Zum Inhalt der Seite

The Journey that ties us together

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Castiel

2 – Castiel
 

Castiel?
 

Wenn Sam zu ihm sprach, begannen seine Gebete immer auf die gleiche Art und Weise. Sein Name, fragend, behutsam und respektvoll. In seinem Tonfall lag stets die Entschuldigung, dass er die Zeit des Engels in Anspruch nahm; heute Nacht war keine Ausnahme.
 

Ich weiß nicht, ob Dean schon mit dir gesprochen hat, oder ob du es bereits gewusst hast.
 

Eine lange Pause, sodass Castiel darüber nachdachte, ob Sam das Gebet einfach abgebrochen hatte, doch dann sprach dieser weiter und die Stimme klang anders, als Castiel sie bisher jemals von Sam gehört hatte.
 

Ich bin die wahre Hülle von Lucifer. Er ist mir in einem Traum erschienen, aber gefunden hat er mich noch nicht. Ich denke, dass das deine Sigille auf meinen Rippen auch verhindern wird. Ich werde also untertauchen und es ihmhoffentlich so schwer wie möglich machen.
 

Abermals eine lange Pause und Castiel, der Jahrhunderte in Stillstand verharren konnte, in Einklang mit dieser wunderbaren Kreation seines Vaters, fühlte das erste Mal so etwas wie Schwere, eine Art Trauer, die ihn an Sams Augen erinnerte, als er die beiden Männer vor Zachariah gerettet hatte.
 

Dean und ich gehen für eine Weile getrennte Wege. Ich habe es vorgeschlagen. Man kann mir nicht vertrauen, dass weiß ich jetzt. Und außerdem...
 

Wieder brach Sam ab und Castiel hörte ihn erstickt lachen. Er hatte es schon oft beobachtet, bei Menschen, die versuchten ihre Tränen zu unterdrücken. Dass es nun Sam war, ließ ein Gefühl in ihm aufsteigen, das nicht angenehm war.
 

Wie dem auch sei. Ich möchte dich bitten, Castiel, achte auf Dean. Er hat eine große Last zu tragen und nur wenige, die ihm helfen können, diese Last zu teilen. Er vertraut dir, legt großen Wert auf deine Meinung, als sein Freund und als Krieger. Zusammen könnt ihr es schaffen, da bin ich sicher. Seid bitte vorsichtig, und passt aufeinander auf. Castiel, du bist jetzt der einzige, der Dean den Rücken frei halten kann und deswegen bitte ich inbrünstig: Halte ihn sicher.
 

Castiel wartete noch einige Minuten, doch Sam sprach nicht weiter. Dennoch war das Gebet nicht beendet, aber die Art, wie Sam kommunizierte, hatte sich verändert. Es war nun emotionaler, ein stummes Flehen, die Bitte um etwas, das Castiel zu geben nicht in der Lage war. Der Engel presste die Lippen aufeinander, während er auf die Menschen hinab starrte, die sich auf dem Vorplatz der kleinen Kirche gesammelt hatten. Sie feierten eine Hochzeit und ihr Glück, ihre Leichtigkeit war ein so starker Kontrast zu Sam und seinem Gebet, dass Castiel gezwungen war, den Blick abzuwenden.
 

Er hatte für Dean gegen den Himmel und die Entscheidungen, die seine Vorgesetzten fällten, rebelliert und sah ihn nicht nur als Freund, sondern als Dreh- und Angelpunkt der nun folgenden Ereignisse. Castiel war der Ansicht, dass der Starrsinn des Jägers und sein Sinn für Gerechtigkeit dazu führen könnte, die Apokalypse zu verhindern. Sam, Bruder und Partner von Dean, war für ihn jemand, den es zu beschützen galt, trotz seines Schicksals, die wahre Hülle Lucifers zu sein. Mehr noch, Castiel spürte eine beginnende, freundschaftliche Bande zu dem jüngeren Winchester und kombiniert mit dem unangenehmen Gefühl in seiner Brust, keimte in ihm der Wunsch, noch einmal in Kontakt mit Sam zu treten.
 

Ein Unterfangen, das noch vor wenigen Wochen problemlos bewerkstelligt hätte werden können. Doch seit der Sigille, die Dean und Sam selbst vor seinen Augen verbarg, gab es nur die Wege, die die Menschen auch benutzen. Ein Telefon, beispielsweise.
 

Castiel trat zum Rand der Kirche und über diesen hinweg. Einen Herzschlag später tauchte er hinter der Hochzeitsgesellschaft auf dem Platz wieder auf und marschierte zu dem Münztelefon, das er an der Straßenkreuzung gesehen hatte. Ein anderer Mann telefonierte in ihr äußerst erregt, wobei er wild mit den Armen gestikulierte. Seine Hände waren groß und erinnerten Castiel an Sams warme Hand und an den Tag, an dem sie sich das erste Mal begegnet waren. Sein Kiefermuskel trat hervor, als er die Zähne aufeinander presste. Er dachte nicht gern an diesen Tag zurück. Es löste ein Gefühl von Reue und Bitterkeit aus, das Castiel nur zu gern von sich schob.
 

Der fremde Mann starrte ihn durch das Glas hindurch an und schleuderte ihm ein paar wüste Zeichen entgegen, auf welche Castiel seine Brauen zusammenzog. Menschen waren solch seltsame Kreaturen. Er tat doch nichts anderes, als zu warten und er war vorsichtig gewesen, nicht in den persönlichen Raum des Kahlrasierten zu geraten. Trotzdem schubste ihn dieser grob, nachdem er den Hörer auf die Gabel geknallt und sich wie ein wütender Stier aus der kleinen Zelle gekämpft hatte. Nicht dass Castiel unter dem Schlag auch nur im Geringsten ins Wanken kam.
 

Eine Schulter gehoben, betrat er die Zelle und studierte das Telefon, bevor er den Hörer in die Hand nahm und ans Ohr führte. Das Freizeichen wurde von dem Piepen unterbrochen, das entstand, als er die einzelnen Ziffern der Nummer von Sams Handy drückte, dann gab es eine Pause, bevor eine weibliche Stimme ihm erklärte, dass der Teilnehmer nicht erreichbar war. Unsicher, ob er alles richtig gemacht hatte, wiederholte er das Prozedere ein weiteres Mal, erhielt aber das gleiche Resultat. Sam ging nicht an sein Telefon. Er hing den Hörer auf und verließ die Telefonzelle ohne ein Ergebnis.
 

Später, als er Dean nach einem weiteren Telefonat traf und ihn auf Sam ansprach, zuckte dieser nur mit den Schultern. Er solle sich keine Gedanken machen, Sam würde es sicher gut gehen und wenn er nicht ans Telefon ging, dann wahrscheinlich nur, weil er einen sauberen Schnitt zur Jagd machen wollte. Das erschien Castiel recht unwahrscheinlich und auch in Deans Augen sah er Unruhe, die sich nur noch steigerte, als dieser mitten in der Nacht Sams Nummer wählte.
 

„Nicht einmal Voicemail“, murmelte er, als er auflegte und das Handy gegen seine Lippen drückte, bevor er zu Castiel blickte, der steif und unbewegt mitten im Raum stand. „Du sagtest, er hat zu dir gebetet?“
 

Der Engel nickte, kam einen Schritt auf Dean zu. Es war seltsam, diesen allein zu sehen. „Er berichtete mir von Lucifers Besuch und davon, dass ihr im Moment getrennte Wege geht. Er bat mich, auf dich zu achten.“
 

Dean schnaubte verächtlich, brummte, dass er keinen himmlischen Aufpasser brauchte. Castiel war anderer Ansicht, aber er ging auf den Kommentar nicht ein, dachte stattdessen an das Gebet zurück und berichtete Dean von den Emotionen, die Sam transportiert hatte, aber auch diese Sorge wischte der andere Mann einfach weg.
 

„Es wäre schlimm, wenn er sich nicht schlecht fühlen würde, Cass.“ Dean ging zu seiner Tasche und begann sie auszupacken. „Er hat Lucifer aus seinem Käfig gelassen und ihm die Welt auf dem Silbertablett präsentiert. Und nun kann der Teufel mit ihr spielen, als wäre er in einem Buddelkasten. Solche Scheiße kann man nicht einfach ignorieren, oder runter würgen. Sam weiß das, sonst wäre er nicht freiwillig gegangen. Er wird sich schon melden.“
 

Damit verschwand Dean im Bad und Castiel unterließ es, ihm zu sagen, dass er der Ansicht war, dass Sam und dessen Gebet nicht danach geklungen hatte, in naher Zukunft Kontakt aufzunehmen. Eher im Gegenteil. Für Castiel hatte das Gebet des jüngeren Winchester wie ein Abschied geklungen. Das gleiche, unangenehme Gefühl, das er schon auf dem Kirchendach gespürt hatte, kehrte nun zurück, heftiger als zuvor und Castiel sah sich genötigt, eine Faust gegen sein Brustbein zu drücken, versuchend, es auf diese Art und Weise zu mildern. Es gelang nicht vollständig und Castiel ahnte, dass es Sorge war, die ihn durchdrang. Er wollte nicht, dass Sam Winchester allein war.
 

Doch sein Versuch, dies Dean klar zu machen, als dieser aus dem Bad zurückkehrte war ein sinnloses Unterfangen. Der Jäger ließ sich mit einer Flasche Bier auf sein Bett fallen, stellte den Fernseher an und erklärte das Gespräch für beendet, noch bevor es begonnen hatte. Castiel starrte Dean noch eine Weile an, dann öffnete er seine Schwingen und verließ diesen auf der Suche nach einem weiteren Münztelefon.
 

Dean mochte zu wütend und zu verletzt sein, um sich der Sorge hinzugeben, die Castiel in seinen Augen gesehen hatte, aber das bedeutete nicht, dass der Engel das Gleiche machen würde.
 

Sam, dachte er, Dean ist nicht der einzige, den ich sicher halten werde.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  yamimaru
2019-01-07T14:44:15+00:00 07.01.2019 15:44
Oh, ein Sichtwechsel. Damit hätte ich jetzt so gar nicht gerechnet, aber es ist interessant mal aus der Sicht eines Engels die Ereignisse mitzuerleben.
Ich finde es hier sehr schön, wie du ihmm nahezu menschliche Emotionen verleihst, immer wieder aber darauf aufmerksam machst, dass sie doch ein sehr fremdartiges Konzept für ihn sind.
Wieder tut mir Sam hier verdammt leid und es ist vermutlich erneut meinem fehlenden Wissen, was in der Serie geschehen ist, zu verdanken, aber ich finde es so unfair. dass er an allem Schuld sein soll.
Dans Reaktion auf die Erzählungen Castiels sind vielleicht nachvollziehbar und zumindest erkennt der Engel die Sorge in seinen Augen, aber warum ist er nur so stur?
Nach allem, was die beiden Brüder miteinander erlebt haben, all die Angriffe von Dämonen und übernatürlichen Wesen, müssten ihn doch hellhörig werden lassen, wenn Sams Handy so komplett tot ist?
Ich an Dans Stelle wäre da vermutlich schon auf 180, weil ich Sorge hätte, dass Sam etwas zugestoßen ist.

Castiels Anflug von Sorge kann ich daher echt gut nachempfinden und wieder ist es schön zu sehen, dass selbst ein göttliches Wesen mit einer Art Schmerz auf die Ungewissheit reagiert.
Hoffentlich findet Castiel Sam, bevor irgendwas schlimmes mit ihm geschieht. U_U

Auch Castiels letzte Worte, dass er nicht nur Dan sicher halten wird, finde ich soooo schön gewählt, ehrlich mal. Ich sag ja, du weißt mit den Emotionen umzugehen, was auch in diesem Kapitel - besonders am Anfang, während Sams Gebet - wieder total deutlich wird.

Lg
yamimaru


Zurück