter auf, dass sie wagte, ihr Verhalten zu kritisieren. Von wegen, sie solle sich doch lieber um ihren Mann kümmern. Sollte das heißen, sie sei eine schlechte Ehefrau?
 

In aller Frühe hatten sie sie herbestellt. Um genau zu sein, Merlot war es gewesen. Die hatte sie ganz wuselig gemacht mit all ihren Versprechungen. Sie sollte mit einem heißen Typen zusammenarbeiten. Jedenfalls wurde ihr das versprochen.

Mehr oder minder war es Zufall, als sie vom Parkplatz des Universitätsklinikums kam und da dem jungen Kerl über den Weg lief. Es war schon ein bisschen pervers, den eigenen Sohn als heißen Typen zu bezeichnen, fand sie, aber es stimmte. Er war jetzt ein bisschen mehr Mann als damals noch.

„Welch ein Zufall. Da ist deine Mutter aber sicher stolz, dass du dich jetzt doch entschieden hast, in ihre Fußstapfen zu treten“, sprach sie ihn frech an und er wäre fast rückwärts zurückgewichen, als er die Schwarzhaarige erblickte.

„Haben die dich etwa wieder rausgelassen?“ fragte er ganz echauffiert und sie begann zu lachen.

„Dachtest du, dass sie mir irgendetwas anhaben können, oder wie? Außerdem war es ja deine liebe Großmutter, nicht ich. Meinen Freund haben sie noch ein bisschen behalten, du verstehst? In Sachen Drogen verstehen sie eben keinen Spaß.“ Sie klang hochmütig, aber auch kein Stück traurig, dass sie jetzt auf ihren Freund verzichten musste.

„Für ein Medizinstudium muss man viel tun, Sêiichî“, sagte sie, dabei strich sie ihm provozierend über die Brust und himmelte ihn regelrecht an.

„Ich bin auf dem Weg zur Teitan, zur Schule. Ich bin in der vorletzten Klasse. Und ob ich auf die Uni will, weiß ich noch nicht. Und selbst wenn, sicher nicht um mir einen Doktortitel zu angeln, wie meine Mutter.“ Es klang fast verachtend. Auch, wenn seine Großmutter mütterlicherseits ebenfalls Ärztin war, jedoch nicht so eine schreckliche Frau, wie die Mutter seines Vaters. Alles, was mit Medizin und Forschungen zu tun hatte, machte ihn nicht besonders an, er war eher angewidert von dem, was seine Eltern taten. So wollte er niemals werden.

„Wie jetzt? Dann hat deine Mutter gar nicht dich gemeint?“

„Was redest du da für einen Scheiß? Und lass mich endlich los! Die Leute gucken schon!“ Er schob sie von sich und sie sah ihn reichlich verstört an.

„Seit wann bist du denn so penibel, sag mal? Nicht doch! Du hast doch nicht etwa eine feste Freundin?“

Eingeschnappt wirkte er, dann drehte er den Kopf weg. „Traust mir wohl nichts Ernsthaftes zu, wie? Dir ist wohl entfallen, wie dein Typ drauf war, als wir uns das letzte Mal begegnet sind, mhm? Auf das Affentheater hab ich keinen Bock.“ Kurz darauf sah er sie fragend an. „Was meintest du damit, dass meine Mutter mich dann nicht gemeint hat? Womit gemeint?“ Sein Blick fiel auf das riesige Gelände der Uni-Klinik. „Sag nicht, sie arbeitet hier?“

Stille herrschte. „Ähm ja, also… Mach’s gut, Sêiichî, man sieht sich!“

Dafür, dass sie ihn beinahe gleich angesprungen hätte, hatte sie es daraufhin aber ziemlich eilig davon zu kommen. „Merkwürdig“, murmelte er, schüttelte dann aber den Kopf. Obwohl sie abblockte, hatte er einen Verdacht… Einer, der mit dem langen Blick auf das weiße Gebäude nur verstärkt wurde. ‚Also ist sie gar nicht tot…‘ Das war schlimmer, als am Grab zu heulen wie ein Baby.

Und was machte Kiuchi bitte in dieser Klinik? Er hatte seinen Eltern versprochen, diesen Ort zu meiden… Und er hätte sich vermutlich nicht drangehalten, wenn man ihm nicht von hinten auf die Schulter getippt hätte.

„Hey, wir kommen zu spät!“

Erschrocken zuckte er, mit dem Gefühl, dass sein bester Freund ihm jeden Gedanken ansehen konnte. „Ich weiß, was du willst! Und ich halte das für keine gute Idee!“ sagte Ryochi, doch sein Freund sah ihn nur traurig an.

„Willst du das nicht auch wissen?“

„Vater will nicht, dass wir hier rumschnüffeln, außerdem müssen wir zur Schule! Mach nicht immer solchen Ärger!“ Er wurde am Arm genommen und mitgezogen.

„Oi, oi… Ryo-chan! Warte! Das kannst du doch nicht… Wart doch mal!“ Doch dieser hatte gar keine Lust sich darauf einzulassen. Sie waren eh schon total spät dran…
 

Unterdessen wartete die Chirurgin bereits auf ihre Ankunft. Es war kurz nach sieben, als sie in den Fahrstuhl stieg und dieser mit einem ~Bling~ in der fünften Etage zum Stehen kam. Als die Türen sich öffneten, stand sie bereits in dieser. Nun war es die Schwarzhaarige, die zurückwich, denn ihr wurde ein nicht gerade freundlicher Blick zugeworfen. Man warf der Armbanduhr einen Blick zu und deutete mit ebenso strengem Blick auf die Uhrzeit. „Wir hatten sieben Uhr ausgemacht. Dein Kollege ist schon lange da!“

„Oh, entschuldigen Sie! Ich bin auf dem Parkplatz jemandem begegnet. Den hätten Sie auch nicht einfach so ziehen lassen, ohne hallo zu sagen!“

„Was Sie nicht sagen! Ich nehme meinen Beruf sehr ernst und ich erwarte von allen Mitkollegen, dass sie ihre Arbeit ebenso ernstnehmen, todernst, verstanden?“

Die 25-jährige schluckte schwer. „Es tut mir außerordentlich Leid. Kommt nicht wieder vor!“ Wie sie diese arrogante Tussi verabscheute. Nur, weil sie Chirurgin war und irgendwie wichtig für dieses Krankenhaus ließ sie so den Boss raushängen. Hoffentlich war diese heiße Schnitte umgänglicher als sie. Sie ließ sich nicht von Typen herumkommandieren, schon gar nicht, wenn sie angeblich noch total jung sein sollten.
 

Die Frau mit den blauen Augen wurde ins Besprechungszimmer gebeten, daraufhin ließ sie den jungen Arzt zu ihnen stoßen. Dieser war heilfroh, endlich psychiatrische Unterstützung zu bekommen und hatte es eilig, diese auch kennenzulernen.

Als es gegen die Tür klopfte, ließ die Chirurgin ihn herein und er warf sein strahlendes Lächeln in den Raum. Noch sah er sie nicht, da sie den Rücken zu ihm gewendet der 41-jährigen gegenübersaß. Doch, als er sich zu Wort meldete, drehte sie sich zu ihm herum.

„Guten Morgen die Damen.“

Er kam mit der Krankenakte ihres gemeinsamen Falles, die er auf dem Tisch ablegte und dann in ihr Gesicht sah.

„Das ist die Therapeutin?“ fragte er vorsichtig nach.

„Kenichi Ashida?“ Sie wirkte ganz verblüfft, dann aber schüttelte sie den Kopf.

„Das ist ja eine Überraschung, dich habe ich ja ewig nicht gesehen!“

„Na ewig stimmt nicht so ganz, höchstens ein Jahr ist vergangen.“

„Oh – wirklich? Stimmt! Du kamst drei Jahre nach mir an die Uni.“

„Wie wir sehen ist die Welt klein – ihr kennt euch?“

„Natürlich kenne ich den Kleinen!“ meinte die Schwarzhaarige frech grinsend und wuschelte ihm über den Kopf.

„Hey, lass das! Ich bin volljährig, also gar nicht mehr so klein, also nenn mich nicht Kleiner!“

„Na, dann eben Ken-chan!“ Sie hatte wachsende Freude daran, ihn zu ärgern, was die Chirurgin einen Moment mit Argusaugen beobachtete.

„Das professionelle Niveau lässt stark zu wünschen übrig! Er ist in der gynäkologischen Abteilung tätig. Auch, wenn er dein Kohai ist, hat das nichts zu bedeuten. In dieser Welt ist er dein Vorgesetzter, also gewöhn dich schon mal daran, dich etwas respektvoller zu verhalten!“

„Bitte?“ Danach verstummte sie. So schockiert war sie. „Wie kann er denn mein Vorgesetzter sein?“ fragte sie.

„Das Alter spielt hier keine Rolle. Du wirst ihm gehorchen, ansonsten werde ich dafür sorgen, dass man dich mit den Regeln noch einmal vertraut macht!“

Ein missbilligender Blick wurde auf die Ältere geworfen, dann auf den jungen Mann. „Ich will gar nicht wissen, was du dafür gemacht hast, mein Lieber…“

Grinsend zuckte er mit den Schultern.

„Ich glaub mir wird schlecht!“

„Soll ich dir nen Eimer bringen?“ fragte er frech und sie verzog angewidert das Gesicht.

„Hast dich ganz schön verändert, seit du mit meiner kleinen Schwester angebändelt hast.“

„Natürlich hat er das, er ist der Typ mit Namen Jami!“

Osiris begann mit einem Mal zu husten, was Merlot nur ziemlich gehässig grinsen ließ.

„Na, hat es dir die Sprache verschlagen?“

Sie war seit knapp vier Jahren Mitglied in der Karasuma Corporation. Ihre Eltern waren leider nicht so reich, um ihr das teure Studium zu finanzieren. Sie wollte damals unbedingt machen, was Yakko machte. Aber nach zwei Jahren Studium ging ihr Vater bankrott und sie musste sich allein durchschlagen. Ihr Freund war drogenabhängig, der konnte sie nicht unterstützen, der brauchte all sein Geld, um seine Sucht zu befriedigen. Wenigstens hatte er ihr beigestanden, als es darum ging, der Organisation dienlich zu sein…

‚Hätte mich wohl eher für Ashida-kun begeistern sollen, so wie meine Schwester.‘ Man sagte von diesem Kerl, dass man als Frau das große Los gezogen hatte, weil man immer darauf bauen konnte, dass er einem helfen würde. Im Gegensatz zu ihrem Typen, der vor den anderen Kerlen kuschte, würde Kenichi das wohl kaum tun. Ihr wäre im Traum nicht eingefallen, dass dieser Jami Ashida sein könnte. Sie war wirklich schockiert. War es Chardonnays Ernst, dass er Schiss vor diesem Bubi haben wollte? Sie fasste es nicht. Der war doch kaum älter als Sêiichî und den hatte er eiskalt niedergeschossen.

„Also. Kommen wir zum Wesentlichen. Warum genau bin ich hier?“

„Eins unserer Mitglieder hat seine kleine Schwester Tagelang im Haus festgehalten, um sie zu vergewaltigen. Die Organisation hat dafür gesorgt, dass er damit nicht fortfahren kann“, sagte die Chirurgin nüchtern. „Das arme Ding ist ein nervliches Wrack. Sie braucht mehr Betreuung, als nur die rein Medizinische.“ Obwohl sie das Mädchen als ein armes Ding bezeichnete, klang sie kein bisschen so, als würde sie sie wirklich bemitleiden.

„Ich bin für das Körperliche zuständig – du für das Mentale“, sagte der Schwarzhaarige, dabei faltete er die Hände. „Jedenfalls habe ich mir das so gedacht. Ich soll für die Organisation herausbekommen, wie viel und was sie weiß. Ob es uns gefährlich werden kann und wie wir weiter verfahren müssen.“

„Na sie umlegen, was sonst?“ schlussfolgerte die 25-jährige und bekam deswegen direkt einen bösen Blick von der Seite.

„Was, wenn sie nützlich ist? Karasuma lässt sich so etwas nicht durch die Lappen gehen. Also müssen wir genau nachforschen.“

„Phe“, meinte sie und drehte den Kopf von ihm weg. „Ich spritze ihr was und dann ist die Sache erledigt!“

„Sachte. Da bist du bei ihm an der falschen Adresse.“

„Was Sie nicht sagen.“ Das war ja langweilig. Keine Psychospielchen mit dem armen Ding.

„Ist wohl besonders hübsch, Ken-chan, huh?“

„Mehr als du auf jeden Fall!“

Erzürnt sah sie ihn an, nur gerade so konnte sie sich beherrschen, ihm nicht direkt eine zu schmieren. Was bildete er sich ein, sie so zu beleidigen?
 

Kurz darauf wurde Osiris hinausgeschickt.

„Echt jetzt? Mit so einer kann ich nicht zusammenarbeiten!“ Kenichi schnaubte. Nach einer Psychologin hatte er verlangt, die ihm bei der Genesung seiner Patientin helfen konnte. Und was bekam er stattdessen? Eine mordlustige Pussy, die Probleme damit hatte, auf einen Typen zu hören.

„Beruhig dich, Kenichi!“

„Da kann ich mich nicht beruhigen! Die würde sie ohne mit der Wimper zu zucken einfach umbringen!“

„Sie macht gute Arbeit.“

„Ach, tut sie das? Was kann sie denn gut? Patienten davon zu überzeugen, dass sie entweder spuren oder wir sie eiskalt umbringen? Herrlich.“ Zusätzlich hatte er die Arme verschränkt.

„Wenn sie nicht das tut, was sie soll, musst du ihr eben ein bisschen wehtun. Osiris glaubt, weil du jünger als sie bist, könnte sie irgendwelche krummen Dinger mit dir drehen. Spring eben mal über deinen Schatten und mach ihr klar, dass sie damit nicht durchkommt. Du weißt ja, was bei den meisten Frauen zieht… Oder hat Chardonnay versäumt dir das beizubringen?“

Die Methoden von diesem Schandfleck anzuwenden, war nun wirklich nicht seine Lieblingsbeschäftigung. „Und du meinst, dass ich das so überzeugend kann, dass sie dann auch wirklich Angst kriegt?“

„Hat Giró nicht gezittert wie Espenlaub, als die mit ihm fertig waren und du dich mit ihm angefangen hast zu beschäftigen? Hat er nicht um sein jämmerliches Leben gebettelt, obwohl die ihn so übel zugerichtet hatten, dass das eh nichts mehr wert gewesen wäre?“

„Das ist was Anderes, Typen wehtun macht mir immer Spaß. Vor allem solchen.“ Kurz hatte er einen ziemlich psychopathischen Blick im Gesicht und seine Augen schienen noch heller aufzuleuchten, als sowieso schon. In verängstigte Gesichter zu sehen machte Spaß, wenn man wusste, dass die Anderen Schrecklicheres angetan hatten, man also irgendwie Vergeltung dafür forderte. „Also pass besser auf, dass dein Lover seine Triebe im Griff behält… Wenn du ihn behalten willst, dann sorg dafür, dass er nichts Dummes tut. Wenn ich den noch mal dabei erwische, dass er Jungfrauen jagt, brauchst du nicht mehr auf ein weiteres gemeinsames Kind mit ihm hoffen.“

Eine Frau, wie sie, die diesen Abschaum liebte, damit zu bedrohen, war schwierig. Die Meisten würde sie – ähnlich wie Osiris – einfach mit einer Spritze lahmlegen. Doch bei ihm konnte sie das nicht. Aus den diffusesten Gründen. Und er nutzte das ganz und gar schamlos aus, so wie man es ihm beigebracht hatte. Schwachstellen der Anderen herausfinden und sie für die eigenen Zwecke nutzen.

Andere würde sie töten, ihn sah sie nur pikiert an. „Ich versuche alles, um ihn glücklich zu machen, Kenichi. Mehr kann ich nicht tun… Also lass ihn bitte leben.“

Was musste Seyval diese Frau hassen. Während sie selbst diesem Bastard den Tod wünschte und dafür sogar mit ihm in die Kiste gegangen wäre, wollte Merlot das Gegenteil. Deswegen war sie lieb und nett zu ihm, außerdem erinnerte er sie an jemanden. Sie wollte ihn ja unbedingt mögen. Darauf konnte er keine Rücksicht nehmen. Sie war kein guter Mensch. Alles andere als das. Kein Wunder, dass sie ihm eine Psychopathin anschleppte, wenn er sich Hilfe erhoffte. Er wollte das arme Mädchen nicht am Boden sehen, das war sie doch schon. Er wollte retten, was zu retten ist, das war immerhin sein Job. Merlot hatte durch ihre Liebe zu diesem Mistkerl offenbar schon lang vergessen, was Menschlichkeit überhaupt bedeutete… Der Frau war nicht mehr zu helfen. Genau so, wie Vermouth ihm vor einigen Jahren prophezeit hatte.
 

Es war halb zehn, als die Polizei im Krankenhaus eintraf. Der Kriminalist, der damit beauftragt worden war, Informationen einzuholen, wirkte äußerst kühl. Alles wurde sehr oberflächlich und mehr als sachlich gehandhabt. Auch, als der Arzt ihm mitteilte, dass sie innere Blutungen gehabt hatte. Sie wäre beinahe an ihnen gestorben und ihre Fähigkeit Kinder zu gebären, gehöre auch der Vergangenheit an, beeindruckte diesen Kerl kaum. Er nickte stumm, machte Notizen und verlangte alle Unterlagen, die ihnen vorlagen. Es interessierte sie gar nicht, was mit dem Mädchen geschehen war, sie interessierten sich mehr für das, was ihrem Peiniger angetan worden war. Er nahm den Arzt in die Zange, geradezu, als hätte man ihm angemerkt, dass er diesem Kerl den Tod gewünscht hatte. Vielleicht war dem auch so, er bedauerte den Toten kein bisschen. Sah man es ihm an? Verdächtigten sie ihn? Offenbar konnte die Polizei diese Sache nicht einfach ruhen lassen. Es war ihre Pflicht und Schuldigkeit jedem Mordfall nachzugehen. Und wer interessierte sich für das Mädchen, das verletzt worden war? Niemand. Dass sie sie aus dem Haus geholt hatten. Sie nichts von ihren Taten gesehen hatte. Oder hatten die sogar vor, sie der Tat zu überführen? Niemand verstand es besser, aus einer Frau, die Opfer geworden war, einen Täter zu machen. Er erlaubte den Bullen nicht, sie zu befragen. Nicht so ohne Weiteres. Sie war nicht vernehmungsfähig. Man ignorierte die Versuche, ihnen das klarzumachen. Ob er etwas zu verbergen hatte, hatten sie gesagt. Da kam sie. Und gesellte sich zu ihnen.

„Informationen wollen Sie, über die vergewaltigte 17-jährige? Kann ich Ihnen geben.“ Ihre Augen funkelten gemeingefährlich und Kenichi ließ sie vor sich. Seine Hand wanderte in die Tasche seines Kittels. Frauen wie sie musste man mit Vorsicht genießen, aber gerade war es ihm recht.

„Sie können es ja gern versuchen, die Kleine zu befragen. Sie schweigt. Man bekommt keinen Ton aus ihr, so verängstigt ist sie von dem, was ihr angetan worden ist. Wissen Sie, vielleicht haben Sie ja mehr Glück, als ich. Erwarten Sie aber bloß keine Wunder.“

Der 25-jährige schnaubte einmal, weil ihre Stimme darauf schließen ließ, dass sie sich nicht nur mit ihm anlegen wollte, sondern ihn auch noch auslachte.

„Ach, lassen Sie das mal unsere Sorge sein.“

„Wollen Sie etwa zu dritt ins Krankenzimmer gehen?“ fragte der 21-jährige, den sie daraufhin mit hämischem Grinsen ansahen.

„Die Polizei hat noch jeden zum Reden gekriegt.“ Dann gingen sie an ihm vorbei. Er lief ihnen nach und schnappte sich das Handgelenk des Kriminalisten.

„Ey, was soll das?“

„Das kann ich unter keinen Umständen zulassen!“

„Dann verhafte ich Sie wegen Behinderung polizeilicher Ermittlungen. Dafür gibt es bis zu fünf Jahre Haft. Versauen Sie sich doch nicht so ihre herrliche Zukunft… Herr… Facharztanwärter!“

„Gynäkologischer Assistenzarzt!“ Er hatte sich richtig vor dem Polizisten aufgebaut.

„Was auch immer, kommt auf das Gleiche raus. Noch nicht mal fertig mit dem Studium und sich gleich in Schwierigkeiten bringen. Halten Sie sich mal ein bisschen zurück.“

Ungehindert schafften sie es zum Zimmer der Patientin, allerdings nur, weil sie ihn sich schnappte und sogar zwei Schwestern darum bemüht waren, ihn zu bremsen.

„Nicht, Ken, am Ende verlierst du deine Stelle hier. Der Oberarzt mag keinen Krawall gegen Polizisten.“

„Feiger Scheißkerl!“ zischte der Schwarzhaarige, während seine Augen vor Wut und Hass nur so aufloderten.

„Nicht auffallen“, flüsterte Osiris ihm ins Ohr – er hasste, zu wissen, was sie damit andeuten wollte. Da entriss er ihr grob seinen Arm.

„Kümmer dich um deine Angelegenheiten!“

Dann stampfte er davon und sie gab einen angepissten Laut von sich. „Undankbarer Mistkerl!“
 

Der Oberarzt, der gerade von einer Visite kam, fühlte sich belästigt. Wegen einer Lappalie.

„Tun Sie bitte etwas. Sie wissen doch wie in diesem Land mit Opfern verfahren wird, vor allem weiblichen.“

„Man richtet sich nicht gegen die Polizei, genauso wenig wie gegen die Regierung. Das ist schlicht und ergreifend dumm.“

„Aber… Sie werden sie hart angehen und alles nur noch schlimmer machen. Sie müssen das Mädchen beschützen. Sie hat genug durchgemacht.“

Ein genervtes Seufzen war zu hören. „Wir sind für die Körperliche Genesung zuständig. Sie werden die Kleine schon nicht fressen. Sie versuchen nur einen Fall aufzuklären.“

„Einen, den man nicht aufklären sollte!“

„Warum? Jemand wurde brutal hingerichtet. Das könnten genauso gut Sie sein, so wie Sie sich immer aufführen. Suchen Sie sich ’ne Frau, genießen Sie den Feierabend. Und kommen Sie endlich runter.“

„Wie bitte?“ Er war überhaupt nicht abgehoben, er war im Recht. Die Anderen waren nur feige.

„Sie wollen allen Ernstes dabei zusehen, wie das arme Mädchen weiter terrorisiert wird?“

„Heiliges Kanonenrohr. Hören Sie sich reden. Die Polizei macht nur ihren Job, also behindern Sie sie nicht. Das ist eine Anordnung, verstanden?“

Die Arzthelferin, die das Ganze von der Ecke beobachtete, war sichtlich besorgt. Er konnte doch nicht so mit seinem Chef streiten, das würde ihm nur schaden – und das nur wegen einer Patientin.

Kaum, dass er stehen gelassen worden war, ballte er die Hand zur Faust und murmelte so etwas wie: „Wie ich dieses Land manchmal verabscheue!“

Die Regierung und ihre widerwärtigen Regeln aus dem 19. Jahrhundert. Manche Gesetze bedurften dringender Auffrischung. Unter anderem das Vergewaltigungsgesetz, knapp 100 Jahre war es jetzt schon alt und man beharrte immer noch auf dieser frauenfeindlichen Gesellschaft. Dreiviertel der Opfer zeigten ihre Peiniger nicht mal an, weil sie schon alleine bei der Aussage im Revier der Polizei hart angegangen wurden. Man fragte sie nicht bloß einmal, ob sie sich vollkommen sicher waren. Ob ihnen bewusst war, dass sie sich selbst schaden könnten. Die meisten würden diesen Kampf scheuen. Man sollte ihnen helfen und sie nicht einschüchtern. Die Scham und Pein waren groß genug.

Vor der Tür hatten sie einen Polizeibeamten abgestellt, der niemanden in den Raum ließ, während sie sich darin befanden. Nicht mal die zuständigen Ärzte. Als ob er nicht wüsste, was sie zu verbergen hatten. Ihre Methoden, die beinahe schlimmer waren, als Folterungen. Sie nannten das Überführung Straffälliger. Er nannte es Manipulation von Menschen. Aus Angst gaben sie manchmal Dinge zu, die nicht der Wahrheit entsprachen. Aus Unschuldigen wurden Schuldige gemacht.

Fast zwanzig Minuten waren sie da drin. Einen hörte er immer lauter werden – fast angeschrien wurde sie. Und als sie hinausgingen, knallten sie so heftig die Tür, dass es ihn entsetzte. „Sie sind in einem Krankenhaus, benehmen Sie sich dementsprechend.“

„Oh, ich glaube, der vorwitzige, Assistenzarzt möchte gerne Ärger, Chef. Vergreift sich ganz schön im Ton, finden Sie nicht.“

„Ach, wissen Sie… Man hat mir schon gesagt, dass der immer so ist.“

„Junger Mann, ich rate Ihnen ein letztes Mal, sich etwas zu zügeln, sonst nehmen wir Sie mit aufs Revier!“ Man lachte. „Wollen wir ja nicht, oder?“

Pure Provokation. Er ließ sie ziehen und betrat das Zimmer seiner Patientin. Wie er sie vorfand, war alles andere als angenehm. Er hätte auf der Stelle aus der Haut fahren können. Doch nicht hier. Sie zuckte beim öffnen der Tür, als würde sie befürchten, das Gleiche noch mal durchmachen zu müssen.

Sie sank runter und klammerte sich ängstlich in ihre Decke. Diese hatte sie so fest umklammert, als wolle sie direkt unter sie kriechen. Ihre Augen sahen ihn an, als sei er so etwas wie ein Feind. Mit jedem Schritt, den er tat, wurden ihre Augen größer und panischer.

„Nein, bitte nicht mehr“, sagte sie. Das Erste, was er sie sagen hörte. Trotzdem wagte er, vorsichtig und langsam die letzten Schritte auf sie zuzumachen. Ihr Körper rutschte rückwärts, so dass sie fast aus dem Bett fiel. Im letzten Moment konnte er sie daran hindern. Auch, wenn es hieß, dass er ihren Arm greifen musste, was sie gewiss in noch mehr Angst versetzte. Die zweite nahm sie an der Schulter und hielt sie fest.

„Keine Angst, ich will dir nichts tun. Alles ist gut.“ Erstaunt, perplex, aber auch mit großen Augen sah sie ihn an. Abcheckend, ob er wohl die Wahrheit sagte und man ihm trauen konnte.

Ihre Lippen zitterten und sie krallte sich in den weißen Kittel. In ihren Augen standen die Tränen, die sie mit Gewalt versuchte am Fließen zu hindern.

„Sie wollten wissen, ob ich mich selbst verletzt habe… Ob nicht vielleicht ich derjenige war, der ihn so zugerichtet hat. Ich hab mich bloß gewehrt… Sie redeten von Mord. Man hat ihn umgebracht. Das ist doch nicht wahr, oder?“

„Doch, es ist wahr“, sagte er ruhig, während er ihr über die Schulter strich. „Sie haben dich offenbar rausgeholt“, es stahl sich ein Lächeln auf sein Gesicht, „und ihn dann dafür bestraft, was er dir angetan hat. Er wird dir nie mehr etwas tun können.“

Nun kniff sie die Augen zu, drückte den Kopf an ihn und begann bitterlich zu weinen.

Die Tür wurde geöffnet und die Schwarzhaarige betrat das Zimmer. Einen Moment lang beobachtete sie die Szene. ‚Redet kein Wort, keiner schafft es an sie heran… Usw. Ja, das sehe ich. Frauen sind solche verlogenen Biester. Je jünger, umso schlimmer.‘ Lautstark räusperte sie sich, absichtlich, um zu stören.

„Oh, wie ich sehe, sind Sie jetzt willig zu reden. Keine Sorge, keiner hier will Ihnen was Böses. Wir wollen Ihnen helfen“, sagte sie – er jedoch hörte das Scheinheilige in ihrer Stimme.

„Kiuchi-san“ sagte er. „Niiza-san, das ist deine Therapeutin. Ich habe nach ihr verlangt, weil ich für die körperlichen Sachen zuständig bin. Sie wird versuchen, dir in deiner schwierigen Lage zu helfen!“

Das, was er sagte, klang wie eine versteckte Drohung an die Therapeutin, die diese bewusst ignorierte.

„Ich brauche keinen Seelenklempner!“ sagte das Mädchen.

„Ach so? Ich bin nicht gebraucht? Man sagte mir, dass sexuelle Gewalt im Spiel war. Sie sollten dringend mit einer Fachärztin für Traumata sprechen. Er kann nur innere Schäden beseitigen. Das ist nicht sein Gebiet, obwohl es natürlich angenehm ist, sich von ihm behandeln zu lassen, nicht wahr?“ fragte sie zynisch, schließlich klammerte sich das kleine Miststück ja regelrecht an ihn.

„Reiß dich zusammen!“ sagte er zu seiner Kollegin, bewusst ruhig, aber doch irgendwie tadelnd.

„Ich weiß nicht, was du meinst. Herr Kayama möchte dich sprechen. Geh schon. Ich komm alleine hier zurecht.“

‚Wag es ja nicht, sie zu ärgern, dann ärgere ich dich!‘ Der Satz musste nicht mal gesagt werden, so drohend wie er sie ansah. Sie lächelte ihm ins Gesicht. „Keine Sorge, ich fasse sie mit Samthandschuhen an. Immerhin weiß ich ja, was für schreckliche Dinge sie erlebt hat.“

Sein Blick, verbissen und drohend, blieb auf ihr, auch als er an ihr vorbei zur Tür ging. Doch, als er sich herumdrehte und der Blondine ins Gesicht sah, lächelte er. „Keine Angst. Du kannst mich jederzeit rufen.“

Die 17-jährige nickte stumm, wurde aber wesentlich steifer, als sie mit der Psychiaterin alleine gelassen wurde. Diese legte die Akte neben ihr auf den Tisch und setzte sich zu ihr ans Bett.

„Ich möchte keinerlei Barrieren zwischen uns aufbauen, sondern, dass wir einander vertrauen können. Dazu sollten wir ehrlich zueinander sein. Mhm? Alles, was Sie mir sagen, wird vertraulich behandelt. Ich unterliege der Schweigepflicht. Ihnen gefällt der junge Arzt, oder?“ Sie lächelte milde. „Kann ich gut verstehen. Mir auch.“

„Ach ja? Gerade habe ich von Typen die Schnauze voll!“ äußerte sie sich.

„Sie leugnen, dass Sie ihn attraktiv finden? Aber wieso denn?“

„Ich finde gar nichts.“

Interessant. Eingeschüchtert, geradezu verängstigt. So sehr, dass sie kein Wort sagte. Was für ein abgebrühtes kleines Miststück.

„Wie mir scheint, geht es Ihnen den Umständen entsprechend mehr als gut. Also, erzählen Sie mir, was genau vorgefallen ist. Wie hat er es getan? Wie oft? Was waren Ihre Gedanken dabei?“

„Warum soll ich das beantworten?“ fragte sie – sie wollte es vergessen, so, als sei es nie passiert. Das, was die Polizei sowieso wollte. Es unter den Tisch kehren, was ihr Bruder für ein Scheißkerl gewesen war. Er war jetzt ein armes Opfer, dessen Täter sie suchten.

„Möchten Sie sich bei ihrem Helfer bedanken?“

„Meinem Helfer. Sie meinen denjenigen, die ihn umgebracht haben?“ fragte sie unsicher. „Das wird mich ein Leben lang verfolgen. Sie haben mir nur gezeigt, wie klein, schwach und wehrlos ich war. Man musste mich retten. Wer auch immer das war, wird dafür zur Rechenschaft gezogen.“ Ihr Gesichtsausdruck war nun traurig geworden.

„Oh, glauben Sie mir, es gibt Menschen, die kommen mit solchen Schweinereien davon.“ Sie lächelte kühn.

„Wovon reden Sie?“

„Von Menschen, die für Gerechtigkeit kämpfen und alles dafür tun, um diesen Kampf auch zu gewinnen. Die lassen sich nicht erwischen.“

„Das glaube ich nicht.“

„Würden Sie nicht auch gerne zu diesen Menschen gehören, die mit allem davonkommen?“

„Ich dachte, das wird eine therapeutische Sitzung?“

„Das wird es auch. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit deinen Rettern dienlich zu sein.“

Verwirrt sah sie die Psychiaterin an. Die war ihr nicht geheuer. Beinahe wirkte sie, wie der Wolf im Schafspelz.

„Haben Sie etwas gesehen? Wissen Sie, wer die sind? Werden Sie das der Polizei mitteilen?“

„Denen sage ich gar nichts. Die wollen eh nur den Sündenbock aus mir machen“, äußerte sie sich.

„Das beantwortet meine Frage nicht. Kennen Sie die?“

„Weiß nicht.“ Leise war sie geworden. „Vielleicht.“ In ihr Gesicht trat ein minimales Lächeln. „Jedenfalls kenne ich Leute, die sich vielleicht so für mich einsetzen würden. Die würde ich nie verraten.“ Von wem genau sie sprach, wusste Osiris nicht, aber aus irgendeinem Grund glaubte sie nicht, dass ihre Vermutung richtig war.

„Nun gut. Jetzt will ich aber alles erfahren. Alles, was dieser Kerl Ihnen angetan hat. Von Anfang an. Von dem Tag an, an dem er das erste Mal übergriffig geworden ist.“

Man sah sie schlucken. Es war ihr zuwider darüber zu reden, wie er sie in der Küche eines Tages aus heiterem Himmel angetatscht hatte – und noch mehr. Hätte sie sich damals nur gewehrt, dann hätte er nicht geglaubt, dass sie so etwas wie sein Eigentum war. Dann hätte er sie nicht geschlagen und gefesselt. Bestimmt wäre er dann nie so brutal geworden. Alles war bloß ihre Schuld, weil sie einen anderen Jungen gernhatte und ihm das unter die Nase reiben musste, dass er sie nicht mehr haben konnte.
 

Das Therapiegespräch dauerte eine gute Stunde, länger als üblich. Danach konnte sie direkt in die Mittagspause gehen und ihren Kollegen darüber informieren, was sie von diesem Fall hielt. Sie stand vor der Kaffeemaschine und drückte gerade den Knopf, als er ebenfalls das Zimmer betrat und sich mit einem Seufzen auf den Stuhl fallen ließ.

Sie drehte sich zu ihm und sah, wie er gegen die Wand starrte und sie nicht beachtete. Bestimmt hatte der Chef ihn ordentlich gerügt. Für sein vorlautes Mundwerk. Sie konnte nicht sagen, dass solche Männer ihr nicht gefielen. Sêiichî war auch so, der musste sich auch mit jedem anlegen und fiel damit immer auf die Schnauze, trotzdem machte er es immer wieder.

„Du siehst aus, als wärst du in die Mangel genommen worden.“

„Als Assistenzarzt muss man sich echt alles bieten lassen. Das nervt.“

„Was du nicht sagst.“ Sie setzte sich mit der Tasse Kaffee zu ihm und grinste. „Vielleicht solltest du lernen die Klappe zu halten. Dann bist du weniger genervt, wenn du auf den Deckel kriegst.“

„Die Klappe halten ist aber nicht meine Art.“

„Übrigens kannst du dich beruhigen. Die Kleine feiert eher noch ihre Helden. Sie wird nicht reden. Wahrscheinlich weiß sie nicht mal, wer die waren. Sie kann sich nicht vorstellen, dass es Menschen gibt, die mit ihren Taten davonkommen.“ Jetzt stand sie auf und stellte sich hinter ihn. Ihre Hände legten sich auf die Schultern und fuhren nach vorne. „Und die Vergewaltigung war nicht so schlimm. Jedenfalls nicht schlimm genug… Sie steht auf dich“, meinte sie verführerisch und wanderte nach vorn zu seiner Brust. Ihr Kopf legte sich leicht an seinen, da sie sich vorgebeugt hatte.

„Ich bitte dich.“ Kenichi griff ihre Hand. „Hör auf mich anzutatschen!“

„Ach, stell dich nicht so an. Bestimmt bist du bei Merlot ganz handzahm, sie ist total von dir angetan. Wie hast du das gemacht? Mir war so, dass sie immer bloß ihren Seitensprung liebte. Aber so, wie sie dich ansieht, hast du sie mindestens schon mal rangelassen. Ist das nicht irgendwie ekelhaft? Ist’n bisschen alt für dich die Gute.“

„Ach? Wen soll ich stattdessen nehmen? Dich? Sorry, ich steh nicht so drauf, mich mit Handlangern einzulassen.“

„Was hast du da gesagt, du Kleiner…“ Ihre Hände legten sich an seinen Hals und streiften mit den Nägeln gefährlich der Halsschlagader entlang.

„Ich hab gesagt, du sollst deine Hände von mir nehmen…“ Seine Stimme war nachdrücklicher geworden, obwohl er sich nicht mal bewegte. Nicht aufstand, oder brüllte, hatte es etwas Bedrohliches, allein die Betonung.

„Meinst du, ich hab Angst vor einem, der vier Jahre jünger ist? Du bist das Weichei gewesen, das meine kleine Schwester entjungfert hat. Mir kannst du nichts vormachen.“

„Nimm sie weg!“ Sie huschte rückwärts, als er aufsprang und dabei fast der Stuhl umkippte, so ruckartig tat er es.

„Ach, und was, wenn nicht?“ Sie lächelte kühl. „Wegen so einer kleinen Schülerin, die geschickt ihr Umfeld manipuliert, legst du dich mit Kriminalisten an. Weil sie eine kleine Hure ist, die die Beine für ihren Bruder breitgemacht hat, heult sie jetzt überall rum, dass er sie misshandelt hat. Er hat sie nicht vergewaltigt, höchstens genötigt. Sie hat sich drei ganze Jahre von ihm durchnehmen lassen. Jetzt hatte sie keinen Bock mehr, weil sie in so einen Typen verliebt ist. Ich würde mal sagen, dass sie ein bisschen selbst schuld ist.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Es war nur eine Vergewaltigung. Das passiert schon mal, wenn man immer die Schönste sein will.“

Nur?“ Bei diesem Thema verstand er keinen Spaß.

„Ja, nur? Es gibt Schlimmeres.“

Der letzte Idiot, der gewagt hatte, ihm ins Gesicht zu sagen, dass es Schlimmeres gab, als Gewalt an Frauen, hatte nichts zu lachen gehabt. Sie hatten sich damals so schwer geprügelt, dass derjenige es sicher nie vergessen würde. Er hatte ihn krankenhausreif geschlagen und ihn gefragt, ob er ihm auch mal Gewalt antun soll. Der hatte nie mehr auch nur einen Piep von sich gegeben.

„Wie kann man als Frau nur so etwas Kaltschnäuziges sagen?“

„Weil’s stimmt. Reg dich ab. Sie wird daran nicht zugrunde gehen. Höchstens lässt sie ein paar Tränen fließen, nur damit du weich wirst. Merkst du das eigentlich nicht? Sie wurde gezwungen. Tja. Davon geht die Welt nicht unter. Halt dich von ihr fern, die verdreht dir nur den hübschen Kopf.“

„Und du glaubst, dass du mir was befehlen kannst? Was glaubst du, wer du bist?!“
 

Was daraufhin geschah, war so ziemlich das Überraschendste, was sie sich von diesem Typen vorstellen konnte. Er hatte sich verändert. So sehr, dass sie sich danach fürchtete. Er war ein lieber Junge gewesen, der nur ab und zu die richtigen Menschen geärgert hatte. Diesen Tokorozawa zum Beispiel. Kenichis Privileg war, dass Frauen so etwas Unantastbares waren. Sie hätte ihm nicht zugetraut, dass er seinen Willen durchsetzte. Und dabei auch den Willen einer Frau ignorieren könnte. Aber danach war ihr übel. Sie würde ganz bestimmt nicht nochmal versuchen ihn anzufassen. Schon gar nicht, wenn er so miese Stimmung hatte. Nein, sie würde das jemand wissen lassen, der das nicht lustig finden würde. Weil es in seinem Umfeld schon viel zu oft passiert war.
 

„Er ist ein Sadist…“

„Ein Sadist sagst du?“ Verwirrt sah er die Schwarzhaarige an. „Wie kommst du darauf? Hat er dir was getan?“

„Kann man so sagen… Du solltest auf jeden Fall deinen Vater wissen lassen, dass er sich den Typen mal ansehen sollte. Der hat sich im Krankenhaus fast mit den Ermittlern geprügelt.“

Der Jüngere verzog die Augen zu Schlitzen. „Wieso sollte er so etwas Dämliches denn tun?“

„Weil die Polizisten eine Vernehmung durchführen sollten, die ihm nicht gefiel. Da ist er völlig ausgerastet.“
 

Unangenehme Neuigkeiten. Die hatte der 42-jährige am liebsten. Er drehte sich in seinem Stuhl herum. Dabei faltete er mysteriös die Hände. „Sie können gehen, ich werde mich damit auseinandersetzen.“

Diese Frau fand sich ganz schlau. Ging zu seinem Sohn, erzählte ihm etwas von Ärzten ohne Beherrschung und glaubte dann noch, dass er gegen diese vorgehen würde. Er war jung, unerfahren und manchmal etwas ungehalten, wie sein Sohn Yuichi. Das war kein Grund, ihm gleich Ärger zu machen.

Es gefiel ihm nicht, was er hörte. Das Mädchen, das Opfer, welches von den Tätern gerettet worden war, hatten sie also regelrecht eingeschüchtert. Da war Kenichi Ashida aus der Haut gefahren. Er selbst wusste nicht einmal, ob die Täter, die sie suchten, nicht vielleicht Bekannte von ihnen waren. Genauso gut könnte das sein Sohn sein, der das Mädchen befreit hatte. Nur würde er so etwas Barbarisches wie die nie tun – jedenfalls war er davon überzeugt. Aber Polizisten sollten sich auch zurückhalten können. Das arme Mädchen. Wie konnten sie sie nur so hart angehen? Kein Wunder, dass alle die Polizei fürchteten, dabei sollte sie der Freund und Helfer sein. Etwas, was er einigen noch mal klarmachen musste, wie es schien. Derartiges Verhalten mochte vielleicht unter einem Frauenfeind, wie Tokorozawa geduldet sein, aber bei ihm gab es so etwas nicht. Musste er sich also wieder einmal einige Ermittler zur Brust nehmen, um ihnen Manieren beizubringen. Er seufzte. Wie gut, dass Sêiichî einen Gerechtigkeitssinn besaß und sofort zu ihm gekommen war, auch wenn es ihm nicht gefiel, dass man in seiner Gegenwart über Vergewaltigung gesprochen hatte. Diese Sache damals hatte ein Trauma bei seinem Adoptivsohn hinterlassen. Es machte ihn krank, das war durchaus nachvollziehbar. Aber er wollte ihn von diesen Abgründen fernhalten, die ihn am Ende noch zu einem Verbrecher machen würden, wenn er nicht ein Auge auf ihn hatte. Er hatte mit Grund Ryochi aufgetragen, dass er seinen besten Freund vom Krankenhaus fernhielt. Er sollte die Kleine nicht so sehen, er würde sofort merken, was mit ihr passiert war…

13. Januar – Jeder gegen jeden Teil 2

Es dämmerte mittlerweile schon. Noch heute war ihr die Dunkelheit nicht geheuer, in jeder Ecke lauerte die Gefahr. Seit vier Jahren tanzte sie schon auf zwei Hochzeiten. Auch wusste sie nicht, ob sie gemocht wurde, oder eher gehasst. Meistens traf sie sich sowieso nur mit diesen Leuten, um für Informationsfluss zu sorgen.

Anstelle von Carpano, lauerten ihr Plavac und Vermouth auf. Der Freund der Akajas war ja noch akzeptabel, aber diese Tussi… Man begegnete ihr nur ungern. Vor allem die meisten Frauen legten keinen Wert auf ihre Gesellschaft – ließ sie doch jede immerzu spüren, wie wichtig sie war. Und wie unwichtig alle anderen. Baileys brachte das regelmäßig auf die Palme, aber auch einige ihrer Bekanntschaften empfanden sie als einzigen Störfaktor.

„So, du hast also Informationen. Dann rück mal raus mit der Sprache“, wendete sich die Frau mit gewellten Haaren gleich an die mit dem glatten Bob.

„Mit dir wollte ich nicht reden, Vermouth. Musst du dich immer vordrängeln? Es geht um Familienangelegenheiten, die gehen dich nichts an, verstanden?“

„Heute sind wir aber mutig“, amüsierte Vermouth sich. Warum wohl? Sie glaubte, dass Plavac nicht zulassen würde, dass sie am Ende auf sie schoss.

„Am besten du ignorierst sie.“

„Wo ist Yuichi?“

Plavac wagte zu grinsen. “Keine Sorge, was du ihm zu sagen hast, wird die richtigen Leute erreichen.“

Fast wäre sie zickig geworden, aber ihn zu verabscheuen, wäre dumm gewesen.

„Jami soll sich an Osiris vergriffen haben.“

„Was juckt uns so was?“ fragte Vermouth.

Hatten die zugehört? Er hatte sich an ihr vergriffen. Die Hellbraunhaarige legte eine missmutige Miene auf. „Das war wörtlich zu nehmen. Sie ist zu Sêiichî damit gegangen.“

„Und weiter?“ fragte Plavac jetzt doch sehr interessiert nach. Er war froh, dass er so etwas wie einen siebten Sinn entwickelt hatte. Es lag ihm im Blut, dass es besser war, wenn man Yuichi nicht alles brühwarm erzählte, schon gar nicht, wenn es um Sêiichî ging. Bei der Sache hier hatte er auch geahnt, dass er ihn besser raushielt. Er hatte eh keine großartige Lust, mit der Frau zu tun zu haben. Der war schon wütend genug. Darüber, dass der Junge wagte, ihnen zu nahe zu kommen – so war das einfach nicht geplant. Neben seinem Groll gegen Vermouth mochte er noch ein paar andere nette Damen nicht besonders. Eine davon stand vor ihnen.

„Sêiichî hat ein Trauma. Jedes Mal, wenn es um solche Fälle geht, tickt er aus. Man sollte etwas gegen diese Osiris unternehmen. Sie weiß das ganz genau. Und zwar von Yakko Kajiwara. Es würde ihr wohl noch gefallen, wenn er Jami einfach umbringen würde, weil er sich etwas zu Schulden kommen lassen hat. Dabei denkt sie nicht darüber nach, was für Konsequenzen das hätte.“

‚Und du bist ein Engel, der ihm erschienen ist, um ihn vor sich selbst zu beschützen? Mach dich mal nicht so wichtig, Süße‘, dachte Vermouth, die fast nicht widerstehen konnte, ihre Worte noch lautstark mitzuteilen, aber sie grinste im Moment nur und beobachtete, was die Kleine noch so auffahren würde, um ihre Rivalen loszuwerden. Sie sollte einen Narren an Sêiichî gefressen haben, genauso wie die andere missratene Frau. Offenbar zog er böse Mädchen an, wie die Fliegen, sonst würde er ja nicht so sehr auf sie selbst stehen und immerzu versuchen, sie einzulullen.

„Schlimmstenfalls werden Jami und er sich dann wohl prügeln. Wäre ja nichts Neues, dass sich einer mit Jami prügelt.“

Und das war’s? Sie war bestürzt…

„Ihr wirkt wenig geschockt. Osiris war es. Sie sagte, er sei ein Sadist.“

Vermouth konnte sich nicht mehr halten. Sie brach in schallendem Gelächter aus. Sie hatte sich schon lange nicht mehr so köstlich amüsiert. Jami und ein Sadist. Hatte diese Frau eine Ahnung, wie so einer aussah? Wäre er einer, würde er sich nicht so über die wahren Sadisten aufregen – zum Beispiel über den Polizeichef von Kyoto. Der war wirklich sadistisch.

Die Hellbraunhaarige warf ihr einen empörten Blick zu und konnte nicht mehr an sich halten. „Was gibt’s da zu lachen? Er hat ihr was getan!“

Nur mit Mühe schaffte es die Schauspielerin ihr Lachen unter Kontrolle zu bekommen, übrig blieb ein gemeines Lächeln. „Osiris ist eine psychopathische, böswillige Frau. Also kein Wunder, dass sie es sogar schafft, dass Jami ihr eine Lektion erteilt. Denn ganz sicher ist es so gewesen. Das muss man auch erstmal können. Ich kenne einige Frauen, die schon mal frech zu ihm gewesen sind – und selbst die kriegen nicht gleich ab. Man muss sich schon gehörig anstrengen, um so etwas zu verdienen.“

„Was bitte willst du damit sagen? Dass die es verdient hat, dass man sie vergewaltigt?“

„Schätzchen – nur weil Osiris ein bisschen auf die Tränendrüse drückt, heißt das noch lange nicht, dass es so schlimm war.“ Wenn sie etwas glaubte zu wissen, dann dass Jami in dieser einen Sache absolut unfähig war. Sonst hätte er sich kaum so vehement dagegen gewehrt, was Chardonnay aus ihm machen wollte.

„Ach? Warum? Weil Jami aussieht, als könne er kein Wässerchen trüben?“

„Du musst es ja wissen, Carmina.“ Plavac zuckte mit den Schultern. So, wie er sie ansah, fühlte sie sich durchschaut, vor allem durch den spitzen Spruch. Er wusste, dass sie zumindest schon wusste, wie er drauf war, nicht? Oder war es doch so tiefgründig, dass sie gerade einmal wusste, wie er im Bett war? Immer diese Oberflächlichkeit. Er traute ihr das durchaus zu, dass das alles war. Und vielleicht seine Ähnlichkeit zu Sêiichî. Der würde allerdings keiner Frau so ohne Weiteres wehtun, eher tat er den Kerlen weh.

„Bestimmt stellt Sêiichî ihn zur Rede. Und dann? Jami lässt sich das niemals gefallen.“

„Ach, und du denkst, Jami wird ihm sofort das Maul stopfen?“ fragte Vermouth amüsiert nach. „Meine Güte. Krieg dich ein.“ Was Carmina offensichtlich noch nicht wusste, war, dass Sêiichî sich Cognac nannte und dementsprechend nicht gleich umkommen würde, nur weil er einen seiner Kollegen anging. Das war auch amüsant.

„Wie dem auch sei. Bevor Osiris noch mehr Sêiichîs Zorn entfachen kann, sollte man sie mal stoppen.“

„Und was schwebt dir vor? Soll Vermouth sie direkt erschießen, oder reicht ein bisschen erschrecken?“ Es war eine gehässige Frage, um zu schauen, wie dumm sie tatsächlich war. War sie so dämlich ihren Groll gegen diese Frau so offen zu zeigen, dass sie sogar nicken würde?

Sie stutzte und schien wohl wirklich darüber nachzudenken, wie weit sie gehen wollte, um die 25-jährige schnellstmöglich loszuwerden. Sie als frischgebackene Polizeipsychologin sollte Abstand davon halten, jemanden ermorden zu lassen.  

„Ich will einfach nur, dass sie sich von Sêiichî fernhält, diese Tussi tut ihm nicht gut. Die verdirbt nur seinen Charakter. Wie kann man jemandem, der wegen seiner Aggressionsprobleme in Therapie war, noch zusätzlich triggern? Er soll nicht töten! Es reicht doch, wenn Yuichi so etwas tut, oder?“

‚Da hat sie sich aber fein herausgewunden. Er soll nicht auch so ein Mörder werden, mhm? Als ob ich nicht wüsste, was du vom ältesten Sohn der Akajas hältst. Er war ja schließlich nicht sofort da, um Chardonnay zu stoppen, als er sich damals mit Sêiichî befassen wollte.‘ Die Gute tat alles, um Carpano in den Arsch zu kriechen. Wie dumm nur, dass sie nicht gewillt war, ihr zu verstehen zu geben, dass er sich von keinem so ohne Weiteres manipulieren ließ – noch nicht einmal von einer Meisterin, wie ihr.

Trotzdem würde es Vermouth brennend interessieren, wie weit der Kleine bei dieser Osiris gegangen war. Er würde weder eine Frau prügeln, noch andere Art von Gewalt antun.  Nicht freiwillig jedenfalls. Aber er war ein Stück weit bereitwilliger, gemein zu ihnen zu sein, sofern sie es verdient hatten. Allerdings musste sogar sie selbst sich sehr anstrengen, um das zu verdienen. Also was sagte das über Osiris aus? Sie war schlimm. Eine, wie sie sollte keine Menschen therapieren. Aber die da genauso wenig. Vermouth traute diesem Engelchen nicht. Sie sah harmlos aus, aber allein schon, dass sie zu ihnen kam. Zu Profikillern, damit sie sich mit Osiris beschäftigten, sagte ihr, dass sie ganz schön abgebrüht war und sich nicht scheute, sich ihrer Widersacher zu entledigen. Natürlich ohne selbst ihre Finger schmutzig zu machen, wo sie doch so einen anständigen Beruf wie Polizeipsychologin hatte. Da durfte man ja unter keinen Umständen einen Mord begehen. Doch, wenn sich alle weigern würden, wäre sie dann bereit, so weit zu gehen? Das konnte keiner wissen. Grundsätzlich war jeder Mensch dazu fähig diese Wege zu beschreiten, sogar die, die sich im Traum nicht vorstellen könnten, jemals einen Mord zu begehen. Vor so vielen Jahren war auch sie so jemand gewesen. Dann hatte sie sich doch dazu gezwungen gefühlt. Und auch Kenichi war keineswegs ein Freund von irgendwelcher Gewalt. Jetzt waren sie alle Richter über Leben und Tod, dann wenn man es von ihnen verlangte.

 

Gegen 19 Uhr trudelte eine Nachricht nach der Anderen ein.  Manchmal wünschte er sich, dass Weiber nicht grundsätzlich zu neugierig wären. Mehrere Male hatte sie ihm geschrieben, neugieriger ging es kaum. Wahrscheinlich fragte sie sich, was die dämliche Pussy ihm getan hatte, dass sie schon rumerzählen musste, er hätte ihr etwas zuleide getan. Es war klar Schadenfreude in ihren Nachrichten zu entdecken.

~Now don’t keep me on tenderhooks! Tell me! What has the bitch done?~

Weil er ja so ein netter Kerl war, der keiner Frau etwas tun könnte, wollte sie das wissen? Wer wusste, wem sie es noch sagen würde, wenn er ihr das verriet? Er überlegte scharf, ob er gewillt war zu reden.

~Like you said: She‘s a bitch. Let’s keep it that way.~

Dieser ungezogene Junge. Aber sie musste zugeben, dass ungezogene Jungs ihr die Liebsten waren, solange sie ihren Nutzen aus ihren Frechheiten ziehen konnte – natürlich.

Sie versuchte weniger belustigt zu wirken, sondern schrieb ihm nun ernsthafter.

~What did you do to her?~ Wenn er zu weit gegangen war, musste man sich um ihn sorgen. Obwohl sie sich um die herannahende Gefahr weniger sorgte, als darum, dass er sich selbst verabscheuen könnte.

~She had to swallow much today..~

Es dauerte einen Moment, bis sie den versteckten Hinweis in den Worten entdeckte, als der bei ihrem Kopf ankam, verzog sie angewidert das Gesicht.

What a nasty guy. Sie rümpfte die Nase. Obwohl er ihr nicht direkt verriet, was er ihr getan hatte, wusste sie, was für Dinge er nicht schon getrieben hatte. Sie würde ihn verprügeln lassen, wenn er diese Seite je ihrem Jungen gezeigt hätte. Der war schließlich noch unschuldig und sollte es gefälligst auch bleiben dürfen.

Dass er auf ihre nächsten Nachrichten gar keine Antwort mehr gab, machte sie missmutig, aber was erwartete sie? Dass er sich von ihr erziehen ließ? Aus dem Alter war er raus. Sie hatte genug zu tun, den anderen Spinner zu erziehen, der schließlich mit seinen 17 Jahren noch nicht erwachsen war, also hatte sie allen Grund dazu.

 

Nachdem er das Auto im Hinterhof geparkt hatte und gerade um das Haus ging, näherte sich ihm eine Person. Er hatte eine Sonnenbrille aufgesetzt und versperrte ihm mit einem Mal den Weg. Stutzig sah er ihn an.

„Was machst du hier?“

Die Frage wurde ignoriert, stattdessen kam der jüngere Schwarzhaarige auf Kenichi zu. Die wütenden Augen konnte die Brille verbergen, seine Laune jedoch nicht. Dass er ihn böse angucken wollte, sah er auch ohne in die Augen zu sehen. Sein Mund verriet genügend über seine Laune, so grimmig wirkte sein Gesicht.

Er steckte die Hände in die Hosentaschen. Wie dumm. Dann passierte das Unfassbare. Sein Gegenüber zog die Waffe und richtete sie auf ihn. Nach einer Schocksekunde hatte auch er nach der Waffe gegriffen. Die er vorgehabt hatte zuhause zu lassen. Aber Vermouth hatte ihn gewarnt. <“We are criminals. Don’t forget it. We can’t afford negligence. Even if we feel safe. As a precaution always carry it around.“> Um auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Weil seine Feinde jederzeit eine Waffe auf ihn richten könnten, und noch viel schlimmer, sie waren gewillt abzudrücken. Sicher, er hatte damit gerechnet, dass Hiroya so auftauchte, oder sein Vater. Dass er direkt auf ihn schießen würde, um ihn wehrlos zu machen. Doch von dieser Person hätte er nicht geglaubt, dass er dreist genug wäre.

Zwei Schüsse ertönten. Danach herrschte beängstigende Stille.

„Abschaum, wie du, darf man nicht leben lassen!“ Hass und Verachtung hallten laut wider, in Form seiner Stimme.

Dass man sie alle bedrohte, war nicht neu. Doch sie würden sich wehren. Wer auch immer wagte, es zu tun.

Wäre die blonde Frau nicht aus dem Haus gelaufen gekommen, hätte Jami postwendend abgedrückt. Wohin er getroffen hätte, wer wusste das schon? Aber ihre Anwesenheit ließ ihn kurz zur Seite sehen. Eine Sache genannt Unachtsamkeit. Dann wurde geschossen. Die Dame gab einen spitzen Schrei von sich. Kurz wurde gezuckt. Trotz der Drohung war ein Loch im Hemd alles, was man ihm beschert hatte.

„Hast du sie noch alle? Wie kannst du es wagen?“ Die Stimme des 21-jährigen bebte vor Wut. Aber vor ihr wollte er nicht für Blutvergießen sorgen.

„Wie ich es wagen kann? Wie kannst du wagen, dich an einer Frau zu vergehen?! Das kann ich dir nicht durchgehen lassen!“ Er schäumte fast über und zielte.

Da rannte die Blonde zu ihnen und stellte sich vor ihm. „Hör auf! Das ist ein Missverständnis! Er würde so etwas nie tun!“ Sie hatte todesmutig beide Arme vor ihm ausgebreitet, so dass er auf keinen Fall von einer Kugel getroffen werden konnte.

„Bist du dumm? Geh aus dem Weg, du blöde Kuh!“ fauchte der Jüngere sie an und sie entgegnete mit einem sturen: „NEIN!“

Ihr Körper zitterte. Nichts lag ihm ferner, als eine hübsche Frau in Angst zu versetzen. Das machte ihn auch wütend. Er hatte ja schon gehört, dass Jami nichts anbrennen ließ und ihm angeblich die Frauen besonders mochten. Es war also nicht weiter verwunderlich, dennoch regte es ihn tierisch auf, dass sie so blöd war, einen Mistkerl noch mit dem Körper abzuschirmen.

„Cognac, du bist noch nicht lange dabei. Das ist aber auch der einzige Grund, warum ich dich nicht über den Haufen schieße!“

„Könnt ihr euch nicht beruhigen? Alle beide!“ Sie wollte nicht, dass sie nochmal schossen.

„Was du nicht sagst? Mir ist so was von scheißegal, wie hoch du stehst.“

„Ach? Du willst wohl unbedingt draufgehen!“

Cognac gab ihr einen kräftigen Stoß, der sie zu Boden beförderte. Schockiert sah man ihn an, Kenichi knurrte. „Jetzt kannst du was erleben!“

„AUFHÖREN!“ schrie sie, als sie sich vom Boden aufrappelte, aber sie konnte auch nicht verhindern, dass es zu einem erneuten Schusswechsel kam. Obwohl sie wahre Panik ausstand, als die Beiden aufeinander losgingen, war derjenige, der dem Anderen die Waffe direkt aus der Hand schoss, der Mann, der ihr gerade so wichtig war. Trotzdem gefiel ihr die Sache gar nicht. Die Waffe des Angreifers segelte zu Boden und die auf diesen gerichtete war bereit abzudrücken.

„Kenichi, nicht! Tu das nicht!“  

Frauen waren wohl grundsätzlich dazu da, um sie alle weichzumachen und dazu zu bringen, vernünftig zu sein. Sie waren gebraucht, wie sonst nichts. Ohne sie würden die Männer sich immerzu im Krieg befinden und irgendwann würden sie noch die Welt ausrotten. Mal davon abgesehen, dass sie keine Geburt aushalten konnten, denn sie waren nicht dafür gemacht.

„Ich bring keinen um, der noch ein halbes Kind ist, Retsina“, sagte er beschwichtigend.

„Was hast du da gesagt, du Scheißtyp?!“ So in Rage, wie er war, durfte man ihn keinen Moment aus den Augen lassen. Und er musste sie ja unbedingt ansehen. Da wurde er richtig attackiert und zu Boden geworfen. Kämpfen hatten sie schon als Kinder gelernt, er war jedoch immer irgendwie unterlegen.

„Dir bring ich Manieren bei! Eine Frau zu etwas zu zwingen!“

Solche Typen wollte er nicht töten. Er fühlte sich ihnen zugehörig. Wäre es darum gegangen, irgend so ein perverses Schwein zu töten, was sich wirklich an Frauen vergriff und ihnen Schmerz zufügte, dann hätte er es bestimmt ein wenig ernster genommen. Er hätte Retsina ins Haus geschickt und sie hätte hoffentlich gehört.

„Wie bist du denn drauf?“ Kaum stellte er die Frage traf ihn etwas an der Schläfe. Der dumpfe Schlag war auch noch knapp hinter ihm zu hören. Die junge Frau schlug sich die Hände ins Gesicht.

„Halt’s Maul, du Scheißkerl!“ Sie stürmte zu ihm. Er hielt sich die Schläfe, Blut tropfte zu Boden. Nicht einmal fünf Sekunden später kippte er um und landete unwissender Weise glücklich in ihrem Rock, der den Sturz dämpfte.

Sie kämpfte mit den Tränen. „Du brutales Schwein!“ Wut loderte in den hellblauen Augen.

„Bist du bescheuert? Er ist ein Arschloch, was sich über den Willen von Frauen hinwegsetzt.“

Mehrmals schüttelte sie den Kopf. „Das muss ein Irrtum sein. Er ist derjenige, der dafür sorgt, dass genau solche Kerle Derartiges nicht tun. Wenn du das wirklich von ihm denkst, kennst du ihn ganz und gar nicht!“

„Ach?“ Er sah den liebevollen Umgang der Frau mit Jami. Der bekam das nicht einmal mit, so doll hatte er zugeschlagen, als er geschafft hatte seine Waffe wiederzubekommen. Sie konnte froh sein, dass er ihn nicht gleich erschossen hatte. Sein Atem raste regelrecht, solche Dinge machten ihn einfach wahnsinnig. „Warum sollte man mich anlügen?“

Eine zweite Frau kam angelaufen und betrachtete sich die Szene. „Was ist hier denn schon wieder los?“

„Dieser Typ wollte ihn erschießen… Und weil er ihn entwaffnet hat, hat er ihn jetzt in einem unachtsamen Moment niedergeschlagen!“

Sie begab sich zu dem Schwarzhaarigen und sah ihn abschätzend an. „Sei froh, dass das Japan ist. In Amerika werden Leute einfach erschossen, wenn sie sich unerlaubt auf dem Grundstück befinden.“

„Keine Sorge, Frauen tue ich nichts“, sagte er. „Ich mag Frauen.“

„Ruf die Polizei, Serena, bitte.“

„Besser nicht, die werden nur blöde Fragen stellen. Sag mal, kennen wir uns?“ fragte die adrett gekleidete Frau, die ein wenig älter wirkte, als die Frau, in deren Armen sein Widersacher nun lag.

„Nicht, dass ich wüsste. Es ist sehr dumm, einen Vergewaltiger zu mögen, meine Liebe.“

Serena machte Schnappatmungen. „Einen Verge-waltiger? Kenichi?“ Es verschlug ihr wirklich die Sprache. „Wie kommst du denn darauf?“

„Verschwinde, oder ich schrei um Hilfe!“ sagte die Jüngere trotzig, daraufhin lachte der Mann.

„Ganz schön naiv, mhm? Wir haben geschossen, das scheint hier keinen großartig zu interessieren. Warum sollten sie da auf Schreie reagieren?“

Ganz schön großkotzig. Irgendwie hatte Serena einen Verdacht und lächelte jetzt.

„Du jagst also Vergewaltiger? Interessant.“

„Nicht dein Ernst“, sagte Retsina, ihre Cousine hatte offenbar nur ein Interesse, Leute zu finden, die sich für sie mit Chardonnay anlegen könnten. „Wenn du schlau bist, verschwindest du ganz schnell.“

„Halt dich da raus. Du solltest deinen Kerl besser in Sicherheit bringen…“ Dieser stöhnte auf und griff sich automatisch an die Schläfe, da sah die junge Frau zu ihm runter.

„Oh Gott sei Dank, er macht die Augen auf.“

„Oh mein Schädel.“

„Ich hoffe, es tut schön weh!“ sagte der Schwarzhaarige mit Sonnenbrille, da erhob sich Kenichi ein wenig, sah dann aber hoch ins Gesicht der Blauäugigen. „Bin ich auf deinem Schoß?“

„Gott bewahre“, sagte Serena und ignorierte die Zwei, sie interessierte sich für etwas vollkommen Anderes. Ihr Lächeln war gemeingefährlich, hinterhältig und lockend. „Weißt du, ich kann Männer wie dich ganz gut leiden. Möchtest du nicht ins Haus kommen und etwas trinken? Glaub mir, Kenichi ist kein Vergewaltiger oder so was. Du irrst dich.“

Aus der Dunkelheit der Nacht ertönten Schritte und die Augen der Schönheit starrten mit blankem Entsetzen in die Richtung, aus der sie zu hören waren. „Jesus Christ… Da ist wer.“

Der junge Mann drehte sich herum und erspähte die Straße. Dann sah er den schwarzen Schatten, der sich ihnen geheimnisvoll näherte.

„Serena-san, Sie sollten schleunigst zurück ins Haus gehen. Wer weiß, welche Albträume Ihnen sonst begegnen?“ Seine Stimme raunte tief und ließ durch ihren Körper ein Zittern fahren. Sie erkannte die versteckte Drohung, wusste jedoch nicht, wieso sie sie verdient haben sollte.

„Plavac“, meinte Retsina. „Dieser Kerl hat ihn angefallen.“

„Stimmt das?“

„Warum sollte ich darauf eine Antwort geben? Typen, die Frauen zu etwas zwingen, haben es verdient.“

„Und ungezogene Kerle wie du erstrecht“, sagte er mit einem leisen Zischen in sein Ohr, dann griff er sich ihn an der Jacke. Es fühlte sich an, als wollte er ihn vom Boden abheben lassen, der Stoff war schwer und er merkte den Zug an diesem.

„Was soll denn der Scheiß?“

„Der Boss wäre wenig amüsiert, wüsste er, dass du einen seiner wichtigen Leute versuchst zu massakrieren. Merk dir eines: Der Boss ist der Einzige, der solche Entscheidungen trifft. Kleine Handlanger, wie du, die enden als Fischfutter, wenn sie sich vorbeibenehmen. Wo hast du den Käse aufgeschnappt, dass Jami Frauen zu irgendwas zwingt? Bestimmt hat man dir da einen kleinen Bären aufgebunden.“

„Er wollte es nicht glauben, er war davon überzeugt“, sagte Retsina.

„Ach so, ihr gehört alle dazu? Na, das kann ja heiter werden“, spielte der junge Mann alles herunter und tat auf cool und lässig.

„Ja. Der Boss hat Jami damit beauftragt, dich im Auge zu behalten. Er soll sich darum kümmern, dass du kapierst, wie der Hase läuft. Was glaubst du würde passieren, wenn der Boss hiervon erfahren würde? Dann landest du wie Abfall irgendwo und treibst eine Runde flussabwärts. Als Neuer hat man keine großen Töne zu spucken.“

„Und du hast das Recht, mir das einfach so zu sagen?“

„Ich kann gern Vermouth herholen, die wird dir noch ganz andere Dinge antun, wenn sie das hier wüsste.“

„Wie oft muss ich noch sagen, dass mir diese Frau keine Angst einjagt? Da kann sie machen, was sie will.“

„Mir brummt der Schädel. Schlagen kann er sich jedenfalls, Plavac“, äußerte sich Jami, auch wenn das Blut ihm mitten übers Gesicht rann und ihm teils versuchte die Sicht zu versperren. „Ich gehe nicht gleich zum Boss. Wer weiß, was er machen würde. Aber eines will ich klarstellen: Ich habe noch nie eine Frau vergewaltigt und ich würde es auch niemals tun. Wir sind also Verbündete.“

„Warum erzählt mir Osiris dann, dass du ihr etwas getan hast?“

„Osiris?“ wunderte sich Serena. „Oh, bestimmt hat Jami ihr tatsächlich was getan, aber ich bezweifle, dass es in Richtung einer Vergewaltigung ging. Jami verabscheut so was.“

„Ich verstehe gar nichts mehr. Wieso sollte sie mich anlügen?“

„Du hast noch viel zu lernen, Cognac“, meinte Kenichi, dem von Retsina jetzt aufgeholfen wurde. „Geht’s dir gut?“

„Hast du Eis? Das hilft vielleicht bei dem Brummschädel. Weil unser wildgewordener Neuzugang sich nicht beherrschen kann.“ Er warf dem 17-jährigen einen Blick zu. „Schaff dir Beherrschung an, sonst erschießt du den Falschen. Das wäre dein Untergang!“ Unter Garantie würde es Chardonnay schaffen, ihn so wütend zu machen, dass er ihn im Jähzorn erschoss. Auch er kam oft genug an seine Grenzen, wenn er an diesen Bastard dachte.

Cognac wirkte nicht, als wäre er damit einverstanden, sich belehren zu lassen. Doch mit einem hatte Jami Recht. Er hatte noch viel zu lernen. „Weißt du, Cognac. Nicht alles, was Frauen dir so erzählen, entspricht der Wahrheit. Manchmal lügen sie nur, um dich dazu zu bringen, das zu tun, was sie gerade wollen. Es gibt genug Frauen, die Jami nicht mögen, obwohl er jederzeit für sie in den Kampf ziehen würde, nur damit sie heil bleiben. Das allein reicht, damit sie erfinderisch werden, nur um ihm zu schaden. Auf der einen Seite ist er ein gutaussehender Kerl, auf der anderen steht er hoch genug, um für ihren eigenen Untergang zu sorgen. Du hast der Kleinen sicher den Schock ihres Lebens versetzt.“ Retsina war bisher noch wohlbehütet. Sie hatte noch nicht die schlimmsten Dinge erlebt. Blutvergießen, wie man es sonst nur im Krieg kannte. Und von Sharon wusste er, dass das besser so war. Jami würde das bestimmt auch so sehen. Hoffentlich würde sie nichts davon beeinflussen.

„Jetzt kann sie ihm noch seine Wunden lecken. Schon erstaunlich, dass er sich von einem Newbie so niederstrecken lässt.“

Wenn Cognac glaubte, dass es einen Grund gab, sich über seinen Sieg zu freuen, war er ganz schön dumm. Er selbst wusste, dass die Anwesenheit der Frau Jami verunsicherte und er deswegen so leicht zu besiegen war.

Aber ihm fiel auch auf, wie abschätzend und missgünstig Serena sich dazu äußerte, dass diese Frau es ihm einfach angetan hatte.

„Freu dich doch, dann gehört er vielleicht irgendwann zur Familie. Dann wird er vielleicht doch noch für dich arbeiten…“  

Cognac sah zu dem Mann auf, der ein Stück größer als er war. Was zum Geier meinte er damit?

Dass dieser Kerl schon wieder ihre Pläne andeuten musste, fand sie unmöglich. „Nimm diesen wildgewordenen Kerl mit, bitte. Ich muss ins Haus, das Ganze genau beobachten. Nicht, dass sie noch zu ihm ins Bett steigt.“

Cognac sah ihnen nach, während Plavac nur seufzte. ‚Das willst du doch. Schnellstmöglich am besten. Am besten er fällt gnadenlos über sie her.‘ Ihm war schon aufgefallen, dass sie alles mieszumachen versuchte. Er hatte einfach kein gutes Gefühl, immer wenn sie sich begegneten. Dass sie Chardonnay um jeden Preis aus dieser Welt entfernen wollte, machte sie zu einem manipulativen, gehässigen Miststück. Jami wollte keinen Ärger riskieren, nur weil sie es gern so hätte, dass er Chardonnay tötete – ihm das aber untersagt war. Ihm wehtun, ihn ärgern, das war okay. Ihn umbringen jedoch nicht. Weil die Organisation ihn noch gut gebrauchen konnte. Das Gleiche hatte sie auch bei ihm probiert, schließlich war er doch prädestiniert für diesen Job. Er als Sohn eines Inzest-Vaters, der diesen in die ewigen Jagdgründe befördert hatte. Chardonnay war diesem Monster auch leider ähnlich…

„Halt dich von ihr fern, Cognac. Die spannt jeden für ihre Zwecke ein. Vor allem kleine Möchtegernhelden, wie dich, die dann tapfer einen Heldentot für sie sterben.“

„Und warum sagst du das?“

Dann drehte er sich herum. „Geh nach Hause.“

Irgendwo hatte er ihn schon mal gesehen. Beim Davongehen, als er die Bewegung seiner Schultern sah, dämmerte es ihm. ‚Ist das unser Onkel?[ Was hatte der denn bitte mit dieser Sache zu schaffen? Und warnte er ihn, weil er zur Familie gehörte? Und wieso nur vor ihr? Jamie hatte ihn vor Chris gewarnt, er nicht. Wem sollte man da noch glauben?

 

Als Retsina das Wohnzimmer erreichte, bat sie ihn, sich auf die Couch zu legen, dann stürmte sie los, um die Verbandsmaterialien zu suchen. Wenig später kam sie auch schon wieder und setzte sich dicht zu seinem Kopf hin, nur um diesen kurz darauf sanft auf ihren Schoß zu heben.

„Halt still, ja? Das muss man erst einmal säubern.“ Er hielt still. Und überhaupt, ihr Schoß war fast so wie der Himmel, es machte ihm also wenig aus, still zu halten und die zarten Frauenhände ihre Arbeit machen zu lassen.

„Tut mir leid, dass du so etwas mitansehen musstest. Ich war selbst ganz geschockt, als er auf einmal vor mir stand.“

„Diese Osiris, von der sie gesprochen haben, muss dich wirklich wenig mögen, wenn sie jemanden gegen dich aufhetzt. Erzähl mir was von ihr.“

„Gott bewahre. Alles, was ich von ihr erzählen könnte, widert mich viel zu sehr an. Das ist nichts für dich.“

„Sie hat einen Mann so sehr gegen dich aufgebracht, dass er drauf und dran war, dich einfach zu erschießen. Ich muss doch wissen, wer meine Gegner sind.“ Sie blickte ihn überzeugt an und er lächelte milde.

„Keine Sorge, ich werde mich das nächste Mal vorsehen. Versprochen. Du musst dir also keine Sorgen machen. Und dich auch nicht einmischen. Ich komm ganz allein klar.“

„Aber…“

„Dass du dich um mich kümmerst, ist genug. Das ist ganz erholsam, ich hatte keinen so angenehmen Tag, weißt du?“ Seine Augen blickten an der eigenen Stirn hoch zu ihrem Gesicht. Sie war ganz vorsichtig beim Desinfizieren, dabei war er ja nicht aus Zucker.

„Weißt du, dass es mir viel bedeutet, dass du nichts von all dem glaubst, was sie gesagt hat? Aber ich bin kein so guter Mensch, wie du glaubst. Ich kann auch wenig nett, also so richtig gemein, sein.“

„Dann hat man es gewiss verdient!“ entgegnete sie stur. „Ich kann trotzdem nicht zulassen, dass jemand so schlecht von dir spricht, dann muss ich dich doch verteidigen, wo wir so gute Freunde sind.“

Ein trauriges Lächeln erschien in seinem Gesicht. Für einen Moment hatte er doch wirklich für möglich gehalten, dass das zwischen ihnen mehr war. Irrte er sich? Aber es fühlte sich trotzdem sehr schön an.

„So, fertig. Ich würde dir raten, zu schlafen. Vielleicht hast du eine Gehirnerschütterung. So kräftig wie er dich mit der Pistole geschlagen hat.“

„Einverstanden. Aber ich möchte, dass du bleibst.“

Schlagartig errötete sie, schließlich lag sein Kopf auf ihrem Schoß. „Das geht doch nicht.“

„Aber wieso? Ich fühl mich wohl bei dir.“

Während ihre Cousine tausend Tode starb vor Scham, aber doch recht erfolgreich von ihm eingelullt worden war, murmelte sie etwas sehr Gehässiges vor sich hin. Als nächstes lud er sie entweder zu sich ins Zimmer ein und bat sie, bei ihm zu schlafen, oder er stieg direkt in ihr Bett, um auf ihr zu liegen – und ihre einfältige, naive Cousine merkte noch nicht einmal etwas von seinen Absichten. Männer waren nie einfach nur so nett.

„Ich bin auch gern in deiner Nähe“, flüsterte sie, da beugte sie den Kopf über sein Gesicht und hatte dabei beide Hände in sein Gesicht gelegt.

„Wirklich? Dann kann ich ja zufrieden die Augen schließen und mich entspannen.“ Sie lächelte, weil es nicht nur wie höfliche Worte klang, sondern so, als wenn er sich gerade wirklich glücklich fühlte. Nach einem so schrecklichen Tag, mit noch schrecklicheren Menschen, war er froh, Abstand von diesen Dingen zu gewinnen, sonst wurde er am Ende noch wahnsinnig, so wie dieser Cognac. Er hatte nicht ausgesehen, als sei er auf irgendeine Weise gefährlich. Wie schnell man sich doch irrte. Aber Leute wie er waren wichtig.

 

~Just imagine, your love toy Cognac almost kicked us in the door… If I hadn't been right there, surely someone would have died. He isn’t so harmless like you thought, it seemed. Quite interesting person by the way. As always. The people my dear sister brings along, are always bringing the fun~

Es war kurz vor elf, als sie die Nachricht erreichte. Serena hörte sich gern selbst reden und genauso wirkten ihre Nachrichten auch. Viel Wind um nichts – würde sie behaupten. Sie mochte das Analysieren, deswegen las sie ihren Text mehrmals. Je öfter sie das tat, umso mehr regte sie sich darüber auf.

~Who would‘ve died?~

Ihre hingegen waren meist kurz und knapp, mit so wenig Emotionen, wie möglich. Sie war gern undurchschaubar. Man sollte aus ihren Nachrichten nicht genauso viel herauslesen, wie bei ihrer Schwester.

~Only Jami, that badass. Always playing the innocent~

Nur. Ja, genau. Nur Jami. Besser hätte ihr gefallen, wäre es Chardonnay gewesen. Ganz entgegen ihrer Vorstellung sollte Cognac sich gefälligst von diesem Dreckskerl fernhalten. Aber in ihren Worten verbarg sich noch viel mehr. Serena konnte mit Liebe wenig anfangen. Ihre Spitze bezüglich des love toys wurde geflissentlich ignoriert, schließlich war die einzige Liebe, die sie empfinden konnte, die für sich selbst, nicht wahr? Dass irgendeine Frau einen Mann mögen oder sogar lieben könnte, stieß bei ihr auf Unverständnis. Sie liebte ja noch nicht mal den eigenen. Aber das konnte sie verschmerzen, solange er sie vor weiterem Unheil bewahrte. Viel schlimmer war, dass sie Interesse an Cognac zeigte, nicht offensichtlicher könnte sie ihre Gedanken in ihrer Nachricht mitteilen. Es störte sie nicht bloß, es ging ihr auch nicht nur ein bisschen auf den Wecker, sondern es löste Zorn in ihr aus.

~One thing, my darling. Keep him out of your revenge. He’s too young to get into problems. I warn you. No stupid actions or we get problems with each other. Got it?~Noch nie, seit ihrem ersten Treffen, hatte sie ihrer Schwester gedroht, das war nicht notwendig. Aber die Vorstellung, dass sie all das Vergangene auch mit Cognac machte, veranlasste sie dazu, zu intervenieren. Wenn es sein musste auch, indem sie ihre Schwester verängstigte.

~Oh, come on, don’t be silly. All men are only playmates for you. Never serious. Leave out your mother complexes, dear.~

Vermouth knurrte, als sie den Text las und schob das Handy knapp über den Tisch.

„Warum bist du so angepisst? Ärgert dich jemand? Oder ist es noch das, was ich dir vorhin gesagt habe?“ fragte eine männliche Person, die ihr gegenübersaß.

„Meine Schwester kann fast keinen Mann ernstnehmen, ich natürlich auch nicht. Alles andere würde sie vermutlich anwidern. Jami wollte ihr nicht gehorchen, wie kann er es wagen? Sie scheint zu feiern, was du mir berichtet hast. Mir gefällt das nicht. Den einen Jungen konnte sie nicht in ihren persönlichen Abgrund reißen, jetzt riecht sie die nächste Chance. Und natürlich, Männer sind nur zum Benutzen da. Für sie ist das völliger Ernst. Und meine Show ist offenbar so perfekt, dass jemand, der mich so gut kennen sollte, um zu wissen, dass ich das nur spiele, es mir noch abkauft. Als ob es ihr nicht gefallen würde, dann muss sie nicht noch aushalten, wie ich glücklich werde.“

„Reg dich nicht auf. Sie ist eine verbitterte Frau, die keinem sein Glück gönnt. Und es ist auch besser, wenn sie nicht dahinter steigt. Du weißt, ich mein das nicht böse, aber vertrau ihr bloß nicht an, wenn aus irgendeiner Beziehung was Ernstes wird. Sie würde noch ihre Cousine den Wölfen zum Fraß vorwerfen, Hauptsache, sie ist nicht glücklicher, als sie selbst.“

„Ich hab’s erst nicht begriffen, aber jetzt wird mir einiges klar. Kenichi ist ein gutaussehender Kerl, von dem sie dachte, dass sie ihn manipulieren kann. Als er ihr den Gehorsam verweigert hat, war sie empört. Wenigstens tanzt ihr Mann ihr einigermaßen nach der Pfeife, sonst würde sie noch dem den Tod wünschen.“

Ganz schön grausam, was sie redeten und vor allem noch ernstmeinten. Er sah ihren traurigen Blick, als sie diese Erkenntnisse laut aussprach. Die Enttäuschung darüber klang deutlich heraus. Wenn es sich um irgendwen handeln würde, wäre es ihr wahrscheinlich egal. Dann könnte sie ihr uneingeschränkt wehtun, wenn sie etwas Dummes tat, aber leider war dieses Miststück ihre eigene Schwester – zum Glück bloß Halbschwester – das hätte sie jedoch nie so gesagt, schließlich hatte sie sich stets allein gefühlt und sich jemanden gewünscht, der an ihrer Seite kämpfte. Doch dieser Kampf fand nicht zu ihren Gunsten statt, sondern war von Egoismus geprägt. Und, wenn sich Madamchen übernahm, musste ihre Schwester es immer richten. Es war doch klar, dass auch sie eines Tages die Schotten dicht machen würde. Das Einzige, was sie noch davon abhielt, war, dass noch niemand verletzt worden war, der ihr wichtig war. Es war beinahe wie ein böses Omen, aber er glaubte nicht, dass es allzu lange dauern würde, dass die Intrigantin einen Fehler machte.

„Hast du eigentlich achtgegeben, dass Sêi-chan auch wirklich heil zuhause ankommt?“ fragte sie, da beschwichtigte er mit einem Lächeln.

„Ich mache keine halben Sachen.“

Er hatte gewartet, bis seine Eltern und die Kinder ihn in Empfang genommen hatten, erst dann war er gegangen. Der Schatten, der ihn bis nach Hause begleitet hatte, ohne dass er ihn überhaupt bemerkt hatte.

 

Sêiichî war sich nicht bewusst, wie viel Ryochi sich bereits denken konnte. Wie groß seine Angst war, dass er nicht mehr nach Hause kommen würde, so wie damals schon Yuichi. Ein bisschen Schelte hatte er bekommen, für sein so spätes Erscheinen – das war’s auch schon.

Ganz anders war es bei Ryochi. Der lauerte ihm förmlich auf, als der Junge in sein Zimmer wollte, stand er gegen die Wand gelehnt da.

„Ich dachte, du bist wieder abgehauen. Warum musst du allen immer solchen Kummer machen?“ Es war nicht seine Art, ihn anzugreifen, nur weil er ein bisschen wild und ungezogen war. Aber er hatte geglaubt, dass er diesmal nicht mehr nach Hause käme. Dass die ihn einfingen, oder ihn gleich umbrachten, weil er etwas herausgefunden hatte, was ihn nichts anging.

„Warum bist du so verärgert?“

„Lass mich gefälligst nicht allein zurück, hast du kapiert? Das ist nicht witzig!“ Seit sie ganz klein gewesen waren, hatte Ryochi niemanden mehr einfach so geschlagen, schon gar nicht seine Brüder, aber diesmal bekam er seine Faust zu spüren, wenn auch nur gegen die Schulter.

„Ey, sag mal, was soll das denn?“

„Meinst du, ich bin blöd?“

Sêiichî holte Luft, denn sein Freund war drauf und dran alles auszusprechen, was er sich denken konnte, da legte er ihm die Hand auf den Mund. „Nicht. Doch nicht hier draußen“, flüsterte er. Ryochi nickte, während er unter dem versperrten Mund seinem Freund ins Gesicht sah, welches ernst wirkte. Dann zog er ihn in sein Zimmer. Hinter verschlossener Tür seufzte er langgezogen.

„Ich hab voll Ärger gekriegt, weil ich draußen rumschnüffle. Voll doof so was.“ Sêiichî kniff cool ein Auge zu, verschränkte die Arme hinter dem Nacken und hopste dann aufs Bett. Ryochi kam direkt hinterher, bis sie wenig später zusammen gegen die Wand gelehnt saßen. Sie waren coole Jungs, die so etwas Kindisches schon lang nicht mehr taten, aber sein Kopf lag wenig später an der Schulter des anderen Jungen. „Du kannst doch nicht einfach andauernd über Nacht wegbleiben. Weil du versprochen hast, keine Waffe mehr mitzunehmen, ist das ganz schön gefährlich. Was, wenn du den Falschen in die Arme läufst und wieder-“

„Ach was“, meinte der Junge - gezwungen lächelnd, während er ihm beschwichtigend auf die Schulter klopfte und ihn sogar an sich randrückte. „Ich kann doch mittlerweile auf mich aufpassen. Auf dunklen Pfaden treib ich mich schon nicht rum.“

„Und das soll ich dir glauben?“ fragte der Detektiv ungläubig und sichtlich besorgt.

„Jap!“ sagte er locker, dann legte er sich den Finger auf den Mund und sprach sehr leise: „Ich verrate dir was, wenn du brav bist.“

„Ja, pff, wieso sollte ich etwas sein, was du aus Prinzip nicht bist?“ Er setzte sich im Schneidersitz hin und sah überhaupt nicht ein, wieso er der einzige Junge der Familie sein sollte, der brav war.

Sêiichî wusste sehr genau, warum Ryo Angst um ihn hatte. Die Bilder, wie auf ihn geschossen wurde, würde er sicher nie mehr loswerden. Und er wollte ihn nicht auch noch verlieren, so wie Yuichi, von dem keiner wusste, wo er sich rumtrieb.

„Du machst keinen Blödsinn, oder? Nicht diesen Leuten nachjagen, oder? Yuichi wäre nicht so begeistert, wenn wir uns versuchen mit denen anzulegen.“ Sie waren Kinder. Und er vernünftig genug, das einzusehen, dass sie noch nicht erwachsen genug für so etwas waren. Sêiichî hingegen glaubte, er würde genauso ein großer Held werden, wie Yuichi. Dass er alle beschützen würde, wenn es darauf ankam. War er wirklich so dumm zu glauben, dass diese Verbrecher, die Erwachsenen sich von ein paar Kindern ärgern ließen?

„Was soll das heißen, Yuichi wäre nicht so begeistert?“ schmollte Sêiichî.

„Weißt du genau. Er will nicht, dass wir denen zu nahekommen. Weil er uns beschützen will. Also mach ihm seine Pläne nicht kaputt.“

‚Bist du verrückt? Ich will Yuichi helfen. Erstmal will ich wissen, was die mit ihm gemacht haben. Wer weiß, was aus ihm geworden ist? Kenichi hasste Waffen und jetzt rennt er wohl regelmäßig damit rum. Ich hab nichts gegen Waffen. Sie sind ein nützliches Mittel gegen Leute, die keine andere Sprache verstehen. Ich kann mich wehren. Auch, wenn du das nicht glaubst. Die glauben, dass sie mit uns Kindern alles machen können. Ja klar, in Japan wird nicht jedes Kind gleich mit Waffenschein geboren. Aber ich, ich bin Halbamerikaner. Ich kenn die Dinger, seit ich meinem Vater mit knapp sechs Jahren beim Schießen zugesehen hab. Und mit acht, hatte ich selbst so ein Ding in den Fingern… Ich kann’s mit den Großen und Starken aufnehmen.‘

Einige, hätten sie seine Gedanken gekannt, hätten sich den Kopf gehalten, bei so viel Größenwahn.

Obwohl er schwieg, wollte er als Kind immer alles mit Yuichi machen. Er war ihm sprichwörtlich nachgerannt, immer dann, wenn er mit den großen Kindern was machen wollte. Sie kannten sich so lange. Er wollte nicht mehr die kleine Heulsuse sein, die beschützt werden musste. Aus dem Windelalter war er jawohl raus, oder etwa nicht? Wenn er und Yuichi sich trafen, würde er schon sehen, was für ein großer und starker Kerl er jetzt war… Seit dem Anschlag vor zwei Jahren hatte Sêiichî sich oft in Fitnessclubs rumgetrieben, um genauso stark zu werden, wie sein Bruder.  Und er bildete sich auch ein, dass er es mit ihm aufnehmen könnte. Er war darauf vorbereitet, auf die zu treffen. Am liebsten hätte er Ryochi gesagt, dass er sogar Ashida heute gnadenlos fertig gemacht hatte. Und Ryochi hätte vermutlich gelacht, weil Kenichi immer derjenige gewesen war, der unterlegen war. Was nicht hieß, dass er kuschte, sondern es trotzdem immer vergeblich probiert hatte, sich mit den anderen Jungs zu prügeln. Meistens mit den Älteren. Aber bei Takeshi Iwamoto hatte er sich das nie getraut, mit dem lag immer sein Bruder Yuichi im Clinch. Und auch der hatte oft genug den Kürzeren gezogen und musste dann verarztet werden. Sie waren eben Jungs, die kamen oft mit blauem Auge nach Hause. Mittlerweile würde Yuichi Takeshi wohl aber auseinander nehmen. Er war ja schließlich schon 19 und Takeshi gerade einmal 25. Bestimmt war auch er fit wie ein Turnschuh und konnte es mit allen aufnehmen…

 

Während die Kinder sich aneinander klammern wollten, führten Takeshi und Akiko ein ernsthaftes Gespräch, von dem die Jungs nichts wussten.

„Also wirklich. Ich dachte, dass die Therapie damals bei ihm gefruchtet hätte.“

„Ja, ich war auch ganz sprachlos. Dein Freund Shiro meinte, dass es ein glücklicher Umstand war, sonst hätte einer der beiden den anderen über den Haufen geschossen. Und Sêiichî hat sogar angefangen. Weil er etwas in den falschen Hals bekommen hat.“

„Also willst du ihn wieder in Therapie schicken? Er wird dich nicht gerade dafür lieben.“

„Eltern sind nie dafür da, um nur gemocht zu werden, das weißt du doch. Und es muss sein. Sein Halbbruder hat im Zorn Sêiichîs Freundin schwer verletzt und vergewaltigt. Dass er das gesehen hat, hat ein Trauma in ihm ausgelöst, das muss man eben verarbeiten. Da kann er noch so stark tun, von alleine geht das nicht mehr weg.“

„Hoffen wir, dass wir einen guten Therapeuten finden. Keine Frau, die aus einem Patienten ihren festen Freund macht.“

„Sêiichî behauptet, dass es von ihm ausging. Glaubst du ihm?“

Takeshi gab ein Lachen von sich, dann grinste er schelmisch. „Sêiichî muss man Einiges zutrauen, auch so was. Weißt du, ich hab aus ihm rausgekitzelt, dass er schon wieder in eine ältere Frau verliebt ist. Und es ist genau die Frau, die ihm damals geholfen hat. Was sonst?“

„Und jetzt? Sie gehört zur Organisation.“

„Jetzt muss man aufpassen, dass er nicht auf dumme Gedanken kommt. Genau. Ryochi hat ihn schon daran erinnert, dass im Frühjahr Prüfungen anstehen und sie schon mal mit Lernen anfangen sollten. Du weißt, wie konsequent dein Sohn sein kann. Er wird ihn nerven, bis er es nicht mehr hören kann und freiwillig lernt.“

„Das erinnert mich ein bisschen an die anderen Jungs in Kyoto. Hiroya hatte auch nie Lust zu lernen und wurde von seinem besten Freund regelrecht dazu gezwungen.“

„Der auf Feldern und Äckern rumgeturnt ist, während andere strampeln mussten, ich weiß. Praktisch war Hiro-kun sein einziger Freund. Die anderen Kinder hatten Angst, dass sie an seinen Leistungen gemessen werden und konnten ihn kein Stück leiden. Aber derjenige, der in ihm den größten Störfaktor sah, war Hiroyas Vater selbst.“ Weil er den besten und intelligentesten als Sohn wollte, aus dem Mal ein ganz Großer wurde. Der sich aber nichts aus Lernen machte. Er wollte auch einfach nur rumtollen, so wie die anderen. Während Kenichi beinahe im Schlaf dem Unterricht gefolgt war, musste er seinem Freund immer Nachhilfe geben, damit der überhaupt eine gute Note bekam. Und als Hiroyas Vater die Kinder unbedingt testen wollte, hatte der Junge seinen Freund sogar darum gebeten, sich nicht anzustrengen. Danach hatte Hiroya kräftig Prügel bekommen, weil er ihm trotzdem unterlegen war. Dass der jetzt auf Sêiichî schoss, mit seinem Jähzorn, hatten sie nur dessen Vater zu verdanken. Weil er ein hartherziger und grausamer Mann war, der nicht mal seinen Kindern Spaß gönnen konnte. Da holten sie sich den eben anderweitig. Den vermissten Spaß kompensierte der Kerl jetzt damit, auf Verbrecher zu schießen. Eine Sache, der er unbedingt nachgehen musste. Schon allein deswegen, damit er nie wieder wagte, einfach so auf Minderjährige zu schießen – aus welchem Grund auch immer.

Er hatte seiner Frau nicht alles gesagt, aus Rücksicht. Dass Kenichi auch denen beigetreten war, behielt er lieber für sich. Vielleicht waren ihre beiden Söhne auch endlich mal befreundet – nein wahrscheinlich eher nicht. Dafür war Yuichi viel zu unnahbar und kam beinahe arrogant rüber. Wahrscheinlich hatte das arme Kind wieder keine Freunde. Wie auch? Er war ein intelligenter kleiner Klugscheißer, der jetzt auch noch Arzt wurde. Eigentlich wunderte ihn das kein bisschen. Obwohl Yuichi sich damals von dem Ashida-Jungen fernhielt – das hatte aber eher an dessen Anhängsel gelegen. Hiroya war eben ein kleiner, neidischer Junge, der bei keinem der Kinder gut angekommen war. Und sein einziger damaliger Freund eben eine Intelligenzbestie. Eine nicht so beliebte Combo.

 

14. Januar - Gewinner und Verlierer

 

Es gab nichts Unangenehmeres, als direkt zu Dienstbeginn ins Büro irgendeines Abteilungsleiters gebeten zu werden, schon gar nicht, wenn man um sieben schon zum Dienst eingeteilt war. Ihm war völlig unerklärlich, was Matsumoto von ihm wollte. Er war bei den Kollegen sehr angesehen, schließlich hielt die Polizei wie Pech und Schwefel zusammen. Sie würden nie einen Kollegen anschwärzen, dann war man untendurch. Umso schlimmer, wie schnell seine Abteilung reagiert hatte. Nicht mal eine Nacht hatte es gedauert. Als ob die nie schliefen.

Aber, da der Schwarzhaarige immer gute Arbeit ablieferte, glaubte er, dass es vermutlich um eine Beförderung ging, auf die er sich gewiss freute.

 

[Hachizo (24) Matsuyama; Kommissar im 1. Kriminaldezernat - Abteilung für Gewaltverbrechen]

 

Beim Eintreten wurde er nicht sofort begrüßt, sondern der Hauptkommissar hatte ihm dem Rücken zugedreht. Er tippte monoton, aber lautstark mit dem Zeigefinger auf den Tisch, als er die Tür hinter sich zugehen hörte und der junge Mann eintrat. „Mhmmmm“, brummte er tief und tippte weiter, als würde er über etwas nachdenken. Dann drehte er sich mit Schwung zu seinem Untergebenen um. „Matsuyama“, sprach er ihn an. „Es ist sieben Uhr und fünf Minuten. Was haben Sie an pünktlich zu Dienstbeginn nicht richtig verstanden? Ich erwarte eine Erklärung!“ Laut Dienstplan begann sein Dienst exakt um sieben Uhr. Unzuverlässige Mitarbeiter waren ihm ein Graus, obwohl es sich hierbei nicht um ein schlimmes Vergehen handelte, war er streng. Seine dunklen Augen, die ihn fixierten und förmlich durchbohrten, das tiefe Raunen der Stimme, die aber noch ruhig und gelassen wirkte, waren nur der Anfang einer Schelte.

„Entschuldigen Sie. Lassen Sie mich erklären. Das lag daran, dass-!“

„Seien Sie still!“ fuhr man ihn an, dann rammte die Faust des großen und furchteinflößenden Mannes den Tisch, der kurz bebte, dann sprang er auf, so dass sein Kopf den seines Mitarbeiters überragte. Dieser wich augenblicklich zurück, als befürchte er, dass sein Chef ihm über den Tisch an die Gurgel ging. Da der Hauptkommissar sich beim Aufstehen mit beiden Händen auf dem Tisch nach vorne lehnte, kam er ihm automatisch näher, so dass ihre Blicke sich noch intensiver begegneten.

„Es gehört schon eine gewisse Dreistigkeit dazu, zu einem wichtigen Termin zu spät zu kommen, nachdem man sich vorbeibenommen hat, so dass sogar Beschwerden bei uns eingetroffen sind. Die ganze Abteilung muss sich jetzt für Sie schämen, Matsuyama! Ist Ihnen das bewusst?!“ Seine tiefe Stimme donnerte ihm förmlich entgegen und der nächste Schlag auf den Tisch ließ auch nicht lange auf sich warten. „Was fällt Ihnen ein, die Ärzte im Krankenhaus zu schikanieren? Von misshandelten Opfern ganz zu schweigen! Wie kommen Sie dazu, ihr ohne jeglichen Beweis zu unterstellen, sie habe ihren Bruder getötet? Mir ist neu, dass Rufmord und Verleumdung zu unseren Tätigkeiten gehören! Ich erwarte Respekt von meinen Leuten! Gegenüber Opfern, Tätern und öffentlichen Angestellten sowieso! Mir ist vollkommen egal, ob Sie jemanden nicht leiden können. Maßen Sie sich noch einmal an, so mit einer Person zu reden, wie Sie es im Krankenhaus getan haben, verdonnere ich Sie dazu, sich vor versammelter Mannschaft mit geneigtem Haupt für die Unannehmlichkeiten zu entschuldigen. Und Ihr Kopf grüßt dann den Boden! Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind? Oder die Polizei? Ein Ort der Schikane? Sagt Ihnen im Zweifel für den Angeklagten was? Keine unangebrachten Mutmaßungen mehr! Wenn ich Sie noch einmal dabei erwische, dass Sie so etwas tun, werden Ihre Kollegen Sie verabscheuen und Sie werden sich wünschen, ich hätte Sie stattdessen degradiert oder ganz rausgeschmissen! Sie fahren jetzt mit Yamada und Megure ins Krankenhaus und werden sich dort für Ihr Verhalten entschuldigen. Bei dem Mädchen, dann bei dem jungen Arzt, den Sie beleidigt haben! Seien Sie froh, wenn er Sie nicht wegen Beleidigung verklagt!“

„Mich entschuldigen? Der junge Wilde hat angefangen, als er die Mitarbeit verweigert hat!“ verteidigte sich der junge Mann, der sich keinerlei Schuld bewusst war. Sie waren Polizisten, man musste ihnen Folge leisten.

„Was Sie nicht sagen!“ meinte Matsumoto ungläubig. „Uns wurde gesagt, dass er Sie lediglich darauf hingewiesen hat, in welchem Zustand sie ist. Dass sie nicht vernehmungsfähig ist. Sie waren wohl noch nie an einem Fall beteiligt, in dem es um Gewalt im häuslichen Umfeld ging, was? So etwas erfordert ein bisschen Feingefühl! Wenn Ihnen das nicht liegt, ziehe ich Sie von diesem Fall ab!“

„Aber die anderen Kriminalisten sind viel zu weich!“

„Sind Sie das? So, wie ich das sehe, sind Sie eher nicht feinfühlig genug!“ Und das musste er sich hier von seinem Chef sagen lassen, der ihn anschrie und ihm fast ins Gesicht sprang.

„Man braucht bloß Menschenkenntnis, um zu sehen, dass ihr Arzt lügt!“

„Dünnes Eis, Matsuyama-san! Haltlose Unterstellungen! Eignen Sie sich endlich Respekt gegenüber Menschen an, sonst muss ich mich fragen, ob Sie besser dafür geeignet wären, den Bürostuhl zu wärmen! Weil ich Sie dann aus dem Außendienst nehme, der ihnen eindeutig über den Kopf wächst. Umgang mit Menschen liegt Ihnen wohl nicht so besonders, dann würden Sie nicht wagen, sich feige rauszureden, nachdem Sie einen Fehler gemacht haben. Feiglinge und Lügner kann ich nicht ausstehen!“

„Dann fangen Sie doch bei diesem Arzt an, der behauptet hat, sie sei nicht vernehmungsfähig. Er weiß mehr – das spüre ich.“

„Genug!“ Fester konnte Matsumoto nicht mehr auf den Schreibtisch hämmern, als er das sagte. „Noch mehr solchen Unfug und Sie lernen mich noch ganz anders kennen!“

„Aber er ist bekannt dafür, mit der Polizei nicht besonders höflich-“

„Soll ich Ihnen wieder einen Aufpasser mitschicken, der Sie beobachtet? Muss ich so weit gehen?“

„Nein, Matsumoto-san!“

„Es scheint mir aber notwendig, da ich einen ebenso sensiblen Riecher für Lügner habe!“

Er war schockiert. Seine Kollegen waren doch dabei gewesen. Die hatten doch gesehen, dass sie sich mit dem Arzt gestritten hatten. Und wie unhöflich er gewesen war. Respektlos würde er sogar behaupten. Aber Matsumoto schäumte fast über vor Wut und dann sah er wirklich verdammt gefährlich aus. Am Ende fing er sich noch eine. Ihm brach der Schweiß aus, denn ihm war wohl bewusst, dass er zumindest ganz schön provokativ gewesen war. Wenn irgendeiner etwas davon bestätigt hatte, konnte er sich den Mund fusselig reden. Es gab eben Idioten, die alles dafür taten, um aufzusteigen. Auch die elende Petze sein. Oder der Spitzel, der einen im Auge behielt.

„Ich werde Sie so schnell nicht mehr in einer leitenden Funktion bei einem Fall einsetzen. Sie bringen uns noch in Verruf. Melden Sie sich sofort bei Megure und dann fahren Sie mit ihm. Und wehe dem, dass mir zu Ohren kommt, Sie hätten nicht genau das getan, was ich von Ihnen verlangt habe. Sie haben das doch jetzt hoffentlich verstanden oder muss ich meine Anweisungen demnächst schon schriftlich einreichen?“

Hachizo schluckte und schüttelte hektisch den Kopf. Es war schlauer ihn nicht weiter zu verärgern. Auch, wenn er sich schon fragte, wer von diesen Stümpern Mitleid mit der Kleinen hatte. Sie hatte in Kyoto einen gewissen Ruf gehabt. Es gab für ihn nicht den geringsten Anlass, sie mit Samthandschuhen anzufassen. Das waren Frauen oder Gören, die eine gewisse Strenge verdient hatten. Allein, wie sie sich in der Schule aufführte. Wie sie in der Freizeit rumlief. Die verunglimpfte die guten Jungs mit ihren kurzen Röcken, absolut schamlos und das in ihrem Alter. Solche Gören hatten es höchstens verdient, dass man sie mal ordentlich züchtigte. Der Vater war nie da, also hatte ihr Bruder das mit Sicherheit übernommen. Der Mann im Haus.

 

Trotz des unruhigen Abends waren die Jungs pünktlich wie die Maurer zum Mathematikunterricht erschienen. Ryochi hatte es irgendwie schon immer mit Zahlen. Dass der sich nicht langweilte, war ein Wunder. Und er träumte mitten im Unterricht. Genervt stellte er seinen Bleistift auf dem Tisch auf und balancierte ihn hin und her. Sêiichî hasste die Schule, schon als Kind fand er Lernen doof. Nur leider konnte er sich das nicht erlauben, deswegen riss er sich immer zusammen, während den Musterschülern alles in den Schoß fiel. Das hatte er damals gedacht, wenn der Tokorozawa-Junge mit seinem Freund draußen rumgetollt war, statt gleich nach Hause zu gehen. Der war ihm ähnlich gewesen. Mittelmaß, wie die meisten Kinder. Ohne Lernen hagelte es schlechte Noten. Aber der Andere, der musste sich nicht anstrengen, er schlief im Unterricht, weil er nachts irgendwelche Sachen machte, nach denen er sich heute noch fragte, was sie beinhaltet hatten. Jami war ein Schwerenöter – vielleicht war er ja schon mit etwas mehr als 10 schlimm. Das war eher unwahrscheinlich, aber Jungs waren eben seltsam.

Ryochi warf seinem Freund einen Blick zu, weil er ihm sehr gedankenverloren vorkam.

„Vielleicht solltest du aufhören zu träumen, sonst kriegst du nichts vom Unterricht mit“, stichelte der Braunhaarige ihn und sein Tischnachbar verzog nur das Gesicht.

„Ich träum nicht.“

Den Rest des Unterrichts hatte Sêiichî sich doch tatsächlich bemüht dem Unterricht zu folgen. Im Rahmen des Möglichen.

„Heilige Scheiße, wer soll das denn begreifen?“

„Streng den Kopf an, du Weiberheld“, ärgerte ihn wenig später sogar Kōji von hinten.

„Du solltest mal ein Mathematikbuch in die Hand nehmen, anstelle des Kamasutra.“ Beim Vorbeigehen kam auch diese Spitze. Sie unterschied sich fast nicht von denen der anderen Jungs, die ihn ärgerten. Nur leider wussten Ryochi und Sêiichî, dass diese Person nicht bloß Spaß machte. „Hab gehört, du triffst dich mit so einem heißen Feger – obwohl du ‘ne Freundin hast. Kannst nie genug kriegen, wie? Na, fällst du halt durch und wirst Zuhälter, würde richtig zu dir passen!“

„Takahashi, halt die Fresse!“ wurde er angemault und bekam einen Schubs von hinten.

„Willst du dich prügeln? Ja, dann komm doch, gleich vor die Tür!“

„Mit Schwachmaten prügeln wir uns nicht!“ sagte Ryochi ruhig, daraufhin bekam er einen fiesen Blick.

„Egal, wie viel Mühe du dir gibst… Es gibt bloß einen, der Sêiichî vor mir beschützen kann.“

„Verstehe“, erwiderte Ryochi und besah den eingegipsten Arm. „Aber ich denke mit ‘nem gehandicapten Vollidioten kann ich‘s gerade so aufnehmen!“

Sie waren erhitzt, so dass man ihnen fast anmerkte, sie waren nicht aus Tokyo.

„Warum müsst ihr immer für Ärger sorgen? Lasst doch einfach mal die Leute in Ruhe!“ sagte Kōji. Warum hatte diese Pissplage eigentlich immer irgendwelche Freunde? Als sie in Kyoto gewohnt hatten, war er meistens unbeliebt, da er die Schwestern der meisten Typen angebaggert hatte.

„Halt du dich da raus, du Zwerg!“ Mit einem Schubs wurde Kōji zur Seite befördert und Toshizo baute sich vor Sêiichî und Ryochi auf. „Ihr würdet jemanden verprügeln, der einen gebrochenen Arm hat? Mehr bringt ihr nicht fertig?“

„Dann soll er aufhören so eine große Lippe zu riskieren!“ Die Jungs zuckten zusammen, denn ein Mädchen hatte sich nun auch in die Runde gemischt. „Ich hab den Lehrer geholt. Also macht zur Abwechslung mal was Sinnvolles!“

Takahashi wendete sich sofort von den Anderen ab und ging auf das Mädchen zu, da sie einen rebellischen Blick aufgesetzt hatte, er ihr den aber nicht abkaufte, schon allein deswegen kam er zu ihr.

„Kein Ding, Baby!“ sagte er, versuchte ihr noch ein Stück näher zu kommen, aber dann…

„Nenn mich noch mal Baby und du brauchst noch ganz woanders einen Gips!“

Es war dem Jungen vollkommen egal, ob er Ärger dafür bekam, denn der Lehrer stand direkt daneben, als er nicht gerade sanft die Schulter von Takahashi ergriff und ihn von dem Mädchen entfernte.

„Ey, was soll das? Haben Sie das gesehen?“

„Fass sie nicht an oder ich brech dir den anderen Arm auch noch, kapiert? Komm ihr nie wieder zu nahe!“

„So, jetzt beruhigen wir uns!“ Der Lehrer stellte sich zwischen die zwei Jungs und hielt sie davon ab,  sich direkt im Klassenzimmer zu prügeln.

„Ach, der is‘ bloß ein bisschen eifersüchtig. Weil er Schiss hat, dass seine Freundin was mit mir anfängt!“ Das hämische Grinsen ließ Ryochi knurren, der sie bloß beschützen wollte.

„Pass auf, was du redest. Du bist bei ihr zu Hause eingebrochen, falls du’s vergessen hast…“

Der Lehrer blickte zwischen beiden Jungs hin und her, um sie im Auge zu behalten. Vor allem, als Takahashi jetzt einfach anfing zu lachen. „Das hat sie sich eingebildet. Die Tür war offen, also ist von Einbruch nicht zu sprechen.“ Er pausierte kurz, grinste dann aber noch überlegener. „Ich wollte nur eine Klassenkameradin besuchen, was kann ich denn dafür, wenn sie stolpert und in den Spiegel fällt? Unfälle passieren, Akaja!“

„Du solltest ganz schnell verschwinden, sonst unterhalte ich mich vielleicht mal mit deiner lieben Mutter.“

„Als ob sie dir ein Wort glaubt, Iwamoto! Du bist doch die schlimmste Plage hier.“

„Schluss jetzt!“ fuhr Herr Natsukawa dazwischen, benutzte sogar den Arm als eine Art Schranke zwischen den Zweien. „Ich werde nicht dulden, dass hier irgendwer beleidigt wird. Entschuldige dich sofort, Takahashi-kun.“

„Sorry, kommt nich‘ mehr vor“, sagte er knapp, dann nahm er Toshizos Arm und zog ihn ein Stück von Sêiichî weg, da er ihm schon den feindseligsten Blick aller Zeiten zugeworfen hatte. „Wenn ich rauskrieg, dass du Riina bescheißt, kannste was erleben, also nimm dich in Acht!“

Sêiichî ballte die Hände zu Fäusten und sah ihnen nur wütend hinterher.

„Ignorier den Idioten“, sagte Ryochi, ehe er sich zu seiner Freundin umdrehte. „Alles okay?“ Er war da nicht so sicher, schließlich war Shina nach Takahashis Angriff mehr als verstört gewesen, aber es war ja fast kein Wunder, dass sie wieder lächelte.

„Natürlich. Aber mit einer Sache hat er Recht“, sagte sie und sah dann Sêiichî von der Seite ein. „Du solltest Watarus Schwester nicht betrügen, denn dann kriegst du auch mit ihm Stress.“

„Ja“, kam ganz kleinlaut von dem Schwarzhaarigen, dann verließ er schnell das Klassenzimmer.

Akemi kam ihm entgegen. „Haben die schon wieder Streit angefangen?“ wollte sie sofort wissen, weil Sêiichî etwas betrübt wirkte. Noch dazu war er in Gedanken, so dass er hochschreckte, da sie ihn ansprach.

„Hallo, Akemi. Ach, die sind mir doch so was von egal.“ Seine ganze Familie würde darüber lachen, denn mehr gelogen konnte etwas gar nicht sein. Dass Takahashi und Toshizo es immer auf ihn abgesehen hatten, war ihm nämlich nicht so egal, wie er vorgab.

„Was ist es denn dann? Du siehst irgendwie bedrückt aus.“

„Komm mit, ich will das nicht im Flur besprechen“, meinte er geflüstert, dann nahm er sie einfach an der Hand und zog sie mit sich. Kōji kam gerade aus dem Klassenzimmer und sah es noch.

„Nicht zu fassen“, kam verärgert von ihm, was Ryochi und Shina geradeso mitbekamen, als sie ebenfalls aus dem Klassenzimmer liefen.

„Was denn?“ fragte Shina den anderen Jungen.

„Ich kann schon verstehen, dass der Typ Takahashi und Toshizo auf die Nerven geht. Guckt ihn euch doch an… Man muss sich als Freund ja davor fürchten, dass er einfach so mit der Freundin in die Hecken geht.“

„Hast du einen Knall? Willst du dich mit denen verbrüdern?!“ ranzte Ryochi ihn an, dabei war er selbst nicht wenig eifersüchtig. Allerdings würde sein Freund nie Shina anbaggern. Nicht wissender Weise.

„Maul mich nicht so an!“ verteidigte sich Kōji. „Ich sag bloß die Wahrheit. Hör auf ihn zu verteidigen, nur weil ihr euch schon solange kennt!“

„Lass ihn“, sagte Shina, die vorsichtig eine Hand auf Kōjis Schulter gelegt hatte und ihn besänftigend ansah. Da könnte auch Ryochi aus der Haut fahren, weil er ihn immer anging, aber kaum, dass Shina etwas sagte, wurde es befolgt.

„Weil ihr ja spinnen wollt, geh ich jetzt – und zwar Sêiichî hinterher. Nicht, dass Akemi in den Hecken landet!“ sagte Ryochi sarkastisch. Er war sichtlich angepisst, das konnte man deutlich hören. „Solltest dich schämen, das deiner Freundin zuzutrauen, ehrlich.“

„Tze“, zischte Kōji, dazu würde er nichts sagen. „Er ist ein schlimmer Typ, der vor keiner Halt macht…“

Jetzt blieb Ryochi stehen, drehte sich herum und kam zurück. „Willst du damit sagen, dass Sêiichî jemanden zwingen würde? Er ist kein Stück wie Takahashi. Der würde so was machen, Sêiichî verabscheut so was.“

„Oh, echt? Man kann auch aggressiv aufdringlich sein. Und das ist er.“

„Wollt ihr schon wieder streiten? Könnt ihr euch nicht mal vertragen? Meine Güte. Wir sind doch nicht im Kindergarten.“ Mit den Worten ließ Shina beide stehen. Sie wusste, dass Wataru seinem besten Freund gesagt hatte, wie wenig er Ryochi mochte, aber der hatte sich jetzt eingekriegt. Kōji leider nicht. Der mochte Ryochi nicht wirklich und suchte in den Krümeln. Dabei war er zwar harmlos im Verhältnis zu dem Verhalten von Takahashi und Toshizo, aber es nervte sie trotzdem tierisch.

„Na toll“, ärgerte sich Ryochi. „Wag ja nie wieder anzudeuten, dass Sêiichî so was machen würde, dann schlag ich dir ein blaues Auge.“

„Ey, hast du sie noch alle?“

Ryochi verstand da keinen Spaß. Wegen solcher Dinge fuhr Sêiichî total aus der Haut. Der würde jeden Vergewaltiger abknallen, wenn er gerade eine Waffe hätte – und die wollten ihm so was zutrauen? Nur, weil er ein reges Interesse an vielen Mädchen hatte. Das machte aus ihm noch lange keinen schlechten Kerl.

 

 

Eine kleine Frühstückspause, die sie gemeinsam verbrachten, artete in ihren Augen ziemlich aus. Sie beobachtete den Schwarzhaarigen, wie er eine Tasse Kaffee nach der anderen leerte. Das war doch nicht gesund.

„Sieht aus, als hättest du eine deiner wilden Nächte gehabt“, sagte sie interessiert und auch einigermaßen amüsiert. Daraufhin verschluckte sich der 21-jährige und begann zu husten.

„Och, so wild, dass es dir peinlich ist?“ Das fand sie sogar irgendwie erfrischend. Er sah zwar aus, als könne er kein Wässerchen trüben, aber sie wusste Vieles, vor allem von den Frauengeschichten, die er am Laufen hatte. Er ließ nichts anbrennen. „Hast du es Osiris so schlimm besorgt, dass du dich jetzt mit Kaffee aufputschen musst?“ Als sie das fragte, wischte er sich ein wenig angewidert über die Lippen.

„Oh man, und so was am frühen Morgen. Ich war froh, als ich sie wieder losgeworden war.“ Diese widerliche Tussi, auf deren Spielchen er nur eingestiegen war, um den Spieß umzudrehen und sie zu dominieren.

„Wirklich? Ich habe gehört, dass es mit ihrem Freund nicht so gut läuft. Sie ist bloß mit ihm ins Bett gestiegen, weil er sie verlassen wollte. Da wollte sie auf die Schnelle ein Kind zeugen, um ihn zu halten.“

Bei den meisten Männern würde das wunderbar funktionieren, weil Kinder eben die Welt erhellten und sie sich alle nach ihnen sehnten. Er fragte sich, ob das bei ihm wohl auch so einfach wäre. Innerlich musste er lachen. Schon beim Gedanken daran. Tatsächlich müsste er dazu schon so verrückt sein, nicht zu verhüten. So dumm war er schon lang nicht mehr. Und Vanessa würde garantiert nicht so weit gehen. Sie wäre im Augenblick die Einzige, die ihn dazu hinreißen könnte.

„Armer Kerl“, äußerte er sich dazu. Der Mann, der von dieser Frau gefangen wurde, war nicht zu beneiden. „Vielleicht sollte man den mal vor ihr retten.“ Er grinste fies, doch das legte sich schnell wieder. „Wie alt ist das Kind, weißt du das?“ Bei der Frage war das Lächeln sanfter geworden.

„Soweit ich weiß ist es ein Mädchen, um die vier.“

„Mhmmmm“, machte er, seufzte dann aber. „Man zerstört keine Familien.“

Mit Derartigem war man bei ihr an falscher Stelle, aber mittlerweile beschwieg sie solches. Sie wusste, was er dachte – zumindest glaubte sie das – und er wusste, wie sie die Sache betrachtete.

Merlot hatte ihre eigene Familie komplett zerstört – er machte sich auch über unglückliche Ehen her, aber sobald Kinder im Spiel waren – kleine Kinder – hatte er Hemmungen. So weit könnte er nicht gehen. Die letzte Ehe, die er erfolgreich kaputtgemacht hatte, bestand viel zu lange und die Frau hatte sich viel zu viel gefallen lassen – für die Kinder. Als die erwachsen waren, bestand kein Grund mehr für Schonung, schon gar nicht, wenn der Kerl mit einer 40 Jahre Jüngeren ins Ehebett sprang, ohne Hemmungen. Er hatte – in unschuldigem Ton – der Hausherrin erzählt, dass er sie gehört habe. Sie hätten gelacht und komische Geräusche gemacht. Als wüsste er nicht, was genau sie getan hatten. Wenn die wüsste – es handelte sich schließlich um ihre Mutter. Ihr Vater hatte die eine Tochter mitgenommen, da das Verhältnis von beiden sowieso zerrüttet war. Sie stand ihrem Vater näher. So viel wusste er von dieser Frau – aber nicht nur deswegen.

Sie war gefährlich. Vor allem für ihren einen Sohn. Sie schlief mit einem brutalen Monster, ihrer ersten Liebe, von der sie sich nicht lösen konnte und war dann noch beleidigt, dass ihr jüngerer Sohn sich eine andere Familie gesucht hatte. Dieses neu gefundene Glück hatte sie versucht zu zerstören, indem sie das Einverständnis zur Adoption verweigert hatte. Das gab ihr den Sohn auch nicht wieder, denn er wollte lieber bei den Leuten bleiben, die sich um ihn gekümmert hatten. Wie gut er das verstehen konnte. Nach dem Verlust seiner Eltern hatte er sich auch an die verschiedensten Leute geklammert. An einen alten Mann allen voran. Weil er der Einzige gewesen war, der darüber bestimmte, was mit ihm passieren würde. Irgendwie hatte er ihn sogar gerettet – vor dem Abschaum. Und den Anderen, die in ihm nur einen Spielball gesehen hatten. Ein wehrloser Junge von 12, mit dem sie machen konnten, was sie wollten – diese Kinder hassenden Menschen.

„Also, wenn dir nicht Osiris die schlaflose Nacht bereitet hat, was dann?“

Wie sie nicht mal fragte, wer. Glaubte sie nicht, dass es eine Person gewesen war?

„Ich war nachdenklich. Nachdem ich wegen der Schandtat gegenüber Osiris Schelte bekommen hatte. Denn sie konnte es natürlich nicht lassen, direkt damit hausieren zu gehen. Ich dachte, dass sie den Mund hält, weil es ihr viel zu peinlich wäre.“

„Was hast du mit ihr gemacht?“

Sein Gesicht sah aus, als wäre der Kaffee noch viel bitterer, als hätte er auf etwas sehr Ekliges gebissen. „Das erspare ich dir besser.“ Es diente als Ausrede, er wollte sein Sexleben nicht mit dieser Frau besprechen. Schlimm genug, dass er wusste, wie schlimm sie war. Er wollte ihr nicht noch Stoff liefern.

„So schlimm?“

„Na schlimm genug, dass sie den Neuen aufwiegeln konnte.“

„Den Neuen? Welchen Neuen?“

„Ein Typ mit Namen Cognac, mit dem ich mich befassen soll.“

Merlot hatte bereits von dieser Person gehört und sie hatte irgendwie das Gefühl, sie sollte ihn kennen. Seltsam. „Hat der einen richtigen Namen, Kenichi?“ Sie nannte ihn immer beim Vornamen, wenn sie etwas unbedingt wissen wollte und gab sich noch mehr Mühe, nett und freundlich zu klingen.

„Lustigerweise Kenji Enomoto. Kaum zu glauben – ganz davon zu schweigen, dass er diesem Enomoto kein Stück ähnelt, teilt er nicht mal dessen Vorlieben.“

„Huh?“ Verwirrt sah sie ihn an, aber auch sie kannte einen alten Freund, der sich Enomoto nannte. „Du meinst…“ Sie biss die Lippen zusammen, weil sie irgendwie ahnte, es ging wieder gegen ihren Liebsten. Enomoto und Keichiro Takagi waren Schulbekannte. Alte Freunde.

„Bis auf die Aggressionen haben die nichts gemeinsam“, antwortete er nüchtern. „Bestimmt würde er sich mit Carpano gut verstehen“, lachte er. Der Typ hatte auch seine Aggressions-Momente. Allerdings kamen die meistens daher, dass er nicht verknusen konnte, wenn Männer gewalttätig gegenüber Frauen waren. Er selbst mochte keine Gewalt, überhaupt nicht, aber wenn solche Typen sich wie die Tyrannen aufführten, musste man ihnen einfach wehtun.

„Was hast du nur immer mit diesem Carpano?“ fragte Merlot verärgert, man konnte unschwer erkennen, dass sie ihn nicht besonders mochte. Denn ihn konnte sie nicht dazu überreden, Chardonnay in Ruhe zu lassen. Er machte ihn rasend. Kein Wunder, er war der Sohn von Akaja. Der tickte ähnlich. Sie bildete sich immer noch ein, dass Kenichi ihr tatsächlich aus der Hand fraß, dabei fraß sie ihm aus der Hand, ohne es zu merken.

„Ich mag harte Kerle, die mit Frauen sanft verfahren und ihren Scheißtypen eins auf die Zwölf geben?“ Er machte nicht einmal ein Geheimnis daraus, dass ihn solche Kerle einfach amüsierten.

„Ich finde süße, unscheinbare Typen, die sich was trauen, viel spannender.“ Noch mehr dieser Worte und sie fiel in den Honig, den sie ihm ums Maul schmierte.

„Würdest du das immer noch, wenn du wüsstest, wen ich als nächstes ärgern soll?“ Es war nicht gesund, eine Frau, wie Merlot zu trollen, aber er hatte trotzdem gerne ein bisschen Spaß mit der Frau. Gerade, weil sie weich bei ihm wurde. Er wusste sogar ganz genau, wieso. Ihr jüngster Sohn hätte Arzt beziehungsweise Wissenschaftler werden sollen, so wie seine Eltern. Dazu hatte er keinen Bock. Er hingegen hatte Bock darauf, deswegen war er für sie irgendwie speziell. Es konnte dem Jungen nichts Besseres passieren, als dass die Akajas dieser Frau den Jungen wegnahmen. Sie war nie besonders lieb und nett gewesen. Sein Bruder hatte ihm immer alles erzählt, was er so mitbekommen hatte. Dessen enger Kontakt zum jüngsten Sohn der Akajas war da sehr hilfreich. „Worauf willst du hinaus?“ fragte die Rotbraunhaarige argwöhnisch. Wenn er so redete, dann war es jemand, der ihr nicht so gut gefallen würde.

„Ein Knasti kommt raus.“ Kenichi lachte jetzt. „Bestimmt haben die paar Jährchen ihm schon sehr zugesetzt und er denkt jetzt, er kommt ins Schlaraffenland. Der weiß noch nicht, dass Täter wie er, nicht bloß im Knast geächtet sind. Ich werde ihm die Regeln erklären.“ Mit Freuden, so wie er grinste. Er hatte das Kinn auf den gefalteten Händen abgelegt und lächelte sie fast schon charmant an.

„Doch nicht etwa…?“ Wohl ahnte sie etwas. Natürlich, schließlich wusste sie, wie lange in etwa der Kerl einsitzen musste. Hatte er ihr etwa nicht mitgeteilt, dass er bald wieder ein freier Mann war?

„Soll das heißen, mein Sohn tritt uns bei?“

So viel zu dem engen Verhältnis von ihr und Chardonnay. Offenbar hatte er ihr nicht mal gesagt, dass ihr Sohn bei ihnen mitmachen wollte, so wie es seinem Vater am besten gefiel.

„Sieht ganz so aus, dann ist ja die ganze Familie wieder zusammen.“ Es war pures Kalkül, dass er das so sagte. Denn es war unwahr, eine Unwahrheit, die sie aber nicht korrigieren würde, davon war er überzeugt. Es war fast gruselig, dass sie doch für einen Moment traurig aussah, aber wie er gedacht hatte, ließ sie es so stehen und bestand nicht darauf, dass sie noch einen Sohn hatte. Sie hatte Sêiichî nicht bloß allein zurückgelassen, sie hatte ihn einfach gestrichen. Was war sie bloß für eine schreckliche Mutter? Kein Wunder, dass er nicht mehr zu ihr zurückwollte.

Wenn er sich nicht geschworen hätte, sich von seinem Bruder fernzuhalten, hätte er sicher mehr gewusst, als dass Sêiichî noch am Leben war. Auch, dass er wieder da war, wo er hingehörte. Dann hätte er allerdings auch gewusst, dass er ihnen näher war, als er gedacht hätte. Es hatte alles so sein Gutes.

 

 

Kurz vor Mittag kreuzte Chris bei Masuyama auf und nein, sie wollte nicht mit Serena plaudern. Sie wollte mit jemandem sprechen, der etwas ehrlicher sein würde und nicht die Tatsachen verdrehte, außerdem war sie neugierig.

Masuyama selbst war auf der Arbeit, genauso wie der Love interest der Kleinen. Weil sie unangemeldet kam, erwischte sie sie leider nur in der Küche. Das würde ihrer divenhaften Schwester nie in den Sinn kommen. Die Küche gehörte dem Personal, sie gab höchstens Anweisungen, was es zu essen gab – selbst zubereiten, dafür war sie viel zu beschäftigt als Prominente. Gerade war sie auch außer Haus, allerdings weniger, um zu schuften, so wie ihr Angetrauter. Nein, sie ließ sich erst die Haare machen, dann ging sie zur Maniküre. Perfekte Fingernägel waren ein Muss. Fast hätte sie lachen müssen, als sie Vanessas Finger im Teig rumkneten sah. Sie hätte nicht wenig Lust, mitzumachen. Serena wäre schockiert. Aber sie hatte ein bisschen den Schein zu wahren; sie war selbst eine Diva.

„Dafür habt ihr extra Personal“, kommentierte sie, sah aber auch, dass es der jungen Frau die größte Freude bereitete. „Würdest du mir verraten, was genau das wird, Sweety?“ Dass sie Nachtisch machte, war ihr klar, aber welchen genau?

„Das wird ein Apfelkuchen aus Mürbeteig. Nichts furchtbar Kompliziertes.“

„Lass mich raten, den machst du für ihn.“ In ihrer Stimme klang etwas Neckendes heraus, aber nicht böswillig, sondern irgendwie ein bisschen verspielt. „Fang bloß nicht an zu leugnen, du bist überführt. Man sieht es dir an, mit so viel Freude backt man höchstens für die Kinder. Aber irgendwie glaube ich das nicht. Kenjiro mag Süßigkeiten nicht so besonders und der Kleine ist gegen die meisten Obstsorten allergisch.“

Chris war eine wahre Meisterin darin, Leute zu überführen. „Vielleicht hättest du nicht Schauspielerin, sondern Psychologin werden sollen“, sagte sie lachend, allerdings eher, um mit dem Scherz ihre Verlegenheit zu verbergen.

„Die meisten Männer lassen sich von gutem Essen verführen. Deine Chancen stehen also erstaunlich gut. Liebe geht über den Magen, wie man sagt. Da mir das nicht besonders liegt, muss ich es eben auf anderem Wege probieren, wenn ich meinen Traummann finden will.“

„Oh, besser nicht, dann muss Serena auch noch ertragen, dass du glücklicher bist, als sie.“

Auf diesem Wege erfuhr man die spannendsten Dinge. Bei einem lockeren Plausch, dabei hatte sie vor, andere Dinge in Erfahrung zu bringen.

„Offenbar gibt sie sich nicht einmal dir gegenüber Mühe, ihre Verbitterung zu verbergen.“

„Sie ist total eifersüchtig. Nur frage ich mich, worauf genau, wenn sie ihn ja überhaupt nicht leiden kann. Sie verstrickt sich immer in ihren Ausreden, weil sie manchmal nicht nachdenkt. Am einen Tag ist er ein Scheißkerl, der einen zur Schlachtbank bringt, weil er einen fressen will. Und am nächsten wird er in Schutz genommen.“ Vanessa hatte den Finger ans Kinn gelegt und dachte darüber nach.

„Wie es gerade passt. Du darfst nicht vergessen, dass wir uns inmitten von schlechten Menschen befinden, da ist die Gabe zu Lügen unbedingt erforderlich. Sie ist es gewohnt.“ Nun winkte sie ab und überlegte, wie sie die Chance ergreifen konnte, den gestrigen Abend noch einmal zu hinterfragen.

„Plavac hat mir Einiges von gestern Abend erzählt. Das hat wieder einmal gar nicht zu dem gepasst, was Serena so von sich gegeben hat. Ich weiß bloß, dass Cognac bei euch aufgekreuzt ist und hemmungslos über Jami hergefallen sein soll. Der Grund soll mächtig bescheuert gewesen sein.“

Die 20-jährige hielt in ihrer Bewegung inne, ihre Gesichtszüge wechselten von fröhlich zu leicht traurig. „Ich weiß nicht, was in diesen Kerl gefahren ist, jedenfalls war es ganz und gar merkwürdig.“ Sie hatte versucht, ihn über Osiris zu befragen, aber er wollte nicht über sie reden. Es musste also wirklich etwas vorgefallen sein, was er totschwieg.

„Warum merkwürdig?“ hakte Chris nach und beobachtete dabei die junge Frau sehr genau. Man konnte ihr ansehen, dass sie erschüttert gewesen war.

„Du würdest das auch merkwürdig finden, wenn man deinen Retter beschuldigt, er hätte einer Frau etwas zuleide getan. Aber noch grotesker ist, wie er sich nicht mal verteidigt hat. Jedenfalls nicht so richtig. Dass er sie nicht vergewaltigt hat, ist klar. Ich weiß nicht mal, ob er so etwas könnte.“

Diese Frage war im Grunde leicht zu beantworten. Ein Mensch konnte grundsätzlich alles, wenn er sich dazu genötigt fühlte, es ging mehr darum, selbst zu entscheiden, ob man etwas überhaupt wollte. Leider entschieden die Menschen in der Organisation so etwas meist nicht selbst, sondern der Boss tat das für sie.

„Sogar Serena hat sich für ihn eingesetzt, nachdem dieser Kerl vor lauter Zorn auf ihn geschossen hat.“

Man hörte, wie Chris tief Luft holte. „Serena hat richtig damit geprahlt, dass sie das Schlimmste verhindert hätte. Und ich weiß, dass diese Ehre ihr nicht gehört. Plavac hat gesagt, dass du dich geradezu todesmutig verhalten hättest. Er war – glaube ich – sogar ein bisschen beeindruckt davon.“ Wo sie doch eher ein Lamm war, was von anderen beschützt werden musste.

„Todesmutig? Oh, ich weiß nicht. Es ging alles so schnell und ich hatte mehr Angst um sein Leben als um meines“, sagte die Rotblonde mit einem leichten Lächeln.

„Ich bin froh, dass du ihm geholfen hast. Cognac ist etwas ungestüm, er kann manchmal einfach nicht rational denken, dann macht er schwerwiegende Fehler. Ihn umzubringen wäre jedenfalls einer gewesen.“ Es gab andere, schlimmere Leute, die es mehr verdient hatten. Nicht die Kinder. Es war verrückt. Auch jetzt – nach knapp neun Jahren sah sie immer noch das Kind in ihm. Er hatte sich rein optisch auch kaum verändert, nicht so wie Yuichi, der wurde immer männlicher. Man könnte fast behaupten, er sähe älter aus. Und das nur, weil er ein paar markante Gesichtszüge geerbt hatte. Er war erst 19, sah aber trotzdem schon aus, als wäre er mindestens 23. Aber auch er war eins der Kinder, das wollte sie nicht vergessen. Denn die waren schützenswert.

„Du weißt mehr von ihm, mehr als du bisher verraten hast“, schlussfolgerte Vanessa mit einem Seitenblick, während sie den Teig jetzt auf dem Blech auszurollen begann. Das ging locker von der Hand, also ganz automatisch, während sie sie mit dem Blick fixierte. „Wie ist ein Mensch wie er eigentlich in diese Organisation geraten?“ wollte sie wissen.

Auf der einen Seite hatte sie dem Kerl verboten, Sêiichî seine Geschichte zu verraten, bei ihr hatte sie das nicht getan. Trotzdem erzählte ihr keiner davon, nicht einmal er.

„Hast du ihn gefragt?“

„Nein, jedenfalls nicht direkt. Ich hab nur versucht ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Über sich redet er nie, immer bloß über andere“, seufzte sie. „Nur über diese Osiris, der er etwas getan haben soll, will er nicht reden. Ich wollte wissen, was das für eine Frau ist.“

„Eine schlimme Frau, ich würde auch nicht über sie reden wollen. Außerdem zeigt das nur sein Desinteresse an ihr. Über dich redet er andauernd. Ich glaube, wenn er so weitermacht, denkt bald die ganze Organisation, dass zwischen euch was läuft.“

Nun lachte sie beschämt. „So ein haarsträubender Unsinn, alles rein platonisch.“

„So?“ Die Schauspielerin bemerkte die aufkeimende Nervosität, als sie darauf zu sprechen kam. An ihr war sie ja gewohnt, dass sie eher schüchtern war, aber an ihm nicht. „Er hat nichts versucht?“

„Was soll er denn versucht haben?“ Obwohl sie die ganze Zeit lächelte und dabei stur auf das Blech starrte, wirkte sie unsicher. Hatte sie überhaupt bemerkt, wie sehr sie strahlte, wann immer die Sprache von ihm war oder er gerade in der Nähe? Und sie wollte ja auch nur zum Spaß einen Kuchen für ihn backen.

„Also soweit ich weiß, ist er ja gestern weich in deinen Schoß gefallen und es machte den Anschein, dass er da gerne ein bisschen länger bleiben will.“ Der schelmische Unterton sollte sie wohl ärgern.

„Wer hat das gesagt? Serena?“

„Nein. Der Mann, der unseren wildgewordenen Neuzugang davon abgehalten hat, deinem Freund noch mehr zuzufügen, als eine aufgeplatzte Lippe.“

Der war doch viel zu weit weg gewesen. Wie konnte er das denn bitte bemerken?

„Ich weiß nicht, mit so etwas habe ich doch überhaupt keine Erfahrung. Sonst würde ich ihm sicher sagen, wie gern ich ihn mag.“ Ihre Wangen fingen Feuer, jedenfalls waren sie stark errötet.

„Das Leben ist kurz, also solltest du nicht zögern, nur weil du gerade noch unsicher bist.“

„Und wenn ich ihm meine Gefühle gestehe, was dann? Was, wenn Serena Recht hat und er dann total über mich herfällt?“ Die junge Frau griff sich beide Wangen, sie glühten, dabei wirkte sie total neben der Spur.

„Sag ihm, dass du noch nie mit einem Mann zusammen warst, er wird das sicher verstehen und dementsprechend reagieren. Man muss nur den Mund aufkriegen, sonst laufen einem die besten Chancen weg, vergiss das nicht!“ redete sie ihr ins Gewissen. Da kam nur dieses schüchterne Lächeln.

„Wir haben gestern über Gott und die Welt geredet. Es wirkte eher, als sei er um eine gute Freundschaft bemüht.“

Es gab Männer, die gerne die Freundschaftsmasche abzogen, um der Frau nahe zu kommen. Nichts unbedingt Schlechtes, da man so einander kennenlernte, aber sich dahinter zu verstecken, aus Angst, es könnte nicht funktionieren, war auch albern.

„Du bist für ihn wahrscheinlich wie so ein scheues Reh, was er nicht erschrecken will, sonst würde er dir den Hof machen, dass dir Hören und Sehen vergeht.“

„Das klingt ganz schön altmodisch, findest du nicht?“

„Passt aber hervorragend zu einer Frau, wie dir“, antwortete Chris keck und legte sogar einen leicht schwärmerischen Ton in die Stimme. Serena hätte wohl Brechreiz bekommen. „Weißt du, ich finde schön zu wissen, dass diese Welt nicht nur verkommen ist. Heutzutage lacht man Mädchen aus, die sich ihre Reinheit bewahren und als Jungfrau heiraten wollen. In seiner Welt ist das fast nicht mehr zu finden. Ich weiß ja nicht, ob er dir von seiner Arbeit erzählt hat, aber die meisten Frauen stürzen sich ins Abenteuer, sogar junge Mädchen tun das. Es ist schön, dass du dich nicht an den Erstbesten verschenken willst, aber du musst nicht so übertreiben. Oder willst du mit dem Küssen auch bis zur Hochzeitsnacht warten?“ Sie lachte hinter vorgehaltener Hand, vor allem, weil sie total verlegen war und sie dann sogar mit einem Seitenhieb bedachte. „Flirte doch ein bisschen mit ihm, dann siehst du, wie er reagiert. Denn wenn du weiter schüchtern bleibst, wird er dich nicht erschrecken wollen. Also trau dich endlich.“ Chris dachte kurz nach, dann grinste sie schelmisch und beugte sich zu Vanessas Ohr vor. „Am besten machst du Folgendes…“ Was sie ihr ins Ohr flüsterte, war ungewiss, aber die Augen der jungen Frau weiteten sich und sie schlug sich sogar die Hände vors Gesicht. „Oh Gott, das kann ich aber nicht machen, wenn Serena mir zusieht!“

Chris kicherte. „Oh, warum nicht? Sie wäre bestimmt schockiert davon.“ Allein den Aufreger war es eigentlich wert. Sie würde bestimmt ganz schön dumm aus der Wäsche gucken.

„Aber du kannst dich auch einfach mit ihm in den Garten verziehen. Du bist doch romantisch. Ich weiß, du bist romantisch!“

„Hast du schon einmal in einem Liebesfilm mitgespielt?“

Die Schauspielerin begann zu lachen. „Nicht bloß in einem. In den meisten ging es heiß her, da müsstest du dir Luft zu wedeln.“

„So schlimm?“

„Wir können uns gerne einen ansehen, vielleicht kommst du dann in Stimmung.“ Der Schalk lag ihr im Nacken und ihre Augen blitzten auch schon so gefährlich auf. Nicht, dass sie sie verderben wollte, aber man musste ja nicht komplett enthaltsam leben.

 

 

Zur gleichen Zeit, zurück im Polizeipräsidium…

„Das sind die Fotos vom Tatort. Ich hoffe, sie haben noch nicht gefrühstückt.“

 

[Tamiko (26) Kagawa; Neue Polizeipsychologin im 1. Kriminaldezernat - Abteilung für Gewaltverbrechen]

 

Während sie am Tisch saßen, legte man ihr die Beweismittel des Tatortes vor. Sie bereitete die Bilder und Tüten vor sich aus und begutachtete alles.

„Hier der Bericht des zuständigen Gerichtsmediziners.“ Auch dieser wurde ihr vorgelegt. „Die Spurensicherung hat die Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen hinter sich“, murmelte sie vor sich hin.

„Oh, sagen Sie das nicht, lesen Sie es. Lassen Sie sich Zeit. Schauen Sie alles genau an.“

„Zeugen beobachteten, wie drei Männer sich Zugang zum Haus verschafft haben. Die Spuren ergeben, dass einer Schuhgröße Vierzig hat. Und die anderen beiden… ja die… die müssen auf Wolken gelaufen sein.“ Der Mann machte sich über die mangelnden Beweise lustig.

Ihre Augenbrauen kräuselten sich.

„Nein, das müssen Berufskriminelle gewesen sein. Vielleicht die Yakuza, wer weiß? Sie waren jedenfalls gut in der Lage, keine Finger- und Fußabdrücke zu hinterlassen. Dieser eine trug zumindest Handschuhe, seine Fingerabdrücke haben wir also nicht. Sieht ganz so aus, als müssten wir abwarten, was die Spurensicherung noch alles gefunden hat. Wenn sie sich nicht komplett eingetütet haben – was ich bezweifle – wird man zumindest Haare finden.“

„Und wenn nicht, bleibt es hierbei.“

„Und die Tatwaffen?“

„Die haben sie mitgenommen.“

Mit einem Mal wurde die junge Frau bleich. „Jetzt verstehe ich, wieso Sie gesagt haben, hoffentlich hatte ich kein Frühstück. Das ist ja ekelerregend.“

„Allerdings. Und das ist nicht das Einzige an Abscheulichkeit, was diese Tat angeht. Sie haben ihm nicht bloß die Hoden aufgeschnitten… Der Gerichtsmediziner spricht von einer brutalen Vergewaltigung. Einer ihrer Kollegen vermutet sogar, dass der Mörder das Spiel vorzeitig beendet hat.“

„Widerwärtig.“

„Und zudem hatte das Opfer vorher ebenfalls Geschlechtsverkehr.“

„Mit seiner Schwester“, schlussfolgerte sie.

„Ja, sie ist entkommen und wurde als Notfall eingeliefert. Das lässt zumindest die Vermutung offen, dass die Drei sie befreit haben. Sie muss Tage lang von ihrem Bruder grün und blau geschlagen worden sein, außerdem gefesselt und vergewaltigt. Im Krankenhaus geben sie über ihren Zustand kaum Informationen heraus. Wir müssen Genaueres in Erfahrung bringen. Leider sind die Ärzte im Krankenhaus nicht gut auf uns zu sprechen, tja. Deswegen werden Sie die Männer ins Krankenhaus begleiten und sie unterstützen.“

„Einer der leitenden Kriminalisten soll mein Cousin sein…“

Der junge Mann seufzte tief und kehlig, als sie ihm ihr Wissen mitteilte. „Allerdings. Er ist am meisten mit ihrem behandelnden Arzt aneinandergeraten. Reden Sie ihm ins Gewissen. So kommen wir in dem Fall kaum weiter.“

„Warum aneinandergeraten? War das Krankenhaus so wenig kooperativ?“ fragte die Hellbraunhaarige verwundert.

„Schlimmer noch als das. Man schirmt sie ab, als wollten wir ihr etwas Böses. Sie müssen ihren Arzt davon überzeugen, dass wir nur auf der Suche nach Gerechtigkeit sind.“

„Was wir nicht sind, da wir die Schwester des Opfers eigentlich verdächtigen, die Typen angeheuert zu haben.“ Sie legte sich die Hände ins Gesicht und fuhr sich über selbiges.

Die Sache war schlimm, es nahm sie persönlich mit, aber deswegen durfte man noch lange nicht all diese schrecklichen Dinge tun, von denen sie zutiefst erschüttert war. Solche Foltermethoden waren ihr zuwider.

 

Als die Hellbraunhaarige nun das Büro verließ, begegneten ihr gleich auf dem Weg zu Matsuyamas Büro eine Frau und ein Mann um die Vierzig.

„Oh Gott ja, haben Sie vielen Dank. Wir wollen nicht, dass diese unverschämte Göre, ungeschoren davonkommt.“ Die rotbraunhaarige Dame biss auf ein Taschentuch und drückte ordentlich auf die Tränendrüse. Tamiko beobachtete sie einen Moment.

„Das ist alles sehr tragisch, Okita-san. Wir werden unser Bestes tun, um die Täter ausfindig zu machen.“ Ein emotionsloser Satz, der nur gesagt wurde, weil es sich als Polizist so gehörte.

„Vielen Dank.“

Sie sprach sie nicht an, schaute ihnen nur hinterher. Den Kollegen griff sie, als sie außer Reichweite waren, am Arm. „Waren das die Angehörigen des Vergewaltigers?“ fragte sie direkt.

„Allerdings. Und sie haben nicht einmal den Hauch von Mitgefühl für seine Halbschwester.“

„Ich soll meinem Cousin auf die Finger schauen. Waren Sie auch mit im Krankenhaus?“

„Ja, leider. Das war alles andere als toll. Wir sollen mit Megure nochmal dahin und uns entschuldigen. Aber was sollen Sie dort machen?“

„Dem Arzt verdeutlichen, dass wir keine bösen Absichten haben, damit er endlich willig ist, zu helfen.“

Der 27-jährige begann sofort schallend zu lachen. „Oh, viel Spaß dabei. Am besten gleich die Bluse weit offen, dann vergisst er vielleicht, dass er nicht mit Polizisten reden will. Scheinbar kann er keine BULLEN leiden. Ist direkt ausfallend geworden.“

„Dafür hat er sicher Gründe. Keine Sorge, ich fühle ihm mal ein bisschen auf den Zahn.“

 

 

 

Toshizo grinste raffiniert, da man seinen besten Freund so schnell nicht beeindrucken konnte. Aber er wusste schließlich etwas, was er nicht wusste.

„Wie hast du das rausgefunden? Hat dir mein Cousin etwa dabei geholfen?“

„Quatsch mit Soße, Tak!“ antwortete der Angesprochene, während sie an der Rezeption standen und auf die Antwort der Zuständigen warteten. „Mein Vater hat Verbindungen. Er hat herumgefragt und schon wusste ich, dass sie hier ist.“

„Hatte sie einen Unfall?“

„So genau weiß ich es nicht. Ich weiß nur, bei Okitas ist was vorgefallen. Ist jetzt nicht so, dass ich darüber so verblüfft bin. Ihr Bruder ist ein Teufel“, meinte der Schwarzhaarige, wenig später betätigte die Dame hinter dem Glas die Sprechanlage. „Achter Stock. Zimmer 803. Das ist auf dem rechten Gang.“

„Danke sehr.“ Dann gingen sie zu den Aufzügen. Dort war eine Beschreibung der Stockwerke zu finden. Takahashi huschte schnell über die Beschreibungen und blieb dann bei der Acht hängen.

„Das ist ja die innere Medizin. Ich glaub, ich bin besorgt.“

„Du glaubst?“

Toshizo schüttelte den Kopf. Seit sein Vater gesagt hatte, dass bei Okita ein Mord geschehen sein sollte, hatte er sich gefragt, ob Saki noch lebte. Er war erleichtert zu erfahren, dass sie hier war. Dann war es eben die innere Medizin. Leichenhalle hätte er schlimmer gefunden.

 

Der Aufzug öffnete sich nach einem ~bing~ und sie sahen sich um. Es war sehr ruhig auf den Gängen und einige Schwestern waren hinter der Rezeption zu finden. Sie wirkten beschäftigt, da sie den Kopf zum Tisch gesenkt hatten, also glaubten sie, sich vorbei schleichen zu können. Doch kaum, dass sie vorbei wollten, hob eine den Kopf. „Wo wollt ihr denn hin, Jungs? Das ist die Innere. Hier spaziert man nicht einfach rum!“

Takahashi zuckte nicht mal, als man ihn so anranzte, er drehte sich herum und lief zur ihr. „Wir haben uns an der Information nach einer Schülerin erkundigt. Es klang nicht, als sei es ein Problem sie zu besuchen.“

Warum zum Teufel sah die Schwester ihn gleich so feindselig an? Er hatte jawohl nichts verbrochen.

Sie stand auf, kam zur Tür heraus und verschränkte die Armen vor ihnen. „Seid ihr Verwandte?“

„Ja, klar!“ schoss es aus dem Braunhaarigen. „Ich bin ihr Cousin Shinji. Wie geht’s ihr? Ist sie schwer verletzt worden?“

‚Dein Ernst?‘ Toshizo hielt die Klappe, er war kein Lügner, sein bester Freund hingegen schien sich zu denken: Ach, nur Verwandte dürfen zu ihr, kein Problem.

„Das müsst ihr mit den Ärzten besprechen“, meinte sie. „Das kann einen Moment dauern. Ich informiere sie darüber. Einen Moment.“ Sie verschwand zurück an ihren Platz und telefonierte einen Moment.

„Ihr könnt euch gegenüber hinsetzen. Sie kommen gleich und holen euch ab.“

„Okay“, meinte der Braunhaarige, nahm Toshizo und zog ihn zu den Sitzen.

„Unglaublich, dass du ihr so ins Gesicht lügst.“

„Die würden uns kein Wort sagen und uns wieder wegschicken, weil wir keine Verwandten sind. Jetzt müssen wir nur hoffen, dass wir nicht erkannt werden.“

„Na großartig. Hoffentlich dauert’s nicht so lang.“

 

Wenig später öffnete sich der Aufzug erneut und ein Mann im weißen Kittel stieg aus. Er sah sich zu den Sitzen um und lief dann schnellen Schrittes auf sie zu.

„Sie möchten zu Niiza-san, richtig?“

„Ja, wollen wir. Wie geht’s ihr denn?“ wollte der Braunhaarige sofort wissen und der teils ergraute Arzt nickte zwar, hielt sich dann aber die Stirn. „Das kann ich nicht so ohne weiteres erlauben. Sie braucht absolute Ruhe und…“ Er seufzte. „Wer von euch beiden ist ihr Cousin?“

„Das bin ich.“

„Gut. Folge mir.“

Toshizo war doch ein bisschen beleidigt, weil sie ihn einfach sitzen ließen, aber er wusste, dass ihm nachher sowieso alles erzählt werden würde.

 

Sie gingen gerade vorbei an den Aufzügen, als einer sich erneut öffnete.

„Bis später“, sagten sich die Zwei, nickten und gingen dann in verschiedene Richtungen. Takahashi konnte aus den Augenwinkeln zumindest einen von ihnen erkennen.

‚Ach du Scheiße, hab ich Glück gehabt… Nicht in ihre Richtung sehen!‘ Diese Ärztin, die würde seine Lüge entlarven, spätestens wenn sie ihn einfach beim Namen ansprach. Sein Schritt beschleunigte sich, er wollte nur so schnell wie möglich aus ihrer Sichtweite verschwinden. Er hatte sowieso herzlich wenig Lust, sich mit dieser Frau zu unterhalten. Die war in seinen Augen daran schuld, dass Sêiichî nicht alle Tassen beisammenhatte.

Kayama-san, wie das Schild an seinem Kittel sagte, wirkte sehr ernst. Was würde der ihm wohl für schlimmes Zeug erzählen? Sie war seit etwas mehr als zwei Wochen wie vom Erdboden verschluckt und keiner sagte ihnen etwas. Ja, er war ziemlich sauer darüber, wenn man etwas vor ihm zu vertuschen versuchte, ihn das aber interessierte.

 

Da die Unterlagen fest unter Verschluss waren und die Frau sie im Büro liegen gelassen hatte, klopfte sie und wurde dann sogar reingelassen. Gerade, als der Gute in der Akte blätterte und dem jungen Mann keinen Unsinn erzählen wollte.

„Kann ich die Akte von dem Mädchen haben, bitte?“

Das Mädchen, hat einen Namen!“ meinte der Arzt und sie nickte. „Entschuldigen Sie, der Stress.“

„Ich brauche sie gerade selbst“, antwortete er. „Ihr Cousin ist da.“

Die 43-jährige zog die Augenbrauen zusammen, legte sich die Hand ans Kinn und kam dann zu ihrem Chef. „Ach ja? Welcher von denen?“ fragte sie ketzerisch.

„Shinji Yasuaki.“

Yohko beugte sich vor und sah dem Jungen direkt ins Gesicht. „Äußerst interessant. Als ich ihn anrief, meinte er noch, er sei schwer beschäftigt.“ Ein gemeines Lachen war zu hören und dann sahen ihre grünen Augen ihn verheißungsvoll an. „So, so. Wissen Sie was, Sie sind ein vielbeschäftigter Arzt, ich übernehm das.“

‚Ich bin gearscht, oder will die etwa tatsächlich die Regeln brechen? Warum frag ich mich. Sie ist ein Unmensch…‘ Der 18-jährige sah sie mit einem strahlenden Lächeln an und ließ sich nichts anmerken.

„Wie Sie meinen, da nehmen Sie mir eine ganze Menge ab.“

Der Arzt erhob sich, ging zur Tür, warf dem jungen Mann noch ein Nicken zu und ging dann. Als die Tür geschlossen wurde, legte Yohko die Hände auf den Tisch und durchbohrte ihn regelrecht.

„Sehr schlau, mein Junge. Sêiichî hat sich dämlicher angestellt, als er Saki besuchen wollte und ist rausgeflogen. Würde ihn sicher sehr ärgern zu wissen, dass du es zumindest zu ihren Ärzten geschafft hast, mein Hübscher.“

„Ach, lassen Sie doch das Gerede und kommen Sie zum Punkt!“ verlangte er von ihr. „Ich will wissen, wie es unserer Klassenkameradin geht. Warum darf das keiner wissen?“

„Die Polizei ermittelt in einem Fall und die Öffentlichkeit soll komplett aus der Sache rausgehalten werden“, antwortete sie, setzte sich dann mit einer Po-Seite vor ihm auf den Tisch und blickte auf ihn herunter.

Er rückte den Stuhl ein kleines bisschen nach hinten und beobachtete sie genau.

„Glauben Sie, ich erzähl das überall rum? Also: Was ist mit ihr? Kann ich sie besuchen? Ja, oder nein?“

„Also ich hätte nicht viel dagegen einzuwenden. Ich glaube, ihr Gynäkologe sieht das anders. Fragen wir ihn doch. Beziehungsweise, du kannst ihn ja anflehen. Er hat sie bisher vor allen beschützt. Sogar vor den Polizisten.“

„Warum das denn? Hat sie was angestellt?“ Saki war alles andere als ein liebes und gehorsames Mädchen. Die hatte schon einige Dinge getrieben, es würde ihn also nicht wundern, wenn jetzt etwas passiert war. Wenn ein Gynäkologe beteiligt war, dann war sie vermutlich wegen ihres Auftretens überfallen worden. Sie forderte es ja regelrecht heraus, oder nicht? Weil sie gern bewundert wurde.

„Glaubst du wirklich, dass ich dir darauf Antworten gebe? Oder kann? Ich habe sie nur operiert.“

Yohko griff zum Telefonhörer und redete schließlich in diesen. „Hallo, ja ich bin’s. Tun Sie mir den Gefallen und piepen Sie Ashida-san an. Er soll in Kayamas Büro kommen. Aber nur, wenn er gerade nicht schwer beschäftigt ist.“ Sie grinste. „Ach, er macht Pause. Gut, dann geht das schon in Ordnung. Jemand will Informationen über eine seiner Patientinnen. Danke.“

„Ashida-san? Der ist ihr Gynäkologe?“ Takahashi seufzte. So viel dazu: Hoffentlich wurden sie nicht erkannt.

„Er macht sein praktisches Jahr.“

„Großartig“, meinte der Junge dazu nur. Jetzt pfuschte noch einer an ihr rum, der noch üben musste.

„Was soll dieser missbilligende Ton? Er ist ziemlich gut in seinem Job. Besser als die Meisten, die das schon seit Jahren machen.“ Sie klopfte ihm mehrmals auf die Schulter. „Also, mein Junge. Er kommt gleich. Ich rate dir, ihm ordentlich in den Arsch zu kriechen und ihm zu sagen, wie überaus wichtig sie dir ist… Dann drückt er sicher ein Auge zu.“

Man konnte kaum erleichterter sein, als sie endlich das Büro hinter sich ließ. Vor einigen Jahren hatte dieses Frauenzimmer noch allen Bekannten von Sêiichî mit Freude den Kopf gestreichelt. Und er war nicht ihr Junge – was bildete die sich ein?

 

Es passte dem Schwarzhaarigen nicht in den Kram, dass schon wieder ein so vorwitziger Kerl da war, um etwas herauszubekommen. Er glaubte, dass Cognac irgendwen hierhergeschickt hatte, nur weil er es nicht zu dem Mädchen geschafft hatte. Was interessierte er sich so für sie? Gerade tat ihr kein Kerl gut. Warum konnten sie sie nicht in Ruhe lassen?

Schon auf dem Weg zum Büro war er ganz schön aufgewühlt und rannte fast über den Flur. Und die Tür, die würde regelrecht aufgerissen, so dass Takahashi sich alarmiert herumdrehte.

‚Den hab ich anders in Erinnerung.‘

„Wie hast du es bis zum Büro geschafft? Wir schicken jeden weg, den das Ganze nichts angeht.“

„Seien Sie doch nicht so unfreundlich. Ich hab nichts verbrochen.“ Leicht trotzig klang er und sein Blick verfolgte den Kerl, von der Tür, bis zum Tisch.

„Yohko Iwamoto hat mir auf dem Weg gesteckt, dass du den Chefarzt angelogen hast. Shinji Yasuaki? Soll das ein Scherz sein? Der interessiert sich nicht dafür, wie es ihr geht!“

Das war sehr bedauerlich, aber es wunderte ihn auch nicht besonders. Der war ja schließlich fast so etwas wie der beste Freund eines Vergewaltigers. Bestimmt gab er ihr auch die Schuld daran, wenn ihr irgendetwas zugestoßen war.

„Mein Freund und ich machen uns Sorgen. Deswegen wollten wir rausfinden, was mit ihr los ist. Was daran ist so falsch, hm?“ fragte der Junge, er fand das eigentlich sogar sehr nett von ihnen, sich um sie Gedanken zu machen, nachdem sie sich nicht gerade nett benommen hatten – vor allem er nicht.

Toshi hatte gesagt, dass er hoffte, sie tat sich nichts an, weil er so ein Schwein war. Ja, so etwas hatte er ihm noch nie gesagt und es saß besonders. Er hatte sie absolut scheiße behandelt und leider hielt Toshi sie ja für sensibel. Er war da nie sicher, ob das zutraf, aber das hieß noch lange nicht, dass man es ausprobieren musste, wie viel sie aushielt.

„Also, um ehrlich zu sein… Ich weiß nicht, ob ihr das Recht ist.“

„Will sie keinen sehen?“ fragte er.

Man musste sie zu jedem Menschenkontakt zwingen. Aber ein paar Freunde wäre genau das, was sie gerade gut gebrauchen konnte. Er überlegte, ob er nicht vielleicht eine Ausnahme machen sollte und sie zumindest fragen, ob sie ihn sehen wollte. Er fand diese strengen Regeln gerade nicht gut. Wenn jemand zu ihr wollte, weil er sie mochte, dann sprach nichts dagegen. In seinen Augen jedenfalls nicht. Er wog ab. Gefahr und Nutzen. Die Organisation war in diese Sache involviert und vielleicht war die Isolation gerade besser für alle Beteiligten. Noch dazu kannte er den Kerl. Nein, das gefiel ihm nicht. Am Ende ging ihm dieser Akaja wieder auf die Nerven, nur weil er seinen Cousin zu einem Mädchen ließ, die zufällig die Schwester von einem Organisationsmitglied war. Immer diese schweren Entscheidungen.

„Nun, ich kann sie ja fragen, ob sie dich sehen will.“ Er war so ein emotionaler Idiot. Natürlich wollte er einfach nur, dass es ihr besser ging und wenn sie den Typen mochte, vielleicht war es ja etwas Gutes, wenn er sie besuchte. Nun wirkte der 21-jährige viel netter, als er ihn hilfsbereit ansah und daraufhin den Raum verließ.

„Dacht schon, den haben sie grundlegend verdorben“, seufzte er zu sich selbst, immerhin wusste er, dass sie ihn entführt hatten. Bestimmt wusste auch Yuichi viel mehr als die Meisten. Dass er nicht einmal fragte, wie es seinem Bruder ging, immerhin gingen sie auf die gleiche Schule und er hätte ihm das sagen können. Aber darum ging es ja gerade auch nicht.

 

Das leise Klopfen ließ das blonde Mädchen die Augen öffnen und „herein“ sagen. Ganz langsam wurde die Tür geöffnet und ihr Arzt trat herein.

„Ich habe gute Neuigkeiten“, meinte er mit einem zaghaften Lächeln. „Einer deiner Klassenkameraden würde dich gern besuchen. Willst du ihn sehen?“

Sie drehte den Kopf zu Ashida-san und runzelte die Stirn. „Wer von meinen Klassenkameraden ist es?“

„Takahashi. Das sagt dir doch sicher was. Oder? Er wirkte ganz schön beso-“

„Oh Gott! Nein, ich will nicht!“

Kenichi war schockiert davon, wie sie sich beide Hände auf die Schläfen legte und total panisch reagierte. „Jeder, aber nicht er! Das kann ich nicht auch noch ertragen!“

„Warum?“ Zwar musste der junge Arzt tief Luft holen, aber er blieb ruhig und setzte sich zu ihr ans Bett auf einen Stuhl. „Hey, beruhig dich. Ich lass niemanden zu dir, wenn du nicht willst. Aber was wäre so schlimm daran?“ fragte er und sie drehte den Kopf zu ihm. Ihr Blick traf sie ungeheuer hart und dann antwortete sie nicht einmal. Was war denn bitte zwischen ihnen vorgefallen, dass sie so in Panik verfiel? War das ihr Freund? Und sie müsste ihm erzählen, was passiert war? Wollte das aber nicht?

„Ich kann einfach nicht. Wenn ich in seine Augen sehe, fange ich an zu heulen. Er soll mich nicht so sehen“, schniefte sie. Das Mädchen war labil. Also wusste er jetzt wenigstens, dass es da jemanden gab.

„Bist du ganz sicher, dass du das nicht willst? Vielleicht würde es dir guttun, wenn du ihm sagst, was ihn erwartet.“

„Und dann? Soll ich mich an ihm ausheulen?“ Sie kniff die Augen zu und die Tränen rollten ungehindert über ihr Gesicht.

„Warum nicht?“

„Warum soll ich andere in die Sache mit hineinziehen? Ich muss allein darüber hinwegkommen! Gehen Sie jetzt bitte und schicken Sie ihn nach Hause. Ich tret ihm unter die Augen, wenn’s mir besser geht.“

Ihre Hand schob seinen Arm weg. Gar keiner sollte ihr gerade zu nahekommen. Noch nicht mal so ein netter Mann wie ihr Arzt.

„Na gut“, seufzte er einsichtig, war aber auch ganz schön traurig darüber, dass sie absolut keinen an sich heranließ. Und die Psychologin war auch alles andere als geeignet. Er hoffte, dass seine Kollegin ihm was Besseres herschickte. Jemand, der nicht vorhatte, sie zu destabilisieren. Sie war nicht mal stabil.

 

Als Kenichi das Zimmer verließ und die Tür hinter sich bereits geschlossen hatte, seufzte er tief. „Manchmal hasse ich es wirklich. Immer denken sie, sie müssen alles allein aushalten.“ Er fuhr mit beiden Händen über sein Gesicht. Manchmal wollte er alles gleichzeitig lernen. Dabei war er mit seiner Ausbildung nicht mal fertig und interessierte sich schon für das Nächste. Aber er war leider auf die Hilfe eines Therapeuten angewiesen, weil das nicht sein Fachgebiet war. Mehr als nett und einfühlsam zu sein, lag weit außerhalb seines Territoriums. Aber das machte diesen Beruf auch so nervenaufreizend. Aber er hatte sich entschieden. Genau diesen Beruf wollte er ausüben, also musste er lernen, es nicht zu nah an sich heranzulassen. Keine Frau würde eine Vergewaltigung einfach so überstehen. Ohne Trauma. Ohne Selbstzweifel. Aber er wünschte, dass dem so wäre. Dass ein Gewaltereignis nicht so viel emotionale Pein mit sich bringen würde. Das war mit ein Grund, dass er so etwas niemals tun könnte.

 

 

„Hau’n wir ab“, hörte der Schwarzhaarige, nachdem sein bester Freund mit einem Gesicht wie drei Tage Regenwetter wieder zu ihm zurückkam und er sich fragte, was in der guten halben Stunde wohl alles zu ihm gesagt worden war. Sein Blick ruhte einen Moment länger auf ihm.

„Und wie geht`s ihr? Haben die etwas gesagt?“

„Also ich weiß auf jeden Fall, dass sie mich nicht sehen will. Kannst ja auch mal dein Glück versuchen… Vielleicht kann sie dich ja besser leiden…“

Und dann lief er einfach raus, zu den Aufzügen und ließ ihn so dastehen. „Ey, spinnst du?“ meinte er und rannte ihm hinterher. Gerade fühlte er sich eher danach, ihm hinterher zu gehen, als irgendetwas anderes zu versuchen. Gerade so konnte er den Fuß zwischen die sich schließende Aufzugstür stellen und verhindern, dass Takahashi ohne ihn abhauen konnte. „Was hat dich denn geritten?“

„Nichts.“

Gute Laune hatte er jedenfalls keine. „Die kriegt sich bestimmt wieder ein“, versicherte Toshizo ihm, einfach, weil er sich nicht vorstellen konnte, dass sie so nachtragend war.

„Tze.“ Der hatte wie immer keinen blassen Dunst. „Ashida arbeitet hier doch allen Ernstes als Arzt. Er war sogar so nett, sie zu fragen, ob sie mich sehen will. Und dann kam er wieder und hat gesagt, sie will nicht. Ich soll sie in Ruhe lassen.“

„Okay, das ist hart.“ Toshizo stellte sich dicht neben ihn. „Aber du bist selbst schuld. Warum hast du sie auch wegen mir so behandelt? Das war total unnötig.“

„Ich hab mich bei ihr entschuldigt. Also hör auf mir weiter damit auf den Sack zu gehen!“

Soweit sie sich erinnern konnten, hatten sie noch nie einen richtigen Streit. Das lag vorwiegend aber auch daran, dass er ein sanftmütiger Kerl war, der seinem Freund so manches durchgehen ließ. Aber der hatte bisher auch nie die Notwendigkeit gesehen, ihn anzufauchen.

„Und ob ich dir auf den Sack gehen werde, mein Lieber!“ meinte er hart, keiner von ihnen hatte Erfahrung damit. Toshi war immer lieb und er hatte bisher immer die Klappe gehalten, wenn der Gute sich mal nicht so sensibel benahm, weil er eben nicht sensibel war und er von seinen Problemen wusste. Toshizo wusste wie kein zweiter, wie schwer es seinem besten Freund fiel, einfach nur ein guter Mensch zu sein.

Es war auch gar nicht so gemeint. Manchmal war es sogar gut, wenn man ihm auf den Sack ging, wie er so schön sagte. Seine Exfreundin versuchte ihm alleine die Schuld daran zu geben, dass sie sich getrennt hatten. Sie war perfekt und er ein Idiot. Die erzählte den Leuten alles Mögliche an Unsinn über ihn, nur um möglichst seinen Ruf zu ruinieren. In der Schule glaubte schon keiner mehr, dass er auch nett sein konnte. Er war froh, dass trotz seiner Untaten Saki nicht alles glaubte, was man so von ihm behauptete, gerade weil sie mit ihnen rumgehangen hatte und sich bloß auf ihr eigenes Urteil verließ.

„Ich war nett zu ihr – ich hab mich entschuldigt, ok? Was soll ich noch machen? Außerdem dachte ich, nachdem wir fast drei Stunden bei ihr zuhause rumhingen, dass wieder alles gut ist. Sorry, wenn ich deswegen jetzt angefressen bin.“

„Dann hat sie vielleicht ein anderes Problem und es liegt überhaupt nicht an dir.“

Ausnahmsweise nicht. Oder wie? Sogar Toshizo glaubte zu allererst, es hatte mit seinem Verhalten zu tun.

„Haben die denn sonst nichts gesagt?“

„Ich bin da drinnen erstmal Frau Doktor Frankenstein ausgeliefert gewesen. Die hat wie immer lieb und freundlich getan. Sêiichîs Verlust macht ihr wohl immer noch schwer zu schaffen“, lachte er, schluckte den Rest aber. Weil sie ihn nicht mehr antatschen konnte. Er konnte es leugnen, so viel er wollte, er wusste es trotzdem.

„Frau Doktor Frankenstein? Meinst du, Sêiichîs Forschungsfanatische Mutter?“

„Ja, genau die.“

 

 

Megure erwischte die zwei Jungs vor dem Krankenhaus – sehr verdächtig. Sie hatten die Ansage, jeden aus der Klasse des Mädchens weit vom Krankenhaus fernzuhalten. Sie waren zu jung für derartige Fälle. Sie wurden zurechtgestutzt und das schon mit der Fresse, die sein bester Freund vorher schon gezogen hatte. Der wurde sogar ein kleines bisschen patzig und machte sich einfach so vom Acker.

Toshizo seufzte nur und senkte reumütig den Kopf. „Er kommt nicht gut damit klar, dass sie ihn nicht sehen wollte.“

Megure sah ihn mitfühlend an und klopfte ihm auf den Rücken. „Dann solltest du dich vielleicht um ihn kümmern, wenn es ihm deswegen nicht gut geht.“

Er war nachsichtig mit den Jungs, die sich zweifellos einfach nur Gedanken um eine Mitschülerin machten.

 

Tamiko Kagawa war weniger nachsichtig mit ihnen. Sie merkte sofort, wer von ihnen das schwächere Schaf war. Dem einen ging es zwar nicht sonderlich gut, aber der war robuster. Dem passte auch nicht, dass sie getrennt befragt wurden. Er wusste von Anfang an, dass das niemals gut ging…

Da war es fast kein Wunder, dass er vor der Büro-Tür auf und ab ging und sich Sorgen machte. Er mochte diese Polizeipsychologin nicht. Mit Grund, wie er in nicht allzu langer Zeit erfahren sollte.

Toshizo fühlte sich zwar nicht so ganz wohl, immerhin waren Psychologen ihm nicht geheuer. So jemand hatte Takahashis Mutter eingeredet, dass ihr Sohn ein Problemfall war, den man besser schnell wieder los wurde. Sie sollte loslassen, bevor es zu spät war. Also saß er relativ unentspannt der Hellbraunhaarigen gegenüber. Diese lächelte und wirkte umgänglich. Man musste keine Angst vor ihr haben. Doch in dem Moment hatte er das noch.

„Du musst keine Angst haben. Wir versuchen das Mädchen zu beschützen, deswegen darf niemand von euch zu ihr.“

Das war für ihn leicht zu verstehen, simpel und effektive Manipulation einer Beamtin.

„Hör mal. Ich möchte, dass du mir alle Fragen zu 100% ehrlich beantwortest, dann passiert euch nichts. Ehrenwort.“

Am liebsten wollte er lieber schweigen, als jemals irgendetwas zu beantworten.

„Es ist kein Verbrechen, eine Freundin zu besuchen.“

„Eure Freundin ist sie also? Wie eng steht ihr euch wirklich?“

Die Frage war merkwürdig und er verstand den Zweck nicht. Takahashi hätte es bestimmt gewusst, aber den hatten sie fies von ihm getrennt. „Wie meinen Sie das?“

„Hat einer von euch schon mal mit ihr geschlafen?“

Herrgott, wie peinlich? Er wurde glatt rot, als sie ihn so direkt danach fragte. „Also, ist es solch eine Freundschaft? Oder ist es rein platonisch?“

„Ja.. is platonisch… ja … ja“, stammelte er, da lächelte sie noch ein bisschen mehr und gab sich absichtlich mütterlich, indem sie sich neben ihn setzte, seine Schulter streichelte und versuchte so freundlich und liebenswert wie möglich zu wirken. „So wie du stammelst, kaufe ich dir das nicht ab. Du weißt, dass man nicht lügen darf, das kommt einen Teuer zu stehen.“

„Aber wir sind wirklich nur Freunde.“ So wie seine Stimme zitterte, konnte sie klar erkennen, dass das nicht die ganze Wahrheit sein konnte. „Also hattest du noch nie etwas mit diesem Mädchen? Du musst dich nicht dafür schämen, wenn du von ihr verführt wurdest. Das ist doch nichts Schlimmes, über das man nicht reden darf.“

Es wurde ihm immer unangenehmer, er biss sich auf die Lippen und kniff dann sogar die Augen zu. „Ja, na gut. An meinem Geburtstag… Nur dieses eine Mal.“

„Doch nicht etwa gemeinsam?“

Ihm war angst und bange, schließlich war der Sex nicht ganz so einvernehmlich gewesen, wie er zuvor geglaubt hatte. „Kriegen wir dann Ärger?“

„Aber nein. Ihr habt sie nicht gezwungen, oder?“

Toshizo schluckte, instinktiv, schließlich kannte er die Wahrheit. Etwas, was er lieber nicht gewusst hätte, dann hätte er besser lügen können. Hastig schüttelte er den Kopf.

„Interessant. Also ist eure Beziehung zu ihr mehr als freundschaftlich. Sie ist wohl sehr nett zu euch, was?“ Ihre Hand strich ihm sachte über den Kopf. „Also, sie kümmert sich richtig gut um euch, mhm?“

„Sie ist eine gute Freundin, ja sie ist lieb zu uns.“ Es war ein dicker Kloß in seinem Hals.

„Und ihr mögt sie wohl sehr, mhm?“

„Wir waren Spielkameraden in Kyoto.“

„Habt ihr dort mitbekommen, wie sie mit anderen Jungs so umgegangen ist?“

„Ja, klar, sie war immer sehr gern mit Jungs befreundet. Wieso?“

Sie hatte einen bestimmten Plan und der ging von vorne bis hinten auf. „Also sie war sehr leichtfertig im Umgang mit Jungs?“

„Schon.“

„Danke, Toshizo-kun, du hast mir sehr geholfen.“

Daraufhin entließ sie ihn und rief Takahashi zu sich. „Und?“ flüsterte er, wurde dann aber am Arm gepackt und zu ihr reingeschoben, damit sie sich nicht absprechen konnten. Kurz darauf fiel die Tür zu.

 

„Um das mal klarzustellen, wir haben absolut nichts verbrochen, um wie Verbrecher reingezerrt zu werden!“

„Warum gleich so zornig?“ Ja, sie merkte es schon im ersten Moment. Mit dem konnte sie nicht dieses Spiel spielen und das nervte sie jetzt schon. Den packte sie besser hart an.

„Für einen, der mit seinem besten Freund eine – so genannte platonische Freundin – flachgelegt hat, wirkst du ganz schön selbstbewusst!“

„Wie kommen Sie darauf?“ Verdammt, woher wusste die bitte davon? Er war bestürzt. Hatte Saki denen etwa davon erzählt? So schlimm war es nun auch wieder nicht gewesen, oder?

„Oh, dein Freund war sehr gesprächig.“

Takahashi sah die unangenehme Person forschend an. „Behauptet Saki, wir haben sie vergewaltigt? Das ist gelogen!“

„Nein, tut sie nicht“, antwortete Tamiko. „Hast du Schiss, dass sie das behaupten könnte, weil ihr sonst der Ruf meilenweit vorauseilt?“

Seine Augen wurden zu Schlitzen. „Wieso?!“ Seine Frage wirkte patzig. Er konnte sie nicht leiden, traute ihr keinen Millimeter und war gereizt, weil sie so komisches Zeug redete.

„Weil Mädchen wie sie immer lieb und nett tun, die Typen aber verschlingen. Sie ist so eine, oder?“

Alle Situationen, an die er sich direkt erinnerte, huschten ihm durch die Sinne. Ja, Saki trieb es wild. Sie mochte verschiedene Typen und ließ nichts anbrennen. Das Schlimmste, er war gekränkt davon, dass sie ihn nicht mal sehen wollte.

„Vielleicht.“ Man, war er ein Kotzbrocken, er leugnete es nicht mal.

„Sie hat mit dir Spielchen gespielt, huh?“

Diese Frau ging ihm auf den Wecker, so was von.

„So ein Quatsch. Ich hab sie verletzt… Das ist.“

„Womit denn?“

„Mit der glorreichen Idee, sie soll es meinem Freund besorgen.“

„Danke für das Gespräch. Du kannst gehen.“ Die Hellbraunhaarige machte sich Notizen und wirkte darauf konzentriert, dabei wurde er überhaupt nicht mehr beachtet.

„Das war’s? Keine Schelte, weil wir geschnüffelt haben?“

„Nein.“

Merkwürdige Frau. Er verließ den Raum und knallte die Tür.

„Ey, was ist das denn für eine? Die hat Saki gerade versucht als ein Flittchen hinzustellen. Hast du der etwa gesagt, was wir an deinem Geburtstag getrieben haben?“

„Ja, sie sagte, dass uns nichts passiert, wenn wir nur die Wahrheit sagen. Dass du sie erpresst hast, hab ich nicht gesagt.“

„Hättest du vielleicht tun sollen, Idiot!“

„Warum bist du denn jetzt sauer auf mich?“ Man sah ihn aus traurigen Augen an und er konnte ihm einfach nicht böse sein, aber er war ein Schussel.

„Ich glaub, dass Saki was passiert ist und die Polizei aus uns bloß rausquetschen wollte, wie wild sie es treibt, um sie unglaubwürdig zu machen. Jedenfalls wirkte die Psychologin so!“

„Die war doch total nett.“

„Nett? Du bist echt naiv.“ Die war nicht nett, jedenfalls nicht bei ihm. „Komm, erzähl mir draußen, was genau du ihr erzählt hast. Und dann sagst du besser zu keinem mehr irgendwas. Komm.“ Er zog ihn raus, kurz danach öffnete sich die Tür und Tamiko Kagawa trat auf den Gang hinaus. Sie begab sich zum Büro von Yamada und Tanaka. „Das Gespräch mit den zwei Jungs war aufschlussreicher als ich dachte. Das Luder hat es mit beiden getrieben, auch noch zur gleichen Zeit. Wollen Sie sie immer noch als Opfer betrachten?“

Yamada war schockiert. „Ich… Ich ziehe Akaja-san hinzu.“ Das war eine Wendung, die ihm sicher nicht gefallen würde, weil er das Mädchen versuchte zu beschützen. Und was war die Intension dieser Psychologin? Ihre Glaubhaftigkeit anzuzweifeln? Warum? Um ihr Gewissen zu erleichtern, wenn sie herausfand, dass sie es getan hatte?

 

Kaum, dass der Polizeipräsident zur Tür reingekommen war, saß er sich die Schläfen haltend da. Kein Wunder bei dem, was die Frau ihnen mitzuteilen hatte und bei dem, was andere hier Anwesenden sagten. Es dauerte einen Moment, bis er etwas dazu sagen konnte. Er hörte sich alles an, analysierte und musste doch tatsächlich einen Moment lang zugeben, dass die Informationen durchaus wichtig waren. Deswegen gefielen sie ihm aber noch lange nicht. Er verwies alle Männer des Raumes und nur er und die Psychologin blieben übrig.

Sie war ohne Zweifel manipulativ, aber das war teils sogar der Job von Polizisten, um ihre Antworten zu bekommen. Hätte er zu diesem Zeitpunkt gewusst, was ihre Mittel gewesen waren und dass es ihr dabei weniger um die Wahrheit ging, wäre er wohl sehr wütend auf sie gewesen. Jetzt musste er den Schaden begrenzen, für diejenigen, die überlebt hatten. Es sollte ihn wohl kümmern, dass ein Mensch ermordet worden war, aber manchmal führte kein Weg daran vorbei.

„Warum glauben Sie, dass es Recht ist, eine 18-jährige wegen ihres Rufs zu verurteilen? Dann hat sie eben mit zwei Jungs, die sie eine lange Zeit kennt, ihren Spaß gehabt. Das rechtfertigt nicht, was unser Opfer mit ihr getan hat. Und wenn es zu seinem Tod führte, dann war das Notwehr oder Nothilfe, je nachdem, wer es getan hat. Und es macht sie nicht automatisch zu unserem Täter“, sagte er sachlich, klang dabei nur halb so emotional, wie er gekonnt hätte, um der Frau nicht seine Sympathien zu offenbaren, die verschlang sie offenbar wie ein Gierschlund und nutzte sie auf jegliche Weise, die ihr gerade richtig erschien.

„Na hören Sie mal. Finden Sie es etwa richtig, einen Vergewaltiger zu verstümmeln und zu erschießen?“ fragte Yamada den Polizeipräsidenten entrüstet; das hätte er echt nicht für möglich gehalten. Und er wollte die arme Frau nicht so hängen lassen, die schließlich auch nicht wollte, dass Vergewaltiger frei herumliefen. Nicht?

„Nein, der Schuss war noch das Humanste. Aber die Unschuld vom Lande war seine Schwester auch nicht. Ich kann natürlich nur mutmaßen…“ Sie nahm wohl fälschlicherweise an, die Frage sei an sie gerichtet, dabei war sie das nicht. Offenbar war sie in Erklärungsnot geraten, da sie sich nicht unbedingt so richtig verhalten hatte.

„Ich will aber von Mutmaßungen nichts mehr hören!“ fuhr Takeshi Akaja dazwischen.

„Aber wir müssen alle Möglichkeiten ausschließen. Also führt kein Weg daran vorbei!“

Die Frau Mitte 20 war jedenfalls sehr wortgewandt und klug genug, um Rechtfertigungen für ihre Methoden zu finden. Dann warf sie ihm noch diesen ernsten Blick zu, der aufrichtig erschien. „Nur, weil jemand Leid erfahren hat, ist ihm noch lange nicht erlaubt, selbst zu richten. Das wissen Sie genau.“

Und am Ende hatte sie damit noch Recht. „Ja, aber der einfachste Weg ist auch nicht immer der Beste. Oder der Richtige. Betrachten wir es von der Logik-Seite. Sie war zu dem Zeitpunkt traumatisiert. Sie wäre nicht in der Lage gewesen, so eine Tat zu begehen, Kagawa-san. Das müssen Sie doch bedacht haben. Eine traumatisierte Vergewaltigte ihres Zustandes bringt es einfach nicht fertig, einen PERFEKTEN MORD zu begehen. Weder könnte sie ihren Bruder verstümmeln, ohne ihre DNA zu hinterlassen, noch könnte sie ihn töten, ohne Spuren. Wollen Sie das etwa auch anzweifeln?“ Mittlerweile hörte man, dass es ihn ärgerte, wenn man etwas für entschieden hielt und nicht alle Fakten beachtete, nur weil man sie nicht sehen wollte.

„Oh, dann passen Sie mal auf. Mit 13 – ich wiederhole – mit 13 hat sie sich in psychiatrischer Behandlung befunden, weil sie die Scheibe ihres Zimmers zerbrochen hat, um abzuhauen. Ihr Vater musste sie in eine Klinik bringen lassen, wo sie das Verhalten des Kindes untersuchten. Sie litt unter Aggressionsproblemen. Die anschließende Diagnose: Dissoziale Persönlichkeitsstörung. Sie lebt jenseits der Regelnormen. An ihrer Schule sagten sie, sie hätte immer nur Schwierigkeiten gemacht. Neigung zu Vandalismus, leichtfertige Freundschaften mit Jungs. Kein anderes Mädchen wollte lange mit ihr zu tun haben. Meine Kollegen sagen, die Mutter des Opfers sei in Tränen ausgebrochen, weil das Kind ihren einzigen Sohn verführt hat. Sie ist schwanger geworden und er hat Panik bekommen. Er soll ihr sogar völlig verzweifelt berichtet haben, dass er Mist gemacht hat.“

Sie redete sich ordentlich den Mund fusselig, nur um ihn zu überzeugen, dass das Mädchen gefährlich war und sie damit rechnen mussten, dass sie es gewesen war.

„Tja, das mag sein. Er hat die Kontrolle verloren. Mehr beweist das nicht. Weder beweist es, dass sie sich gerächt hat, noch dass sie zur Tatortzeit überhaupt noch dort war. Das einzige, was wir wirklich wissen, ist, was er getan hat, nicht was sie getan hat. Man darf ihren physischen Zustand nicht außer Acht lassen. Sie wurde schwer blutend in die Notaufnahme aufgenommen. Sie ist fast gestorben. Zwischen Tatzeit und Aufnahme in der Klinik verging sehr wenig Zeit. Sie war UNTER KEINEN UMSTÄNDEN DAZU IN DER LAGE IHM DAS ANZUTUN! Haben Sie das nun begriffen?“

Man war der hartnäckig. Sie wirkte widerspenstig, sagte jedoch keinen Ton mehr, immerhin war er sogar lauter geworden. „Ich wünsche also, dass Sie aufhören, danach zu beurteilen, dass sie gern mit Jungs zusammen war.“

Danach ging er. Verärgert über sie. Das durfte einfach nicht wahr sein. Und er hatte geglaubt, eine Frau, die selbst schon einmal angefallen worden war, würde mehr Mitgefühl für solch ein Opfer zeigen. Er war sogar ein bisschen davon schockiert. Die hatte wohl ihr Herz in ihrem Studium vergessen mit in ihre Tasche zu packen, als sie das Diplom eingesackt hatte.

Er wollte gerade in sein eigenes Büro zurück, als er gegen die Wand gelehnt, einen Jungen bemerkte.

„Hallo, Onkel. Hast du Zeit? Ich muss etwas richtigstellen.“

„Ich hab immer Zeit für dich.“ Er nahm ihn mit ins Büro, wies ihm den Platz gegenüber seinem Schreibtisch an und dann redeten sie. Der Junge sah ein bisschen angefressen aus, das hatte nie etwas Gutes zu bedeuten.

„Wo drückt dich der Schuh, Takahashi?“

„Deine Mitarbeiterin hat Toshi voll reingelegt. Um ihm Sachen in den Mund zu legen!“

„Oh, erzähl mir Genaueres.“ Wenn das stimmte, würde er dieser Frau den Arsch aufreißen.

„Sie wollte wissen, wie nahe wir Saki stehen… Und dann hat sie aus ihm rausgepresst, dass wir einen Dreier hatten. Soweit stimmt’s ja noch, aber wie es wirklich war, hat sie gar nicht interessiert. Hauptsache es fällt auf unsere Freundin zurück. Dabei bin ich der Schlimme in der Sache.“

Akaja lehnte sich den Kopf auf die Hand. „Oh je. Was hast du gemacht?“ Jedenfalls wurde ihnen nie langweilig. Takahashi sorgte immer ein bisschen für Action – er war bemüht sich artig zu benehmen, aber manchmal passierten trotzdem Dinge, die nicht ganz so brav waren. So wie das hier mal wieder. Aber er war ein Junge, mit äußerster Neugier an allem, was es zu entdecken galt. Er war sehr aufgeweckt, wissbegierig und wild. Außerdem fürchtete er sich nicht davor, neue Welten zu erkunden, von denen andere sich lieber fernhielten.

„Saki und Toshi waren in Kyoto zwar zusammen, aber er war ihr einfach zu brav, weißt du? Deswegen dachte ich, wenn ich sie ihm zum Geburtstag einlade und etwas laufen soll, muss ich vorher dafür sorgen, dass sie mitspielt. Und ich hab sie nicht darum gebeten, dass sie mit uns beiden rummacht und so.“

Dieser Junge. Nicht einmal davor, seine Fehler zuzugeben, hatte er wirklich Angst. „Ich habe sie eingeschüchtert und dazu gezwungen, mitzumachen. Ich war richtig böse zu ihr, damit sie Angst hat und mitspielt.“

„Verstehe. Du hast ihr keine Wahl gelassen.“

„Deine psychologische Mitarbeiterin tut nun aber so, als wäre es Sakis Fehlverhalten, dass sie mit zwei Jungs in einer Nacht zusammen war.“

„Gut, dass ihr Zwei euch alles erzählt. Sonst wäre sie mit der Nummer noch so davongekommen.“ Seine Worte waren eindeutig. Sie würde jetzt eben nicht damit durchkommen.

„Aber eine Frage, Onkel. Warum versucht man überhaupt sie in so ein schlechtes Licht zu rücken? Geht’s wieder los?“

Takeshi sah ihn traurig an und seufzte tief. Ja, genau. Es ging wieder los. Wieder einmal versuchten Polizisten den weiblichen Wesen die Schuld für ihre Erlebnisse in die Schuhe zu schieben. Er hatte allen Kindern klargemacht, dass bei Vergewaltigung nur einer Schuld hatte. Derjenige, der vergewaltigte. Ob es nun eine Tat durch einen Mann oder eine Frau war. Der Täter war der Schuldige, sonst keiner.

„Außerdem – wir wurden wie Verbrecher behandelt, nur weil wir zu ihr ins Krankenhaus wollten! Das ist nicht gerecht!“

„Es würde euch nicht guttun, wenn ihr sie jetzt so seht. Glaub mir, es ist besser so, wenn ihr wartet, bis sie wieder zur Schule kommt.“

Was auch immer passiert war, es klang beängstigend. „Aber… Sie ist unsere Freundin. Ist es so schlimm gewesen?“

„Ich kann nur sagen, ein Trauma ist nicht auszuschließen, deswegen muss man sorgfältig vorgehen. Nicht stürmisch, so wie ihr das würdet.“

Deswegen also. Ja, sie waren stürmisch und dachten manchmal nicht nach. Er allen voran, oder?

„Aber sie ist außer Gefahr, oder? Ich meine, sie kann nicht sterben?“

„Sterben tun wir alle irgendwann. Aber sofern sie nicht suizidgefährdet ist, wird sie so schnell schon nicht sterben. Da kannst du unbesorgt sein. Die im Krankenhaus tun ihr Bestes, damit es ihr besser geht. Außerdem ist sie gar nicht der Typ, der sein Leben wegwirft.“

„Okay. Hoffentlich erholt sie sich davon.“ Für ihn stand eigentlich schon fest, was passiert war. Es ging fast nicht offensichtlicher. Es kotzte ihn an, untätig zuzusehen und sie nicht einmal besuchen zu dürfen, aber er sah ein, dass sie jetzt vielleicht gerade nicht dazu in der Lage war, noch zwei Jungs zu ertragen. Vermutlich hatte sie von allen Männern gerade die Schnauze voll.

Toshi sah zu ihm hoch, als er zu ihm kam, sich neben ihn in den Wartebereich setzte und den Kopf dabei gegen die Wand lehnte. „Mein Onkel glaubt mir. Wenigstens etwas. Er wird jetzt schon dafür sorgen, dass man schön brav bei den Fakten bleibt.“

„Hast du erfahren können, was mit ihr los ist?“

„Nichts Konkretes. Die halten alles geheim.“

„Aber du hast erfahren wie es ihr geht?“

„Nein.“ Besser er sagte gar nichts dazu, immerhin wusste er ja wirklich nicht, wie es um sie stand.

„Und wir dürfen da nicht mehr hin?“

„Du hast die Kriminalisten doch gehört: ‚Haltet euch vom Krankenhaus fern. Das geht euch nichts an‘!“ Das hätten sie ihnen auch netter sagen können, dass sie ihre Nase nicht in die Angelegenheit stecken sollten.

„Vielleicht weiß Ryochi etwas?“

„Dem sagen sie hundert pro dasselbe. Es muss etwas sein, wofür wir einfach zu jung und unerfahren sind.“ Und was war das wohl? Arme Saki. Er hätte nicht gedacht, dass ausgerechnet ihr so etwas passierte. Aber es konnte nun wirklich jede treffen. Es war völlig belanglos, ob jemand vorlaut, schüchtern, durchsetzungsfähig oder eher labil war. Es reichte schon, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Und schon passierte einem etwas.

 

Der Grund, warum Takeshi all diesen Jungs nichts sagte, war, dass selbst ihm das Ganze Kopfzerbrechen bereitete und keiner von ihnen das einfach so wegstecken würde. Nicht mal die, die bis heute glaubten, sie würden alles aushalten. Als er in seinem Büro saß und auf das Ultraschallbild aus der gynäkologischen Praxis schaute, war ihm fast sogar schlecht. Er rieb sich das Gesicht. Ihr Bruder hatte – seiner eigenen kruden Ansicht nach - sicher einen nachvollziehbaren Grund dafür gehabt. Nur welcher das war, konnten sie nicht sagen, solange Saki nicht willig war, es ihnen mitzuteilen. Matsuyama hatte sich ja auch total vorbeibenommen, also hatte sie jetzt sicher kein Vertrauen zu irgendeinem Polizisten. Megure war auf jeden Fall einer der Kommissare, die genügend Einfühlungsvermögen besaßen – manchmal sogar zu viel davon – um es vielleicht doch noch zu schaffen, auf ihre Fragen Antworten zu bekommen. Ohne, dass man sie beschuldigte. Ein Teil von ihm wünschte den Tätern sogar, sie mögen damit davonkommen, immerhin hatten die sie gerettet. Wer wusste schon, wie weit dieser Kerl gegangen wäre, wenn man ihn nicht gestoppt hätte? Er hatte genug Schaden angerichtet und Akaja traute ihm zu, dass er noch größeren angerichtet hätte. Dann wäre jetzt nicht er tot, sondern ein 18-jähriges Mädchen. Wer so wenig Selbstkontrolle hatte, dass er seiner Schwester so etwas antat, der würde auch vorsätzlich töten, um jemanden zum Schweigen zu bringen. Typen wie er wollten mit den perversen Taten schließlich davonkommen. Und das führte dazu, dass sie es mit allen Mitteln versuchten. Sie konnten nicht riskieren, dass das Opfer reden konnte.

 

 

15. Januar - Feed her to the wolves

 

 

Dinge blieben in der Organisation nur sehr selten lange geheim. Wenn man für zu viel Aufsehen sorgte, passierte es schnell, dass die verschiedensten Leute Pläne mit einem schmiedeten.

So wie die Blondine, die mit ihrer Schwester die neusten Erkenntnisse teilte.

„Es ist ja äußerst interessant, dass unsere hochgeschätzte Vermouth nichts davon weiß. Was Männer angeht, ist sie nur halb so brillant, wie sie immer tut. Scheint mir, dass sie von ihrer schwächlichen Schwester auch noch eine Menge lernen kann.“ Während Chenin sich schminkte, sagte sie das zu ihrer Adoptivschwester Trincadeira. Sie konnten keinen Tag verstreichen lassen, ohne zu tratschen.

„Dass Seyval sie immer noch einspannen kann…. Dieser ganze Familienquatsch ist am Ende nur mit Ärger verbunden“, sagte diese daraufhin, während ihre Augen gefährlich blitzten. „Aber ich kann verstehen, dass sie von all dem Schein ganz schön angewidert ist.“

„Was glaubst du, wie würde das Küken reagieren, wenn du ihre Unwissenheit gegen sie verwendest? Scheinbar verhält sich Jami wie ein Schaf, sonst würde sie ihm kaum abkaufen, er sei ein feiner Mann.“

„Du machst mich neugierig, Chenin, was meinst du damit denn?“ Trincadeira beobachtete die Schwarzhaarige, wie sie hämisch zu lachen begann.

Daraufhin sagte Chenin: „Seyval tut alles dafür, um Chardonnay loszuwerden. Als sie gehört hat, Jami sei einer seiner größten Feinde, ist sie mit dem ins Bett gestiegen, damit er für sie arbeitet.“

Trincadeira fasste sich ins Gesicht, allerdings war das der beste Weg, um einen Kerl für einen tätig werden zu lassen. Man ließ ihn etwas naschen. „Na hoffentlich hat sie sich bei ihm mehr angestrengt, als bei ihrem Ehemann.“ Den hatte sie jawohl nur zur Zeugung ihres Sohnes rangelassen, wenn man den Gerüchten glauben konnte.

Chenin fand das offenbar lustig. „Seyval sich anstrengen? Wovon träumst du denn, Schätzchen? Einmal erniedrigen ist genug, dann hat er zu spuren!“ Sie lachte dreckig und sah Trincadeira schließlich an. „Sie hat ihm ihre Geschichte erzählt und ansonsten den Typen die ganze Arbeit machen lassen; und dem gefällt’s noch.“

„Absolut typisch. Warum lebt Chardonnay eigentlich immer noch? War wohl nicht gerade seine beste Session, was?“

„Na, sie hätte es schon einige Male mit ihm treiben müssen und etwas kräftiger weinen. Einmal die Beine breitmachen und dann gleich sagen, was man will, kommt nicht so besonders gut an. Aber sie ist sehr unterhaltsam und vor allem: Inspirierend. Gerade dann, wenn dir dein Gatte mächtig auf den Geist geht. Du hilfst mir doch, Rachel, oder? Ich muss diesem Kerl suggerieren, dass mir etwas Schreckliches widerfahren ist.“

„Dafür musst du schon bluten, damit er dir das jetzt noch abkauft – nur wegen einer dämlichen Kuh, wie Seyval, ist er ja jetzt ein gebrandmarktes Kind.“

„Meinst du, er kann Kunstblut von richtigem Blut unterscheiden, oder was soll das heißen?“

„Jami ist jetzt leider kein Laie mehr auf seinem Gebiet, dem kannst du keine Show liefern. Anokata musste sich ja total dafür begeistern, ihn in die Forschungen einzubinden.“ Wenigstens war Anokata genauso begeistert für ihre Arbeit, die lediglich aus dem Schminken der verschiedensten Menschen bestand. So konnte er seinen Liebling besser unter Kontrolle halten, denn in den letzten Jahren war einiges aus dem Ruder gelaufen.

„Also, wenn Plavac und Jami so gut in ihrem Job sind, wieso sollst du dann Vermouth im Auge behalten?“

„Frag mich nicht. Ich schätze, er glaubt, dass Promis ihren Visagisten sonst was erzählen. Ich mache mir da keine großen Illusionen, aber man erfährt genug. Jedenfalls schadet es mir nicht, Freundschaft mit ihr zu schließen. Sie genießt ein gewisses Ansehen, oder etwa nicht, Chenin? Man stellt sich gut mit ihr, sonst packt sie die Fallen aus und prangert dich beim Boss an.“

„Der hört ihr auch brav zu, warum auch immer. Das muss uns nicht jucken. Mich stört sie auch gar nicht so sehr, wer mich stört, ist…“ Ihre Augen verzogen sich zu Schlitzen.

Da fiel ihr die eigene Schwester ins Wort.

„Retsina. Die flattert rein, irgendwer rettet sie und holt sich die Erlaubnis, sie abzuschirmen, egal wie und schon darf sie weiter das liebe Mädchen spielen, was kein Wässerchen trüben kann. Was ist in den Boss gefahren, dem zuzustimmen? Wird er alt?“ fragte Chenin genervt, aber auch ratlos.

„Kann sich nicht erlauben, noch so eine Tussi zu züchten, wie Seyval? Sie bringt Unruhe in die Reihen, vergiss das nicht. Die gepeinigte arme Frau, die immer um sich schlagen muss. Langsam nervt das. Und alle guten Typen bedauern sie die ganze Zeit. Die kommt noch unseren zu nahe.“

Trincadeira hatte einen ganz bestimmten Mann im Auge. Leider war er an die falschen Frauen geraten und jetzt alleine mit den zwei Kindern zurückgeblieben. Da konnte sie ihre Mutterqualitäten unter Beweis stellen. „Jamie Moore gehört mir, misch dich da ja nicht ein!“ drohte Trincadeira postwendend und ballte dabei sogar eine Hand zur Faust. Dabei hatte Chenin mit keinem Wort gesagt, dass sie ihn ihr wegschnappen wollte.

„Oh keine Sorge, ich stehe nicht auf blond“, grinste sie, das war auch der einzige Grund, ihrer Adoptivschwester nicht den Kerl auszuspannen. „Lass es dir aber wenigstens nicht wieder sofort anmerken, wenn du den Kerl wirklich willst. Männer stehen nicht drauf, wenn du ihnen hinterherrennst. Sie wollen erobern. Sogar Jami, wie er gerade unter Beweis stellt.“

„Und du hegst wirklich keinen Groll gegen den Kleinen?“

„Warum sollte ich? Der Organisation trotzen zu wollen, so ein dummer Junge. Eher zu bedauern, oder liege ich falsch?“

Sie sah den Blick im Spiegel und wusste diesen sehr wohl zu deuten. „Vielleicht hätte deine Patentante keinen Idioten heiraten sollen, dann wäre sie wohl noch am Leben. Mhm? So kann man das natürlich sehen. Ich hingegen finde…“

„Lass es!“ Chenin war aufgesprungen. Immer hackte sie auf diesem alten Thema rum, es war Schnee von gestern.

„Aber er wollte Vermouth und Seyval in Amerika davonlaufen! Nur deswegen haben sie deine Patentante hingerichtet!“

Ein riesengroßer Dämon hing in der Luft und sie wusste diesen zu nutzen, so wie sie alles zu nutzen wusste, sogar ihre Adoptivfamilie. Sie hatte dafür gesorgt, dass ihre richtige Familie für alles büßte, was ihr in den letzten Jahren widerfahren war. Dass sie dieses Leben führen musste, unter strengen Regeln. Das war alles ihre Schuld, weil sie sie verkauft hatten, da war sie gerade einmal zehn. Und ihr anderes Ich führte das schöne Leben, was sie sich stets gewünscht hatte. Ein Leben in Freiheit, mit einem netten Mann, mit dem sie Kinder haben konnte. In dieser Organisation sollte man das niemals wagen. Der Boss liebte kleine Bälger, die wussten noch nicht, wie gemein und ungerecht das Leben zu ihnen war. Sie waren gut zu formen. Das wollte sie keinem Kind antun. Und Seyval? Die hatte eine Schwester mit hohem Ansehen, deswegen hielt man ihre Kinder aus all dem raus. Nur, weil Vermouth es so wollte. Reichte es nicht allmählich? Dieses Frauenzimmer sollte endlich verschwinden…

 

Die Rotblonde freute sich schon unendlich auf dieses Shooting. Allerdings ein Stück weit weniger auf die kritische Fotografin und die Maskenbildnerin. Beide waren ihr ziemlich unsympathisch und sie spürte – trotz ihrer beider Lächeln, dass sie ihr alles andere als wohlgesonnen waren. Sie taten freundlich, aber das war sie schon gewohnt, damit konnte man sie nicht täuschen. Zudem hatte Vermouth sie im Voraus zu vielen Personen – meistens weiblicher Gestalt – aufgeklärt. Sie vertraute ihr und wurde dafür noch ausgelacht. Wer diesem Miststück traute, konnte nicht ganz bei Trost sein.

Wenigstens war sie nicht alleine, die anderen Models leisteten ihr Gesellschaft. Eine von ihnen schien ihr besonders nett, sie war ziemlich hübsch und hatte eine angenehme Art an sich. Ganz anders als die meisten Anderen, die nur eines beherrschten: Eingebildet in Spiegel sehen und sich arrogant durchs Haar fahren.

„Oh, du armes Ding. Ich hoffe, vor der Kamera zeigst du mehr Selbstbewusstsein, sonst wirst du es in diesem Business nicht weit bringen.“ Rachel griff sich grob eine Haarsträhne und zog sie lang. „Das ziept jetzt ein bisschen. Muss aber sein. Natürliche Schönheit ist schon lange nicht mehr in. Außerdem ist das langweilig.“ Die Blondine zwinkerte ihr zu und war nicht besonders vorsichtig mit ihrem feinen Haar, in das sie Volumen zaubern sollte. Löwenmähne hatte die schwarzhaarige Schönheit gesagt – sie würde regelrecht zaubern müssen, um aus ihrem Gesicht etwas Wildes herauszuholen, von den Haaren ganz zu schweigen.

Macy ist eine sehr strenge Fotografin. Wenn ich du wäre, würde ich ihr nicht widersprechen. Einfach machen, sonst stellt sie dich noch nackt vor die Tür.“

Es war eine Kunst, bei so viel Hohn noch ein Lächeln zu zeigen. „Oh, keine Sorge, es ist nicht mein erstes Shooting“, antwortete ihr die zierliche Frau, so dass die Visagistin sich schon alleine deswegen ärgerte, weil sie sie nicht ängstigen konnte.

„Wie kommt eine schüchterne süße Maus, wie du, denn dazu, zu modeln?“ schleimte die 30-jährige.

„Das steht doch außer Frage“, hörte sie vom Platz neben ihnen. Frechheit, dass sich jemand in ihre Konversation einmischte. „Sie ist ziemlich hübsch.“

„Man unterbricht keine Erwachsenen“, tadelte sie das 16 Jahre junge, brünette Ding. Dieses lächelte sie entschuldigend, aber trotzdem irgendwie souverän an.

„Ich habe lediglich die Frage für sie beantwortet. Weil sie es nie sagen würde, das wäre ja eingebildet.“

„Kümmer dich um deine Angelegenheiten!“ wurde die Brünette von der Blonden angefahren und ein böser Blick kam hinterher geschossen. Musste die sich einmischen, das verdarb ihr noch den ganzen Spaß…

‚Die ist ja bissig wie ein Tier!‘ Sie war richtig erschrocken und hielt sich die Hand an die Brust.

Wenig später ging die Tür auf und ein schwarz gekleideter Mann trat herein. Er trug eine Sonnenbrille und Lederjacke. Das machte sein cooles Outfit komplett.

„Du liebe Zeit, gerade so rechtzeitig!“ entkam ihm, dann wank er der Visagistin.

„Wer ist das denn jetzt?“ fragte die Rotblonde.

Die Brünette blickte erst zu der Blonden, dann zu ihrem Gegenüber, schließlich drehte sie den Kopf herum und erblickte ihn. In dem Moment, als eine der Damen den ersten Lidstrich machen wollte, sprang sie auf – wie von einer Tarantel gestochen – und rannte zu dem schwarzgekleideten Kerl.

„Was machst du denn hier?“ fragte sie ihn heiter, wenig später wurde der perplexe junge Mann stürmisch umarmt und umklammert.

‚Ach du Scheiße. Was mache ich hier? Dasselbe könnte ich dich fragen!‘

„Beruhig dich, Shio“, flüsterte er. „Und jetzt nicht meinen Kosenamen sagen.“ Verwirrt blickte sie ihn an. „Aber du bist mein-“

Man räusperte sich hinter ihnen, so dass sie erschrocken zu der schwarzhaarigen Fotografin sahen. „Was soll das, Enomoto? Erst zu spät kommen und dann noch die Mädchen aufmischen? Ich will eiserne Disziplin! Egal in welchem Alter.“ Sie warf der jungen Frau einen bösen Blick zu. „Sofort zurück an deinen Platz! Quatschen könnt ihr nach dem Shooting! Mein Zeitplan ist eng!“ Erbost drehte sie sich mit einem Zischen um und meckerte noch leise vor sich hin, während sie sich weiter um die Kulisse kümmerte.

„Warum darf ich denn nicht sagen, dass du mein Cousin bist?“ flüsterte sie dem Schwarzhaarigen ins Ohr und dieser seufzte. Nun musste er sie noch irgendwie einweihen.

„Weil ich’s undercover mache“, flüsterte er zurück. „Damit es nicht jeder weiß.“

„Ach so – du bist verrückt wie immer.“ Sie lächelte munter und tänzelte dann zu ihrem Stuhl.

„Entschuldigung, er ist ein guter Bekannter“, sagte sie zu der Visagistin und diese nickte. „Jetzt aber schön stillhalten.“ Zu der Brünetten war sie viel netter, als zu der Rotblonden. Das war etwas Persönliches.

Obwohl sich Shiori ruhig verhielt, bekam sie das Verhalten der Blonden durchaus mit. Sie fand es unmöglich und ziemlich gemein gegenüber der Rotblonden. Dass Menschen sich immer so streiten mussten. Nochmal mischte sie sich nicht ein, aber es reichte für einen negativen Eindruck gegenüber der Visagistin.

 

[Rachel Cooper (30 Jahre), Visagistin & Makeup-Artist]

 

Das war alles, was sie von ihr wusste. Und die strenge Fotografin war ihre Schwester.

 

[Macy Perez (26 Jahre), Fotografin & Model]

 

Man hatte ihr erzählt, dass sie schon viele Fotoshootings gemacht hatten. Richtige Profis also. Es war so aufregend, man hatte sie erst neulich gefragt, ob sie an einem Shooting für einen guten Zweck teilnehmen wollte. Sie sei so wahnsinnig hübsch und hätte eine natürliche Ausstrahlung. Jetzt war sie hier mit diesen fremden Menschen, da war Sêiichîs Auftauchen ihr gerade Recht. Wenigstens einen, den sie kannte. Natürlich war sie aufgeregt, es war zwar nicht ihr erstes Mal, aber sie hatte richtig Lust darauf.

Sie selbst modelte schon seit einiger Zeit, obwohl sie noch so jung war. In Japan fing man sehr früh damit an.

[Shiori Sawatari (16 Jahre), Model & Oberschülerin]

 

Dass sich ihre Wege kreuzten, war mehr oder minder Zufall. Sie musste unbedingt Yuichi erzählen, dass Sêiichî auch an der Kampagne des Tierschutzvereins teilnahm.

 

Nach dem Stillsitzen und sich schminken lassen, kam ein weiterer wichtiger Part. Das Umziehen. Die drei Models fuhren mit den Händen über den weichen Pelz. „Irgendwie will ich das nicht anziehen, das fühlt sich total falsch an…“

„Der Pelz, oder ihn zu tragen?“ fragte der Schwarzhaarige seine Cousine. „Der ist so was von echt.“

„Ja, genau. Dafür sind Tiere gestorben. Wer weiß unter welchen Umständen.“

„Genau darum geht es“, sagte die Blonde jetzt und griff sich einen der Pelze von der Stange. „Ihr sollt den auch nicht anbehalten, ihr seid schließlich Models, die gegen das Pelztragen sind“, verriet sie. „Ihr werdet den Pelz abwerfen.“

„Okay“, sagte der junge Mann, dabei war ihm noch nicht ganz bewusst, was das genau bedeuten sollte.

„Ich möchte, dass ihr in der Umkleide alles ablegt und nur den Pelz tragt.“

„Wie bitte?“ entrüstete sich die Rotblonde. „Wir sollen uns nackt ausziehen?“

„Richtig. Sie will richtig Action. Also tobt euch schön aus. Richtig mit Schmackes den Pelz runterwerfen. Aber keine Sorge, ihr bekommt Ersatz.“

„Und wie soll der aussehen? Ich ziehe mich doch nicht vor einer Kamera nackt aus“, sagte die 20-jährige, bekam wenig später aber einen tadelnden Blick.

„Dann kannst du direkt nach Hause gehen“, sagte die Blondine kühl. „Zimperliesen kann sie überhaupt nicht leiden.“

„Kann ich einen Bikini anziehen?“ entgegnete Shiori, ausziehen hieß ja nicht unbedingt, dass man gar nichts trug. Viele Models trugen zudem noch einen Hautfarbenen Anzug. Sie bezweifelte, dass auf den Fotos viel zu sehen sein sollte, es ging um etwas völlig anderes. Nämlich um die Auswirkungen in der Pelzherstellung. Dafür wurden rücksichtslos Tiere umgebracht. Das war schlimmer, als ein bisschen Haut.

Es war unglaublich, dass dieses junge Ding damit ankam und ihre ältere Kollegin sich so anstellen wollte. Da lächelte Rachel. „Das ist eine sehr gute Idee und durchaus machbar.“ Ihr Blick schwang auf die ältere Rotblonde. „Und du, ist das auch für dich in Ordnung?“

„Nein ist es nicht! Ich werde mich nicht ausziehen!“

So eine Zicke, sie lächelte noch ein bisschen breiter. „Gut, dann bist du raus.“

„Aber…“

„Solange du nicht völlig für die Sache brennst und dafür kleine Opfer in Kauf nimmst, bist du für diesen Job nicht geeignet. Es wird dich schon keiner fressen.“ Jetzt drehte sie den Kopf zur Seite, wo der Schwarzhaarige völlig perplex stand. „Oder hast du etwa Angst, er guckt dir etwas ab? Wir passen schon auf, dass er sich benimmt.“ Ihre Augen funkelten kurz, dann drehte sie sich zu ihm. „Zeig der Kleinen, was du zu bieten hast. Vielleicht überlegt sie es sich ja noch einmal.“

Ein stummes Nicken kam von ihm, dann zog er sich das Hemd über die Schultern aus.

Damit wurde es nicht besser. Wo es ihm nicht an Selbstbewusstsein mangelte, hatte dafür die Andere mehr als genug Probleme. Shiori hingegen strahlte ihn an. „Wow, du siehst ja richtig gut aus.“

„Vielleicht werdet ihr locker, wenn wir den Ersatzpelz hinzuholen“, kam von der Fotografin, die einen Blick hinter sich andeutete, wo zwei junge Frauen mit zwei Hunden kamen und diese von der Leine ließen. Beide waren neugierig und sprangen sofort wie wild um sie herum, dabei wedelten sie begeistert mit dem Schwanz. Shiori konnte sich nicht mehr zügeln, sie war hin und weg. „Awwww wie süß!“ Mit den Worten kniete sie sich zu den beiden sehr kleinen Shiba-Inus hinab und nahm einen hoch. Auch der Schwarzhaarige lächelte und streckte dem einen seine Hand hin. Er war vorsichtiger, aber nicht weniger begeistert. Der kleine, aufgeweckte Kerl sah an ihm hoch und leckte ihm schließlich ganz vorsichtig die Hand, da wagte auch er ihn hochzuheben und auf dem Arm zu halten.

„Es ist für einen guten Zweck, also spring über deinen Schatten“, sagte er zu der Rotblonden, die sich schon beim Anblick seines nackten Körpers schämen wollte. „Oder ist dein Freund nicht damit einverstanden, mhm?“ Er redete wie immer drauf los, wie ihm der Schnabel gewachsen war, er konnte ja nicht wissen, dass sie das nur mehr zickig werden lassen würde.

„Wieso muss der Grund ein Freund sein? Ich will es einfach nicht! Und wenn ich etwas nicht will, mache ich es auch nicht.“

„Sicher?“ Kenji drehte sich zu ihr und überreichte ihr einfach den Hund. „Auch nicht dafür, um Idioten davon abzuhalten, weiter Tiere zu töten, nur damit noch mehr Idioten Pelz tragen können?“

Der Kleine hechelte und sah sie mit seinen unschuldigen Hundeaugen an, da wurde sie tatsächlich ein bisschen weich. Traurig sah sie sich das Bündel an und strich ihm sachte über den Kopf. Er schmiegte das Köpfchen an sie und leckte dann einmal ihr Handgelenk.

Ihr war mehr als unwohl, aber sie nickte. Der Hund wurde runtergelassen und sie suchte sich eins der Kleidungsstücke, um sich umzuziehen. Dann verschwand sie in der Umkleide.

„Ich glaube, sie will es so gar nicht“, meinte Shiori. „Dabei ist sie sehr groß und hat eine schöne Figur. Kein Grund sich zu schämen. Im Schwimmbad zeigt man sich schließlich auch her, oder?“

Schlimmstenfalls war er hier das größte Problem. Er hatte auf Jami geschossen, das hatte sie nicht vergessen, bestimmt konnte sie ihn kein Stück leiden.

„Ich zieh mich dann auch mal um.“ Kurz darauf war auch Shiori in der Umkleide verschwunden.

Der junge Mann zeigte wachsende Begeisterung, noch einen Moment mit dem kleinen Kerlchen zu schmusen. Er musste sich schließlich nicht noch weiter umziehen. Er würde so bleiben.

Shiori kam viel eher wieder aus der Kabine und schien sich auch weniger zu genieren. Man musste ihr überhaupt nichts erklären. Sie zog sich den Pelz über und wollte gleich loslegen…

„Wo bleibt sie denn?“ fragte sie aufgeregt und ihr Cousin zuckte mit den Schultern, obwohl er sich denken konnte, dass sie sich nicht raus traute.

„Lass uns schon einmal anfangen“, warf Macy dem jungen, hübschen Typen zu, den sie nur zu gerne etwas länger mit ihrer Kamera einfangen wollte. Er zog sich den Pelz über und lief zu dem für das Shooting vorgesehene Set, um sich zu positionieren.

Wenig später begann bereits die Show. Er blieb nicht still stehen, sondern posierte auf verschiedene Art und Weisen, irgendwann währenddessen warf er den Pelz im hohen Bogen von sich. Eine Dame brachte ihm das Hündchen und er nahm es auf die Arme.

„So, Kleiner, jetzt bist du dran. Enttäusch mich nicht, ja?“ sagte er liebevoll und streckte ihm das Gesicht hin. Der Hund sah nicht ein still in seinem Arm liegen zu bleiben, sondern streckte sich hoch, um ihm wild übers Gesicht zu lecken. Kenji zuckte mit dem Kopf. „Nicht da lecken.“

„Da hat jemand dich aber lieb“, lachte die Fotografin – kein Wunder, dass sie auftaute. Er hatte verdammtes Talent. Ihn auf den Laufsteg zu schicken, wäre glatte Verschwendung gewesen, er wusste genau, wie er sich in Szene zu setzen hatte. Alles wirkte so natürlich und selbstbewusst. Auch Shiori war beeindruckt von seinem Auftreten. Es war eine Weile her, dass sie ihn gesehen hatte, damals war er noch schüchterner unterwegs, da hätte er sich nie im Leben einen Pelz vom Leib geschmissen.

Rachel schaute unterdessen nach ihrem anderen Model. Sie zog den Vorhang auf, sofort umschlang sie ihren Körper.

„Ach du liebe Zeit. Bist du sicher, dass Model der richtige Job für dich ist? Leute, die Probleme mit ihrem Körper haben, werden ihn auch nicht in Szene setzen können!“

„Na und? Es gibt auch andere Jobs. Ich muss mich nicht ausziehen!“

„Sie ist minderjährig, deswegen werden wir auch nicht drauf bestehen. Du nicht. Wenn du es nicht machen willst, okay. Dann geh doch wieder in dein wohlbehütetes Zuhause zu deinen reichen Eltern.“

Es machte sie irgendwie wütend, wie man sie degradierte auf reiches Mädchen, was wohlbehütet aufgewachsen war.

„Also?“

Es kostete sie so viel Mut, in ihrer spärlichen Bekleidung die Kabine zu verlassen. Auf dem Weg zur Kleiderstange konnte sie sich gar nicht schnell genug etwas zum Überziehen schnappen.

„Sehr schön“, lobte die Fotografin den jungen Mann und rief als nächstes Shiori zu sich. Diese kniete sich auf eine Matte und guckte völlig unschuldig in die Kamera.

Der unschuldige Blick passte nicht ganz dazu, wie sie sich vorne den Pelz aufriss und ihn weit vor sich streckte. So als wäre es etwas total Ekeliges. Dann warf sie sich zu Boden und blieb dort liegen.

„Bleib so!“ sagte die Fotografin und ließ ihren Partner bringen. Ein um sie herumspringendes Hündchen, was sehr auf Spielen aus war. Sie klopfte sich auf ihren flachen Bauch und der Kleine legte sich auf ihr nieder. Sofort begann die Fotografin beide abzulichten, während sie einander knuddelten. Sie herzte das Hündchen so unendlich und presste es sich schließlich sogar zwischen die Brüste. Das war der Moment, wo sie sich in verschiedenen Posen aufrichtete. Ein Bein angewinkelt, das andere lang, den Oberkörper bereits erhoben, behalf sie sich mit der Hand, mit der sie sich abstützte, mit der anderen hielt sie das kleine Fellknäul. Es war superleicht, also kein Problem, es mit einer Hand zu halten.

„Sehr schön.“ Die Fotografin drehte sich herum, da gefror der Rotblonden fast das Blut in den Adern. Sie wusste, von ihr wollte man mehr sehen, als von der 16-jährigen. Zögerlich und mit wenig begeistertem Gesicht ging sie auf das Set zu und begab sich in Pose.

„Jetzt will ich aber eine megamäßige Show sehen!“

Der Pelz wurde langsam abgelegt und zu Boden fallengelassen, dafür war sie umso schneller, die Arme vor den Körper zu nehmen und alles, was sexy gewesen wäre, zu verbergen.

„Oh je“, sagte Kenji dazu und merkte durchaus, dass sie nicht das Selbstbewusstsein hatte, um sich zu räkeln. Schade eigentlich, sie hatte attraktive Beine und war sehr schlank, das perfekte Model also. Nur leider traute sie sich gar nichts.

„Was soll das werden? Nicht so schüchtern! Stell dich etwa so hin“, machte die Fotografin, die schließlich ebenfalls Modelerfahrung hatte, ihr etwas vor. Das nervte sie ungemein.

Der Versuch ebenso souverän und körperbewusst dazustehen, war mehr schlecht als recht.

„Kenji, hilf ihr ein bisschen.“

„Ich glaube, das wäre keine so gut Idee, Miss.“

„Doch. Ihr zwei seid groß, ihr passt perfekt zusammen.“

Der Spruch ging der jungen Frau alles andere als gut rein. „Finde ich überhaupt nicht.“

„Und selbst wenn, es ist mir egal. Ich will Fotos von euch zusammen, also stell dich nicht an, wie die Primadonna, die bist du nicht!“ Jetzt warf sie dem jungen Mann einen scharfen Blick zu und dieser sputete sich. Schon alleine deswegen, damit es nicht die Falschen abbekamen. Es war offensichtlich, auf wen sie es abgesehen hatten.

Vanessa sah ihn an, als sei er der Staatsfeind Nummer eins, das machte es ihm nicht gerade einfach, sich ihr zu nähern. Er wagte ja kaum, eine Hand an sie zu legen. „Komm, stemme die Hand in die Hüfte und versuch die Beine nicht zu eng aneinander zu pressen.“ Es fehlte nur, dass er ihre Beine spreizte, dann hätte er vermutlich gleich ihr Knie sonst wo, oder eine Hand in seinem Gesicht.

„So geht das nicht!“ Macy schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen. „Oh bitte, könnt ihr zwei ihr bitte zeigen, was ich sehen will?!“

„Wer ich?“ Shiori zeigte auf sich. „Und er?“

„Ja klar, vielleicht hast du weniger Berührungsängste.“

Sie hatte keinerlei Probleme, auch wenn er ein Fremder gewesen wäre, aber dass er keiner war, machte es noch einfacher, da lief sie schnellen Schrittes zu ihm hin. Auf dem Arm hatte sie das Hündchen, dieses hielt sie zwar fest, drückte es ihm aber auch ein bisschen entgegen. Ihre Körper berührten sich also nicht. Dabei sah sie ihn verzückt an. „Ist er nicht süß? Los komm, lass ihn uns gemeinsam kuscheln!“

„Leg den Arm um sie, Kenji!“

Er tat wie ihm geheißen wurde, obwohl er versuchte sich so professionell wie möglich zu geben. Es war ein Job, eine Arbeit. Er wollte diesen bestmöglich abschließen. Doch das Stück Playboy in ihm konnte er nicht abstellen, da rückte er Shiori mehr in seine Arme. Sie versuchten Vieles, scheuten sich nicht vor Experimenten, auch wenn es hieß, dass er seinen Traumkörper hinter ihrem versteckte und man nur noch seine Schultern und ganz wenig seines Körpers sah. Er umschlang sie und hielt sie fest.

„Oh ja. Faszinierend. Daran kannst du dir eine Scheibe abschneiden. Das ist Professionalität.“

Während Chenin das sagte, grinste Trincadeira mehr als hämisch. Sie wurde gnadenlos vorgeführt. Man hatte sie ja gewarnt. Wenn man bei denen nicht gut ankam, hatte man nichts Gutes zu erwarten.

„Ich frage mich, ob wir es überhaupt noch mit dir versuchen sollen“, sagte Chenin zynisch. „Das kannst du kaum toppen.“

Das wurmte sie unheimlich, was auch pure Absicht war. Da stampfte sie doch ein wenig unweiblich auf das Set zu und schob Shiori etwas unsanft von Kenji weg.

„Wenn du mich komisch anfasst, kannst du etwas erleben!“

„Chill mal...“, sagte er. „Wieso bist du so unentspannt? Es ist nur ein Shooting. Du tust ja so, als würden wir hier einen Porno drehen.“

„Ach, ihr Problem ist, dass du nicht ihr Freund bist. Daher weht der Wind. Dem würde sie sich sicher in die Arme werfen.“

Am liebsten wollte sie ihr zuwerfen, dass sie gefälligst die Klappe halten sollte. Kenji allerdings lächelte sie an. „Ach, so ist das? Und wenn du dir einfach vorstellst, dass ich dein Freund bin? Würde es dir dann leichter fallen?“

„Weiß nicht.“

„Worauf wartest du, Kenji? Ran an den Speck!“ rief die Fotografin zu beiden hinüber.

Ein Blinder würde merken, dass sie sie auf dem Kieker hatten und sich einen Spaß daraus machten, sie zu schikanieren.

„Ich verspreche dir, dass ich dich nicht unsittlich berühre, ok?“ flüsterte er. „Aber ich würde mich von den zwei Bitches nicht so rumschubsen lassen. Bring’s hinter dich und geh als Gewinner nach Hause.“

Kurz warf sie denen einen verärgerten Blick zu, dann drehte sie sich so von ihnen weg, dass sie nur ihn ansah. „Anscheinend bist du netter, als ich dachte.“ Es verwunderte sie, schließlich war es nicht lange her, dass er auf Kenichi geschossen hatte und wie ein ganz anderer Typ rüberkam. Sie war ihm dankbar, dass er ihr helfen wollte. „Nimm den Hund, ich schmieg mich dann an.“ Sie brauchten zwar ewig, doch sie hatten schließlich eine Position gefunden, die ihnen beiden einigermaßen angenehm war. Selbst wenn sie die 16-jährige als Konkurrentin sehen müsste, da sie nur Lob bekommen hatte, das änderte auch nichts an der Tatsache, dass sie Berührungsängste hatte und sie sich nicht überwinden konnte, allzu wildes Zeug zu tun, so wie es den Beiden sicher gefallen hätte.

Es ärgerte sie, dass man sie so damit treffen konnte, wie unfassbar schlecht sie darin war. Warum hatte sie sich überhaupt auf dieses Shooting eingelassen? Sie hätte es besser wissen müssen.

„Sie ist total verkrampft“, sagte Shiori bekümmert. Da entschied sie etwas total Verwegenes zu tun. „Es ist gar nicht so schlimm, wie du denkst!“ rief sie ihr mit einem Strahlen zu. „Er ist genauso niedlich wie das Hündchen! Stell dir einfach vor, er wäre eins! Und dann knuddle ihn so richtig!“

Das war ihrem Cousin peinlicher, als ihr, denn sie lächelte. Es war total nett von dem Mädchen. Total liebenswert, da nickte sie und schlang beide Arme um den jungen Mann. Es war ja für einen guten Zweck.

Mit einem Mal lief alles wie am Schnürchen. Offensichtlich kannte Shiori ihn besser, also vertraute sie darauf, dass es stimmte und er wie ein Hündchen war, was man liebhaben musste. Vielleicht übertrieb sie etwas mit dem Knuddeln, aber wenn das Ergebnis stimmte, konnte sie sich ja nicht beschweren. Nun blieben die ekligen Kommentare aus und man hörte nur viele Male den Auslöser, um so viele Bilder wie möglich zu schießen.

Trotzdem waren alle froh, als sie wieder aufhören konnten, aneinanderzukleben.

 

 

~Sie war voll unentspannt. Wir mussten sie so richtig ärgern. Vielleicht solltest du mal Eier in der Hose beweisen und sie so richtig durchnehmen. Sonst wird sie sich weiter zieren. Der Schleimer hat es aber geschafft sie zu beeindrucken, wie du siehst. Pass nur auf, sonst verlierst du sie an den Typen. Ist ein echter Leckerbissen, das merkt auch sie. ~

Gerade, als ihm die Nachricht gesendet wurde, war Kenichi damit betraut, jemanden für die Organisation zu überzeugen. Kein Dringlichkeitssignal hieß immer, dass man die Nachricht auch später lesen konnte, immerhin war seine Arbeit wichtiger, als irgendeine belanglose Nachricht. Er führte eine wohlhabende Onkologin durch ihre Forschungseinrichtung und erzählte ihr unglaublich viel über Krankheiten, die sie seit Jahren bekämpften. Dass Geld keine Rolle spielte, davon hatte ihr Oberster das Meiste in ganz Japan. Sie wirkte nicht so leicht zu beeindrucken, also musste er all sein Fachwissen kundgeben. Merlot stand lediglich mit im selben Raum und sah es sich an, wie er sich ins Zeug legte. Sie war beindruckt davon, immerhin war er gewissermaßen ihr Schüler – rein vom Medizinischen gesehen. Und diese hochmütige Frau hatte nichts Besseres zu tun, als auf ihn hinabzusehen, weil er ja erst 21 war. Sie machten gute Arbeit, sie alle, sonst würde man sie nämlich gar nicht erst beschäftigen. Als es ums Finanzielle ging, begann die Dame zu lachen und schüttelte den Kopf.

„Und Sie glauben, dass ich für Geld meine Seele herschenke? Ich habe genug gehört und gesehen. Selbst, wenn Wunder möglich sein sollten, sie haben immer einen Haken. Wie viele Menschen müssen sterben, bevor ein einziger gerettet werden kann? Die vergessen Sie leider.“

Yohko Iwamoto besah sie mit einem verärgerten Blick. Sie würden sie nicht direkt hier bedrohen, sondern sie anlächeln. Sie würde für sie arbeiten – dafür würden sie alles tun.

„Das ist wirklich sehr schade, es ist wirklich sehr vielversprechend. Es lohnt sich auf jeden Fall. Wenn Sie für uns arbeiten, können sie sich eine Menge mehr Luxus leisten, als jetzt schon. Sie sollen lediglich Ihr Wissen einbringen.“

„Junger Mann, meine Antwort heißt Nein und bleibt Nein. Das ist menschenverachtend. Und dagegen habe ich etwas. Suchen Sie sich jemand anderen, der bereit ist eine Menge Menschen zu opfern, denn so einfach, wie es Ihnen erscheint, ist es nicht. Wir reden von den verschiedensten Krebsarten. Tumore mutieren. So schnell ist Ihre Forschung auch wieder nicht.“ An Hokuspokus glaubte sie schon gar nicht.

„Schönen Tag noch.“ Dann ging sie und ließ die beiden Ärzte mit Enttäuschung zurück. Ihn traf das Ganze mehr, als die Chirurgin. Es war wirklich eine gute Sache, für die man aber auch kämpfen musste. Manchmal sogar mit unlauteren Mitteln.

„Wusstest du, dass sie eine bildhübsche Tochter hat? Du solltest dich mal mit ihr befassen, Kenichi. Du weißt ja. Sie ein bisschen beeindrucken, ein paar Mal ausgehen, sie vernaschen. Das Ganze Programm. Einschließlich der Videos.“

„Ja.“ Mehr sagte Kenichi nicht. Er drehte sich um und ließ auch Merlot einfach stehen.

So etwas zu tun gefiel ihm nicht. Aber der Zweck heiligte die Mittel, sagte man. Am Ende war diese Tochter noch total nett. Reiche Idioten mit ihrem Ruf und ihrem Ansehen zu erpressen, war allerdings eine seiner Lieblingsbeschäftigungen gewesen – damals als er jung und dämlich gewesen war. Mittlerweile wusste er, dass reich nicht immer hieß, dass es skrupellose Menschen waren. Anokata war der mächtigste Mann Japans. Also ging diese Rechnung nicht auf. Dieser alte Mann hatte ihn davor bewahrt, dass man ihn noch irgendwann zu Tode prügelte. Und auch sein Schwarm war ein reiches Mädchen und total nett. Er bekam das Gefühl, dass nicht alles immer richtig war, was sie taten. Aber vor Merlot sollte man Gewissensbisse tunlichst vermeiden. Er wollte vor ihr seine Schwachstellen nicht ausbreiten. Sie war selbst absolut skrupellos. Nur, weil sie eine Schwäche für ihn hatte, bedeutete nicht, dass sie ihm nie schaden würde. Yuriko hatte auch eine Schwäche für ihn gehabt – und was hatte dieses Weib ihm angetan? War zum Trost und weil sie ihrem Vater eins auswischen wollte, mit ihm ins Bett gegangen und hatte es sich mit ihm gut gehen lassen. Trotzdem leugnete sie alles, dabei wusste sie, dass er in sie verliebt gewesen war. Schwer verliebt damals mit 15. Sein Vertrauen in Menschen war sehr gering bemessen. Menschen waren manchmal grausam. Zu anderen und zu sich selbst.

Als er durch die Schiebetür gegangen war und seine Sachen aus einem Spint geholt hatte, griff er in die Hosentasche und checkte die Nachricht.

Was sollte der Scheiß denn nun wieder? Hatten die nichts Sinnvolles zu tun? Und er riss sich immer den Arsch auf, um etwas Sinnvolles zu tun und die wertvolle Zeit, die er auf der Welt verbrachte, nicht zu vergeuden.

Trincadeira war ein elendiges Miststück, bei dem man nie wissen konnte, worauf sie gerade aus war, wenn sie einen zu ärgern begann.

„So richtig ärgern, huh?“ Und wie sah dieses Ärgern aus? Wenn er sie fragte, wie es gelaufen war, was würde sie da wohl sagen? Sicher nicht, dass es schlecht war. Sie wollte ja schließlich auch etwas Sinnvolles tun. Die Kampagne war ihr persönlich wichtig. Das durfte ihr keiner versauen. Und wenn er Cognac fragte? Schließlich war er wohl auch dort gewesen. Grimmig betrachtete er die Fotos. Sie sahen echt gut zusammen aus. Aber Seyval konnte auch verdammt gut neben Männern aussehen, die sie eigentlich hasste. Aus dem Grund wollte er das, was Trincadeira ihm da mitteilen wollte, nicht zu nah an sich heranlassen. So ein draufgängerischer Spinner hatte unter Garantie keine Chance bei ihr.

Eier in der Hose sollte er haben und es ihr besorgen. Trincadeira stand wohl auf gewalttätige Männer, oder wie hatte er das zu verstehen? Denn er, der wartete, dass sie es von sich aus wollte, hatte ja keine Eier. Die konnte ihn kreuzweise – trotzdem ärgerte es ihn ungemein, dass sie ihm solche Sprüche reindrückte. Hatte er der mal was Persönliches getan? Nicht, dass er wüsste. Er antwortete ihr nicht einmal. Sie war nicht wichtig, das dachte sie höchstens selbst.

 

~Wir müssen uns treffen und reden.~

 

Shiori hatte darauf bestanden, sich noch ein bisschen privat mit ihrem Cousin zu vergnügen, aber sie war fähig, zu teilen, deswegen bot sie der 20-jährigen an, dass sie mitgehen konnte. Sie wollten in ein Café und dort ein wenig plaudern – erst einmal.

„Das ist sehr lieb von dir, wirklich. Aber ich glaube, dein Freund möchte lieber ein bisschen was allein mit dir machen.“

Die Brünette sah ihren Cousin an, verwirrt und sprachlos. „Wieso? Sie ist total nett! Deswegen muss sie mit. Bitte.“

Der 17-jährige seufzte schwer und lächelte dann. „Na gut. Wenn du Freundschaft mit ihr schließen willst?“

‚Wir kennen uns kaum, warum sollte sie das wollen?‘

Ihr ganzes Leben war sie eine stille Außenseiterin gewesen, deswegen war sie vollkommen verwirrt und misstrauisch. Allerdings schien es durchaus Shioris Ernst zu sein. Sie wollte sie tatsächlich mitnehmen und besser kennenlernen.

Kenji linste aufs Handy und sah die Nachricht, die ihn erreicht hatte. „Jemand will sich mit mir treffen. Ich glaub, das verschieben wir.“

„So wichtig?“

„Ja, wegen der Arbeit. Macht’s gut. Viel Spaß im Café.“

Kürzer konnte sich dieser Typ nicht halten, oder? Reden? Worüber denn? Darüber, dass er ihn fast umgebracht hätte? Was sollte er dazu sagen? Der wollte es doch jetzt nicht richtigstellen. Er wollte keine faulen Ausreden hören. Gewalt an Frauen war falsch und zwar grundlegend. Das würden sein Vater und Yuichi auch so stur betrachten. Er vergaß niemals, was ihm beigebracht worden war.

Shiori lief ihm nach und umarmte ihn von hinten. „Aber nicht wieder irgendwohin verschwinden, ja?“

„Mhm?“ fragte er geistesabwesend und reagierte nicht sofort auf die Umarmung. Bei ihrer Attacke von hinten konnte sie einen Blick aufs Handy werfen.

„Wer ist Jami?“ fragte sie neugierig und der Schwarzhaarige zuckte erschrocken.

„Hey, nicht meine Nachrichten lesen!“ sagte Kenji mit einem leicht verärgerten Ausdruck im Gesicht, aber man sah trotzdem, dass er ihr nicht böse sein könnte. Mit einer weiteren neugierigen Person rechnete er nicht.

„So? Er hat dir geschrieben? Und was will er?“ Sie lächelte und Shiori wunderte sich schon, dass sie diese Person kannte.

„Ist das so ein Nickname?“

Kenji konnte nicht glauben, dass sie so naiv war, wollte es ihr aber auch nicht erklären. „Ja, so etwas in der Richtung.“

„Bestell ihn doch her. Vielleicht ist es ja nur halb so dringend, wie es klingt.“

Toller Vorschlag, damit seine Cousine direkt wusste, wer er war. Sêiichî bezweifelte, dass sie sein Gesicht vergessen hatte. Die Sache gefiel ihm nicht.

„Das ist keine gute Idee, Miss Fairchild“, sagte er und ließ dabei einen minimal brummigen Ton einfließen. Damit sie kapierte, warum nicht.

„Hast du Geheimnisse vor mir?“ fragte die Brünette ihn jetzt traurig. Ihre Miene wurde so traurig, dass er befürchtete, sie weinte gleich.

„Nein, denk doch nicht so was! Aber – ähm – er ist nicht so gesellig, weißt du?!“

Vanessa zog die Augenbrauen zusammen. Sie hatte ihn durchaus aufgeschlossen kennengelernt, da stimmte etwas nicht. Zudem bekam der junge Mann einen leichten Schweißausbruch, weil er sich versuchte herauszuwinden.

„Kann es sein, dass er ein Hühnchen mit dir zu rupfen hat und wir das nur nicht mitkriegen sollen?“ wollte die Frau dann mit verschränkten Armen wissen. Sein Gesicht versteinerte sich. Volltreffer. Da nahm sie ihr eigenes Handy und schrieb ihm so schnell eine Nachricht, dass der Schwarzhaarige es einfach nicht verhindern konnte.

~Cognac ist bei uns. Sind vor dem Studio~ Das komm her schenkte sie sich. Er würde wissen, dass sie meinte, er sollte sie hier direkt treffen, statt ihn alleine.

„Hast du ihm jetzt etwa geschrieben?“

„Ja, habe ich.“ Grimmig besah sie ihn, dann ging ihr Blick zu Shiori über, wo dieser vollkommen nett wurde. „Er ist ein netter Kerl. Du wirst ihn mögen.“

„Oh man“, seufzte Kenji und klatschte sich gegen die Stirn. „Aber du, Shio. Nicht meinen Spitznamen sagen. Egal, wer da gleich kommt.“

„Was ist bloß los mit dir? So kenne ich dich ja gar nicht“, tat Shiori schockiert von der Tatsache, dass sie ihn nicht Sêi-chan nennen sollte.

Er konnte hier ja schließlich schlecht sagen, dass Kenichi nicht wusste, dass sein richtiger Name nicht Kenji war.

„Wie nennst du ihn denn? Ken-chan? Das wäre total lustig. Dann haben wir gleich zwei davon.“

‚Sagst du all denen etwa nicht deinen richtigen Namen? Aber wieso?‘ Hatte er nicht gesagt, er sei undercover unterwegs? Tat er das wegen seiner Familie? Damit sie nicht mit dem Ruhm, den er vielleicht als Model erntete, gestresst wurden? Etwas anderes konnte sie sich gerade nicht vorstellen.

„Kommt, lasst uns in das Café gehen. Schreib ihm eben einfach, dass wir jetzt ins Arisu gehen und er uns da treffen kann.“ Der junge Mann wurde am Arm genommen und einfach mitgezogen, was er sich auch widerstandlos gefallen ließ.

Während ihre Begleiter bestellten, sendete Shiori unter dem Tisch auch heimlich jemandem eine Nachricht. Bestimmt würde sich Sêiichî sehr freuen, wenn sie ihn auch herbestellte, denn er vermisste ihn garantiert genauso sehr, wie sein kleiner Bruder… Danach würde sie alle zum Karaoke schleppen, jedenfalls nahm sie sich das vor. Einfach, um mal wieder Spaß zu haben. Das Leben war düster genug für alle gewesen.

 

Die besagte Person befand sich gerade im Fitness-Studio. Er hatte nicht gerade wenig Feinde. Und wer rastete, der rostete. Selbst, wenn man nicht schwach war, durfte man nie den Fehler machen, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen. Das bereute man früher oder später.

Als die Nachricht von seiner Cousine kam, hatte er gerade das Gewichtheben beendet und wollte einen Schluck trinken.

Immer, wenn sie ihm schrieb, musste er grinsen. Ihre gesamte Art brachte ihn oft zum Lachen. Gerade ging es ihm einigermaßen gut, da brauchte er diese Aufmunterung nicht wirklich, aber er war trotzdem froh, wenn sie an ihn dachte.

Doch, was sie diesmal schrieb, ließ ihn groß gucken.

~Du wirst es nicht glauben, Yu! Ich hab Sêiichî im Fotostudio getroffen!! Wir sind jetzt ins Café um die Ecke gegangen! Ins Arisu! Oh bitte, bitte, du musst unbedingt herkommen, wenn du Zeit hast!! Wir haben schon so lange nicht mehr zusammengesessen!!~

So viele Ausrufezeichen und ein Verneig-Emoticon, das ihre Bitte noch einmal verdeutlichen sollte. Durch die vielen Ausrufezeichen merkte er, dass sie aufgeregt war und sich ziemlich freute, Sêiichî getroffen zu haben, deswegen durfte er da natürlich nicht fehlen. So etwas in die Richtung dachte sie sicher. Der 19-jährige lehnte sich zurück, verschränkte die Finger hinter dem Kopf und starrte an einen undefinierbaren Punkt Richtung Decke. Wie er wohl reagieren würde, wenn er tatsächlich aufkreuzte?

Für ihn stand eigentlich fest, da er heute keine wichtigen Termine hatte, ihr diesen Wunsch zu erfüllen. Wenn sie nur wüsste, dass er ihm am liebsten an die Gurgel gehen wollte, weil er so fahrlässig war, um ihren Leuten zu nahe zu kommen. Wenn sie ihn mit Sêiichî treffen wollte, dann sollten sie wohl besser nicht streiten. Dann wurde sie nur traurig. Aber er konnte sich ja zusammennehmen. Solange sie da war…

 

Das Arisu war weder vom Universitätskrankenhaus, noch von der Forschungsabteilung oder dem Fitness-Club weit entfernt. So dauerte es nicht lange, bis sie in einem der Parkhäuser ihre Autos abstellten und mit dem Aufzug nach oben fuhren. Zum Glück kamen sie nicht zur gleichen Zeit an, einer von beiden wäre bestimmt am Ende noch geflüchtet. Erst beim Café rannten sie beinahe ineinander.

Ein Blinder hätte gesehen, dass sie nicht weniger begeistert sein konnten, sich zu sehen. „Hast du nicht zu tun?“ wollte der Jüngere von dem Älteren wissen und dieser sah ihn sofort verärgert an. „Dasselbe könnte ich dich fragen. Ich habe ein Date.“

„Ach, was du nicht sagst?“ Warum genau waren sie eigentlich so eklig zueinander? Das wussten sie manchmal selbst nicht so genau. Der angehende Arzt hatte ja schließlich damit angefangen. Er schoss bloß zurück. Wann auch immer sie sich trafen. Er hielt sich für etwas Besseres, jedenfalls versuchte er allen immer weiszumachen, dass es so war. Ihm ging er damit nur auf die Nerven. Da war man froh, wenn man einander nicht sehen musste. Und dann lief er ihm noch ins Café hinterher. Kaum, dass sie am Tresen vorbeigingen, drehte sich der 19-jährige herum. „Verfolgst du mich, oder so?“

„Leidest wohl unter Verfolgungswahn, wie? Ich sagte doch schon, ich bin hier verabredet!“

Hoffentlich schön weit weg von ihnen. Leute, die ihre neugierige Nase immer in fremde Angelegenheiten steckten, konnte er nicht in seiner Nähe gebrauchen, aber er konnte ihn schließlich auch nicht aus dem Café jagen. Selbst dann nicht, wenn er sich am Tisch nebenan niederlassen würde, um seine widerlichen Flirtsprüche bei der Nächsten abzuziehen. Er war penetrant und vor allem eines: Eingebildet für Zehn. Ach, und natürlich besser als er selbst. Wenn es ihm nur darum ging, konnte man dem auch nicht mehr helfen. Dieses Bessersein hatte ihm schließlich schon mal nur Ärger eingebrockt.

Yuichi sah schon von weitem die wild winkende Shiori. Jedoch nicht nur sie, eine zweite Frau, die er von so weit entfernt nicht sofort erkennen konnte, wank ihnen ebenfalls sehr energisch. Zumindest sah es so aus. Dann bemerkte er die Person neben sich, die immer schneller wurde und dann schließlich sogar an ihm vorbei huschte, wie ein Blitz. Da guckte er schon nicht schlecht.

„Na endlich!“ sagte die rotblonde Frau zu diesem. Yuichi war einfach stehengeblieben.

„Los komm, setz dich hier neben mich!“ forderte sie und er musste auf eine Bank neben sie rutschen. Rechts davon saß Sêiichî, der mit einem Mal verstummt war. Bis eben hatte er sich noch angeregt mit ihnen unterhalten. Shiori stand auf, nahm sich Yuichi an den Schultern und schob ihn neben Kenichi und Sêiichî. „Guck mal, wer da ist, Ken-chan!“

Sie ließ sich nichts anmerken. Yuichis Augen lugten nur einmal kurz zu seinem Nebenmann. „Hi“, sagte er völlig überrumpelt in die Runde, nicht direkt an die Person neben ihm gewandt, aber man konnte auch nicht sagen, dass er ihn nicht meinte.

„Überraschung gelungen?!“ Shiori blinzelte mit den Augen. Konnte man wohl so sagen.

„Also ehrlich, was für ein Zufall.“ Nun musste dieser Typ noch total die Show abziehen. Er verdrehte die Augen. Ja, klar. Hier waren Frauen, da benahm man sich.

„Eine größere Runde konnte es nicht sein, oder Shio-chan?“ fragte Yuichi, seine Arme wurden verschränkt. „Ich dachte, wir seien im Kreise der Familie.“

„Sei nicht so ein Stoffel. Das ist ihr Freund!“

„Aha.“ Die machte ihn fertig. Wollte Sêiichî vielleicht auch mal was sagen? Sein Blick ging auf den Tisch und er wirkte nicht so begeistert. Manchmal war der Junge komisch, deswegen konnte er nicht gleich zweifelfrei feststellen, was sein blasses Gesicht zu bedeuten hatte.

Und dann kam diese Hand, die ihn antatschte. Er zuckte kurz und sah zu dem grinsenden Kerl. „Ich störe doch nicht etwa?“

Das hätte er wohl gern.

„Warum solltest du ihn denn stören? Kennt ihr euch?“ wollte Shiori wissen, legte den Finger ans Kinn und dachte nach. Denn irgendwo hatte sie ihn schon mal gesehen, aber wo nur?

„Wir kommen alle aus dem gleichen Kaff“, sagte Kenichi. „Haben quasi ganz in der Nähe voneinander gewohnt.“

Du hast in einem Kaff gewohnt, wir wohnten weiter draußen“, korrigierte Yuichi den 21-jährigen, der jetzt schwieg. Das Du war ganz schön barsch gekommen.

„Der guten alten Zeiten Willen lade ich euch alle ein!“

„Großartig“, murmelte Sêiichî, kaum hörbar. Also er merkte, wenn jemand genervt von ihm war, dieses Talent hatten offenbar nicht alle am Tisch.

Es war eine gute Gelegenheit und die wurde komplett ausgenutzt.

„Oh, das ist aber nett von deinem Freund“, sagte Shiori und faltete die Hände. Es war sogar ernst gemeint, ganz anders als es vermutlich bei ihm der Fall war.

Während Yuichi eher ruhiger wirkte, kam Sêiichî Kenichi vor, als sei er völlig aus dem Häuschen. Er verstand nicht wieso, aber er benahm sich merkwürdig fröhlich. Das hatte er, seit er ihn in der Organisation getroffen hatte, noch nie erlebt. Er war meistens schlecht drauf, oder neutral, aber nie so übertrieben gut.

„Was wollt ihr alle trinken?“

„Nichts.“

Sêiichî sah jetzt offensichtlicher zu Yuichi. Obwohl er es kaum gewagt hatte, ihn anzusehen, tat er das jetzt, als er so trocken antwortete, er wollte nichts trinken. Weil es ihn nervös machte, hatte er den Blickkontakt vermieden. Er hatte nicht einmal gefragt, wieso Shiori ihn anders nannte. Wusste er es also schon? Und sie könnten hier nicht darüber reden. Nicht solange Retsina und Jami am Tisch saßen.

„Der ist immer so ein Stoffel“, sagte Kenichi zu der Rotblonden und diese lachte hinter vorgehaltener Hand.

„Lieber Stoffel als Angeber.“

„Hey, aber ihr wollt euch jetzt nicht gleich prügeln, oder?“ fragte Shiori bestürzt über die Feindseligkeiten.

„Möchtest du etwas trinken, Shiori? Ich bestell dir was.“ Hauptsache, sie blieb keinem Kerl was schuldig, der hier völlig auf dicke Hose machte, nur weil es sich um Frauen handelte. Er war sonst nicht voller Vorurteile, davon hielt er Abstand, aber es war offensichtlich.

„Aber er hat uns gerade alle eingeladen…“

Dieses traurige Gesicht, das ertrug er kaum. Aber er wollte es auch nicht erklären. Es gefiel ihm nicht, dass seine teils doch recht naive Cousine von einem Typen eingeladen wurde, der schon jede Menge schlimme Dinge getan hatte, gerade mit naiven Frauen. Am Ende nutzte er das noch, um ihm eins reinzuwürgen. Shiori ließ zwar nichts auf ihn kommen, aber der Typ konnte eines ganz besonders gut: Überzeugend sein. Besser sie hielt sich von solchen Typen fern.

„Weißt du, Shio-chan, Yu-chan will dich aber selbst einladen. Kenichi ist ein völlig Fremder. Du solltest dich nicht von fremden Kerlen, die so viel älter sind, einladen lassen.“ Sêiichî fühlte sich dazu genötigt, Yuichi beizustehen. Man sah an Kenichis Gesicht, dass er davon mehr als verstört war.

Diesmal redete er nicht, er legte die Hand unter das Kinn und beobachtete die zwei jungen Männer. Da war etwas absolut Seltsames im Gange.

„Ach Yu-chan, ich pass auf mich auf“, sagte Shiori mit einem Lächeln. „Du musst mich nicht beschützen. Und außerdem hat er ja schon eine Freundin.“

„Ähm…“

„Also so ganz richtig ist das nicht. Wir sind bloß gute Freunde“, korrigierte Vanessa Shiori daraufhin, „aber sehr gute.“

‚Na, das kann ja heiter werden. Jetzt kriegt er bestimmt schlechte Laune.‘ Hochmut kam ja vor dem Fall. Dem Kerl schadete nicht, dass man ihm mal ein paar Dinge klarmachte.

„Ehrlich? Aber war das nicht der Mann, an den du gedacht hast, als du dich überwunden hast, auf den Fotos ganz eng mit Kenji zu posen? Als du dir vorstellen solltest, es sei dein Freund?“

„Das ist wirklich interessant“, grinste Kenichi ihr ins Gesicht und sie starb fast vor Scham, dass Shio so drauflos plauderte.

„Welche Fotos denn?“ fragte Yuichi belustigt. Ob sie jetzt mit Cognac posierte oder mit Jami, das tat sich nicht viel. Fast war er so weit, sie vor beiden zu warnen.

„Also ich hatte einen Bikini an und sie ein bisschen weniger…“

Darauf konnte keiner so recht reagieren, da die Kellnerin kam und die Bestellung aufnehmen wollte.  Es wurde geschwiegen, aber wenn Blicke töten könnten, wäre Sêiichî jetzt bestimmt mit einer Herzattacke vom Stuhl gefallen. Sein Blick war nicht gerade freundlich, konnte man sagen. Selbst schuld, wenn Sêiichî immer so etwas machte.

Yusuké Otaké war vielleicht harmlos, auch wenn er ihn verabscheute, bei Jami konnte man sich da nicht sicher sein. Er war jemand, der zwischen den Stühlen saß. Mal hatte er hier Freunde, dann dort. Der war sich nicht mal zu schade, sich mit Idioten wie Tokorozawa abzugeben, Hauptsache er hatte irgendeinen Freund. Das kam eben nicht gut an, schon gar nicht bei ihm, der sich seine Freunde ganz bewusst aussuchte. Bei solchen wusste man einfach nie woran man war, deswegen hielt man sich von ihnen fern. Nur, weil er jemanden kurzzeitig seinen Freund nannte, hieß das nicht, dass es so blieb. Unter normalen Umständen würden Sêiichî und Kenichi sich höchst wahrscheinlich verstehen, aber leider reagierte der Kerl allergisch auf andere, die in seinem Revier jagten. Er hatte seinen Blick genau gesehen. Gerade wollte er Cognac doch am liebsten mit der Faust ins Gesicht schlagen, weil er ihr so nahegekommen war.

„Die beiden Bitches haben auch nicht lockergelassen. Die sind sie richtig hart angegangen. Ich hab’s nicht ausgenutzt, ehrlich!“ sagte der 17-jährige. Na, ob man ihm das glaubte? Er hatte von Cognac gehört. Und was das war, hatte ihm alles andere als gefallen. Der probierte es bei jeder, sogar bei Damen, die tabu waren. Also, er nahm sich einiges raus und ausgerechnet bei Retsina hatte er nichts versucht? Das kaufte er ihm nicht ab. Der Kleine hatte doch jetzt bloß Schiss.

„Klingt, als hättet ihr jede Menge Spaß gehabt“, schlussfolgerte Yuichi ironisch, denn er wusste zumindest, dass eine gewisse Chenin Fotografin war. Vermutlich war sie es wirklich gewesen.

„Wie war dein Eindruck, Shio?“

Auf die Frage hin, sah sie traurig aus. „Ich bestell mir erst was zu trinken, dann erzähle ich in Ruhe, was da los war.“

„Das interessiert mich auch, Süße“, pflichtete Kenichi bei. „Für uns eine Flasche Wein.“

„Eine Ganze? Dann kannst du sie wahrscheinlich nach Hause kutschieren.“ Yuichi schüttelte den Kopf. Vor allem, dass sie lächelte und ihm echt vertraute. Wäre er eine Frau, wäre er da mehr als vorsichtig.

„Ach, ich dachte, du trinkst mit uns. Wo wir uns doch so gut verstehen. Meinst du echt, ich will sie abfüllen? Man bestellt aber nicht bloß ein oder zwei Gläser Wein, sondern eine Flasche.“

„Alter Klugscheißer. Kein Wunder, dass dich nie einer leiden konnte, außer dieser Vollidiot!“ Yuichi war immer ehrlich, obwohl viele Menschen damit nicht umgehen konnten.

„Sicher, dass der Vollidiot mich leiden konnte?“

Eine sehr verbitterte Meinung, wie er fand. Zum Glück war er sich selbst sicher, dass seine so genannten Freunde ihn auch wirklich leiden konnten. Ansonsten strich er sie einfach aus seinem Freundeskreis. Der war sowieso überschaubar.

„Er ist ja auch klug, wieso darf er das nicht zeigen?“ wollte Vanessa jetzt direkt von Yuichi wissen, dieser seufzte. War das ihr Ernst? Sie störte das kein bisschen, dass er alles besser wusste?

„Ab und zu mal, aber er tut das ja ständig. In der Schule haben sie von ihm gesagt, dass er bald noch den Lehrern erklärt, wie sie zu unterrichten haben. So schlimm war er.“

„Das ist wie mit Erwachsenen. Sie haben immer Recht. Ich fand das eben nicht gerecht.“ Als Kenichi das sagte, sah er nicht Yuichi an, sondern Vanessa. Ihn musste er hier schließlich nicht beeindrucken oder sich verteidigen, höchstens bei ihr. Sie war ihm wichtiger.

„Mit der Wahrnehmung haperts noch, glaube ich. In aller Regel haben Erwachsene schließlich Recht. Oder würdest du sagen, dein Vater hatte Unrecht?“

„Lasst uns das Thema wechseln.“

Der Wein kam und dieser wurde vom Kellner direkt geöffnet. Kenichi hatte keine Lust von seinem Vater zu reden. Am Ende wurde er nur sauer. Keiner sollte wissen, wie prägend sein Vater tatsächlich für ihn gewesen war. Und seine Mutter erst.

„Ist dein Vater ein wunder Punkt für dich?“ Es war so unglaublich, dass Shiori das fragte, aber Yuichi wunderte das überhaupt nicht. Sie war so empathisch, dass sie so etwas immer sofort merkte.

„Ich glaub, er will wirklich nicht darüber reden“, sagte Vanessa und legte ihre Hand auf seine. Shiori lächelte. Also sie glaubte ihr kein Wort, von wegen nur Freunde.

„Sag mal. Wieso bist du eigentlich hier?“

„Shiori hat mir geschrieben, dass ich herkommen soll, weil du auch da bist, Kenji.“

„Und da bist du hergekommen?“ Es war etwas Undefinierbares in Sêiichîs Stimme. Fast schon verräterisch. Außenstehende würden es wahrscheinlich nicht heraushören, aber diejenigen, die ihn gut kannten, würden es tun. So, wie er.

„Natürlich. Es ist ganz schön lange her, dass wir uns gesehen haben.“

Sein Gesicht erhellte sich. Also hatte Sêiichî immer noch die gleichen Probleme wie früher. Er dachte, überhaupt nicht wichtig zu sein. Yuichi wäre sowieso gekommen. Wenn Shiori ihn sehen wollte, tat er das meistens. Aber, dass Sêiichî auch da war, war nur ein Grund mehr, zu kommen. Konnte er das am Ende nicht fassen, dass er so wichtig war? Er war solch ein Chaot. Und der wollte jetzt bei ihnen mitspielen? Das war beängstigend. Ohne Selbstvertrauen konnte man sich in der Organisation nicht gut verkaufen. Und, wenn man das nicht konnte, war man nicht brauchbar. Er hoffte, dass Sêiichî sein geringes Selbstbewusstsein nicht jeden spüren lassen würde. Das konnte einem schneller zum Verhängnis werden, als man schauen konnte. Die schwächsten Schafe erkannten sie immer ziemlich schnell. Nicht umsonst bestand die Organisation aus jeder Menge talentierter Leute, die meistens überdurchschnittlich intelligent waren. Sie suchten regelrecht nach Wunderkindern. Ihm war völlig schleierhaft, wie Chardonnay sich so von seinem Hass leiten lassen konnte, einen unterbelichteten Depp in die Organisation bringen zu wollen. Hätte er Ahnung, von dem, was er tat, hätte er den Musterschüler genommen. Aber alles wonach der Kerl strebte, waren Verbündete, meistens sehr gewaltbereit. Dazu war Jami natürlich nicht gut. Er war kein Schläger. Als ob das alles war, was zählte. Deswegen tanzte der Bengel dem Alten ja auch auf der Nase herum. Manche sagten sogar, er hätte sich nach oben geschlafen. Er war sich da nicht so sicher, schließlich hatte Vermouth ihre Finger mit drin. Wie weit die ging, war mehr als bekannt. Wer wusste schon, ob sie ihn nicht einfach beim Boss vorgeschlagen hatte. Leute, die Vermouth an Land zog, landeten meistens ziemlich weit oben. Sie hatte ein Händchen für so etwas. Anders als Chardonnay war sie in dieser Hinsicht intelligent. Manchmal beängstigend intelligent. Kein Wunder, dass sie so unbeliebt war. Von den ganzen Leuten, denen sie schon mal was Persönliches getan hatte, ganz zu schweigen.

 

Shiori schlürfte einen Fruchtcocktail ohne Alkohol.

„Jetzt erzähl doch mal. Was lief da ab beim Shooting?“

Sie stoppte und sah zu Yuichi auf. „Ach, die Zwei haben auf ihr herumgehackt, weil sie sich weigern wollte, sich nackt fotografieren zu lassen. Ich glaube irgendwie, dass sie etwas gegen sie hatten. Oder so. Zu mir waren die nett.“

„Ah ja“, äußerte sich Kenichi dazu und nahm sein Glas Wein, um es sich an die Lippen zu setzen. Ein Hoch auf die Gedanken des Typen, der sich natürlich nichts anmerken ließ. Es war allseits bekannt, dass ihm etwas an Retsina lag. Bestimmt war er jetzt nicht so begeistert, das zu hören. Oder wieso musste er gleich einen Schluck nehmen?

‚Scheinbar muss man Trincadeira mal tatsächlich ein bisschen ärgern. Wie sagte sie so schön, sie mussten sie richtig ärgern. Die weiß auch nicht, wann genug ist, missgünstiges Weib!‘ Kenichi erinnerte sich ziemlich genau, was Vermouth zu ihm gesagt hatte. Retsina hatte in der Organisation keinen. Bacardi kümmerte sich nicht wirklich um sie, Seyval war selbst zu feige für Krawall, also blieb alles an Vermouth hängen. Aber die Gefahr lauerte überall. Auf der einen Seite waren da die Mistkerle, die Frauen verängstigen, dann waren da aber auch ihre Miststücke, die es ebenso gut verstanden, guten Frauen den Tag zu versauen. Er wollte am liebsten schimpfen, dass sie sich so von denen ärgern ließ, dass es in diesen Fotos geendet war. „Habt ihr eigentlich noch mehr Fotos von dem Shooting?“

„Ja, klar, die waren cool, deswegen habe ich mir Abzüge geben lassen“, meinte Shiori, was ihrem Gegenüber nicht besonders gefiel, wie man an seinem Gesichtsausdruck merkte.

„Kann ich sie sehen?“

Sofort spannte die Frau neben dem Schwarzhaarigen den gesamten Körper an. Yuichi sah es. Wieso machte sie so etwas, wenn es ihr schon einem guten Freund gegenüber unangenehm war? Nur, weil ein paar komische Tussis sie triezten?

Shiori öffnete ihre Tasche und legte die Bilder auf den Tisch. Auch Yuichi griff sich frech eins davon. „Alter Falter“, sagte er dazu, da vergrub Vanessa das Gesicht in den Händen.

„Deinem Verhalten nach zu urteilen wolltest du es wohl nicht wirklich, aber sie haben dich unter Druck gesetzt“, analysierte Kenichi, während er eins nach dem Anderen ansah. „Gut sind sie geworden, aber wenn du es nicht wolltest, sollte man vielleicht etwas dagegen unternehmen, dass sie verwendet werden. Man macht manchmal dummes Zeug, wenn man jung ist.“ Bei einem Bild reckte er den Hals und bekam große Augen. „Und du hast echt an deinen imaginären Freund gedacht?“ Es war nicht zum Lachen, aber er grinste. Strafe musste irgendwie ja auch sein. Deswegen hörte man schon ein bisschen Belustigung aus der Stimme des 21-jährigen. „Wie wenig hattest du eigentlich wirklich an? Kommt mir sehr nackt vor.“

Es war nicht besonders nett und am liebsten wollte Yuichi seinen Nebenmann dafür boxen, dafür, dass er sie nun noch ärgerte. Merkte der denn nicht, dass sie gleich anfangen würde zu weinen. Warum eigentlich nicht? Er verpasste ihm einen Hieb in die Seite und schenkte ihm einen bösen Blick, kurz darauf wurde der Kopf geschüttelt. Der würde schon ganz genau verstehen, was er meinte. Ohne ein Wort sagen zu müssen.

„Ich weiß“, sagte die Rotblonde mit einem Schniefen, allerdings traute sie sich gar nicht zu sagen, dass sie obenrum nichts angehabt hatte – schon gar nicht auf dem Foto, das er mit Sicherheit gerade angedeutet hatte.

„Naja lieber nackt als Pelz und so – trifft es auf den Punkt.“ Sêiichî sagte nur, wie es war.

„Wie gut, dass du dich nicht auch ausgezogen hast!“ sagte Yuichi, sonst würde am Ende noch Shiori hier sitzen und heulen.

„Ach, jetzt fang nicht an zu weinen.“ Kenichi hatte sich zu Vanessa herumgedreht, den Arm um sie gelegt und an seine Schulter gedrückt. „Ich hoffe, dass dein strahlendes Lächeln wenigstens echt ist und du dir was Schönes vorgestellt hast und nichts vorgetäuscht hast. Denn es wirkt tatsächlich sehr echt, nicht gespielt.“

Als er sie an seine Schulter drückte, fing sie wirklich an zu weinen.

„Ich bin so dumm. Mein Vater wird mich umbringen!“ Und sie schämte sich, wie konnte er noch so reden? „Kenji hat mich dran erinnert“, schniefte sie, „dass es ja für einen guten Zweck ist.“ Mehrmals holte sie hektisch Luft. „Also habe ich mich überwunden.“

„Ich kann‘s nicht glauben. Hast du ja sauber hinbekommen“, meinte Yuichi dazu und der 17-jährige sah nun auch schuldbewusst runter, weil er ihr noch dazu geraten hatte, sich zu überwinden.

„Ich glaube, sie hat die Sticheleien nicht weiter ertragen. Sie wollten sie einfach nach Hause zu ihren reichen Eltern schicken“, sagte Shiori traurig. „Bestimmt wollte sie bloß mutig sein und sich denen beweisen.“

„Na, die hatten sicher Spaß. Sind bloß neidisch. Im Gegensatz zu den Beiden ist sie ein Engelchen.“

Auch der 19-jährige drehte sich herum und holte ein Taschentuch aus der Jackentasche. Cognac hatte verdammtes Glück, wenn Jami ihm jetzt nicht eine Kriegserklärung aussprach. Denn seine Geste mit dem Taschentuch endete sofort wieder mit einem bösen Blick an ihn selbst gerichtet. Dachte der Typ echt, er wollte sie ihm jetzt wegschnappen, nur weil er so zuvorkommend war, ihr ein Taschentuch zu geben, was sie dann auch noch annahm. Sie wischte sich übers Gesicht. Er konnte ja nichts dafür, dass er keins bei sich hatte, oder einfach nicht auf die Idee gekommen war.

„Soll ich dafür sorgen, dass die Fotos gelöscht werden?“

Unter verheulten Augen sah sie auf. „Geht das so einfach?“

„Na, du musst nur sagen, dass du dazu gezwungen wurdest. Oder überrumpelt, das ist egal. Es ist dein Recht an Fotos, auf denen du zu sehen bist. Natürlich kann man die löschen lassen“, sagte Kenichi und lächelte sie dabei an. „Und du musst nichts machen, ich rede mit ihnen.“

‚Du redest mit denen? Will ich das wissen, wie das aussieht? Die haben sicher nichts zu lachen.‘ Manche Frau hatte das durchaus verdient und so eine wie Chenin sowieso. Er würde einen Teufel tun und Retsina sagen, wie Jamis Reden aussehen würde, aber er hatte eine Vorstellung davon. Bedrohen und Einschüchtern wahrscheinlich.

„Und was ist mit der Kampagne? Dabei geht es wirklich um etwas.“

Kenji wank ab. „Ach, ich denke, dass wir Zwei ausreichend sind. Und wie sagten sie so schön? Du bist raus, wenn du dich nicht ausziehst.“

„Boah!“ Kenichi musste sich echt arg am Riemen reißen, um nicht zu fluchen. So weit waren die gegangen? Er wusste, dass es ihr wirklich wichtig war und sie bestimmt alles ein bisschen unterschätzt hatte. Und die beiden Hexen fanden es natürlich total toll, sie zu etwas zu bringen, was sie eigentlich nicht wollte. Es wurde mal wieder Zeit, sie in ihre Schranken zu weisen. Er wusste nur zu gut, wie die drauf waren. Nette Mädchen wie Retsina gingen denen mehr als gegen den Strich, noch mehr, wenn sie besser ankamen, als sie selbst. Mit Konkurrenzkämpfen kannte er sich schließlich aus. „Ich will ja nichts sagen, aber die Zwei terrorisieren gerne andere. Sie sehen ein potenzielles Opfer in ihr.“

‚Jetzt kannst du den Helden spielen, ich weiß, wie sehr du’s magst. Weil sie sich nicht wehren kann.‘

„Du kennst sie besser?“ fragte Kenji. „Gibt es irgendeine Frau, die du nicht mehr kennst?“

„Was soll das denn bitteschön heißen?“

„Jetzt fang du nicht auch so an, Serena sagt oft genug, dass er ein Frauenheld ist!“ sagte Vanessa, weil sie das eben nicht mehr hören wollte und es auch nicht so ganz glaubte.

Yuichi strauchelte, holte mehrmals Luft, sagte aber dann doch nichts Fieses dazu. Gelogen war es nicht, aber vermutlich übertrieb diese Frau maßlos. Die war ihm noch unsympathischer als ihre Schwester.

Sêiichî war manchmal ein Baka, deswegen posaunte er seine Meinung natürlich sofort raus: „Also, dass Kenichi gut mit Frauen kann, kann ich nur bestätigen!“

Yuichi sah es schon kommen, er würde es sich über kurz oder lang total mit dem Typen verscherzen, wenn er so etwas schon vor einer Frau sagte, die er besonders mochte.

„Ach so? Dann stimmt es also?“ fragte die Rotblonde ihn und er fühlte sich leicht in die Ecke gedrängt. Obwohl sie es eher belustigt fragte.

„Na, besser als mit Männern auf jeden Fall!“ verteidigte er sich, gelogen war es auch nicht. Aber er kam trotzdem ein bisschen ins Schwitzen. Der 19-jährige musste zugeben, dass er das zum Grinsen fand, wie er jetzt nervös wurde, weil er vor ihr nämlich unter Garantie glänzen wollte. Dumm gelaufen, was? Der hatte ja einen richtigen Schweißausbruch. Sie wäre sicher völlig schockiert, wenn sie wüsste, was ihr Schwarm die letzten Jahre so getrieben hatte. Sie trug eine rosarote Brille, glaubte er.

„Soll ich dir eigentlich helfen, immerhin bin ich Zeuge gewesen, dass sie es absolut nicht wollte?“

Yuichi vergrub das Gesicht in den Händen. Sêiichî konnte schon von einem Fettnapf in den Nächsten springen. Jami brauchte keine Hilfe, um mit den Hühnern klarzukommen und außerdem wollte er ihn sowieso nicht dabeihaben. Es ging hier schließlich um jemanden, in den er vielleicht sogar verliebt war. Da mischte man sich nicht ein.

„Ich brauche keine Hilfe.“ Wenigstens wurde er nicht gleich wieder wütend. Seltsam, wenn er so etwas fragen würde, wäre er sicher gleich auf der Palme. Er hatte durchaus gemerkt, dass er Cognac nicht für voll nahm. Dass er selbst ihn mehr störte, als Cognac. Warum wohl? Vielleicht, weil Cognac sich als Scheißkerl gab? Ihn nahm er ein wenig ernster. Das bildete er sich mit Sicherheit nicht ein. Yuichi konnte es sich nicht verkneifen, doch noch einmal sich selbst zu bestätigen. „Oh, vielleicht sollte ich dir beistehen? Ich finde es schlimm, wenn man eine Frau zu etwas zwingt, selbst wenn’s von einer Frau kommt. Vor allem, wenn sie dann noch zu weinen anfängt.“

Shiori fragte sich, wieso ihr Cousin so etwas Fieses tat. „Du merkst doch, dass er sie allein beschützen will“, sagte sie, dabei plusterte sie die Wangen auf. „Da darfst du dich nicht einmischen, Yu!“ Kenichi sah ihn an, als hätte er ihn beklaut, da musste sie erstrecht beschwichtigen. „Lass dich nicht ärgern.“

„Der kann mich nicht ärgern!“

„Ach nein?“ amüsierte sich Yuichi. Laut seines Seitenblicks zu urteilen, hatte er ihm gerade total ins Revier gepisst.

„Aber du tust den zwei Frauen nichts an, oder?“

Kenjis Meinung über ihren Freund musste wirklich schlecht sein, dass er wirklich dachte, er würde irgendetwas Böses mit den zwei Frauen tun. Auf der anderen Seite hatte Yuichi die Geschichte auch schon erreicht, dass Sêiichî sich nicht im Griff gehabt hatte. Man musste in dieser Organisation lernen, Dinge zu ignorieren. Auch, wenn sie einen wild machten. Konnte er das?

Kenichi sagte nichts, vermutlich hatte er nicht vor, sanft mit denen zu verfahren, das verdienten sie eben nicht.

Aber es war nicht sehr schlau, seine Freundin darauf hinzuweisen, dass seine Methoden auch weniger nett sein könnten. So, wie er sie einschätzte, würde sie das nicht wollen. Deshalb hatte er ja gesagt, er redete mit ihnen.

„Man kann nicht immer nur nett sein, aber ich werde denen nichts zuleide tun.“ Noch nicht. Es sollte ihm wohl möglich sein, ihnen klarzumachen, was passieren würde, wenn sie die falsche Person ärgerten. Dann musste er ihnen nichts tun, außerdem gab es Andere. Die würden das ohne mit der Wimper zu zucken tun. Unter anderem andere Bitches. Wer sich so benahm, konnte sich schnell die Finger verbrennen. Er machte solchen Tussneldas gerne klar, was mit ihnen passieren würde, wenn sie etwas Dummes taten. Bei solchen wurde es mal Zeit, dass man ihnen den Tag versaute. Die taten zu viel und meistens mit armen Leuten, die nicht in der Lage waren, gegen sie zu bestehen. Vermouth würde wohl direkt hingehen und Retsina den Umgang mit der Waffe beibringen, deswegen war sein erster Weg garantiert nicht zu ihr. Sie wusste um die Gefahren und verließ sich bisher noch darauf, dass er sich drum kümmerte. Weil Retsina eine nette Frau war, die in die Gefahr lief, den Bösen zum Opfer zu fallen. Ja, sie war das potenzielle Opfer. Man musste etwas dagegen unternehmen, aber Frauen wie sie sollten keine Waffe benutzen, davor gruselte es ihn viel zu sehr. Und mit Kanonen auf Spatzen musste man ja auch nicht schießen. Sie mobbten andere, dann fühlten sie sich besser. Was würden die wohl sagen, wenn er sie mal bei ihren Schwachstellen packte? Das würden sie nicht lustig finden. Gerade Chenin hatte jede Menge Leichen im Keller. Man musste nur mal die richtigen Personen erfahren lassen, wie schlimm sie war. Oder Trincadeira, die ihre eigene Familie hasste, weil es anderen besser gegangen war. Menschen, denen es gut ging, zog sie mit Vorliebe in ihre schmutzige Höhle, um ihnen die gemeine Wahrheit über das Leben näher zu bringen.

 

Retsina jagte es Angst ein, dass irgendetwas davon stimmen könnte, was Cognac gesagt hatte. Sie umklammerte den Arm ihres Freundes. „Bitte versprich, dass du zu keiner Art von Gewalt greifst, das möchte ich nicht. Du bist doch kein gewalttätiger Mensch und ich nicht so schwach, dass ich das nicht aushalte.“

„Du hast angefangen zu weinen, von aushalten kann nicht die Rede sein.“

„Jetzt sag ihr doch nicht auch noch, dass sie schwach ist, wenn sie anfängt zu weinen. Ist es nicht schlimm genug, dass man Männern immerzu sagt, sie sollen es nicht tun?“

Yuichi hatte gut reden. Oder heulte der etwa? Frauen durften das, in der Organisation war es aber besser, wenn man nicht schwach wirkte, auch nicht als Frau. Alles, was sie angreifbar oder labil machte, konnte sie in eine Schlucht stürzen. „Lass mich in Ruhe, das ist meine Angelegenheit. Am besten lasse ich denen auch keine Zeit, irgendwelche hässlichen Pläne zu schmieden, wie sie sie noch weiter terrorisieren können.“

„Was soll das heißen?“ fragte die Rotblonde und hielt ihn noch fester am Arm.

„Dass ich denen jetzt sofort den Marsch blase. Das wird wohl erlaubt sein, oder?“ Sie hatte wirklich Angst, dass er zu weit ging und sie dann die böse Petze war, auf die sie erstrecht losgingen.

Yuichi legte eine Hand auf ihren Arm. „Lass ihn mal machen. Vertrau ihm einfach.“ Er schaffte, dass sie den Arm ihres Freundes losließ. Der krempelte sich die Ärmel hoch. Bestimmt war er ganz schön sauer. Na, wenigstens traf es dann nicht die Falschen.

Sêiichî und Shiori sahen ihm nach. Ersterer holte tief Luft. „Er hat Shiyako hart angefasst – der kann mir nicht erzählen, dass er das bei denen jetzt nicht tut.“

„Hart angefasst?“ fragte Vanessa. „War es vor kurzem nicht noch so etwas wie vergewaltigt?“ Sie sprach es aus, auch wenn das Thema kein Schönes war. „Hart angefasst ist etwas anderes, findest du nicht? Wieso erfindest du etwas hinzu, was nicht stimmt?“

„Ach, weißt du denn so genau, was er gemacht hat? Hat er dir erzählt, was es war?“ wollte Kenji wissen, während Shiori nur unschlüssig hin und her schaute. Ihr Blick ging Richtung Tür, dem jungen Mann hinterher.

„Ich kann mir nicht mal vorstellen, dass er jemanden hart anfasst.“

„Du? Davon hast du keine Vorstellungen. Aber manche Frauen brauchen es. Nicht, dass wir irgendwie Spaß daran hätten, aber es gibt solche, die es regelrecht heraufbeschwören.“ Yuichis Meinung. Er würde keine Frau verprügeln, aber es gab sicher welche, die in die Gefahr liefen sogar einen guten Mann so wütend zu machen, dass es passierte.

Sêiichî fragte sich, wie offen er vor Shiori reden könnte. Wahrscheinlich sollte er das besser lassen, dann war ihm Yuichi am Ende noch sauer. Er wollte ja irgendwie so was wie eine heile Welt für sie, oder? Etwas in der Richtung. Und der Laden war alles andere als das.

„Welche Art Frau meinst du genau? Solche, wie meine Cousine?“

Also hatte Retsina durchaus eine Meinung dazu. Das Gespräch versprach interessant zu werden. Man erzählte in der Organisation immer irgendwelche Dinge, aber was man nicht vergessen durfte: Menschen logen. Man sollte sich besser nur auf die eigenen Erfahrungen und Fakten berufen. Deswegen fand er es ganz schön dumm von Cognac auf Jami loszugehen, nur weil irgendeine komische Frau ihm etwas erzählte. Es könnte stimmen, musste es aber nicht.

„Deine Cousine ist Serena Lohan, nicht? Also sie gehört definitiv in die Kategorie, die es schaffen könnte, dass ein Mann so wütend wird, dass er sie schlägt.“ Jetzt sah Yuichi zu Sêiichî. „Du solltest nichts auf Geschwätz geben. Richte dich nach Fakten und Tatsachen. Hörensagen ist das Schlimmste, was es gibt. Nach diesem bilden sich viele Menschen eine Meinung, das sollten sie nicht. Es ist falsch. Wolltest du nicht zur Polizei? Da musst du dich auch nach Beweisen und Fakten richten. Du willst doch nicht so ein Mistkerl werden, wie Tokorozawa.“

„Ja, von dem hat man mir erzählt. Wenn eine Frau ins Präsidium kommt und ihre Vergewaltigung anzeigen will, erfindet er Gründe, weshalb sie selbst schuld ist und sich eigentlich nur schämen sollte – Kenichis Worte.“

Offenbar fand Jami Retsina nicht bloß gut, er redete. Das konnte ihm teuer zu stehen kommen, aber seine Schwäche gegenüber Frauen riss ihn oft dazu hin, dass er ihnen Wissen gab, mit dem sie ihm auch ans Bein pinkeln könnten. Sonst würde er wohl kaum über seinen größten Widersacher sprechen, oder?

„Du solltest Dinge, die er dir im Vertrauen sagt, nicht jedem mitteilen. Damit schadest du ihm am Ende.“ Es war grundsätzlich nicht Yuichis Aufgabe, Jamis Bekanntschaften darüber aufzuklären, wie sie sich zu verhalten hatte, aber er glaubte nicht, dass sie ihm etwas Böses wollte. Es wäre schade, wenn ausgerechnet jemand, der ihn eigentlich wirklich mochte, am Ende sein Untergang war.

„Der alte Tokorozawa – der erinnert mich daran, wie ich niemals werden möchte. Und sein Sohn ist ein Abklatsch von ihm – widerlich.“  Für Sêiichî stand außer Frage jemals auch nur im Entferntesten so wie der alte Tokorozawa zu werden. Er eiferte lieber einem guten Mann wie seinem Ersatzvater nach. Deswegen wollte er Polizist werden, ganz entgegengesetzt der Vorstellung seiner richtigen Eltern. Dann wäre er Arzt oder Biologe, irgendetwas in Richtung Forschung geworden.

Auch Sêiichî hatte eine große Klappe, die man ihm ab und zu stopfen musste. Gut, dass Jami weg war, denn der würde sich die Hände reiben, wo er doch Verbündete im Kampf gegen den Mistkerl suchte. Der nahm jeden und wenn man nicht aufpasste, schaufelte man sich damit sein Grab. „Du solltest auch lernen deine Meinung für dich zu behalten, Kleiner.“

Wie nicht anders zu erwarten, schmollte der Junge, dabei meinte er es nur gut mit ihm. „Meinungsfreiheit wird nirgendwo mehr getreten, als hier, weißt du doch. Wenn du deine Meinung den Falschen sagst, benutzt man es nur gegen dich, also halt doch einfach mal die Klappe.“

„Yuichi ist nett wie immer, das habe ich nicht verdient“, stöhnte Sêiichî und stand von seinem Platz auf. „Ich bin gleich wieder da.“

Dass er nicht dankbar war, war auch wieder typisch. „Muss er alles auf die Goldwaage legen?“ ärgerte sich Yuichi und trank frustriert einen Schluck seiner Cola.

„Du bist auch immer ganz schön hart mit ihm, findest du nicht? Er ist eben sensibel. Nimm doch ein bisschen Rücksicht, mhm?“ tadelte Shiori.

„Sensibel, Kenji? Er hat Kenichi mit einer Pistole eine Gehirnerschütterung beigebracht. Etwas unglaubwürdig, oder?“ entrüstete sich Vanessa.

„Tja, das ist, weil er Prinzipien hat. Wenn man die nicht beachtet, kann er hässlich werden. Aber er ist trotzdem sensibel“, verriet er der Rotblonden, unsicher, ob sie es auch verstand, wenn er es nicht weiter erklärte.

„Echt, das hat er getan? Mit deinem Freund? Nur, weil irgendjemand ihm etwas andichten wollte? So ein Baka-chan.“ Davon war sogar Shiori schockiert. Man erzählte ihr auch viel und sie glaubte trotzdem den Menschen, die sie mochte. Gerade über ihre Cousine Katori hatte man viel Schlechtes zu sagen, sie hörte dann einfach weg, denn sie wollte glauben, dass sie ein guter Mensch war.

„Das und mehr.“

„Mehr? Wie viel mehr denn?“ hinterfragte die 16-jährige.

„Lasst uns über etwas anderes reden“, blockte Yuichi das Gespräch. Er wollte verhindern, dass Retsina sagte, was Sêiichî tatsächlich getan hatte. Shio wäre total schockiert, zu erfahren, dass er einfach so auf jemanden geschossen hatte.

„Okay.“ Zum Glück war die 20-jährige kein Miststück. Andere würden jetzt vielleicht nicht so einfach hören, sondern weiterreden. Weil sie vermuten würden, dass es Gründe gab, weshalb er blockte. Sie wären neugierig und würden bohren, ohne Rücksicht. Vielleicht sogar in der Hoffnung irgendeine Schwachstelle auskundschaften zu können.

„So schlimm?“ fragte Shiori Yuichi, in der Hoffnung, dass er es ihr sagte.

„Bestimmt ist es ihm schon wieder unangenehm, dass er sich nicht im Griff hatte, deswegen reden wir nicht mehr darüber.“

„Ach so.“ Auch Shiori konnte man leicht überzeugen. Das fand er manchmal beängstigend, deswegen passte er gut auf sie auf. „Und wo ist er jetzt hingegangen?“

Ein Seufzen. „Weil ich ihm mal wieder auf den Schlips getreten bin, werde ich mal nach ihm sehen.“ Shiori nickte. Yuichi war manchmal nicht so sensibel, wie Sêiichî und ehe er sich versah, hatte er ihm etwas gesagt, was ihn verletzte. Doch sie wusste, dass er das niemals absichtlich tun würde. Sie sah ihm lächelnd nach und blickte zu der Rotblonden. „Sie sind eigentlich ein Herz und eine Seele. Kenji ist gerade deswegen, weil er ihn so liebhat, so empfindlich, was seine Meinung angeht und die sagt er einfach jedem. Allerdings selten im Bösen. Er ist ein anständiger Kerl.“

 

Dass man sich immer Sorgen um diesen Kerl machen musste. In jeder Hinsicht. Es hatte ihm noch gefehlt, dass Jami Cognac für seine Zwecke einspannen konnte, das brachte Sêiichî nur in Schwierigkeiten. Er selbst hielt sich ja auch von diesem Typen fern. Nicht, dass er ihn hasste, aber manchmal das, was er ohne Rücksicht auf andere durchboxen wollte. Viele würden Kenichi als lammfromm bezeichnen. Nur eine Handvoll wusste es vermutlich besser. Dazu musste man ihn aber schon etwas länger kennen – lange vor der Organisation. Oder man war Psychologe, dann konnte man vielleicht darüber urteilen. Unter ganz dummen Umständen – Missverständnisse gab es oft genug – könnte Jami sogar eine Gefahr für seinen eigenen Vater darstellen. Weil Tokorozawa dem schließlich oft genug auf die Nerven ging. Das könnte falsch bei Jami ankommen. Hoffentlich war er niemals so dumm, sie in einen Topf zu schmeißen, wie viele dachten. Er hasste die Polizei. Weil die ihn im Stich gelassen hatte, als er Hilfe gebraucht hätte. So jemandem konnte man nicht erzählen, dass man den Mistkerl aus Kyoto nicht ausstehen konnte. Er wollte Sêiichî genauso beschützen, wie Ryochi, Hitomi und seine Eltern. Er war Teil der Familie, auch wenn er sein Glück wohl immer noch nicht so ganz fassen konnte. Warum eigentlich? Weil Takahashi ein neidischer Vollidiot war? Einfach weghören konnte Sêiichî ja irgendwie nicht. Wenn er so weiter machte, würde es ihm in der Organisation noch viel mieser gehen, als Jami damals, oder ihm selbst.

„Da steckst du“, sagte Yuichi und sah ihn mit einem netten Gesichtsausdruck an. „Ich war ein bisschen schroff, aber du weißt genau, dass ich‘s nicht so meinte.“ Es stresste ihn jedes Mal, aber es war ihm trotzdem wichtig, dass Sêiichî die Lage begriff.

„Es ist anstrengend, nichts zu verraten“, meinte Sêiichî. „Shio denkt, dass ich das nur mache, weil ich berühmt werden will.“

„Ach, du willst keinen Ruhm? Wäre doch passend zu deinem Schwarm.“ Yuichi sah ihn mit Halbmondaugen an, er wollte ihn aufziehen, aber wie er sah, wurden die Augen seines Gegenübers nur groß und dann lächelte er. „War’n Witz. Außerdem würde Vermouth dich auslachen, wenn du Dinge tust, die zu ihr passen. Dann nimmt sie dich nicht mehr ernst. Na ja, wenn sie es bisher noch tut jedenfalls. Man weiß ja nie.“

„Geht’s dir gut, Yuichi?“ wollte Sêiichî jetzt wissen und ging langsam auf ihn zu. Als ob er nicht wusste, dass er sich dazu hinreißen lassen wollte, ihn zu umarmen. Wieso machte er es nicht? Weil er sich unmännlich finden könnte? Sie waren ja schließlich trotz allem eine Familie.

„Wenn du etwas vorsichtiger bist, geht’s mir weiterhin gut. Wenn du nicht aufpasst, was du tust, kann sich das schnell ändern.“

Schockiert sah der 17-jährige den um zwei Jahre älteren an, kurz darauf zog er eine Schnute. „Du bist so doof, Yu-chan. Ich bin doch kein Baby, was du beschützen musst. Mach dir wegen mir mal keinen Ärger.“

„Schmollen kannst du aber immer noch wie ein Kind, also komm mir doch nicht so. Und bist du sicher, dass du all dem gewachsen bist? Mir scheint, du weißt nicht so ganz, worauf du dich einlässt!“

„Doch, das weiß ich sehr wohl. Ich versuch den Bösen zu gefallen, um sie zu bekämpfen!“ Tapfer und mutig wollte er sein, so wie Yuichi. Das zu wissen, machte es nur noch schlimmer.

„So? Dann bereite dich darauf vor, dass du auch mal schwer verletzt aus dem Dreck gezogen wirst, wenn du dich mit den Falschen anlegst. Das habe ich alles schon hinter mir. Ich weiß, du bewunderst mich, weil du mich stark, furchtlos und all das findest. Und weißt du was mit furchtlosen und starken Menschen passiert, wenn sie nicht höllisch aufpassen? Sie landen im Koma. So viel zu Heldentum.“ Yuichi hielt nicht viel davon, damit zu prahlen, dass man unverwüstlich war, keiner war das. „Du bist in einem Alter, in dem fühlt man sich unsterblich. Mach nicht denselben Fehler, wie ich.“

In Sêiichîs Welt machte sein älterer Bruder keine Fehler. Er war doch toll. Nichts konnte ihm etwas anhaben. Wie gemein von Yuichi diese Seifenblase mit solch einem Knall zum Platzen zu bringen. Ja, er war ein Fiesling. Es tat ihm nicht weh, zuzugeben, dass es Momente gegeben hatte, in denen er verzweifelt war, in denen er Dinge bereut hatte und dass ihm nicht alles gelang, was er versuchte. Denn dann wäre die Organisation schon lange nicht mehr da. Er wollte keine schlechten Menschen unterstützen und trotzdem tat er das seit einigen Jahren. Weil Auffallen das Schlimmste war.

Und nun? Sêiichî sah ihn völlig entgeistert an, so wie er gedacht hatte. Es war wohl ein regelrechter Schock, dass auch er nur um Haaresbreite überlebt hatte. „Ich hatte Bekannte und derartig viel Glück auf meiner Seite, dass es schon beängstigend ist. Die Sache hätte auch anders ausgehen können. Du kannst von verdammtem Glück reden, dass ich den Bösen jetzt so gut gefalle, um intervenieren zu können. Beliebt bin ich deswegen sicher nicht. Wer weiß, wer als nächstes meinen Tod plant, mhm? Willst du echt Schuld daran haben? Kaum, oder? Also binde nicht jedem, der ein bisschen nett wirkt, deine Meinung derartig auf die Nase! Das ist nicht gesund!“ Er schüttelte den Kopf. „Einerseits bist du bescheuert genug, einen Kerl umbringen zu wollen, der sich in der Organisation sein Ansehen unter gewissen Bedingungen ergaunert hat. Andererseits kannst du einfach nicht die Klappe halten und erzählst demselben Kerl, den du versuchen wolltest zu killen, viel zu viel, was er gegen dich benutzen kann. Auf die Weise wirst du als Leiche enden, glaub mir.“

Sêiichî sah runter. Es war ihm sogar irgendwie peinlich, wie wenig er sich im Griff gehabt hatte und wie dumm er doch gewesen war. Instinktiv wusste er, dass er Osiris auf den Leim gegangen war. Wie ein Triebtäter kam Jami einfach nicht rüber. „Jamis Eltern mussten sterben, weil er sich als 12-jähriger geweigert hat Frauen zu vergewaltigen. Und da glaubst du einer komischen Frau wie Osiris, dass er ihr etwas getan hat? Bist du bescheuert?“ Yuichi war niemand, der es beherrschte, die Samthandschuhe auszupacken. Seiner Meinung war es auch nicht das, was Sêiichî brauchte.

„Anscheinend“, sagte der 17-jährige leise. Ja, es war bescheuert. Nichts war wichtiger, als die Familie.

„Ich bin noch nicht fertig“, verriet der 19-jährige, dabei setzte er einen zutiefst besorgten Blick auf. „Die gehen weit, sehr weit. Erst haben sie ihn eingesperrt und er wusste nicht mal, ob er dort verhungert oder verdurstet. Irgendwann bist du völlig verängstigt und drehst total am Rad. Für Freiheit würdest du da alles tun. Die haben ihn entführt, mit ins Ausland genommen und ihm dort erklärt, dass er jetzt entweder Leute umbringt, oder es anderen ganz schlecht ergehen wird. Ich war nicht dort, also kann ich dir nichts Genaueres sagen, aber nach dem Tod seiner Mutter war auch er bereit viel zu tun. Der hätte auf seinen geliebten Vater geschossen und tut das bei noch vielen anderen, die er im Grunde mag. Dass sie mir all das nicht angetan haben, lag nur daran, dass ich alles freiwillig gemacht habe und du willst auch gar nicht wissen, was das alles war. Ryochi würde sich vermutlich in den Kopf schießen, wenn er an meiner Stelle wäre. Und du?“ Die Frage war, ob Sêiichî so robust war, dass er es schaffte auf geliebte Menschen zu schießen. Er bezweifelte das so ziemlich, dass er so ein harter Kerl war. „Man, Sêiichî, du bist sensibel. Du rennst weg, wenn ich dich mal zu hart angehe. Die werden dich von allen Seiten hart angehen. Kannst ja deinen neuen Kumpel Jami mal fragen, wie er ankommt mit seiner Sympathie zu Miss Vineyard. Der kriegt regelmäßig so richtig auf die Fresse und das obwohl er in die Forschung soll und der Boss ihm deswegen sehr wohlgesonnen ist. Und du? Womit willst du besonders sein? Damit, dass du Vermouth hinterher hechelst? Stell dir das nicht so einfach vor. Du bist nur so ein kleiner, pubertierender Spinner, der sie gut findet. Wenn du glaubst, dass das reicht, bist du echt dumm.“

„Ich bin verdammt gut im Schießen!“ polterte seine Stimme los, es war das Beste, was ihm eingefallen war.

Leute umbringen wollte er? Freiwillig? Tickte der noch sauber? Wenn er das zu Jami sagte, wurde er direkt auf Tokorozawa gehetzt. Oder auf andere.

Yuichi ballte seine rechte Hand zu einer Faust und er biss sogar die Zähne zusammen, so wütend machte es ihn, wie leichtfertig Sêiichî von Mord sprach. Er selbst hatte hart damit zu kämpfen, dass er Menschen erschossen hatte und der redete davon, als wäre es etwas Großartiges. Er war ein guter Junge, er sollte sich das nicht antun. Und schon gar nicht so leichtfertig darüber reden, als sei es nichts. Es veränderte, auch wenn man nicht so sensibel war, wie Sêiichî. Er würde daran kaputtgehen, davon war er überzeugt. Hatte er nicht genug psychische Probleme? Da gingen die Pferde mit Yuichi durch und er zog ihm die Faust so dermaßen über, dass sie sein Kinn traf und den 17-jährigen völlig überraschend von den Socken holte. Er flog im hohen Bogen, so hart hatte er ihn getroffen. Wenig später stand Yuichi noch in dieser merkwürdigen Kämpferpose da, seine Augen sah man nicht. Er war fuchsteufelswild. „Hast du sie eigentlich noch alle? Meinst du, ich hab Bock Leute umzubringen? Du spinnst jawohl. Das ist kein Kinderspiel, raffst du es nicht?  Wenn du es einmal tust, wirst du es solange tun, bis du dich selbst nicht mehr kennst. Du würdest am Ende nur ein verdammtes Monster in dir sehen, egal wie schlecht die anderen auch sind.“  Der 19-jährige keuchte mehrmals, so sehr regte es ihn auf.

Der Schlag hatte gesessen und Sêiichî hielt sich den Kiefer, von dem er im ersten Moment nicht wusste, ob er noch heil war, so weh tat es. Und jetzt bloß nicht anfangen zu flennen. Damit bewies er nur, wie schwach er immer noch war. Trotzdem brannten ihm die Augen. Nicht wegen der Schmerzen, er war echt nicht wehleidig. Was Yuichi sagte. Er hatte so viel durchgemacht, nur wegen ihnen allen. Er wollte ihm keine Schwierigkeiten machen.

„Du unterschätzt mich“, sagte er leise – er war ein labiler Junge – wie konnte man den unterschätzen? Er klang ruhig, aber seine Stimme zitterte trotzdem. „Ich halte das aus. Es ist nicht das erste Mal, dass ich auf jemanden geschossen habe und der sogar gestorben ist.“ Nur langsam rappelte sich Sêiichî auf und sah ihm mutig ins Gesicht. „Es tut mir leid, dass du so viel durchgemacht hast. Wenn ich damals stärker gewesen wäre, hätte ich dich unterstützen können. Glaub mir, ich bin nicht mehr so schwach. Ich kann allein auf mich aufpassen. Mir wird nichts passieren. Ehrenwort.“

Allein, dass er dumm genug war, zu glauben, dass ihm nichts passieren würde…

„Wenn du mich unterstützen willst, musst du einkalkulieren, dass du stirbst. Denn auch ich kann nicht sagen, ob es mich nicht doch mal erwischt. Es ist dumm zu glauben, dass niemals etwas schiefgehen wird. Egal wie vorsichtig du auch bist. Also hör auf diesen Scheiß von dir zu geben. Um zu überleben, musst du manchmal Dinge machen, die du verabscheust. Wenn irgendeiner rauskriegt, wer du bist, werde erstmal ich das abkriegen, schließlich soll ich euch von dem Laden fernhalten. Das ist die Bedingung.“

Also war das, was er getan hatte, genau das Gegenteil von dem, was Yuichi tun sollte. Sie fernhalten. Das traf den 17-jährigen viel mehr, als der Faustschlag. „Tut mir leid. Aber ich habe mir gedacht, dass es besser ist, wenn ich jemand bin, der keinen hat. Also komm nicht auf die blöde Idee, mich wieder beschützen zu wollen. Verstanden?“ Jetzt war er aufgestanden und hatte sich Blut von der Lippe gewischt. „Ich bin ab jetzt vorsichtig.“

Ob man das wohl so glauben konnte? Er würde gerne, aber er kannte diesen Baka leider viel zu lang. Er wusste nicht, ob er all das aushalten würde, bisher bezweifelte er das. „Halt dich von Jami fern, der ist ein Pechmagnet.“ Solange er so etwas nicht kapierte, würde er über kurz oder lang mächtig auf die Schnauze fallen.

„Das klingt ganz schön gemein, findest du nicht?“

„Sei nicht so weich. In dem brodelt viel zu viel, der zieht dich nur in was rein. Also halt die Füße still, verstanden?“ Nein, er hielt die Klappe, was Vermouth anging. Die regelte das schon selbst. Außerdem würde Sêiichî wohl dann erstrecht etwas versuchen. „Und halt mal deine Hormone im Zaum. Du kannst es woanders wild treiben, in der Organisation sind zu viele komische Tussis, die in einem wie dir nur ihren Idioten sehen würden, der tapfer für sie draufgehen darf.“ Nein, er meinte nicht diese Frau – es gab andere, die nach Helden suchten, damit sie ihr Leben für sie gaben. Seyval zum Beispiel. Der Frau war doch egal, was aus ihnen wurde, wenn sie für sie arbeiteten. „Wie du so schön sagst, du willst den Bösen gefallen. Ja, schön, aber nicht zu sehr. Denn dann kommst du aus dem Strampeln nicht wieder raus.“

„Ich hab dich so vermisst… Und Ryochi auch. Du darfst nicht sterben…“

Es war nicht so, dass er sich darum riss diese Welt zu verlassen, aber es blieb gefährlich, dagegen konnte keiner etwas machen. „Ich geb mir Mühe am Leben zu bleiben. Also gib du dir auch Mühe, nicht aufzufallen. Denn du wirst jetzt leider bleiben müssen. Den Laden verlässt man nicht lebend. Musste ich auch beschwerlich begreifen.“ Deswegen war Plavac damals auch so wütend gewesen, als er bei ihnen eingestiegen war. Weil es kein Entrinnen gab. Bisher jedenfalls – seit gut 30 Jahren, wie er ihm mitgeteilt hatte. Solange war sein Patenonkel schon in diesem Nest gefangen. Das sagte doch wohl alles. Wenn man stark war, dann waren die stärker. War man schnell, hielten sie einen in der Gruppe fest. War man intelligenter als der Rest, dann schlossen sie sich zusammen und machten gemeinsam Pläne. Fiel man auf, stand man unter Dauerbeschuss und wurde auch genauso übel auf Schritt und Tritt überwacht. Abhauen? Konnte man gern versuchen. Dann bekam man erfolgreich eine Kugel direkt ins Kreuz. Um Fairness waren die wirklich nicht bemüht.

„Du kannst Jami nicht leiden, oder? Jedenfalls warst du voll genervt von ihm. Er hat das nicht gemerkt, ich aber schon“, sagte Sêiichî und sein gegenüber beseufzte es bloß erst einmal. Er steckte sich die Hände in die Hosentaschen und überlegte, ob es eine gute Idee war, oder nicht, ihm zu sagen, was sein Problem war.

„Warum sollte ich? Sein bester Freund ist Tokorozawas Sohn. Das kleine Arschloch ging mir schon immer auf die Nerven. Und er hat sich mit ihm abgegeben, obwohl da einige Dinge geschehen sind, die er gewiss nicht gut findet. Typisch Jami, über jeden eine Meinung haben, aber feige ins Gesicht lächeln. Nur, wenn er sich etwas davon verspricht, reißt er seine Klappe auf. So ein widerlicher, kleiner Klugscheißer. Und dann noch Vermouth nacheifern. Wie man Leuten auf den Geist geht, weiß diese Frau, wie keine Zweite, kein Wunder, dass die Meisten sich von ihr fernhalten – aus weiser Voraussicht. Nur Jami sieht das nicht ein. Leute zu nerven, hat sie ihm wirklich gut beigebracht. Der geht mir so auf die Nerven mit seinem wichtigen Getue." Und garantiert ging es nicht nur ihm so. Wenn sie schlau waren, machten sie höchstens lieb Kind bei ihm, die anderen konnten ihn nicht leiden, weil er zu diversen Machtspielchen neigte. Jami ließ nichts unversucht, den Damen um sich herum klarzumachen, dass er der Retter in der Not, aber genauso gut ihr Untergang sein konnte, wenn er an falscher Stelle plauderte. Sein enger Kontakt zu Vermouth machte es nur schlimmer. „Also halt dich von ihm fern. Der sagt heute so, morgen so.“ Yuichis Eindruck war es jedenfalls. So, wie es diesem Typen passte. Der rannte zu der Hexe, nur weil die einen direkten Kontakt zum Boss hatte – und das rieb er anderen auch schamlos unter die Nase, dass sie zusammenarbeiteten. Ein Wort von ihm und der Boss erfuhr sofort davon.

„Lass mich raten, von Vermouth muss man sich auch fernhalten.“

„Sie ist verlogen, weitere Kommentare überflüssig.“ Man konnte ihr nicht vertrauen. Wenn der Boss es so wollte, tat sie alles. So wie seinen kleinen Bruder holen.

 

 

Seyval tippte gelangweilt auf der Theke, während sie dem langweiligen Plausch der beiden Männer folgte. Sie saßen weit weg von der Großstadt in einem Café – in der Hoffnung, es war abgelegen genug, damit keiner es spitzbekam.

„Dass euch das noch nicht aufgefallen ist?“ fragte der 35-jährige in die Runde. „Ich meine, guckt euch die Leute doch genau an, die Stress mit Jami haben. Das sind immer Leute, die mal gegen Vermouth gewettert haben. Der Typ könnte nicht mehr auf ihrer Seite stehen. Eigentlich müsste er unserer Sey dann jawohl die Füße küssen.“ Er drehte den Kopf und legte diesen auf der Hand ab, während er den Kopf dann etwas schieflegte, grinste er die Dunkelblonde an. „Was hast du dem Bengel getan, mhm? Ich meine, abgesehen von den Dingen, die du hintenrum so getan hast, natürlich.“

Die Angesprochene reckte den Hals, da er wagte, diese Ungeheuerlichkeit tatsächlich auszusprechen. Dann wagte er noch, ihre Schulter zu tätscheln, was sie mit einem verärgerten Blick erwiderte und schließlich angewidert seine Hand von sich schob. „Lass deine Hände bei dir, Sylvaner!“

Schlimm genug, dass sie hier zusammensaßen. Immerhin waren sie Freunde von Chardonnay. Aber auch die waren, wie jeder Mensch, manipulierbar. Sie hatte dem jüngeren Bruder schließlich sogar eine leichte Beute besorgt – das nannten sie Stein im Brett, also was gut bei ihnen. Im Großen und Ganzen hatten sie mit Chardonnays Missetaten ja auch nichts zu tun. Es juckte sie bloß nicht sonderlich, was er trieb, solange er seine Aufgaben sauber erledigte.

„Ich glaube, sie will nicht antworten“, schlussfolgerte eine rothaarige Frau. Ihre Haare waren wellig und die Augen eiskalt. Ebenso wie ihre Stimme mehr gleichgültig klang. So etwas langweilte sie nur. Jami war bloß ein Spielzeug – vielleicht fühlte sich Vermouth ja toll, wenn sie mit jungen Kerlen spielte. Die waren dumm genug, ihr zu folgen.

„Würd mich nicht wundern, wenn Jamilein deswegen Zoff mit Carpano gesucht hat. Außerdem ist offensichtlich, was er gegen ihn hat. Ihm ist die Familie erhalten geblieben, der Kleine ist neidisch.“ Sie fühlte sich brillant, dabei war es keine große Kunst so etwas zu ergründen.

‚Vielleicht hat Jami auch einfach seine eigene Meinung? Wie wär’s damit, ihr Einfallspinsel‘, dachte sich eine Person, die sich ein bisschen weiter weg befand und zweifellos die Personen beobachtete. Er war ein misstrauischer Mensch, deswegen tat er so etwas zuweilen. Ohne, dass sie es merkten, natürlich. Sicher doch. Sie hatten nichts Besseres zu tun, als an jedem Dilemma immer dieser Frau die Schuld zuzuschieben. Weil der Boss von ihr geblendet war. Mit einem Jahrhundert an Lebenserfahrung fand er das sehr abwegig, dass dieser Mann getäuscht worden war. ‚Wenn eure Rechnung aufgehen würde, dann müsste Jami Seyval auch unterstützen, immerhin ist sie ja wichtig – bisher noch. Spionieren ist wundervoll. Man erfährt so viele wertvolle Dinge. Und man könnte so viele Menschen ins Chaos stürzen, wenn man sie nutzt. So verlockend. Seyval mit Rivaner, Sylvaner und Grenache in einer Bar. Ihr ist schon klar, dass Vermouth keinen von denen mag?‘ Klar wusste die Schlange davon. Sie hielt sich nur für so toll, dass man sie nicht erwischte. Vermouth könnte wohl mindestens zwanzig Gründe für ihre Abneigung nennen. Mittlerweile hatten sie schon viel zu viel getan, es würde ihn nicht wundern, wenn sie Jami sogar ein bisschen dafür benutzte, die am Ende loszuwerden. Er war neutral – zwar hielt er sie nicht für die schlimmste Person in der Organisation, aber wenn man ihr Feind war, war sie alles andere als nett. Gnadenlos traf es da besser. Und er war damit gestraft, ein Mitwisser zu sein. Die Zeit in Amerika war schuld daran. Obwohl Seyval überall herumerzählte, dass Vermouth ihre Schwester war, war den Meisten offenbar nicht bewusst, dass diese Verbindung nicht bloß symbolisch gemeint war. Auf der anderen Seite hatte Sharon Vineyard kaum Bindungen in der eigenen Familie – höchstens zu einem Teil Familie. Um genau zu sein, konnte sie keinen leiden, außer Jamie Moores Mutter und ihn selbst. Was sagte ihnen das? Er war nicht einmal das leibliche Kind der Familie. Zu den leiblichen Angehörigen hatte sie ein schlechtes Verhältnis. Auch die Beziehung zur Erstgeborenen hatte Schaden genommen, weil die Zweitgeborene Sharon hasste. Für Dinge, die sie sich gewiss nicht ausgesucht hatte. Seyval sollte auf der Hut sein, denn man konnte tief fallen, auch dann, wenn man eine Verwandte war. Mittlerweile hatte Sharon genügend Menschen, die ihr wichtiger waren, als diejenigen, die eben zur Familie gehörten. Die konnte man sich ja schließlich nicht aussuchen.

Wenigstens hatte Shizuka geschafft das Land zu verlassen. Es war nur zu hoffen, dass sie es geschickt angestellt hatte. Aber er vermutete, dass sie Hilfe gehabt hatte, von Leuten, die sich besser auskannten. Denen eine Flucht gelingen würde, die aber nichts vom Wegrennen hielten. Er selbst konnte das nicht, da er voll unter ihrem Bann war.

Zu seinem Pech alarmierte sein Handy ihn wenig später. Da bekam er nicht mehr alles mit, was seine Opfer redeten.

~Ärger im Verzug. Chardonnay sorgt für Verstärkung. Ich hoffe, der ist weniger schlau als Jami. Das hätte uns noch gefehlt… Ausgerechnet der soll ihn empfangen. Hoffentlich knallt er ihn direkt ab, wenn er merkt, dass der Neue im Knast nichts dazu gelernt hat.~

Sie alle mochten Chardonnay nicht, aber eine Handvoll tat zumindest so, als ob. Ihm schien es, als wollte Chardonnay für seine eigene private Armee sorgen. Eine Gruppe Leute, die in ihm entweder die Offenbarung sahen, oder die erpresst wurden, damit sie für ihn arbeiten, so wie er selbst. Ein abfälliger Laut und ein Zischen waren zu hören. Der elende alte Bastard war nichts als ein Schandfleck und der wollte sich noch mehr Verbündete suchen. Gegen wen eigentlich genau? Gegen eine Frau? Oh bitte.

‚Als ob Jami einen neuen von Chardonnay gleich abknallt. Nein, der versucht ihn zu erziehen und wird ihn schikanieren. Hoffen wir, dass derjenige nicht gleich rausfindet, dass der Typ eigentlich bloß eine große Klappe hat.‘ Jami konnte einem auf den Zeiger gehen, aber er konnte den Schönling einfach nicht ernstnehmen. Chardonnay hätte ihn abschlachten lassen, wenn der Boss nicht gewesen wäre. Das vergaßen wohl einige. Dass er noch lebte, war nicht allein sein Verdienst, sondern vor allem die vom Obersten und er würde schwören, Vermouth hatte dafür gesorgt. Sie konnte auch nicht offensichtlicher Leute rekrutieren, welche auf einer gewissen Seite standen. Leider maßte er sich nicht an, wie andere, zu wissen, welche Seite das genau war. Wenn man wusste, wer sie wirklich war, würde man wohl denken, sie sei gerecht. Er war da mehr als vorsichtig, egal wer sie war. Am Ende war auch sie bloß wie jeder Mensch auf den persönlichen Vorteil aus. Obwohl er das sehr traurig finden würde, wenn sie sich auf diese Weise verändert hätte.

Was Flavis ihm in seiner Message nicht mitgeteilt hatte, war, dass er den Neuen sehr gut kannte. Besser, als er wollte. Er selbst wusste jetzt nur, dass es jemand aus dem Knast war und auch nicht, wie goldrichtig er zu Chardonnay passte. Viel mehr als er selbst. Nichts destotrotz änderte das nichts. Der Alte mochte ihn, weil er sich so schön erpressen ließ.

 

Wenig später erreichte Absinth eine weitere Nachricht. Von einer Frau, mit der er mal einige Male ins Bett gesprungen war. Wieso glaubten die eigentlich immer, dass ein paar Mal Sex bedeutete, dass man gleich für sie arbeiten würde? Er verdrehte die Augen und überlegte, was er ihr dazu wohl sagen sollte. Er entschied sich, sie zappeln zu lassen, das wirkte am besten bei Frauen.

Jeder in diesem Laden hielt sich Leute warm, für harte Zeiten. Die Tussi tickte auch nicht ganz sauber. Glaubte sie wirklich, was sie zu schnattern hatte, interessierte ihn auch nur im Geringsten?

Eines konnten die Damen mehr als gut: Auf die Tränendrüse drücken, wenn sie Ärger hatten. Und er hatte geglaubt, dass Trincadeira eine Nervensäge war.

~Soll das heißen, du kannst dich nicht gegen Jami wehren? Am besten du bringst dich in Sicherheit, Schätzchen. Ans andere Ende der Welt oder so etwas in die Richtung.~

Das war gewiss nicht das, was sie hören wollte. Was bildete sie sich überhaupt ein? Jami drohte ihr und sie kam bei ihm angekrochen, weil er offenbar so aussah, als würde er ihm gern den Tag versauen. Dabei war es Jami, der bei ihm ankam, um Streit zu suchen. Weil er zu Chardonnays Truppe gehörte. Nichts, was man sich gerne aussuchte.

‚Ich habe Besseres zu tun. Aufzupassen, dass Chardonnay nicht übermächtig wird, zum Beispiel. Wo er ja rekrutiert. Das ist ein größeres Problem, als deine Alltäglichkeiten. Ärger eben nicht seine Leute, dann lässt er dich in Ruhe.‘

Auch bei ihm war schon lange angekommen, für wen sich der Gute interessierte. Sie war ein hübsches Ding, das kein Kerl von der Bettkante stoßen würde, aber es gab genug andere Frauen, mit denen man Spaß haben konnte. Er musste nicht auf Teufel komm raus seinen Feinden auf den Sack gehen. Hätte Kagura ihm geschrieben, wäre das etwas völlig anderes. Aber die hatte keine Scherereien mit Jami. So etwas brachten nur Chenin und Trincadeira fertig. Warum ging sie nicht zu ihrem Gatten und berichtete ihm davon? Er konnte sich schon denken, wieso. Weil sie ihn nicht wütend machen wollte.

 

Chenin knurrte, während Tränen der Wut über ihre rosigen Wangen flossen. Was bildete sich dieses kleine Arschloch ein? Wollte er sie verarschen? Auf niemanden war Verlass. Dabei war sie sich teuflisch sicher, dass Absinth etwas gegen den Jüngeren hatte. Konnte er nicht einfach Chardonnays Aufmerksamkeit auf den Mistkerl lenken, damit er mal wieder einen Dämpfer bekam? Stattdessen verspottete er sie. Mit Mérille konnte sie auch nicht besonders – sie könnte Kalina mobilisieren. Aber ob sie das auch würde? Die blöde Kuh wollte eher noch selbst an den Typen ran. Wenn es darum ginge, ihn um den Verstand zu vögeln, hätte man sie sicher begeistern können. Da würde der kleine Unschuldsengel aber ganz schön blöd gucken. Vor allem dann, wenn man beide dabei aufnahm, wie sie es trieben. Eigentlich war die Idee gar nicht so schlecht, oder? Sie konnte dem Typen eins auswischen und Mérille bekam ihren Leckerbissen.

 

Als der Schwarzhaarige die Treppe passierte, tat er das im Sauseschritt. Zum Glück sah er Yuichi und Sêiichî nicht, die sich schnell hinter einer Mauer verbargen, als der junge Mann zum Telefon griff und doch recht energisch telefonierte.

„Es ist etwas passiert. Seyval trifft sich mit einigen Leuten. Man muss fast befürchten, dass sie wieder einen ihrer Wahnsinnspläne ins Auge gefasst hat. Diesmal werde ich das ganz offiziell bei Anokata vortragen. Was sie mit der kleinen Bitch machen, ist dann nicht mehr mein Problem. Ich will nichts mit so etwas zu tun haben, überhaupt nichts!“ So in Rage war Jami höchstens im Umgang mit Mistkerlen, selten mit Frauen, aber offensichtlich hatte die Gute ihn ordentlich wütend machen können. „Was sie weiß? Dass ich kein herzloser Kerl bin, zum Beispiel. Das ist mehr als genug. Und sie weiß die anderen Dinge? Ja, genau die. Ich schwöre, dafür schmort sie in der Hölle. Mir ist egal, ob Anokata danach wieder alle Pforten dichtmacht. Seine wichtigsten Leute lassen sich von einer Irren wie ein Hund am Halsband herumzerren, wie es ihr beliebt. Nein, ich werde mich nicht beruhigen. Besser, wenn Vermouth keinen Wind davon bekommt. Wer weiß, was sie machen würde?“

 

Die Beobachter hatten bei einem bestimmten Punkt das Handy gezückt und einen Teil des Gesagten einfach heimlich aufgenommen. Dann wurde Sêiichî mitgezerrt, als das Gespräch beendet war. Auf dem Weg zu dem Gebäude, suchten sie sich die Feuerleiter. Um genau zu sein war es Yuichi, der hochkletterte und Sêiichî durfte Schmiere stehen, so wie es früher gewesen war. Als sie noch Kinder waren. Bestimmt freute er sich total.

Man sah durch die beschlagene Scheibe nicht das Gesicht der schwarzhaarigen Frau, aber sie sprach so laut, dass man sie selbst vor dem Fenster noch hörte…

„Ich bin so wütend…, dieses… verfluchte Schwein!“ In ihrer Stimme lag ein Hauch Groll, aber auch wurde ihr Fluchen mehrere Male von einem Schluchzen unterbrochen. „Wie soll ich mich da beruhigen? Er will meinem Mann mitteilen, dass ich ihn darum gebeten hatte, ihn zu töten. Mein Mann wird mich beseitigen lassen, wenn er davon erfährt!“

Solche Frauen hatten es alle Mal verdient. Es war nicht so, dass es Chenin so schrecklich unter der Fuchtel des Mannes ging. Sie liebte ihn ja nur nicht mehr, also war sie zu Jami gegangen, der gern half. Selbst schuld, wenn man seinen Helfern irgendwann so dumm kam. Sie war doch nicht einmal verliebt in Jami, oder? Sie sah nur nicht gern andere Frauen, die mehr beschützt wurden, deswegen terrorisierte sie Retsina und weil Trincadeira alles andere als der blonde Sonnenschein war, den sie gerne verkörpern wollte. Und zwar nur, weil sie es auf bestimmte Männer abgesehen hatte.

„Keine Ahnung, warum ich das mache… Zu was bringt der mich?“ seufzte Yuichi und suchte schließlich den Weg wieder nach unten.

„Sie hat keine schweren Verletzungen. Lass uns verschwinden“, teilte er Sêiichî nur kurz mit und zog ihn mit sich – zurück ins Café.

„Da seid ihr ja wieder“, meinte Shiori lächelnd, als schließlich Retsina der Wanduhr einen Blick zuwarf.

„Er ist ganz schön lange weg. Bestimmt wollen sie es nicht löschen.“

„Doch, ich denke er bekommt das hin, dass sie brav das tut, was sie soll.“ Wenn sie nicht wollte, dass ihr Mann von ihren heimtückischen Plänen erfuhr. Jami konnte wirklich ein ganz schöner Dreckskerl sein, wenn man ihm zu sehr auf den Nerven rumtrampelte. Es war jedenfalls nicht nett, einer Frau, der man versucht hatte zu helfen, zu drohen, sie an den Mistkerl von Mann zu verraten, aber er konnte nicht sagen, dass das unverdient war. Frauen, die ihre Männer den Hyänen zum Fraß vorwerfen wollten, indem sie sie beseitigen ließen, verdienten es jedenfalls irgendwie, für ihre heimtückische Art und Weise ordentlich abzukriegen. Man konnte nicht sicher sein, ob Jami es nicht wahrmachte. Denn er traute ihm einiges zu, obwohl für die Ermordung einer Frau zu sorgen, sicher nicht zu seinen Plänen gehörte, nicht wahr? Er konnte Frauen nicht ernsthaft Schmerz zufügen. Das hieß aber nicht, dass er sie nicht beseitigen lassen könnte. Was man selbst nicht schaffte, ließ man eben andere machen. Aber er traute ihm so viel Grausamkeit einfach nicht zu. Haltlose Drohungen, die offenbar zumindest bei Chenin Panik hervorriefen. Sie traute es ihm wohl durchaus zu, es wahrzumachen.

 

 

 

 

 

 

16. Januar – Rescue me

Die Tür wurde gerade einmal um einen Spalt geöffnet – nicht sehr einladend – und die junge Frau sah den Braunhaarigen traurig an, bevor sie langgezogen aufseufzte. „Du schon wieder.“

„Guten Morgen. Ist er startklar?“ fragte der 18-jährige.

Ihr Blick ging Richtung Boden, als er fragte. „Ihn hat eine Grippe erwischt.“ Während des Satzes schaute sie ihm nicht einmal ins Gesicht.

Gestern ging es ihm nur nicht gut, heute sollte es schon eine Grippe sein. Sehr zweifelhaft für ihn, immerhin war sein bester Freund noch nie wehleidig gewesen. Jeder wunderte sich bloß immer, wenn er sich dann doch mal was einfing.

„Okay, wünschen Sie ihm gute Besserung und richten Sie ihm bitte aus, dass ich heute Nachmittag vorbeikomme, um ihm die Hausaufgaben zu bringen.“ Als guter Freund war er stets hilfsbereit, geradezu vorbildlich.

Seit sie im Präsidium aufgemischt worden waren – also eigentlich eher sein Freund – stimmte etwas nicht. Zwar konnte Takahashi einige Dinge richtigstellen, aber Toshi hatte irgendwie nicht ausgesehen, als wäre er okay. Und die Grippe war es auch ganz bestimmt nicht…

„Aber das ist doch ansteckend!“ durchfuhr es die Angestellte schockiert. Dabei durfte sie bei den zwei Jungs nichts mehr wundern. Sie hatten einmal Lagerfeuer im Garten gemacht und dabei einen ganzen Rosenbusch abgefackelt.

„Aber das ist doch ansteckend!“ durchfuhr es die Angestellte schockiert.

„Ach, das macht nichts, ich bring einen Mundschutz mit. So empfindlich bin ich nicht.“ Er würde sich doch von denen nicht verscheuchen lassen… Bisher hatte er mit der Familie keinerlei Schwierigkeiten gehabt, da war es schon etwas ungewöhnlich, das Gefühl zu haben, gerade nicht erwünscht zu sein.

Als jedoch wenig später auch die Hauseigentümerin in der Tür stand und dem Hausmädchen Anweisung gab, in der Küche ihre Arbeit fortzuführen, war er ein bisschen stutzig.

„Warum musst du so unvernünftig sein?“ seufzte sie. „Er ist sowieso nicht in der Lage die Hausaufgaben zu machen. Er ist richtig krank! Du kannst heute nicht vorbeikommen!“

Was sollte das? So etwas hatte er noch nie erlebt. Bisher war es nie ein Problem, wenn er vorbeikam und er war auch noch nie so seltsam angesehen worden, wie heute. Als hätte er Schuld daran, dass Toshizo die Grippe hatte.

„Aber…“

„Nichts aber! Geh jetzt!“

Nicht mal auf Widersehen hatte sie gesagt, sondern die Tür vor seiner Nase zugedonnert.

 

Doch die Dunkelbraunhaarige hatte ihre Rechnung nicht mit ihrem werten Gatten gemacht. Als dieser noch aus dem Wohnzimmer mitbekam, dass sie Toshis besten Freund fast ein wenig angefahren hatte, kam er raus und erwischte sie mit ihrem grimmigen Blick im Gesicht.

„Was war los? War das Takahashi?  Warum hast du ihn nicht reingebeten?“

„Oh bitte, lass es gut sein. Ich will, dass die sich eine Weile nicht sehen…“

„Warum?“ Das verstand Ichiro überhaupt nicht. Er mochte diesen Kerl, der war ihm von Anfang an sympathisch gewesen. Ein taffer Junge mit dem richtigen Sinn für das Gute.

„Weil er mit den falschen Leuten zusammen ist!“

Ihr Mann seufzte theatralisch. „Du hörst zu viel auf die falschen Menschen, Schatz. Takahashi ist ein guter Junge.“

„Nein, er ist ein harter Kerl, der dir nur gefällt, weil unser Sohn deswegen seinen Kummer verbirgt.“

„Das unterstellst du mir? Wie kommst du denn darauf?“ amüsierte sich der Schwarzhaarige – es war zwar nicht unbedingt ganz unwahr, aber das war nicht der einzige Grund. „Und was unterstellst du den Kindern?“

„Dass Toshi vorgibt eine Grippe zu haben, liegt nur daran, weil er den Starken markieren muss!“

Kurz darauf drehte sich der Schwarzhaarige verärgert herum. „Das höre ich mir nicht länger an!“ Bevor er die Treppe hinaufging und gegen die Zimmertür klopfte. Er hatte seine eigene Art und Weise mit den Mitgliedern seiner Familie umzugehen. Nichtsdestotrotz hatte er hier das Sagen, auch wenn es nach außen hin vielleicht nicht wirkte, als sei er wie die anderen Ehemänner, die ihre Frauen zum Besitz erklärt hatten. Er wirkte wie ein lieber Familienvater, der sich nie etwas zu Schulden kommen lassen würde, was auch nur ein schlechtes Wort gerechtfertigt hätte. Er kümmerte sich immer sehr um alle, war bemüht, das Beste für sie zu schaffen.

„Lasst mich doch bitte zufrieden“, tönte es von innen. Daraufhin drückte der Schwarzhaarige die Türklinke hinab. Er konnte ihm den Gefallen leider nicht tun – hier wurde nicht geschwänzt; das konnte er ihm nicht durchgehen lassen. Es war dunkel und sein Vater sah nur, dass Toshizo sich die Decke über den Kopf gezogen hatte. Immer dieser Ärger mit den Kindern, zum Glück hatte er sich nur für eines entschieden. Er sah in einer Tochter nicht so viel Nutzen, wie in einem Sohn. Mädchen interessierten ihn nicht besonders, sie waren in seinen Augen nur für eines gut: Die Zeugung eines Kindes. Also etwas, was ein Junge genauso gut konnte. Plus die anderen Dinge, zu denen Männer besser in der Lage waren.

Japan lebte diesbezüglich im Mittelalter und er sah keinen Grund an dieser Lebensweise etwas zu rütteln. Ihre Erfolge gaben ihnen Recht.

„Raus aus den Federn, ich dulde nicht, dass hier Schule geschwänzt wird!“ Er war noch nie besonders feinfühlig, deswegen zog er ihm die Decke weg.

„Ichiro, lass doch den Jungen!“ mischte sich seine Frau ein.

„Dass ihr Frauen den Kindern immer so viel durchgehen lassen müsst, verstehe ich nicht!“

Natürlich hasste das Kind ihn wieder, weil er mit seinem Verhalten nicht durchkam. Dennoch traf ihn der verärgerte Blick keineswegs.

„Er hat Fieber, er muss im Bett blei-!“

Schon hatte Ichiro dem Kind an die Stirn gefasst und runzelte die Stirn. „Ich kenne die Krankheit, die unser Sohn hat“, meinte er, fast etwas besserwisserisch. Der Junge sah ihn schmollend an. Dass er bei einer Lüge erwischt wurde, passte ihm wohl nicht.

„Ich will nicht, dass du deine Mutter anlügst, Toshizo!“ ermahnte er ihn mit erhobenem Zeigefinger. „Und jetzt wirst du aufstehen und dich beeilen. Wenn du Glück hast, erwischst du Takahashi noch. Wie kannst du deine Mutter dazu anstiften, auch deinen besten Freund zu belügen? Das macht man nicht!“ Es gab hier gewisse Regeln und die änderte er selbst, sonst keiner.

Das macht man nicht. Ja, in diesem Haus herrschten scharfe Regeln, was man durfte und was nicht. Aber um sie durchzubringen, müssten seine Eltern sich dafür interessieren, was in diesem Haus nicht alles passierte. Sie hatten eine Schulfreundin quasi vergewaltigt. Und als Wiedergutmachung hatten sie sich nicht so sehr für ihre Probleme interessiert, wie sie gesollt hätten.

Er fühlte sich echt nicht nach Schule. „Vater, mir geht es nicht gut, ich kann nicht zur Schule.“

„Und was hast du?“ Außer Faulenzia konnte er sich nichts Gravierendes vorstellen, vielleicht war er etwas müde. Das lag aber nicht an einer Krankheit, sondern daran, dass er nie rechtzeitig ins Bett ging. Gestern Abend war noch der Fernseher bis spät in die Nacht gelaufen – als wüsste er das nicht.

„Ein schlechtes Gewissen. Aber das ist dir sowieso fremd.“

Es könnte ihn wütend machen, dass man ihm das frech unterstellte, aber die Wahrheit war noch nicht verboten.

„Toshi, das sagt man nicht! Sei nicht so frech zu deinem lieben Vater!“

Ach… So ein Käse. Seine Mutter war hervorragend darin, sich Dinge vorzustellen. Dinge, die er selbst sich nicht vorstellen konnte. Er sah auf, ins Gesicht seines Vaters. „Tut mir leid, Vater. Mir geht es wirklich nicht gut…“ Nur einmal wollte er stur bleiben, nicht alles nur schlucken. Warum konnte er nicht einfach mal der Vater sein, den er gerade nötig hatte?

Der Mann blickte von seinem Sohn zu seiner Frau. Er setzte sich auf das Bett. „Verlass bitte das Zimmer.“

„Sei bitte nicht so streng, ja?“ Natürlich machte sich die zartbesaitete Frau Sorgen, er lächelte.

„Keine Sorge, ich will nur wissen, was ihm fehlt. Anscheinend möchte er es nur mir sagen.“

Das war sogar überraschend. Für wen am meisten wussten sie nicht, aber Toshizo war schon ein bisschen perplex, als sein Vater sich auf einmal dafür interessierte, was ihm fehlte. Aber wer wusste schon, was dahintersteckte?

„Was ist los? Hast du dich mit Takahashi gestritten?“

Einfach jeder wusste, dass das mit am schlimmsten für ihn wäre. Ein Witz gegen das, was gerade in ihm vorging.

„Nicht direkt.“ Dann senkte der Junge traurig den Kopf. Zum Glück fehlte es seinem Vater nicht an Intuition, so bemerkte er, dass es etwas gab, worüber sein Junge dringend reden musste.

„Nun lass dir nicht alles aus der Nase ziehen.“ Das war ihm viel zu anstrengend.

„Du kennst die Okitas näher, oder?“

Das Schweigen des 45-jährigen sagte bereits mehr, als hätte er sofort geredet.

„Wer kennt sie nicht näher? Sie spielen sich ja auch ganz schön auf“, lachte er schließlich. „Warum fragst du?“

„Ich war an Takahashis Geburtstag bei ihnen…“

„Oh je, was hast du mitbekommen?“ Es gefiel seinem Vater absolut nicht, egal was auch dort passiert war, also hatte er keine gute Meinung über diese Familie. „Du hast aber nichts mit dem Mord an Yoshio Okita zu tun, oder? Oder Takahashi?“

Erschrocken sah er seinen Vater an, mit weit aufgerissenen Augen, dieser Ausdruck verschwand aber genauso schnell, wie er gekommen war und machte Platz für einen Blick, der ihn wohl emotional berühren sollte. So traurig wie er aussah. „Nein.“ Er schloss die Augen. „Ich wollte eigentlich nur Saki abholen, weil sie bis zu dem Zeitpunkt nicht aufgetaucht war… Ihr Bruder kam zur Tür… das muss kurz vor seiner Ermordung gewesen sein…“

„Ach und du machst dir jetzt Sorgen, weil du glaubst, du hättest es verhindern können?“ Sein Vater fand das offenbar lustig, er lachte, sehr herzhaft sogar. Okitas Sohn hatte es in seinen Augen verdient – was sollte man da bitte verhindern? Er wünschte, dass andere Mistkerle genauso von der Bildfläche verschwinden würden, weil sie durch ihre bloße Anwesenheit das gesamte Umfeld vergiften konnten. Ihre brutale und grausame Art machte sie in seinen Augen verabscheuungswürdig. Es gab nichts Schlimmeres als Hochmut und Verachtung gegenüber denjenigen, die freundlich und nett mit den Menschen umgingen.

„Das ist nicht komisch, Papa…“  Sie redeten hier von einem Ermordeten, obwohl es ihm um diesen Teufel nicht leidtat. „Ich weiß, du würdest nie etwas bereuen. Und es ist auch gar nicht so, dass er seine Rettung verdient hätte. Nein, er verdient, dass er draufgeht.“

Das waren harte Worte, die diesem Akaja bestimmt wieder nicht gefallen hätten. Der würde auch die retten, die es nicht verdienten. Bestimmt würde er Toshizo sagen, dass man so etwas für sich behalten, nicht einmal denken sollte. Absolut übertrieben. Es reichte, wenn man sich im Griff hatte. Für einen Moment hatte er wirklich befürchtet, Toshizo hätte etwas getan, was auf ihn zurückfallen könnte. Nur deswegen strich er ihm nun über den Kopf. Das waren die Momente, in denen er froh war, dass der Junge ein Lämmchen war, was keiner Fliege etwas tun könnte. Dann machte er keinen Mist.

„Die Polizei hat ganz komische Dinge über Saki wissen wollen… wir haben sie nämlich besucht…“

Sein Vater wusste weitestgehend nicht, was sein Sohn so machte, er hatte bisher immer darauf vertraut, dass sein bester Freund schon wusste, was sich gehörte, seine Mutter hatte ihn gut erzogen – auch wenn einige regelrecht nach Fehlern suchten, um die arme Frau zu terrorisieren.

„Ja, du wolltest ja wissen, wo sie ist.“

Toshizo beobachtete die Mimik seines Vaters, denn aus seiner Stimme war wie immer nichts deutlich zu hören, außer dass ihm das Schicksal von Menschen egal zu sein schien, solange es sich nicht um das der eigenen Familie handelte. Er schwieg, um ihn dazu zu bringen, mehr zu sagen. Wenn er ihn direkt fragte, ignorierte er nur alles, was er nicht beantworten wollte.

„Und, wie geht’s ihr?“

Interessierte das seinen Vater wirklich? Er hatte ja schließlich mitbekommen, dass die Okitas sich das Maul über sie zerrissen.

„Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl… Vor knapp zwei Monaten wollte sie noch Tak verzeihen, dass er sie erpresst und beleidigt hat… Und dann wollte sie noch mit ihm zusammen sein. Jetzt will sie uns nicht mal sehen… Bestimmt wurde sie vergewaltigt.“

Das Thema war in diesem Haus nicht gerade willkommen, aber wenigstens wurde er nicht gleich angefahren, wie er auch nur davon sprechen konnte. Nein, sein Vater tat etwas ganz und gar Atypisches. Er legte die Hand auf seine Schulter und strich darüber.

„Deswegen geht es dir nicht gut. Weil du glaubst, dass man ihr etwas angetan hat.“

Er selbst wusste noch ganz andere Dinge, von denen er hoffte, dass sein sensibler Sohn besser nicht erfahren hatte – er wäre prädestiniert dafür gewesen…

Er hatte Takahashi einmal gefragt. Der war entsetzt davon, dass man überhaupt in Erwägung ziehen könnte, dass sie Drogen nehmen könnten. Tja, der junge Okita war genau so einer. Ein reicher Junge, der sich alles rausnehmen konnte, sogar Drogenkonsum in einem Land, das Konsumenten beinahe härter anfasste als Vergewaltiger. Vermutlich war er beides, er hatte sich nicht im Griff – verachtungswürdig, fand der 45-jährige. Sein Vater hatte ihn gelehrt, was sich gehörte. Drogen gehörten nicht dazu, ebenso wenig Frauen falsch anzufassen. Die Familie schon gar nicht.

„Vielleicht hilft es dir… Aber… Versuch froh zu sein, dass sie lebt. Und nur ihr Bruder tot ist.“

„Du hast wohl keine gute Meinung von ihm, oder?“ Warum musste er nicht fragen, sein Vater würde ihm schon sagen, wieso.

„Warum sollte ich auch? Mit 20 sollte er seine Nase mehr in Bücher stecken als in Kokain!“ So, wie sein Vater es sagte, würde er ihn verachten, wüsste er, dass er schon mal zumindest einen Joint geraucht hatte, also hielt Toshizo aus Angst die Klappe. „Ich bin froh, dass du vernünftiger bist.“

Es war lange her, dass sein Vater geäußert hatte, er sei froh, dass sein Sohn nicht so wie andere war, meistens kritisierte er ihn. Toshizo musste zugeben, dass sich das doch ganz angenehm anfühlte, mal gut genug zu sein.

„Tut mir leid, dass ich manchmal nicht so lernbegierig bin, wie du gern willst.“

„Ich weiß deine Bemühungen zu schätzen, Junge.“

„Aber… was mich wirklich beschäftigt…“

In seinem Sohn war irgendetwas, was ihm Angst machte, er konnte das nicht einmal nachvollziehen. Außer vor Rufschädigung fürchtete er sich beinahe vor nichts. „Was ist los?“

„Ich habe das Gefühl, dass ich hätte verhindern können, dass Saki so lange im Krankenhaus sein muss…“ Er traute sich nicht mal diese Grausamkeit, die in seinem Kopf vorherrschte, auszusprechen.

„Die Polizei hält alle Informationen unter Verschluss und uns Kindern sagen sie sowieso nichts… Kannst du was für mich rausfinden?“

„Du weißt doch, wie beschäftigt ich bin!“ Toshizos Vater war aufgestanden. Im Grunde interessierte er sich überhaupt nicht dafür, was mit diesem Mädchen war. Sie war wie viele einfach nicht gut genug für seinen Sohn.

„Es ist aber wichtig! Ich will wissen, ob sie zu meinem Besuch schon verletzt war… oder ich einfach hätte wissen müssen, dass er sie zuhause eingesperrt hat!“

„Warum willst du dir das antun?“ seufzte er.

„Weil sie vielleicht schwanger war.“

‚Na, da sollte sie wohl besser froh sein, wenn sie es nicht mehr ist.‘ Er verstand überhaupt nicht, was das sollte, genauso wenig, wusste er, was er zu Toshizos merkwürdigem Engagement sagen sollte, er war sprachlos. Wie konnte ein Mensch sich nur für all diese Nebensachen interessieren? Es gab wirklich Wichtigeres, wie zur Schule zu gehen. Für eine gute Zukunft.

„Gehst du brav zur Schule, wenn ich versuche es herauszufinden?“

„Ja!“ Leichtfertig darauf anzuspringen, war typisch für ihn. Obwohl es ein bisschen was von Erpressung hatte – gegenseitig.

„Gut.“

Damit sein Sohn funktionierte, tat er alles. Als er merkte, wie froh er war, dass er ihm helfen wollte, schüttelte er innerlich nur den Kopf. Es war so einfach…

So schnell war der Junge noch nie aus dem Bett gesprungen und das nur wegen Informationen. Er war skeptisch und fragte sich, ob sein Junge… Nein, der war doch viel zu schüchtern. Und hatte er nicht gesagt, dass Takahashi…

In der Tür hielt er ihn am Arm fest. „Hast du mir noch was zu beichten?“ Der durchdringende Blick dieser grünen Augen war so furchteinflößend, dass Toshizo beinahe zurückgewichen wäre. Aber er hatte keine Angst vor seinem Vater, der tat ihm nichts. Dafür war er zu gut.

„Was meinst du?“

„Du willst nicht wissen, ob sie von dir schwanger war, oder?“

„Was? Nein! Wieso denn von mir?...“

Ichiro seufzte tief. „Halse dir so eine Verantwortung ja nicht so früh auf. Egal, wie hübsch sie sind!“

„Keine Sorge.“

Mit finsterer Miene blieb er in der Türschwelle zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Wenn das stimmt, ist der Junge sicher nicht so blöd, traurig darüber zu sein. In seinem Alter.“ Außerdem regelte das seine Veranlagung. Er war kein Typ, der sich gern opferte. Sein Sohn war da eher gefährdet. Emotionale Menschen dachten immer, dass man es ihnen schon danken würde, wenn sie sich für andere Menschen aufopferten. Leider war eher das Gegenteil der Fall. Meistens jedenfalls. Ob der gute alte Akaja wohl bereit war, sein Wissen mit ihm zu teilen? Wenn die Kleine schwanger gewesen war, dann wusste die Polizei ganz sicher von wem.

Seine Ehefrau war auch eine der Menschen, die lange Zeit geglaubt hatte, dass man ihr dankte, wenn sie zu allen Menschen freundlich war. Und dann hatte ihre eigene Schwester versucht ihr den Mann auszuspannen. Er fühlte sich damals nicht zu Frauen seines Kalibers hingezogen. Es war langweilig, sie immer zu durchschauen, weil sie ähnlich tickten. Außerdem mochte er gute Menschen. Auch, wenn nicht jeder sie dafür liebte, dass sie so gut waren. Seine Frau akzeptierte ihn immer so, wie er war, obwohl sie bestimmt sehr oft weinen musste, weil sie sich nicht genug geliebt fühlte. Er erniedrigte sich nicht zu allem, so wie die meisten anderen Männer, wenn sie verliebt waren. Er war bereit ihr entgegenzukommen, aber nicht immer.

 

 

 

Im Polizeipräsidium war Kommissar Megure mit seinem Latein am Ende.

„Geht es Ihnen nicht gut?“ fragte Yamada.

Sein Kollege sah ihn mit einem traurigen Blick an. „Das Problem ist, wenn Opfer tot sind und einem nichts weiter bleibt, als die Überlebenden zu traktieren. Das Opfer kann sich weder verteidigen, noch kann man ihm seine Mitschuld nachweisen. Und die hatte er ganz gewiss.“

„Seine Freunde und Angehörigen werden nur Gutes von ihm berichten“, meinte der Grauhaarige.

„Dann haben die es alle nicht so damit, ihr Gewissen zu erleichtern.“

„Akaja versucht sich gerade selbst an einem der Typen, mit denen er so zusammenhing. Ihr würdet nicht glauben, wer das ist.“

 

 

Was fiel denen ein, ihn so lange in einem Büro alleine sitzen zu lassen? Er hatte wichtige Dinge zu tun, trotzdem dauerte es ewig, bis der Polizeipräsident endlich erschien. Er gab ihm freundlich die Hand, obwohl er ganz schön angepisst war.

Als der 42-jährige ihn sah, musste er zugeben, er hielt, was von ihm versprochen worden war, aber er war in keiner Hinsicht feindselig. Er hatte verboten, dass dessen Vater ihn selbst verhörte, denn der war ganz schön emotional beeinträchtigt. Weil sein Sohn sich nicht so benahm, wie er ihm das gelehrt hatte. Die Schande der Familie.

[Keiji Tanaka (23) ältester Sohn von Hauptkommissar Ryuji Tanaka – Student der Sportwissenschaften & -marketing]

„Warum bin ich hier?“

„Wir verhören die engen Freunde eines Opfers.“ Das alleine war schlimm genug, ihn als Opfer zu bezeichnen. Aber leider war er eines.

„Ich helfe Ihnen so gut ich kann“, sagte der junge Mann – jedoch nicht ohne einmal auf seine Armbanduhr zu schauen.

„Haben Sie es eilig?“

Leuten wie Akaja fiel aber auch alles auf. „Ich musste sehr lange warten. Es dauert doch nicht lang, oder?“

„Nicht, wenn Sie meine Fragen beantworten.“

„Kommt ganz darauf an, was Sie hören wollen…“

Dem Kerl nachzuweisen, dass er mit Drogen dealte, war ausgeschlossen, sie hatten keine Beweise, nur Aussagen von anderen Leuten, deren Glaubwürdigkeit auch nicht gerade gegeben war.

„Sie sind ein enger Freund von Yoshio Okita, richtig?“

„Kann man meinen, ja.“

„Wie lange kennen Sie ihn?“

„Ich kannte ihn seit unserer Schulzeit. Er war eng mit meiner Schwester befreundet.“ Für ihn war dieser Fall bereits abgeschlossen. Tote interessierten ihn nicht.

„Wussten Sie, dass er schwer Drogen abhängig war?“

„Ja, aber ich habe keine Ahnung, wo er das Zeug herhatte.“

„Und Sie haben nicht für nötig befunden, ihn davon abzuhalten? Oder der Polizei Bericht zu erstatten?“

„Oh Gott, was wäre ich denn da für ein Freund, wenn ich ihn verpfeifen würde?“

„Haben Sie ihm gesagt, dass Sie es nicht gut finden, wenn er Drogen nimmt?“

„Das war mir völlig egal. Es war seine Entscheidung.“

„Haben Sie einmal mitbekommen, dass er seine Schwester unangemessen berührte?“

„Sie meinen Saki?“

Das Grinsen im Gesicht des Typen gefiel dem Polizeipräsidenten absolut nicht, er sah ihn streng an.

„Was gibt es da zu grinsen?“

„Nur, dass er förmlich damit geprahlt hat, dass er ihr die Unschuld nehmen konnte, bevor sie sie an irgendeinen anderen verliert. Die hat gerade mit wachsender Begeisterung Jungenreviere abgecheckt. Hätte bestimmt nicht mehr lang gedauert, dass sie es wild mit einem getrieben hätte.“

„Und wann war das?“

„Oh, das muss so drei Jahre her sein, kurz nach ihrem 14. Geburtstag. Da kam er zu mir und sagte, er hat sie geknattert. Sie sei noch ganz eng. Ob ich auch mal will. Die ist ja fast noch Jungfrau. Er war angeblich vorsichtig, nicht, dass sie ihn anzeigt.“

„Und da haben Sie es nicht in Erwägung gezogen, Ihr Wissen mit der Polizei zu teilen? Was glauben Sie, was sie durchgemacht hat?“

„Oh, eine Menge, aber die steckt auch eine Menge weg.“

„Ach ja?“ In seinen Augen steckte sie viel weniger weg, als viele glauben würden. Er schüttelte den Kopf. „Wussten Sie, dass er sie immer noch vergewaltigt?“

„Also vergewaltigt würde ich es nicht nennen, wenn die Schwester einem Typen hörig ist, weil sie es nicht besser weiß.“

„Was soll das bitteschön heißen, es nicht besser weiß?“

„Ach, ihre richtige Mutter hat sie immer zu Bekannten abgeschoben – und ihr Bruder kam doch liebend gern vorbei, um Schwesterchen zu besuchen. Dabei sprang immer eine Nummer bei raus. Würde mich nicht wundern, wenn ihr nicht ganz bewusst war, dass Brüder ihre Schwestern nicht anzutatschen haben.“

„Haben Sie ihm das auch gesagt?“

„Ja, ich habe gesagt, dass man seine Schwester nicht antatscht – oder noch mehr. Ich habe übrigens auch eine Schwester. So etwas hätte ich nie getan.“

„Das sollte man auch nicht. Können Sie uns noch etwas sagen, zum Beispiel darüber, ob es weitere Leute gibt, die ihn dafür verachtet haben könnten?“

„Ich habe ihn nicht verachtet, nein. Er war schwach, nichts weiter.“ Er sah dem Polizeipräsidenten ins Gesicht. „Fragen Sie ruhig. Mein Vater hat ihnen doch sicher erzählt, dass ich es mit Gesetzen nicht so genau nehme.“

„Was genau fragen?“

„Ob ich ihn getötet habe.“

„Nein, das haben Sie nicht.“

„Was macht Sie so sicher? Vielleicht bin ich nur raffiniert genug, meine Motive nicht preiszugeben.“

„Was soll das?“

„Tun Sie doch nicht so, als würden Sie meinem Vater nicht glauben. Er erzählt es doch überall herum, dass sein Ältester sich nicht benimmt.“

„Und das macht aus Ihnen direkt einen Mörder?“ Das fand er eben nicht. „Wissen Sie, wir haben keinen Täter. Nur ein armes, 18-jähriges Mädchen, was ihren Vergewaltiger nicht mehr hinter Schloss und Riegel bringen kann.“

„Tja, manchmal ist das eben so. Er war bestimmt kein Heiliger, aber was solls. Seine Eltern wollen wohl unbedingt nen Schuldigen. Man, ich wünschte, meine würden das machen, wenn ich mal draufgehe. Die sind noch erleichtert, wenn ich weg bin. Fall zu den Akten und nie wieder drüber reden.“

„Ich glaube kaum, dass mein Kollege so kaltschnäuzig ist, den Täter nicht mal kennenlernen zu wollen. Ich hoffe, Sie lassen sich nicht auf zwielichtige Gestalten ein, die Sie Ihr Leben kosten könnten.“

Manchmal erschien ihm die Gutherzigkeit mancher Menschen als falsch. „Das ist jetzt ganz alleine mein Problem. Mein Vater will nichts von den Leuten wissen, die ich so meine Freunde nenne.“

„Ich muss das fragen: Wo waren Sie in der Tatnacht?“

„Keine Ahnung, sagen Sie mir, wann die Tat stattgefunden hat?“

„Donnerstag, fünfter Januar, zwischen fünf Uhr und sechs Uhr morgens.“

„Da war ich nicht in der Stadt. Ich war in Kyoto, ein paar Dinge regeln. Um genau zu sein hatte ich ein Vorstellungsgespräch in der Kyoto International Highschool. Man wird es Ihnen bestätigen. Ich bin schon um sechs Uhr in der Früh mit dem Shinkansen hingefahren. Der Termin war um acht Uhr morgens.“

Ganz unmöglich war es nicht. Der Kerl war aalglatt genug wie ein Fisch, um so eine Tat zu begehen und dann ohne die Miene zu verziehen, an einer Schule vorzusprechen, ohne dass man es ihm anmerkte, was er gerade getan hatte.

„Es ist mir auch völlig egal, ob Sie es mir zutrauen oder nicht. Oder das Alibi nicht ganz passt. Ich habe meine Termine schließlich nicht danach ausgerichtet, ob sie mir ein Alibi verschaffen, oder nicht. Zuvor war ich zuhause und habe geschlafen. Theoretisch kann sich die Forensik auch irren.“ Der Schwarzhaarige zuckte die Schultern, Takeshi glaubte ihm sofort, dass es ihm relativ egal war, ob er verdächtigt wurde. Er war es nicht, sonst hätte er zumindest direkt einen Anwalt mitgebracht. So gestört war er auch wieder nicht, um nicht wenigstens alles zu versuchen, um damit davonzukommen. Typen wie er sahen nicht ein, für irgendwas im Gefängnis zu landen, außerdem wirkte er nicht so, als würde er sich für irgendwelche Schicksale von anderen Menschen interessieren.

Genauso wenig wie Katō. Er war hier gewesen, weil die Okitas ihn belästigt hatten. Er wollte eine Unterlassungsklage. Nur, weil sein Sohn Toshizo mit diesem Mädchen Kontakt hatte, gab denen das schließlich nicht das Recht, ihn kaufen zu wollen. Er sollte sagen, dass Saki genau das war, was einige Polizisten hier fälschlicherweise auch glaubten – leicht zu haben. So leicht, dass sie auch mit ihrem Bruder geschlafen hatte – ganz freiwillig natürlich. Die würden Tanaka für seine Aussage bestimmt erwürgen. Aus seinem Mund klang das Ganze völlig anders. Glaubhafter. Die anderen waren alle bestochen, nur damit das Mädchen bekam, was es verdiente. Nur wussten die nicht, was das wirklich war. Familie Okita fühlte sich um ihren Sohn beraubt, die würden jeden zerfleischen, um sich besser zu fühlen. Und sie war natürlich gefundenes Fressen, denn sie war der Grund für seinen Tod. Weil irgendeiner glaubte, in der Hölle war dieser Kerl besser aufgehoben.

 

Wenig später klingelte das Telefon. Seine Sekretärin kündigte ihm einen unangemeldeten Besuch an. Er fragte sich, was Katō diesmal wollte. Hoffentlich nicht schon wieder Ärger mit seinen Konkurrenten. Reiche betrachteten in der Regel alles als ihre Konkurrenz.

„Schicken Sie ihn zu mir. Tanaka war gerade dabei zu gehen.“

„Mit Freuden“, sagte er, grinsend und winkend. Bei dem Typ lief auch alles falsch, irgendwie. Aber er musste ihn gehen lassen, solange kein dringender Tatverdacht bestand. Nur, weil er davon wusste, war er nicht gleich verdächtig. Das passte nicht ins Bild. Wenn sie ihn verhafteten, ohne richtige Beweise gegen ihn in der Hand zu haben, würde die Tante von Saki sie wohl in der Luft zerreißen. Da war diese dünne Lücke in ihrem System, die besagte: Unschuldig, bis die Schuld zweifelsfrei bewiesen ist. Sie angelten in der Luft. Eher kam derjenige davon, als dass sie einen Unschuldigen einsperrten. Wobei Tanakas Sohn nun bestimmt nicht die Unschuld vom Lande war, immerhin hatte er seinem Vater gesagt, er würde ihn umbringen. Nur glaubte nicht jeder, dass er so weit gehen würde. Dessen Vater schon, weil sein Kind völlig gestört war. Das sagte man aber auch nicht über seine Kinder, egal ob es stimmte. Er vertrat immer noch die Meinung, dass keinem das Verbrechen in die Wiege gelegt wurde. Katō verhielt sich auch anständig – aber das lag im Auge des Betrachters, was anständig war. bei dem wusste man nie, wie weit er bereit war zu gehen, für seinen anständigen Ruf. Die waren ihm ja die Liebsten. Sie gaben vor Emotionen zu haben und waren im Grunde leer. Aber wer bestimmte das überhaupt, ab wann jemand leer war? Er war immerhin noch emotional genug, um etwas Gutes in seiner Frau zu sehen und sie ihrer etwas seltsamen Schwester vorzuziehen. Er hatte doch einmal ernsthaft gesagt, sie sei genauso gestört wie Sêiichîs Mutter. Leider musste er das damals hinterfragen, nachdem sogar Takahashi gesagt hatte, die würde ihm immer ganz merkwürdig über den Kopf streicheln. Das fand er eben nicht gut. Außerdem hatte sie Sêiichî unangemessen berührt. Sêiichî würde es diesem armen Jungen niemals danken, dass er es gewagt hatte, das den Eltern von Ryochi zu sagen. Weil es keiner wissen sollte. Sogar seine Psychologin hatte gesagt, er habe den Missbrauch verdrängt, keiner durfte jemals wagen, es auch nur auszusprechen, dann drehte Sêiichî total durch. Er vermutete, dass Takahashi auf das Spiel keine Lust hatte und es einmal gewagt hatte, Sêiichî auf den Kopf zuzusagen, was seine Mutter mit ihm getan hatte. Warum auch immer.

 

 

<„Hast du einen Knall? So etwas kannst du doch nicht tun! Wie kommst du auf die Idee, dass ich dazu in der Lage wäre, die Scheiße wieder zu korrigieren… Schau doch, sie blutet immer noch, sie braucht einen Krankenwagen! – „Ach was, die muss nochmal kräftig rangenommen werden!“ – Lachen war zu hören, ein Sadistisches noch dazu, bevor sie ein stechender Schmerz durchfuhr. „Was tust du da, Yoshi? Hör sofort auf mit dieser Scheiße!“ – „Wieso? Bin gerade erst so richtig in Fahrt!“ – „Sie ist deine Schwester, also runter von ihr!“ – „Stell dich nicht so an! Danach bist du dran!“ – Da war dieser eine Moment, als sie schniefend zu ihm aufblickte und ihn anbettelte, dass er ihr half. Sie war am Ende ihrer Kraft gewesen und konnte den Typen, den er zur Party eingeladen hatte, endlich erweichen. Vermutlich hatte er Angst und hatte deswegen nichts unternommen – jedenfalls nicht sofort.>

 

Sie war schweißnass als sie schreiend aufsprang und um Luft rang. Mehrmals würgte sie und sprang vom Bett, direkt ins Badezimmer, wo sie unter Angst zu ersticken mehrmals dem Drang sich zu übergeben nachgab.

Noch während sie am Verbluten gewesen war, konnte er sie nicht in Ruhe lassen. Kein Wunder, dass der Typ ausgerastet war und ihn von hinten niederschlagen musste. Alles, was danach geschehen war, wusste sie nicht mehr. Es war wie ausgelöscht – vielleicht war das auch gut so. Wer wusste schließlich, wer noch ins Haus eingedrungen war und sie in diesem Zustand gesehen hatte? Aber sie wollte schon ganz gerne wissen, wer sie außer Haus gebracht hatte. Denn der hatte ihr Leben gerettet. Als sie nicht gerettet werden wollte. Bei so schweren Blutungen war ausgeschlossen, dass das Baby überlebt hatte. Es war zu diesem Zeitpunkt sicherlich schon tot. Auch wenn Ashida-san behauptete, es hätte zu ihrer Einlieferung noch gelebt. Das waren zu viele Wunder auf einmal. Kein Kind überlebte die Attacken eines Monsters. Niemals.

 

Nach einem Moment beruhigte sich ihr Atem und eine Schwesternschülerin kam herein. „Um Himmels Willen. Geht es Ihnen gut?“ fragte sie und half ihr auf die Beine zu kommen.

„Ja, ich bin okay. Hatte bloß einen Albtraum… Und musste mich übergeben. Ich glaube, ich verzichte lieber wieder auf das Essen.“ Das nächste Mal erstickte sie womöglich. Das war kein schöner Tod, absolut nicht.

Sie wünschte, dass all das wirklich in die Kategorie Albträume gehören würde. Weil es hieß, dass nichts davon passiert war. Nicht mal ihr Spaß mit den Jungs. Das erinnerte sie nur daran, was sie jetzt nicht mehr haben konnte. Sie musste sich jetzt nicht mehr davor fürchten, ungewollt schwanger zu werden. Diese Frau hatte kein Herz. Für sie war das wohl alles ein lästiges Übel und sie würde diese Fähigkeit liebend gerne loswerden. So eine sollte keine Menschen therapieren. Hoffentlich würde die Nächste sie nicht hinstellen, als sei sie schwach. Sie war nicht schwach, immerhin hatte sie all das Zeug, was ihr Bruder so mit ihr angestellt hatte, überlebt. Schwache Mädchen hätten sich schon lange umgebracht.

Sie wollte all das Erlebte gar niemandem sagen müssen. Am liebsten wollte sie vorgeben, dass sie alles vergessen hatte und sich an überhaupt nichts mehr erinnerte. Dann sagte sie, sie war okay und die Leute ließen sie in Ruhe. Es gab ja nun keinen Grund mehr, sich damit zu befassen, oder? Ihr Bruder war tot. Sie könnte ihn nicht mehr einsperren lassen. Ob sie wohl damit durchkäme, ihm einen Mord an einem ungeborenen Kind anzuhängen? Vermutlich würde die Staatsanwaltschaft nicht mal das durchgehen lassen. Bestimmt war es für sie auch bloß ein Zellhaufen, der kein Recht auf Leben hatte. Für sie war das nicht so. Es gehörte zu ihr und zu ihm. Unter diesen Umständen konnte sie es ihm nicht mehr sagen. Aus Angst- und Schuldgefühlen. Sie könnte nicht ertragen, sich eingestehen zu müssen, dass sie beide davongekommen waren und es vielleicht besser so war.

Mehr noch als die Vergewaltigung wollte sie gern vergessen, was ihr Bruder zerstört hatte. Bestimmt würde man sie verspotten, wenn sie das jemals wagte, zu sagen. Dass die Vergewaltigung für sie nicht die schlimmste Tortur war. Worunter sie am meisten litt, wusste nur sie allein und kein Psychologe dieser Welt sollte das je aus ihr rausbekommen…

 

 

 

 

Schon allein die Observierung war so auffällig, dass der 41-jährige darüber nur den Kopf schütteln konnte. Die Verfolger gaben sich wohl nicht besonders viel Mühe, unentdeckt zu bleiben. Der Mann gab erst noch vor, sie nicht zu bemerken, doch als sie die Frechheit besaßen, sogar in den gleichen Aufzug zu steigen, konnte er einfach den Mund nicht halten.

„Warum verfolgen Sie mich?“ Während sein Blick standhaft dem Ihren begegnete, grinsten sie. Sie standen breitbeinig da, wie man es sonst nur von Leibwächtern kannte, die keinen vorbeilassen sollten. Als der Aufzug stecken blieb, lachten sie auf. „Kommt ja wie gerufen“, frohlockte der Schwarzhaarige.

„Allerdings.“ Sie rückten dem Kerl auf die Pelle, stellten sich dicht vor ihn und ließen ihn nicht von der Aufzugswand zurückweichen.

„Dr. med Akihiko Yurikawa“, las der eine Gorilla von einem Schild ab.

 

[Akihiko (41 Jahre) Yurikawa / Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie – Heilpraktiker – Leitung der Fukakusa Fachklink in Kyoto]

 

„Was führt Sie den langen Weg von Kyoto hierher, mhm?“

„Ich wüsste nicht, wieso ich das mit Ihnen besprechen sollte.“ Er ließ sich nicht beeindrucken, immerhin hatte er es alltäglich mit den verschiedensten Menschen zu tun, die teils heftige Persönlichkeitsstörungen aufwiesen. Wieso sollte er da vor zwei Gorillas Angst haben?

„Weil wir das wissen wollen, Mister. Sie sind nicht zufällig auf dem Weg zu Kenichi Ashida, oder?“

Das war der Moment, wo es unheimlich wurde. „Wieso fragen Sie mich das?“ Woher wussten die das überhaupt?

Beide lachten düster. „Sie können uns einen Gefallen tun. Oder sagen wir, sie werden, weil sonst…“

Man hielt ihm eine Tonbandaufnahme hin, betätigte den Knopf und wenig später hörten sie die Stimmen von zwei weiblichen Wesen.

<“Was wollen Sie von uns? Hey, lassen Sie mich los, oder ich schreie!“ – „Keine Sorge, Kleine, dir wird nichts passieren, wenn dein Vater das tut, was wir von ihm wollen.“ – „Mama, wer sind diese Leute?“>

Das Band wurde gestoppt und die Blicke noch gemeiner. Sie sahen augenblicklich, wie der Mann zu zittern begann, vor Wut höchstwahrscheinlich. „Was wollen Sie?“

„Sie werden zu ihrem vereinbarten Termin gehen und sich nichts anmerken lassen. Versuchen Sie dem Arzt so viele Informationen zu entlocken, wie Sie können. Dabei werden Sie das hier tragen.“ Man öffnete ihm den Mantel und befestigte etwas Knopfartiges an seinem Hemd, versteckte es hinter dem Stoff und klopfte ihm dann auf die Schulter. „Wir wollen alles wissen, verstehen Sie? Vor allem über dieses Mädchen, was er behandelt. Das Gespräch mit ihr wollen wir auch. Verstanden? Und keine Tricks! Sonst sind Ihre Frau und Ihre Tochter mausetot. Keine Zettel!“

Verachtend blickte er beide an. „Was interessiert euch so sehr an ihr?“

„Oh, ihr Bruder ist umgelegt worden. Weil er zu uns gehörte. Wir wollen lediglich wissen, ob er vor seinem Tod noch geplaudert hat.“

„Warum bedroht ihr dann nicht sie direkt?“

„Sie stellen zu viele Fragen – darauf stehen wir gar nicht. Sie tun, was wir von Ihnen verlangen. Wir schicken ihre Familie dann heil nach Hause, wenn wir die Infos haben. Niemandem wird ein Haar gekrümmt.“

„Sie verlangen also, dass ich das Vertrauen zwischen Arzt und Patient missbrauche, ja? Glauben Sie wirklich, dass Sie mich erpressen können?“

Nun wurde ein Handy gezückt. Ein Anruf getätigt.

Man hörte eine tiefe Stimme irgendeinen komischen Namen sagen, der nicht besonders japanisch klang, jedenfalls in seinen Ohren – und er hörte wirklich genau zu.

„Unser Psychopathen-Heilpraktiker will nicht tun, was wir von ihm Verlangen. Ich glaube er möchte zur Polizei. Zeig ihm, dass wir keine Witze machen.“

Man hörte ein tiefes Knurren, dann einen dumpfen Schlag. Gefolgt von einem Aufschrei, der zweifelsohne zu einer weiblichen Person gehörte.

Dann wurde der Lautsprecher aktiviert und man hörte sie wimmern. „Tun Sie dem Kind bitte nichts. Wir machen auch, was Sie sagen.“

„Ach ja wirklich? Klang aber nicht so. Sieht so aus, als würde dein kleines Mädchen gleich am eigenen Leib erfahren, was es heißt, einen Mann zu verärgern – oder fünf – oder zehn.“ Schallendes Gelächter wurde hörbar, tief und furchteinflößend. „Oh bitte, nein, tun Sie meiner Tochter nichts.“

„Ich tue, was Sie verlangen!“ warf der Mann ein – er hatte Angst. Dass sie das wahrmachten, was nur angedeutet worden war.

„So ist’s brav.“ Er beendete die Freisprecheinrichtung und sprach ins Telefon. „Er ma-“ Er wurde durch die verängstigten Rufe nach Papa unterbrochen. „Sag der Göre, sie kann ihre Jungfräulichkeit noch ein bisschen behalten.“

Der Blick des Arztes beinhaltete mehr als nur Abscheu. „Sie sind ein widerlicher Kerl.“

„Oh keine Sorge, meistens bin ich nett. Wenn man mich nicht verärgert. Außerdem…“ Er klopfte dem Mann gegen die Wange. „Ich würde der Kleinen nur ungern wehtun lassen. Einer der Typen, die bei ihnen sind, steht auf junge Dinger. Speziell Jungfrauen.“

„Mistkerl!“

In der Regel mussten sie solche Dinge auch gar nicht tun – ein verängstigter Schrei reichte meistens, dass sie brav das taten, was man von ihnen verlangte.

Der Aufzug setzte sich wieder in Gang und der Kerl sprang beinahe panisch raus, als er es konnte. Sie lachten und schlossen die Tür. Bestimmt fragte er sich, ob in dem Aufzug keine Kameras waren. Und selbst wenn, sie hatten Leute im Krankenhaus, die diese schon sorgfältig löschen würden…

 

 

 

Toshizos Vater wurde bei weitem nicht so lange warten gelassen, wie Tanakas Sohn. Das lag aber lediglich daran, dass Takeshi Akaja bereits in seinem Büro war und der Sohn seines Kollegen heilfroh war, als man ihn entließ. Sicherlich war ihm all das nur lästig, wie den Meisten, die keine Zeit für Belanglosigkeiten aufwenden wollten. Umso verblüffter war er, als er Katō zum zweiten Mal heute sprach. Er hatte stets viel zu tun, seine Firma war ihm heiliger als alles andere. Jedenfalls behaupteten viele Menschen das immer. Letztlich wusste nur Katō selbst es ganz genau – keiner von ihnen sollte sich anmaßen, in seinen Kopf schauen zu können.

Er wies ihm den Platz gegenüber und ließ ihm von der Sekretärin etwas Wasser einschenken, bevor er sie darum bat zu gehen.

„Was führt Sie zu mir?“ fragte der Polizeipräsident direkt nach, er hielt sich nicht gern mit Unwichtigem auf. „Wurde Ihr Sohn schon wieder belästigt?!“

„Ach – mein Sohn hat seine Mutter dazu angestiftet, dass sie sogar Ihren Neffen anlügt. Und das alles wegen einem Mädchen.“ Dem nachgesagt gefühlskalten Geschäftsmann entfuhr ein zynisches Lachen, bevor er schnippisch fortfuhr: „Takahashi ist mir ähnlicher und mein Sohn hat dummerweise Angst, ihm alles zu sagen, dabei sollte er das nicht. So ein dummer Junge.“

„Man sollte nicht so von seinem Kind sprechen, nur weil es ein bisschen mehr in Mamas Richtung schlägt. Er möchte seinen Freund eben nicht enttäuschen. Oh, ich kann mir gut vorstellen, was er denkt… Takahashi ist ein sehr wildes Kind, er will zu ihm passen, deswegen denkt er, er muss ihm ähnlich sein. Dabei ist meinem Neffen das alles überhaupt nicht wichtig. Er bevorzugt ihn sogar emotional. Haben Sie Ihrem Sohn denn nicht beigebracht, dass er sich für nichts und niemanden verstellen sollte und ihm das auch nur Nachteile einbringen wird, sollte er es doch versuchen?“

„Doch, eigentlich schon. Aber manchmal ist es klüger mit den Gefühlen hinter dem Berg zu bleiben, er gibt Schutz vor den schlimmsten Stürmen!“

„Ach ja? Dabei sollen Stürme, speziell Gewitter in den Bergen besonders schlimm sein, Katō-san!“

„Sie glauben nicht wie gern ich mich mit Ihnen über so etwas unterhalte, Sie reden niemandem nach dem Mund!“ war Ichiro jetzt direkt, dann legte sich das heitere Gemüt des Mannes und er wurde ernst, so wie man ihn schon eher kannte.

„Und ich dachte, Sie wollen nur hören, was Ihnen gefällt.“

„Ich verachte falsche Menschen! Und schätze Ehrlichkeit. Die bringt einen weiter als Lügen und Intrigen.“

Für einen Mann, der gnadenlos sein Geschäft durchzog, klang das aber äußerst ungewöhnlich, dennoch waren genau die besonders interessant. Menschen waren nie immer und komplett durchschaubar. Weder von Medizinern noch von Möchtegern Wahrsagern.

„Das Problem Ihres Sohnes hat doch nicht rein zufällig mit Okitas Ermordung zu tun? Die Sache hat Sie sehr wütend gemacht.“

„Ich habe diesem Kind den Kontakt zu diesen Leuten untersagt. Ja, ich war wütend, dass sie meinten, sie wären so wichtig, dass ich ihr dreckiges Geld nehme, damit mein Sohn Märchen über seine Freunde erzählt!“

„Dabei nehmen Sie es mit der Wahrheit doch auch nicht immer so genau.“ Vielleicht hätte Takeshi sich auf die Zunge beißen sollen. Aber es fiel ihm schwer, wenn ihm gerade der Schalk im Nacken saß. „Das war sehr unhöflich. Ich weiß. Aber Sie haben doch so geflissentlich verschwiegen, dass Ihr Sohn sehr wohl Geschwister hat.“

„Ach kommen Sie mir doch nicht mit diesen unwichtigen Sachen. Ich tue das zu seinem Schutz. Wie so vieles.“

„Ach ja?“ Welche Art von Schutz sollte das schon sein? Dem Sohn zu verschwiegen, dass er zwei gleichaltrige Geschwister hatte, die sein Vater nur anderen Leuten überlassen hatte.

„Lassen wir das! Es gibt Wichtigeres. Und zwar, dass mein Sohn befürchtet, er hätte Saki-chan retten können.“ Katō seufzte und blickte runter. Takeshi beobachtete dessen Gesichtszüge und egal, was alle sagten, in seinen Augen wirkten diese emotional ergriffen. Aus irgendwelchen Gründen schien ihn das Thema wohl doch zu berühren, was deutlich dafür sprach, dass er schon einmal ähnliche Erfahrungen gemacht hatte, sonst könnte er nicht mitreden. Er war nicht besonders gut darin, sich Dinge vorzustellen, die er nicht mal selbst kannte. Seine Frau war viel besser darin, deswegen war sie auch seine wichtigste Person geworden. Ohne sie wäre die ganze Firma nicht so gut geworden, wie sie es heute war. „Und da kommen Sie zu mir. Warum? Was beschäftigt Sie so sehr, dass Sie sich Hilfe von der Polizei erhoffen?“

„Ich habe es diesem Bengel versprochen. Wenn er brav zur Schule geht, klemme ich mich hinter die Wahrheit. Obwohl ich nichts davon halte, grausame Wahrheiten ans Licht zu bringen, weil sie nur Schaden anrichten. Und ich möchte nicht, dass ihm geschadet wird. Das verstehen Sie doch, nicht? Dennoch halte ich meine Versprechen. Und wer weiß, vielleicht sind Sie gar nicht redewillig? Das könnte ich gut verstehen. Dann werde ich das meinem Sohn auch genau so sagen.“

„Prinzipiell ist mir nicht erlaubt über offene Fälle zu sprechen. Auch mit Ihnen nicht. Es sei denn, es betrifft Sie direkt. Was will Toshi wissen, das ihm schaden könnte?“

„Sein Problem ist, dass er befürchtet, er war zur Tatzeit der Vergewaltigung bei diesen Leuten zu Hause. Er hat wohl Schuldgefühle, dass er ihr nicht geholfen hat.“

„Und Sie wollen das nicht bestätigt wissen, verstehe. Vielleicht sollte ich Ihnen dann auch nichts weiter darüber sagen.“ Takeshi schloss die Augen. Beide verstummten daraufhin, Katō beschwerte sich auch gar nicht. Dennoch war er kein Mensch, der Zeit vergeudete, also musste es mehr geben, was er mit ihm besprechen wollte. „Warum sind Sie sich so sicher, den Schaden, der angerichtet werden könnte, zu kennen?“

„Weil ich es kenne.“

Von einem kalten Kerl erwartete man nicht, dass er jemals Reue gegenüber einer Entscheidung empfand, deswegen sah der Polizeipräsident sein Gegenüber auch ziemlich argwöhnisch an. Es kam einem manchmal fast so vor, als würde Katō jegliche Art von Emotionen verabscheuen. Warum genau? Weil sie einen von Wichtigem abhielten? Dann war er nur halb so kalt, wie seine Familie von ihm glaubte.

„Inwiefern?“

„Ich konnte jemandem nicht helfen, den ich zu meinen engsten Freunden zählte, deswegen.“

„Aber sie sind kein Mensch, der enge Bindungen eingeht. Das widerspricht sich ein bisschen, oder etwa nicht?“

„Das liegt daran, dass es mir schwerfällt, andere Menschen als genauso essenziell wichtig zu empfinden, wie mich selbst. Für mich steht mein Wohl an erster Stelle. Das müssen Sie nicht verstehen, aber so ist es. Dennoch gibt es Menschen, die man sehr gut leiden kann und ohne die man einfach nur halb so viel Freude an seinem Leben hat. Und glauben Sie mir, Freude ist etwas, was ich genauso schwer empfinden kann, wie Liebe.“ Er hatte keinerlei Probleme mit einem korrekten Kerl wie Takahashis Onkel über seine Schwächen und Stärken zu sprechen, weil er sich ihrer nicht schämte und sie sogar als Vorteil ansah. „Sie war meine beste Freundin. Schon als wir Kinder waren. Deswegen weiß ich auch ganz genau, dass Toshizo sich keine so großen Sorgen machen muss. Ich weiß, wie sich Psychopathen verhalten, wenn ihnen Menschen egal sind.“

„Psychopathen… Oh wie ich diesen Modebegriff hasse, mit dem um sich geworfen wird. Die Meisten wissen ja nicht einmal, was es genau bedeutet. Aber Sie wissen es, nicht? Daher sollten Sie sich in Acht nehmen. Takahashi ist weit davon entfernt, ein Psychopath zu sein.“ Sogar Katō schien das anzunehmen, immerhin hatte er sogar gesagt, er sei ihm ähnlicher.

„Sie reagieren wohl ein bisschen empfindlich darauf, wenn man so etwas auch nur im Geringsten denken könnte. Was wäre schon so schlimm daran?“ Wie gesagt, für Katō war das kein Grund zur Scham.

„Sagen Sie Takahashi bitte niemals, wie er auf Sie wirkt. Ob Sie es glauben oder nicht, es würde ihn verletzen, weil er sich immer so viel Mühe gibt, ein guter Mensch zu sein und das Psychopathen eben nicht liegt.“

„Das liegt im Auge des Betrachters. Er ist doch schon ein guter Mensch. Ich verstehe sein Problem nicht. Sollen die Leute doch denken, was sie wollen.“

„So einfach ist das nicht. Tief in sich weiß er, was sein Vater für einer ist und er hat geradezu panische Angst auch so zu werden…“

„Sein Vater ist ein widerlicher Kerl, der lediglich seinen Narzissmus befriedigt und sich nicht mal für den Mangel seines Anstandes schämt! Wie könnte er dem denn jemals ähnlich werden? Das ist nahezu ausgeschlossen.“

„Tja, er hat sich nicht jeder Art von Emotion verschlossen, so wie das bei Ihnen offenbar der Fall ist. Sie haben sich Ihrem Schicksal kampflos ergeben. Weil Sie in Emotionen keinen Nutzen sehen, sie behindern Sie ja nur. Ich sehe das ein bisschen anders, aber es ist Ihre Sache, solange Sie nicht gesetzeswidrig handeln, geht es mich auch rein theoretisch nicht mal was an.“

„Mhm.“ Wieder ergab er sich seinem Schicksal, das fand er auch schlimm. Wie konnte man nur so abstumpfen?

„Diese gute – nein beste Freundin – was ist mit ihr geschehen?“ fragte Takeshi jetzt, so als ahne er, dass dort der Grund begraben lag.

„Sie ist umgebracht worden. Was jammert mein Sohn überhaupt? Saki hat ja schließlich überlebt…“ Nun schloss er die Augen, es wirkte beinahe, als wolle er verhindern, dass man Emotionen in ihnen erkennen konnte, von denen Takeshi schwören könnte, dass sie da waren, aber natürlich wusste er das nicht.

„Seien Sie doch nicht so hart mit dem Jungen. Er war mal in Saki verliebt und vielleicht ist er es immer noch ein bisschen. Würde es Sie da nicht auch traurig machen?“ Aber vielleicht verstand er wirklich nichts von Liebe.

„Die Sache erinnert mich an damals. Daran, als ich selbst mit ein paar Leuten eine enge Bekanntschaft geschlossen hatte – zwei davon habe ich später aus meinem Kreis der Bekannten entfernt. Einfach, weil ich verachte, wie sie sich verhalten haben. Wenn man Menschen schon wirkliche Freunde nennt und ihnen das auch immer wieder hoch und heilig schwört, sollte man es auch so meinen. Er wusste damals, dass ich sie mag und trotzdem hat er sie mir vor der Nase weggeschnappt. Und nicht bloß das. Ein Kind hat er ihr gemacht, das Scheusal, weil ihm das Schicksal von Menschen komplett am Allerwertesten vorbeigeht, er genießt es noch, wenn die anderen leiden. Ich habe noch niemals jemanden mutwillig verletzt, ich bin ein guter Kerl. Es ärgert mich immer maßlos, wenn Leute sich so vorbeinehmen!“

„Klingt nach einem sehr hochmütigen Kerl, dem es einen Kick gibt, wenn er andere ausbooten kann. Kommt mir bekannt vor.“

„Natürlich – sie ermitteln gegen dieses Individuum, was einen Menschen getötet und diverse andere ins Verderben gestürzt hat – und er kommt immer noch damit davon!“

„Um welche Frau handelt es sich? Wenn es sich um einen Mordfall handelt, müsste mir der Fall bekannt sein.“

„Miyako Kajiwara.“

„So. Und ihr Mörder ist der alte Keichiro Takagi.“ Worte, die überzeugend klangen, aber gleichermaßen waren sie frustrierend, weil sein Wissen auf Glauben beruhte, man sich da auch sicher war, aber sie keinerlei Beweise dafür hatten, dass es zutraf, sie dem Kerl also nicht mal was konnten.

„Sie waren also mal mit Takagi befreundet. Das muss Jahrzehnte zurückliegen.“

„Manchmal kommt es mir vor, als sei es gestern gewesen. Er war schon damals unkontrollierbar. Andere benahmen sich artig und er… Ja er hatte Spaß daran, besonders zu sein.“

Takeshi wusste nicht, was er in diesem Moment dazu sagen sollte. Besonders verabscheuungswürdig hätte er passend gefunden. Der Grund für den Mord an dieser Frau konnte doch nur sein, dass er damals keine Kinder wollte. Zum Glück war es Takahashis Vater nicht wichtig, die Sache zu bereinigen. Der war einfach nur abgehauen. Takagi war ganz anders drauf, er brach jegliche Regel, weil er sich für so etwas wie einen Gott hielt. Alle Menschen waren ihm zuwider, ja er war nicht bloß ein Frauen-, sondern ein richtiger Menschenfeind.

„Dieser andere Freund – lassen Sie mich raten, sein Name war Kazuya Miura.“

„Verdammt, genau! Woher wissen Sie das?“

„Die Polizei interessiert sich sehr für Takagi und sein gesamtes Umfeld. Es ist immer wieder erstaunlich, wie einem doch Dinge durch die Lappen gehen können. Ich wusste lediglich, dass Sie zusammen zur Schule gegangen sind. Was für eine Freundschaft das wohl war?“

Man bemerkte am Gesicht des 45-jährigen, wie sehr er diesen Kerl verachtete. Und dabei wusste Katō sicher nicht einmal alles über seinen sogenannten Freund…

„Überhaupt keine. Dieser Mistkerl weiß nicht, was das überhaupt bedeutet. Trotzdem ist dieser Miura ihm bis heute total hörig. Es scheint ihm völlig gleichgültig zu sein, was er tut. Angeblich sind beide nach Amerika zum FBI gegangen. Da kann der Soziopath ja nach Herzenslaune morden.“

„Katō-san!“ Takeshi klang, als sei er schockiert von den Worten, tatsächlich war er es kein bisschen. Ein gefühlsarmer Mensch wie Toshizos Vater verfiel in Wut, wenn es um diesen Kerl ging, weil seine Verachtung so immens war, dass er sie nicht verbergen konnte. Sie war so mächtig, dass sogar in ihm Gefühle hochkochten.

„So ein elender Waschlappen!“ Und dann schlug seine Faust sogar auf den Tisch. Sein Sohn sollte nicht mal ansatzweise so ein Waschlappen und Mistkerl werden, der anderen so nach dem Maul redete, wie Miura. Zudem hatte er seine kleine Familie einfach verlassen und vergnügte sich in einem Land, in dem keine Sitte und Ordnung zu finden war, wie er fand. Mit Frauen, die einem Japaner nicht würdig waren – an seiner Stelle würde er sich ja in Grund und Boden schämen, wäre er so gewesen. Schon damals in der Schule hatte er sich mehr für Bücher und die Schule interessiert als für irgendwelche Kicks und Sex. Die anderen beiden hatten es bereits mit 14 wie wild getrieben, so dass man beinahe Angst haben musste, ihre Mutter zu sein. Oder die der Mädchen, die es mit den Kerlen trieben. Er hatte nur einmal gewagt den Mund aufzumachen. Und beiden gesagt, dass er es nicht gut fand, Frauen als Matratzen zu missbrauchen, die keine Rechte hatten und wie nannte Takagi es noch: Freischießen macht aber am meisten Spaß. Es gab ihm ein geiles Gefühl, wenn eine Frau bereit war, so weit zu gehen, dass sie riskierte, ein Kind zu bekommen. Nie im Leben hätte er gedacht, dass der Typ seine Cousine auch so behandelte. Sie gehörte zur Familie, da sollte er wenigstens aufpassen. Aber nein. Er wusste erst, dass die beiden zusammen waren, als sie ihm sagte, dass sie im vierten Monat war.

Er war immer mit Lernen beschäftigt, um später einmal ein guter Ehemann sein zu können. Frauen mochten keine armen Schlucker. Er würde eine gute Frau bekommen und mit ihr eine Familie gründen. Jemand wie er hatte genaue Vorstellungen. Und er nahm nicht irgendwen. Als sie ihm das gesagt hatte und dabei lächelte – weil sie sich auf das Kind freute – wusste er, dass mit ihm etwas nicht stimmen konnte. Er hatte auch so viel gelernt, damit sie beide später ein schönes Leben haben konnten. Alles umsonst. Jetzt würde sie einen anderen ehelichen und ihn vergessen – weil das eben so war. Und der Typ lachte ihn noch aus, als er ihm gesagt hatte, sie ja anständig zu behandeln, weil sie ein Kind von ihm erwartete. Vielleicht war das naiv und dumm. Weil er nicht glaubte, dass dieser Kerl so krank im Schädel war, dass er sich nicht mal freuen würde. Alles andere als das.

Takeshi bemerkte die wilden Gedanken, die Katō haben musste. Er sah irgendwie aus, als hätte er einen Geist gesehen. Leichter Schweiß war in sein Gesicht getreten.

Dieser perverse Bastard hatte ihm diverse Dinge erzählt, wie gut es sich anfühlte, wie geil er es fand, mit ihr rumzumachen. So sehr, dass es ihn angewidert hatte. Er war ihm haushoch überlegen – dachte er damals. Weil sein bescheuerter Freund ihm sowieso immer beistehen würde. Er war so etwas wie das fünfte Rad am Wagen – sie waren zu viert und er hatte nie wirklich dazu gehört, weil er bei weitem nicht so geistesgestört war, wie er. All die Bilder von den Situationen, in denen er den Schikanen Takagis ausgesetzt war, pflügten durch seinen Kopf. Und er hatte geglaubt, dass er all das vergessen hatte. „Ich weiß genau, dass er sie getötet hat. Weil sie ihm nicht gehorcht hat. So ticken Typen wie wir, nur dass ich nie im Leben einen anderen Menschen töten würde. Der Mensch soll nicht töten… Leider juckt das die Meisten nicht, sie tun es trotzdem.“

„Wieso glauben Sie das so genau zu wissen?“

„Er hat es mit ihr getrieben, bis sie im achten Monat das Kind bekommen hat und hat dann versucht das Mädchen nachts im Schlaf zu ersticken, weil er es nicht wollte. Sie hat ihn dabei erwischt und sich gewehrt. Sein Bruder Saturo hat mir erzählt, dass es sich ganz sicher so zugetragen hat, denn sein Bruder will nicht für ein Kind aufkommen. Der hat Wichtigeres mit seinem Geld vor!“ Aus seinem Bruder war wenigstens etwas geworden, er hatte sich etwas aufgebaut, ohne auch nur einmal an Mord zu denken. Takagi würde alles für Macht tun, dem war jegliche Menschlichkeit fremd.

„Bestimmt hat es Keichiro gewurmt, dass sie das Kind bekommen wollte – auch wenn er sich nicht in eine Ehe drängen lässt. Ich hatte mir damals schon überlegt, wie ich ihr helfen kann, um sie zu beschützen. War es denn wirklich nötig sie zu töten? Der Kerl kennt keine Ehre. Er ist schlimmer als der Teufel!“

„Da gebe ich Ihnen Recht und ich verspreche Ihnen, dass ich alles daransetzen werde, damit ihm seine gerechte Strafe zuteil kommt. Jedenfalls sollte er jemals wieder japanischen Boden betreten! Leider besitzt er ja nun die amerikanische Staatsbürgerschaft und sie sehen keinen Grund ihn auszuliefern. Ist ihnen wohl sehr von Nutzen. Tja, vielleicht ist er seinem Freund Miura ja tatsächlich zum FBI gefolgt. Wer weiß, was er dort gerade tut?“

Toshizos Vater nickte, offensichtlich vertraute er ihm, das konnte er auch. Man durfte das ja nicht sagen, aber Takagi hatte wahnsinniges Glück, dass Katō sich im Griff hatte – Takahashi hätte es bestimmt nicht. Der würde keinen davonkommen lassen, der seinen Freunden wehtat oder sie gar wagte umzubringen – der würde explodieren vor alles vernichtender Wut, wie eine Atombombe. Und er würde gewiss nicht warten, bis andere etwas taten, sondern selbst handeln.

 

 

Die Schritte waren kaum eindeutiger zu vernehmen. Jemand kam wohl auf den letzten Drücker. Nichts neues – es gab immer Pennsocken, die es nicht aus dem Bett schafften und den Bus oder Zug – je nachdem, wo man wohnte – gerade so oder nur knapp nicht erreichten.

Zu seiner Verwunderung waren Ryochi und Sêiichî allerdings gerade eingestiegen, so dass er den Blick schweifen ließ und nicht schlecht staunte. Dieser Junge rannte wie der Teufel und er blieb in der Einstiegstür wie angewurzelt stehen. Da warf ihm der Busfahrer schon einen bösen Blick zu und als er die Tür vor seiner Nase schließen wollte, streckte er den Arm aus, der die Tür blockieren sollte.

„Spinnst du, Junge? Da kann wer weiß was passieren?!“

„Aber da kommt noch jemand“, meinte der Braunhaarige. Am liebsten wollte der Fahrer ihn anbrüllen – immer diese elende Korrektheit.

„Es ist Zeit! Einsteigen oder draußen bleiben“, meinte er laut.

„Dreißig Sekunden können Sie jawohl warten!“ gab der 18-jährige selbst nun etwas lauter von sich, so dass ein paar Jungs, die recht weit hinten im Bus saßen, sich ansahen und den Kopf schüttelten.

„Ist wohl mit dem falschen Fuß zuerst aufgestanden, was?“ machte man sich lustig.

„Ach du weißt doch, dass das bei dem voll egal ist. Der tickt doch immer wegen Kleinigkeiten aus…“

„Muss er sich mit dem Busfahrer anlegen? Sitzt am längeren Hebel – ist eben erwachsen…“

„Von der Klügere gibt nach hat Taka wohl noch nie gehört, was?“ lachte Kenji und erntete einen leicht giftigen Blick seitens Ryochi.

„Das sagen gerade die Richtigen.“

Die kleine Jungengruppe war viel schlimmer. Es verging fast kein Tag, an dem sie sich nicht stritten oder gar prügelten.

Zwar blieb die Tür offen, aber kurz bevor der Schwarzhaarige den Bus erreichte, stieg Takahashi ein und das, ohne ein Wort zu sagen. Toshizo keuchte schwer und ging gerade bis zu der ersten Treppe, kurz darauf schloss sich die Tür.

„Bist wohl nicht aus dem Bett gekommen, was, Kleiner?“ fragte ihn der Busfahrer jetzt auch leicht gehässig und er sah auf – sah der nicht, dass er kaum Luft bekam?

„Entschuldigung“, meinte er und rannte dann seinem Freund hinterher, der schnurstracks zu der kleinen Gruppe lief, die er neuerdings seine Freunde nannte – nur weil er so blöd gewesen war, es auch zu tun.

„Guten Morgen“, sagte er zu der kleinen Personengruppe. Toshizo blieb stehen und wunderte sich doch sehr, als sein bester Freund ihm keinen Platz freihielt und sich einfach zu anderen Leuten setzte. Da beschleunigte sein Schritt.

Der Dunkelbraunhaarige hatte Sêiichîs Schultasche einfach über ihn geschmissen und sich neben ihn gesetzt. Wenn Blicke töten könnten – es war ihm wohl nicht so besonders recht, dass er ihm zu nahekam – armer Kerl. Dabei tat er das nicht seinetwegen. Wie Ryochi auch gleich darauf erkennen konnte, als sein Cousin sich quersetzte und den Kopf zu ihnen drehte.

„Morgen“, sagte man ihm im Chor und er legte die Unterarme schließlich auf dem Sitz ab.

„Und, schon aufgeregt wegen des Spiels, Shina?“ sprach er explizit die Freundin seines Cousins an, würdigte Sêiichî nicht eines Blickes und Ryochi schien auch nicht wirklich da zu sein. Jedenfalls war es ihm ganz egal, dass er neben seiner Freundin saß, er quatschte sie trotzdem dreist an.

Mittlerweile hatte es auch Toshizo zu ihnen geschafft. Er blieb – widerwillig direkt vor Takahashi und Sêiichî stehen. Zweiterer sah aus dem Fenster, nur so konnte er die Beiden ignorieren.

Ryochi packte eins seiner Schulbücher aus und hielt es sich passend vor die Nase, damit er ihn nicht sehen musste. Ihm hätte nur noch Kōji gefehlt, aber der war nicht zur Haltestelle gekommen. Traurig war er nicht wirklich.

„Ey, Katō, neben mir ist ein Platz frei!“ hörten sie dann und dieser ignorierte den Jungen völlig.

„Bist du taub? Blödmann, ich hab gesagt, da ist ein Platz frei.“

„Ich steh lieber.“

„Was hast du da gesagt?“ fragte Kenji gereizt und nahm ihn an der Schulter.

„Dass ich lieber stehen will.“

„Erstaunlich – mit Grippe…“ Es war lediglich von Takahashi gemurmelt, in den nicht vorhandenen Bart genuschelt.

„Grippe? Wieso denn Grippe? Soll das heißen, du bist ansteckend?“

Ryochi beobachtete die Jungs. Da war ganz gewaltig etwas faul. Dass sein Cousin ihn und Sêiichî ignorierte, verstand er gerade noch so – auch, dass er das mit der Gruppe rechts neben ihnen tat, weil sie sich gezofft hatten, aber nicht Toshizo.

„Genau, Kenji, ich bin ansteckend, also besser, wenn ich stehe.“

„Bist halt eine Mimose, kein Wunder, dass du die Grippe kriegst.“

Sêiichî stöhnte, bei dem dummen Gerede, dann holte er sich den MP3-Player raus und steckte sich Stöpsel in die Ohren. Er ertrug den dummen Schmus, den sie von sich gaben, nicht am frühen Morgen.

„Wie ihr meint“, sagte Toshizo – versuchend die Idioten zu ignorieren, die er angeschleppt hatte. Die wollten etwas aus seinem besten Freund machen, was er nicht sein wollte, also sollte man sich ganz weit weg von denen bewegen…

„Bist sogar zu feige, dich zu wehren, hue?“

Verdammte Scheiße. Er hatte schlechte Laune, er wollte seine Ruhe haben, aber wenn… Takahashi versuchte es zu ignorieren, so wie Toshi. Er war absolut nicht gut darin, Idioten zu ignorieren, das hatte schon in Kyoto nie funktioniert.

„Lasst mich einfach in Ruhe!“ sagte der Junge und streckte den Kopf vor Takahashis. Der sah hoch, direkt in sein Gesicht.

„Bist aber schnell wieder gesund geworden, was?“ Die kleine Spitze hatte er verdient, man belog seine Freunde nicht.

Der Junge beugte sich runter zu ihm und flüsterte ihm anschließend nur zu, was er zu sagen hatte, damit es nicht alle mitkriegten: „Ich hab mich nicht nach Schule gefühlt.“

„Hättest du mir sagen können, statt deine Mutter vorzuschicken!“ Ja, er war sauer – zurecht fand er. Leider sagte er es wohl ein bisschen zu laut.

„Oh, dein Tak ist böse mit dir. Oh du Armer… Ist eben ein egoistischer kleiner Dreckskerl.“

„Was hast du da gesagt, Kenji?“

„Dass DU ein egoistischer kleiner Dreckskerl bist.“

Der Grünäugige begann laut zu lachen, drehte den Kopf und schaute ihn dann fies an. „Aha. ICH bin also egoistisch und ein Drecksack? Dann bist du ein abartiges Narzissten-Schwein. Mimimi – Takahashi beansprucht alle Miezen für sich allein – mimimimi – er will seine Freundin nicht mit mir teilen. Buhuhuhu, ich bin doch der Anführer. Flenn doch!“

„Leute, müsst ihr euch schon so früh am Morgen streiten?“ fragte Shina, die eindeutig erkannte, dass Takahashi sowieso keine gute Laune hatte, da irgendwas zwischen ihm und Toshi nicht stimmte, von anderen Dingen ganz zu schweigen und die provozierten den noch.  

Die hatten nicht das geringste Mitgefühl für ihr Umfeld. Jetzt drehte sich Toshizo zu Kenji herum. „Du hast nicht das Recht sauer zu sein. Es war seine Freundin, die mit dir ins Bett gesprungen ist.“

„Klar, als wüsste ich nicht, dass er deswegen irgendwelche Tussen anschleppt, um sie vor mir zu ficken.“

„Oh bitte… Könnt ihr euch nicht benehmen?“ Sie schämte sich, immerhin waren das ihre Klassenkameraden.

„Oh, vielleicht hätte ich‘s bei dir versuchen sollen… dann hätte er sicher ne Mordklage am Hals.“

„Es reicht jetzt, Kenji! Als ob du Chancen bei ihr hättest!“ maulte Ryochi den dunkelbraun gebrannten Jungen an. Das machte ihn jetzt echt sauer – von Takahashi wollte er gar nicht sprechen, der platzte vermutlich jeden Moment. Ein falsches Wort reichte manchmal.

„Ist mir eh egal, Akaja. Ich bin nicht so gefühlsduselig. Das kann Toshi besser. Wisst ihr, er hat wie ein Mädchen geflennt, als Riina ihm mit einer Anzeige gedroht hat, dabei ist doch überhaupt nichts passiert. So eine Mimose.“

Um die Anzeige war es dabei wohl kaum gegangen.

Kenji nahm seine Hand und wuschelte Toshizo wild durch die Haare. Eigentlich hatte Takahashi vor, noch ein bisschen beleidigt zu sein, damit Toshizo es verstand, dass er nicht belogen werden wollte – aber als sie ihm die Frisur ruinierten und gleich zu dritt anfingen ihn zu piesacken, indem sie ihm ins Gesicht schlugen, sprang er auf und verpasste Kenji ohne Vorwarnung eine. Er schubste Toshizo zu Sêiichî auf den Platz und ging auf die Typen los.

„Ich hab euch gesagt, ihr sollt ihn nicht nochmal anfassen, ihr Arschgeigen!“

Nun sprang auch Ryochi auf und umklammerte seinen Cousin von hinten. „Das bringt doch nichts! Hör auf damit!“ hörte er ihn.

„Aber eine andere Sprache verstehen die nicht!“

„Halt dein Maul, Arschloch, sonst sagen wir deiner Mutter, was du sonst noch so getrieben hast, als du hackedicht warst!“

Der Junge bekam große Augen, so erschrocken war er von der Aussage, dann knurrte er wütend. „Halt dein Maul, oder ich bring dich um! Du hast mir doch das Zeug untergejubelt!“

„War echt witzig man“, lachte er, wich erneut einem Schlag aus, da Ryochi auch dazwischenfunkte, war es besonders leicht. Doch dann riss sich Takahashi los und schlug ihm so fest die Faust über, dass er mit einem Aufschrei zu Boden ging. Noch, als er zu Boden ging schlug er weiter auf ihn ein. Ryochi versuchte zwar sein Bestes, aber letztendlich schafften sie es erst zu dritt. Und zwar als Shina und Toshizo ihn auch noch festhielten und von Kenji wegzerrten. Kurz schwankten sie etwas, da der Bus eine Kurve fuhr, dann jedoch bremste er auch noch scharf und sie wurden nach vorne befördert.

Ihre  Parallelklasse versuchte es zu ignorieren, doch ein paar Wenige schimpften leise vor sich hin, weil sie noch Hausaufgaben machten, die sie gestern nicht mehr geschafft hatten und ihnen das Heft bei der Bremsung verschmiert wurde. „Muss das denn sein“, hörte man ein Mädchen, gefolgt von einem Jungen, der genervt stöhnte. „Können die sich nicht leise streiten und mit Prügeln bis zur Schule warten?“

„Seit wann plant man Prügel überhaupt?“ Der Hellbraunhaarige mit dickem Schal schaute dabei in sein Buch – der absolute Streber, immer zurückhaltend und nett. Er hätte sich wohl nie geprügelt. Manche fragten sich, ob der überhaupt Gefühle hatte, wo ihn absolut gar nichts seiner Laune berauben konnte…

Der Busfahrer drehte den Kopf zu den Jugendlichen. „Entweder ihr benehmt euch jetzt, oder ich werfe euch alle raus!“

„Wer ist denn alle?“ fragte Toshizo total verstört.

„Ihr alle, die ihr aufgestanden seid! Setzt euch wieder auf eure Plätze!“

„Da kann Tak ja gleich auf Shinas Schoß Platz nehmen, wenn alle sich setzen sollen“, klopfte ein Junge namens Yuki direkt blöde Sprüche, dasah sie ihn vernichtend an.

„Ihr habt wohl zu heiß gebadet!“

„Was denn? Er hat doch als Erster Ärger gemacht!“

„Ach ja?“ fragte die Detektivin verärgert. „Dann kennst du Kenji nicht!“

„Der traut sich wenigstens nicht bloß im Suff, nem Mädel einen Besuch abzustatten!“

Toshizo ging zu dem frechen Kerl und haute ihm eine runter.

„Bahahaha, schlagen wie’n Mädchen tut er auch“, lachte Hajime, Kenji hatte leider weniger zu lachen, der hielt sich den Kiefer.

„Ey, der kleine Psycho hat mir den Kiefer gebrochen, ich brauch nen Arzt…“

„Du warst der Psycho, der sich nen Spaß draus gemacht hat, ihn abzufüllen!“ schrie ihn Toshizo an, da reichte es dem Busfahrer.

„So ihr zwei Streithammel!“ Er nahm sich zum einen Toshizo und dann Takahashi und zerrte sie Richtung Ausgang. „Ich hab euch gewarnt!“ Er gab Takahashi kräftig eine gegen den Kopf, dann Toshizo.

„Eure Mütter haben euch wohl nicht erzogen!“ Das war der Moment, wo Takahashi ganz stumm wurde, sich verbeugte und eine Entschuldigung stammelte. „Entschuldigen Sie, kommt nicht mehr vor.“

„Strafe muss sein! Wird Zeit, dass ihr zur Schule lauft! Und jetzt raus hier!“

Sie wurden allen Ernstes aus dem Bus geschmissen. Er konnte die Beiden sowieso nicht leiden. Bestimmt dachten das viele.

„Man, was für eine Laune… Und das schon so früh“, seufzte Shina, die sich zurück auf ihren Platz setzte, ebenso wie ihr Freund.

„Geht eben nicht ohne Eskapaden, wenn Hitzköpfe aufeinanderstoßen. Hättest Kyoto mal erleben sollen…. Bestimmt is‘ Sêiichî gerade froh, dass er‘s diesmal nicht war“, lachte er. Sêiichî sah Ryochi mit Halbmondaugen an. „Ich fands nicht witzig, hatte ich nicht verdient…“ Er konnte nicht eindeutiger schmollen.

„Von wem hat er denn Prügel bekommen? Von deinem Cousin etwa?“ wollte Shina mit einem neugierigen Ton wissen.

„Oh ja – und dass er es nicht verdiente, kann man dabei wirklich nicht sagen. Sauber benommen hat er sich auch nicht gerade. Andere aber auch nicht.“ Eigentlich wollte er keine dreckige Wäsche waschen, schon gar nicht die der anderen, aber wenn sie fragte. Da fiel ihm etwas ein. „Frag doch Sêiichî, vielleicht erzählt er es dir, dann kann er sich nochmal dafür schämen.“

„Danach kann sie mich nicht mehr leiden, Ryo“, meinte er.

„Ach, Menschen machen Fehler, sie sollten sie sich nur eingestehen können und wenn sie etwas falsch machen, sich auch dafür entschuldigen.“

„Mhm“, meinte der Schwarzhaarige bekümmert. Unter Garantie war es keine harmlose Sache gewesen.

„Warum hasst ihr Takahashi eigentlich so?“ fragte Sêiichî Kenji, der immer noch kräftig jammerte. Ihm war alles lieber als die Geschichte von damals aufzuwärmen.

„Soll das nen Witz sein? Weil er nen Bastard ist.“

„Warum frage ich überhaupt? Wo es keinen Grund gibt, sucht man sich welche“,

sagte Sêiichî dazu nur. Für ihn war: Er ist ein Bastard jedenfalls alles andere als eine gute Erklärung. „Kein Wunder, dass er fuchsteufelswild wird. Bestimmt haben die ihm auch gesagt, dass er ein Bastard ist.“

„Bestimmt bereut seine Mutter schon längst, dass sie ihn bekommen hat.“

„Man sollte die Klappe halten, wenn man keine Ahnung hat!“ meinte Ryochi äußerst untypisch für seinen Charakter sehr verstimmt. Wie konnten sie wagen, so etwas auszusprechen? Das war unter aller Kanone.

„Was denn? Meine Eltern haben geheiratet.“

„Ihr Glück.“ Mehr als Glück war es schließlich nicht. „Und jetzt will ich nichts mehr hören, sonst sage ich dem Busfahrer, dass euch Laufen auch guttun würde.“ Schlimm genug, dass er die nicht rausgeworfen hatte. Und woran lag das? Der Kerl mochte Takahashi nicht – aus verdammt dummen Gründen, die leider dem Grund für Kenjis Hass sehr ähnlich kamen. Seine Mutter war alleinerziehend und deswegen musste man sowohl sie als auch ihr missratenes Kind natürlich verabscheuen.

 

 

„Warum hast du mich angelogen? Du weißt, dass ich Lügner nicht leiden kann.“ Man sollte Dinge klären, bevor sie eskalierten. Schweigend neben ihm herlaufen, fand er eben auch irgendwie doof.

„Weil ich dich nicht mit meinen Wehwehchen belästigen wollte.“

„Was soll das denn heißen?“ Ihm schien das offenbar nicht logisch zu sein. Sein Freund hatte ihn noch nie mit irgendetwas belästigt und was meinte er mit Wehwehchen? Er hatte sich immer davor gefürchtet, dass der Unterschied zwischen ihnen irgendwann eine Barriere zwischen ihnen bilden würde. Toshizo konnte ihm alles sagen, egal wie abgefuckt es im ersten Moment auch wirkte. Oder wie hypersensibel. Sah er denn wirklich einen derartig eiskalten Mistkerl in ihm, dass er glaubte, alles, was übertrieben gefühlsduselig wirken könnte, würde ihn nerven?

„Es verletzt mich, dass du so von mir denkst“, sagte er. Dabei sah er zwar nicht wirklich verletzt aus, höchstens ein bisschen geknickt, aber ihm war Vertrauen wichtig. Wenn man schon keinem Mädchen vertrauen konnte, dann sollte man es wenigstens den gegenüber können, die man Freunde nannte – oder etwa nicht?

„Was?“ Natürlich verwunderte Toshizo das. „Aber genau das wollte ich damit doch nicht. Ich war depressiv. Davon verstehst du nichts, oder?“

„Oh je“, sagte Takahashi dazu nur. „Meinst du, ja? Zum Arschloch zu mutieren kann einen auch deprimieren. Ich hab im Suff Shina fast vergewaltigt und sie in den Spiegel geschubst. Glaubst du, danach war ich nicht depressiv? Ich hab mich scheiße gefühlt.“

Es passte einfach zu gut. Toshizo senkte den Kopf. „Ich war vermutlich kurz vor Okitas Tod bei Saki“, meinte er, dann kniff er die Augen zu. „Was, wenn sie deswegen im Krankenhaus ist?“

„Du weißt es nicht. Am besten machst du dir darum keine Gedanken. Ich mache mich auch nie verrückt, wenn ich etwas befürchte! Kann ich noch machen, wenn ich es wirklich weiß. Mhm?“

„Wie meinst du das?“

„Na, wer weiß, was Saki hat? Am Ende ist sie auch meinetwegen im Krankenhaus?“

„…“ Toshizo sah ihn rätselnd und dann tieftraurig an. ‚Du meinst, du hast sie geschwängert. Und was, wenn sie genau deswegen so lange dort liegt? Weil ihr etwas passiert ist…?‘ Sie waren sich schließlich einig. Ihr war bestimmt etwas zugestoßen.

„Weißt du, was ich glaube?“

„Mhm?“

„Dass Shizu Kenji gegen dich aufgestachelt hat. Also, dass sie noch ein bisschen nachgeholfen hat. Der will dich nämlich verprügeln und wenn ich mich einmische, krieg ich‘s auch ab.“

„Ach was, du mischst dich da nicht ein.“

„Bist du bescheuert?“ Toshizo schlug ihm gegen den Hinterkopf. „Glaubst du ein Typ wie er legt sich allein mit dir an? Von wegen, der zieht Hajime da auch mit rein. Die sind stinkesauer, weil ich dir helfen würde.“

„Dann solltest du das vielleicht nicht tun…?“

„Aber du bist mein bester Freund. Ich schau doch nicht zu, wenn die auf dich losgehen. Also wenn die was machen, bin ich dabei! Und zwar an deiner Seite, wo ich hingehöre!“ Er nahm seine Hand und klatschte mit ihm ab.

„Es tut gut, einen Freund zu haben, von dem man weiß, dass er einem immer beistehen würde. Glaub mir, so etwas findet man nur sehr selten. Egal, was andere sagen, bitte vertrau mir auch.“

„Was ist mit dir denn heute los?“

„Ich hab keinen guten Tag erwischt, das stimmt.“ Andere merkten das vielleicht nicht, sein bester Freund jedoch immer – und Ryochi oder Shina. Das lag an ihren Wesenszügen. An Dingen, von denen er einfach keine Ahnung zu haben schien. Er bewunderte Menschen, die immer wussten, was richtig und was falsch war.

„Weißt du was? Ich würd dich voll anfeuern, wenn du Hajime mal eine schmieren würdest. Der wär von den Socken und würde zu Kenji rennen – dann kann er mal vor seiner eigenen Tür kehren. Dem sage ich dann auch mal, dass er ne Mimose ist… Nur, weil du keinen Ärger willst und dich zusammenreißt.“ Die waren Toshizo eben nicht mal das wert. Bei Sêiichî scheute er kein Feuer, gegen den hätte er sich gewehrt. Schlimmer, auf den ging er sogar los. Es gefiel ihm nicht, dass sein bester Freund sich von Kenji und Hajime so ärgern ließ und nicht mal zurückhaute. Aber kaum sagten sie etwas Blödes, haute er denen eine runter. Manchmal verstand er das echt nicht.

„Warum hast du Hajime eigentlich eine geknallt? Hat ja nur gesagt, was er gedacht hat.“

„Keiner beleidigt meine Freunde!“ sagte Toshizo erbost. „Er hat dich indirekt als nen Feigling hin gestellt. Konnte ich nicht unbeantwortet lassen.“

„Aber das war doch voll unnötig, lass ihn doch reden.“ Teils stimmte es ja sogar. Auch wenn er so mutig gar nicht sein wollte, um sich ohne SUFF so aufzuführen.

„Das kann ich nicht… Weil ich dich lieb hab.“

„Herrje, man sagt keinem Jungen, dass man ihn lieb hat. Kein Wunder, dass sie dich ärgern. Sei froh, dass ich nicht so bin.“ Takahashi haute ihm gegen die Schulter und grinste dabei leicht fies. Aber es war trotzdem irgendwie niedlich gewesen. Die anderen würden ihn wegen so etwas leider noch mehr piesacken. Sein bester Freund hatte viel getan, um denen zu ähneln – warum? Er war doch so wie er war viel liebenswerter. Die Knallköpfe waren ganz dämliche Vorbilder. So wie die sich benahmen, würden die eines Tages wirkliche Straftaten begehen – dabei erwartete man das von ganz anderen Personen.

 

 

Kenichi blickte auf die Uhr. Gleich würde der Facharzt aus der Psychiatrischen Klinik in Kyoto hier sein und er hoffte wirklich zutiefst, dass er mehr taugte als die, die er bisher kennengelernt hatte. Drei kannte er bisher, einer davon war eine Frau und die machte ihm mal wieder klar, dass psychische Spielchen schlimmer sein konnten als die brutalsten Schläge. Gerade Frauen gingen über die emotionale Ebene und hinterließen die schlimmsten seelischen Verletzungen, kein Mann schien das so hervorragend zu schaffen. In dieser Organisation gab es Dutzende, die nicht ganz tickten, aber er fürchtete nicht die Männer, die einem Gewalt androhten. Yohko Iwamoto zum Beispiel brachte Schlimmeres fertig, als jemandem das Leben zu nehmen. Schlimmer war, wenn man überlebte, so wie nun Saki. Vor ihr gab es zahlreiche Menschen, denen es genauso ergangen war. Kinder, die aus dem Mutterleib geholt wurden, nur damit sie mit ihnen forschen konnte. Es wurden Abtreibungen versprochen, aber nicht korrekt durchgeführt – jedenfalls hätte er das so genannt, wenn man das lebende Kind einfach nahm und es für seine Zwecke benutzte, ohne dass die Mütter es erfuhren. Für ihn war zwar erleichternd zu erfahren, dass es tot war, für die Betroffene jedoch nicht.

Wenig später wurde er durch ein Klopfen aus seinen Gedanken gerissen und rief „Herein!“, daraufhin öffnete man die Tür und ein Mann mittleren Alters trat ein.

„Doktor Ashida, ich grüße Sie“, meinte er freundlich – na hoffentlich hielt er auch, was er versprach. Er drehte sich zu ihm herum, streckte ihm die Hand hin und deutete ihm den Platz vor sich.

„Schön, Sie kennenzulernen“, spulte der Mediziner die üblichen Höflichkeitsfloskeln ab, er war geübt, ihm Schleimen. „Hatten Sie eine einigermaßen angenehme Anfahrt?“

„Wie man’s nimmt. Ich hasse das Reisen. Ich bin gerne in meinem Wohnort.“

„Verstehe. Ja, der Umzug von Kyoto in eine Millionenmetropole wie Tokyo ist mir auch nicht so leicht gefallen – aber naja – Hab eine Weile in Amerika gelebt, da war es dann nicht ganz so übel.“

„Oh, wirklich? Wo haben Sie denn genau gelebt?“ Es kam selten vor, dass ein Arzt sich für lockeren Plausch tatsächlich die Zeit nahm. Er schien ein sehr netter Kerl zu sein. Freundlich, gelassen, aber auch ungemein jung, aber vielleicht täuschte das auch.

„Los Angeles, Detroit, Honolulu. Ich bin viel rumgekommen in meinem jungen Leben.“ Er lächelte zaghaft. Man hatte ihn von einer Stadt in die nächste geschleift, nur damit keiner ihn finden konnte – das war die Wahrheit.

„Mögen Sie Amerika?“

„Manchmal mehr als Japan, ja. Zwar neigen Amerikaner zu wütenden Anfällen, aber das ist mir lieber als die eisige Kälte, die man hier so bekommt.“

„Aber Sie wirken gar nicht so, als wären sie besonders impulsiv.“

„Ich würde mich eher als besonders empathisch bezeichnen. Was würden Sie von sich behaupten?“

„Stellen Sie jedem diese Fragen, mit dem Sie arbeiten möchten?“

‚Nein! Aber Leuten, wie Ihnen schon. Psychiatern kann man einfach nicht trauen. Sie denken immer, sie wissen es besser. Hoffentlich taugen Sie wenigstens etwas auf dem Gebiet.‘ Kenichi schüttelte den Kopf. „Nein, das tue ich, wenn es mich bei einer Person interessiert.“

„Sie wollten über eine meiner ehemaligen Patienten reden. Vielleicht sollten wir also keine weitere Zeit vergeuden.“

Schon in diesem Moment heimste er viele Minuspunkte ein. Er konnte Menschen, die sich keine Zeit ließen, nicht ausstehen. So passierten die meisten medizinischen Fehler, in Hektik.

„Ja, ich hatte den Arztbrief gelesen und hätte ein paar Fragen an Sie.“

„Was stimmt nicht mit dem Arztbrief?“

„Natürlich bin ich ein Laie in Sachen Psychiatrie, aber – mich haben die Worte ‚dissoziale Persönlichkeitsstörung‘ sehr beunruhigt. Sie ist nicht einmal achtzehn. So weit ich weiß, ist es nicht erlaubt, bei Jugendlichen so eine Störung zu diagnostizieren. Wieso steht es trotzdem in der Patientenakte?“

Dieser junge Kerl ließ wohl keinerlei Kompromisse zu.

„Was wäre Ihnen lieber, Ashida-san? Psychopathin? Soziopathin? Narzisstin? Um einige Ausdrücke zu benutzen, die Menschen noch viel mehr stigmatisieren als eine schwammige Aussage, welche Probleme sie wohl hat.“

„Ach, die da wären? Wissen Sie – Die Störung kann alles bedeuten. Wie stark ausgeprägt ist sie denn? Muss man befürchten, dass sie jemanden umbringt?“

„Nein, dafür ist sie zu intelligent“, antwortete der Psychiater, das ließ Kenichi langsam mit dem Kopf nicken. „Ihre Gewalt ist verbaler Natur. Aber es kommt durchaus vor, dass sie die Fensterscheibe einschlägt, das Gedeck vom Tisch wirft, oder die Mutter ohrfeigt.“

„Tja, wer weiß, was die Mutter ihr getan hat?“ Kenichi konnte es sich nicht verkneifen, er kannte zu viele verkorkste Mütter, die ihre Kinder kaputtmachten, nur leider wehrten die sich nur sehr selten gegen ihre herrischen Eltern.

„Ein Mädchen sollte sich nicht so aufführen. Aber sie kann es nicht abstellen. Sie will Aufmerksamkeit. Wenn sie diese nicht bekommt, rastet sie aus. In unserer Klinik hat sie alle auf Trab gehalten. Sie war alles, nur nicht artig.“

‚Sind jetzt alle nicht artigen Kinder kleine Psychopathen? Nett, dann bin ich auch einer.‘

„Ich war auch nicht artig. Meine Eltern haben mich aber auch nicht misshandelt, wenn ich es nicht war. Nicht, dass sie nie streng waren, aber ich finde, ein liebevolles Umfeld kann vieles heilen. Nicht?“

Womit hatte er es hier zu tun? Mit einem Weltverbesserer? Na hoffentlich wusste er, dass die ein kurzes Leben, oder zumindest kein schönes Leben hatten.

„Wenn ein knapp dreizehnjähriges Mädchen in einer psychiatrischen Einrichtung aus dem Zimmer türmt, um einen labilen Jungen im Zimmer nebenan zu besuchen und sich dann noch zu ihm ins Bett legt, finden Sie das normal? Das sind eindeutige Indizien dafür, dass sie unkontrolliert ist und keinerlei Empathie besitzt, wenn sie nicht einmal bemerkt, wie unwohl ihm dabei ist. Oder ihn fragt, warum er Angst hat. Sie ist auf ihn draufgestiegen, Ashida-san! Er hatte panische Angst, dass sie ihn nötigen würde.“

„Ja, es gibt Jungs, die kleine Schisser sind.“ Kenichi musste lachen. Er hätte es amüsant gefunden, wenn ein Mädchen sich so etwas traute. „Saki-chan hat also gewagt, sich ungezogen zu einem Jungen ins Bett zu legen.“

‚Zu einem labilen Jungen, der von der Mutter körperlich misshandelt wurde.‘

„Als mir mitgeteilt wurde, dass ihr Bruder sie vergewaltigt haben soll, habe ich den Kopf geschüttelt.“

„Und wieso, wenn ich fragen darf? Weil sie dominant ist, vielleicht? Und was, wenn er noch dominanter war?“

Kenichi wusste, wie abgefuckt dieser Typ gewesen war, immerhin hatte er Geschäfte mit einem absolut unmenschlichen, perversen Ungeheuer gemacht.

„Dann hat er sie vermutlich verprügelt, sie fordert es regelrecht heraus, sie will Grenzen austesten und hat vor nichts und niemanden Angst. Es wurde mal Zeit, dass sie es lernt, sich zu fürchten.“

„Aber doch nicht so.“ Bestimmt war dieser Kerl der gleiche Typus Mann, den man in Japan am meisten antraf. Wenn eine Frau sich zu viel traute, wurde sie niedergemacht, schlimmstenfalls wurde ihr Vernunft eingeprügelt. Wie er dieses Land und seine Sitten zu hassen gelernt hatte. Wäre er doch nicht zurückgekommen. Aber er musste…

„Ich halte sie übrigens für empathisch. Sie war äußerst emotional in unseren Gesprächen.“

„Oh, dann muss Sie Vertrauen zu Ihnen haben. Normalerweise macht sie komplett dicht und ist der Eisberg schlechthin.“

„Das ist Eigenschutz und hat garantiert nichts mit einer Störung zu tun“, meinte Kenichi.

„Mir war, ich bin der Psychiater und Sie beschäftigen sich mit dem Unterleib der Frauen.“

Kenichi begann zu lachen, er wusste um sein loses Mundwerk, aber ebenso um seine Besserwisserei, die er noch ein bisschen mehr zum Besten geben musste, wenn ihm jemand nicht so angenehm war. „Jain, nicht nur. Also eigentlich beschäftige ich mich mit Frauen von Kopf bis Fuß. Und mit Säuglingen natürlich.“

„Wobei kann ich Ihnen nun behilflich sein?“

„Oh, ich weiß nicht, ob Sie das können. Ihre Patientin muss mit einer schweren Vergewaltigung fertigwerden, mit ihrer Unfruchtbarkeit und dem Verlust ihres Kindes. Wie bekomme ich Sie wieder auf die Beine? Und sagen Sie bitte nicht, wir sollen Sie mit Anti-Depressiva aufpäppeln.“

„Sie ist nicht suizidgefährdet. Sie hängt am eigenen Leben, das ist kostbarer als das aller Anderen. Wollen Sie noch mehr über Ihre gestörte Psyche wissen? Also ich halte es für einen Segen, dass sie keine Kinder mehr bekommen kann. Sie wäre genauso eine schlechte Mutter wie Ihre Eigene, die vermutlich mit daran schuld ist, dass sie zu einem gefühllosen, egoistischen Gör geworden ist, das seinen Eltern Angst einjagt.“

„Ach nein? Sie ist nicht suizidgefährdet? Und ihr eigenes Leben zählt, sonst nichts? Entschuldigen Sie, dass ich daran zweifle, aber… Das erste, nach dem Koma, was sie fragte, war: Was ist mit meinem Baby? Lebt mein Bruder noch? Und als ich beides verneinte, begann sie fürchterlich zu weinen und fragte: Warum haben Sie mich nicht sterben lassen?“

„Das ist äußerst interessant. Aber das liegt daran, dass sie enorm gestört ist. Sie hält sich für emotional und natürlich wird sie alles besser machen als die Frau, die sie geboren hat. Sie kann dieser Dame nicht auf den Nerven rumtanzen, so wie ihrem sensiblen Vater. Wenn sie sich nicht benimmt, gibt sie sie ins Heim. Oder sie muss wieder in meine Klinik. Da helfen keine Kullertränen. Bei Ihnen offenbar schon.“

Mit Mühe konnte Kenichi ein Knurren in der Stimme verhindern, als er sich dazu äußerte: „Klingt nach einer hartherzigen Mutter, nicht nach einem gestörten Kind. Natürlich will sie Aufmerksamkeit, jedes Kind will das!“ Dazu musste man kein Experte sein.

„Stellt sich die Frage, wer der Vater des Kindes war. Muss ja ein verdammt toller Junge gewesen sein, mit dem sie sich da vergnügt hat.“

„Oder sie war einfach nur in ihn verliebt.“

„Verliebt? Das bezweifle ich. Sie traut keiner Menschenseele, also kann sie auch keinen lieben.“

„Und das wissen Sie natürlich ganz genau, weil Sie diese Störung bei ihr entdecken konnten. Und wie haben Sie versucht sie zu bekämpfen? Womit haben Sie sie vollgestopft, damit sie aufhört, über die Strenge zu schlagen?“

„Eine Weile haben wir ihr tatsächlich Tavor geben müssen, sonst hätte sie die Einrichtung auseinandergenommen. Und fixieren mussten wir sie auch, sonst hätte sie sich selbst wehgetan. Ihr Schmerzempfinden ist nicht besonders groß. Da hatte ihr Bruder sicher Mühe, ihr wehzutun, wenn er das vorhatte. Ich bedauere diesen Kerl in keiner Weise. Bestimmt hat sie den genauso umgarnt, wie die armen Jungs in unserer Klinik.“

„Na, mit Tavor kann man einen Menschen auch zum Psychopathen machen“, meinte Kenichi sich räuspernd. Das Zeug machte gleichgültig. Er hielt nichts davon. Egal, wie verrückt sie auch waren. Kinder tollten eben gern, auch Mädchen wollten nicht immer nur brav und still dasitzen. Das war ganz schön traurig, dass man es von ihnen verlangte.

„Besser, als wenn er in einem Gefühlsausbruch einen Menschen umbringt. Geben Sie mir da nicht Recht?“

„Schon, aber…“ Ihm fiel da echt nichts mehr ein. Er mochte ihn nicht. Und was lernte er hieraus? Frauen, die sich etwas trauten, durfte man niedermachen. Jetzt war sie auch noch selbst schuld, weil sie nicht sauber tickte. Dabei war dieser Kerl der verdammte Psycho, der lachend zu seinem Freund sagte, er müsste sie nochmal kräftig durchnehmen, ihm doch egal, ob sie blutete, das war ja normal für ein Weibsstück. Sein Freund hatte ihn völlig panisch angerufen, er bräuchte seine Hilfe, sonst würde der seine Schwester noch umbringen.

Als er Okitas Anwesen erreichte, hörte er das kranke Lachen aus dem Keller und er hatte wirklich Angst, wie er sie vorfinden würde. Das Mädchen, was er eine Hure nannte, die man bis zur Besinnungslosigkeit durchnehmen musste, weil sie sich nicht von einer normalen Vergewaltigung einschüchtern ließ.

Sie hatte die nackte Panik in den Augen, als er es tat. Kenichi würde nie vergessen, wie ein eher kühler Mann wie einer seiner Studienkollegen den Typen grob von Saki runterriss, ihn anfing zu verprügeln und dabei immer wieder wie wildgeworden geschrien hatte, er sei ein Monster.

Ja, das war er. Sie war so schwer verletzt, dass er nicht mal eingreifen könnte, es war ihm auch völlig egal, was er mit dem Perversen machte. Er hatte nur im Sinn, sie zu befreien und ins Krankenhaus zu bringen, bevor sie an ihren Verletzungen starb. Es war auch wirklich haarscharf. Kaum, dass die Sanitäter sie mitgenommen hatten, ging er wieder ins Haus. Vielleicht hätte er das nicht tun sollen, denn da war das Spektakel in vollem Gange.

Gio, ein Typ, den er aus Italien kannte, wo er einmal wegen eines Geschäftes gewesen war, war auch aufgekreuzt und sie fielen beide über diesen Mann her. Er war schockiert, aber er hatte zumindest gezögert. <„Du elende Ratte! Wie kannst du wagen, das deiner Schwester anzutun?!“> während sie ihm das gaben, was er verdiente. Er hatte noch nie so etwas Brutales gesehen und obwohl er sich Mitleid strikt untersagt hatte, nahm er ihn, als sie endlich von ihm abließen und drückte ihn gegen die Wand. Dort sahen Sie sich für einige Sekunden in die Augen. Die des Mistkerls voller Schmerz und Pein, seine eigenen furchtlos, gnadenlos und gehässig. <“Was vergehst du dich auch an deiner Schwester? Das tut man nicht, merk’s dir für dein nächstes Leben“> Dann drückte er die Waffe an seinen Kopf, nicht ohne wie ein Profikiller vorher seine Hände in Handschuhe zu packen, als könnte er sich die Pest bei ihm holen. Bevor er ohne mit der Wimper zu zucken, abdrückte, ohne das geringste Mitgefühl für ihn.

Die zwei Männer echauffierten sich und fragten ihn doch wirklich: <“warum hast du das getan? Wir waren noch nicht fertig mit ihm! Er verdient mehr als das!“> Er verstand die Welt nicht mehr. Sie hatten ihn übel zugerichtet, er hätte bestimmt keine zehn Minuten mit der Verletzung überlebt. Dass er ihm Gnade gab, gefiel ihnen wohl nicht.  Wie grausam waren die denn? Und ihn dann noch angehen. Er empfand das als die richtige Entscheidung. Noch immer. Hätte er ihn nur eher erschossen, bevor sie so ausgeartet waren, in ihrer Wut. Er würde diese Bilder ja nie mehr loswerden. Zum Glück hatten sie es nicht vor den Augen von Saki getan. Dann bekäme sie glatt noch ein Trauma davon.

 

„Ich kann Ihnen stundenlang ein Ohr abkauen, oder aber ich rede selbst mit meiner Patientin.“

„Es würde einem Wunder gleichkommen, wenn Sie überhaupt mit Ihnen redet. Und wenn, dann sollten Sie vorsichtig bei ihr sein. Sie ist echt emotional betroffen. Auch, wenn das nicht zu ihrer Definition passen mag.“

„Keine Sorge. Man erlebt viel in meinem Beruf – und ich will den Leuten – speziell Jugendlichen zu einem normalen Leben verhelfen. Aber ich werde nichts schönreden. Manche müssen auch endlich lernen, dass Furcht ein sehr gesundes Gefühl ist, das Menschen davon abhält, die falschen Entscheidungen zu treffen.“

„Na gut. Verplempern wir keine Zeit. Sie dürfen zu ihr. Und wenn sie nicht gleich anfängt zu schreien und sie wieder loswerden will, wird Sie Ihnen wohl vertrauen.“ Hoffentlich würde er diese Entscheidung nicht bereuen, aber er brauchte nun einmal einen mit Fachkompetenz.

 

Der Mann mittleren Alters wusste nicht, in welcher Art und Weise dieses Gespräch diesen Leuten Informationen geben sollte, aber der schlimmste Teil stand ihm noch bevor. Er fragte sich, was wohl geschehen würde, wenn seine Patientin die falschen Antworten auf seine Fragen gab. Diese Menschen waren ziemlich skrupellos, von solchen musste man sie dringend fernhalten. Die zeigten ihr nur die falschen Möglichkeiten – so wie die Idioten, die den älteren Bruder einer seiner Patienten die falschen Dinge gelehrt hatten…

 

 

Unterdessen zerrte eine Hellbraunhaarige ihre gute Freundin Sharon hinter sich her und war völlig aus dem Häuschen. „Los beeil dich mal ein bisschen!“ ließ sie ihr zukommen. Sie war laut und war aufgeweckt, geradezu peinlich laut, fanden die Meisten.  Sie jedoch störte das nicht, ihre Begleitung schon eher. Der Junge drehte sich peinlich berührt von ihnen weg und schämte sich wohl bis auf die Knochen. Zum Glück war seine Mom nie so. „Man, ich bin so froh, dass du Ji-chan endlich mitgebracht hast!“

Seine Wangen hatten sich rot gefärbt. Es war ihm ungemein peinlich, als sie sich dann auch noch zu ihm herumdrehte. „Steh doch nicht so schüchtern in der Ecke herum! Die Familie meine Freundin hat auch einen Sohn in deinem Alter! Vielleicht könnt ihr euch ja anfreunden… Los komm endlich!“

Sharon schüttelte den Kopf. Das war also der Grund, warum Yukiko gewollt hatte, dass sie Keji mitbrachte. Weil sie gesagt hatte, es würde ihm guttun, mal einen guten Freund zu finden. Sie konnte ja schlecht sagen, dass sie damit meinte, einen Freund, der nicht zu ihrer Organisation gehörte. ‚Let’s hope, her sister is far far away. Otherwise she maybe gets jealous about us. And good thing Serena feels sick… She would ruin the fun maybe with her old bad stories.‘ Diese Frau war eine größere Dramaqueen als sie selbst. Klar, sie konnte ganz schön dramatisch sein, oder melancholisch, je nachdem, wie man es betrachtete, aber Serena… die konnte das um Meilen toppen. Sie wollte bedauert werden. Sie hatte schon bemerkt, dass Serena der Schwester von Yukikos Schauspielkollegin mächtig auf den Wecker ging, wenn sie so rumheulte, dass sie mit 17 vergewaltigt worden war. Na, wenigstens war sie nicht allein mit dem Kind, weil sie den erstbesten geheiratet hat. Kaum einer würde wagen das Serena ins Gesicht zu sagen. Diese Frau schon – die war manchmal einfach aus Prinzip böse. Obwohl es in dem Moment auch dazu diente, Serena klarzumachen, dass ihr ach so schreckliches Leben bei weitem nicht so schlimm gewesen war, wie das ihrer eigenen Schwester. Und sie hatte sie damals echt verteidigt. Es war die Entscheidung der Beiden, wie sie damit umgingen. Bestimmt würde sie nie vergessen, wie Serena eiskalt Kagura ins Gesicht sagte: ja, wenn ihr das Alleinerziehende-Mutter-Dasein zu anstrengend war, dann hätte sie das Kind eben abtreiben sollen. Daraufhin hatte sie eine Hand in ihrem Gesicht. Zum Glück hatte ihr Neffe Kenjiro das nicht mitbekommen. Er hätte sich bestimmt gefragt, ob sie es so bereute, ihn bekommen zu haben, um so etwas zu einer anderen Mutter zu sagen. Aber nein, Ken-chan musste ihr stets danken, dass sie dieses Opfer in Kauf genommen hatte, nur für ihn. Das wusste er wohl auch. Dennoch hinterließ es einen faden Beigeschmack bei allen. Denn die Diva konnte sehr eklig werden, wenn ihr gerade wieder einmal etwas nicht schmeckte.

Während sie so in Gedanken versunken war, kamen sie schon beim Anwesen der Familie an, die sie besuchen wollten. Obwohl Familie ja schon irgendwie merkwürdig war, wenn man bedachte, wie klein sie tatsächlich war. Nein, sie beneidete diese Frau kein bisschen. Das Haus war riesig und doch wohnten darin lediglich zwei Personen. Vielleicht hatte sie damals gedacht, für den nächsten Mann, der vielleicht in ihr Leben trat, den sie dann doch noch heiraten konnte, um mit ihm weitere Kinder zu bekommen. Der ihren Sohn lieben würde, wie ein eigenes Kind. Aber nein, es hatte nicht sollen sein und der Junge kam auch immer an erster Stelle. Die meisten Männer konnten damit leider wenig umgehen. Sie wollten an erster Stelle sein. Sogar ein Kerl wie Kenichi Iwamoto kam nicht damit klar, dass er nie die Nummer eins ihrer Cousine Yohko sein würde. Instinktiv wusste er die ganze Zeit, dass sie immer noch den Vater ihres ersten Kindes liebte und ihn immer vorziehen würde. Egal, wie sehr er sich auch bemühte, um das Wohl der Familie. Kein Wunder, dass er sich in seine Forschungen gestürzt hatte, um es mit der Frau auszuhalten, die ihren Geliebten ins Haus der Familie eingeladen hatte. Sie war erschüttert davon, dass sogar Sêiichî ihn kennenlernen durfte. Den Mann ihrer Träume. Da wurde ihr ja ganz anders. Der arme Junge. Sein älterer Bruder schien jedoch sehr glücklich, seinen Vater kennenzulernen. Wie wohl Hinaos Sohn reagieren würde, sollte sein Erzeuger mal wagen, die Türschwelle zu übertreten. Wahrscheinlich würde das nie passieren, aber seine Mutter glaubte, er würde glatt die Tür vor der Nase des Kerls wieder schließen, immerhin hatte er sich verfluchte 17 Jahre einen Scheiß um sie alle geschert. Sêiichîs Bruder war nicht so schlau zu wissen, dass ein Mann wie sein Vater nicht aus Liebe zu ihnen allen zur Tür reinfiel. Kein Wunder, dass Sêiichî Reißaus genommen hatte, als sich ihm die Möglichkeit geboten hatte. Bevor seine Eltern und der falsche Vater zurückkehren konnten. Was Sharon nur nicht wusste, war, dass Sêiichî gewagt hatte, mit fünf zu seinem älteren Bruder zu sagen, dass er Keichiro-kun nicht leiden konnte, er diesen unheimlich fand. Er wollte ihn ja nicht mal da haben. Und das ganz, ohne zu wissen, wie schlimm dieser Mann wirklich war. Aber man sagte nicht umsonst, dass Kinder sehr gut in der Lage waren, das Böse zu erkennen. Zur Strafe, dass er diese Ungeheuerlichkeit wagte, seinem Bruder an den Kopf zu werfen, in seiner Naivität, bekam er Brandblasen an den Händen, herrührend von der Gemeinheit des Älteren, der dachte, Schmerzen wären genau das, was er dafür verdiente. Da hatte er Sêiichî beide Handflächen auf die heißen Herzplatten gelegt. Den Nachbarn hatte Takeshi kalt erzählt, dass der Dummbatz eben neugierig war, wie alle 5-jährigen. Seine Patschehändchen hatten ganz alleine zum Herd gefunden. Er hatte es noch versucht zu verhindern. Die Leute von nebenan hatten sich dafür interessiert, wieso der kleine Junge wie am Spieß geschrien hatte.

 

Sie zuckte beinahe, so in Gedanken war sie, als sie Tür geöffnet wurde. „Hallo Yuki-chan! Ihr seid ganz schön früh.“

„Ach, wieso denn? Dann können wir wenigstens Vorbereitungen treffen!“

„Wofür denn?“ lachte die Schwarzhaarige und Sharon grinste nur ein wenig.

„Für Yukikos Pläne, meinen Sohn mit deinem bekannt zu machen.“

Hinter ihr steckte er den Kopf vorbei und betrachtete die 41-jährige neugierig. „Hallo. Freut mich Sie kennenzulernen.“

„Die Freude ist ganz meiner Seite. Yukiko hat viel von dir erzählt.“

Vermutlich nur die peinlichen Dinge. „Ich finde es schön, dass ihr hier seid. Nur rein in die gute Stube!“ forderte sie die kleine Gruppe auf.

„Was erzählt Yuki-san denn so von mir?“

„Oh, eine ganze Menge. Es kommt mir fast vor, als würde ich dich bereits kennen.“

„Hahaha“, begann Sharon zu lachen – fast etwas schadenfroh. „Das mag ich bezweifeln. Er ist ein Schlingel, der nicht jeden merken lässt, wie faustdick er’s hinter den Ohren hat.“

„Man… Verrat ihr doch nicht alles“, schmollte der 16-jährige, sie lächelte daraufhin jedoch heiter. Er wusste genau, wie es gemeint war.

 

Wenig später saßen sie zusammen am gedeckten Tisch und man schenkte ihnen Tee ein und es stand bereits ein Stück Kuchen vor jeder Nase.

„Nun erzähl mal, wie war der Flug? Bist du gut in Japan angekommen, ja?“

„Irgendwie ungewohnt. Und doch nicht, Shiturō-san.“ Der Junge sah leicht traurig drein.

„Das musst du mir etwas genauer erklären.“

„Ach. Die Menschen sind übertrieben freundlich, aber meinen es nicht so. Ganz genauso in Amerika. Trotzdem ist es irgendwie ungewohnt wieder in Japan zu sein. Ich war ja auch fast mein ganzes Leben in den Staaten.“

„Ach, daran gewöhnt man sich schnell. Aber scheint so, als müsstest du öfter nach Japan kommen, damit du das Leben hier nicht allzu schnell vermisst.“

„Scheint so“, antwortete er lächelnd. „Aber bisher hat Sharon mich nie mitgenommen, wissen Sie. Sie war viel öfter in Japan, als ich.“

„Du hättest nur fragen müssen, aber du warst ja mit anderem beschäftigt, nicht?“ Als ob sie nicht wüsste, dass er jetzt unbedingt nach Japan wollte, weil er gern Kenichi wiedersehen wollte.

„Was denn? Hätte ich mitten zur Schulzeit mit dir verreisen sollen? Das geht doch nicht“, seufzte er. Und leider verreiste Sharon nicht immer nur zur Schulferienzeit. Es hatte sich einfach nicht ergeben.

„Und nun? Bleibst du länger hier?“

„Klar, ich hab mich fürs Austauschprogramm angemeldet!“ meinte Keji voller Freude.

„Er will sich die Teitan-High-School ansehen.“

„Oh, dann kann er ja gleich mit Takahashi Freundschaft schließen.“

„Yuki“, echauffierte sich Sharon über die Direktheit. Das machte man einfach nicht.

„Oh – ich will euch ja nicht den Spaß verderben, aber mein Sohn ist sehr eigen. Er hat seinen festen Freundeskreis und der ist – wie soll ich sagen…“

„Keine Sorge, ich werde mich ihm nicht aufzwängen“, meinte Keji.

„Aber“, meinte Yukiko traurig. „Ein paar mehr Freunde würden deinem Sohn jetzt auch nicht schaden.“

„Er hat sich vor kurzem mit ein paar Leuten verkracht, der Zeitpunkt ist also nicht besonders gut gewählt.“

„Wieso denn verkracht“, wurde Sharon neugierig und sah Hinao fragend und neugierig an.

Die Mutter des 18-jährigen wirkte traurig und sagte zunächst nichts. „Sie haben ihn zum Trinken verleitet und wer weiß, zu was noch alles. Er hat gemerkt, dass die ihm nicht guttun und wollte sich von ihnen abkapseln. Seinen besten Freund hat er leider gleich mitgenommen… Der hatte sich nämlich mit diesen Jungs angefreundet, als wir noch in Kyoto wohnten. So gesehen, war mein Sohn fast schon ein Störenfried, der dann auch noch versucht hat, sie zum Besseren zu erziehen. Ich glaube, das kam nicht gut an.“

„Du glaubst?“ fragte Yukiko verstört und Hinao räusperte sich.

„Nein, ich weiß. Jungs in dem Alter lassen keine Kompromisse gelten. Heute Freund morgen Feind. Er hat mir erzählt, sie wollen ihn fertigmachen. Und ich dachte, dass hier in Tokyo alles besser wird.“

Yukiko sah sie mitfühlend an, sie kannte die Geschichte.  Nicht bloß ihre Freundin selbst hatte Teile davon erzählt, Ryochi auch. Laut ihm hatten sie ihn in der Schule ordentlich terrorisiert, weil er ein Bastard war. Das I-Tüpfelchen war wohl gewesen, als sie ihn Hurensohn nannten, da sollte Takahashi völlig ausgetickt sein. Es ging nicht direkt gegen ihn, sondern mehr gegen seine Mutter. Was waren das bloß für Kinder? Hatten die überhaupt keine Erziehung genossen? Das gleiche Gefühl gab ihr aber auch Kenji. Sie hatte nur einmal davon gehört, was er so trieb und wusste Bescheid. Gut, wenn Takahashi sich von denen fernhielt – und das waren nicht mal ihre Worte gewesen, sondern die ihrer Tochter. Sie schien wohl froh zu sein, dass er sich jetzt lieber mit Leuten wie Kōji beschäftigte, die ein bisschen was auf dem Kasten hatten.

Und da wussten sie alle noch nicht, was in Takahashis Schule vorgefallen war.

„Am besten du fällst nicht gleich mit der Tür ins Haus, Keji. Wenn du ihm sagst, du willst Freundschaft mit ihm schließen, sagt er dir trocken: Wieso? Du kennst mich doch gar nicht. Also sei lieber ein bisschen vorsichtig.“

„Um das mal klarzustellen, meine Liebe: Das ist Yukikos Plan, nicht meiner und nicht Kejis. Sie dachte eben, da die Zwei fast gleichalt sind und er an die Teitan gehen will, würde es sich anbieten. Und am Ende können die sich nicht leiden.“

„Na, dann freundet er sich eben mit Ryochi und Sêiichî an! Die nehmen ihn dann schon mit“, lachte Yukiko.

„Das ist ja noch schlimmer.“

„Wieso das denn?“ fragte Sharon verwundert.

„Ryochi und Sêiichî?“ war Keji jetzt auch neugierig.

„Ryochi ist Takahashis Cousin – die beiden hatten vor kurzem den Streit ihres Lebens – und Sêiichî gießt noch fein Öl ins Feuer, indem er zu seinem besten Freund hält, das ist los.“

„Das tut man eben so als bester Freund! Das spricht mehr für ihn als gegen ihn!“ warf Sharon ein und wirkte dabei etwas ungehalten – eher nicht ihre Art.

„Und wir Frauen sagen immer, wenn zwei sich streiten, sollte man sich raushalten. Aber irgendwie kann er das nicht. Fast so, als wollte er meinem Sohn absichtlich schaden.“

„Meinst du? Ryochi sagt, er sei ein guter Kerl.“

„Das würdest du vielleicht nicht mehr sagen, wenn du wüsstest, was er meinem Sohn in seinen jungen Jahren schon alles an den Kopf warf. Er ist nicht sensibel, aber er war verletzt davon.“

„Muss ja schlimm gewesen sein. Joanne hat auch nur gut von Sêiichî gesprochen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er jemandem absichtlich wehtut.“ Sie war sehr schockiert davon. Die Blonde würde ihn auch als einen guten Kerl bezeichnen.

„Tja, ich weiß nicht. Er schafft es wohl bravourös bei Takahashi ins Schwarze zu treffen. Keine Ahnung warum.“

“Was zur Hölle hat er gesagt?“

Kein Wunder, dass du keinen Vater hast! Du kleiner Psychopath. Es war irgendwie so etwas.“

„Jesus Christ…“

„Klingt mir mehr nach Abwehrhaltung. Dazu gibt es sicher eine Vorgeschichte.“

„Nein, Sêiichî ist wohl einfach gestört und denkt offenbar von jedem schlecht. Ich habe versucht das meinem Sohn klarzumachen. Keine Ahnung, ob es ankam. Die Zwei sollten sich voneinander fernhalten – die halten nichts vom jeweils Anderen.“

„Außer von Ryochi, von dem denkt er nicht schlecht“, warf Yukiko ein und hob dabei den Finger. „Und ich glaube, die haben vom Anderen jeweils ein sehr schlechtes Bild. Und noch mehr glaube ich, dass sie nie aufeinander zugegangen sind.“

„Das wird in diesem Leben sicher auch nicht mehr passieren, denn das wäre ein zu großes Wunder, Yuki-chan“, äußerte sich Hinao dazu. „Und leider hat Sêiichî auch Takahashis besten Freund verletzt und deswegen wird er zu ihm halten.“

„Mhmmmm“, seufzte Keji, wusste aber zu wenig, um wirklich mitreden zu können. Im Moment hatte er jedenfalls große Lust sie alle kennenzulernen und sich dann selbst ein Urteil zu bilden. „Und wenn man sich mit allen anfreunden will? Geht das etwa nicht?“

„ja, ich weiß, du würdest das natürlich wieder versuchen wollen“, lachte Sharon. „Aber vergiss nicht, man sollte nicht jeden zu seinen Freunden zählen und zur Familie auch nicht – ganz egal, ob sie blutsverwandt mit dir sind, oder nicht.“

„Ja, ich weiß“, lächelte er. „Aber du weißt, wie schwer mir das fällt.“

„Deswegen sage ich es dir nochmal.“

„Na, wenigstens in Physik wird Takahashi ihm nichts mehr beibringen können“, meinte Yukiko hinter vorgehaltener Hand sich diebisch freuend.

„Wieso beibringen? Ist er besonders gut darin?“ wollte Keji wissen.

„Ja und Chemie. Außerdem zeigt er großes Interesse an Soziologie. Fast unglaublich, dass er nicht mehr Freunde hat.“

„Tja. Japanische Eltern bringen ihren Kindern eben die falschen Dinge bei. Manchmal bin ich echt froh, eine Weile in die Staaten zu können. Da fühle ich mich frei“, meinte Yukiko leicht traurig.

„Ich würde Takahashi die Ohren langziehen, wenn er andere schikaniert, die es nicht so gut getroffen haben!“

„Dass du deinem Sohn die Ohren langziehst, kann ich mir nicht vorstellen, Hina-chan“, sagte Yukiko, ohne es böse zu meinen. „Wo er doch dein einziges Kind ist.“

„Mag sein, aber ich habe ihn nicht immer nur liebevoll erzogen, sondern ihn das ein oder andere Mal auch bestrafen müssen, wenn er etwas Dummes getan hat. Wir müssen unseren Kindern schließlich beibringen, was sich gehört und was nicht.“

„Kann ich mir trotzdem nicht vorstellen.“

„Warum, Yuki? Weil Ryochi gegen meinen Sohn schimpft? Der ist doch bloß eifersüchtig.“

„Warum ist der denn eifersüchtig?“ hinterfragte Keji den Grund und Hinao seufzte.

„Sie sind beide in Yukikos Tochter verliebt, aber einer hatte die Nase vorn.“

„So ist das manchmal im Leben. Es macht aber auch nichts besser, wenn dein Sohn sie wieder versucht für sich zu gewinnen. Das ist ganz schön egoistisch gegenüber Ryochi, findest du nicht?“

„Du hast wohl noch nie einen Mann vor der Nase einer anderen weggeschnappt, was?“ amüsierte sich Sharon über die Probleme der Kinder. Ihre eigenen Probleme waren schlimmer. Aber aus solchen kleinen Problemen konnten wahrlich große werden. „Passt nur auf, dass eure Kinder sich nicht eines Tages hassen. Es wäre ja nicht das erste Mal. Meine Cousine jedenfalls wünscht mir den Tod – oder noch besser, man sollte mir meine Fruchtbarkeit nehmen, weil so eine schreckliche Frau keine Kinder in die Welt setzen sollte!“

„So etwas würde Takahashi niemandem wünschen. Er ist ein guter Junge!“ sagte Hinao leicht missgestimmt, kurz darauf sah sie traurig aus. „Bitte entschuldigt mich.“

Verwirrt verstummten sie und Keji blickte zwischen beiden hin und her. „Was war das denn? Das hat sie doch überhaupt nicht damit sagen wollen.“

„Nimmt sie dir das immer noch krumm, dass der elende Mistkerl dir nachstellt?“

„Ach, dem macht es noch Spaß, wie sie mich angeht. Das gibt ihm ordentlich einen Kick. Und es ist quasi die Strafe dafür, dass ich ihn ignoriere.“

„Ryochi hat mir da ganz andere Dinge erzählt.“

„Oh, please not.“ Sie hatte einen Ruf zu verlieren. Kein Wunder also, dass sie das nicht hören wollte.

„Ihr entschuldigt mich auch, oder? Jemand sollte nach ihr sehen. Am besten ich mache das. Ich kenn sie am besten“, sagte Yukiko und erhob sich vom Tisch. „Stellt nichts an“, lachte sie, woraufhin ihre Freundin sie leicht echauffiert ansah und Keji anfing zu Lachen. „Also ich bestimmt nicht.“ Kurz darauf bekam er einen leichten Ellenbogenhieb in die Seite und sagte theatralisch „Auhaaa~!“

„Behave yourself!“

„I know exactly what you thought. You wanted to run after them and spy on them.” Den Schluss flüsterte er nur.

„No, that's what Vermouth would do, you naughty boy”, meinte sie ebenfalls zurückflüsternd.

„But didn't you like naughty boys?” ärgerte er sie und grinste frech.

„Moderately! And not when we’re guests of strangers.”

„Is she really a stranger?“

„Hinao? For me not really. But for you, kid.“

„I’m not a kid anymore“, schmollte er. Daraufhin lachte seine Pflegemutter.

„No, that's exactly what you are!”

 

 

 

 

Zum Unterricht kamen sie das erste Mal zu spät und wurden gefragt, was denn mit ihnen los war. Takahashi hatte sowieso schlechte Laune, war gereizt und neigte dazu, über jeden verbal herzufallen, da kam es ihm gelegen, dass der Busfahrer ihnen beiden Gewalt angetan hatte, wie er völlig übertrieben ausdrückte. Toshizo sah traurig aus, denn die Lehrerin schien es erst nicht fassen zu können, aber er bestätigte es, ohne die Schläge zu beschwichtigen. Das machte man eben nicht, also durfte dieses Arschloch ruhig zur Verantwortung gezogen werden. Takahashis Mutter würde das alles andere als witzig finden, wenn man sie darüber informierte, dass jetzt schon Busfahrer sich an ihrem Sohn vergriffen, nicht bloß die Mitschüler. Dann bekam endlich mal der Richtige ab.

Natürlich reichten zwei Aussagen nicht. Zu ihrem Glück waren aber auch andere Mitschüler mit ihm Bus gewesen.

Shina und Ryochi zum Beispiel. Denen man mehr glaubte, als Rüpeln wie Kenji und seiner Clique, die behaupteten, Takahashi sei voll ausgeflippt, deswegen war er aus dem Bus geflogen.

Ryochi sagte dazu nur, dass sie ja auch alles darangesetzt hatten, dass er böse wurde. Sie hätten Toshizo versucht zu terrorisieren – was war schließlich falsch daran, ihm zu helfen? Kenji musste dafür nachsitzen – eine ziemlich milde Strafe für das Schandmaul, was man ihm endlich aberziehen sollte. Er fragte sich aber auch, was zwischen den Jungs vorgefallen war und bat jemanden um Hilfe, der ihnen eher Antworten liefern würde, als die Anderen.

„Ich mein das ernst, es muss etwas gewesen sein. Schlimm genug, dass sie damit prahlen ihn abfüllen zu wollen. Das machen keine Freunde! Aber das kann es jawohl nicht gewesen sein.“

Die Parallelschülerin senkte den Kopf, so als wäre sie nicht willig zu antworten.

„Kenji würde mich verprügeln, wenn ich dir alles erzähle“, sagte sie, dabei biss sie sich verzweifelt auf die Lippe.

„Ich behalt’s für mich. Vertrau mir.“

Die 17-jährige Kyomi Niihama aus Shinas Volleyball-Team sah ihn immens traurig an.

„Takahashi war gut dabei, würd ich meinen… Auf einmal hat er angefangen komisches Zeug zu plappern. Das war echt gruselig, da bin ich gegangen. Keine Ahnung, was die danach noch mit dem angestellt haben. Es war mir einfach nicht geheuer. Fünf Jungs, Alkohol und komisches Gerede war mir zu viel des Guten, verstehst du? Foltermethoden aus dem Mittelalter, meinte dein Cousin, die ziehen bei jedem Weib. Die Deppen haben ihn noch gefeiert für den Scheiß. Kenji am meisten, der hat noch gesagt, er hat Riku auch vergewaltigt. Sie hätte geflennt wie ein Schlosshund, als er sie durchstoßen hat. Würdest du da etwa bleiben? Also ich will meine Unschuld noch ein bisschen behalten. Am besten man hält sich ganz von denen fern. Ich mag mich echt nicht mit Kenji unterhalten. Frag am besten Satomi, die hat deinem Cousin eine runtergehauen und ihm gesagt, er kann gern auch noch mehr abkriegen, wenn er so frech wird.“

„Foltermethoden aus dem Mittelalter… Hat der sie überhaupt noch alle? Vor einem Jahr fand er noch schlimm, wie Japan mit Vergewaltigung umgeht.“

„Hat eher geklungen, als wollte er es mal ausprobieren. Da dachte ich: Nichts wie weg.“

„Danke für deine Ehrlichkeit. Kenji ist wohl langweilig. Er sollte sich besser auf die Schule konzentrieren.“

Aus irgendeinem Grund glaubte er, dass da noch mehr kommen würde. Leute wie Kenji und seine Clique brauchten immer einen Sündenbock, den sie für ihr eigenes Leid verantwortlich machen konnten. Toshizo musste echt verzweifelt gewesen sein, sich mit denen einzulassen. Wahrscheinlich stimmte es auch. Und er selbst hatte sich zu Anfang noch an Wataru gestört, einfach nur aus Gründen der Eifersucht, dabei war der noch der netteste aus Toshizos Freundeskreis. Jedenfalls bis er sich an Riina versucht hatte zu vergreifen. Was wunderte er sich? Sollte dieser Kerl etwa dabei zusehen, wie ein Freund sich an seine Schwester ranmachte und ihr zudem auch noch wehtat? Das machte kein anständiger Bruder. Hätten die das mit Hitomi gemacht, wäre er auch auf den Typen los.

Zu ihrem Glück wollte Sêiichî nichts mit Kenji zu tun haben, weil er ihn ein bisschen an frühere Zeiten erinnerte – daran, wie sein Bruder damals gewesen war. Obwohl er ein elender Macho war und prädestiniert dafür gewesen wäre, mit den Angebern abzuhängen, immerhin kam er gut bei Mädchen an. Aber kaum auszudenken, was los gewesen wäre, hätte er auch mit diesen Typen rumgehangen und mitgekriegt, was für einen Dünnschiss Takahashi abgegeben hatte, nur weil die Typen ihn ein bisschen abfüllten. Den hätte wenig gejuckt, ob er angetrunken, ein bisschen beschwipst oder total hackedicht war. Man machte keine Scherze über so etwas, da sah er rot. Sie konnten sich echt nicht noch mehr Ärger erlauben. Am Ende war Tak dann wieder das Opfer und sie die Bösen, die ihm böses wollten. Das hätte ihm ja noch gefehlt. Dass er und Sêiichî nicht miteinander zurechtkamen, war ja schließlich auch nur Sêiichîs alleinige Schuld. Es war eben nicht förderlich, dem heulenden Jungen zu sagen, er sei eine Memme, die sich nicht beschweren durfte, immerhin hatten sie ihn ja gerettet. Er sollte Yuichi nicht so viel Probleme machen und einfach mal stark sein – das war leichtfertig gesagt, wenn man nicht wusste, was dieser Kerl Sêiichî nicht alles angetan hatte. Sein Vater hatte die Nachbarn befragt und erfahren, dass es öfter vorkam, dass Sêiichî spät abends schrie wie am Spieß. Auch sollte er wohl mitten in der Nacht mal ausgerissen sein. Das tat kein Kind einfach so. Takeshi, der arme Kerl war ja total überfordert davon, auf seinen kleinen Bruder aufzupassen. Das rechtfertigte jawohl nicht, dass er ihn terrorisierte und ihm körperlich wehtat. Wenn man überfordert war, holte man sich Hilfe. Das hatte er nicht getan, sondern Sêiichî das Maul gestopft, indem er ihm Angst machte, dass er ihm das nächste Mal vielleicht den Kopf zu lange unter Wasser hielt. Das ging ja schon als Morddrohung durch.

Und Takahashi, mit süßen 13 sagte einfach: <“Bestimmt hat er ihm auch so die Ohren vollgeheult wie uns.“> Konnte er denn nicht einmal ein bisschen sensibel sein? Er wollte die Sirene eben aus machen. Selbst seine liebevolle Mutter war von den Sprüchen damals geschockt. Zugegeben, mit 12 war Sêiichî wirklich besonders aufmerksamkeitsfordernd gewesen und da fing er schon mal an zu heulen – nicht bloß ein bisschen, sondern richtig. Aber das war doch kein Wunder bei diesem Bruder. Er hatte seinem besten Freund die Brandnarben an den Händen gezeigt, er wusste also, wie gemein und brutal er zu ihm war. So weit er sich erinnerte, hatte Yuichi sich sogar Takahashi zur Brust genommen, weil er so viel Quark geredet hatte. Bis zu dem Vorfall zwischen Saki und Sêiichî war er zumindest erträglich gewesen und hatte sogar Yuichi gesagt, als Takeshi und seine Freunde Sêiichî gemeinsam verprügelten – einfach, weil er das feige und schwach fand – nicht unbedingt um nett zu sein, aber wer wusste das schon? Nicht, dass er ihn am Ende doch noch bedauert hatte. Beneidet sicher nicht. Sêiichî wäre bestimmt noch geschockt davon, dass er seine Hilfe ihm verdankt hatte. Aber dann wurde er wieder sensibel und das musste nun echt nicht sein. Dann ging er zu Takahashi, um sich für den alten Kram zu entschuldigen und heulte ihn wieder voll – der war dann wieder genervt. Also hielt man einfach die Klappe und war froh, wenn sie sich nicht prügelten.

 

 

 

 

 

 

Später Nachmittag:

 

Die zwei Mädchen saßen zusammen auf einer Bank und unterhielten sich.

„Was meinst du damit, Rii-chan?“ wollte Hiroko von ihrer Mannschaftskollegin wissen und blinzelte dann auch noch verwirrt.

„Na komm, sag bloß, dass ist dir nicht aufgefallen? Shiturō hat sich ganz merkwürdig verhalten und Saki auch. Hast du dich eigentlich nie gefragt, ob alles wahr ist, was sie so redet?“

„Ich komme immer noch nicht ganz mit. Was hast du denn gegen Saki? Hat sie dir was getan?“ fragte Hiroko verwirrt.

„Mhm…“ Riina schloss kurz die Augen und sammelte sich. „Na, findest du das etwa nicht suspekt, als sie vor einem Monat zu uns kam, um uns brühwarm zu erzählen, dass sie erpresst wurde? Und dann klettet sie sich genau an die Zwei. Und plötzlich ist dieser Kerl erträglich. Entweder sie lügt, oder sie hat so viel Angst vor denen, dass sie lieber ihre Freundin sein will. Trotzdem merkwürdig.“

„Saki hatte es noch nie mit der Wahrheit, aber ich glaube die Geschichte, die sie uns erzählt hat. Und womöglich spielt sie das Spiel: Der Feind in meinem Bett. Wer weiß, wie gemein sie sich rächen will?“

„Was schnattert ihr hier denn schon wieder?“ wurden sie jäh unterbrochen und zuckten zusammen, allerdings Hiroko mehr als Riina, als der Mannschaftskapitän sie ansprach.

„Gerade macht Saki gar nichts, außer das Bett im Krankenhaus hüten, klar!“

„Wieso Krankenhaus?!“ fragte Hiroko mit riesengroßen Augen. „Oh Gott, haben diese Typen ihr etwa etwas zuleide getan?“

„Sag mal, Hiro-kun… Kann es sein, dass mit dir was nicht stimmt? Andauernd erzählst du Riina irgendwas davon, wie schlimm sie sind. Bist du mit denen aneinander gerasselt?“

Shizuru betrat den Raum. „Oh, du Arme… Erst nehmen sie dir die Unschuld und dann lassen sie dich links liegen. Tja, so was passiert. Kenji hat mir alles erzählt.“

„Spinnst du?“ Während Hiroko aufsah, hatte Shizuru ein gemeines Lächeln im Gesicht.

„Nein, eher du. Kannst mit der Wahrheit nicht umgehen und musst andere schlechtmachen. Glaub ja nicht alles, was sie redet, Riina. Sie ist verhasst.“

„Ach? Das sagst ausgerechnet du? Und wieso ergreifst du hier jetzt Partei für Takahashi? Er ist doch jetzt dein Feind. Oder hast du deine Meinung schon wieder geändert?“

„Feind? Nein, so irre bin ich nicht. Und jetzt sag mir mal, Hiroko-chan, was war das mit Saki? Stimmt es wirklich, dass Takahashi sie bedroht hat, damit sie mit Toshizo schläft?“

„Ja, hat sie jedenfalls erzählt.“

„Man redet nicht über Leute, die gerade nicht da sind, Shizuru!“ fuhr Shina die Schwarzhaarige ein bisschen an.

„Ist mir egal, was du denkst. Es kann ja nicht jeder so ein verdammtes Engelchen sein. Und wisst ihr, Saki nimmt sich ganz schön wichtig. Die is‘ eingebildet für Zehn. So was knackt Tak am liebsten. Deswegen steht er auch so auf dich, Shina.“

„Das ist mir zu dumm!“

„Noch jemand, der die Wahrheit nicht verkraftet, hm?“

„Wir fahren gleich zum Spiel“, sagte die Anführerin mit dem Rücken zu ihnen, während sie bereits die Türklinke in der Hand hatte, sich aber nicht mehr zu ihnen umdrehte. „Konzentriert euch auf die Taktik fürs Spiel, statt über unsinniges Zeug nachzudenken und über andere zu lästern. Dann tut ihr wenigstens etwas Sinnvolles. Verstanden?“

„Oh, Captain hat gesprochen… Sonst noch was?“

„Nein, das war‘s erstmal.“ Kurz darauf knallte die Tür und Shizuru lachte. „Was hat die denn gebissen? Wo is‘ Akemi überhaupt? Darf sich wohl als Shinas Liebling alles rausnehmen, auch zu spät kommen.“

Hiroko seufzte. „Du bist ne echte Giftnatter, oder?“

„Findest du? Kehr mal vor der eigenen Tür. Du hast doch laut rumgeschrien, mein Ex und Toshizo sind schlimme Typen, um Riina zu warnen. Was glaubst du, warum Takahashi so sauer war? Kannst von Glück reden, gibt Schlimmeres als das, was er gemacht hat. Kenji war auf hundertachtzig, der hätte noch ganz anderes mit dir gemacht. Das nächste Mal halt einfach deinen vorlauten Schnabel. Dann passiert dir nichts.“

„Was hat Takahashi getan?“ fragte Riina jetzt Shizuru. „Mit Hiroko mein ich.“

„Nichts!“

„Genau das, was du glaubst, Riina. Deswegen ist es auch NICHTS.“

„Sei still, Shizuru…“

„Ich find‘s witzig. Vielleicht solltest du dich bei den zweien entschuldigen. Riina vor Toshizo zu warnen, war nicht gerade die nette Art. Und gleich im Anschluss kannst du Takahashi noch danke sagen, dass er dich mit den Typen nicht geteilt hat.“

„Komm, wir gehen. Die spinnt ja…“ Bevor Hiroko ihr noch anfing zu weinen, weil Shizu so ein Ekel war, nahm Riina sie an der Hand und zog sie raus.

„Tze“, meinte diese eingebildet. „Wahrheit tut immer weh.“

 

Kurz darauf stöhnte Riina und verließ mit ihrer Klassenkameradin die Umkleide. Sie gingen nach draußen, wo die Mannschaftsführerin mit Sêiichî und Ryochi wartete.

„Die is‘ echt das Allerletzte. Nicht mehr viel und ich geh der Göre an die Gurgel“, meinte Shina zu Sêiichî. „Wo sie hinkommt, verspritzt sie Gift! Das geht mir gehörig auf den Wecker.“

„Was hat sie gemacht?“

„Dummes Zeug geredet, wie üblich und dann wollte sie noch Hiroko einspannen, damit sie ihr irgendwas erzählt. Weil sie da so etwas gehört hat, weißt du. Als Hiro das nicht gemacht hat, ist sie fies geworden. Wir haben uns unterhalten, Hiroko hat einen Verdacht geäußert und ich musste Veto einlegen, aber dann kam Shizuru… Unglaublich. Mischt die sich einfach ins Gespräch ein, als sei sie der Nabel der Welt. Und hackt auch noch auf Jüngeren rum.“

„Wo bleibt Akemi, Shina? Wird langsam Zeit! Matsudaira hat sich auch noch nicht blicken lassen.“

„Mit Kōji beim Knutschen Zeit vergessen? Das vielleicht?“

„Hast du noch was anderes im Kopf, mhm?“ fragte Shina den Kopf schüttelnd.

„Sêiichî? Nicht wirklich. Knutschen und Sex everytime.“

„Danke, Ryo, hab dich auch lieb.“

„Gern geschehen.“

„Hey, wir sind startklar! Ist Akemi noch nicht da?“ wollte Riina wissen, daraufhin kamen Wataru und seine Freundin auf sie zu und Letztere zuckte die Schultern. „Shina weiß es auch nicht.“

„Wie, du weißt das nicht?“ war Riina schockiert.

„Naru ist aber auch noch nicht da. Ich glaube, ich gehe jetzt mal nach denen suchen.“

„Aber das kannst du doch jetzt nicht bringen! Du bist doch die Wichtigste hier“, meinte Riina. „Ich geh. Pass auf Hiroko solange auf!“ Diese wurde vor sich hergeschoben, direkt zu Shina. Das Mädchen hatte den Kopf tief gesenkt und wirkte ängstlich. Irgendetwas hatte sie doch.

„Okay, Rii-chan. Aber wenn du sie nicht findest, gleich wiederkommen, ja?“

„Jap. Bis gleich!“ Dann rannte sie los und Shina wendete sich mit einem Lächeln an Hiroko.

„Willst du reden? Dann gehen wir eine Runde…“

„Nein, wieso?“

„Ich glaube, du hast etwas auf dem Herzen.“

„Ach, schon gut.“ Der Kopf wurde zur Seite gedreht und Shina fühlte sich noch mehr beunruhigt.

„Ganz sicher?“ Sie nahm ihre Hand und zog sie ein bisschen abseits der anderen. „Ich beiß doch nicht.  Da war nur etwas, was ich dich gern fragen würde.“

„Na gut.“ Daraufhin gingen beide zu einer Wiese und setzten sich gegen einen Baum gelehnt ins Gras.

„Wovon hat Shizuru gesprochen? Was ist passiert? Mir kannst du es sagen. Ich rede auch mit sonst keinem darüber, versprochen.“

Das Mädchen zog die Beine an den Körper und bettete den Kopf darauf. „Wenigstens weiß ich jetzt, wieso ich‘s verdient hatte… Was ist er bloß für ein Arschloch?“ Ihr Kopf sank immer tiefer zwischen die Knie.

„Du hast Toshizo wirklich bei Riina schlecht gemacht?“

„Was denn? Ich musste sie doch vor denen warnen. Die machen immer alles zusammen und so wie Takahashi sich immer aufführt, muss man ja vom schlimmsten ausgehen, auch dass er seinem besten Freund hilft, sie zu vergewaltigen.“

„Du weißt aber schon, dass das harte Anschuldigungen sind, oder?“

„Na und? Besser sie ist vorgewarnt. Die haben echt bewiesen, dass sie so sind.“ Dennoch war ihr Gesicht traurig und Shina kam es vor, als wenn durchaus ein schlechtes Gewissen mitspielte.

„Das ist aber kein Grund eklig zu dir zu sein. Wie weit sind sie gegangen?“

„Ich will nicht drüber reden.“

„Wieso nicht?“ fragte Shina. „War es so schlimm?“

Hiroko schüttelte den Kopf – wissend, dass ihr noch schlimmere Dinge hätten passieren können. Dennoch war die Demütigung und die Schmach noch riesengroß. Kein Wunder also, dass ihr die Tränen kamen und sie den Kopf auf den Schoß drückte, um zu schluchzen.

Kurz darauf hörten sie, wie jemand zu ihnen gerannt kam und schwer atmend vor ihnen stehen blieb.

„Gott, noch rechtzeitig! Hier bin ich!“ sagte die Braunhaarige und ihre beste Freundin sah auf.

„Sehr schlechtes Timing, Mi-chan“, meinte Shina, legte die Hand um Hirokos Schulter und versuchte ihr Trost zu spenden.

Akemi setzte sich neben sie. „Was hat sie?“

„Shizuru war eklig zu ihr“, meinte sie – auch wenn es nicht alles war, was nicht stimmte.

„Ist wohl ziemlich frustriert, nachdem sie von heute auf morgen abgeschossen wurde. Nimm es dir nicht so zu Herzen, Hiroko-chan“, sagte Akemi aufmunternd und strich ihr über den Kopf, wie einer kleinen Schwester. Kein Wunder, schließlich hatte sie ja selbst eine.

„Ich hab was Blödes gemacht und deswegen zweifelt Riina an mir nun.“

„Wieso denn Riina?“ hinterfragte Akemi jetzt und Hiroko sah verheult auf.

„Ich hab Riina gesagt, dass Toshi genauso furchtbar ist wie Takahashi! Deswegen wollte sie nichts von ihm wissen. Dann hat sein Scheißfreund mir eine Lektion erteilt.“

„Was hat er gemacht?“

Sie zitterte und sah verzweifelt ins Gesicht der Dunkelbraunhaarigen. „Kenji und sein Anhang haben mich verschleppt… Dann hat Takahashi das Ruder übernommen.“

„Was zum…“

„Na, haltet ihr Maulaffenfeil?“

„Shizuru, das geht dich gar nichts an“, konterte Akemi angriffslustig und Shina stand auf.

„Mir reicht es! Ich werde Matsudaira darum bitten, dich heute nicht spielen zu lassen.“

„Was soll der Scheiß denn? Was hab ich verbrochen?“

„Ach, ich denke, das weißt du genau!“

„Du meinst wohl, weil du der Mannschaftskapitän bist, kannst du mich einfach aussortieren, wie? Ich glaub, dir geht’s zu gut.“

„Nein, dir geht’s zu gut, vor einem Spiel die Jüngsten zu ärgern. Ich finde eben, das muss jetzt Konsequenzen haben, zum Wohl des Teams.“

„Das ist was ganz Persönliches und hat mit dem Spiel überhaupt nichts zu tun, Shina-chan!“

„Nenn mich nicht Shina-chan!“ Sie fauchten einander an, als wenig später die Trainerin aufkreuzte und in die Hände klatschte.

„Wenn ihr mit genau diesem Nachdruck aufs Spielfeld geht, habt ihr praktisch schon gewonnen. Hebt euch das für’s Spiel auf.“

„Matsudaira-san… Shizuru-san hat Hiroko schikaniert. Ich finde eine Sanktion angebracht. Vor so einem wichtigen Spiel. Das macht man doch nicht!“

„Und wer soll stattdessen aufs Feld?“

„Miyako.“

„Wie bitte?“ war Shizuru schockiert. „Die Unerfahrenste? Bist du irre?“

„Ja, dann können Riina und sie wunderschön zusammenspielen.“ Rache war ja bekanntlich süß.

„Einverstanden. Aber nur die erste Hälfte und nur solange es nicht eng wird.“

„Gut.“

„Das können Sie doch nicht machen!“ Shizuru rannte der zum Bus gehenden Frau hinterher, war sehr aufgewühlt und verzweifelt, während Shina zufrieden lächelte. Das hatte sie davon.

Kurz vor dem Einstieg, grinste Matsudaira und flüsterte der 17-jährigen etwas zu: „Keine Bange. Miyako vergeigt es sowieso. Du bist schneller auf dem Platz, als du schauen kannst. Und ich mache das nur, damit sie mir vertraut.“

Shizuru beruhigte sich in Windeseile, warf Shina noch einen bitterbösen Blick zu, drehte dann den Kopf eingebildet zur Seite und sprang in den Bus, nur um sich jenseits von allen ganz nach hinten zu setzen. Die wichtigsten Leute würden zu ihr nach hinten kommen. So hatte sie wenigstens ihre Ruhe. Mussten die immer so zusammenhalten?

„So, dann wollen wir mal, was Hiro-chan?“

Diese nickte und lächelte dankbar, immerhin hatte sie Trost gehabt und wischte sich jetzt auch ganz tapfer die Tränen weg.

 

Im Bus hatten sich die Jüngsten zu den Älteren herumgedreht, auch wenn es hieß, dass sie besonders ungezogen mit den Knien zur Lehne saßen.

„Also, kannst du mir das erklären, Shina-san? Ich versteh nicht so ganz, wieso wir am Anfang vorne stehen sollen. Was genau denkt sich Sêiichî dabei?“

„Warum fragst du das deinen Freund denn nicht selbst, mhm?“ konterte die Hellbraunhaarige der Schwester von Wataru, woraufhin Akemi ihr in die Seite stupste. „Na hör mal. Sie will doch nicht als Dummchen vor ihm dastehen. Erklär du’s ihr, Yûmikô-san.“

„Hey, wir spielen gegen mein altes Team, die kennen wohl jeden Trick, den ich aufwenden könnte und sie haben große, angriffsstarke Spielerinnen, die gleich zu Anfang das Netz einnehmen.  Sie rechnen also fest damit, dass wir auch gleich die Stärksten nach vorne bringen. Das Problem daran ist, dass ihr unerfahren seid und sie euch leicht überrennen können, deswegen dreht Sêiichî eben den Spieß um. Er überlässt uns die harten Brocken und ihr macht den Angriff.“

„Riina ist groß, die kriegt das sicher hin, aber wir? Also ich weiß nicht, ob ich das so gut finden will“, seufzte Miyako.

„Ach was, man muss sich nur trauen.“

„Ja, aber der Angriff wird zu schwach, ihr Nasen. Shina muss mir ja aus persönlichen Gründen dumm kommen – ich könnte sie bestimmt sehr gut unterstützen, immerhin habe ich viel mehr Erfahrung – und guck dir doch Miya an, die macht sich vor Angst wohl ins Höschen“, meinte Shizuru.

„Man bist du eingebildet… Dann sind sie eben unerfahren, aber du wirst sehen, dass du auch bloß Mittelklasse bist.“

„Was hast du da gesagt, Akemi? Ich bin was?“

„Hätte jetzt nicht sein müssen“, flüsterte Yûmikô, aber offenbar kam das Team mit der kleinen arroganten Prinzessin nicht mehr zurecht, daher kam es vermehrt zu Streit.

„Riina und ihr Anhang sollen also erfahrene Abwehrmechanismen überwinden. Na, ich sag mal viel Spaß. Wir werden mindestens drei Punkte einbüßen, bis sie endlich hinten sind, wo sie hingehören“, regte sich Shizuru tierisch auf und fragte sich, warum Sêiichî eigentlich der Lakai für ihre Trainerin sein wollte und ihr diesen Quatsch nicht ausredete, den Shina in ihrem Dickschädel hatte.

„Sêiichî will auch nur sein Püppchen zum Star machen – als wüsste ich das nicht.“

„Klar, Starposition ist ja auch deine, wie?“ fragte Akemi angriffslustig. „Meinst du im Ernst, dass Takahashi dich wieder anguckt, wenn du Shina aus dem Team mobbst und dann ihre Position spielst? Der kommt ja postwendend zu keinem unserer Spiele mehr – was juckt den Volleyball? Der geht lieber mit Ryo und Toshi Basketball spielen.“

„Das hat überhaupt nichts mit ihm zu tun“, entgegnete Shizuru giftig und Akemi grinste überlegen. „Ja, klar, natürlich. Hast ja auch voll gar nicht überreagiert, als Saki in unsere Klasse kam und plötzlich Prinzessin spielen wollte. Ist ja dein Job.“

Von hinten prustete nun Naru los. „Weil Takahashi ja auf Prinzessinnen mit Rüschen und so was steht, gell? Ihr seid ja so drollig.“

„Was hast du denn zu melden? Willst ja freiwillig deine Position einem Newbie überlassen!“

„Wie sollen sie sonst was lernen, wenn wir sie nie lassen?“ erwiderte Naru nüchtern, ohne auch nur ansatzweise auf den Angriff einzugehen.

Schließlich erhob sich Sêiichî vom Platz und ging nach hinten, um nach dem Rechten zu sehen.

„Worüber regt ihr euch so auf?“ fragte er, direkt an Shizuru gewendet.

„Ich find’s voll unfair. Ich bin eine gute Spielerin. Und mich sollen Leute ersetzen, die nichts draufhaben.“

„Nichts? Also jetzt schnappst du wohl über, wie?“ ärgerte sich Shina.

„Halt du doch die Klappe, du bist natürlich auf Riinas Seite!“

„Was soll das heißen?“

„Na, ist die Schwester von Wataru, deinem besten Freund! Was denn sonst?“

„Du suchst es dir auch aus, wie du gerade willst, oder? Wenn das so ist, was hat das denn dann mit Miyako und Hiroko zu tun? Die spielen immerhin mit Riina in der gleichen Reihe. Sind die vielleicht auch die Schwestern von Shinas engen Freunden?“

„Das tut sie doch bloß, um mich fertig zu machen!“

Es war so weit, die Dramaqueen drückte auf die Tränendrüse und wischte sich die Tränen, die sie fließen ließ, aus dem Gesicht.

„Ihr seid alle so fies zu mir, weil ich gut ankomme.“

Sêiichî verdrehte die Augen und sagte dann: „Also, um ehrlich zu sein, solltest du dir überlegen, ob Volleyball echt das Richtige für dich ist, wenn dich das alles schon so trifft. Im Volleyball wird man eben ausgetauscht, und zwar ganz schnell. Mach doch lieber Einzelsport, wenn dir das mehr liegt.“

„So was muss ich mir nicht von einem Stümper sagen lassen!“ meinte sie, stand auf und rannte direkt nach vorne zur Lehrerin, um die auch noch anzuschnauzen, weil sie Sêiichî viel zu viel traute. Was wusste so ein Macho schon von einem Mädchensport?

„Matsudaira-san! Ich finde, Sie hören viel zu sehr auf Iwamoto-kun! Warum glauben Sie, er sei geeignet, Entscheidungen zu treffen? Wir sind gleich alt! Ich lass mir vor gleichaltrigen doch nichts vorschreiben!“

„Shizuru-chan, das habe ich dir doch schon erklärt“, seufzte die Trainerin leicht entnervt. „Bitte setz dich wieder hin.“

„Du hast wohl noch nie Volleyball angeschaut. Du praktizierst es zwar, aber ansonsten weißt du nicht das Geringste“, mischte sich Ryochi ein. „Ich möchte wetten, Sêiichî hat mehr Spiele gesehen und praktiziert als du. Außerdem war er Mannschaftskapitän unseres Teams. Bist du jetzt schockiert?“

„Pack jetzt nicht wieder diese alte Story aus, die hängt mir zum Hals raus!“ sagte Sêiichî.

„Ist mir völlig egal, wie viele Spiele er gespielt hat. Was zählt ist, wie viele sie unter seiner Führung auch gewonnen haben!“ Dann streckte die Schwarzhaarige ihm frech die Zunge raus.

„Genügend“, meinte Ryochi. „So viele, dass auch das Jungs-Team von Nagoya ihn wollte.“

„Ryo, lass gut sein. Sie will mich nicht mögen, lass sie eben.“

„Schluss jetzt! Ihr alle! Meine Entscheidung steht fest. Er legt die Taktik mit Shina aus, basta!“

„Aber, das ist reine Schikane! Hat er Sie etwa um den Finger gewickelt?“

„Ja, genau, ich bin so schlimm, dass ich mit der Lehrerin anbändle.“

Man hörte das leicht Verletzte aus Sêiichîs Stimme, dabei hatte er so etwas überhaupt nicht nötig, zu tun. Egal, ob er sich für ältere Frauen interessierte, man musste ihm hier nicht gleich so etwas unterstellen.

„Geben Sie es zu, sie finden ihn besonders schnuckelig!“

„Shizuru, du gehst zu weit, du redest mit unserer Trainerin! Nimm dich gefälligst mal etwas zusammen“, rief Naru ihr durch den gesamten Bus zu und stand dann auf, um sie am Handgelenk zu nehmen und sie nach hinten zu zerren. „Setz dich hin und halt endlich mal deine dumme Klappe!“

„Also Naru!“, tat Miyako schockiert, aber Riina zuckte nur mit den Schultern. Ihre beste Freundin war nicht auf den Mund gefallen, noch nie.

„Nichts, also Naru! Mach der armen Shina nicht immer das Leben schwer, nur weil dein Ex in sie verknallt ist!“

„Ey, spinnst du? Du tust mir weh!“

Shizuru wurde ziemlich grob und schroff auf den Sitz befördert und böse angesehen.

„Ich kann noch ganz andere Seiten aufziehen! Ich kenne deinen Vater! Was wird der sagen, wenn er erfährt, wie ungezogen sich seine Tochter hier aufführt?!“

„Was? So was würdest du mir echt antun? Was bist du denn für ein Biest?“

„Oh man, ich sehe hier nur ein Biest und das heißt Shizuru“, äußerte sich Ryochi dazu, er konnte sie wirklich kein Stück leiden. Was hatte Takahashi auch noch laut rumgeschrien, Shina sei hübscher und vor allem viel intelligenter als sie. Seitdem hatte Shizuru ein ausgewachsenes Egoproblem.

„Willst du jetzt auch auf mir rumhacken?“

„Na, vielleicht lernst du dann, was du mit anderen immer so machst“, sagte Ryochi ein bisschen mitleidslos. „Ich kann Mobbing nicht ausstehen. Und ich werde nicht den Mund halten, schon gar nicht vor dir.“

„Eigene Medizin schmeckt eben nicht“, sagte Akemi und lächelte in die Runde. „Aber gerecht ist es trotzdem. Sei einfach friedlich, dann kann dich auch endlich mal einer wirklich leiden und sieht dich nicht nur als Mittel zum Zweck.“

„Was sagst du da?“ Vielleicht war Akemi zu weit gegangen, indem sie diese Ungeheuerlichkeit aussprach. Shizuru war hübsch und ihre Familie hatte jede Menge Geld, die meisten Mädchen waren gern mit ihr befreundet, und zwar nur deswegen und nicht wegen ihres Charakters. Auch die Jungs mochten sie nicht, weil sie so nett und liebenswert war, sondern sie war gut zum Angeben.

Mit den aufgekratzten Gemütern würden sie ganz bestimmt ganz toll spielen, dachte sich Naru. Ja, sie war mega verärgert deswegen. Wenn es nach ihr ginge, sollte man jeden rausschmeißen, der keinen Mannschaftsgeist hatte, sondern nur auf den eigenen Erfolg aus war. Was juckte Shizuru überhaupt das Team? Die Hälfte würde sie am liebsten loswerden, selbst wenn sie dann nur noch halb so stark wären.  War es nicht eigentlich nicht ganz schön anstrengend immer so bösartig zu sein?

 

Die Halle war gut gefüllt, da hatten die Jungs kaum die Chance noch einen Sitzplatz zu bekommen, also standen sie anderen Leuten im Blickfeld. Da kam es wie es kommen musste, ein Mann im mittleren Alter rief den Beiden zu, sie mögen doch ein bisschen zur Seite gehen…

Takahashi drehte sich herum. „Entschuldigung“, meinte er beim Herumdrehen. „Es ist sehr voll.“

„Sieh mal einer an. Das ist ja eine Überraschung.“

„Was?“ wollte er von dem schwarzhaarigen Mann wissen. Auch seine Frau neben ihm blickte ihn fragend an. „Kennst du sie etwa?“

„Oh ja. Das sind zwei der Jungs, mit denen Shizuka sich rumgetrieben hat.“ Der Mann lachte amüsiert.

„Hab ich gar nicht“, gab Toshizo schmollend von sich. Wenn jemand sich mit dem Mädel rumgetrieben hatte, dann war das Sêiichî.

„Ich kenn dich sehr gut.“ Unter seinem Pony lugten schelmisch aufblitzende Augen empor ins Gesicht des Dunkelbraunhaarigen.

„Bedauerlich“, seufzte Takahashi ironisch und wollte sich schon herumdrehen, als der Gute seine Frau mit dem Schoß etwas zur Seite schob und neben sich auf den Platz klopfte. „Setz dich doch zu uns, Junge.“

„Cool!“ Toshizo war ziemlich schnell darin, sich einfach hinzusetzen, was Takahashi nur einen leichten Schweißtropfen die Wange runterrinnen ließ.

„Das sind Otakés Eltern. Sag bloß du erinnerst dich nicht?“

„Ich glaub, ich will mich nicht erinnern.“ Takahashi drehte sich herum und schaute zum Volleyballfeld.

„Was hat er denn?“ wollte die Frau wissen und der 46-jährige lachte leicht amüsiert über das Benehmen. „So ist das eben, er ist auf Yûmikôs Niveau“, flüsterte er. „Bestimmt fühlt er sich jetzt wieder belästigt…“

Erschrocken drehte sich der Junge wieder herum, um den Mann widerspenstig anzublicken. „Tue ich gar nicht, ich möchte nur das Spiel sehen, Sensei.“

„Oh, der Herr möchte sich jetzt doch erinnern, wer ich bin.“ Er blickte zur Seite, wo eine weitere männliche Person auf sie zusteuerte und ihnen wank. Als er Takahashi sah, bemerkte man leichte Anspannung.

„Würde es dir was ausmachen zu stehen, Yus(u)?“ fragte der Mann.

„Warum?“

„Schau mal, das sind Tak und Tosh, wie Leena sie nannte!“ verkündete er.

„Ja, ich weiß“, seufzte Yûsuke, nickte einmal höflich, stellte sich neben Takahashi und wies ihm an, sich zu seinem Vater zu setzen. „Nur zu, Vater will es so.“ Was sein Vater wollte, war Gesetz, wie in den meisten Familien, dabei war er noch recht locker für das, was er beruflich machte. „Aber Toshi hat sich doch schon vorgedrängelt“, lachte der Braunhaarige, weiterhin versuchend sich zu drücken.

„Oh, tut mir leid.“

Toshizo stand auf und schnellte nach vorne zu Yûsuke. „Jetzt setz dich schon hin. Mach schon!“

Der 18-jährige gab sich geschlagen und setzte sich neben den Mann. Dieser legte kameradschaftlich den Arm um ihn. „Was macht die Schule? Ich habe gehört, du gehst jetzt auf eine Eliteschule.“

„Ja, Toshi auch.“

„Oh. Wirklich?“ Der Schwarzhaarige sah auf, Toshizo hörte ihn zwar, ignorierte es aber. ‚Ja, ich weiß, ich bin nicht so schlau. Reib’s mir doch noch mehr unter die Nase, alter Mann!‘

„Ja, er war da sogar vor mir“, verriet Takahashi. „Sein Vater hat ihn da angemeldet.“

„Beziehungen also. Kommt er dort denn überhaupt zurecht?“

„Er hat mich.“

‚Danke, Tak. Ohne dich wär ich ja auch aufgeschmissen. Mit Idioten wie Kenji um mich rum lande ich auf der Straße, weil Vater mich rauswerfen würde, wenn ich zu lange mit denen rumhänge.‘

„Das Leid der Normalen“, flüsterte Yûsuke.  „Ist es nicht so?“

„Schon.“

„Hast du etwas gesagt, Sohn?“ fragte der Mann und der Angesprochene schüttelte den Kopf.

„Also, erzähl, Takahashi. Wird die Schule ihrem Ruf gerecht?“

„Kann man so sagen. Es gibt fortgeschrittenen Kurse ohne Ende. Man entscheidet sich praktisch schon vor dem Abschluss, wie es später weitergehen soll.“

„Das heißt, du weißt schon, was du machen wirst?“

„Vielleicht.“ Das ging den Mann doch gar nichts an, aber er schien sich wirklich sehr für ihn zu interessieren.

„Die Empfehlung für die Keio hast du doch schon.“

„Das ist doch die totale Angeber-Uni“, sagte er frech, aber der Mann lachte nur. „Und du willst ja kein Angeber sein.“

„Ne, dann würde er Sêiichî heißen“, mischte sich Toshizo ein.

„Na sein Glück, dass er das nicht tut“, zischte auch Yûsuke.

„Was sind das denn für Töne, Yus?“

„Ach, du weißt doch, dass er dem Jungen krummnimmt, dass er seine Freundin betrogen hat.“

Takahashi könnte es richtigstellen, aber er hielt die Klappe, das würde nicht gut ausgehen. Er war leider zu schlau, um sich auch noch einen Dozenten zum Feind zu machen. Für den Mann stand schon fest, dass er studieren würde. Alles andere hätte ihn bestimmt schockiert.

„Aber du fühlst dich jetzt gut aufgehoben auf dieser Schule, oder? Bestimmt hast du jetzt mehr Freunde. Auf die Teitan gehen nur überdurchschnittliche Schüler.“ Ja, bis auf Toshizo und Sêiichî. Bestimmt lag es ihm auf der Zunge. Sie hatten aber trotzdem den Aufnahmetest bestanden, also konnten sie kaum so dumm sein, wie man von ihnen dachte.

„Was meinten Sie, als Sie sagten, Yumi und Tak sind auf demselben Niveau?“ fragte Toshizo, der wohl ganz schön gute Ohren hatte, um sein Flüstern mitzubekommen.

„Das musst du mir auch erklären, Liebling.“ Schließlich gab es fast niemanden, der an ihr Kind heranreichte, sie war nicht umsonst auf das Nagoya Mädcheninternat gegangen und hatte sich nebenbei in einem Elite-Volleyballclub beliebt gemacht.

„Na, er hatte im Intelligenztest die volle Punktzahl und das in relativ kurzer Zeit. Genauso wie unsere Tochter. Ich habe seiner Mutter damals dazu geraten, ihren intelligenten Sohn zu beschäftigen, damit er nicht auf dumme Gedanken kommt, weil er sich so fürchterlich langweilt.“

„Soll das heißen, die Sasaki sei für Dumme?“ fragte Takahashi angriffslustig, immerhin waren auch die Akajas auf diese Schule gegangen und von denen war keiner dumm.

„Nein, aber die Teitan ist definitiv die bessere Wahl. Das sind die meisten Privatschulen in Tokyo. Auf dem Land glauben Sie immer noch, dass Prügel Kinder zum Lernen animiert. Diese veralteten Erziehungsmethoden sind mir zuwider.“

„Ach, auf der Teitan gibt es auch einen Satz heiße Ohren, wenn wir uns nicht diszipliniert benehmen“, sagte Takahashi.

„Mach keinen Ärger! Beschäftige dich besser mit sinnvollen Dingen.“

„Ich prügle mich nur, wenn die Leute mich angreifen!“ behauptete der Braunhaarige und wurde direkt stolz angelächelt. „Da kann deine Mutter ja endlich aufatmen.“

„Ich war nie schuld, wenn es gekracht hat!“

„Das weiß ich doch.“

Die 45-jährige bemerkte sehr schnell, dass der Junge schnell in Fahrt zu bringen war, eine nicht gern gesehene Eigenschaft, die man ihrem Mann allerdings auch abgewöhnen musste. Er war in jungen Jahren auch viel zu aufbrausend gewesen.

„Hallo!“ rief ein rothaariges Mädchen wild winkend und rannte auf sie zu. Ganz zum Leidwesen aller Menschen, die sich sofort gestört fühlten.

„Das nächste wilde Kind“, lachte ihre Mutter.

„Was macht ihr denn hier?“ wollte sie von Takahashi wissen. „Sitzt du etwa auf meinem Platz?“

„Kann sein, aber auf meinen Schoß ist auch noch Platz.“

„Schämen solltest du dich!“ meinte Leena und wedelte mit dem Finger.

„Was? Saki-chan würde das Angebot annehmen… Also jedenfalls die Saki, die wir so kennengelernt haben.“

Der Dozent bemerkte den leichten Schweißausbruch, als hätte der Junge gerade total frech gelogen, allerdings passte das nicht zu seinem Wesen. Er konnte lügen, ohne rot zu werden.

„Ach Saki, der Störenfried“, meinte der Schwarzhaarige. „Kein Beispiel dran nehmen, Leena-chan.“

„Aber sie ist begabt!“ sagte Leena, was klar ein Widerspruch zu der Aussage war.

„In Kunst und Musik, der Rest leidet, weil die Dame keine Lust dazu hat. Damit schadet sie sich. Man muss in allem versuchen sein Bestes zu geben.“

„Ja, Papa. Und es wäre sehr ungezogen, wenn ich auf deinem Schoß  sitze.“

„Also wirklich“, sagte Toshizo, dabei war er auch nicht ohne, was das anging.

„Wie war das?“

„Weil ich ein Gentleman bin“, sagte der Braunhaarige, stand auf und deutete ihr den Platz. „Eine Dame sollte nicht stehen.“

„Oh, eine Dame.“  Leena fühlte sich geehrt, sie war eben jung und naiv.

„Schaut mal. Das ist ja eine ganze Horde Paparazzi!“ deutete Leena an, als sie die Kameramänner in den Ecken entdeckte und auch einige Reporter, die sie schon von früher kannte.

„Tja, kaum ist nen Star auf unserer Schule, rennen die uns die Bude ein. Ist ja auch gar nicht der Fall, dass Shina und Naru auch gut sind, oder Akemi, die sie immer unterstützt!“

„Oh, wer von den Mädchen ist dein Schätzchen?“ fragte der 46-jährige lachend.

„Also Takeru!“ amüsierte sich auch seine Frau, die eher als strenge Lehrerin bekannt war, aber sie waren gerade keine Lehrer, sondern zum Spaß hier.

„Mein Schätzchen? Habe ich nicht vorzuweisen.“

„Was? Dann sind die Mädchen wohl blind“, sagte die Lehrerin bedauernd.

„Tja, so ist das Leben.“ Er wirkte nicht im direkten Sinne traurig, kein Wunder, er beherrschte es perfekt, es zu verbergen wie alle Japaner.

„Ja, die Mädels sind total doof. Tak ist der Beste.“

„Man, Toshi hat sich ja auch nicht verändert“, sagte der Dozent zu seiner Frau und lächelte. „Haben schon damals zusammengehangen, obwohl ich sie trennen wollte.“

‚Kein Wunder, dass er so getan hat, als würde er sie nicht kennen‘, dachte Toshizo, der sich auch ungern von seinem besten Freund trennen lassen würde.

„Hey, er ist praktisch meine bessere Hälfte, von dem trennt mich keiner! Ich glaube, ich würde mich für ihn entscheiden, wenn meine Freundin ein Problem mit ihm hätte. Da würde ich ja eher sie abschießen.“

„Bei Shina würdest du das nicht können“, ärgerte ihn Toshizo, aber sein bester Freund sah ihn nur ernst an: „Die würde nicht verlangen, dass ich mich von dir trenne, Witzbold.“

„Das klang mächtig schwul. Bei den langen Haaren würde ich mich vorsichtiger ausdrücken“, äußerte sich Yûsuke leicht spitzbübisch dazu.

„Von einem wie dir erwarte ich, dass du dich zurückhältst. Wer weiß, welche Geheimnisse ich sonst so ausplaudern könnte, was Yus?!“

Takahashi war zu neugierig, daher wusste er viele Dinge, mit denen er anderen schaden könnte.

„Für einen 18-jährigen bist du ganz schön frech!“

„Ach? Wolltest du nicht sagen, für einen 18-jährigen Psycho, mhm, mhm?“ Er provozierte ihn klar und sein Vater fand das mehr als bedrohlich.

„Es reicht, Yûsuke!“

„Was willst du, Vater? Er ist der Junge, der einen seiner Mitschüler fast totgeschlagen hätte!“

„Hättest du an meiner Stelle auch und das ganz ohne psycho zu sein.“ Es war eine glatte Frechheit, dass Yûsuke das anführte, immerhin wäre es ihm doch recht gewesen, wenn er den kleinen Spinner aus ihrer aller Leben entfernte.

Das Abscheuliche an Japan war, dass man mit eigenem Willen sehr schnell unter der Masse auffiel und nicht gern gesehen war, wie der Professor der Keio-Daigaku einem wieder einem verdeutlichte. Es lag klar auf der Hand, wieso Saki kein Umgang für sie war. Oder sein sollte. Sie hatte ihren eigenen Kopf und stellte die Regeln der anderen in Frage. Sie hatte ihren eigenen Kopf. Wenn sie ein Thema nicht interessierte, dann war sie nicht motiviert. Es gab Dinge, die wollte sie auch gar nicht lernen. Regeln der Gesellschaft waren dafür da, um gebrochen zu werden. Bestimmt hatte Toshis Vater eine ähnliche Meinung über sie, immerhin hielt er sich strikt an Gesetze. Die engstirnige, folgsame Gesellschaft beneidete die Sturköpfe am Ende noch dafür, weil sie selbst sich gar nicht trauten, sie selbst zu sein. Ihm gefiel es, wenn jemand sich durchsetzte und seinen eigenen Weg ging. Toshizo war weit davon entfernt, das zu tun, was er wollte. Er würde so ein schmieriger Geschäftsmann werden. Wenn nicht Marketing, dann eben Betriebswirtschaft und das ganz ohne Interesse daran. Vielleicht besaß er Hoffnung, dass die Zeit blieb, um etwas Eigenes zu schaffen. Dass sein Vater lange genug lebte, dass er sich etwas aufbauen konnte, ehe er die Firma und all das Geld erbte. Die Hoffnung starb ja zuletzt. Aber ihm schien, Toshizo hatte nicht wirklich Träume. Wie einsam. Sein Vater hatte ihm eben versäumt beizubringen, wie man sich zu einem eigenständigen Menschen entwickelte, weil er das ja gar nicht wollte, er wollte einen artigen, folgsamen Sohn, wie die meisten Japaner. Wie grotesk, dass ausgerechnet er es war, der angeblich nichts mehr liebte, als andere herumzukommandieren. Willenlose, abgestumpfte Handlanger, wie alle Psychopathen sie sich heranzogen. Jetzt war er der Einzige, den interessierte, dass Toshizo das tat, was er wollte, nicht das, was andere wollten. Er würde ganz bestimmt nicht alles dafür tun, um der kaputten Gesellschaft zu gefallen, die fand er viel zu dämlich.

Nichtsdestotrotz war er ihm lieb und teuer. Und er würde ihm beistehen, auch darin eigene Entscheidungen zu treffen. Bestimmt würde man ihm nachsagen, er steuere seinen Willen, denn er war ja ein Kind mit manipulativem Verhalten, wie sie behaupteten, weil es so gut zu seinem erhöhten „Score“ passte. Dass ihm Toshi auch nur wichtig war, bezweifelten sie. Ihm war nichts wirklich wichtig, was mit anderen zu tun hatte, nur sein eigenes Wohl. Menschen waren ja nur zum Benutzen da. Sogar seine Mama wurde nur von ihm manipuliert, sagten sie, sie solle den liebevollen Kinderaugen nicht alles glauben. Weil sie ihn beschützen wollte, vor den bösen Menschen, die ihn verurteilten, weil er ‚anders‘ war. Er hatte sie nicht lieb, wie er behauptete, auch das nannten sie reine Manipulation. Er musste wohl wissen, ob er sie liebhatte oder nicht. Sie wussten es ja besser, was in ihm vor sich ging. Auch einen besten Freund traute man ihm nicht zu. Ob er für sie sterben würde, beantwortet er mit zwölf einfach ohne mit der Wimper zu zucken, und leider mit den falschen Worten. <“Ich würde es verhindern und dabei sicher nicht draufgehen. Selbst, wenn ich morden müsste. Ich würde es tun, um ihn zu beschützen.“> War das wirklich so schlecht? Ganz klar ja, denn Mord war ein Verbrechen und er fürchtete sich nicht es zu begehen. Das, was zwischen den Zeilen stand, ging neben dieser Info unter, dabei war es wichtig. Er würde jemanden ermorden, der seinen Leuten böses wollte, für jemanden, den er gernhatte, würde er so weit gehen. Wie gern? Seine Mutter war seine Mutter, ihr hatte er alles zu verdanken. Toshi gehörte zu ihm, er war ihm wichtig. War das schon egoistisch? Die Experten sagten ja, weil sie keine Kompromisse eingehen wollten.

 

Yûsuke vertrat sich die Beine nach Takahashis Drohung, er könnte seinen Eltern Dinge über ihn erzählen. Er fand es ja irgendwie witzig, dass er einen 25-jährigen einschüchtern konnte.  Bestimmt hatte sein Vater ihn aufgeklärt, wie es um den 17-jährigen stand. Er spürte klare Antipathie bei ihm, aber auch bei sich selbst. Takahashi mochte keine Junkies, das war ein Zeichen von Schwäche. Yûsuke konnte es nicht verbergen, dass er hochgradig abhängig war.

 

Shina war besonders. Nicht so wie er, sondern besser. Sie hatte keine Angst, sich wehzutun. Verblüfft beobachtete er, dass Riina und sie heute Positionen getauscht hatten. Hinten, so sprach die Erfahrung, war die gefährlichste Position. Man musste nur einem Ball falsch parieren und schon tat man sich ziemlich weh. Trotz dieser Gefahr waren die Mädchen sehr furchtlos. Allenfalls wirkte Hiroko etwas nervös, dabei konnte vorne wenig passieren.

Immerhin warfen sie sich Bällen entgegen, denen man besser ausweichen sollte. „Hey, Tosh, scheint so, als wollte Riina heute den Star spielen.“

„Unmöglich, mit Yumi im Team“, lachte der Dozent. „Was macht sie überhaupt da hinten?“

„Ihr Leben riskieren, was sonst?“ witzelte Takahashi frech. „Also zumindest die Handgelenke…“ Dabei grinste er den Mann neben sich so dermaßen an, dass dieser dachte, Tak stand darauf, wenn Mädchen sich wehtaten. Ehrfürchtig rutschte er auf der Bank herum.

Die Mannschaftskapitäne kämpften am Netz um das Aufschlagsrecht. Shina gewann dieses Spiel, wie in den meisten Fällen.

„Tak, kennst du dich aus?“ fragte Leena.

„Ein bisschen, wieso?“

„Yumi sieht echt gefährlich aus…. Also gerade… Meinst du, es ist beabsichtigt, den Gegner gleich am Anfang zu verunsichern?“

„Es ist klug, sie ist gut im Aufschlag“, meinte ihre Mutter daraufhin stolz, da lachte Takahashi.

„Würde passen, wenn diese guten Aufschläge bei ihrem alten Team nicht bereits bekannt wären…“

„Es wäre noch schlauer, komplett anders zu spielen“, äußerte sich Leena weiter dazu, stand auf, drückte Takahashi auf die Bank nieder, ehe er sich versah, warf sie sich dann übermütig auf Taks Schoß, der sich das einfach von dem Mädchen gefallen ließ, obwohl er sich schon fragte, warum sie ihren Vater jetzt verärgern wollte.

„Nimm dir keine Schwachheiten raus, weil du mich dann kennenlernst.“

„Will eh nicht zur Keio.“ Was sollte der alte Mann schon tun? Und was traute er ihm bitte zu? Welche perversen Spielchen pflügten ihm durch den Kopf? Das überstieg dessen Horizont doch bestimmt um Längen.  Einem mit seinem Score musste man ja alles zutrauen. Auf jeden Fall sehr viel mehr als Zungenküsse und die wollte er ihm sicher schon verbieten.

Manchmal hatte er gemeine Gedanken und aus reiner Fiesheit würde er schon an Leena rumfingern, aber das überließ er Toshi.

Man verdächtigte ihn wegen seiner dunklen Persönlichkeit und Toshi durfte Leena abfüllen und sie vernaschen, den verdächtigte Daddy gar nicht erst.

„Paps, sei nicht immer so peinlich. Ich will eben sitzen. Dann nehm ich auch Tak.“ Sie lächelte. „Und er will auch sitzen, nicht?“

„Nicht schlau ausgedrückt. *Nimm mich besser nicht*. Nicht, dass du dann verdorben wirst.“

Leenas Adoptivmutter warf ihrem Mann besorgte Blicke zu, während Takahashi teils recht diabolisch grinste.

Leena war übermütig, wenn Toshi dabei war, deswegen flüsterte sie Tak etwas Schmutziges ins Ohr. Wären sie alleine, hätte sie sicher Angst.

„Mein strenger Dad würde sicher einen roten Kopf kriegen, bevor er etwas tun könnte, wenn du deine Hand in mein Höschen schieben würdest.“

„Provozier mich nicht, oder ich tu‘s.“

Leena kicherte, immerhin war das selbst für Tak ganz schön überheblich.  Das würde er kaum tun, wenn ihr Vater neben ihnen saß.

„Lachst du mich gerade aus?“ fragte er sie und sie linste nur verstohlen zu ihm.

„Ein bisschen. Du tust mir jetzt eh nichts.“

„Und später versteckst du dich dann hinter Toshi. Ja ja.“ Warum wollte sie eigentlich unbedingt auf seinem Schoß sitzen? Toshis Schoß hätte er noch verstanden. Sie standen sich immerhin irgendwie nahe, waren enge Freunde gewesen.

 

Das Spiel wurde endlich angepfiffen. Das Geräusch vom Aufschlag ertönte und das gegnerische Team ließ ihn durch, in der schier unendlich sicheren Gewissheit, er würde im Aus landen. Zu ihrem Leid tat er das nicht, da er stark verlangsamte und dann haarscharf auf der hinteren Linie landete.

„Das war Glück, don’t mind!“ rief die Verteidigerin in der Mitte und riss beide Arme hoch. Der Schiedsrichter pfiff und der nächste Aufschlag kam rasch angeflogen, diesmal weiter vorne, so dass der Kapitän ihn direkt zurückschmetterte, um Shinas Team in die erste brenzlige Situation zu bringen.  Diese jedoch parierte, der Ball flog hoch und Miyako verpasste die Chance, ihn zu stellen, so dass Riina geistesgegenwärtig zum Angriff überging und der Ball vor der Nummer Drei zu Boden ging und im Gegnerfeld landete.

Der Ball flog zurück ins eigene Feld, direkt in Yūmikōs Hände. Diese ging hinter die Linie und gab ihnen einen Sprungaufschlag, der im nächsten Punkt für das eigene Team endete.

Das Ganze schaffte sie ganze fünf Mal, ein schöner Vorsprung. Dann wurde der Kampfgeist des Gegners geweckt und sich gleich klar darauf fokussiert Shina und Naru auszuspielen, dabei unterschätzten sie Akemi völlig. Diese rannte ein wenig in die Mitte und setzte zu einem direkten Schmetterball an und schlug ihn knapp über Riinas Kopf und da er praktisch im Aus landen würde, nahm sie ihn direkt und schlug ihn nach unten, wo er unerreichbar blieb, so schnell berührte er das vordere Feld.

Fing ja besser an, als sie gedacht hatten. Shizuru warf der Trainerin einen traurigen Blick zu.

„Die gewöhnen sich schneller an die neue Taktik, als du schauen kannst, Herzchen. Hochmut kommt ja vor dem Fall.“

„Wollen Sie die Spielfeldseite wechseln?“ fragte Sêiichî sie daraufhin. Das fand er nicht lustig.

„Gerade du solltest wissen, dass eine Niederlage genau das Richtige ist, wenn alle sich zu siegessicher fühlen. Anscheinend glaubt Shina wirklich, dass…“ Erschrocken fuhr sie zusammen. „Was war das denn? Wo hat sie ihre Augen?“

Das war der Moment, wo das wahre Desaster begann.

 

Auch Takahashi war völlig davon entsetzt, wie ihr ein lascher Ball wie dieser einfach entgehen konnte. Er könnte schwören, dass sie nicht ganz bei der Sache war, so schlecht hatte er sie ja noch nie spielen sehen. Hoffentlich blieb es bei dem Patzer.

 

In der Tat, sie war in Gedanken ganz woanders und hätte sich besser vom Spielfeld verabschieden sollen. Aber sie war hartnäckig. Sie fühlte sich nicht wohl, weil sie die halbe Nacht wachgelegen hatte und war kaum in der Lage, mit dem Tempo mitzuhalten. Jedenfalls gerade nicht. Sie machten Druck und wollten den natürlich aufrechterhalten. Und wo war sie? Auf dem Spielfeld vielleicht körperlich anwesend, aber geistig war sie irgendwo im Krankenhaus und machte sich Gedanken um andere Menschen, weil das einfach ihre Art war.

Kein Wunder also, dass sie die Gedanken beinahe erschlugen und sie mehr Bauchlandungen hinlegte, als ihnen allen lieb war.

„Ist alles in Ordnung?“ fragte Akemi, zog sie vom Spielfeld hoch und sah ihr ernst ins Gesicht. Ihre beste Freundin aber schüttelte nur den Kopf und entschied zu lächeln. „Mischen wir sie richtig auf. Wir sind vorne. Die machen keinen Punkt mehr.“

Akemi wirkte nicht davon überzeugt, sie kannte sie zu lang, um die tiefe Schuld nicht zu bemerken, die sie in sich trug, aber mit keinem teilte.

5:3 sagte die Anzeigetafel. Daraus wurde schnell 7:3, da sie schließlich Experten im Angriff waren. Drei erfahrene Mädchen, die ohne Zweifel für ein starkes Angriffsteam standen. Naru machte hinten dicht. Immer, wenn ein Ball vom Gegner geschmettert wurde, waren Akemi und Shina da, um zumindest den Versuch eines Blocks zu unternehmen. In den meisten Fällen, gelang es ihnen, damit einen Punkt zu holen. Doch die ebenfalls talentierten Mädchen begriffen schnell, dass dieses Spiel nur dann funktionierte, solange die Positionen nicht gewechselt wurden. Ein einziger Punkt reichte aus, um die Rotation in Gang zu setzen und Naru aus ihrer Abwehrposition zu locken, um Riina und Hiroko aufs Korn zu nehmen. Die Blocks wollten gar nicht mehr klappen, da sie jetzt zu dritt angriffen und die drei Mädchen unmöglich enger zusammenrücken konnten, um jeden Ball abzuwehren.

Es wurde Zeit für eine Auszeit, aber die Trainerin reagierte nicht einmal. Sie ließ das Spiel laufen und einen Punkt nach dem Anderen verloren gehen, bis die drei Ältesten wieder hinten waren. 7:8 war jetzt der Stand und dann verpasste Shina noch einen gut platzierten Sprungaufschlag des Kapitäns, indem sie zwar ins linke Feld hechtete, ihn aber nur mit dem Zeigefinger erwischte und er ins Aus ging.

„Los jetzt, Auszeit!“ Sêiichî war aufgestanden. Die Trainerin hatte die Augen geschlossen und die Arme verschränkt. „Hallo? Ich rede mit Ihnen! Wir sind im Rückstand!“

„Setz dich, Sêiichî. Es ist der erste Satz!“

Mit zu Fäusten geballten Händen stand er da, konnte nicht glauben, dass das ihr Ernst war. Er rief aufs Feld: „Hast du dir wehgetan?“

„Nein, geht schon.“

Akemi und Yūmikō taten sich kurz zusammen, während die Schiedsrichter sich nicht einig wurden, ob der Ball das Netz berührt hatte oder nicht – definitiv nicht, aber es gab ihnen Zeit.

„Den hätte sie kriegen müssen…“

„Ja, ich weiß.“ Akemi sah Yūmikō bedauernd an. „Lass uns gemeinsam einen Angriff starten…“ Dann huschten sie auseinander und ein Aufschlag kam, der sich gewaschen hatte. Sie übertrat ihren zuständigen Bereich und tauchte vor Shina auf, um den Ball abzufangen. Er flog direkt vor Yumis Nase und sie stellte ihn nicht mal, sondern donnerte ihn in die rechte hintere Hälfte. Er sprang wieder sehr zielgerecht ins Eck auf die Linke, doch diesmal ließ man ihn nicht durch, sondern versuchte ihn zu erwischen. Er driftete ab und wurde von einer weiteren Spielerin direkt über das Netz befördert, wo schon die nächste sofort da war, um ihn ins Gegnerfeld zu schmettern. Naru hechtete vor und überschlug sich einmal, wobei sie sehr unglücklich auf dem Rücken landete.

Sie begab sich sofort auf die Knie und überwachte das Feld. Riina spielte Yūmikō einen guten Ball zu und es kam zum nächsten Angriff, der abgeblockt wurde und bei ihnen im Feld landete.

„Darf doch nicht wahr sein!“ ärgerte sich Yūmikō.

„Sorry“, kam von Naru, die wild winkend zum Spielfeldrand rannte. „Shina muss augenblicklich vom Spielfeld runter.“

„Was redest du da für einen Schwachsinn?“ fuhr die Trainerin sie an.

„Sehe ich auch so.“

„Ich bin der Trainer und du der Assistent, Sêiichî! Setz dich wieder hin.“

„Aber…“

„Los, ran da! Es geht weiter.“

Naru drehte sich herum, sah missgestimmt zu Akemi, dann zu Yūmikō.

Yūmikō und Shina waren jetzt vorne, Akemi als Hauptangreiferin links zu finden. Beim nächsten Aufschlag fackelte die Nummer zwei gar nicht erst und schlug ihn direkt zurück.

„So!“ sagte sie und rieb sich die Hände. „Jetzt machen wir die Angeber fertig!“

„Richtig so!“ stachelte Yūmikō sie noch an.

Riina musste aufschlagen und das hatten sie so lange geübt, bis es ihr in Fleisch und Blut übergegangen war. Kein Wunder, dass sie es schaffte, einen Punkt zu erzielen. Ihr Gegner kannte sie fast gar nicht, da gelang es besonders gut. Doch beim zweiten Versuch wusste Nagoya bereits, wie sie damit umzugehen hatten und bauten einen erfolgreichen Angriff auf.

Noch, während die drei Mädchen sich für den Angriff bereit machten, sagte Yūmikō nur „Mitte!“ und sie sprangen direkt vor deren Nase hoch, um mit sechs Händen die komplette Sicht zu versperren. Natürlich prallte der Ball ab und weil Akemi die Hände so formte, dass sie leicht nach unten zeigten, schlug er recht schnell zwischen das Angriffsteam, was komplett in der Mitte war, auf. Sie waren nicht in der Lage noch während dem Aufkommen zu reagieren.

„Dummheit wird eben bestraft“, sagte Yūmikō und nicht nur Shina war total geschockt von dem frechen Mundwerk, auch Akemi.

„Jetzt dreht sie durch, oder?“

„Los, jetzt will ich euch gewinnen sehen!“

„Spinnt die? Was soll das?“ regte sich Akemi auf, bekam aber keine Reaktion, sondern eine sehr konzentrierte Kämpferin, die nur den Sieg im Kopf hatte.

„Tjaja, das kommt davon, wenn man sich Sternchen ins Team holt und ihnen zu viel freie Bahn lässt“, sagte die Trainerin.

„Ohne Worte.“ Sêiichî konnte die Trainerin gerade kein Stück leiden.

„Die drehen den Spieß doch jetzt nicht um… Niemals… Das kann sie nicht wieder rausreißen. Shina ist überhaupt nicht bei der Sache… Was denkt die sich?“ lachte Shizuru und fing schon mal an sich warm zu machen.

Matsudaira beobachtete sie. Wenn die Kleine dachte, dass sie in dem Satz noch mitspielen durfte, war sie aber schiefgewickelt. Egal, wie demonstrativ sie sich aufwärmte. Ja, sie war gehässig und sie wollte diesen dummen Gören zeigen, dass man in einem wichtigen Spiel nicht auf Risiko spielte.

Riinas Aufschlag wurde direkt gekontert und der Ball landete vor der kleinen Angeberin, wo sie ihn mit einiges an Wucht ins Gesicht bekam und es nur ihrer Geistesgegenwärtigkeit verdankte, dass sie den Kopf leicht seitlich drehte und so nur ihr Wangenknochen abbekam und nicht die Nase.

Trotzdem fiel sie vor Schreck um und hielt sich die Wange.

„Das hast du davon!“ fauchte der Kapitän des Gegner-Teams. „Ihr Stümper erlebt jetzt euer blaues Wunder.“

„Bist du in Ordnung?“ fragte Akemi, obwohl es schon etwas verdient war.

„Ja, klar, ich bin hart im Nehmen.“

Sie schlugen auf und Riina nahm ihn volley, Shina verlängerte ihn, traf ihn jedoch nicht richtig, so dass er locker ins Aus flog.

„Was tust du da?“ Sie hätten nie für möglich gehalten, dass die Mädchen sich so in die Wolle kriegen würden. „Hast du eine Spitze?!“ Yūmikō stieß sie und sie flog fast in Akemis Arme.

„Wer hat hier eine Spritze?“

Naru flitzte nach vorne und stellte sich zwischen sie alle.

„Das war doch nicht ihre Schuld! Riina hat ihn viel zu weit links geschlagen. Aber das ist jetzt auch egal… Hier wird nicht gestritten. Also sowas!“

Was für eine schlechte Verliererin.

 

„Ich glaub’s ja nicht. Hast du das gesehen, Toshi?“

„Gut spielt sie nicht. Aber sie hätte sie nicht schubsen müssen…“

„Das erinnert mich an was. Besser, wenn sie sie gleich vom Platz nehmen, sonst verlieren sie nicht bloß einen Satz“, sagte Takahashi. Sie war einfach nicht gut heute, man sollte ihr die Blamage ersparen, außerdem wollte sie eh nicht im Mittelpunkt stehen. Demnächst überließ sie dann der kleinen Zicke ihr Mannschaftstrikot und machte nur noch Karate.

 

„Wenn wir den Satz noch gewinnen, braucht sie eine Pause“, sagte Sêiichî zu Matsudaira. „Und Yūmikō sollte auch runter, allein für den Schubs. Das geht doch nicht.“

„Warum? Weil du weißt, wie es sich anfühlt, grottig zu spielen, weil’s einem nicht gut geht? Und dann alle einen hassen. Da muss sie durch.“

Sêiichî drehte sich herum. „Ich bin gleich wieder da.“

Er lief durch den Hinterausgang, auf die andere Seite der Halle und wank dort Ryochi.

„Was zum Geier ist da unten los? Sie spielt genauso schlecht wie du vor zwei Jahren.“ Der Detektiv war eindeutig ziemlich besorgt um seine Freundin.

„Ja, deswegen solltest du ihr nachher ganz machohaft verbieten weiterzuspielen. Matsudaira will sie echt so weitermachen lassen. Die will, dass wir sang und klanglos untergehen. Entweder wurde sie geschmiert oder sie ist einfach sadistisch und will, dass alle streiten.“

„Glaubst du echt, dass Shina auf mich hören wird, wenn sie sich was in den Kopf gesetzt hat?“

„Ich hoffe es. Das geht nicht gut. Was auch immer sie hat. Sie sollte sich darum kümmern. Und das Spiel spielen eben andere… Sie ist doch ein kluges Mädchen, also mach ihr das klar. Erzähl ihr eben, wie ich’s vor zwei Jahren vergeigt habe. Sag ihr auch ruhig, dass ich am Ende heulend zusammengebrochen bin mit meiner mittelschweren Verletzung und meiner noch verheerenderen Depression.“

„Warum nehmt ihr keine Auszeit?“

„Weil Matsudaira einen Sprung in der Schüssel hat – die will einfach nicht auf mich hören.“

„Na großartig. Blamage wird herbeigeführt vom Experten.“

„Ich muss wieder.“

„Du, ich komm mit, dann kann ich sie gleich abpassen, wenn sie vom Platz gehen.“

Beide blickten beim Hinausgehen auf die Anzeigetafel. „Hey, ich hab mich quasi zwei Minuten nicht aufs Spiel konzentriert…“ Es stand sage und schreibe 10:14. Ihm lief ein Schweißtropfen über die Wange. „Den können wir abhaken.“

 

„DAS KÖNNT IHR DOCH NICHT MACHEN!“ tönte es auf einmal von weiter hinten. Ein übermütiges Mädchen saß auf den Schultern eines Jungen und wedelte wie wild mit einer Fahne über ihren Köpfen. „Go, go, go! Teitan go, go, go!“

Ryochi fing an zu lachen, da Takahashi leicht zerknautscht aussah, als Leena auf seinen Schultern rumhopste und wie wild durch die Halle schrie, dass sie alle Leute übertönte. Sie schrie wie am Spieß und kniff dabei die Augen zu, nur um noch lauter zu brüllen.

„Nicht schlecht, echt!“ lachte Sêiichî. „Davon sollte man ein Foto machen – allein um ihn zu trollen.“

„Schämen solltest du dich.“

„Ach, warum? Wie hat sie den dazu verdonnern können?“ Er lachte noch immer. „Aber ist typisch für die Kansai-Mädchen. Hab ich voll vermisst.“

„Shina! Shina! Shina! Akemi! Akemi! Akemi!“ feuerte Leena die zwei Spielerinnen an und überging absichtlich die doofe Yūmikō, die in Nagoya ein Star gewesen war.

 

„Hey, die feuert uns ja ganz schön an. Lass uns das machen!“ sagte Akemi und klatschte mit ihrer besten Freundin ab. „Spiel du mir den Ball zu, ist schon okay, wenn dir die Hand wehtut.“

„Was?“

„Ja, klar, meinst du, ich bin blind?“ Sie grinste.

„Gut“, nickte die Hellbraunhaarige.

 

„Gut so, Taka?“ fragte Leena ihn, während sie sich zu ihm runterhängte.

„Ja und jetzt nicht runterfallen“, amüsierte sich Toshizo.

„Hab gesagt, du sollst Shina anfeuern…  Weil sie irgendein Problem hat. Aber du feuerst Akemi gleich mit an.“

„Und Riina?“ fragte Toshizo, da drehte Leena den Kopf zickig weg.

„Vergiss es!“

Es war ein Kampf und Akemi hatte jede Menge zu tun. Nicht bloß, dass sie als Verteidigerin fungieren musste, indem sie mit Yūmikō zusammen blockte, um Shina klar zu entlasten, sie sollte auch noch angreifen. Aber der unorthodoxe Stil der Nummer Zwei, der ganz von der Norm abwich, verwirrte die andere Mannschaft so sehr, dass sie Punkte holen konnten. Die Angriffschefin spielte plötzlich Stellerin und umgekehrt. Jedes Mal, wenn Akemi hochsprang, waren sie gar nicht darauf gefasst. Sie rechneten eher damit, dass ihr ehemaliger Star den Angriff übernahm, doch dem war nicht so. Dann wendete sich das Blatt in 15:14 und Naru machte den Aufschlag.

Sie zögerte absichtlich ein wenig und warf den Ball nur ganz knapp über ihren Kopf, um ihn dann schnell und kraftvoll zu schlagen. Er rotierte unregelmäßig und als man ihn annehmen wollte, sprang er nach hinten und ins Aus.

Schockiert blickte die Spielerin dem Ball nach. „Man, wir waren so nah dran.“

Die Teitan-Oberschule bekam mächtig Applaus und die Mädchen tanzten praktisch auf dem Feld.

 

„Lächerlich, es ist der erste Satz“, freute sich Matsudaira gar nicht mit den jungen Spielerinnen, ganz anders als die Halle, die tobte. Da sie sich in Tokyo befanden, war sie natürlich voller Teitan-Schüler.

 

Matsudaira klatschte in die Hände, als die Mädchen zum Trinken und Schweiß abwischen kamen. Shina ließ sich auf die Bank fallen und nahm einen kräftigen Schluck.

„Kann ich mit dir reden?“ fragte Yūmikō.

„Warum?“

Die Kurzhaarige setzte sich neben sie. „Tut mir leid, dass ich dich gestoßen hab. Den Ball hättest du aber spielend leicht ins Feld bringen müssen. Solche Fehler dürfen nicht passieren.“

Naru warf einen Ball hart vor Yūmikōs Füße und starrte sie finster an.

„Sie ist die Mannschaftsführerin. Mach sie nicht so dumm von der Seite an.“

„Schon gut, Naru, sie hat Recht.“

„Was ist bloß los mit dir? So kenne ich dich ja gar nicht!“

Ryochi setzte sich neben seine Freundin. „Du solltest dir eine Pause gönnen.“ Er legte den Arm um ihre Schulter und zog sie leicht zu sich.

„Ja, ich weiß. Bring mich raus…“

„Wo willst du denn hin?“ fragte die Trainerin.

„Mir ist schlecht, Matsudaira-san. Ich habe Kopfschmerzen, meine Beine zittern. Und der Finger tut mir weh vom letzten Block. Entschuldigen Sie. Man hätte mich auswechseln sollen. Jetzt habe ich dem Team nur unnötig Stress gemacht.“ Sie hatte traurig den Kopf gesenkt, jeder sah doch, dass ihr etwas fehlte und sie verdeutlichte es ja auch noch, indem sie sich erklärte.

„Du hast doch sicher nichts dagegen, dass dann Shizu-chan spielt, nicht?“

„Tun Sie, was sie wollen. Sie spielt bestimmt besser als ich gerade.“

Shizuru starrte sie verwirrt an, als sie dann mit Ryochi in die Trainingsräume verschwand.

„Die hat aber schnell einen Abgang hingelegt.“

„Sei doch froh, jetzt kannst du dich aufspielen, Prinzessin.“ Naru konnte es sich nicht wirklich verkneifen.

„Pff, dann nehmt doch Miyako! Ist sicher glücklich, wenn sie ran darf… Aber heult nicht, wenn ihr dann verliert“, spielte die Schwarzhaarige Dramaqueen, daraufhin kam Yūmikō auf sie zu und knallte ihr eine.

„Das höre ich mir nicht mehr länger an! Am besten gehst du mit der Einstellung nach Hause und lässt dich nie wieder blicken!“

„Spinnst du?“

„Ich will das Spiel gewinnen!“

„Klar, bist ja eine Gewinnerin, schon begriffen.“

„Trainerin“, seufzte Sêiichî. Sie mit dem Blick bittend, das schäbige Getue nicht weiter zu unterstützen.

„Ich muss mich von der blöden Kuh doch nicht schlagen lassen.“ Sie stand auf und verließ die Halle.

„Das hast du ja toll hinbekommen. Bist du jetzt stolz auf dich?“

Yūmikō sah zu Sêiichî, wollte davon aber nichts hören. Ihre Eltern und Geschwister waren hier und würden sofort sagen, dass sie mit Volleyball aufhören sollte, um sich auf die Schule zu konzentrieren, obwohl sie keinerlei Probleme hatte. Sie wollten ihre Tochter nicht verlieren sehen.

„Was? Wieso bist du so gereizt? Nun guck doch nicht so!“

„Meine Eltern werden mir das Spielen verbieten, Sêiichî, deswegen müssen wir unbedingt gewinnen.“

Jetzt sah sie traurig aus und Matsudaira lachte. „Das ist ja kaum zu fassen. Was für Eltern sind das denn?“

Das Mädchen schämte sich sofort und sah runter. Ja, ihre Eltern wollten keine Schande, deswegen hatten sie ihren Bruder wegen seines Drogenkonsums mit 18 schon aus der Wohnung geworfen und er musste hart schuften, um zu überleben. Dann war seine Freundin noch schwanger geworden, aber keinen interessierte es, obwohl sie klug und schön war. Bestimmt würden sie Wataru auch nicht mögen, er war nicht aus gutem Hause, würden sie sagen, dabei war das doch völlig egal, solange der Junge nett zu ihr war, oder?

 

„Würdest du mir jetzt bitte sagen, was los ist?“ fragte Ryochi seine Freundin, vor ihr knieend. Er sah sie besorgt an und sie starrte einfach nur runter und nicht in sein Gesicht. Er nahm ihre Hand in seine und sah sie sich an. „Du hast keinen Kratzer. Und so ein Ball bringt dich doch nicht außer Gefecht. Da ist doch noch etwas anderes?“

„Ich habe nicht geschlafen, Ryo.“ Sie sackte nach vorne und hielt sich an seinen Schultern fest.

„Ach du Schande. Dann hättest du ja am besten gar nicht anfangen sollen, zu Spielen.“

„Ich wollte der doofen Shizuru eins auswischen, weil sie Zwietracht säht. Ich kann das nicht ausstehen. Immer hackt sie auf allen rum – so wie Aiko.“

„Was ist denn mit dieser Aiko schon wieder?“

„Nichts. Aber Shizuru benimmt sich genauso. Alle macht sie verantwortlich, statt mal den Fehler bei sich zu suchen.“

„Sie gehört irgendwie nie dazu, das ist ihr Problem, weißt du doch.“

„Wie auch, wenn sie sich so benimmt?“ Kein Wort über Yūmikō, die auch ganz schön übergeschnappt war.

„Aber, hey, ich hätte Yūmikō nie zugetraut, dass sie so fahrig werden kann. Hoffentlich kriegt Wataru jetzt nicht Angst vor ihr“, lachte er. Das musste man bestimmt nicht, aber der Junge war eben eher zurückhaltend.

Shina hatte nicht alles gesagt, was sie gerade im Kopf hatte. Zum Beispiel, warum sie nicht geschlafen hatte, ließ sie komplett unter den Tisch fallen. Aber bohren brachte auch nichts, das wusste Ryochi sehr genau.

„Du denkst aber nicht daran, zurückzutreten, oder?“

„Ich bin schon Kapitän des Karateteams, es wird mir echt ein bisschen viel. Und Schulsprecherin. Das ist eine Menge Verantwortung. Sie wollen neue Clubs gründen und ich soll die ganze Schule befragen, was sie gern so hätten. Da habe ich ja genug zu tun. Und Prüfungen stehen auch bald an. Ist das nicht etwas wichtiger, als in allen Clubs im Mittelpunkt zu stehen? Ich mag’s sowieso nicht.“

„Aber sie mögen dich. Du wurdest einstimmig in beiden Clubs gewählt. Warum glaubst du, tun sie das? Weil auf dich Verlass ist. So schlecht warst du jetzt auch nicht. Trotz Kopfschmerzen und schlafloser Nacht, mhm?“

„Du bist immer so lieb zu mir, Ryochi, ich danke dir.“ Sie lächelte ihn an.

„Man muss lieb zu dir sein. Finde ich.“ Nun lächelte er auch.

Auch Shizuru war mal erträglich gewesen. Damals, als sie Mannschaftsführerin geworden war. Dann hatte sie Takahashi betrogen und in seinem Zorn hatte er eben einfach gesagt, dass er Shina mochte. Jetzt bekam sie ab. Wieder einmal, weil jemand sie mochte. Das war doch nun wirklich, wie bei Aiko. Am besten war doch, wenn sie sich unsichtbar machte. Zum Glück war Saki nicht so eine Zicke, wie Shizuru, obwohl sie sicher auch schon mitbekommen hatte – von anderen – dass Takahashi mal in sie verliebt gewesen war. Sie konnte seine Gefühle doch eh nicht erwidern. Und sie wusste nicht einmal, warum. An ihr war doch nun echt nichts Besonderes.

 

In der kleinen Pause war Yūmikō kurz mit ihrem Freund in ein Gespräch vertieft. Auf die Entfernung bemerkte ihr Vater lediglich, dass sie keinerlei Berührungsängste hatten und beobachtete es stumm, während neben ihnen die Kinder ebenfalls ganz schönen Schabernack trieben. Aber das war nicht so wichtig, wie ihre leibliche Tochter. Das bisschen warnen, war nichts im Gegensatz zu dem, was der Mann gesagt hätte, wäre es Yūmikō gewesen, die auf den Schultern von einem Kerl saß.

„Sag mal, Takahashi-kun, wer ist der Junge bei meiner Tochter?“ fragte er den Braunhaarigen und der drehte den Kopf zu ihm.

„Das ist ihr Freund, wieso?“

Noch blieb er locker, obwohl man durchaus so etwas wie Missfallen in seinem Gesicht entdecken konnte – ganz minimal wohlbemerkt. Ihm fiel es jedenfalls auf.

„Ach, das ist Wataru – mein Cousin.“

„Dein Cousin? Etwa Wataru Takagi?“ mischte sich jetzt auch die Ehefrau ins Gespräch ein – jedoch mehr besorgt, als wütend darüber.

„Mhm“, nickte Leena, daraufhin sprang Takeru Otaké direkt auf und machte sich auf den Weg.

„Oh, oh.“ Takahashi sah zu der 45-jährigen Lehrerin, die leicht bedrückt runtersah und sich wohl zwar wirklich Sorgen machte, aber nichts tat, um den Mann aufzuhalten.

„Ich wusste nicht, dass das so ein großes Problem ist – sie ist doch nun wirklich alt genug.“

Da Leena ebenfalls anwesend war, konnte sie nicht viel dazu sagen, jedoch wich sie dem Blick des Braunhaarigen aus. ‚Mit dem Alter hat das eher weniger zu tun…‘

„Willst du auch ne Limo, Tak? Ich will mir eine holen…“

„War das ein Angebot mir eine mitzubringen?“ fragte er, daraufhin klatschte Toshizo in die Hände.

„Mir kannst du auch eine mitbringen, ich zahl auch!“

„Das ist sehr nett von dir, Toshizo“, meinte die Frau, ehe sie zu Leena sah, auffordernd.

Diese nickte und bedankte sich höflich bei Toshizo. „Danke vielmals.“

Ihr wurde ein Schein in die Hand gedrückt und sie rannte los.

Takahashis Blick verfolgte den Familienvater, der strammen Schrittes durch die Halle flitzte und dann schließlich mit bösen Blicken etwas zu seiner Tochter sagte, bevor sich diese und Wataru trennten. Am Spielfeldrand wurde mit dem Finger auf den Jungen gezeigt und er sah schon ein bisschen eingeschüchtert aus.

„Hat er ihn etwa angefahren? Man, wie peinlich“, sagte Takahashi dazu, hoffend, dass die Lehrerin dazu etwas sagen würde.

„Er hat seine Gründe.“

„Es liegt doch nicht etwa am Namen? Wataru kann doch nun wirklich nichts für seine Familie.“

„Das geht dich doch überhaupt nichts an.“

„Zufällig gehe ich mit ihm in eine Klasse und ich finde es nicht richtig, ihn zu bestrafen. Genauso wenig wie vor Leena die Lippen zusammenzukneifen. Sie weiß wohl nicht mal, wie schlimm ihr Onkel ist?“

„Nicht bloß der Onkel“, sagte sie daraufhin und ihre Blicke begegneten sich. Ihrer war voller Traurigkeit und Schmerz.

„Ich habe sowieso nie verstanden, warum man Leena adoptiert hat.  Soll das heißen, sein Bruder ist genauso schlimm?“

Es wurde geschwiegen. Zu gern wollte er Antworten aus ihr herauskitzeln, einfach weil es ihn interessierte. ‚Hat mein Onkel nicht mal gesagt, dass Takagis Bruder selbst derjenige gewesen sein soll, der gegen ihn vor Gericht aussagte?‘ Als sie klein gewesen waren, hatten die Eltern immer sehr stark darauf geachtet, dass sie nichts von all dem mitbekamen. Das erwies sich als sehr schwer, als Takagi bei den Iwamotos auftauchte und die heimliche Affäre der Mutter aufgedeckt wurde. Da Ryochi Sêiichî dort besucht hatte, hatte er genug mitbekommen, um es zuhause zu erzählen. Bei ihm hieß die Informationsquelle eher Leena. Die war ein Plappermaul. Sie fand damals ihre Mutter total doof, weil sie ihren Vater nie kennengelernt hatte. Er wurde totgeschwiegen. Das hatte er nicht begriffen, immerhin war der wahre Scharlatan wohl eher ihr Onkel. Er war der, der seine kleine Tochter an gegrabscht hatte, wie sie nun wussten.

„Hat er Leena was getan?“ fragte Toshizo frei heraus. „Ist sie deswegen von euch adoptiert worden?“

„Nein.“

„Ach, der Name reicht, oder wie?“ echauffierte sich Takahashi daraufhin und schüttelte den Kopf.

„So, da bin ich wieder!“ Leena war total abgehetzt und schnaufte, da sie so sehr gerannt war – dumm, dass sie jetzt erst recht nicht mehr reden würde. Er fand es nicht fair, dass alles, was dieser Mistkerl tat, auf die gesamte Familie zurückfiel. Dafür konnten sie schließlich nichts. Wegen so etwas durfte Leena ihren Vater nicht kennenlernen? Er hatte mitbekommen, dass sie das gern würde.

Wenig später kam auch der Familienvater wieder. Seine Laune hatte sich gravierend geändert. Die Gesichtszüge zeigten Wut und Abscheu.

„Ist alles okay, Schatz?“

„Es wird Zeit, dass wir ihr auf die Finger hauen. Sie ist frech geworden, als ich gesagt habe, dass ich das nicht erlauben kann.“

„Da sind Sie direkt zu Wataru gegangen, um ihn sich zur Brust zu nehmen. Und Sie denken, dass das etwas bringt?“ Kinder machten grundsätzlich, was sie wollten. Je mehr man es ihnen verbot, umso mehr wollten sie es, oder nicht?

„Sei nicht immer so vorlaut!“

„Weil ich noch nicht volljährig bin, darf ich nicht mitreden? Richtig ist das auch nicht.“

„Sie soll sich aufs Lernen konzentrieren. Deine Mutter würde bestimmt auch nicht gut finden, wenn du ein bettelarmes Mädchen nach Hause bringst, was dir auf der Tasche liegen wird.“

„Lass gut sein, Tak“, versuchte Toshizo ihm zu raten. Es machte ihn aber voll wütend, sich das sagen lassen zu müssen.

„Meiner Mutter ist völlig egal, wer sie ist, solange wir uns lieben. Mehr sage ich dazu nicht!“

„Oh man“, seufzte Toshizo, weil er einfach nicht die Klappe halten konnte, sondern einen Spruch dazu parat hatte.

„Auch dann nicht, wenn die Ehe ein Jahr hält, gerade so lange, dass sie einen Teil deiner Rente kassieren kann? Das bezweifle ich“, konterte Takeru.

„Ich vertret mir die Beine.“ Toshizo blickte ihm nach, als er aufgestanden war, um davon zu laufen.

„Dem hast du es ja gegeben“, lachte Takerus Sohn.

„Du hältst besser die Klappe, immerhin sitzt du im Glashaus…“

Man merkte, wie wenig es Yūsuke gefiel, dass man ihm so etwas reindrückte, Toshizo beobachtete ihn. Er hatte ebenfalls ganz schöne Wut im Bauch. „Wieso Glashaus?“

„Ihr seid alle ziemlich neugierig. Das solltet ihr euch schnell abgewöhnen, so etwas wird euch nur Ärger machen“, riet Takeru dem 18-jährigen und der senkte den Kopf.

 

„Wo ist Yūmikō?“ fragte Akemi in die Runde, da sie plötzlich verschwunden war, da rannte sie zu ihrem Freund, um ihn ebenfalls zu fragen. „Hast du Yūmikō gesehen? Die ist doch nicht etwa schnell mit deinem besten Freund abgehauen?“

„Huch – du hast Recht!“ meinte Kōji sich nach links und rechts umsehend, da Wataru bis vor kurzem noch ganz in seiner Nähe gewesen war. „Er ist auch nicht mehr da. Ich such ihn, ok?“ Kōji war davon überzeugt, dass er beide zusammen finden würde.

Naru war zu den Umkleidekabinen verschwunden, weil sie etwas beobachtet hatte, was ihr gar nicht gefiel. Als sie die Tür öffnete, fand sie an Stelle von Yūmikō und Wataru Ryochi und Shina vor.

„Habt ihr Yumi gesehen? Ich war mir total sicher, dass sie hier ist.“

„Wieso fragst du das?“ wollte Ryochi wissen und Naru sah ihn sehr ernst und besorgt an.

„Sie ist weggerannt, als würde sie der Leibhaftige verfolgen… Kurz darauf wurde Wataru angeschnauzt. Das Spiel geht gleich weiter und sie ist nicht da… Ich weiß nicht, was vorgefallen ist, aber ich dachte, dass ich ihr wohl besser nachgehe. Sie sah aus, als wäre sie den Tränen nahe.“

„Wir suchen sie“, meinte Shina, war schneller aufgesprungen, als der Blitz und ihr Freund schloss sich ihrem Suchtrupp sofort an. Plötzlich war von Kopfschmerzen, Schlafmangel und Erschöpfung keine Rede mehr. Als hätte es all das nicht gegeben.

 

Obwohl sie alle Gänge absuchten, fanden sie das Mädchen nicht sofort, erst die Suche in den Toiletten war erfolgreich. Sie hatte sich dort eingeschlossen.

„Yūmikō? Bist du da drin?“ fragte der Mannschaftskapitän, als Antwort bekamen sie nur Schluchzen, aber kein Wort. „Was ist denn hier los?“

„Nichts, ich… ich hab nur Schiss, dass wir verlieren, das ist alles…“

Sie klang verheult und ihre Stimme zitterte.

„Aber das macht doch nichts. Selbst wenn, es liegt ja nicht in deiner Verantwortung. Komm da jetzt raus. Naru sucht dich überall. Akemi auch.“

Kurz darauf wurde die Tür geöffnet und das Mädchen sah sie traurig an. „Für euch ist das vielleicht egal, aber für mich nicht… Ich verliere schon immer gegen meine Eltern, wenn wir diskutieren. Diesen Kampf will ich nicht auch verlieren.“ In ihren Augen standen die Tränen.

„Was hat das eine mit dem Anderen zu tun? Irgendwas ist da draußen doch geschehen!“

„Meine Eltern sind nur hier, um wieder über meinen Kopf hinweg etwas zu bestimmen. Das setzt mir eben zu.“

In den meisten Familien lief das so. Bestimmt würden einige ihrer Mitschüler nur mit den Schultern zucken, weil sie sich immer fügten. Sicherlich würden sie auch behaupten, dass es Schlimmeres gab.

„Du kannst deinem Freund übrigens sagen, er soll Takahashi von mir bestellen, dass es besser ist, wenn er das nächste Mal seine Klappe hält!“

„Was hat der denn schon wieder gesagt?“ fragte Shina seufzend.

„Er hat meinem Vater brühwarm erzählt, dass Wataru mein Freund ist. Jetzt kriege ich Ärger.“

„Was für ein Schwachsinn“, sagte die Schülerin und schüttelte darüber den Kopf.

„Nein! Es war ihnen von Anfang an nicht recht, dass ich zur Teitan gehe… Jetzt erstrecht nicht! Die lassen mich jetzt nicht mehr aus den Augen. Meine Eltern kennen jeden an unserer Schule, das könnt ihr glauben. Jetzt kann ich mich an der Schule nicht mehr mit Wataru zusammen sehen lassen, ohne dass sie es auch wissen.“

„Was hast du denn für Eltern?“

„Mein Vater ist Professor an der Keio und meine Mutter Grundschullehrerin…“

„Gut. Wir finden eine Lösung… Aber jetzt warten Naru und Akemi auf dich. Sie brauchen dich…“

„Du hast Recht. Ich hab mich gehen lassen.“

„Das meinte ich nicht, Yumi. Sie machen sich Sorgen… Naru war sehr aufgewühlt. Sie ist nicht so knallhart, wie du glaubst.“ Shina grinste schief. Das war kaum eine von ihren Freundinnen.

„Dann wollen wir das Kind mal schaukeln, was?“

„Jetzt erstrecht, genau!“

Das war ja nicht zu glauben. Ihre Eltern hatten Verbindungen zu ihrer Schule. Würden ihre Eltern sie so kontrollieren, würde sie das wohl sehr traurig machen, weil das heißen würde, dass sie ihr nicht vertrauten.

 

Kōji fand Wataru draußen, vor der Sporthalle auf einer Bank sitzend. Während des Spiels war draußen nicht besonders viel los, daher glaubte der Junge wohl, dass er da seine Ruhe haben würde. Dass sein bester Freund ihn finden würde, damit hatte er nicht gerechnet, da traf es ihn etwas unerwartet.

„Na?“ fragte der Lockenkopf, seufzte dann, als der Braunhaarige sich schnell übers Gesicht wischte.

„Warum bist du abgehauen? Ist was passiert?“ wollte er wissen. Es war nicht das erste Mal, dass er seinen Kummer verbarg, er hatte viel zu ertragen, was er anderen nie sagen würde. Sogar Shina hatte erst mit 14 herausbekommen, dass ihr gemeinsamer bester Freund Probleme mit seinen Eltern hatte.

Er schniefte einmal. „Yūmikōs Vater hat mir vorhin gesagt, was er davon hält, wenn ich seine Tochter von wichtigem ablenke.“

„Ja, aber davon geht doch die Welt nicht unter.“

Kōji hatte gut reden, sein Vater war weggelaufen, als es ihm zu anstrengend mit der Familie wurde – nur das, man hatte ihn nicht rauswerfen müssen, weil er sich an der Familie vergriff.

„Doch!“ entgegnete der Junge, dann sah er traurig ins Gesicht seines besten Freundes. „Wenn nahezu jeder dich auf deinen Vater herabstuft und nichts von dir hält, nur weil er ein herzloser Kerl ist. Egal, wen es auch betrifft, von seinem Ruf haben wir alle etwas. Leenas Vater kann davon wohl ein Lied singen. Er wurde verlassen, verachtet, verurteilt.“ Dass sie auch seine unschuldigen Kinder in diese Sache hineinziehen würden, hätte keiner je geglaubt.

„Du meinst Yūmikōs Eltern stören sich eher daran, wessen Sohn du bist, nicht daran, dass du dich mit ihr abgibst. Aber deswegen musst du ja nicht gleich davonrennen.“

„Er hat mir gedroht.“

„Was?! Er hat dich bedroht? Das geht doch nicht. Melden wir das.“ Kōji konnte ein verdammter Rabauke sein, der mit wachsender Begeisterung andere anschwärzte. Er konnte Ryochi nicht leiden, deswegen hätte er alles getan, um endlich etwas Fieses über ihn sagen zu können. Wenn jemand seinen besten Freunden wehtun wollte, bekamen sie es mit ihm zu tun. Aus Prinzip.

„Und dann? Heißt es Wataru ist eine Petze. Nein, danke. Und besser macht es auch nichts. Was, wenn sie jetzt wirklich nichts mehr mit mir zu tun haben will, weil sie Angst vor ihren Eltern hat?“

„Dann solltest du dich fragen, ob sie dich verdient?“ Kōji sah ihn besänftigend an.

„Am liebsten würde ich manchmal meinen Namen ändern, nur damit man mich nicht mehr mit diesem Kerl in Verbindung bringen kann.“

„Tja, mein Vater war stets stolz darauf, sich sein bester Freund zu nennen. Der tickt eben auch nicht ganz…“ Wenn sie etwas gemeinsam hatten, dann dass ihre Väter keine besonders Guten waren. Trotzdem hätte Wataru nie so von seinem Vater geredet, wie Kōji es könnte. Er nahm sich all das viel zu sehr zu Herzen. Kōji handhabte das anders. Ihm war völlig egal, ob sie von seinem Vater schlecht redeten. Man hatte ihn sowieso schon fast vergessen. Das Einzige, was ihm nicht gut reingegangen wäre, war, wenn sie seiner Mutter die Schuld daran geben würden. Natürlich redeten sie, meistens nicht besonders gut, aber natürlich nur hinter dem Rücken aller, nie in sein Gesicht.

„Lass uns jetzt wieder reingehen. Shina spielt nicht weiter, es hängt also alles von deiner Freundin und Akemi ab. Wenn das mal gut geht.“

„Du hast Recht. Sie brauchen unsere moralische Unterstützung. Das kann Mikos Vater mir ja nicht verbieten.“

„Der kann dir rein gar nichts verbieten.“

„Ihr schon…“

Kōji seufzte tief. „Ich hoffe, dass sie kein Mädchen ist, was sich ihren Eltern willenlos fügt. Das wäre ja total armselig.“

„Warum musst du immer so hart über alle urteilen?“ fragte Wataru traurig. Es kam ihm manchmal vor, als dürfte man sich nicht den kleinsten Fehler erlauben, dabei war Kōji selbst nicht gerade perfekt.

 

 

Von der Tribüne aus beobachtete ein Mann mit einem Fernglas das Geschehen. Zwischen dem Publikum mochte er nicht auffallen, aber es gab aufmerksame Menschen – vor allem schlaue Kinder – die ihn dennoch entdeckten. Das Fernglas verdeckte gut den gierigen Glanz, den er gerade in den Augen hatte, als er die Mädchengruppe beobachtete. Er leckte sich über die Lippen. Das konnte auch das riesige Fernglas nicht verschleiern.

Die Augen des Braunhaarigen wurden riesig, als er dies beobachtete und binnen weniger Sekunden hatte er die schlimmsten Bilder vor Augen, die man sich vorstellen konnte. Obwohl man ihm äußerlich nichts anmerken konnte, in seinem Inneren toste der Sturm. In kürzester Zeit wurde er kurzatmiger und seine Brust schmerzte. Sein Blick suchte sofort nach der Zielperson. Als er diese entdeckt hatte, entschloss er sofort zu ihnen zu gehen und sie auf den Spanner aufmerksam zu machen… Rein aus einer Panikreaktion heraus, er könnte sie auf dem Nachhauseweg überfallen.

Toshizo bemerkte nur, wie sein bester Freund wortlos losflitzte, als sei der Leibhaftige hinter ihm her, dachte sich aber weit weniger dabei…

„Was da wohl wieder los ist? Gewonnen haben sie noch nicht. Also zum Gratulieren ist es noch zu früh.“

 

Außer Atem stand er schließlich vor drei Mädchen, die ihn verblüfft und dann kritisch ansahen. „Was ist?“ fragte die Hellbraunhaarige regelrecht kalt und schob Riina hinter sich, als wolle sie sie vor ihm beschützen. Die blöde Kuh hatte absolut keine Ahnung, aber er war dennoch gewillt sie aufzuklären, egal was sie von ihm hielt.

„Keine Ahnung, was du denkst, aber ihr seid beobachtet worden… Von der Tribüne aus.“

„Ja und?“ fragte Naru, kurz darauf gesellte sich Sêiichî zu ihnen.

„Beobachtet?“ Beide sahen kurz darauf zu der Zuschauermasse. Ihre Blicke suchten die hinteren Reihen ab. „So wie du das sagst, klingt das ja zum Fürchten. Ich glaub, der will euch nur ein bisschen erschrecken.“

Takahashis Augen verwandelten sich in Halbmonde. Am liebsten hätte er diesem verfluchten Hurensohn ins Gesicht getreten. Schläge halfen bei dem schon lange nicht mehr. „Du hast wohl ne Spritze?!“ Es dauerte keine zwei Sekunden da griff der 18-jährige sich den Gleichaltrigen am Kragen und zog ihn an sich ran. Durch den plötzlichen Ruck fiel er ihm fast mitten ins Gesicht.

„Lass mich sofort los!“ gab Sêiichî erzürnt von sich und schließlich wurden sie durch eine weitere Person gestoppt. Da war Takahashis Gesicht wütend fauchend direkt vor Sêiichîs gewesen. So zornig wie er war, spuckte er regelrecht die Worte. „Du elender Nichtschecker. Als würde ich Witze machen, um 15-jährige zu erschrecken!“

„Müsst ihr immer so zoffen?!“ fragte Ryochi – dabei klang er nicht, als wolle er einem von ihnen die alleinige Schuld geben. Sie alle wussten, dass sie immer aufeinander losgingen. Mal der eine, dann der Andere.

„Du hast doch Riina und Shina zu Tode erschreckt und hattest Spaß dran!“

„DU…“

„Aufhören!“ Ryochi schubste Takahashi ein Stück nach hinten. „Ich warn dich! Das landet bei meinem Vater, wenn du dich so benimmst.“

„Aber…“

Naru und Riina beobachteten alle und fanden den Streit merkwürdig, wären aber nie darauf gekommen, weshalb es ihren Mitschüler so wütend gemacht hatte, dass man ihm nicht zuhören wollte…

Bis zu diesem Moment, als Ryochi den Blick durch die Menge schweifen ließ und den Mann mit Grinsen ebenfalls bemerkte. Seine Augen wurden riesig und er musste ihn nur beim davongehen sehen, um zu wissen, dass er es war. In sein Gesicht trat der Schweiß, dann überließ er Takahashi und Sêiichî ihrem selbstauferlegten Schicksal, sich immerzu prügeln zu wollen und stürmte los.

„Was ist denn jetzt los?“ Sie waren von Ryochis panischem Gesicht so betroffen – alle beide –  dass sie vergaßen, weshalb sie überhaupt stritten und ihm besorgt nachsahen.

„Ich wette er hat ihn jetzt auch gesehen…“

Sie alle konnten sich ja nicht vorstellen, was er in dem Moment fühlte. Schon an Weihnachten hatte er sein Unwesen getrieben. Das tat er immer. Weil er das Fest nicht abkonnte. Kein Wunder, er war ja  theoretisch gar nicht dazu fähig irgendwelche zärtlichen Gefühle wie Liebe für jemanden zu empfinden. Deswegen war das Fest der Liebe ihm ja auch ein Graus. Und ausgerechnet an dem Tag war er auch noch geboren worden. Was musste er sein Leben hassen…

Aber die Tatsache an sich, dass er ein Menschenfeind war, war es gar nicht, was ihn so panisch losrennen ließ. Es waren die Bilder von vor über zwei Jahren, als sie nichtsahnend diesem Kerl in die Arme gelaufen waren. Dumm von ihm, oder? Man sollte vor ihm flüchten und ihm nicht hinterherrennen. In seinem Sinn war nur: Ihn aufhalten. Egal, wie. Schließlich hatte er das Handy am Ohr. „Vater, schick eine Einheit her! Takagi ist hier… Und er hat unsere Volleyballmannschaft beobachtet. Man muss ihn stoppen, bevor er das wahr machen kann, was er gerade ins Auge gefasst hat!“

Hinter ihm war eine Person, die ihn an der Schulter griff und ihn aufhielt, über die dicht befahrene Straße zu rennen, wo der Verkehr es alleine schon gefährlich machte, einfach so rüberzurennen. Was würden bloß seine Eltern sagen, die ihn sonst nur als ruhigen Kerl kannten, der immer vernünftig war.

„Spinnst du? Da sind so viele Autos!“

„Lass, mich… Lass mich los, Takahashi. Ich will ihn kriegen…”

„Du willst ihn kriegen? Wohl eher sterben… Bist ja schon so irre wie Sêiichî!“ meinte er und zog ihn kräftig an den Schultern zurück auf den Asphalt.

Ryochi versuchte den Kerl nicht aus den Augen zu lassen. „Wie können den doch nicht einfach so ungeschoren davonkommen lassen! Da, los hinterher!“

Ryochi schien ihm gerade nicht zurechnungsfähig. Und das nur, weil das alte Arschloch vor seinen Augen drauf losgeballert hatte und er seitdem die Bilder nicht mehr loswurde. Ja, Bilder, die mit diesem Kerl zu tun hatten, hielten ein Leben lang. Schon in Kyoto hatte er überall Spuren in den verschiedensten Menschen hinterlassen. Am besten man fürchtete sich.

„Ich hab Yuichi getroffen!“

Mit einem Mal stellte Ryochi all seine Handlungen ein und erstarrte zur Salzsäure. „Was?“

Takahashi wusste, dass der Name ihn zumindest so beeindrucken würde. Bei dem, was er zu sagen hatte, würde er einen Teufel tun und diesem Mistkerl nachrennen.

„Er tut alles dafür, damit dir nichts passiert!“ schnauzte er seinen Cousin an und der ging fast ein bisschen ängstlich rückwärts. „Raffst du das überhaupt?“ Er war stinkesauer. „Sei gefälligst nicht so blöd! Reicht doch, wenn Sêiichî immer so blöd ist, sich mit jedem anlegen zu wollen.“

Ryochi senkte den Kopf, wie ein Junge, der ausgeschimpft wurde. „Wenn du dem Alten nachrennst, muss Yuichi sich wieder einmischen, weil dieser Kerl sich vor keiner Schandtat scheut. Er würde dir einfach in den Kopf schießen, so kalt ist er!“ Das war die Wahrheit. Dieser Kerl würde jeden töten, der ihm in die Quere kam. Am besten man ließ ihn nicht wissen, dass man gegen ihn war.

„Sêiichî ist doch schon fast gestorben. Reicht das nicht?“

„Ich weiß“, sagte Ryochi leise. „Dafür soll dieser Kerl ins Gefängnis. Und für die anderen Dinge, die er anderen immerzu antut. Verstehst du das nicht, dass man den nicht einfach entkommen lassen kann?“

„Wer ist da am Handy?“

„Mein Vater…“

Takahashi ging zu Ryochi und nahm ihm das Handy weg. „Hey, Onkel. Ich pass auf, dass Ryo keine Dummheiten macht. Wenn’s sein muss, schlage ich ihn k.o.“ Er grinste fies. „Takagi ist Richtung Roppongi Hills unterwegs. In einem Taxi. Kennzeichen ist Tokyo – 6947. Wir gehen zurück zur Sporthalle und verhalten uns ruhig.“

Seine Hand ergriff Ryochis Arm und er hielt diesen so fest umklammert, dass es schon wehtat. „Ihr kriegt dieses Schwein… Mata.“

Dann wurde aufgelegt und er fühlte sich einigermaßen heldenhaft, dass er das Kennzeichen übergeben konnte, ohne dass irgendwer sich in Gefahr bringen musste.

„Du konntest dir das Kennzeichen merken, obwohl du mit uns gestritten hast, das ist faszinierend“, meinte Ryochi durchaus anerkennend. „Hoffentlich war’s auch das Richtige.“ Er war viel zu aufgewühlt gewesen, um darauf noch achten zu können. Spätestens als die Rede von Yuichi war, funktionierte sein Kopf nicht mehr so gut.

„Diesmal kriegen sie ihn“, meinte Takahashi zuversichtlich. ‚Dann kann er Toshizo nicht mehr irgendwelchen Quark einreden…‘

„Was hat Yuichi dir gesagt?“ fragte Ryochi ruhig, aber mit ziemlich wackelnder Stimme.

„Echt jetzt? Was wohl?“ Takahashi hustete in die Hand, um Yuichi nachzumachen… Dann begann er zu schreien: „Hast du noch alle Tassen beisammen, du Vollidiot?! Halt dich gefälligst von diesem Kerl fern! Mir reicht’s mit euch! Immer hat man Ärger! Und jetzt gehst du nach Hause, sonst mach ich dir Beine!“ Takahashis Gesicht veränderte sich kurz darauf zu einem leichten Lächeln. „So etwas in die Richtung.“ Er war wirklich ungehalten gewesen. Die Prügel, die er bekommen hatte, ließ er jedoch unerwähnt. Wenn man Yuichi sauer machte, bekam man eben ab. Er war selbst schuld, wenn er sich ganz entgegen der Vorstellung vom heldenhaften Yuichi anbot, ihm helfen zu wollen. Das ist nichts für Kinder. Das mit dem Kind würde er ihm noch büßen. So erwachsen war er jawohl selber nicht…



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Kommentare zu dieser Fanfic (35)
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Von:  Irischka25
2023-11-14T16:15:35+00:00 14.11.2023 17:15
Ich hoffe wirklich das die Geschichte weiter geht. Hat mir sehr gefallen bis jetzt.

Das englische Teil würde ich aber ins Deutsch machen. Ist nervig immer zu kopieren und übersetzen lassen.

Ist auch zu verwirrend in manchen kapiteln. Es kommen immer mehr Leute hinzu und andere verschwinden.
Von:  MiwakoSato
2019-05-08T21:42:27+00:00 08.05.2019 23:42
In der Ecke stand das verängstigte Ding, was sie selbst sich wie eine Halbgöttin fühlen ließ und strahlte freudig, anscheinend hatte sie ihn schon eingeweiht. Das macht sie echt nicht sympathischer xD
Ihm schien unter der Brücke schlafen, klang attraktiver, als sich mit der Diva rumplagen zu müssen… sie muss wirklich liebenswert sein xD

Kejis und Shiros Gastauftritt fand ich aber auch sehr schön :3

Das Gespräch zwischen Chris und Serena war sehr aufschlussreich. Ich kann es teils verstehen, aber sie sollte ihren Zorn in den Griff kriegen. Ihre Cousine hat ihr nichts getan. Und er? Warum wettert sie so gegen ihn? Er muss ihr ja was getan haben.

Deine Miwa~ ^^
Von:  MiwakoSato
2019-05-08T18:59:49+00:00 08.05.2019 20:59
verdammt gutes Kapitel.
Ich mag Yuriko nicht. Kein bisschen. ._.
Sie hat von nichts eine Ahnung, aber dann so anklagend sein. Eine Polizistin hat nicht anklagend zu sein. Das Privileg gehört der Staatsanwaltschaft und dem Richter! Polizisten verhaften sie. Sieurteilen nicht!

Gruß Miwa ^^
Antwort von:  Melora
08.05.2019 21:20
schöenr Kommi xD danke. so sehe ich das auch. Polizei sollte nicht urteilen, tun andere. eigentlich gilt das generell... menschen sind nicht fürs Urteilen gemacht, aber irgendwer muss ja, ne?
Von:  Vineyards
2019-05-02T16:23:02+00:00 02.05.2019 18:23
was du immer so schreibst Andrea o_o
Das fanart mag ich übrigens *nur deswegen die FF gelesen hat*
aber ich würde auch sagen, das muss man noch einmal überarbeiten, weil es einfach zu alt ist, um es weiterzumachen

Grüße ^^
Von:  Meitantei
2017-10-05T18:51:55+00:00 05.10.2017 20:51
"Du machst dem Jungen das Leben zur Hölle und als Gegenleistung werden wir uns mit Sêiichî Iwamoto beschäftigen.. hehe"
y_y
"Was wird mit Iwamoto geschehen..?"
"Der Kerl wagt es bei einer Frau, die mir versprochen wurde, Annäherungsversuche zu starten, auch wenn ich denke, dass sie ihn nicht an sich ranlassen wird, dennoch stört es mich und ich will ihn loswerden, außerdem hatten wir vor ein paar Jahren eine Auseinandersetzung, als es um einen Auftrag ging. Nun ja, er weiß zuviel über mich, was heißt, dass er sterben muss... Ryochi Akaja brauche ich noch..." <~ er ist absolut widerlich, ekelhaft, ein Teufel, der sterben muss. Nicht seiichi xD
Schnappt sich alle Feinde von ihm und läd sie zur Orga ein. Mahlzeit ._."""""""""

Von:  Meitantei
2017-10-05T17:42:35+00:00 05.10.2017 19:42
das ist eins der besten Kapitel dieser ganzen FF. Viele Dinge hast du ein bisschen komisch geschrieben, aber das hier mag ich total. In den anderen hat Vermi aber arg übertrieben xD
Ich finde (wie Seiichi) gut, wie es endet... hat er gut gemacht^^"
aber ich verstehe auch, was sie dazu sagt . Ihn deprimiert das oder?
Ich wünschte, du würdest die FF noch einmal überarbeiten. Und alles ordentlich machenXD so wie den Teil.
Mach das doch ^^
Von: abgemeldet
2007-11-04T02:03:43+00:00 04.11.2007 03:03
So ein Ende ist wieder typisch für [[Melora]]
> >;
Der Teil war aber sehr amüsisant besonders dass Sêiichî so eifersüchtig ist das hat er nicht zu sein wo er mit Chris anbändelt *lol*
Jay und L waren auch interssant und Chardonnay fand ich mal wieder sehr nett!! ich wusste recht früh, dass er das sein muss wegen Weihnachten ><
Ich hoffe es dauert jetzt nicht wieder ein paar Jahre mit dem weiterlesen >> ich mach dir dann Beine XD

Mata ne~~
Ryo-Baka
Von:  Eri_Kisaki
2006-09-01T20:45:33+00:00 01.09.2006 22:45
Gut, der Teil war wirklich fies. T__T Das die bei den ganzen Intrigen überhaupt noch Lebensfreude haben, grenzt ja nahezu an ein Wunder.
Ich fand’s aber irgendwie süß, wie Sêiichî da am Morgen aufgewacht ist. XDD Aber das Gespräch am Abend vorher fand ich wirklich klasse. ^-^ Da hat er ein Glück, dass sie nicht mehr sauer auf ihn ist. Ob er das so gut überstanden hätte? LOOL Obwohl er übersteht ja auch die extremsten Verletzungen und geht dann noch schön in die Schule. *den Schmerz gleich mitfühl* >.< Aber Schmerzmittel sind eben nicht alles. Hatte ich mir auch schon gedacht, dass Ryochi bemerken wird, was mit seinem Freund los ist. Der kennt ihn ja schließlich.
Ich kann Takahashi wirklich überhaupt gar nicht leiden. >.> Erst die Sache mit Shina und dann auch noch mit Riina. Als wenn die nicht schon genug Sorgen hätte. Und Kotomi und die Trainerin sind ja auch nicht gerade nett. Was hat sie denn gegen Riina, dass sie ihr gleich was ins Trinken gibt? >.<
Du musst diese FF auch unbedingt mal weitermachen! *----* Ich mag die voll gerne.
Eri_Kisaki
Von:  Eri_Kisaki
2006-08-19T21:39:29+00:00 19.08.2006 23:39
Die Sache mit Kôji und Akemi fand ich sehr traurig. ._. Erst traut er sich voll nicht zu ihr zu gehen, tut es dann doch und will eine zweite Chance und sie sagt nein. Dabei hätte sie ja anscheinend doch schon zu gerne ja gesagt. Wenn sie ihn schon am liebsten küssen wollte. XD
Total unfair. Zu gerne hätte ich ihr in dem Augenblick paar rübergezogen.. Der arme Kôji.
Aber nun bleibt er ja erst einmal bei ihr, wenn auch nur als Freund. Wenigstens schiebt sie ihn nicht vollkommen ab. T_T
Und Shina geht nachts alleine durch die Straßen? >.< Auch, wenn man sich verteidigen kann.. das sollte man dann doch lieber vermeiden.
>.< Chardonnay versucht aber auch immer wieder Wataru weh zu tun. Jetzt Shina, auch wenn er wieder einmal nicht erfolgreich war. Ryochi sei dank! Und auch wenn er angeschossen wurde.. er lebt ja noch. ^^
Vermouth schafft es aber auch gar nicht irgendeinen Fall ordentlich durchzuführen XD Kommt diesmal Akai vorbei. O.O Der muss sie ja wohl auch immer verletzten.
Bei dem Typen, der sich ihr in den Weg gestellt hat, wusste ich sofort, wer das ist. ^^ Könnte sie doch ein bisschen mehr Dank zeigen, dass er sie vor Akai beschützt. LOL Auch, wenn er ihr einen Schlag in die Magenkuhle verpasst hat. Nicht gerade die feine Englische. >.< LOL Und seine Belohnung.. XDD Das er nicht mit der Ohrfeige gerechnet hat. War doch vorauszusehen! XD Bin mal gespannt, wie ihr nächstes Aufeinandertreffen aussieht. *grins*
Eri_Kisaki
Von:  Eri_Kisaki
2006-08-05T21:47:23+00:00 05.08.2006 23:47
Mensch.. Irgendwie habe ich voll Mitleid mit dem armen Wataru. Ich würde ihm Shina so gönnen, auch wenn Miwa wahrscheinlich besser für ihn ist. XD
Ryochi hat nicht so meine Sympathien, weil der Wataru so unglücklich durch ihn ist. T_T LOL
Seine Gedanken immer.. das ist so typisch. Er fühlt sich überflüssig, kann seine Gefühle nicht zeigen usw.. Was für ein Pessimist XDD *Wata patt*
Aber erst Shina hinterher spionieren, sie dann sie auch noch küssen. Uiuiui.. Und sein Abgang war ja auch geil… XDD „Ich bin egoistisch. Ich hau ab!“ LOL
Bin mal gespannt, wann er darüber hinwegkommt und glücklich ist.
Ach ja. Ich mag die FF. LOL *neuen Favoriten hat*
Eri_Kisaki


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