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Welt ohne Grenzen

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Und weiter geht's mit dem zweiten Teil des vorherigen Kapitels. Komplett anzeigen

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Gipfel der Riesen II (Noctis Lucis Cealum)

Ich habe kaum die Augen geschlossen da rüttelt Ignis mich auch schon wach. Einen Moment brauche ich, mich zu orientieren, dann schlüpfe ich ergeben wieder in meine nasskalten Klamotten.
 

„Tut mir Leid, ich hätte daran denken sollen, etwas zum Wechseln einzupacken“, entschuldigt sich Ignis, aber ich winke direkt ab.
 

„Schon okay. Wenn ich gewusst hätte, dass wir heute Abend hier schlafen, hätte ich den ganzen Tag über schon Magie gesammelt. Hat das bisschen Feuer zum Kochen gereicht?“
 

„Gerade so, fürchte ich. Ich hätte es gern noch zum Trocknen unserer Kleidung verwendet, aber es war wirklich nicht viel.“
 

„Eh ein Luxus, diese Magie“, meint Aranea, „In Niflheim müssen wir Steine aneinander reiben, um Feuer zu machen, und das dauert noch Stunden.“
 

„Nun, so viel Zeit haben wir nicht“, meint Ignis, „Ich habe ein kaltes Frühstück vorbereitet, das sollte uns etwas Energie für den Tag geben.“
 

Das besagte Frühstück besteht ebenfalls aus Brot und Schinken, diesmal aber immerhin ohne Grünzeug. Leider auch ohne den Schmelzkäse, aber immer noch besser als gar nichts. Mit vollem Magen ist es zumindest ein bisschen wärmer in der nassen Kleidung… und nach der ersten Runde Schwimmen ist das klamme Gefühl eh wieder der Resignation gewichen. Nass. Alles nass. Langsam fühle ich mich fast wie ein Fisch… ein stinkender Fisch in stinkendem Wasser. Hier würde ich nicht angeln wollen, wer weiß, was da alles anbeißt… Ratten, Leichenteile… besser nicht dran denken.
 

Ignis führt uns weiter mit blinder Sicherheit durch die Tunnel, und ich bin froh, ihm einfach hinterher trotten zu können. Zehn Ecken weiter kommt endlich ein wenig Strom aus der Wand, gerade genug, um eine Flasche Blitzra abzufüllen. Hoffentlich bringt es wenigstens was…
 

Unser Gegner ist eine Maschine, da stehen die Chancen gut, dass er schwach gegen Strom ist. Dummerweise ist es ebenso möglich, dass er ganz immun dagegen ist, also sollte ich besser weiter die Augen aufhalten, ob ich nicht auch noch Feuer oder Eis finde. So kalt wie mir gerade ist, sollte Eis zumindest zu finden sein, aber ich finde nur mehr Strom.
 

Wäre das hier ein Rollenspiel, würde es wohl sicher auf eine Schwäche des Endbosses hindeuten. Und wenn Prompto hier wäre, hätte er genau das jetzt gesagt. So verhallt seine Stimme in meinem Kopf, ohne, dass es die anderen mitbekommen.
 

„Meint ihr, ich könnte diese Magie auch benutzen?“, fragt Aranea interessiert.
 

„Solange du auf meiner Seite stehst ließe sich das einrichten“, überlege ich, „Allerdings braucht es etwas Übung, und dafür habe ich, fürchte ich, im Moment nicht die nötigen Ressourcen.“
 

„Verstehe. Ist nicht so einfach wie es aussieht, was?“
 

„Wenn man Talent hat, ist es gut machbar. Der Rest ist Training“, erklärt Ignis, „Ähnlich wie mit deiner Magitechlanze, vermute ich… die würde ich auch gerne mal ausprobieren, wenn du erlaubst und sich die Möglichkeit mal bietet.“
 

„Auch nicht so einfach, wie es bei mir aussieht“, gibt Aranea schnippisch zurück, „Aber mit so einem adretten Typen wie dir würde ich mir so eine Trainingseinheit schon mal ansehen, schätze ich. Die nassen Haare sehen übrigens ziemlich süß aus.“
 

Ignis fasst sich verlegen an den Schopf und wendet sich errötend ab.
 

„Kaum zu fassen, dass der ne Frau hat“, raunt mir Gladio zu, „der flirtet mit der Eleganz einer Steinmauer.“
 

„Soll ja Frauen geben, die sowas attraktiv finden“, schätze ich.
 

„Und seit wann kennst gerade du dich da so gut aus, eh?“, lästert Gladio und nimmt mich spielerisch in den Schwitzkasten.
 

„Lass das!“
 

„Wüsste ja nur zu gern, wann du Klemmi mal mit Frauen zu tun hattest.“
 

„Man kann sich Wissen auch theoretisch aneignen, Gladio“, hilft mir Ignis aus und lenkt Gladio damit genug ab, dass ich mich freistrampeln kann, „Zumindest, wenn man ein bisschen mehr im Kopf hat als du.“
 

„Hey, ich weiß selbst, dass ich nicht der Klügste bin, okay? Das musst du mir nicht extra sagen.“
 

Beleidigt scheint er aber nicht zu sein deswegen. Nur die üblichen Sticheleien, ganz wie früher. Trotzdem mache ich mir Sorgen… Die Jungs waren in meiner Abwesenheit zerstritten, Ignis hat selbst gesagt, dass Worte und Sätze gefallen sind, die keiner zurücknehmen kann. Ich habe Angst, dass die Leichtigkeit, mit der meine beiden Freunde reden, vielleicht nur aufgesetzt ist.
 

Vor lauter Gegrübel wäre ich jetzt auch noch fast in Ignis reingelaufen.
 

„Was ist, warum bleiben wir stehen?“
 

„Ich hab was gehört“, meint Ignis, und der Rest von uns hält schlagartig die Luft an. Ich höre nichts, aber Ignis legt mit geschlossenen Augen den Kopf schief und macht ein paar winzige Schritte in verschiedene Richtungen, als wollte er ein Signal orten. „Im Tunnel zu unserer Rechten bewegt sich etwas. Klingt nach Krallen auf Beton, ähnlich den Ratten vorher, aber es muss größer sein.“
 

„Wir wurden vor mutierten Ratten gewarnt“, erinnere ich mich, „Müssen wir da lang?“
 

„Nicht direkt“, erkennt Ignis mit Blick auf die Karte, „Aber seid trotzdem vorsichtig. Wir scheinen uns langsam in den Einflussbereich der Maschine zu begeben.“
 

„Schon Kopfweh?“, forscht Gladio nach.
 

„Ein wenig. Aber noch kann ich mich gut davon ablenken.“
 

„Wenn es schlimmer wird, sag bitte Bescheid“, flehe ich, „Du musst nicht bis zum Ende mitkommen, wenn es dir Schmerzen bereitet.“
 

Wenn ich etwas nicht sehen will, dann, dass meine Freunde leiden. Aber Ignis lächelt nur und ich weiß genau, dass er bis zum Schluss bei mir bleiben will, egal was kommt. Wenn es hart auf hart kommt, werde ich ihn trotzdem weg schicken. Er hat meinetwegen wirklich schon genug gelitten.
 

„Bist du nicht hier geboren?“, fragt Aranea nach, „Ich dachte, diese Maschine soll die Bewohner von Lucis‘ schützen.“
 

„Die Maschine soll vor allem MI vernichten“, erklärt Ignis seufzend, „Und anstatt sich auf Plasmodium zu konzentrieren dachte der Erbauer wohl, er könnte einfach die DNS der Klone suchen lassen. Die ist allerdings doch ein wenig diverser als er dachte, und irgendwann hat die Maschine ihren Suchradius gewaltig erweitert, sowohl lokal, als auch im Hinblick auf die gesuchten Gene. Soweit wir bisher ermitteln konnten, trifft es hauptsächlich Leute die blond und blauäugig sind, was hier in Insomnia selten, aber auch nicht ganz ungesehen ist.“
 

„Prompto ist jedenfalls nie groß aufgefallen“, füge ich hinzu, „Weder wegen seiner Haarfarbe noch sonst irgendwie.“
 

„Also greift diese Maschine auch ganz normale Leute hier in der Stadt an und keiner beschwert sich?“ Aranea ist so außer sich, dass sie tatsächlich stehen bleibt, um Ignis ungläubig anzustarren.
 

„Oh, wir haben uns beschwert, so ist es nicht. Die Regierung ist nur leider nicht halb so demokratisch wie sie tut, und auf uns ehemaligen Adel hört eh niemand. Die niederen Bürger haben sich mit einer Presseerklärung zu gefährlichen Handystrahlen zufrieden gegeben.“
 

„Man muss allerdings dazu sagen“, ergänzt Gladio, „Dass hier in Insomnia noch niemand gestorben ist. Hauptsächlich, weil wir die Leute aus der Stadt gebracht haben, bevor es zu schlimm wurde, aber…“
 

„Aber so schlimm wie in Niflheim war die Trefferquote hier nie.“
 

„Schon komisch, oder?“, überlege ich, „Ich meine, der Effekt der Maschine wird schlimmer, je näher man ihr ist, trotzdem reicht der Einfluss bis ganz in den Westen von Eos, und ist da noch stark genug, um Menschen zu töten, deren DNS nicht mal komplett mit der der MI übereinstimmt? Da kann doch was nicht stimmen… Nicht, dass diese Maschine irgendwelche Ableger in die anderen Städte gepflanzt hat oder so…“
 

„Das… wäre in der Tat möglich“, überlegt Ignis, „Und es würde erklären, wie die Wellen sich so ruckartig Stadt für Stadt ausgebreitet haben. Wir haben das ja einigermaßen mitbekommen, solange wir Prompto noch im Blick hatten…“
 

„Aranea, ist dir in Niflheim etwas aufgefallen? Zum Beispiel, dass die Menschen in einem bestimmten Gebiet besonders betroffen waren?“
 

Aranea verschränkt die Arme und blickt an die tropfende Decke über sich. Jetzt da wir still stehen, wird mir direkt wieder kalt, gleichzeitig ist mir innerlich fast heiß vor Wut und Sorge.
 

„Im Stadtzentrum war es am Schlimmsten“, meint Aranea schließlich, „Etwa um das Regierungsgebäude herum. Dort steht zufällig auch das größte und am besten ausgestattete Krankenhaus, weswegen wir die meisten Opfer in den kleineren Kliniken weiter auswärts versorgen mussten.“
 

„Also sehr wahrscheinlich, dass es einen Ableger gibt… möglicherweise ist es in den anderen Städten genauso.“
 

„Verdammt.“
 

Ich beiße mir auf die Lippe und scharre auf dem schleimigen Boden herum. Wenn diese Maschine Ableger hat… Ableger herstellen und ausschicken kann, reicht es nicht, eine zu zerstören. Wir müssen alle finden und möglichst relativ zeitgleich unter Kontrolle bringen. Also…
 

„Gladio“, fällt mir ein, „Als du vorhin gesagt hast, ihr hättet Leute aus der Stadt gebracht, meintest du nicht dich und Ignis, oder? Wer alles ist ‚wir‘?“
 

Gladio grinst breit. „Was meinst du wohl, wenn wir meinen, wenn wir von ‚den Königstreuen‘ sprechen? Die Garde und die Gleven halten noch zu großen Teilen zusammen. Cor, Libertus und ich geben die Befehle, wenn irgendwo etwas zu tun ist.“
 

„Kannst du Cor von hier aus anrufen? Nein, warte, gib am besten gleich mir das Handy oder mach auf Laut.“
 

Gladio gehorcht, und nach ein paar Verrenkungen hat er auch den nötigen Empfang für sein Mobiltelefon gefunden.
 

„Gladio, gut dass du anrufst. Hier reden alle davon, dass der König zurück wäre…“
 

„Guten Morgen Cor“, grüße ich betont fröhlich, „Tut mir Leid, dass ich dir nicht gleich Bescheid gesagt habe, es ging alles etwas schnell.“
 

„Noctis?!“
 

„Genau der. Hör mal, ich würde echt gerne sagen, ich hätte nur aus Höflichkeit angerufen, aber ich brauch deine Hilfe. Und deine Armee, wenn du eine zusammentrommeln kannst.“
 

„Ihr greift die Maschine an, richtig? Wo soll ich hinkommen?“
 

„Nicht hierhin. Wir haben die Befürchtung, dass die Maschine Ableger in den anderen Städten hat. Weitere Maschinen, oder zumindest sowas wie einen Signalverstärker. Ich brauche Leute, die diese Dinger finden, beobachten und nach Möglichkeit zerstören, während wir uns hier unten um das Hauptproblem kümmern. Wenn die Vertreter der anderen Länder noch da sind, fragt dort vielleicht um Beistand, ansonsten erbittet einfach die Erlaubnis, auf deren Terrain zu agieren. Hab gehört, Monica hätte ein wenig politisches Geschick bewiesen, vielleicht kann sie das Reden übernehmen?“
 

„Die Leute aus Niflheim und Accordo sind noch hier, ja. Nur den Kanzler von Tenebrae mussten wir raus bringen, er ist anfällig. Was sollen wir denen sagen?“
 

„Die Wahrheit. Dass wir vermuten, die Maschine hätte selbstständig Ableger ausgeschickt, und dass diese gefunden und zerstört werden müssen. Diese Ableger oder Signalverstärker finden sich vermutlich da, wo es den Menschen am schlechtesten geht. Wir brauchen noch zwei bis drei Stunden, um das Original zu erreichen, länger, wenn wir auf Widerstand stoßen. Haben hier unten dummerweise keinen Funk dabei, also müsstet ihr halbwegs autark handeln.“
 

„Alles klar, Mission verstanden. Verlasst euch auf uns, euer Majestät, wir werden diese Dinger finden und abschalten. Kann ich zurückrufen, wenn es Erfolge oder unerwartete Komplikationen gibt?“
 

„Ich bitte darum, kann aber nicht garantieren, dass wir Empfang haben hier unten.“
 

„Verstanden. Ich trommle sofort meine Leute zusammen. Und…“
 

„Ja?“
 

„Willkommen zurück, Noctis.“
 

„Danke, Cor. Ich verlasse mich auf dich.“
 

Ich lege auf und Gladio steckt sein Telefon weg, nicht, ohne vorher den Ton anzustellen, damit wir einen eventuellen Rückruf sofort mitbekommen.
 

„Dann mal weiter“, meint Ignis, „Ich höre schon wieder potentielle Angreifer kommen – diesmal leider direkt auf unserer Strecke.“
 

„Gut, dann haben wir wenigsten mal was zum Aufwärmen“, gebe ich zurück. Wir sind keine viertel Stunde lang gestanden und ich bin schon wieder ganz steif gefroren. „Immer besser, erst mal die Muskeln zu lockern, bevor es an den Endboss geht.“
 

Ich klinge wirklich langsam wie Prompto. Aber einer muss ja, sonst fehlt er komplett.
 

Zwei Gänge und eine Treppe weiter kommen wir noch unbehelligt voran, dann steht uns das erste Monster im Weg. Es ist, wie erwartet, eine mutierte Ratte. Auf den Hinterbeinen stehend ist sie fast so groß wie Gladio, und ihre Krallen sind so groß und scharf, dass sie sich wohl schon einige ihrer eigenen Finger abgetrennt hat damit.
 

Das Monster quietscht schrill und springt mit einem mächtigen Satz auf uns zu, den Gladio sofort mit seinem Schild abfängt. Ich ducke mich hinter ihm weg, werfe mein Schwert in die gegenüberliegende Wand und warpe mich hin, um der Ratte gleich darauf mit einem zweiten Warp in den Rücken zu springen. Einen Treffer kann ich landen, da ist das flinke Tier auch schon zu Seite gesprungen. Ich setze mit meinen Dolchen nach, und diesmal ist Ignis bereits auf der anderen Seite und schneidet dem Tier die Flucht ab. So zwischen unseren Klingen gefangen geht das Monster zum Angriff über, springt wieder auf Gladio’s Schild zu – und kracht mitten im Sprung zu Boden.
 

„Ganz schön eng hier drin“, beschwert sich Aranea und zieht ihre Lanze aus dem Kadaver, „Hätte mir fast den Kopf gestoßen.“
 

„Ich hätte mich hier drinnen überhaupt nicht zu springen getraut“, gibt Ignis zu.
 

„Ich auch nicht“, pflichte ich bei.
 

Gut, dass Aranea auf unserer Seite ist, mit der mutierten Ratte hätte ich nicht tauschen wollen.
 

Etwas vorsichtiger als bisher folgen wir weiter Ignis‘ Karte, und nun werden die mutierten Ratten immer häufiger und immer größer. Zu unserem Glück sind diese Mutationen eher unausgereift, viele der Ratten haben sich bereits selbst verstümmelt oder sind unkoordiniert und hilflos in ihren Bewegungen, wenngleich eindeutig aggressiv. Eine Ratte ist sogar so groß, dass sie in einem Durchgang feststeckt. Gladio erlöst das arme Tier mit einem gut gezielten Schwerthieb, dafür sind wir einige Zeit damit beschäftigt, den Kadaver weiter zu zerteilen um uns den Weg frei zu machen.
 

„Widerlich“, beschwere ich mich, als wir die hintere Hälfte des toten Tieres in den nächsten Gang schieben, wo sie platschend ins morastige Wasser fällt.
 

„Ja, aber schneller, als den Umweg zu nehmen“, meint Ignis und klappt die Karte wieder auf. Diese Seite an ihm ist mir, ehrlich gesagt, ein wenig unheimlich… auch Ignis hätte ich ungern zum Feind.
 

Wir laufen weiter, und bald lässt sich eine deutliche Veränderung an den Ratten feststellen. Sie bewegen sich kontrollierter, sind stärker, und einige tragen Maschinenteile am Körper, die wie ein Panzer wirken. Ich teste einen kleinen Blitzzauber und stelle erfreut fest, dass die Technik sich dadurch gut zerstören lässt.
 

„Das sollte unsere Mission leichter machen, sehr schön.“
 

„Glaubt ihr, dass die Maschine sich so verbreitet?“, fragt Aranea, „Dass die Ratten Teile aus der Stadt transportieren?“
 

„Gut möglich“, vermutet Ignis, „Das würde die Mobilität erklären. Die Tiere wirken ferngesteuert, vielleicht agiert die Maschine durch sie.“
 

„Glaubst du, wir müssen jedes einzelne Teil zerstören, oder reicht es, wenn wir die Maschine und ihre größeren Ableger erwischen?“, frage ich.
 

Ignis überlegt einen Moment. „Ich vermute anhand der Baupläne, die man mir freundlicherweise unter etwas Druck zur Einsicht anvertraut hat, dass die Maschine über eine künstliche Intelligenz verfügt. Die einzelnen Komponenten an sich sind sicher nicht gefährlich, aber wenn es sich bei den Ablegern in den anderen Städten um mehr als nur Signalverstärker handelt, könnte sie einen Teil ihres Codes dorthin kopiert haben. In dem Fall müssten wir durchaus sicherstellen, ob nicht noch irgendwo ein Speicherchip mit dieser KI herumwandert. Wahrscheinlicher ist aber, dass die KI nur in der Hauptmaschine ist, die die Ableger als Signalverstärker nutzt oder mit ihnen kommuniziert. Genaueres kann ich leider nicht sagen, bevor Cor und die anderen neue Informationen haben.“
 

„In jedem Fall sollten wir also erst mal diese Maschine zerstören“, überlege ich, „Und die Ableger. Damit müsste das Gröbste geschafft sein, der Rest ist dann Feinarbeit, die wir im Nachhinein detailliert angehen können.“
 

Unsere Unterhaltung wird von weiteren Ratten unterbrochen. Wegen der vielen Kämpfe kommen wir jetzt langsamer voran, entsprechend genervt bin ich, als Ignis ein paar Gänge weiter plötzlich unvermittelt stehen bleibt.
 

„Was?“
 

„Da ist eine Wand.“
 

„Ich sehe keine.“
 

Ignis blickt auf und blinzelt. Vor ihm ist nichts. Trotzdem… hat er wohl eine Wand gespürt. Ich trete neben meinen verwirrten Freund und strecke die linke Hand aus. Die Luft hält stand, es fühlt sich an, als wären meine Finger auf eine glatte Glasplatte getroffen.
 

„Du siehst besser als der Rest von uns“, gebe ich zu. Als ich auch die rechte Hand gegen die Wand drücke habe ich das Gefühl, als würde vor mir etwas zerbrechen, und der Weg ist frei. Ich blicke auf den Ring an meiner Hand, dessen Anwesenheit ich schon fast vergessen hatte. „Scheint, als wären wir stärker. Lasst uns weiter gehen. Ignis, nach dir. Wenn uns eine Wand im Weg steht, kann ich sie mit dem Ring zerbrechen.“
 

Insofern wäre es sicher am besten, ich ginge vor, aber ich will weder wie ein Zombie mit ausgestreckten Armen herumlaufen noch habe ich Lust, gegen unsichtbare Wände zu rennen. Je weiter wir gehen, desto mehr Wände stellen sich uns entgegen, und jede neue Barriere ist stärker als die letzte – während die erste noch bei bloßer Berührung zersprungen ist, spüre ich jetzt deutlich, dass ich mehr und mehr Kraft in den Ring legen muss, um weiter zu kommen.
 

„Schlaucht langsam ganz schön“, murre ich. Gladio klopft mir aufmunternd auf die Schulter.
 

„Wird schon. Wir kommen dem Ding immer näher“, beruhigt mich Ignis, „Hinter der nächsten Ecke müsste es sein.“
 

„Hörst du die Maschine schon?“, frage ich.
 

Ich weiß nicht, ob es am Ring liegt, aber langsam habe ich etwas Kopfweh. Vielleicht auch einfach die miese Luft hier unten, langsam kommt vor lauter Moder gar kein Sauerstoff mehr an.
 

„Schon seit einer Weile, ja. Sie gibt ein ziemlich grausiges Pfeifsignal ab…“
 

Ignis massiert sich die Schläfen mit beiden Händen, er sieht furchtbar kaputt aus. Seine Augen sind gerötet und er ist, trotz der Kälte hier unten, ganz verschwitzt.
 

„Wenn es zu viel wird dreh um“, fordere ich noch einmal, „Oder nimm zumindest mal einen Heiltrank. Nicht, dass du mir nachher umkippst.“
 

Ignis wendet sich ab und ich fürchte fast, er will widersprechen. Zu meiner Erleichterung zieht er dann aber doch einen Heiltrank heraus und zerbricht die Flasche in seiner Hand.
 

„Besser?“, frage ich.
 

„Ja, besser.“
 

Ignis sieht immer noch blass aus, aber seine Augen sind etwas weniger rot und seine Haltung wirkt auch entspannter. Meine eigenen Kopfschmerzen kann ich noch eine Weile ignorieren… bilde mir eh ein, dass frische Luft da mehr für mich tun würde als Medizin.
 

Die letzte Wand stellt mir einiges an Power entgegen. Ich muss beide Hände dagegen stemmen und meine Magie bewusst auf den Ring konzentrieren um sie zu brechen. Belohnt werde ich mit einem zufriedenstellenden Scheppern und dem Gefühl, dass mein Kopf gleich mit zerspringt.
 

„Noct, alles okay?“, Gladios Stimme und seine Hand auf meiner Schulter rufen mich wieder zur Besinnung.
 

„Ja, nur Kopfweh“, keuche ich, „geht schon wieder.“
 

Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich in die Knie gegangen bin, aber ich lasse mich gern wieder hochziehen. Gladio blickt mich prüfend an, klopft vorsichtig meine Kleidung ab und scheint zu überlegen, ob man mir nicht auch einen Heiltrank aufdrängen sollte. Ich schüttle den Kopf, um den Schmerzen entgegen zu wirken und es wird tatsächlich etwas besser. Inzwischen kann auch ich das Pfeifen hören, das Ignis erwähnt hat.
 

„Leuchten seine Augen immer so rot, wenn er den Ring einsetzt?“, fragt Aranea, „Das sieht ja echt brutal aus…“
 

„Ist aber in der Tat normal“, beruhig sie Ignis, „Mit ein Grund, warum die Magie der Luci so gefürchtet ist… Und damit meine ich nicht die regulären Elementarzauber.“
 

„Ist aber auch recht anstrengend“, gebe ich zu, „Lohnt sich manchmal für kleinere Siecher, weil ich denen Energie absaugen kann, aber alles andere… Gegen die Maschine wird mir der Ring vermutlich keine große Hilfe sein.“
 

Dafür verteile ich die Magieflakons, die ich mit Blitzenergie gefüllt habe. Gerade genug für uns vier, wobei ich die stärkeren Zauber mir und Ignis vorbehalte. Aranea blickt das kleine Fläschchen interessiert an.
 

„Und da sind jetzt mächtige Zauber drin, ja?“
 

„Nein, nur ein simpler Blitzzauber“, gestehe ich, „war der Rest der Energie, die ich noch übrig hatte. Nimm die Flasche ruhig in die Hand, spürst du was?“
 

Aranea gehorcht und schließt konzentriert die Augen. „Nicht so recht“, gibt sie zu, „es ist ein bisschen wärmer, weil du es in der Hand hattest. Fühlt sich ein bisschen wie eine Batterie an, als könnte ich einen Schlag bekommen, wenn ich es falsch anfasse?“
 

„Guter Ansatz“, lobe ich, „Wenn du den Zauber einsetzen willst, halt den Flakon fest in der Hand und konzentrier dich darauf, diesen ‚Schlag‘ oder die Batterieladung, in den Gegner fahren zulassen. Die Menge reicht nur für drei Angriffe und wenn du dir nicht sicher bist, bleib lieber bei deinen bekannten Waffen. Zauber können auch uns treffen, wenn wir zu nah dran stehen… aber die Menge, die du da in der Hand hast, wird uns vermutlich nicht groß schaden.“
 

Wenn Ignis oder ich daneben treffen sieht es aber wieder anders aus, dann wird es schnell unangenehm. Aranea steckt den Blitzzauber mit deutlichem Respekt ein und greift dafür ihre Lanze fester.
 

„Legen wir los, wir sind ganz nah dran.“
 

Eine rostige Leiter führt uns aus der Kanalisation hoch in den U-Bahnschacht und von da in einen großen Raum. Einige alte Züge liegen hier, rostig und zertrümmert, und über ihnen steht etwas, was wie eine riesige Spinne aussieht. Eine mechanische Spinne. Mir läuft es kalt den Rücken hinunter.
 

Das Ding ist groß, fast so hoch wie der Raum selbst, was Aranea und Ignis die Sprungattacken erschweren dürfte. Acht mechanische Beine bewegen sich zwischen den Wracks, treffen den Boden mit unglaublichem Gewicht oder brennen sorgfältig einzelne Teile aus den alten Waggons. Eine der tausend mutierten Ratten zu ihren Füßen gibt einen alarmierenden Pfeifton von sich, und das Ding wendet sich mit viel zu rasanter Geschwindigkeit zu uns um. Acht Monitore, wo eine normale Spinne die Augen hätte, blinken warnend rot auf.
 

[Eindringlinge gefunden. Vernichtung einleiten]
 

Ich eröffne den Kampf mit einem gut gezielten Blitzra. Die Maschine zuckt getroffen zurück und ich werfe mein Schwert auf den größten Monitor. Mein Kopf platzt beinahe vor Schmerz, als ich mich hinterherwarpe und das Schwert in den Bildschirm schlage. Die Scheibe bricht, aber das grausame Pfeifen wird nur noch schlimmer. Einer der vorderen Arme schlägt nach mir aus, ich rolle mich zur Seite, weiche auch dem zweiten Bein aus und versuche, wieder in Angriffsposition zu kommen, als das dritte Bein von oben auf mich zuschießt. Gerade sehe ich noch, dass es in einer scharfen Klinge endet, da schlägt ein weiterer Blitzzauber ein, der das Ungetüm lang genug erstarren lässt, dass ich mich zur Seite werfen und dem Angriff ausweichen kann.
 

Trotzdem gräbt sich der Fuß nur Zentimeter neben mir in den Boden, groß und scharf wie Gladios Breitschwert und dabei um so vieles schneller. Ich rapple mich auf, werfe mein Schwert in die Wand gegenüber und warpe mich in Sicherheit, bevor die Maschine erneut angreifen kann. Erst mal durchatmen… mein Schädel pocht vor Schmerzen.
 

Inzwischen haben auch Aranea, Ignis und Gladio die Distanz zu der Maschine überwunden und ich fühle mich wieder sicher dabei, in den Kampf zurück zu warpen. Da mein Schwert, außer dem zerbrochenen Bildschirm, nicht viel Schaden anzurichten scheint wechsle ich zu meiner Lanze. Es gibt sich nicht viel, aber so kann ich zwischen die Panzerteile zielen und trotzdem gut in der Luft bleiben. Auch Aranea verfolgt diese Taktik, fluchend, weil die zu niedrige Decke der Hälfte ihrer Manöver im Weg steht, aber doch mit einigem Geschick und Erfolg. Ihre Magitechlanze glänzt auch abseits der großen Sprünge mit einer unglaublichen Durchschlagskraft.
 

Gladio ist an den Boden gebunden, dafür aber stark genug, es mit den Klingenfüßen der Spinne aufzunehmen. Geschickt pariert er die schwingenden Beine, bringt das Monster schließlich sogar so sehr zum Straucheln, dass es niederkniet. Ich blicke Aranea in die Augen und wir springen wie auf Kommando gemeinsam zur Decke, um diese Schwäche auszunutzen. Es gibt einen grässlichen Knall, eine Explosion, und ich höre gerade noch, wie Ignis uns zusammenruft.
 

Gerade noch rechtzeitig, denn die Maschine bäumt sich auf und schickt eine Schockwelle los die uns sicher schwer verwundet hätte, stünden wir nicht im Schutze eines halbwegs intakten Zuges.
 

„Alles okay bei euch?“, fragt Ignis.
 

Er selbst sieht schrecklich aus. Blass und verkrampft steht er da und aus seinen Augen quillt Blut. Zitternd zerbricht er einen weiteren Heiltrank in seiner Hand, aber der nimmt den Schaden nur geringfügig zurück.
 

„Ich kann keine Schwachstellen ausspähen“, gibt er zu, „aber die Schwäche gegen Strom scheint sich zu bestätigen. Noct, lass mich deine Lanze für dich aufladen. Gladios Breitschwert scheint auch viel Wirkung zu zeigen, birgt aber ein großes Risiko, weil die Maschine am Boden sehr wehrhaft ist.“
 

Ich nicke, gönne mir selbst einen Heiltrank gegen die Kopfschmerzen und das Brennen in meinen Augen und werfe aus der Deckung heraus meinen zweiten Blitzzauber. Ignis legt mit einem der seinen nach, und wir nutzen den Moment der Ablenkung, wieder auf das Monster zuzustürmen. Araneas waffengestützter Sprung macht sie auch in der Waagerechten fast so schnell wie mein Warp, so bin ich dieses Mal nicht lange allein an der Maschine dran. Ignis hat seine Dolche ebenfalls mit Strom gestärkt, seine Bewegungen sind schnell und erratisch, vermutlich der Grund, weshalb ich ihn vorhin nicht im Blick hatte.
 

Die magische Ladung macht meine Lanze wirkungsvoller, endlich scheint sie der Maschine echten Schaden zuzufügen. Gladio schreit wütend auf, und der Schwung seines Breitschwertes schafft es, dem Monster ein Bein abzuschlagen. Diesmal muss ich mich außer Reichweite warpen, um der daraus resultierenden Explosion zu entgehen. Mein Kopf dröhnt, mir brennen die Augen und langsam rebelliert auch mein Magen. Eine Folge des Warps? Aber ich hatte damit noch nie Probleme… vielleicht liegt es auch nur an der modrigen Luft und dem ausgefallenen Mittagessen.
 

Aranea jedenfalls hat weniger Probleme, sie nutzt den größeren Luftraum für weitere Sprungattacken und schafft es, alle Monitore zu blenden. Gladio schlägt derweil ein weiteres Bein ab, langsam kommt er in Fahrt. Da meine Kraft nicht mehr ausreicht, mich an der Wand zu halten, lasse ich mich zu Boden fallen. Aus der klassischen Dreipunktlandung wird jedoch nichts, ich schaffe es gerade so, mich unverletzt abzurollen und hinter einer abgebrochenen Säule in Deckung zu gehen. Ein Heiltrank lindert die Beschwerden und ich verschaffe mir aus der Deckung heraus einen Überblick.
 

Gladio ist voll in Fahrt: Er hat eine der halb zerbrochenen Säulen aus dem Boden gerissen und schlägt damit wie ein Berserker auf die verbleibenden Glieder der Spinne ein. Aranea nutz die Ablenkung für weitere gefährliche Luftmanöver und hat anscheinend einen Weg gefunden, die Decke zu ihrem Vorteil zu nutzen. Wieder und wieder stößt sie sich davon ab oder läuft gar ein paar Schritte kopfüber, um mit ordentlich Schwung ihre Lanze in den Körper der Maschine zu rammen. Ich blicke mich nach Ignis um und finde ihn, taumelnd an die hinterste Wand gelehnt. Mist. Der größeren Beweglichkeit zu liebe wechsle ich zu meinen Dolchen, warpe mich damit erst an die Wand zur Rechten, von dort aus dann direkt zu Ignis.
 

„Hey, reiß dich zusammen“, rufe ich ihm zu. Ignis rappelt sich wieder auf und nimmt dankend ein Elixier entgegen. Er sieht schrecklich aus und fühlt sich eiskalt an. Neben seinem Gesicht ist auch seine Kleidung von Blut durchtränkt, obwohl ich vorhin keine Verletzung an ihm sehen konnte. Mir brummt schon wieder der Schädel.
 

„Du also auch“, murmelt Ignis, als seine müden Augen mein Gesicht finden. Ich blicke ihn verwirrt an als er die Hand hebt und Blut von meinem Gesicht wischt.
 

„Hab ich gar nicht gemerkt…“, daher also das brennen in den Augen, die Kopfschmerzen, die Übelkeit… Sollte ich als lucischer König nicht der Letzte sein, der mit einem MI gleichgesetzt wird? Auf der anderen Seite wird der König von Lucis seit Generationen mit der Kannagi verheiratet, und die kommt grundsätzlich aus Tenebrae, was ebenfalls auf dem westlichen Kontinent liegt. Und da unsere Blutlinie im Grunde aus zwei Familien und dem umliegenden Adel besteht, ist es mit der genetischen Diversität sicher auch nicht weit her.
 

Gladios warnender Schrei reißt mich aus meinen Gedanken. Die Maschine, nun völlig beinlos, bäumt sich zu einem letzten Angriff auf und steigert ihr tödliches Signal auf ein Level, dass mir völlig den Verstand raubt. Ich beuge mich vorn über und erbreche einen Schwall Blut, kann nicht mehr sehen als den roten Schleier vor meinen Augen und mein ganzer Körper, nichtmehr nur mein Kopf, fühlt sich an, als würde er zerreißen. Trotzdem… in all dem Schmerz spüre ich noch etwas anderes. Macht, und davon nicht wenig. Ein Angebot…
 

Ich stemme die Faust auf den Boden und suche nach der freundlichen Stimme, flehe um Hilfe. Kraft durchströmt mich, konkurriert mit dem Schmerz und scheint ihn fast zu verdoppeln, bis ich schließlich den grollenden Donner über mir hören kann. Ich stehe auf, gelenkt von der fremden Stimme, der Blick meiner glühenden Augen fest auf die Maschine gerichtet. Ich spüre den Einschlag von etwas Großem dicht neben mir noch bevor ich ihn höre, und dann nur noch den gewaltigen Knall, als Ramuhs Blitze den Raum erfüllen. Die Maschine zerbirst, nur noch ein nutzloser Haufen Metall, und ich blicke dankbar auf in das alte Gesicht des Gottes, der uns zu Hilfe gekommen ist.
 

Er nickt mir zu und verschwindet wieder im Himmel.
 

„Nooooct!“
 

Gladios Arme fangen mich auf, ich hätte gar nicht gemerkt, dass ich falle.
 

„Noct, hörst du mich? Halt durch!“
 

Ich höre eine Ampulle zerbrechen und kann plötzlich wieder atmen. Gladio zieht mich schützend an seine Brust und der Geruch seines Schweißes ist doch um einiges angenehmer als der Moder des Abwassers, aus dem wir kommen. So müde…
 

„Hey, Noct, bleib bei mir!“
 

Der panische Ton in Gladios Stimme ruft mich zurück. Der Kampf ist vorbei, ich bin müde, aber meine Freunde machen sich Sorgen und wir sind noch lange nicht zu Hause. Also raufe ich mich nochmal zusammen, stemme mich hoch und sortiere meine Gedanken.
 

„Ignis“, fällt mir ein, „Wo…?“
 

„Lebt noch“, ruft Aranea mit zu. Die Worte sind passend gewählt, denn viel mehr Positives lässt sich im Moment nicht sagen. Ignis ist definitiv am Ende, selbst die Heilmittel bringen ihn nur langsam wieder auf die Füße. Aranea hebt einen seiner Arme über ihre Schultern und stützt ihn, aber es hilft nur bedingt.
 

Ich nutze Gladios breite Schultern als Hilfe um wieder auf die Beine zu kommen. Dankbar nehme ich den dargebotenen Arm an, lasse mir auf dem Weg zum Rest der Gruppe helfen.
 

Ignis blickt mich schuldbewusst an, er weiß, dass er meine Befehle missachtet hat, indem er sich nicht zurückgezogen hat. Ich lege meine Hand auf seinen Arm und bin einfach nur froh, dass er trotzdem noch lebt.
 

„Euch beide hat es nicht erwischt?“
 

Gladio schüttelt den Kopf. Er ist erschöpft von der Anstrengung, aber ansonsten unversehrt.
 

„Mir haben gegen Ende ziemlich die Augen gebrannt“, gesteht Aranea, „Und Kopfweh hatte ich auch. Aber so schlimm wie euch hat es mich nicht getroffen.“ Tatsächlich sind ihre grünen Augen etwas gerötet, und ich meine, verwischte Blutspuren auf ihrem blassen Gesicht erkennen zu können. Jetzt wo die Maschine ausgeschaltet ist, scheint sie jedoch komplett fit zu sein.
 

„Mir geht es langsam wieder besser“, stelle ich fest und lasse zögernd Gladios Arm los, „zumindest die Kopfschmerzen lassen nach…“ Meine Augen brennen immer noch vom getrockneten Blut darin, und der Gestank schlägt mir auf den Magen. Ignis schweigt, aber auch er steht inzwischen stabiler.
 

„Ich ruf Cor an, sag ihm, dass wir hier fertig sind“, kündigt Gladio an. Sein Ton klingt geschäftig locker, aber seine Augen sind nach wie vor fest auf mich gerichtet, als könnte ich jeden Moment wieder umkippen. „Mal hören, wie es um die Ableger steht.“
 

Er stellt das Telefon auf Mithören und eine Weile lauschen wir dem Freiton. Ich würde mich gerne setzen, möchte aber nicht, dass Gladio sich noch mehr Sorgen macht. Außerdem sieht der rußige Boden nicht gerade einladend aus. Gladio drückt die Mailbox weg und wählt nochmal. Ich dagegen richte meinen Blick nach oben. Ramuh hat ein ordentliches Loch in die Decke gerissen, ich kann den Keller der Zitadelle über uns sehen, und darüber die Banner der Eingangshalle und darüber endlich freien Himmel. Die frische Luft, die von dort herunterweht, fühlt sich gut an auf meinem Gesicht, dem Licht nach muss es schon später Nachmittag sein.
 

Beim dritten Versuch hebt Cor endlich ab. „Hey, sorry, musste erst das Team durchheilen“, entschuldigt er sich, „Habt ihr die Hauptmaschine gegrillt?“
 

„Positiv. Wie steht es um die Ableger?“
 

„Der in Hammerhead ist gefunden und vernichtet, Monica bekommt die Info von den anderen Teams. Hatten einige Schwierigkeiten am Anfang – das Ding war unverwundbar und sehr wehrhaft – aber dann hat es plötzlich auf Angriffe angesprochen. War vermutlich der Punkt, an dem ihr das Hauptproblem erledigt habt.“
 

„Irgendwelche Verluste auf eurer Seite?“
 

„Keine Toten, aber Cidney aus der Werkstatt hier hat’s übel erwischt. Steht jetzt wieder aufrecht, aber die Kleine wollte sich einfach nicht wegschicken lassen. Meinte, sie hätte dem Vieh noch ein paar persönliche Worte zu sagen. Will mich nicht beschweren, gibt nicht viele Leute, die so mit schwerer Maschinerie umgehen können.“
 

„Cidney hat gesehen wie es Prompto ging“, erklärt Gladio nach dem Auflegen, „Sie selbst konnte in Hammerhead bleiben, hat ein altes Magitech-Exoskellet umgerüstet in dem sie es ganz gut ausgehalten hat. Soweit ich weiß, waren sie und Prompto nicht lange zusammen, aber sie hat ihn wohl immer noch recht gern.“
 

„Ist ja auch ein süßer Kerl, irgendwie“, überlegt Aranea, zuckt dann aber nur die Schultern. „Wo ist diese Monica?“
 

„Vermutlich im Caelum Via mit den Regierungschefs, wenn sie wegen der heftigen Angriffswellen nicht ausweichen mussten“, vermutet Ignis. Auch er kann inzwischen wieder frei stehen.
 

Gladio fingert auf seinem Handy herum und es wählt wieder, natürlich hat er auch Monica eingespeichert.
 

„Gladio, schön dass du dich meldest. Nehme an, ihr wart erfolgreich? Noch alle am Leben?“
 

„Gerade noch so“, brummt Gladio zurück und sieht mich und Ignis scharf an, „Aber die Maschine ist Toast, da rührt sich nichts mehr.“
 

„Das dachte ich mir schon. Hatte einige Anrufe, die Ableger wären unverwundbar, dann plötzlich Meldungen, das hätte sich geändert. Positive Rückmeldung von allen Teams, ich sammle aktuell unabhängige Berichte, wie es den Menschen in Eos geht. Gab kurz vor Schluss scheinbar noch ein paar heftige Wellen, die aber lokal sehr begrenzt waren, insofern haben unsere Evakuierungsmaßnahmen gut funktioniert.“
 

„Das hört man gern, hatte mir schon Sorgen gemacht. Die letzte Welle hier unten hätte Ignis fast ins Grab gebracht, und unser König sah auch nicht viel besser aus.“
 

„Selbst der König? Das ist heftig, da muss die Maschine den Suchradius ja enorm erweitert haben.“
 

„Ich bin der einzige hier, der gar nichts abbekommen hat.“
 

„Na wenigstens einer. Wo seid ihr gerade? Ich schicke jemanden zum Abholen.“
 

„Die Abstellgleise unter der Zitadelle. Könnten ein paar frische Klamotten und was zu Essen gebrauchen.“
 

„Vorher ein Bad“, mische ich mich ein, „Wenn die Zitadelle noch Wasser hat vielleicht dort?“
 

„Die Zitadelle hat ihr eigenes Versorgungssystem, das dürfte noch funktionieren“, meint Ignis.
 

Ich kann Monica am anderen Ende der Leitung verhalten lachen hören. „Kommt ihr da selbstständig hoch? Dann schick ich meinen Rettungstrupp mit frischer Kleidung nämlich direkt in die Zitadelle.“
 

Aranea blickt hoch auf das Loch in der Decke und auch ich schätze die Distanz ab. „Geht“, denke ich, „Wenn das Prunkbad im Keller noch funktionstüchtig ist, findet ihr uns dort.“
 

„Alles klar, euer Hoheit. Meint ihr, ich darf die anderen Regenten in den Thronsaal einladen?“
 

„Uhm… vielleicht lieber ins Caelum Via? Nichts für ungut, aber die Zitadelle muss erst mal renoviert werden. Sieht nicht so schick aus im Moment, und ich traue dem Boden nicht.“
 

„Verstanden. Dann reserviere ich für heute Abend den Ballsaal. Dachterrasse fällt aus, da zieht ein Unwetter auf.“
 

Nicht verwunderlich… wo Ramuh auftaucht, gibt es meistens erst mal Regen.
 

„Alles klar, Monica. Danke dir.“
 

„Immer gerne. Und übrigens: Willkommen zurück, Noctis. Schön, dass ich dich auch endlich sprechen durfte.“
 

„Danke. Ich freu mich schon, dich und die anderen wiederzusehen.“
 

Gladio legt auf, und Aranea peilt bereits auf den Boden der Zitadelle. Der Sprung reicht bequem aus und ich werfe meine eigene Lanze hinterher, um ihr zu folgen. Anders als beim Weg nach unten muss ich diesmal in der Luft noch einen zweiten Warp ansetzen, um vom Loch auf den Boden zu kommen. Auch Ignis schafft es mit einem mächtigen Satz nach oben, nur Gladio müssen wir eine Leiter runterlassen. Gut, dass der alte Hausmeister sein Equipment nicht weit weg gelagert hat.
 

„So, wo geht’s zum Bad?“, fragt Aranea gut gelaunt, und ich lasse mich gern anstecken.
 

„Mir nach. Ist nicht weit.“
 

Das alte Prunkbad ist relativ unversehrt bis auf ein paar neue Löcher in der Wand, aber momentan störe ich mich nicht an den zusätzlichen Fenstern. Hauptsache, es gibt sauberes Wasser. Die Seifen und Badezusätze in den alten Auslässen sind größtenteils fest getrocknet, lösen sich aber, als Ignis sie fachmännisch aus den Behältern befreit und einfach so ins Wasser hält.
 

Ich reibe das Schaumbad in meinen Händen wie ein herkömmliches Stück Seife und freue mich wie ein kleines Kind, als das einlaufende Wasser sich langsam mit violettem Schaum anreichert. So herrlich, wie der Duft von Lavendel den Modergestank aus meiner Nase vertreibt.
 

Aranea scheint kein Problem zu haben, sich vor uns auszuziehen und Gladio muss sich sehr angestrengt weg drehen, damit er nachher seiner Frau nichts zu beichten hat. Ich mache mir da weniger Stress, man muss ja nicht gleich mit jeder Frau schlafen wollen, nur weil sie hübsch ist. Das warme Wasser ist im Moment eh um Welten attraktiver als jede Frau es je sein könnte. Mit ein bisschen Überzeugungskraft und Gewalt setzt sich auch der alte Wasserfall in Gange und ich stelle mich darunter, um den ganzen Dreck der letzten Stunden abwaschen zu lassen. Ein Vorteil des Prunkbades: Das Wasser ist immer in Bewegung, Schmutz wandert sofort in die Kanalisation. Zurück, wo er herkommt, sozusagen. Alle Annehmlichkeiten des Badens verknüpft mit den reinigenden Vorzügen einer Dusche. Wie ein echter Fluss, nur in warm und sauber. Ich liebe dieses Bad und ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, dass ich es früher als so selbstverständlich genommen habe.
 

Schon heilsam, mal ein paar Monate campen zu gehen. Gladio lässt sich ächzend im größten Becken nieder. Sein Tattoo ist ziemlich verblasst, sicher hat er nach meinem Tod keinen Anlass gesehen, es auffrischen zu lassen. Ich wasche meine Haare gründlich mit dem Schapoo-Klotz aus und schwimme zu meinem Freund hinüber, um ihn auch damit zu traktieren.
 

„Gladio, deine Haare sind echt lang geworden. Wann warst du das letzte Mal beim Frisör?“
 

„Als meine Frau mich das letzte Mal gezwungen hat“, gibt er zu. Er wehrt sich gegen meine Versuche, ihm die Haare zu waschen, aber der Widerstand ist lächerlich schwach und lässt bald nach, obwohl ich, anders als Ignis, ziemlich grob und ungeschickt dabei bin, die langen Strähnen zu entknoten. Im Gegensatz zu meinen eigenen Haaren sind die von Gladio dick und kräftig, dazu noch leicht gewellt. Ganz schön schwierig, da Ordnung reinzubringen, selbst jetzt, wo er es einfach zulässt. Scheint, als wollte er auch einfach meine Nähe genießen, nun, wo ich wieder zurück bin.
 

„Du siehst ja echt hübsch aus dafür, dass du zehn Jahre weg warst.“
 

„Ignis‘ Schuld“, gebe ich zu, „als er mich aufgelesen hat sah ich aus wie der Schmutzteufel persönlich.“
 

Gladio lacht und legt seinen Arm um mich. Einen Moment gönne ich es ihm, lege meinen Kopf auf seine Schuler und genieße das Gefühl, wie ein kleines Kind gehalten zu werden, dann entziehe ich mich seinem Griff und spritze ihn gründlich nass.
 

„Hey!“
 

Sein erschrockenes Gesicht ist echt Gold wert, trotzdem sehe ich zu, dass ich mich schnell aus dem Staub mache. Gladio ist ein guter Schwimmer und kann hier auch im tieferen Wasser noch sehr gut stehen, aber ich bin doch schneller und schaffe es, mich hinter Ignis in Sicherheit zu bringen. Der ist nicht sehr begeistert davon, in unser Spiel mit hinein gezogen zu werden, schafft es aber, Gladio so gegen die Wand laufen zu lassen, dass er ihm zumindest das Shampoo aus den Haaren waschen kann.
 

„Also wirklich ihr beiden“, mahnt er und zieht auch mich nochmal heran um zu prüfen, ob ich mich erfolgreich abgeschrubbt habe. War anscheinend nicht so gründlich, wie ich dachte, aber immer noch besser als Gladio. Aranea kichert amüsiert, gesellt sich aber nicht zu uns, sondern bleibt in ihrer Ecke und genießt einfach das gründliche Bad. Ist vielleicht auch besser so, wenn man als einzige Frau mit einer Gruppe blödelnder Jungs ein Bad nimmt.
 

Erst recht, da es Edna und Clara sind, die uns mit frischer Kleidung im Gepäck abholen kommen. Gladio muss sich anscheinend einiges anhören, ich verstehe auf die Distanz allerdings nicht genau, ob es an Aranea liegt oder an der Tatsache, dass er sich mit Ignis darum geprügelt hat, ob er nun in der Lage ist sich selbst zu waschen oder nicht. Völlig harmlos, soweit ich das sehe, aber gut… Manche Frauen erwarten anscheinend, dass Männer sich ab einem bestimmten Alter wie Erwachsene benehmen.
 

Ich lasse mich nicht weiter stören und freue mich lieber darüber, dass Clara mir extra warme Kleidung eingepackt hat, darunter ein gefütterter Pulli mit Behemoth-Motiv und warme Turnschuhe. Alles natürlich neu und wunderbar sauber.
 

Als ich mich nach Aranea umblicke ist sie auch bereits vollständig angezogen und nur noch damit beschäftigt, sich einen roten Schal um den Hals zu wickeln. „Was“, raunt sie mir im Vorbeigehen zu, „Enttäuscht?“
 

Ich schüttle den Kopf und lache. Ich bin… einfach glücklich, wieder mit meinen Freunden Spaß haben zu können. Fehlt nur noch einer.
 

„Schade, dass Prompto kein Handy mehr hat“, meint Ignis, der gerade seine neue Brille aufsetzt, „ich würde ihm gerne sagen können, dass er jetzt gefahrlos heim kommen kann.“
 

„Vielleicht gibt es da einen Weg“, überlege ich, „Kann jemand das Foto ausdrucken, dass wir drei bei dir zu Hause gemacht haben?“
 

„Sollte kein Problem sein, wieso?“
 

„Wirst sehen.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Sargeras
2018-11-10T00:41:38+00:00 10.11.2018 01:41
Noctis ist einfach niedlich mit seinen Prompto Gedanken, es gefällt mir sehr gut wie verarbeitet wird das die Boyband nicht komplett ist. Ich kann mir gut vorstellen wie sehr alle Promptos gejammer vermissen, wie du geschrieben hast weil: So müssen sie selbst nicht jammern.
Die ärmsten sind dann auch noch durchgeweicht, stinken und nach einer weile müssen sie sogar gegen mutierte Ratten kämpfen! Na ja, besser als Siecher (insbesondere Eisengiganten oder Wolframatoren urgh!). SChön auch wie du begründest wieso Noctis anfällig ist, die Maschiene muss wirklich sehr seltsam agieren. Wobei ich mich ehrlich frage: Wieso hat die neue Regierung die Maschiene so gebaut? Oder hat sie sich selbst modifiziert? Fragen über Fragen.
Nach einem schönen spannenden Kampf, der natürlich perfekt mit astralem Beistand gewonnen wird, gönnst du der Gruppe noch ein Bad. Noctis offensichtliches sexuelles Desinteresse an Aranea finde ich extrem süß. Vielleicht gibt es für den jungen König hier nur eine Wahl.
Nun bin ich aber wirklich gespannt was Noctis vor hat...
Antwort von:  SoraNoRyu
10.11.2018 02:13
Jaja, in der Kanalisation ist man doch gerne. Nicht. Die Maschine hat sich tatsächlich selbst modifiziert, weil es eine lernfähige KI war - muss ja nicht immer heißen, dass die das richtige lernen.

Was Noctis vorhat erfährst du voraussichtlich nächste Woche. ;)
Von:  amelia_shinra
2018-11-09T11:04:19+00:00 09.11.2018 12:04
Also eine echt gute Idee und noch dazu super umgesetzt. Da hast du dir echt Gedanken gemacht und alles logisch aufgebaut. Ich bin echt gespannt, wie es weiter geht. Mir gefällt dein Ansatz super gut.

Außerdem hast du einen sehr angenehmen Schreibstil. Alles lässt sich schön locker Lesen und du findest die richtige Balance für den Detailgrad der Beschreibungen von Umwelt und Gefühlen.

Auch die Charaktere hast du gut getroffen. Die Interaktionen zwischen den Jungs sind echt gut gelungen.

Ich freue mich schon aufs nächste Kapitel! :D


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