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Yes, No, Maybe

No matter what happens, I will always honestly, truly, completely love you.
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben! :]

Zuerst möchte ich mich an alle bedanken, die mein Geschreibe hier lesen, favorisieren, kommentieren und empfehlen! <3

Mehr hab ich auch nicht zu sagen xD
Also dann, (hoffentlich) viel Spaß beim Lesen! :‘) Komplett anzeigen

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Chapter 1: The Beginning

Chapter 1: The Beginning

 

„Klopf! Klopf!“

Überrascht schaute Chiaki von den Dokumenten in seiner Hand auf, um in ein vertrautes, hübsches, lächelndes Gesicht zu blicken. Seine Mundwinkel zogen sich sofort nach oben.

„Hey, Maron.“, begrüßte der junge Arzt die Braunhaarige.

„Bereit fürs Kino?“, fragte sie ihn.

„Hmmm. Gib mir noch ein paar Minuten. Ich und mein Vater hatten eine OP hinter uns und ich soll noch einiges an Papierkram erledigen.“, sagte er und legte einige Unterlagen beiseite.

„Hast den Chef also wieder assistiert? Wann wirst du deine eigenen OPs leiten?“, erkundigte sie sich neugierig.

Chiaki zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Mal gucken. Wird sich bestimmt irgendwann ergeben.“

Maron nickte mit dem Kopf und schaute auf ihre Uhr. „Wir können die Vorführung in einer halben Stunde schaffen oder die nächste in einer Stunde oooder die Vorführung danach. Wann auch immer, wir haben den ganzen Abend Zeit. Also keine Sorge, ich werde dir nichts übelnehmen.“, sagte sie grinsend.

„Da bin ich aber erleichtert.“, lachte Chiaki kopfschüttelnd und sortierte seine Papiere, machte sich einige Notizen.

Währenddessen blickte Maron sich in seinem Büro etwas um. Scannte die Akten in den Regalen, die persönlichen Fotos auf seinem Schreibtisch. Ihr war sein Büro nicht fremd. Schließlich war es auch nicht ihr erster Besuch in seinem Arbeitsplatz.

Bei einem Bild blieb ihr Blick stehen. Ein Familienfoto mit seinen Eltern.

Ihre braunen Augen betrachteten es für einen Moment traurig.

Dann sah Maron eine Packung Müsliriegel, welches sie sich mit einer schnellen Bewegung schnappte.

„Hey! Du stiehlst mir gerade meine Nervennahrung!“, rief Chiaki empört und steckte eine Hand nach ihr und der Snackpackung aus. „Also wirklich…“, murmelte er fassungslos und fasste sich an den Kopf. Maron streckte dem Blauhaarigen frech die Zunge aus und holte sich einen Riegel. Ein verspieltes Grinsen haftete auf ihrem Gesicht.

„Stressfutter! Ich bin in der Endphase meiner Abschlussarbeit… Der letzte Schritt bevor es für mich in den Journalismus reingeht.“, erklärte sie und nahm einen Bissen.

„Wie die Mutter so die Tochter.“, kommentierte Chiaki.

„Ich brauche den Zucker. Hatte schon drei Muffins heute gegessen. Wenn es so weiter geht, rolle ich morgens aus dem Bett und laufe als wandelndes Speckröllchen rum.“, sprach sie mit vollem Mund weiter, ging um den Tisch und lehnte sich neben seinem Stuhl an der Tischkante an.  

„Ich finde du siehst toll aus.“, sagte er mit einem sanften Unterton und schaute aufrichtig zu ihr auf. „Ganz ehrlich.“

Augenrollend nahm Maron das Kompliment an und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Charmant wie sein Vater. Mich wundert es, dass du keine Freundin hast.“, lächelte sie.

„Sagt die, die selbst Single ist.“, entgegnete er, ließ seine Augen nicht von ihr los.

Maron schaute ihn für einige Sekunden schweigend an und presste die Lippen zusammen, überlegte sich ihre nächsten Worte gut. Chiaki konnte ihren Blick nicht deuten, zog leicht verwundert die Brauen zusammen.

Bevor er was sagen wollte, unterbrach eine männliche Stimme seine Gedankengänge.

„Maron! Es überrascht mich nicht dich hier zu sehen!“

Kaiki Nagoya stand mit einem amüsierten Lächeln am Türrahmen angelehnt und nippte an seiner Kaffeetasse.

„Hallo, Kaiki!“, begrüßte die Angesprochene den Krankenhauschef, ging auf ihn zu und gab ihm eine kurze Umarmung. „Keine Sorge, ich halte deinen Sohn nicht von der Arbeit ab.“

Der Ältere kicherte leise auf und warf einen kurzen Blick auf den Schreibtisch. „Der Rest hat auch bis Morgen Zeit, Sohn. Also los, hast jetzt Feierabend.“

„Echt?“, fragte dieser mit Begeisterung in der Stimme. Kaiki nickte und nahm einen weiteren Schluck von seinem Kaffee.

„Danke, Vater!“ Mit den Worten zog Chiaki seinen Kittel aus und holte sich seine Jacke. „Wir sehen uns morgen.“

„Bis später, Kaiki.“, verabschiedete Maron sich von seinem Vater.

Breit grinsend verließen sie das Büro. Der Chefarzt schaute den beiden 24-jährigen schmunzelnd hinterher.

 

„Es ist einfach unglaublich.“, sagte die angehende Journalistin, eingehakt in Chiaki’s Arm. Beide standen beim Kinoticketstand Schlange, welche mäßig voranging.

„Was ist unglaublich?“, fragte er verwundert.

„Wie dein Vater einfach nicht altert! Er sieht nach all den Jahren immer noch so aus, wie ich ihn am ersten Tag kennengelernt habe.“, lachte sie.

Chiaki stimmte ihrem Lachen mit ein. „Wie viele Jahre ist es jetzt schon her… siebzehn Jahre?“

„Krass, oder?“ Mit einem ungläubigen Lächeln wandte Maron sich zu ihm um. „Siebzehn Jahre beste Freunde und für immer.“

„Hm. Für immer…“, murmelte er so leise, dass sie es nicht hören konnte. Seine braunen Augen bekamen einen enttäuschten Blick.

Im nächsten Moment kamen Beide schließlich dran, um ihre Filmtickets zu kaufen.

 

„Wie fandst du den Film?“, fragte Chiaki seine Begleitung, als sie nach zwei Stunden das Kino verließen.

„Hm. Nicht schlecht…aber auch nicht gut. Der Trailer war spannender.“, antwortete Maron ihm nach kurzer Überlegung, wieder in sein Arm eingehakt.

„Da muss ich dir zustimmen. Aber der Soundtrack war cool!“

Die beiden Freunde spazierten noch durch die Innenstadt umher. Überall liefen Leute an ihnen vorbei und trafen sich in den beliebtesten Cafés, Restaurants und Clubs.

Schweigend schlenderten sie einige Minuten durch die Einkaufsstraßen, bis Maron die Stille durchbrach:

„Du, Chiaki…Ich muss dir da was sagen…Etwas, was ich dir schon seit längerem sagen wollte…“ Ihre Stimme wurde nervös und unsicher. Der Angesprochene blieb stehen und schaute neugierig sowie irritiert zu ihr herunter.

„Um was geht es?“, fragte er. Sie löste sich von ihm und stellte sich vor ihm auf. Unsicher spielte sie mit ihren Haaren, senkte ihren Blick zu Boden. Unter ihrem Jackenärmel konnte Chiaki den silbernen Anhänger ihrer Lieblingskette funkeln sehen.

„Sag ich dir nur, wenn du mir versprichst, dass mich nicht irgendwie verurteilst, oder so.“, sagte Maron ernst.

„Wieso sollte ich das?“

„Keine Ahnung… du musst mir auch versprechen, dass du niemanden was verrätst!“

„Habe ich jemals ein Versprechen gebrochen?“, entgegnete er ruhig und hob eine Augenbraue.

„Nein, hast du nicht, aber ich brauche dein Indianerehrenwort.“ Aufs Stichwort hielt sie ihm den kleinen Finger entgegen.

„Indianerehrenwort!“, versprach er und verhakte seinen kleinen Finger mit ihren. „Also, Kusakabe, schieß los.“ Seine Neugier steigerte sich. Genauso wie sein Herzschlag.

Maron schien gedanklich noch mit sich zu kämpfen, nahm schließlich tief Luft und blickte ihn in die Augen. Er erwiderte den Blickkontakt.

„Also… Ich-…“, setzte sie an, hielt inne und biss sich auf die Lippe.

„Du…?“ Chiaki schaute sie erwartungsvoll an.

„Ich habe-…Nein- ehm…Ich bin-…“ Ihr Gesicht lief rosa an.

Er ging einen kleinen Schritt auf sie zu.

„Na sowas aber auch! Das wir euch beide hier antreffen.“

Erschrocken fuhr Maron und Chiaki zusammen. Maron stöhnte innerlich und drehte sich zu ihrer Mutter um, die Arm in Arm mit ihrem Vater sie warm anlächelte.

„Hallo Korron, Takumi.“, begrüßte Chiaki die Kusakabes freundlich. „Wie geht es euch?“

„Gut.“, antwortete ihm Maron’s Vater.

„Was macht ihr denn hier?“, fragte Maron ihre Eltern.

„Dein Vater und ich wurden von meinen Kollegen zum Essen eingeladen. Wir kamen gerade aus dem Restaurant dahinten.“, sagte Korron und deutete auf ein nobles Geschäft am Ende der Straße.

„Wow. Da soll es richtig teuer sein!“, brachte ihre Tochter fasziniert entgegen. „Chiaki und ich waren vorhin im Kino und sind jetzt uns die Beine vertreten.“

„Das passt sich ja gut, dann können wir zusammen einen kurzen Spaziergang machen.“

„Ja. Ja, klar. Wieso nicht!“, stimmte Maron ihrer Mutter zu und schloss sich ihren Eltern an. Chiaki folgte ihnen.

Die nächste halbe Stunde liefen die vier schließlich die Straßen entlang, unterhielten sich bis sie vor Takumi’s Auto standen. Maron würde sich von ihren Eltern nach Hause fahren lassen.

„Wir können dich auch nach Hause zu deinem Apartment fahren.“, bot er Chiaki an.

„Danke fürs Angebot, aber mein Auto steht noch im Parkhaus drüben.“, lehnte dieser höflich ab.

Die Kusakabes nickten verstehend, verabschiedeten sich von ihm und stiegen ein. Nur Maron stand noch draußen und umarmte Chiaki zu Abschied.

„Wolltest du mir nicht noch was sagen?“, fragte er leise.

„Hmmm. Ein anderes Mal.“, flüsterte sie ihm ins Ohr und löste die Umarmung. Für einige Sekunden schauten sie sich an, bis Maron sich mit einem „Gute Nacht, Chiaki“ verabschiedete, geheimnisvoll lächelte und ins Auto einstieg.

Letztlich winkte sie ihm noch aus dem Fenster raus.

Chiaki winkte ihr mit einem betretenen Lächeln zurück und schaute dem Wagen noch eine Weile hinterher, bis es aus seinem Blickfeld verschwunden war.

Für einige Minuten stand er noch an Ort und Stelle.

Noch immer klopfte sein Herz wie verrückt.

Noch immer spürte er die Wärme ihrer Umarmung an seinem Körper.

Am liebsten hätte er sie nicht loslassen wollen.

Freunde für immer…, dachte er sich bedrückt.

Seufzend fuhr er sich durch die Haare und ging schließlich.

 

Chapter 2: Shared Childhood

Chapter 2: Shared Childhood

 

Siebzehn Jahre zuvor:

 

Sie lernten sich ein einem warmen Frühlingstag Ende März kennen.

 

„Hey, was liest du da?“

Chiaki zuckte erschrocken zusammen, als er aus dem Nichts die verspielte Stimme eines jungen Mädchens vernahm. Überrascht schaute der Siebenjährige von seinem Buch auf, um ein braunhaariges Mädchen, ungefähr seines Alters, vor sich stehen zu sehen. Sie hatte große, braune, neugierig blickende Augen und ihre langen, braunen Haare waren mit einer großen Schleife verziert. Sie trug ein rosarotes Kleid mit Blumenmuster und weiße Strumpfhosen. An ihrem Hals konnte er eine silberne Kette mit einem kleinen, hübschen Engel als Anhänger erkennen.

Unbewusst weiteten sich seine haselnussbraunen Augen und er starrte sie mit offenem Mund sowie geröteten Wangen an. Sie war hübsch…und süß!

„U-Uhm…“, brachte er hervor, sichtlich verwirrt darüber, von wo das Mädchen plötzlich herkam.

Chiaki drehte sich kurz nach hinten um und sah einige Meter entfernt eine Gruppe von Erwachsene, die sich auf dem Terrassentisch zu Kaffee und Kuchen zusammensetzten. Seine Eltern sowie ein großer Mann mit kurzem, blond-braunem Haar und eine schöne Frau mit derselben Haarfarbe wie das Mädchen – ihre Eltern.

Ach ja…! In dem Moment fiel dem Jungen ein, dass seine Eltern am Morgen davon sprachen alte Freunde zum Essen einzuladen, die vor kurzem nach Momokuri zurückgezogen waren und sogar im Haus auf der anderen Straßenseite wohnten. Dass sie eine gleichaltrige Tochter hatten, hatte seine Eltern auch erwähnt.

„Sie sind erst seit wenigen Tagen hier und die Kleine hatte noch keine Chance gehabt Freunde zu finden. Sei so lieb und freunde dich mit ihr an, okay Chiaki?“, hatte seine Mutter Sayuri gesagt, wobei er nur mit halbem Ohr zugehört hatte und geistesabwesend nickte. Vielmehr hatte er sich in dem Moment auf sein Schokopudding konzentriert.

Während seine Eltern sich für den Besuch vorbereiteten, hatte Chiaki sich in den Garten zu seinem großen Lieblingsbaum zurückgezogen, um sein Buch zu lesen.

Der Grundschüler war nach einer gewissen Zeit so in sein Buch vertieft, dass er nicht mitbekam, wie es an der Haustür klingelte, seine Eltern erfreut ihre Gäste empfinden und sie sich auf der Terrasse versammelten.

Er drehte sich wieder zu dem Mädchen vor ihm um, die ihn weiterhin neugierig anblickte. Dann fiel Chiaki auch wieder ein, dass sie ihm eine Frage gestellt hatte.

„Ehm-… ‚Die Geschichten von Sindbad dem Seefahrer‘.“, sagte er und hielt ihr das Buchcover hoch, damit sie den Titel sehen konnte. Es war sein Lieblingsbuch, welches seine Mutter ihm zum Geburtstag geschenkt hatte.

„Sindbad? Ah! Von dem habe ich den Film gesehen!“, sagte das Mädchen mit einem Lachen und setzte sich prompt neben ihm hin. „Macht es dir was aus, wenn ich hier sitze?“, fragte sie und lehnte sich an den Baumstamm zurück.

Chiaki schüttelte den Kopf, die untere Gesichtshälfte hinter sein Buch versteckt, die Wangen noch roter als vorher. Anschließend schaute er ihr fasziniert zu, wie sie neben sich ein paar Blumen pflückte und einen kleinen Blumenkranz bastelte.

„Mein Name ist übrigens Maron!“, stellte sie sich vor und blickte ihn lächelnd an, während ihre kleinen Hände weiter an der Blumenkreation arbeiteten. Ihr Lächeln hatte etwas Ansteckendes an sich. Chiaki’s Mundwinkel zogen sich automatisch nach oben.

„Ich bin Chiaki.“, sagte er.

Hinter sich hörten die Kinder ihre Eltern gut gelaunt Lachen und sich ausgelassen unterhalten. Beide warfen kurz einen Blick auf die Erwachsene und drehten sich mit einem Kichern wieder um.

„Wusstest du, dass dein Papa und mein Papa sich von der Schule kennen?“, fragte Maron und beugte sich leicht zu Chiaki nach vorne. Beide saßen so nah nebeneinander, dass sich ihre Schultern und Arme berührten. Ihr Sitznachbar schaute sie mit großen Augen an und schüttelte den Kopf.

„Echt?“, brachte er entgegen. „Mir hatte man nur gesagt, dass deine Eltern alte Freunde von meinen wären.“

„Seeehr alte Freunde.“, kicherte sie.

„Also, deine Familie ist zurück nach Japan gezogen?“, fragte Chiaki neugierig.

Maron nickte als Antwort mit dem Kopf.

„Mama und Papa gingen hier zur Schule und so, sind aber im Ausland arbeiten gegangen nachdem ich auf die Welt kam.“, erklärte sie. „Mich haben sie immer überall mitgenommen.“

„Wow!“ Er hatte mittlerweile sein Buch zugeklappt und ließ es auf sein Schoß ruhen. Seine Aufmerksamkeit war jetzt komplett auf seine Sitznachbarin gerichtet.

„Ja! Wir waren sehr viel Reisen gewesen.“, zuckte sie mit den Schultern.

„Das ist ziemlich cool!“, rief Chiaki erstaunt aus. Maron schaute leicht traurig zu ihren Blumen herunter.

„Naja… Keine Freunde haben zu können ist nicht so cool.“, murmelte sie. Erschrocken schaute der Blauhaarige sie an. „Wir waren so viel unterwegs, dass ich mir nie richtige Freunde machen konnte.“, erklärte sie, „Ich war auch noch nie auf einer Schule. Bisher wurde ich von einem Privatlehrer unterrichtet.“

„Oh…“ Chiaki schaute unsicher sowie mitfühlend an. Der Junge konnte sich sowas nicht vorstellen.

Maron zuckte mit den Schultern. „Das heißt aber nicht, dass ich allein war. Mama und Papa waren immer für mich da!“, versuchte sie die Stimmung wieder zu heben.

„Aber jetzt bleibt deine Familie hier, richtig?“, fragte er mit einem hoffnungsvollen Lächeln.

Daraufhin grinste die Braunhaarige wieder.

„Ja!“, nickte sie enthusiastisch. „Mama und Papa haben beschlossen wieder hier zu wohnen und zu arbeiten. Und ich kann hier zur Schule gehen! Darauf freue ich mich!“

„Bestimmt gehen wir dann zusammen zur Schule. Vielleicht kommst du sogar in meine Klasse rein!“, grinste Chiaki sie an.

„Das wäre super! Dann hätte ich schon einen Freund, wenn ich neu in die Schule komme!“, lachte Maron glücklich. Bei dem Wort „Freund“ lief Chiaki rosa an und rieb sich peinlich berührt den Nacken.

Im nächsten Moment wurden Beide von ihren Müttern zu Essen gerufen.

Nach zwei Stunden war es schließlich Zeit für die Kusakabes zu gehen.

„Da wir jetzt Nachbarn sind, darf ich dich wieder besuchen kommen?“, fragte Maron schüchtern, die Hände hinter ihrem Rücken versteckt. Überrascht weiteten sich Chiaki’s Augen etwas und er blinzelte sie einige Male an. „I-Ich kenne hier noch niemand und da dachte ich...ehm….“

„Klar!“, unterbrach er sie mit einem selbstverständlichen Lächeln. „Du kannst jederzeit zu uns kommen, wann immer du Lust hast!“

„Wirklich?“

„Ja! Sowas machen Freunde!“

Glücklich strahlte sie ihren Gegenüber an. „Okay! Dasselbe gilt dann auch für dich! Dass du jederzeit zu uns kommen darfst!“

„Okay!“, nickte Chiaki.

„Übrigens, der ist für dich!“, sagte Maron und legte ihrem neuen Freund den Blumenkranz auf den Kopf. „Es steht dir!“, kicherte sie.

Verlegen bedankte er sich und richtete sich die Krone gerade, die etwas schief auf sein Kopf hing. Sein Gesicht war über beide Ohren rosa angelaufen.

Unterdessen beobachteten die Erwachsene ihre Kinder und tauschten sich untereinander Blicke aus.

„Na, da haben sich Zwei gefunden!“, merkte Korron Kusakabe an und grinste breit.

„Was willst du damit andeuten, Schatz?“, fragte Takumi seine Frau und zog skeptisch eine Augenbraue hoch.

„Nichts.“, zuckte sie mit verspielter Ignoranz die Schultern und kicherte. Sayuri flüsterte ihr etwas ins Ohr, worauf beide Frauen zu lachen anfingen.

„Also, Takumi, mein lieber Freund.“, mischte sich Kaiki ein und legte dem Architekten einen Arm über die Schulter, „Du warst schon immer wie ein Bruder für mich. Und nun stehen die Chancen nicht schlecht, dass wir irgendwann wirklich eine Familie werden.“, sagte er neckend, worauf Takumi leicht das Gesicht verzog.

Ihm gefielen diese Anspielungen gar nicht.

Doch als er seine Tochter herzhaft lachend mit dem Sohn seines besten Freundes sah, bildete sich ein Lächeln auf seine Lippen. Zufrieden mit der Tatsache seine Maron glücklich zu sehen.

 

Zwei Wochen waren seit der ersten Begegnung von Chiaki und Maron vergangen.

Seitdem war das Mädchen nahezu jeden Tag bei den Nagoya's zu Besuch, sobald Chiaki von der Schule nach Hause kam, während ihre Eltern alle Formalitäten für ihr neues, sesshaftes Leben in Momokuri erledigten. So konnte auch arrangiert werden, dass Maron in dieselbe Grundschule ging wie Chiaki.

Sie freute sich besonders auf ihren ersten Schultag, war gleichzeitig aber auch nervös darüber. Was ist wenn ihre Klassenkameraden sie nicht mochten? Oder wenn sie nicht schlau genug für die Schule war?

„Keine Angst. Wenn du Hilfe brauchst, bin ich bei dir.“, hatte Chiaki ihr gesagt, als er sie und ihrer Mutter zur Schule begleitete. Der Gedanke, dass sie nicht komplett allein war, munterte sie auf.

Geduldig wartete das Mädchen vor der Tür des Lehrerzimmers bis ihre Mutter mit der Lehrerin fertig geredet hat. Schließlich ging die Schiebetür wieder auf, beide Frauen kamen raus und Korron verabschiedete sich von ihrer Tochter.

„Macht’s gut, mein Schatz. Du wirst es garantiert hier mögen.“, sagte sie und gab Maron ein Küsschen auf die Stirn. „Papa und ich schaffen es wahrscheinlich nicht dich abzuholen, aber du kannst ja mit Chiaki nach Hause gehen, okay?“

Maron nickte einige Male mit dem Kopf. „Mach dir keine Sorgen, Mama. Ich komme schon klar! Außerdem habe ich meinen Glücksengel Fin bei mir.“, sagte sie mit einem breiten Lächeln und deutete auf ihre silberne Halskette, die ihre Mutter ihr zum Geburtstag geschenkt hatte. Das Mädchen war so von dem Engel begeistert, dass sie ihr auch einen Namen gegeben hatte. Seitdem trug sie die Kette überall und zu jeder Situation und nahm sie nie wieder ab. „Fin passt auf mich auf!“

„Okay. Viel Spaß, mein Schatz.“ Mit einer letzten Umarmung ging die Journalistin schließlich.

„Ich bin ab heute deine Klassenlehrerin, Frau Yamamori. Wir beide gehen jetzt zusammen in deine Klasse, ja?“, sagte die junge Lehrerin mit einem netten Lächeln und bot dem Mädchen ihre Hand an. Schüchtern nickte Maron und nahm die Hand dankend an. „Keine Angst, die anderen Kinder sind ganz lieb und du wirst dich super mit ihnen verstehen.“, sagte Frau Yamamori sanft, als sie die Nervosität des Mädchens bemerkte.

Wieder nickte Maron und folgte der Lehrerin schließlich.

Keine fünf Minuten später stand sie in einem Zimmer voller gleichaltriger Jungen und Mädchen, die sie neugierig anstarrten. Zu ihrer Freude fand sie Chiaki unter den Gesichtern, der ihr ein Lächeln schenkte und ihr unauffällig zuwinkte. Seine Banknachbarin mit langem türkisem Haar bemerkte dies jedoch und schaute mit ihren Kulleraugen skeptisch zwischen ihm und Maron hin und her.

„Also, Kinder. Das ist Maron Kusakabe. Sie ist mit ihrer Familie erst vor kurzem hierher gezogen. Bitte nimmt sie herzlich auf.“, wurde sie der Klasse von Frau Yamamori vorgestellt.

Anschließend zeigte die Lehrerin Maron ihren Platz. Eine Bankreihe vor Chiaki, schräg gegenüber von ihm. Mit einem Lächeln in seine Richtung setzte sie sich hin.

Der blauhaarige Junge grinste breit.

Seine Sitznachbarin verengte ihre Augen missbilligend.
 

***

Nach drei Monaten hatte Maron sich gut in allem eingelebt. Sie und Chiaki liefen jeden Tag gemeinsam zur Schule und auch wieder nach Hause zurück. Aber auch in ihrer Freizeit waren die Kinder so gut wie unzertrennlich. Mittlerweile wunderte es die Eltern nicht mehr, wenn einer von Beiden unangekündigt im Haus des anderen zu Besuch war.

Dank Chiaki konnte sich Maron auch in der Schule gut einleben und hatte sogar einige neue Freunde kennenlernen können.

Nur bei einer Klassenkameradin traf sie permanent auf Eis. Nämlich Chiaki’s Banknachbarin Yashiro Sazanka.

„Habe ich irgendwas falsch gemacht?“, fragte Maron ihn einmal auf dem Weg nach Hause. „Ich glaube, Yashiro mag mich nicht besonders.“

„Ach was, die ist schon immer etwas komisch zu anderen Mädchen.“, winkte Chiaki ihre Sorgen ab.

Seine Freundin nickte verstehend und warf ihre Bedenken beiseite.

Kurz vor den Sommerferien geschah es jedoch.

Es war die Pause nach dem Sportunterricht und Maron holte ihre Silberkette aus ihrer Tasche hervor, die sie gezwungener Maßen abnehmen musste, nachdem man ihr erklärt hatte weshalb man Schmuck beim Sport ablegen musste.

Gerade als sie es rausholte, wurde es ihr urplötzlich aus der Hand gerissen.

„Hey!!“, rief Maron entsetzt und streckte ihre Hand nach Yashiro aus. Diese stellte sich vor dem offenen Fenster hin und hielt das Schmuckstück in die Höhe.

„Das ist eine komische Fee.“, sagte sie herablassend.

„Das ist ein Engel!“, sagte Maron aufgebracht und versuchte springend nach ihrem Eigentum zu greifen, doch Yashiro war zu ihrem Pech einige Zentimeter größer als sie selbst. Die anderen Klassenkameraden schauten nur zu, keiner traute sich einzugreifen.

Bis auf Chiaki, der soeben von der Toilette kam und erschrocken die Szene vor sich registrierte.

„Lass sie in Ruhe, Yashiro!“, rief er wütend, die Hände zu Fäusten geballt und ging stampfend auf die Mädchen zu.

„Wieso machst du das überhaupt?!“, fragte Maron, Tränen standen ihr in den Augen.

„Weil ich dich nicht mag!“, gab Yashiro offen zu.

„Gib mir einfach meine Kette wieder!!“

„Du willst sie wiederhaben?!“ Das türkishaarige Mädchen funkelte ihre Klassenkameradin grimmig an. „Dann hol sie dir doch zurück!!“

Plötzlich warf Yashiro die Kette aus dem Fenster raus. Schockiert liefen Maron und Chiaki ans Fenster ran, um zu sehen, dass die Kette in den Schwimmpool der Schule rein fiel.

Bevor irgendwer reagieren konnte, rannte Chiaki schon aus dem Klassenzimmer raus. Wie angewurzelt stand Maron noch am Fenster und sah wie er zum Pool sprintete und ins Wasser rein sprang.

In dem Moment riss sie sich von ihrer Schockstarre und rannte ebenfalls raus.

Vor dem Pool angekommen, sah sie Chiaki schon aus dem Wasser steigen.

„Chiaki!!“, rief sie und lief auf ihn zu.

Er nahm ihre Hand und legte behutsam ihre Kette in die Handfläche rein.

Mit großen Augen und offenen Mund starrte Maron Chiaki an.

Ehe einer von ihnen was sagen konnte, hörten sie die aufgewühlte Stimme ihrer Lehrerin, die die Beiden und Yashiro ins Büro der Direktorin schickte.

Da warteten die Kinder mit der Direktorin und Frau Yamamori auf ihre Eltern.

Chiaki’s Eltern waren mehr als fassungslos ihren Sohn pitschnass, umwickelt in drei Handtüchern, zu sehen.

Nach einigen Diskussionen gab Yashiro kleinlaut zu, den Streit angefangen zu haben, worauf ihre Eltern sich bei den Kusakabes und Nagoyas respektvoll entschuldigten. Diese nahmen die Entschuldigung an und hakten das Thema für sich ab.

 

Chiaki hatte sich dank seiner leichtsinnigen Heldentat direkt eine schwere Erkältung eingefangen, weshalb er die nächsten drei Tage nicht mehr zur Schule kam. Maron plagte ein schlechtes Gewissen. Sie traute sich auch nicht ihn besuchen zu kommen.

Es war Freitag und die Sommerferien hatten offiziell angefangen.

Mit gesenktem Kopf ging Maron nach Hause. Eine Stimme ließ sie aufhorchen.

„Maron!“

Es war Chiaki’s Mutter die vor der Haustür stand und das Mädchen zu sich winkte. Zögernd ging sie auf Sayuri zu.

„Wie geht es dir, Kleine? Jetzt haben die Sommerferien begonnen, nicht? Ist bestimmt aufregend.“, sprach die Frau sanft auf sie ein, hockte sich vor ihr hin.

Mit gesenkten Augen nickte Maron, traute sich nicht aufzublicken, die Hände hinter dem Rücken versteckt.

Sayuri blickte sie immer noch mit einem sanften Lächeln an.

„Chiaki fragt die ganze Zeit nach dir und wundert sich, wieso du nicht vorbei kommst.“, sagte sie.

„Er wird wieder gesund, oder?“, fragte Maron niedergeschlagen.

„Natürlich. Mit viel Schlaf und Ruhe ist er bald wieder auf die Beine.“, versicherte ihr Sayuri und strich ihr liebevoll über den Kopf. „Komm, geh hoch und sag ihm Hallo. Da würde er sich freuen.“, sagte sie und deutete mit dem Kopf ins Haus rein.

Die Grundschülerin tat wie ihr geheißen, ging rein und stieg die Treppen zu Chiaki’s Zimmer hoch. Sayuri schaute ihr mit einem Lächeln hinterher. Sie mochte das Mädchen wie als wäre sie ihre eigene Tochter.

Mit Herzklopfen stand Maron vor seinem Zimmer, atmete tief durch und klopfte.

Ein unverständlicher Laut war von der anderen Seite zu hören.

Langsam öffnete sie die Tür und ging rein.

Chiaki lag seitlich in seinem Bett eingedeckt und setzte sich überrascht auf, als er Maron sah.

„Oh. Ich wusste gar nicht, dass du hier bist.“, sagte er, die Stimme leicht heiser, das Gesicht rot vom Fieber.

„Ehm… Deine Mama hat gesagt, ich soll reinkommen.“, gestand sie, die Augen auf den Teppichboden geheftet.

„Ach so.“, sagte Chiaki schulterzuckend und fügte grinsend hinzu, „Ich bin froh dich zu sehen!“ Glücklich lachte er Maron an. Sie schaute ihn mit einem unschlüssigen Blick an und setzte sich neben seinem Bett auf den Boden.

„Wieso hast du das gemacht?“, fragte Maron ihn. Chiaki verstand sofort, was sie meinte.

„Ist doch klar. Yashiro war gemein zu dir und ich wollte dir helfen.“, antwortete er ihr voller Offensichtlichkeit.

„Du bist aber wegen mir krank! Ich hätte in den Pool springen sollen. Schließlich gehört die Kette mir und da hätte ich sie holen müssen!“, sagte sie voller Selbstvorwürfe und presste die Lippen zusammen, um nicht loszuweinen.

„Red doch kein Blödsinn!“, wendete er empört ein und schaute sie ernst an. „Du bist meine beste Freundin. Und besten Freunden hilft man!“ Maron brauchte einige Momente, um die Worte zu verarbeiten. Sie schluckte schwer und schaute gerührt zu Boden.

„…Danke, Chiaki. Ich bin froh, dich als meinen besten Freund zu haben.“, sagte sie schließlich.

Plötzlich fing sie an zu weinen. Chiaki blickte sie offenen Mund erschrocken an.

„W-Wieso weinst du? Tut dir was weh? Habe ich was Gemeines gesagt?!“, fragte er panisch.

Maron schüttelte den Kopf und wischte sich die Tränen mit dem Ärmel weg.

„I-I-Ich hatte Angst gehabt…“

„Wovor?“

„D-Dass du wegen der Erkältung b-böse auf mich wärst u-und… dass du n-nicht mehr mit mir b-befreundet sein willst.“, stammelte sie schluchzend und blickte zu Chiaki auf, der sie entgeistert anschaute.

„Du redest wirklich Blödsinn.“, sagte er nach einer Weile und schüttelte den Kopf.

Anschließend hielt er ihr den kleinen Finger hoch.

„Guck. Hiermit versprechen wir uns, dass wir für immer und ewig Freunde bleiben. Egal was passiert. Indianerehrenwort?“ Chiaki lächelte sie warm an.

Maron blinzelte stark, starrte ihn und seinen Finger an. Dann hob sie ihren Finger und verhakte ihn mit seinen.

„Indianerehrenwort. Freunde für immer.“, sagte sie und lächelte erleichtert.

Chiaki nickte und wollte wieder etwas sagen, fing jedoch im nächsten Moment an stark zu husten. Entkräftet legte er sich wieder hin und zog die Decke hoch.

„Oh… Ich denke, du solltest gehen, Maron.“, hörten die Kinder Sayuri sagen, die mit einem Hustensanft in Chiaki’s Zimmer reinkam. „Nicht das du dich noch erkältest.“

Das Mädchen nickte zaghaft und schaute ihren Freund besorgt an. Sayuri bemerkte ihren Blick. „Keine Sorge. So eine Erkältung ist nächste Woche wieder weg.“, sagte sie sanft und strich Maron übers Haar.

Wieder nickte sie, diesmal mit einem hoffnungsvolleren Gesichtsausruck. Mit einem „Gute Besserung!“ verabschiedete Maron sich von ihrem besten Freund und ging nach Hause.

 

Es dauerte wirklich nicht lange bis Chiaki wieder gesund war und die beiden Freunde ihre Ferien gemeinsam verbrachten.

Nach dem Vorfall wurde Yashiro von ihren Eltern über die Sommerferien letztlich in eine andere Schule versetzt. Eventuell zog die Familie Sazanka nach einer gewissen Zeit aus beruflichen Gründen sogar in eine andere Stadt.

Doch das hinterfragte niemand mehr.
 

***

Die Monate vergingen und der Alltag nahm seinen gewohnten Lauf.

An einem trüben Wintertag im Januar, verlief der Tag allerdings nicht wie jeder andere.

Mitten im Japanisch-Unterricht kam die Direktorin unerwartet rein und bat Chiaki -samt seinen Sachen- raus.

Dieser packte gehorsam seinen Rucksack und verließ das Klassenzimmer. Maron schaute ihn besorgt hinterher. Er warf ihr kurz, bevor er den Raum verließ, einen letzten Blick zu.

Chiaki wusste nicht, was ihn erwartete. Hatte er irgendwas verbrochen? Oder waren seine Noten zu schlecht?

Noch überraschter war er, als er seinen Vater im Korridor stehen sah. Seine Augen starrten gedankenverloren in die Leere, bis er seinen Sohn erblickte. Seufzend fuhr er sich eine Hand über das Gesicht.

„Habe ich irgendwas falsch gemacht?“, fragte Chiaki ihn.

Kaiki nahm tief Luft und hockte sich zu ihm herunter. Mit einem herzzerreißenden Gesichtsausdruck schaute er ihn an.

„Chiaki… Deine Mutter ist wieder im Krankenhaus.“, sagte er mit monotoner Stimme.

Der Junge blinzelte seinen Vater einige Male mit großen Augen an.

Er wusste, dass seine Mutter in letzter Zeit oft ins Krankenhaus musste und alle paar Male auch wieder entlassen wurde. Er wusste auch, dass sie eine schwere Krankheit hatte und sie viele Medikamente nehmen musste.

„Sie wird doch wieder gesund?“, fragte er seinen Vater verängstigt. Dieser zögerte, machte den Mund auf und schloss ihn wieder, kämpfte sichtlich mit sich selbst.

„Ich…weiß es nicht, meine Junge.“, antwortete ihm Kaiki schließlich und nahm seinen Sohn in seine Arme. Dessen Augen weiteten sich erschrocken und ein eiskalter Schauer jagte ihm über den Rücken.

Zusammen gingen sie ins Krankenhaus.

 

Die nächsten Tage wurde Chiaki von der Schule entschuldigt. Maron machte sich Sorgen um ihn und seiner Familie. Ihre Eltern hatten sie über die Umstände aufgeklärt. Innerlich hoffte sie, dass sich alles doch noch zum Guten wendete.

Als sie eines Tages nach Hause kam, war die Stimmung bedrückend. Es war totenstill im Haus.

Takumi stand mit einem ausdruckslosen Gesicht am Fenster. Korron saß auf dem Sofa, ihr hübsches Gesicht war tränenverschmiert.

Bevor Maron es merkte, rannten auch ihr schon die Tränen das Gesicht herunter.

 

Sie sah Chiaki zu Sayuri’s Beerdigung am nächsten Tag wieder.

Am Nachmittag, während die Erwachsenen und die Gäste sich im Wohnbereich sich befanden, fand Maron ihn in seinem Zimmer wieder.

Graue Wolken bedeckten draußen den Himmel, spiegelten die Gemütszustände aller im Haus wider.

Chiaki saß auf seinem Bett und starrte in die Leere. Maron ging auf ihn zu.

„Willst du allein sein?“, fragte sie ihn zaghaft.

Wortlos schüttelte Chiaki den Kopf.

Ohne weiteren Fragen setzte sie sich hin.

Schweigend saßen sie nebeneinander.

„Gestern war sie noch da… und nun ist sie einfach weg…“, durchbrach Chiaki plötzlich die Stille, schniefte ein paar Male, versuchte sich die anbahnenden Tränen wegzublinzeln. Den ganzen Tag schon, zwang er sich nicht zu weinen. Maron schaute ihn traurig an und rückte näher an ihn ran.

„Ich bin mir sicher, deine Mama ist im Himmel und passt als Engel auf dich und dein Papa auf.“, sagte sie mit einem leichten Lächeln und nahm Chiaki in die Arme.

Er nickte, und erwiderte die Umarmung.

„Danke, dass ich dich habe.“, murmelte er, lehnte seinen Kopf an ihre Schulter an und weinte stumm.

Auch Maron rollten wieder Tränen die Wangen herunter.

Für eine Weile verharrten die Beide in Position und weinten zusammen.

Währenddessen durchbrachen draußen einige Sonnenstrahlen die dicke Wolkendecke und erhellten den Tag.

 

Chapter 3: Maybe, Maybe Not

Chapter 3: Maybe, Maybe Not

 

Acht Jahre später:

 

„Ich bin so nervös…“, murmelte Maron. Sie war die letzte Kandidatin des Rhythmischen Sportgymnastik Turniers und alle in ihrem Club verließen sich auf die 16-jährige.

„Nenn mir mal einen Moment, wo du nicht nervös warst.“, grinste Chiaki sie an, worauf er einen scharfen Blick von ihr erntete.

Gemeinsam gingen sie die Flure entlang, Richtung Wettkampffläche.

„Du glaubst gar nicht was für ein Druck das ist, wenn die ganze Schule erwartet, dass man gewinnt.“, stöhnte sie genervt und streckte sich beim Laufen noch etwas.

„Du bist schließlich der Star unserer Schule. Frau Pakkyaramao würde dich für ein halbes Jahr vor ihrer Flöte verschonen.“, lachte er, blieb stehen und legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. „Du schaffst das schon. Und selbst wenn, dann ist es auch halb so wild! Hauptsache du hattest deinen Spaß im Turnier.“, fügte Chiaki schulterzuckend hinzu.

Seine beste Freundin rollte mit den Augen und verzog den Mund zur Seite. Sie hatte keinen Nerv auf einer seiner typischen Motivationsreden. Der Oberschüler sah ihr die Laune im Gesicht an, sprach trotzdem ungehindert weiter:

„Deine Eltern sitzen irgendwo unter den Zuschauern, feuern dich an. Ich bin hier als dein bester Freund, menschlicher Glücksbringer und Motivationscoach.“ Mit einem Auge zwinkerte er ihr verschmitzt zu.

Und -am aller Wichtigsten- ich passe auf deine Fin auf.“, grinste Chiaki und hielt mit der anderen Hand ihre Silberkette hoch, welches sie über die Jahre zu einem Armband umfunktioniert hatte. „Sie wird dir schon zum Sieg verhelfen.“

Maron entfuhr ein Schnauben und setzte sich wieder in Bewegung.

„Alle wichtigen Leute sind anwesend bis auf einer!“, sagte sie gereizt und warf die Hände in die Höhe. „Dabei hat er mir versprochen, dass er kommen würde!“

„Vielleicht ist Takuya verhindert worden? Vielleicht ist er auch irgendwo unter den Zuschauern?“, zuckte er gleichgültig mit den Schultern. Takuya Satonaka, ein Mitschüler aus der Parallelklasse, mit den Maron seit einigen Monaten ausging.

„Eine SMS könnte er mir trotzdem schreiben.“, brummte sie.

Mittlerweile waren Beide in der großen Wettkampfhalle angekommen. Chiaki lehnte sich gelassen an die Wand neben ihn an und fixierte seinem Blick nach vorne zur Wettkampffläche.

Maron verschränkte neben ihm ihre Arme und schaute ebenfalls geradeaus zum Wettkampf. Beide beobachteten schweigend und unbeeindruckt die Performance einer Kandidatin aus einer anderen Schule. Nach ihr würde Maron dran kommen.

„Darf ich dir was verraten?“, fragte sie plötzlich, ohne ihren Blick von der Kampffläche abzuwenden.

„Da fragst du noch? Du verrätst mir sonst immer alles ohne Vorwarnung.“

„Ja… Es geht um Takuya.“

„Ich bin ganz Ohr.“, sagte Chiaki und blickte zu seiner Linken zu ihr herunter. Maron presste unschlüssig die Lippen zusammen, bis sie sagte:

Vielleicht oder vielleicht auch nicht… mach ich Schluss mit ihm.“

Überrascht weiteten sich seine Augen.

„Wieso das? Nur weil er heute -vielleicht oder vielleicht auch nicht- da ist?“, erkundigte er sich bei ihr.

„Nein, natürlich nicht.“, verdrehte sie ihre Augen und schüttelte den Kopf.

„Behandelt er dich nicht gut?“

„Doch! Er ist richtig süß, und so. Ein Gentleman.“

„Woran liegt es dann?“

„Keine Ahnung, wie ich das Beschreiben soll…“, murmelte Maron und biss sich auf die Lippe. Chiaki schaute sie geduldig an. „Ich weiß einfach nicht, ob er der Richtige ist. Ob das mit ihm für die Zukunft ist…“, brachte sie schließlich hervor.

„Okay…?“, entgegnete er und zog eine Augenbraue nach oben.

Maron lachte kurz auf und schaute verlegen zu Boden.

„Ich höre mich an wie eine naive Prinzessin, oder? Diese Art von Mädchen, die auf den einen Traumprinzen hofft.“

Chiaki behielt seine neutrale Miene bei und zuckte mit einer Schulter.

„Das Leben ist nicht wie im Film. Da ist es normal mit Sechzehn nicht die Liebe fürs Leben gefunden zu haben.“

„Das ist mir klar…“, erwiderte Maron und warf kurz den Kopf in den Nacken, „Aber jedes Mädchen lebt irgendwo in ihrer kleinen Prinzessinnenwelt.“

Chiaki seufzte, schloss kurz die Augen und schaute wieder zu ihr rüber.

„Bevor du irgendwelche voreiligen Entscheidungen triffst, überlege es dir einfach noch einmal gut, okay?“, sagte er, hob eine Hand und strich Maron sanft eine Strähne von der Stirn. Sie drehte sich endlich zu Chiaki um und schaute ihm in die Augen. „Und egal was es ist, ich bin bei dir und unterstütze dich bei allem.“, vollendete dieser und grinste breit. „Besonders wenn du eine starke Schulter brauchst, an der du dich ausheulen kannst.“

Daraufhin konnte sie sich ein Lachen nicht verkneifen.

„Danke.“, lächelte sie ihn an. „Du bist ein toller Freund.“

„Immer.“

Maron seufzte kurz auf. „Die Liebe kommt und geht, aber Freundschaft besteht.“, sagte sie, wippte mit den Füßen auf und ab und blickte wieder nach vorne.

„Ja...“ Chiaki folgte ihrem Blick und rieb sich unbeholfen den Nacken.

„Da wir jetzt beim Thema sind… Wie sieht es zwischen dir und Yuri aus?“, fragte sie mit einem neugierigen Grinsen zu ihm gewandt.

Er zuckte sorglos mit den Schultern. „Haben vor Wochen Schluss gemacht.“

Was?!“ Maron blinzelte ihn überrascht an.

„Es beruhte auf Gegenseitigkeit.“, sprach er unbekümmert weiter.

„Wieso sagst du mir nichts davon?“

„Weil du, wie ich erwartet habe, eine große Sache daraus machst!“

„Tu ich gar nicht!“, leugnete Maron, worauf ihr bester Freund nur kopfschüttelnd lachte. „Ich bin nur…eh, erstaunt darüber.“, redete sie sich erfolglos raus, „Ihr wart so ein hübsches Paar! Schade, dass es nach wenigen Monaten zu Ende ging.“

„Wie auch immer. So ist es halt. Wie du eben sagtest - ‚die Liebe kommt und geht, aber Freundschaft besteht‘“, hakte er das Thema für sich ab. Maron warf ihm einen kurzen besorgten Blick zu.

„Hey….“ Sie legte Chiaki eine Hand auf den Oberarm und drehte ihn zu sich um. „Es gibt nichts, was ich mir mehr wünsche, als dass du den Menschen findest, der dich wirklich aus vollem Herzen liebt und glücklich macht. Denn du bist wirklich ein richtig toller Kerl…. Das hast du dir verdient, nach allem was du erlebt hattest.“, sagte sie sanft und lächelte ihn warm an.

Chiaki wusste, dass sie indirekt auf den Tod seiner Mutter hinwies. Sie wusste, wie schwer der Verlust für ihn und seinem Vater war. Sein Vater war zwar für ihn da gewesen, dank Maron konnte er jedoch den Schmerz verarbeiten. Sie war auch die Einzige, die er sich gegenüber richtig öffnen und sich Verstanden fühlen konnte.

„Dasselbe wünsche ich mir für dich auch.“, brachte er nach einigen Momenten ehrlich entgegen. Peinlich berührt lächelte Maron ihn an.

Für einige Sekunden schaute Chiaki seine Freundin wie hypnotisiert an. Nach all den Jahren, hatte ihr Lächeln immer noch was Verzauberndes an sich.

Plötzlich ertönte hinter ihnen eine Stimme: „Ich hoffe du bist nicht allzu nervös, Maron!“

Die Angesprochene drehte sich um.

Es war Mayuri Tatsumi, die mit ihr und Chiaki in einer Klasse ging und ebenfalls im Club der Rhythmischen Sportgymnastik war. Ein nettes, rothaariges Mädchen, mit der Beide befreundet waren und mit einigen anderen auch in ihrer Freizeit so einiges unternahmen.

„Ich krieg das schon gebacken!“, versicherte ihr Maron augenzwinkernd und im selben Augenblick ertönte die Stimme des Moderators, rief sie für den Wettkampf auf.

Sie warf einen letzten Blick auf ihre Freunde.

„Gib dein Bestes, Maron!“, rief Chiaki ihr zu und schenkte ihr ein ermutigendes Lächeln. Sie lächelte dankend zurück.

Die Musik ertönte und sie begann mit ihrer Performance.

„Ihr Schleifentanz sieht zauberhaft aus!“, kommentierte Mayuri begeistert.

„Ja.“, nickte Chiaki geistesabwesend, während er Maron bei ihrer Aufführung zuschaute und seine Augen nicht von ihr abwenden konnte.

Er hatte ihr schon mehrmals beim Training zugeschaut, doch an dem Tag war ihr Auftritt wirklich atemberaubend.

Wie schön, anmutig und elegant sie sich bewegte. Wie sie sich der Musik hingab und alles um sich herum ausblendete.

Sie war wunderschön, das stand außer Frage. Ebenso war sie intelligent, hatte Humor, Charisma und Charme.

Viele Jungs schwärmten in seiner Gegenwart von ihr und erhofften sich immer eine Chance bei ihr in irgendeiner Weise zu landen. Dieselben Jungs beneideten Chiaki auch für seine enge Freundschaft mit Maron.

Er wusste nicht wann, aber ab einem bestimmten Punkt in seiner Jugend ging ihm das Gelaber über seine beste Freundin mächtig auf dem Keks. Als sie noch anfingen, ihn nach ihrer Nummer zu fragen, sprangen seine inneren Alarmglocken an und er wimmelte jeden eiskalt ab mit der Begründung, sie wären nicht gut genug für sie, was in seinen Augen auch stimmte.

Als schließlich der Tag kam, in der sie mit Takuya zusammen kam, verspürte er zum ersten Mal dieses stechende Gefühl in seiner Brust. Wie als würde man mit Nadeln auf sein Herz einstechen.

In den Momenten merkte Chiaki, dass er mehr in Maron sah als nur eine Kindheitsfreundin. Dass er mehr für sie empfand als nur Freundschaft.

 

„MARON KUSAKABE, VON DER MOMOKURI AKADEMIE, ERZIELT MIT IHREM SCHLEIFENTANZ 9.87 PUNKTE UND GEWINNT SOMIT DAS TURNIER!“, die hallende Stimme des Moderators und das darauffolgende Jubel warfen den Jugendlichen zurück in die Gegenwart.

Er sah, wie Maron eine Trophäe überreicht wurde und wie sie anschließend auf ihn zu rannte.

„Ich habe gewonnen!!“, schrie sie überglücklich auf und sprang Chiaki in die Arme.

„Ich sagte doch, du schaffst das!“, sagte er mit einem breiten Lächeln und drückte sie innig.

Vor einen Moment war ihr Gesicht seinem so nah, dass sein Herz anfing schneller zu schlagen. Unbemerkt liefen seine Wangen rosa an.

„Ohne dich hätte ich das nicht geschafft!“, sagte Maron, löste sich von der Umarmung und schaute Chiaki lächelnd ins Gesicht. Er gab ihr ihre Armband-Kette wieder.

Sie band sich ihren Engel wieder um und strahlte über beide Ohren.

„Danke, dass du auf sie aufgepasst hast! Und dass du hier bist und mir bei allem zur Seite stehst! Du bist der beste beste Freund, den man haben kann!!“

Diese Worte gaben ihm einen kleinen Stich ins Herz. In dem Moment verschwand sein Lächeln langsam, doch das bekam Maron nicht mit, da sie von allen Seiten gratuliert wurde und Blumen in die Hand gedrückt bekam.

Chiaki beobachtete sie dabei.

Können wir nicht doch mehr als Freunde werden…? Wenn sie mit Takuya Schluss macht, steht der Option eigentlich nichts im Weg…oder?, ging es ihm durch den Kopf.

Auf einmal standen Maron’s Eltern vor ihr sowie auch ihr Freund mit einem großen Strauß Rosen. Chiaki verzog innerlich das Gesicht.

Wage bekam er mit, wie Takuya Maron erklärte, dass der Verkehr ihn verhindert hätte und er es gerade so noch geschafft hatte zu ihrer Aufführung zu kommen.

Ihre Eltern konnten ihr bestätigen, dass er da war. Als Entschuldigung für die Verspätung hatte Takuya ihr den Strauß gekauft.

Gerührt nahm Maron die Blumen an, während er sich zu ihr herunterbeugte und ihr einen Kuss gab. Sie erwiderte ihn zärtlich.

Chiaki schaute dabei weg, versuchte so neutral wie möglich zu wirken, obwohl er innerlich blutete. Zum ersten Mal konnte er für sich definieren, dass er eifersüchtig auf Takuya war.

„Ehm…Chiaki.“ Überrascht drehte der Angesprochene sich um. Es war Mayuri, die ihn mit einem leicht erröteten Gesicht anschaute und etwas schüchtern wirkte.

„Was gibt's Mayuri?“, fragte er sie mit einem netten Lächeln. Sie errötete noch mehr und fing an zu stammeln.

„Ich weiß, dass ist nicht der perfekte Ort oder Zeitpunkt sowas zu fragen… Aber würdest du vielleicht mit mir einen Kaffee trinken gehen?“

Seine Augenbrauen zogen sich überrascht hoch.

„... Im Sinne von einem Date?“, fragte er.

„J-Ja! Ich mag dich nämlich sehr… und ich erhoffe mir vielleicht mehr daraus?“, gestand Mayuri, mittlerweile Rot über beide Ohren.

Chiaki wusste nicht, was er sagen sollte, doch dann schweifte sein Blick wieder zu Maron, wie sie eng umschlungen in Takuya’s Armen befand.

Vielleicht ist es besser Freunde zu bleiben…, dachte er sich und schluckte schwer. Er sah ein, dass er wahrscheinlich nicht derjenige sein wird, der sie glücklich machen wird. Dass er auch nicht ewig auf sie warten konnte. Dass er lernen musste loszulassen.

Das Einzige was Chiaki sich aus vollem Herzen wünschte, war Maron glücklich zusehen. Selbst wenn es an der Seite eines anderen Mannes war. Und lieber wäre er als ihr bester Freund an ihrer Seite, als sie komplett zu verlieren.

Sein Blick wanderte wieder zu Mayuri, die ihn mit einem angespannten Gesichtsausdruck anstarrte, darauf wartend, ob er ihre Gefühle annehmen würde, oder nicht.

Süß und attraktiv war sie, dass musste Chiaki sich eingestehen. Und sie verstanden sich gut, hatten einige gemeinsame Hobbies und Interessen.

Schließlich lächelte er sie an und sagte: „Es wäre mir eine Ehre mit dir auszugehen.“

 

Die Zeit verging und die beiden besten Freunde gingen gemeinsam durch alle Phasen ihres jungen Lebens miteinander durch. Teilten Freud und Leid miteinander.

Vom ersten Herzschmerz bis zum bestandenen Schulabschluss.

Auch in der Uni und danach ging das Leben für Maron und Chiaki weiter.

Erfolge wurden gefeiert. Niederschläge wurden einkassiert.

Freunde kamen. Freunde gingen.

Beziehungen blühten auf. Beziehungen zerbrachen.

Das Leben veränderte sich in alle möglichen Richtungen um sie herum.

Bloß eines blieb nach Jahren unverändert.

Ihre Freundschaft.

Sowie….

Chiaki’s Gefühle zu Maron.
 

***

Zurück in die Gegenwart:

 

„Du bist mir echt ein trauriger Tropf!“

Genervt warf Chiaki seinem Sitznachbar einen scharfen Seitenblick zu. Ein junger Mann, großgewachsen wie er selbst, mit bernsteinfarbenen Augen und dunkelviolettem Haar.

„Halt die Klappe, Shinji!“, sagte er und widmete sich wieder seinem Brandy. Nachdem Chiaki sich von Maron und ihren Eltern verabschiedet hatte, rief er seinen Freund an, um mit ihm in ihrer Lieblingsbar bei ihm in der Nähe kurz einen Trinken zu gehen.

„Du hast mit dem Reden angefangen und heulst hier rum.“, entgegnete Shinji und nahm ein Schluck von seinem Sake.

Shinji Narukami, Chiaki’s bester Freund aus der Oberstufe, welchen er im Basketballclub der Schule kennenlernte und nun als selbstständiger Fotograf tätig war. Vorwiegend buchte man ihn zu Partys, besonderes Events und großen Veranstaltungen, womit er sich gut übers Wasser hielt.

Ihm konnte Chiaki Sachen anvertrauen, die er selbst Maron nicht offenbaren würde.

Dies wären auch seine Gefühle ihr gegenüber.

Im Grunde genommen, war Shinji auch der einzige, der davon wusste.

Er und Maron kannten sich ebenfalls aus der Schule, verstanden sich auch gut, hatten aber sonst nie viel miteinander zu tun gehabt.

„Vielleicht war es ein Fehler dich hierherbestellt zu haben.“, brummte der junge Arzt trocken.

„Hey, du weißt, dass ich immer ein offenes Ohr für dich habe. Auch wenn du im Grunde genommen mir seit ungefähr acht Jahren dasselbe erzählst.“, grinste Shinji und legte seinem Kumpel einen Arm über die Schulter. „Genauso, wie du seit acht Jahren es dir zur Lebensaufgabe gemacht hast, die hübschesten Mädels, die dir entgegenkommen zu daten, versuchst in ihnen die Frau fürs Leben zu finden - nur um über sie hinweg zukommen.“, fügte er hinzu und schweifte mit seiner freien Hand dramatisch über den Horizont.

„Red keinen Scheiß!“, warf Chiaki launisch ein.

„Du weißt genau was ich meine, Kumpel. Ich habe dich durchschaut.“

„Ich bin seit über zwei Jahren Single.“

„Ändert trotzdem nichts an dem, was ich sagte.“

Chiaki rollte nur mit den Augen.

„Aber du meintest doch, dass sie dir was Wichtiges sagen wollte und ziemlich nervös wirkte…“, merkte Shinji an.

„Ja. Worauf willst du hinaus?“

„Vielleicht wollte sie dir eine Liebeserklärung machen?!“

Chiaki schaute den Dunkelhaarigen an, wie als hätte dieser den Verstand verloren. Ungläubig zogen sich seine Brauen zusammen.

„Was?“, sagte Shinji und zuckte ahnungslos mit den Schultern. „Kann doch gut möglich sein! Vielleicht wachte sie eines Morgens auf und dachte sich ‚Hey Welt, weißt du was? Chiaki Nagoya ist der Traumprinz auf den ich seit Ewigkeiten warte!‘“

„…Ja klar.“, kam es von Chiaki pessimistisch. „Dass Hogwarts existiert ist wahrscheinlicher als das.“

„Wieso gestehst du ihr deine Gefühle nicht endlich? Ihr seid beide Single. Und vielleicht erwidert sie deine Gefühle.“, entgegnete Shinji.

Chiaki fasste sich seufzend an den Kopf.

„Vielleicht. Vielleicht auch nicht… Ich persönlich bezweifle das.“, seufzte er und schwenkte sein halbleeres Glas in kreisende Bewegungen. „Außerdem will ich unsere Freundschaft nicht gefährden. Oder in die Freundesszone gesteckt werden. Da halte ich lieber die Klappe und bleibe für immer so ihr bester Freund.“

Shinji stieß hörbar Luft aus und warf die Hände in die Höhe.

„Gott, steh mir bei…!“, stöhnte er.

Chiaki warf ihm einen genervten Blick zu.

„Ihr bereitet mir echt Kopfschmerzen.“

„Manchmal wünsche ich mir, ich hätte dir nie was gesagt.“

„Dafür ist es zu spät, mein Freund.“

„Egal. Genug von mir. Wie sieht’s bei dir aus? Zwischen dir und Natsuki läuft noch alles gut?“, erkundigte er sich und zog mit halben Desinteresse die Augenbraue hoch.

Shinji’s Augen begannen zu strahlen.

„Da du es gerade ansprichst! Wir ziehen nächsten Monat zusammen!“, kündigte er an.

Bei der Info sich weiteten sich Chiaki’s Augen und er grinste seinen Freund an.

„Echt? Du zu ihr oder sie zu dir? Oder trifft ihr euch irgendwo in der Mitte?“, fragte er mit ehrlichem Interesse.

Shinji schüttelte lachend den Kopf. „Sie zieht von Okayama nach Momokuri. Hat sogar schon eine Jobzusage als Eventmanagerin.“

„Wow… Da freue ich mich für euch beiden!“, sagte Chiaki und klopfte seinem Freund auf den Rücken.

„Danke.“, grinste Shinji verlegen.

Er und seine Freundin Natsuki Sakurai -eine hübsche, junge Frau mit kurzen, grünen Haaren- führten seit zwei Jahren eine Fernbeziehung, wodurch sie sich auch alle paar Monate sahen. Meistens kam er zu ihr zu Besuch.

Kennengelernt hatten sie sich Okayama, als er für eine Veranstaltung gebucht wurde und sich fünf Tage lang da aufhielt. Sie hatte zu dem Zeitpunkt als Praktikantin dort gearbeitet. Es hatte direkt gefunkt zwischen ihnen. Auch wenn Shinji einige Schwierigkeiten hatte Natsuki von sich zu überzeugen.

Chiaki hatte sie vor einem Jahr das erste und einzige Mal getroffen, als er seinen besten Freund für ein Wochenendtrip nach Okayama begleitete.

„Wir können sie ja Maron vorstellen. Ich bin mir sicher, die Beiden werden sich verstehen.“, schlug Shinji vor.

„Klar, wieso nicht. Maron ist sowieso unkompliziert und offen, was Menschen angeht.“

„Dann sollte sie auch offen mit deinen Gefühlen umgehen können.“

„Ach, halt die Fresse.“

Einige Minuten redeten die beiden Männer noch miteinander bis sie sich auf dem Weg nach Hause machten.

 

In seiner kleinen 50-Quadratmeter Wohnung angekommen, ging Chiaki auf sein Balkon und starrte nachdenklich über die Stadt herab. Gedanklich ließ er den Abend mit Maron nochmal Revue passieren, sowie sein Gespräch mit Shinji.

Was sie ihn wohl sagen wollte?

Vielleicht hatte Shinji Recht und sie wollte ihm wirklich ihre Gefühle stehen?

Ungläubig schüttelte Chiaki den Kopf und lachte leise in sich hinein. Nein... Unmöglich., dachte er sich und grübelte weiter.

Sollte er das Risiko eingehen und seine Gefühle ihr gestehen?

Vielleicht hatte sein Freund Recht und sie empfand genauso?

Vielleicht aber auch nicht und das würde ihre Freundschaft in eine unangenehme Lage bringen?

Zu viele Fragen.

Zu viele Vielleichts.

Zu viele Möglichkeiten.

Zu viele Risiken.

Ohne einen klaren Entschluss ging Chiaki ermüdet ins Bett und schlief traumlos ein.

 

Chapter 4: Her Little Secret

Chapter 4: Her Little Secret

 

Zwei Wochen waren seit dem Kinoabend vergangen. Seitdem hatte Chiaki Maron nicht mehr zu Gesicht bekommen, weil sie auf Hochtouren mit ihrer Abschlussarbeit lief. Er selbst war ziemlich beschäftigt gewesen im Krankenhaus, übernahm einige Nachtschichten und Überstunden.

Gelegentlich schrieb er ihr eine Textnachricht, um sicher zu stellen, dass es ihr gut ging oder um ihr ein paar ermutigende Worte zu hinterlassen, die sie dankend annahm. An manchen Abenden telefonierten sie auch für ein paar Minuten miteinander, wenn Maron sich nicht zu gestresst fühlte. Doch die paar Minuten reichten Chiaki. Überhaupt für ein paar wenige Sätze ihre Stimme zu hören, reichte ihm. Da konnte er den Alltagsstress für den Rest des Tages vergessen und sich entspannt fühlen.

Noch immer fragte er sich jedoch, was sie ihm an dem einen Abend sagen wollte. Als er sie einmal am Telefon darauf ansprach, sagte sie ihm nur, dass sie das lieber persönlich und in Ruhe klären möchte, was er mit einem ‚Okay‘ akzeptierte.

Nachdem sie aufgelegt hatten, warf er einen seufzenden Blick auf sein Wandregal im Wohnzimmer, auf welches ein paar Fotos sich befanden. Darunter war auch eins, worauf er und Maron zu ihren Schulabschluss abgebildet waren und glücklich in die Kamera grinsten. Die Kusakabes hatten dasselbe Foto bei sich im Wohnzimmer stehen.

Chiaki schaute das Bild mit einem verträumten Lächeln an.

Er vermisste sie. Auch wenn es nur zwei Wochen waren, so vermisste er sie genauso stark, wie zu der Zeit als er nach dem Schulabschluss nach Tokyo ging, um sein Medizinstudium zu absolvieren.

Es gab keinen Tag, wo er nicht an Maron dachte. Wo er sich fragte, was sie machte oder mit wem sie unterwegs war. Wo er darauf hoffte, dass es ihr gut ging. Dass sie mit einem glücklichen, zufriedenen Gefühl den Tag beginnt und beendet.

Nach einigen kräftigen Überlegungen, beschloss Chiaki Shinji’s Rat nachzugehen und ihr bei der nächsten, passenden Gelegenheit seine Gefühle zu gestehen. Vielleicht hatte sein Freund Recht und sie empfand genauso?

Und wenn nicht? Dann würde Chiaki Manns genug sein, ihre Gefühle zu akzeptieren, zu respektieren und weiterhin versuchen für sie als bester Freund dazu sein.

Besser als sie komplett zu verlieren.

Solang sie in sein Leben blieb, reichte es ihm.

 

Und so vergingen die restlichen Tage.

Es war Mitte März, Montagnachmittag und Chiaki wollte soeben Feierabend machen, als plötzlich sein Vater an der Bürotür klopfte.

„Da du gerade frei hast, kannst du mir einen Gefallen tun?“, fragte Kaiki ihn.

Sein Sohn neigte fragend den Kopf, während er sich seine Jacke anzog. „Was für einen Gefallen?“

Daraufhin hielt der Chefarzt einen großen, braunen Umschlag hoch und reichte es Chiaki. Dieser nahm es mit einem großen Fragezeichen im Gesicht an.

„Ein Auftragsangebot für Takumi.“, erklärte Kaiki ruhig. „Ein Patient von mir, der heute Morgen eingeliefert wurde, ist ein großer Bewunderer seiner Werke und nachdem er erfahren hatte, dass ich ihn persönlich kenne, hatte er mich darum gebeten, dies…“, er deutete mit dem Finger auf dem Umschlag, „…ihm zu überreichen. Eigentlich wollte er es Takumi heute selbst übergeben, aber aufgrund einer akuten Darminfektion ist er… naja, jetzt hier ans Bett gefesselt.“

„Scheint wohl sehr wichtig zu sein.“, merkte Chiaki lustlos an, drehte den Umschlag in seiner Hand hin und her.

Kaiki zuckte mit den Schultern. „Wie dem auch sei. Tu mir den Gefallen und spiele Postbote für mich, okay?“

„Kann Kagura das nicht machen?“

Der Krankenhausdirektor schüttelte lachend den Kopf. „Er ist gerade terminlich verhindert. Sonst hätte ich ihn natürlich darum gebeten.“

Widerwillig ging Chiaki auf die Bitte. „Okay, meinetwegen. Ich mach’s. Habe sowieso nichts Besseres zu tun.“, sagte er augenrollend und fuhr sich stöhnend durch die Haare.

„Danke, Sohn.“, lächelte sein Vater ihn an und klopft ihm stolz auf die Schulter.

Damit war der junge Arzt schon aus der Tür und begab sich zu seinem Auto.

 

Chiaki brauchte zwanzig Minuten bis er die Straße zu Takumi’s Architekturbüro erreicht hatte. Weitere fünf Minuten benötigte er, um einen freien Parkplatz einige Meter entfernt zu finden.

Mit dem Umschlag in der Hand stieg er aus und ging auf das moderne, gläserne Gebäude zu.

Vor dem Architekturbüro kam ihm plötzlich Maron entgegen.

„Maron? Was machst du denn hier?“, fragte Chiaki überrascht und umarmte sie zur Begrüßung. Die Angesprochene schaute ihn ebenfalls überrascht an.

„Oh…eh…Ich hatte meine Arbeit vorhin abgegeben, wollte mir die Beine vertreten und lief dann zufällig hier vorbei.“, erklärte sie ihm schnell und gestikulierte mit den Zeigefingern hinter sich.

„Ach stimmt! Heute war den Abgabetermin.“, schlug er sich mit der Hand auf die Stirn und schaute Maron anschließend verwundert an. „Moment Mal, die Uni ist über eine halbe Stunde Fußweg von hier entfernt…“

„Ja…ehm, ich hatte selbst nicht gemerkt, wo und wie lange ich umherlaufe.“, winkte sie hastig ab und rieb sich verlegen den Kopf. Chiaki wusste nicht wieso, aber er bekam das Gefühl nicht los, dass sie ihm etwas verheimlichte. „War ein wenig in Gedanken verloren gewesen.“, fügte sie letztlich hinzu und lachte kurz auf.

Er schmunzelte ebenfalls und warf sich seine Sorgen beiseite.

„Wegen der Arbeit? Da brauchst du dir keine Sorge machen. Ich bin mir sicher, du hast es gemeistert!“

„Danke! Ich wollte dir vorhin sowie schreiben.“, sagte Maron und fragte: „Was machst du eigentlich hier?“

Chiaki hielt ihr den Umschlag in die Höhe. „Mein alter Herr wollte, dass ich deinem Vater das gebe.“

„Ah…Dann komme ich kurz mit.“, schlug sie achselzuckend vor und ging rein. Ihr bester Freund folgte ihr. Am Eingang wurden die Beiden direkt von der freundlichen Empfangssekretärin begrüßt und zugewinkt.

„Hallo, Maron. Dein Vater befindet sich oben in seinem Büro.“, sagte sie.

„Danke, Frau Kishimoto.“

Damit gingen sie die Treppe zum zweiten Stockwerk hoch, wo die Geschäftsleitung sich befand.

„Ich gehe noch schnell ins Bad. Wo sein Büro ist, weißt du ja.“, sagte Maron, am oberen Treppenansatz angekommen und ging in die entgegengesetzte Richtung zu den Frauentoiletten.

Chiaki nickte und lief zielsicher durch das Gebäude. Er und Maron waren schon des Öfteren bei ihrem Vater im Büro zu Besuch gewesen, weshalb er sich bestens auskannte. An der richtigen Tür angekommen, klopfte er drei Mal.

Keine zehn Sekunden später öffnete sich die Tür.

Doch anstatt Maron’s Vater zu begegnen, stand plötzlich ein fremder, junger, gutaussehender Mann -kaum älter als er selbst- mit kurzen, roten Haaren vor ihm.

„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte der Fremde höflich.

„Uhm, Ja! Ich wollte zu Takumi Kusakabe.“, sagte Chiaki perplex und warf einen flüchtigen Blick auf die Plakette an der Wand, wo auch dessen Name stand. Im Büro geirrt hatte er sich schon mal nicht.

Ehe er sich versah, tauchte Takumi neben den Fremden auf.

„Chiaki! Wie ich sehe, lernst du gerade meinen neuen Assistenten kennen.“, sagte er und nickte mit den Kopf auf deinen Nebenmann.

Chiaki runzelte überrascht die Stirn. „Assistent?“, fragte er nach.

„Ja.“, sagte der Fremde und streckte ihm die Hand aus. „Hijiri Shikaidou.“

Er schüttelte dessen Hand und stellte sich ebenfalls vor.

„Chiaki Nagoya.“ Aus unerfindlichen Gründen, konnte er etwas in Hijiri's Augen aufblitzen sehen, nachdem er seinen Namen sagte.

„Freut mich Sie kennenzulernen, Herr Nagoya.“, sagte Hijiri mit einem freundlichen Lächeln. Chiaki lächelte mit professioneller Freundlichkeit zurück.

„So überrascht wie du wirkst, scheint mir so als hätte Maron dir nicht erzählt, dass ich ihn seit knapp zwei Monaten bei mir im Büro habe.“, stellte Takumi mit leichter Verwunderung fest.

„Das liegt auch daran, dass ich in den letzten Wochen wichtigere Dinge zu tun hatte. Spricht meine Abschlussarbeit, die ich heute abgegeben habe.“, sprach diese plötzlich und tauchte an Chiaki’s Seite auf.

„Hallo.“, begrüßte Hijiri sie mit einem Lächeln. Chiaki gefiel die Art nicht, wie er Maron ansah.

„Hallo.“, kam es von ihr schnell zurück, würdigte ihm nur einen kurzen Blick, ehe sie sich auf ihren Vater wieder konzentrierte. „Chiaki wollte dir was geben.“

Takumi’s Augen wanderten wieder zu dem Benannten und er hob fragend eine Augenbraue.

Chiaki selbst hatte schon fast vergessen, weshalb er hier war und hielt ihm den Umschlag entgegen.

„Ein Patient von meinem Vater sei Fan von deinen Arbeiten und hätte ein Bauprojekt für dich.“, erklärte er.

„Ah…Verstehe. Danke, Chiaki.“ Der Architekt nahm den Umschlag und gab es Hijiri. „Du kannst es dir ja mal angucken und mir deine professionelle Meinung mitteilen.“

Es überraschte Chiaki nicht, dass er seinen Assistenten duzte. Ähnlich wie sein Vater gehörte Takumi Kusakabe zu der Sorte Chef, die formale Anreden bei seinen Mitarbeitern nicht so streng nahm.

Hijiri nickte, warf Maron einen letzten Blick zu und verschwand hinter seinem Chef ins Büro.

Die Braunhaarige räusperte sich kurz.

„Ich denke, wir gehen jetzt, oder Chiaki?“

„Ehm. Klar, wieso nicht?“, zuckte der Angesprochene mit den Schultern.

Die Beiden verabschiedeten sich von Maron’s Vater und verließen das Architekturbüro.

„Soll ich dich nach Hause fahren?“, bot der Blauhaarige seiner Freundin an, worauf sie zustimmend nickte.

„Klar, gerne!“

 

„Ziemlich jung der Assistent deines Vaters.“, sagte Chiaki, nachdem sie für eine kurze Weile schweigend nebeneinander saßen.

„Hmm.“, nickte seine Beifahrerin gedankenverloren und schaute kurz auf ihr Handy, welches wegen einer SMS aufblinkte. „Er soll auch erst 27 sein. Also gerade mal drei Jahre älter als wir.“, sagte sie und tippte anschließend eine Nachricht zurück.

„Aha.“, entgegnete Chiaki nur.

Er warf ihr einen kurzen Seitenblick zu.

Maron schien über etwas nachzudenken, presste unentschlossen ihre Lippen zusammen und ließ ihre Augen immer aus dem Fenster schweifen. Ihre Finger spielten unruhig mit dem Handy in ihrer Hand. Chiaki kannte sie gut genug um sie wissen, dass sie etwas beschäftigte.

„Alles in Ordnung?“, fragte Chiaki besorgt.

„Was? Oh…eh, Ja!“, sagte sie hastig und schenkte ihm ein unbesorgtes Lächeln. „Ich, eh, dachte nur an morgen.“

„Morgen?“

„Ja. Ich fange wieder im Mori-Café an zu arbeiten.“

„Ah… Da kann ich meine Lieblingsbarista wieder besuchen kommen.“, grinste Chiaki sie an, worauf sie peinlich berührt auflachte und sogar leicht errötete.

„So gut bin ich nicht.“

„Da wären ich und dein Chef anderer Meinung.“

Daraufhin rollte sie verlegen mit den Augen und grinste.

Für ihr letztes Studienjahr hatte Maron angefangen als Aushilfe für das beliebte Café in der Innenstadt zu arbeiten. Schnell fand sie Spaß in ihrem Nebenjob, weshalb der Chef des Ladens ihr schließlich auch beibrachte, wie man traditionell, nach altem Rezept Kaffee zubereitete.

Für die Zeit in der sie ihre Abschlussarbeit schrieb, hatte sie sich letztlich eine kurze Auszeit von dem Job genommen.

„Ich wette, der alte Herr Morimoto hat dich schon vermisst.“, merkte Chiaki grinsend an.

„Ja, bestimmt.“, lachte Maron. „Nun… Solange ich auf das Ergebnis meiner Arbeit warte und mich für einige Presseagenturen bewerbe, brauche ich eine Beschäftigung. Ebenso schadet das Geld nicht.“

„Klingt vernünftig.“

Während Beide sich über Belangloses unterhielten und lachten, debattierte Chiaki die ganze Fahrt über mit sich selbst, ob er Maron jetzt seine Gefühle gestehen sollte, oder nicht. War die passende Gelegenheit gekommen oder sollte er sich ein romantischeres Ambiente für einen anderen Tag überlegen? Wie ein Date. Sie zum Essen ausführen und es ihr da sagen?

Nein. Er schüttelte unbemerkt mit dem Kopf.

Nach wenigen Minuten waren sie schließlich bei Maron’s Elternhaus angekommen.

Hör auf zu warten und sag es ihr jetzt…!, dachte Chiaki sich entschlossen und atmete nochmal tief durch, bevor er Maron zur Tür begleitete.

„Maron…“, setzte er an. Sie schaute neugierig zu ihm auf.

„Ja?“

„E-Ehm…“ Die Sekunden verstrichen.

Gott verdammt, sag es ihr endlich…!, ging es Chiaki frustriert durch den Kopf. Drei ganz einfache Worte…!!

Mit einem Schlag war jeglicher Mut, den er sich in den letzten Minuten aufgebaut hatte, verschwunden.

Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Es würde ihn nicht wundern, wenn Maron es ebenfalls hören könnte. Seine Hände wurden unruhig, weshalb er sie in seine Jackentaschen vergrub.

So oft hatte er sich die letzten Jahre diesen Moment in Gedanken ausgemalt. Nun hatte er sich vorgenommen es durchzuziehen und benahm sich stattdessen wie ein kleiner, schüchterner Junge.

Innerlich könnte er sich ohrfeigen.

„Chiaki?“ Maron’s Stimme riss ihn aus den Gedanken. Noch immer blickte sie ihn erwartungsvoll sowohl als auch leicht besorgt an.

„Alles okay?“, fragte sie.

„J-Ja…“, sagte Chiaki, lachte verlegen auf und umarmte seine Freundin. „Gute Nacht...“, wisperte er schließlich, löste sich von ihr und ging zu seinem Auto zurück.

Bei der Fahrertür stoppte er sich kurz und schaute ein letztes Mal zu Maron auf, die ihm ein „Gute Nacht“ zurief und winkte, bevor sie reinging.

Chiaki winkte ihr mit einem Lächeln zurück und stieg ein.

Kaum saß er im Wagen, stöhnte er frustriert auf und schlug seine Stirn gegen das Lenkrad.
 

***

„Nach den Kunden kannst du ruhig Feierabend machen, Maron.“

„Alles klar, Herr Morimoto.“, grinste die Angesprochene ihren Chef an, während sie für die letzte Tasse Kaffee brühte und es dem besagten Kunden, ein älterer Herr der Zeitung las, brachte.

„Bitte schön.“, sagte sie freundlich, als sie dem Mann die Tasse brachte.

Er bedankte sich vielmals und nahm direkt einen Schluck. „Hmm. Ausgezeichnetes Aroma.“, kam es von ihm anerkennend.

„Danke. Geheimrezept des Hauses.“, entgegnete Maron augenzwinkernd, worauf der Ältere auch nur herzhaft lachte und sich wieder seiner Zeitung widmete.

Anschließend zog sie ihre schwarze Schürze aus, verabschiedete sie sich von ihren Kollegen hinter der Theke und beendete somit ihre Schicht.

Kaum hatte sie das Café verlassen, sah sie ein vertrautes Gesicht einige Meter entfernt am Stadtbrunnen sitzen.

Mit einem breiten Grinsen ging sie auf den Rothaarigen zu. Dieser stand sofort auf.

„Herr Shikaidou.“, begrüßte sie ihn.

„Maron.“, begrüßte er sie mit einem Lächeln zurück und umarmte sie. „Es wäre schön, wenn du mich selbst auf der Arbeit mit so einem Lächeln begrüßen würdest. Und mich Hijiri nennst.“

„Da kannst du auch direkt bei meinem Vater kündigen und dich arbeitssuchend melden.“, sagte sie, stupste ihm auf die Nase und gab ihm einen Kuss auf den Mund.

 

Im selben Augenblick kam Chiaki an dem Café vorbei, wollte Maron eigentlich abholen kommen.

Als er sie allerdings in Hijiri’s Armen sah, blieb er wie vom Blitz erschlagen stehen. Fassungslos schaute er mit an wie sie sich küssten. In der Sekunde zerbrach ihm das Herz.

Nachdem sie sich voneinander lösten, blickte Maron kurz zur Seite und sah ihren besten Freund, der sie mit großen Augen anstarrte.

„Ehm… Ich denke, du solltest jetzt gehen.“, sagte sie zu Hijiri. Dieser drehte sich kurz zu Chiaki um.

„Oh.“, brachte er hervor und rieb sich verlegen den Nacken. „Ehm…Wir sehen uns?“, fragte er sie.

„Ja.“, nickte sie kurz.

Damit entfernte Hijiri sich von ihr und verschwand aus ihrem Sichtfeld.

Sie nahm tief Luft und ging auf Chiaki zu.

„Hey.“, sagte Maron mit einem nervösen Lächeln.

„Uhm… Hey…“, begrüßte er sie zurück, löste sich allmählich von seiner Schockstarre.

„Komm. Lass uns etwas spazieren gehen. Dann können wir reden.“, schlug sie mit einem sanften Ton vor, worauf Chiaki nur zustimmend nickte.

Für einige Minuten liefen sie schweigend nebeneinander her, bis Maron die Stille durchbrach:

„Tut mir leid, dass du es so erfahren musstest. Ich wollte dir das schon letztens nach dem Kino erzählen.“

Chiaki blickte sie mit großen, entsetzten Augen an. „Das wolltest du mir letztens sagen?!“

„Ehm, ja.“, gestand sie. „Gestern wollte ich es dir eigentlich auch sagen, aber da hattest du ihn erst kennengelernt und das wäre merkwürdig gewesen-…“

„Merkwürdiger als die letzten zehn Minuten?!“, unterbrach er.

Daraufhin schaute Maron beschämt weg und biss sich reumütig auf die Unterlippe.

„Okay... ich gebe zu, dass war mehr als unangenehm.“, sagte sie kleinlaut, die Wangen mit einer Schamesröte gezeichnet.

Chiaki starrte sie mit einem entgeisterten Gesichtsausdruck sprachlos an. Er fühlte sie sich wie, als wäre er zweimal hintereinander von einem Laster überfahren worden.

Am liebsten würde er sich in dem Moment wirklich überfahren lassen wollen.

„Warte-…“, er versuchte sich zu sammeln, „Wie lange läuft das zwischen euch?“

„Ungefähr eineinhalb Monate… also seit Anfang Februar.“, antwortete sie ihm. Chiaki zog erstaunt die Brauen hoch.

„Du verheimlichst mir das schon so lange?“

„Ja...“

„Du verheimlichst mir nie etwas.“

„Ich weiß…und es tut mir auch furchtbar leid, Chiaki.“, sagte Maron mit einen entschuldigenden Gesichtsausdruck.

„Wie hat das mit euch angefangen?“, fragte er mit monotoner Stimme.

Eigentlich wollte er ihre Kennenlerngeschichte nicht wissen, aber die Frage war schon ausgesprochen, bevor er es sich anders überlegen konnte.

„Uhm…Ich hatte ihn bei meinem Vater kennengelernt. Da war er erst ein paar Tage bei ihm tätig gewesen. Ebenso war er neu in Momokuri hergezogen, weshalb ich ihn für einen Nachmittag durch die Innenstadt geführt habe. Wir fanden uns direkt sympathisch, hatten uns danach einige Male zum Kaffeetrinken getroffen und dann kam das eine zum anderen.“, erklärte sie sich. „Wir befinden uns zwar noch in der Kennenlernphase, aber… es fühlt sich gut an.“ Während sie sprach, ließ sie ihre braunen Augen nicht von Chiaki ab.

Dieser brauchte einen Augenblick, um die Informationen zu verarbeiten und nahm tief Luft, versuchte seine innere Ruhe aufrechtzuerhalten.

„Und deine Eltern bzw. dein Vater weißt nichts davon.“, schlussfolgerte er.

„Nein… Sonst feuert er Hijiri noch.“, sagte Maron. „Und du darfst ihnen auch nichts sagen. Du hast mir dein Indianerehrenwort gegeben.“

„Ja, ja… Ich halte mein Indianerehrenwort. Aber ein bisschen komisch finde ich es schon, dass du den Kollegen deines Vaters datest.“, merkte er an, worauf sie die Arme vor die Brust verschränkte.

„Es nicht so, dass es eine Regelung in seinem Arbeitsvertrag gäbe, dass er die Tochter des Chefs nicht daten darf.“, sagte sie.

„Hmmm.“, kam es von Chiaki desinteressiert und blickte mit ausdruckslosen Augen zur Seite, die Hände in die Hosentaschen vergraben.

„Bist du sauer?“, fragte sie.

„Sauer?“, fragte er zurück.

„Ja.“

„Ich bin nicht sauer.“, sagte Chiaki ihr und vermied ihren Blickkontakt. Er wusste selbst nicht, ob er sauer auf sie war. Wohl eher nicht.

Vielmehr war er einfach nur verletzt. Und eifersüchtig.

Doch das wollte er natürlich nicht zugeben.

Maron wirkte ebenfalls nicht überzeugt von seiner Aussage.

„Du benimmst dich aber komisch.“

„Ich… muss das nur für mich sacken lassen.“, entgegnete er.

„Okay… Wie gesagt, es tut mir wirklich, wirklich leid, dass ich dir nicht eher was gesagt habe.“, entschuldigte sie sich nochmals. Chiaki wusste, dass sie es auch ernst meinte.

„Ich… eh, denke wir sollten nach Hause fahren.“, schlug Maron vor.

Er nickte geistesabwesend und fuhr sie nach Hause.

 

Die Fahrt über sagte keiner ein Wort.

Bei den Kusakabes angekommen, saßen sie noch für einige Momente schweigend in ihren Sitzen. Für Chiaki fühlten sich diese Momente wie eine Ewigkeit an.

„Sehen wir uns morgen?“, fragte Maron zaghaft und schaute ihn mit besorgten Augen an.

Er atmete tief durch und drehte seinen Kopf in ihre Richtung, musterte sie stumm. Er kannte diesen Blick.

Zum ersten Mal hatte Chiaki ihn gesehen, als er als Kind für ein paar Tage krank im Bett lag und Maron sich Vorwürfe für seine Erkältung gemacht hatte. Schon damals hatte sie Angst gehabt, dass er sauer auf sie wäre, was nicht der Fall war. Überhaupt gab es für Chiaki nie einen Moment sauer oder wütend auf Maron zu sein.

Selbst wenn er wollte, könnte er es einfach nicht.

Selbst nach so einem Tag, konnte er nicht wütend auf sie sein.

Es war unglaublich.

Wohl eher war er in diesem Augenblick wütend auf sich selbst, weil er ihr ein miserables Gefühl mit seinem Verhalten gab.

Dass sie sich wegen ihm schlecht fühlte, wollte er nicht.

Wollte er nie.

„Ja, wir sehen uns morgen.“, versprach er ihr und zwang sich zu einem sanften Lächeln. „Bevor ich mittags mit der Arbeit anfange, komme ich vorbei.“

Sie lächelte erleichtert auf und ließ ihre angespannten Schultern sinken.

„Und… Was ich dir noch sagen möchte…“, setzte Chiaki an und schaute ihr eindringlich in die Augen. „ …Ich mich für dich freue. Ganz ehrlich. Du weißt, dass ich immer für dich da bin und bei allem unterstützen werde.“

„Da bin ich froh. Danke.“ Ihr Lächeln wurde breiter.

„Und ehm…Es würde mich freuen, wenn du und Hijiri euch näher kennenlernen würdet.“, sagte sie, „Aber nur wenn du willst.“

„Kein Problem.“, entgegnete er ihr schneller als er richtig darüber nachdenken konnte. Innerlich verfluchte Chiaki sich dafür.

„Danke. Das bedeutet mir wirklich viel, Chiaki.“, lächelte Maron ihn an. Damit beugte sie sich zu ihm nach vorne und umarmte ihn zum Abschied innig.

Chiaki schaute ihr noch einige Momente nach, nachdem sie in ihrem Elternhaus verschwunden war.

Er wusste nicht, was er noch denken oder fühlen sollte.

Das einzige was er spürte, war der vertraute Schmerz in seinem Herzen.

Seufzend lehnte er sich in seinem Fahrersitz zurück und fuhr, wie auf Autopilot eingestellt, zu sich nach Hause.

 

Chapter 5: Well, obviously…

Chapter 5: Well, obviously…

 

Wie versprochen schaute Chiaki am nächsten Tag bei Maron im Mori-Café vorbei, bevor seine Schicht mittags begann. Gähnend lief er durch die Innenstadt.

Die letzte Nacht hatte er kaum Schlaf bekommen. Schon am Morgen hatte er sich drei Tassen Kaffee gemacht. Womöglich würde er sich bei Maron noch einen bestellen.

Noch immer spukten die Bilder von ihr und Hijiri in seinem Kopf herum. Verbissen versuchte er sich die Erinnerungen aus dem Gedächtnis zu entfernen. Erfolglos.

Kaum hatte Chiaki das Café betreten, überrannte ihn schon der angenehme Duft von Kaffeebohnen. Gesanglose Jazzmusik war im Hintergrund zu hören. An jeder Ecke unterhielten sich Menschen entspannt miteinander.

Am hinteren Ende des Ladens sah er Maron, die soeben eine Bestellung aufnahm und zu ihm aufschaute.

Ein Lächeln bildete sich auf ihrem hübschen Gesicht und sie ging auf ihn zu. Chiaki konnte nicht anders als ihr zurückzulächeln.

„Chiaki!“, begrüßte Maron ihn erfreut. „Ich freu mich dich zu sehen.“

„Hi.“ Beide umarmten sich.

Normalerweise würden ihn solche Gesten glücklich stimmen, doch seit dem gestrigen Abend überkam ihm das bekannte, stechende Gefühl in seiner Brust. Trotzdem zwang er sich ihr zuliebe zu einem sorglosen Lächeln.

„Soll ich dir einen Latte Macchiato machen?“, fragte Maron ihn. „Oh, oder soll ich dir einen Matcha Latte machen? Ist neu im Sortiment und ziemlich beliebt derzeit bei den Kunden.“

„Hmm. Ein anderes Mal. Ich nehme für heute den klassischen Macchiato zum Mitnehmen. In einer halben Stunde muss ich im Krankenhaus sein.“, sagte er, begab sich zu einem Tisch und setzte sich auf einem barhockerähnlichem Stuhl kurz hin.

„Okay. Ich bin gleich wieder da.“

Während Chiaki auf seine Bestellung wartete, beobachtete er Maron dabei, wie sie ein paar weitere Gäste bediente und anschließend wieder zur Theke zurückkehrte.

„Hey.“, hörte er jemand in einem freundlichen Ton plötzlich sagen. Chiaki wandte seinen Blick von seiner besten Freundin ab, um in Hijiri Shikaidou’s Gesicht zu blicken, der auf der anderen Tischseite stand.

„Hey…“, begrüßte er ihn mit neutraler Tonlage zurück. Ihm fiel in dem Moment ein, dass er Maron -mehr oder weniger- versprochen hatte, sich mit ihm anzufreunden. Tief in seinem Inneren wünschte er sich, er hätte die Klappe gehalten.

„So sieht man sich wieder.“, sagte sein Gegenüber.

„Scheint so.“, entgegnete Chiaki mit einem oberflächlichen Lächeln. „Mittagspause?“

„Ja… Kannst du hier was empfehlen?“, fragte Hijiri und sah zur Getränke- und Speiseliste an der Wand über der Theke auf.

Chiaki folgte seinem Blick. „Alles mit Koffein um ehrlich zu sein.“, sagte er und zuckte mit den Schultern.

„Die Nougatcroissants sind eine Empfehlung des Hauses.“, mischte sich Maron ins Gespräch ein und gab Chiaki seinen Latte Macchiato-Becher.

„Hallo.“, sagte sie zu Hijiri gewandt.

„Hi.“, sagte er knapp zurück.

Beide warfen sich kurze Blicke zu, die Chiaki nicht entgingen. Maron biss sich auf die Lippe und schaute verlegen weg, während Hijiri seinen Blick angestrengt auf die Menüliste fixierte.

Mit einer unangenehmen, nahezu peinlichen Spannung in der Luft, schaute Chiaki zwischen ihnen hin und her.

„Himmelherrgott… Das kann man sich ja nicht mit ansehen! Nun küsst euch endlich…!”, sagte er an Beide gerichtet und fügte augenrollend hinzu: „Ich weiß Bescheid, schon vergessen?“

Mit den Worten entfernte er sich kurz von ihnen und holte sich einen Kaffee-Rührstab für seinen Latte Macchiato.

Die Aufforderung ließ das Paar sich nicht zweimal sagen und sie gaben sich einen liebevollen Begrüßungskuss.

„Ziemlich cool von dir, dass du kein Problem damit hast, Chiaki.“, sagte Hijiri und legte Maron eine Hand um die Taille, als der Blauhaarige wieder an den Tisch zurückkehrte.

Oh, ich hab ganz und gar kein Problem damit…!, dachte dieser sich sarkastisch.

„Ihr seid zwei erwachsene Menschen, die machen können, was sie wollen.“, sagte er so gleichgültig wie möglich, entfernte den Plastikdeckel seines Bechers und verrührte kurz den Milchschaum. Unterdessen überredete Maron Hijiri zu einem Cappuccino und einem Croissant.

„So, ich gehe dann mal.“, sagte Chiaki, nachdem er seinen Macchiato wieder verschloss, es an sich nahm und einen letzten Blick auf die Uhr warf.

„Bis demnächst.“, verabschiedete Hijiri sich bei ihm.

„Pass auf dich auf.“, lächelte Maron ihn schief an.

„Du- Ich meine, ihr auch.“, lächelte er verhalten zurück.

Damit war Chiaki aus dem Café verschwunden und stürzte sich in die Arbeit.
 

***

„Also nochmal zum Mitschreiben? Sie ist mit dem Assistenten ihres Vaters zusammen?!“, fragte Shinji ungläubig.

„Hörst du mich stottern?! Was genau gibt’s nicht zu verstehen?“, giftete Chiaki ihn genervt an.

Sein Freund hob abwehrend die Hände in die Höhe.

Sorry, man! Aber bei dir war ja einiges los gewesen, während ich weg war! Ich muss da erst meinen inneren Seelenklempner wieder rausholen.“, sagte er und fing seinen Basketball auf, den er von Chiaki hart zugeworfen bekam.

Es war Freitagnachmittag und über eine Woche war vergangen, seitdem Chiaki von Maron die Wahrheit erfahren hatte.

Shinji und er hatten sich zum Sport und Basketball spielen verabredet, nachdem der Fotograf die letzten paar Tage von Event zu Event gependelt war und endlich aufatmen konnte in seinem Terminkalender.

Chiaki war froh seinen besten Freund wiederzusehen, weshalb er die Gelegenheit auch direkt ausnutzte, um ihn über die neuesten Umstände mit Maron aufzuklären. Er musste mit irgendjemanden reden.

Gleichzeitig war der Sport eine willkommene Ablenkung neben der Arbeit, in der er Dampf ablassen konnte.

Dass er sein Indianerehrenwort gerade brach, war ihm bewusst, allerdings war für Maron sowieso wohl eher das Wichtigste, dass ihre Eltern nichts von der Beziehung mitbekamen.

„Wie ist der Hijiri-Typ denn so? Ein Schnösel? Ein Freak? Ein Hipster?“, fragte Shinji neugierig und warf einen Korb. Der Ball sprang in Chiaki’s Hände zurück.

„Bis jetzt… ein normaler, anständiger, unerträglich netter Kerl von nebenan.“, schnaubte er und ließ den Ball zweimal auf dem Boden prellen. „So ein typischer Sonnyboy.“ Er warf den Ball, welcher jedoch am Korb abprallte. Sein Freund nahm das runde Objekt wieder an sich.

„Hört sich furchtbar an.“, kam es von Shinji ironisch und dribbelte einige Male. „Und…von dem was du beobachten konntest… Wie ernst ist für den die Beziehung? Will er ihr nur an die Wäsche oder mag er sie wirklich?“

Chiaki überlegte eine kurze Weile. Dabei kam ihm ein Ereignis vom letzten Wochenende ins Gedächtnis.

„Keine Ahnung. Schätze Letzteres…“, murrte er leise und begann zu erzählen.

 

Es war Sonntag und er mal wieder im Café gewesen, um Maron einen Besuch abzustatten, die an dem Tag Spätschicht hatte. Seitdem sie wieder da arbeitete, ging er öfters dort vorbei, wenn er konnte.

Zu Chiaki’s Bedauern war Hijiri auch des Öfteren anwesend und versuchte mit ihm über Gott und die Welt ins Gespräch zu kommen. Mit oberflächlicher Freundlichkeit ging er auf die Konversationen ein, um Maron einen Gefallen zu tun. Zu seinem eigenen Erstaunen gab es ab und an Themen, worin er sich mit ihm tiefgründig unterhalten und lachen konnte.

So saß Chiaki auch an diesem Sonntagnachmittag mit Hijiri an einem Tisch, im hinteren Bereich des Ladens. Keine zehn Meter von ihnen entfernt, bediente Maron ein paar Gäste. Gerade als sie von einem Tisch das Geschirr abräumte, kam von der Seite ein zwei Meter großer, übermuskulöser, junger Mann und versuchte sie mit schlechten Sprüchen anzubaggern.

Ohne auf die Anmache einzugehen, bat Maron ihn so höflich wie möglich darum entweder sich was zu bestellen oder zu gehen. Doch davon ließ sich der Gast nicht abwimmeln und packte sie am Arm, als sie sich wegdrehen wollte. In dem Augenblick wurde sie bemerkbar lauter und verlangte von ihm sie loszulassen.

Instinktiv wollte Chiaki schon von seinem Stuhl aufspringen und eingreifen, als plötzlich Hijiri sich schon auf den Beinen befand und sich dazwischen stellte. Beschützend zog er Maron hinter sich und redete auf den Mann ein, dass dieser sich von seiner Freundin verhalten sollte.

Bevor irgendwer reagieren konnte, schlug der Gast nach einigen Wortgefechten Hijiri hart ins Gesicht, sodass dieser auf den nebenstehenden Tisch aufschlug und zu Boden fiel. Nach einem kurzen Schockmoment gab Maron den Mann aus Wut einen kräftigen Kinnhaken und verletzte sich dabei die Schlaghand.

K.O fiel er zurück und wurde letztendlich von einem männlichen Kollege und ihrem Chef mit einem lebenslänglichen Hausverbot aus dem Laden befördert.

Am Ende musste Chiaki, der alles fassungslos beobachtet hatte, sowohl seine beste Freundin als auch ihren Freund verarzten und fuhr mit ihnen kurz ins Krankenhaus. Hijiri blieb ein dickes, blaues Auge zurück, während Maron mit einer leichten Verstauchung in den Fingern davon kam.

 

„Wow… Frauen können einen ziemlichen Schlag drauf haben.“, kommentiere Shinji, nachdem Chiaki zu Ende erzählte. „Ich spreche da aus Erfahrung.“

Sein blauhaariger Freund warf ihm einen skeptischen Blick zu, fragte jedoch nicht nach.

„Aber ich verstehe, was du andeuten willst… Dieser Hijiri scheint es mit Maron wohl wirklich ernst zu meinen, wenn er für sie es in Kauf nimmt im Krankenhaus zu landen.“, sagte Shinji und warf wieder einen Korb.

„Mhmm… Die ganze Zeit über als ich die Beiden verarztet habe, hat er sich auf Maron fokussiert und sie gefragt, ob es ihr gut ginge und sowas...“, sagte Chiaki tonlos, versuchte sich die Eifersucht nicht anmerken zu lassen. „Von allen Kerlen, die sie bisher gedatet hatte, habe ich noch nie einen erlebt, der sich so für sie einsetzte. Also, klar, sie ist auch nicht schwach…hat man ja gesehen! Normalerweise lehnten die sich in solchen Situationen immer zurück und ließen Maron selbst damit klarkommen.“ Leicht verbittert fügte er hinzu: „Normalerweise wäre ich auch bei solchen Situationen dazwischen gegangen.“

„Ja… Ganz offensichtlich gehört dieser Hijiri zu einer komplett neue Spezies.“, lachte Shinji ironisch auf. „Was haben sie eigentlich ihrem Vater erzählt? Wäre schließlich komisch, wenn Tochter und Angestellter zum selben Zeitraum verletzt ankommen.“

„Maron hat eine abgespeckte Version von der Wahrheit erzählt, ohne dass ihr Freund darin vorkommt, während dieser irgendeine Story sich ausgedacht hatte, dass man versucht hatte ihn auszurauben, oder so…“

„Ah…. Einfallsreich.“

Für einige Minuten sagte keiner mehr was und warfen abwechselnd ein paar Körbe.

Auf einmal fing Shinji an zu kichern und zu lachen.

„Was ist los?“, fragte der junge Arzt.

„Gibt’s zu, Alter! Tief in deinem Inneren hat es dich gefreut, den Typen am Boden zu sehen.“, antwortete Shinji ihm schadenfroh und schlug ihm verspielt auf die Schulter. Chiaki warf ihm einen ernsten Blick zu, prustete nach einigen Sekunden jedoch los und stimmte letztlich in sein Lachen mit ein.

„Halt die verdammte Klappe!“, lachte er.

„Also hab ich Recht. Hahahah.“

Plötzlich vernahmen sie eine Stimme hinter sich.

„Hey, Chiaki!“

Überrascht drehte der Angesprochene sich zu Hijiri um, der in schwarzen Laufklamotten und Sportkopfhörern auf ihn zuging und ihn mit einem freundschaftlichen Handschlag begrüßte.

„Eh…Hey!“ Wenn man vom Teufel spricht!, dachte Chiaki sich und fragte: „Was machst du denn hier?“

„Bin hier zufällig vorbei gejoggt und habe dich und Freund spielen sehen.“, erklärte Hijiri und streckte Shinji die Hand aus. „Hi. Hijiri Shikaidou.“

„Shinji Narukami.“, schüttelte der Dunkelhaarige seine Hand.

„Was dagegen wenn ich probiere ein paar Körbe zu werfen?“, fragte Hijiri ihn.

„Nur zu.“ Achselzuckend gab Shinji ihm den Basketball.

„Wird bestimmt jetzt peinlich, weil ich seit zehn Jahren keinen Basketball mehr in der Hand hatte.“, grinste der Rothaarige verlegen, drippelte einige Male und warf direkt fünf perfekte Körbe.

Chiaki und Shinji schauten stumm zu und tauschten sich einen vielsagenden Blick aus.

Was für ein verdammter Heuchler…!, ging es den beiden besten Freunden durch den Kopf.

„Dein Gesicht sieht übrigens besser aus.“, stellte Chiaki fest und deutete mit dem Zeigefinger auf sein eigenes Auge.

„Oh ja! War erstaunlich schnell verheilt, nachdem ich deine Tipps die letzten Tage folgte.“, sagte Hijiri leicht schwer außer Atem und gab den Jungs wieder den Ball zurück.

„Immer schön kühlen.“, nickte Chiaki.

„Immer schön auf den Doktor hören.“, grinste Shinji gleichzeitig.

„Ja, genau!“, stimmte Hijiri Beiden zu und schaute auf seine Sportuhr. „Ich gehe dann mal. Hole Maron später noch von der Arbeit ab. Wir sehen uns bestimmt demnächst wieder. Vielleicht können wir ja mal zu Dritt ein paar Körbe werfen.“, verabschiedete er sich von ihnen und entfernte sich vom Basketballplatz.

„Ok. Ich verstehe dein Problem.“, murmelte Shinji Chiaki zu, während sie beobachteten wie Hijiri davon joggte. Dabei passierte er ein paar junge Läuferinnen, die anfingen zu kichern und hörbar über ihn schwärmten.

„Solche Kerle gehören verboten.“, sagte Shinji und verengte argwöhnisch die Augen.

Chiaki schaute ihn mit hochgezogener Augenbraue an. „Du hast eine Freundin.“

„Es geht ums Prinzip, mein Freund.“

„Was auch immer…“

„Ihr scheint euch aber recht gut zu verstehen…“, merkte Shinji an. „Sehe ich da sowas wie Freundschaft aufkeimen?“, grinste er neckend.

Chiaki verzog sichtbar das Gesicht. „Ich persönlich würde es nicht wirklich Freundschaft nennen…!“

„Pass auf, am Ende wirst du sein best buddy, oder so!“

„Bloß das nicht…! Dafür habe ich dich ja schon.“

„Hey! Bloß nicht frech werden, Nagoya.“

„Du gibst mal wieder Scheiße von dir, Narukami.“

„Wie dem auch sei!“, rollte Shinji mit den Augen. „Hättest du deine Chance eher genutzt, würdest du jetzt wahrscheinlich nicht fünftes Rad spielen. Aber der Herr hört ja nie auf mich!“

Als Antwort bekam Shinji von Chiaki den Ball an den Kopf geworfen.

„Autsch!!“

„Sorry, meine Hand ist ausgerutscht.“
 

***

„Hier sind eure Espressos.“, sagte Maron.

„Danke, Liebling.“, lächelte Korron und nippte an ihrer Tasse. Auch Takumi nahm dankend seine Tasse an.

Es war Samstagnachmittag und ihre Eltern schauten nach einem kurzen Einkaufstrip bei ihr im Mori-Café vorbei.

„Übrigens, ich habe heute wieder Spätschicht, da braucht ihr nicht auf mich warten mit dem Abendessen.“, sagte Maron ihnen so beiläufig wie möglich, während sie Hijiri aus dem Augenwinkel sah, der mit einem breiten Lächeln auf sie zuging.

„Hallo Ma-“

„Herr Shikaidou! Was kann ich Ihnen bringen?“, drehte sie sich schnell zu ihn um und wies mit einem schnellen Seitenblick auf ihren Vater und ihrer Mutter. Hijiri bemerkte in den Moment erst die Anwesenheit seines Chefs. Sein Lächeln gefror.

„H-Hallo!“

„Hijiri! Eine Überraschung dich hier zu sehen.“, begrüßte Takumi ihn mit einem erfreuten Lächeln. „Ah, bevor ich es vergesse, das ist meine Frau Korron.“, stellte er gleichzeitig seine Frau vor. Respektvoll gab Hijiri Maron’s Mutter die Hand.

„Freut mich Sie kennenzulernen. Und…eh…Ich habe gehört, der Kaffee soll hier hervorragend sein.“, brachte er entgegen. „U-Und da wollte ich mich selbst davon überzeugen.“

„Einen Kaffee! Kommt sofort!“, sagte Maron und verschwand eifrig hinter die Theke.

„Da kannst du den Gerüchten Glauben schenken. Und wenn Maron ihn macht, dann hast du nichts zu befürchten.“, sagte ihr Vater, leerte mit einem Schluck seinen Espresso und wandte sich an Korron. „Wir gehen dann mal, oder?“

Sie nickte und gemeinsam stand das Ehepaar auf.

„Wir sehen uns am Montag auf der Arbeit.“, verabschiedete Takumi sich von Hijiri, während Korron ihrer Tochter kurz zum Abschied umarmte, die soeben mit einer Kaffeetasse zurückkehrte.

„Bis Montag.“, sagte Hijiri seinem Chef.

Kaum waren die Kusakabes aus dem Geschäft seufzte Hijiri hörbar auf und ließ sich auf den freien Stuhl nieder.

„Ich halte das nicht mehr aus. Ich wäre dafür, dass wir es ihnen endlich sagen.“. sagte er zu Maron. „Da will ich meine Freundin spontan auf der Arbeit überraschen und kann es nicht.“

Die Braunhaarige biss sich zögernd auf die Lippe. Sie konnte ihn verstehen. Ihr selbst wurde die Heimlichtuerei mit der Zeit zu anstrengend und der Drang war groß einfach die Bombe platzen zu lassen.

„Okay...“, antwortete sie den Rothaarigen, setzte sich zu ihm dazu und nahm seine Hand. „Wir sagen es ihnen. Heute Abend, ja?“

Ihr Gegenüber nickte, beugte sich über den Tisch und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
 

Zur selben Zeit saß Chiaki auf dem Sofa bei seinem Vater zu Hause und beschäftigte sich mit seinem Laptop. Alle paar Wochen besuchte er sein Elternhaus, um seinem alten Herrn eine Freude zu machen, auch wenn sie sich nahezu jeden Tag auf der Arbeit sahen. Allerdings wusste er auch, wie wichtig seinem Vater die Vater-Sohn-Zeit war, selbst wenn sie nur darin bestände sich für einen Kaffee kurz zusammenzusetzen.

Gedankenverloren klickte Chiaki sich durch ein paar Internetartikel durch, ohne wirklich was zu lesen. Im Hintergrund lief gleichzeitig der Fernseher und strahlte die Nachrichten aus.

„Irgendwas bedrückt dich, Sohn.“, hörte er sein Vater rechts von ihm sagen, der sich mit einem Glas Whiskey auf den nebenstehenden Sessel setzte.

„Wie kommst du darauf?“, fragte der Jüngere zurück, klappte seufzend seinen Laptop zu, legte es beiseite und stand auf.

„Die letzten Tage wirktest du etwas niedergeschlagen.“

„Das bildest du dir bloß ein.“

Chiaki ging an seinem Vater vorbei, zum Wohnzimmerfenster auf der rechten Seite und schaute hinter den Vorhängen auf die andere Straßenseite. Das Haus der Kusakabes war perfekt im Blick. Wie oft er schon als Kind zu seinen Nachbarn rüber gerannt war oder Maron zu ihnen.

Kaiki stand ebenfalls auf, ging um den Sessel rum und lehnte sich mit dem Rücken an die Lehne an. Für einen Moment beobachtete er seinen Sohn mit einem ruhigen Gesichtsausdruck, überlegte sich seine folgende Frage gut.

„Hat es was mit Maron zu tun?“, fragte er ihn schließlich.

Überrascht drehte Chiaki seinen Kopf in seine Richtung und zog die Brauen zusammen. „Was soll mit ihr sein?“

Mit einem wissenden Blick nahm Kaiki einen Schluck von seinem Glas und versuchte sich ein Grinsen zu verkneifen.

„Du weißt genau wovon ich rede.“, sagte er augenzwinkernd und fing letztlich an zu kichern.

Chiaki’s Augen weiteten sich erschrocken. Er senkte seinen Blick kurz zu Boden, fuhr sich mit der Hand über die untere Gesichtshälfte und schaute wieder zu seinem Vater auf.

„... War es so offensichtlich?“

„Klar!“, lachte der Chefarzt laut auf. „Denkst du, ich weiß nicht, was in meinem eigenen Sohn vorgeht?“

„Okay...“, brachte Chiaki hervor, nicht wissend was er noch sagen sollte. „Wie lange wusstest du es schon?“, fragte er nach einigen Sekunden der Stille.

Ein sanftes Lächeln haftete auf Kaiki’s Gesicht.

„Ich habe euch aufwachsen sehen.“, setzte er in einem väterlichen Ton an und sah seinen Sohn an. „Ich habe gesehen, wie du dich in Maron verliebtest bevor du überhaupt alt genug warst, um zu wissen was Liebe ist. Und um ehrlich zu sein, warte ich seit Jahren schon darauf, dass du es ihr sagst.“

Sein Gegenüber nickte nur verstehend, verschränkte die Arme vor die Brust.

„Du hattest zwar einige Freundinnen mir vorgestellt, aber… Allein wie du Maron ansiehst… erinnert mich an deine Mutter und mich.“, sprach Kaiki weiter, seine Augen blickten traurig nach draußen.

Bei der Erwähnung seiner Mutter, erstarrte Chiaki kurz. Es kam nicht oft vor, dass sein Vater über sie sprach. Er wusste, dass sein Vater sie nach all den Jahren immer noch liebte und vermisste. Ein Grund, weshalb Kaiki auch nie nach einer neuen Beziehung suchte. Keine Frau hätte Sayuri ersetzen können.

Tief in seinem Inneren, war Chiaki auch froh darüber. Er selbst hätte eine neue Frau niemals als Mutter akzeptieren können.

„Warum hast du es ihr bisher nie gesagt?“, fragte Kaiki mit Neugier in der Stimme und riss Chiaki wieder in die Gegenwart zurück. Ratlos zuckte er mit den Schultern.

„Keine Ahnung… schätze mal, ich war und bin zu feige dafür?“, antwortete er und lachte kurz auf. Er konnte nicht glauben, dass er mit seinem Vater dieses Gespräch führte.

„Hmm. Ich warte förmlich darauf Maron endlich als meine Schwiegertochter begrüßen zu können.“, sagte Kaiki schmunzelnd und neigte den Kopf leicht zur Seite.

„Mutig von dir anzunehmen, dass sie genauso empfinden würde wie ich.“, kam es von Chiaki sarkastisch und lehnte sich an die Wand neben dem Fenster zurück.

„Naja…Jetzt ist es eh zu spät.“, sagte er seufzend. „Sie ist jetzt glücklich mit Takumi's Assistenten zusammen und-...“ Er stoppte sich mitten im Satz, warf seinem Vater einen kurzen Blick zu und hielt sich die Hand vor dem Mund. „Bitte sag ihren Eltern nichts. Ich habe Maron eigentlich versprochen niemanden was zu sagen.“

Kaiki fing an amüsiert zu lachen.

„Oh, mach dir um Takumi und Korron keine Gedanken.“, sagte er und lächelte geheimnisvoll.

Sichtlich irritiert blickte Chiaki ihn an.

„Ha?“

 

Unterdessen standen Maron und Hijiri wenige Stunden später mit dem Auto vor ihrem Haus.

„Am besten überlässt du mir das Reden.“, sagte sie mit Anspannung in der Stimme und wühlte kurz in ihrer Tasche, ehe sie zu ihrem Fahrer aufblickte.

„Okay.“, nickte dieser und stieg aus. Maron stieg ebenfalls aus.

Zusammen gingen sie zur Tür. Tief Luft nehmend, drückte sie auf die Klingel.

„Wieso klingelst du?“, fragte Hijiri verwundert.

„Habe meinen Schlüssel vergessen…“, gab Maron kleinlaut zu.

„Na super… das macht alles natürlich weniger unangenehm…“, fuhr sich ihr Begleiter durch die Haare. Sie verdrehte ihre Augen.

Im nächsten Moment öffnete sich die Haustür.

„Maron. Hast du mal wieder deinen Schlüssel vergessen?“, kam Takumi erstaunt und blickte von ihr zu seinen Mitarbeiter und wieder zurück. „War Hijiri etwa so freundlich und hat dich nach Hause gefahren?“, fragte er mit hochgezogener Augenbraue. Hinter ihm tauchte seine Frau auf.

„Willst du nicht reinkommen, Schatz?“, fragte sie ihre Tochter.

Maron tauschte mit Hijiri einen letzten Blick aus, atmete nochmal tief ein und aus, bevor sie sprach:

„Mama, Papa... E-Es gibt da etwas was ich euch sagen muss.“

Erwartungsvoll schauten ihre Eltern die Beiden an. Maron schlug mittlerweile das Herz bis über beide Ohren.

„Ehm…“, setzte sie nervös an. „Hijiri und ich… Wir sind-…uhm...“

„Ihr seid ein Paar.“, vollendete ihr Vater und fing an zu grinsen.

Schockiert sowie sprachlos blickte das Paar ihn mit großen Augen an. Einige Sekunden verstrichen.

Takumi stand mit verschränkten Armen und einer ruhigen Miene vor ihnen, während Korron gespannt zuschaute. Hinter vorgehaltener Hand verkniff sie ein amüsiertes Grinsen.

Das Verhalten ihrer Eltern machte Maron stutzig.

„W-Warte-…Ihr wusstet es?!“, fragte sie nach einen Moment der Stille. „W-Woher wusstet ihr es?“ Sie schaute ihren Vater an, der leicht schmunzelte.

„Glaubst du, ich kenne meine eigene Tochter nicht? Die heimlichen Blicke, die ihr euch austauscht und das ganze Theater... Von Herrn Morimoto habe ich übrigens erfahren, was wirklich letztes Wochenende im Café passiert war.“, schnaubte er auf. „Ihr seid Beide sehr lausige Lügner.“ Er blickte Maron ernst an. „Deine Mutter und ich haben nur auf den Augenblick gewartet, dass du es uns endlich gestehst.“

„…Uhm, also bist du nicht wütend auf uns?“, fragte Hijiri vorsichtig. Maron warf ihm einen mahnenden Blick zu.

„Oh, doch. Ich bin wütend.“, antwortete Takumi ihm unangenehm ruhig, die Augen mit einem scharfen Blick auf ihn fixiert. „Glaub mir, diese Unterhaltung würde komplett anderes verlaufen, wenn meine Frau und meine Tochter nicht hier wären.“

Seinem Mitarbeiter blieben die Worte ihm Hals stecken.

„Ich sehe Sie am Montag auf der Arbeit, Herr Shikaidou?“, sprach Takumi mit einem autoritären Ton in der Stimme. Der Angesprochene musste schwer schluckte. Dass sein Chef ihn siezte und bei Nachnamen nannte, zeigte ihm eindeutig dass er wütend war.

„Ja, Sir! Ich… eh, gehe besser auch.“, sagte Hijiri mit einem eingeschüchterten Lächeln, verabschiedete sich respektvoll und ging zu seinem Auto zurück. Maron sah ihm noch kurz nach, nachdem er davonfuhr.

Dann richtete Takumi sich wieder an seiner Tochter.

„Magst du ihn?“, fragte er prüfend.

„Ja.“, antwortete sie ihm ohne zu zögern. „Sehr sogar.“

Takumi schaute sie für einen Augenblick an, tauschte mit Korron anschließend einen kurzen Blick aus. Seine Frau zuckte mit den Schultern, lächelte ihn und Maron warm an.

„Okay.“, sagte er knapp und fuhr sich seufzend über das Gesicht. „Ich tue mein Bestes, ihn nicht rauszuschmeißen.“ Leise sprach er zu sich selbst: „Oder umzubringen.“

Daraufhin musste Maron erleichtert auflachen.

„Danke, Papa...“

Chapter 6: A Reliable Friend

Chapter 6: A Reliable Friend

 

Es war Samstag, ein sonniger Tag, trotz frischer Frühlingstemperaturen und Chiaki war mit Maron am Telefonieren.

„Es ist eine Woche her und mein Vater nimmt es mir immer noch übel, dass ich ihn angelogen habe. Und dabei ist es ja nicht das erste Mal, dass ich meine Eltern wegen etwas belogen habe.“, seufzte Maron in den Hörer rein.

„Nun ja, das ist schon mal was anderes als die Schule zu schwänzen, nur weil man am Strand chillen will, oder ähnliches.“, entgegnete Chiaki ruhig und lehnte sich an seinem Balkongeländer an.

Am anderen Ende der Leitung konnte er förmlich hören, wie seine beste Freundin die Augen verdrehte.

„Am Montag hatte ich ihm Kaffee ins Büro vorbei gebracht und er hatte sich mit einem trockenen ‚Danke, aber ich hab schon genug Koffein‘ bedankt und mich wieder rausgeschickt.“, erzählte sie und äffte dabei die Stimme ihres Vaters nach, worauf der Blauhaarige leise auflachen musste. „Naja gut… die letzten Tage hat es sich jetzt gebessert. Zu mindestens redet er mit mir wieder mehr als drei Sätze und benimmt sich auch so wie immer. Bei Hijiri ist das wieder eine andere Geschichte…Wenn mein Vater mit ihm redet, dann nur über Dinge, die die Arbeit betrifft.“

„Ich kann dein Vater verstehen.“, erwiderte Chiaki und presste kurz die Lippen zusammen.

Er verkniff es sich zu erwähnen, dass selbst sein Vater bereits davon wusste. Nach dem Wochenende hatte Chiaki nicht nur gelernt, dass sein Vater seit Jahren von seinen Gefühlen für Maron wusste, sondern dass er und ihre Eltern ziemliche Klatschweiber waren. Er wollte nicht wissen, worüber sie ihn ihrer Freizeit noch miteinander redeten.

Leicht beschämt bei den Gedanken, fuhr er sich mit der freien Hand über die Augen und versuchte sich wieder auf sein Telefonat zu konzentrieren.

„Sein Angestellter datet seine Tochter. Welcher Vater wäre da nicht sauer?“

„Er soll mal nicht so übertreiben.“, kam es von Maron trotzig, „Wenigstens hat er Hijiri nicht sein Job gekündigt... Trotzdem könnte er etwas netter zu ihm sein.“

„Wenn ich mich richtig entsinne, hat dein Vater bisher keiner deiner Freunde wirklich gemocht.“, merkte Chiaki beiläufig an und schaute auf die Stadt herab.

„Ja…das stimmt.“, seufzte sie. „Es ist wie, als wärst du das einzige männliche Wesen, was er in meiner Nähe akzeptiert.“

„Eh…Ja. Mich kennt er auch länger.“, redete Chiaki sich raus und lachte verlegen.

„Stimmt auch wieder.“, stimmte Maron in sein Lachen mit ein.

Für eine kurze Weile sagte niemand mehr was.

„Übrigens, ich hatte gestern eine Zusage zu einem Vorstellungsgespräch bekommen!“, sagte Maron plötzlich.

„Echt? Wofür hast du dich beworben?“, fragte Chiaki interessiert.

„In Momokuri News suchen sie jemanden für den Mode und Lifestyle-Bereich.“

„Mode und Lifestyle? Das passt doch zu dir. Dann wünsche ich dir schon mal viel Erfolg im Voraus. Wenn die dich nicht nehmen, dann ist es ihr Verlust!“

„Ja… Danke!“, lachte Maron peinlich berührt auf. „Obwohl, ich muss zugeben, dass ich die letzten Wochen ziemlich hinterher liege mit den neuesten Trends und so… Ich werde mir die nächsten Tage auch frei nehmen. Da kann ich mich auch etwas um meinen Blog kümmern und die neusten Sachen shoppen gehen.“

„Tu was du nicht lassen kannst.”, grinste Chiaki, worauf er sie Kichern hörte.

„Und… was hast du heute alles so vor?“, erkundigte Maron sich bei ihm.

„Nicht viel. Einfach das Wochenende in Ruhe genießen und entspannen.“, kam es als Antwort unbeschwert zurück.

„Kein hübsches Mädchen, was du ausführen kannst?“, fragte sie in einem verschmitzten Ton.

Chiaki verdrehte die Augen. „Du und deine Scherze.“

„Das war eine ernstgemeinte Frage!“

Bevor er was erwidern konnte, klingelte es an seiner Haustür.

„Warte mal kurz.“, sagte er ins Telefon und ging wieder in seine Wohnung rein, Richtung Tür. Durch den Spion sah er Shinji, sichtlich gestresst im Korridor stehen.

„Ich muss auflegen. Shinji steht vor meiner Tür.“

„Oh, Okay. Richte ihm viele Grüße aus.“, kam es von Maron.

„Mach ich. Bis später.“

„Bis dann, Chiaki.“

 

Kaum hatte Chiaki aufgelegt, machte er mit einem kräftigen Schwung die Tür auf.

„Was willst du hier?“, platzte es aus ihn heraus.

„Auch dir einen Guten Tag, mein Freund.“, kam es Shinji, der ohne Aufforderung in die Wohnung rein ging. „Gut das dich noch zu Hause erwische!“

„Was ist los?“

„Ehm…Falls du dich erinnern kannst, Natsuki kommt heute aus Okayama und würdest du mir den Gefallen tun, sie vom Bahnhof abzuholen und mit ihr den Tag verbringen?“, sprudelte es aus dem Fotografen heraus.

„Woah, warte-! Nicht so schnell!“ Chiaki hielt stoppend eine Hand in die Höhe. Total verdattert starrte er Shinji an. Tausend Fragezeichen bildeten sich in seinem Kopf.

„Wieso?“, fragte er schließlich. Sein Freund seufzte tief aus und rieb sich den Nacken.

„Ich habe total verpeilt mir heute frei zu nehmen und stellte dummerweise fest, dass ich für eine Hochzeit gebucht wurde.“, gestand Shinji mit einem nervösen gleichzeitig beschämten Lachen.

Chiaki schaute ihn schief an.

„Genau heute? Wo deine Freundin kommen sollte? Und du bist den ganzen Tag nicht für sie da?“, fragte er nach.

„Ja, ich bin ein Idiot. Ja, sie wird mich killen. Ist mir alles klar! Furchteinflößend genug, dass sie sehr, sehr ruhig geklungen hat, als ich ihr die tolle Nachricht übermittelt habe.“ Shinji lief unruhig in Chiaki’s Wohnung auf und ab.

„Kannst du die Hochzeit nicht absagen?“

„Nein…Ich habe heute Morgen dem Veranstalter schon zugesagt bevor mir einfiel, dass Natsuki kommt.“

Chiaki schlug sich mit der Handfläche auf die Stirn, worauf Shinji ihn beleidigt ansah.

„Und…Was hat sie zu der ganzen Sache gesagt?“, fragte er und blickte zu dem Dunkelhaarigen auf.

„Sie sagte nur ‚Okay‘ und legte auf.“

„Oh.“

„Ja…“

„War nett dich gekannt zu haben.“ Chiaki legte Shinji eine Hand auf die Schulter und verkniff sich ein schadenfrohes Kichern. Erfolglos. „Hast du dir schon ein Grabstein ausgesucht?“

„Du bist so ein Arsch…“, murmelte Shinji, konnte sich jedoch selbst ein Schmunzeln nicht verkneifen.

Betend hielt sich anschließend die Hände vor das Gesicht, nach durch die Nase tief Luft und blickte in zur Decke. Dann warf er einen Blick auf seine Uhr und sah seinen Freund ernst an.

„Ich muss in zwei Stunden bei der Location sein. In zwei Stunden kommt auch ihr Zug. Ich gebe dir jetzt meinen Zweitschlüssel, welches du Natsuki gibst. Alles klar?“, sagte er und drückte seinem Freund den besagten Schlüssel in die Hand.

Chiaki ging das alles zu schnell.

„W-Warte! Wieso fragst du eigentlich nicht deine Eltern, dass sie sich um deine Freundin kümmern??“ Daraufhin musste Shinji kurz lachen, als hätte man ihm einen schlechten Witz erzählt.

„Ich lasse sie doch nicht mit zwei öden Erwachsenen alleine. Außerdem ist es doch eine gute Gelegenheit, dass du mein Mädchen etwas besser kennenlernst!“

„Wie kannst du dir so sicher sein, dass ich heute nichts zu tun habe? Denkst du nicht, ich hätte an einem Samstag schon was anderes vorgehabt?“

„Hast du heute was anderes vor?“ Shinji verschränkte die Arme vor der Brust und zog skeptisch eine Augenbraue hoch.

Daraufhin sagte Chiaki nichts mehr und gab sich geschlagen. „Was soll ich denn alles mit ihr machen?“, fragte er.

„Keine Ahnung. Irgendwas! Damit sie sich nicht so einsam fühlt.“, zuckte Shinji planlos mit den Schultern und begab sich schon wieder zur Tür.

„Du schuldest mir was.“, rief Chiaki ihm hinterher.

„Danke, du bist der Beste!“ Damit war Shinij verschwunden.

Stöhnend warf sich Chiaki mit dem Rücken voraus auf sein Sofa. Das war’s mit seinem entspannten Wochenende.
 

***

Zwei Stunden später stand der junge Arzt im Bahnhof vor dem Gleis. Von jeder Seite liefen Menschen an ihm vorbei. In weniger als zehn Minuten würde Natsuki’s Zug ankommen. Chiaki hoffte sie unter den ganzen Menschen erkennen zu können – oder sie ihn.

Plötzlich spürte er sein Handy in der Hosentasche vibrieren.

Ein Anruf ging ein. Auf dem Display blinkte eine ihm unbekannte Nummer auf.

Mit einem kritischen Gesichtsausdruck nahm er ab.

„Nagoya – Hallo?“

„Hey.“ Chiaki brauchte einige Sekunden um zu registrieren, wer am anderen Ende war. Irritiert starrte er kurz auf sein Handy und nahm es wieder ans Ohr.

„Hijiri?!“

„Kann ich dich um Hilfe bitten?“, fragte der Angesprochene.

„…Woher hast du meiner Nummer?“, fragte Chiaki gleichzeitig. Er konnte sich nicht entsinnen ihm jemals seine Nummer gegeben zu haben.

„Internet. Kannst du mir ein paar gute Restaurants hier empfehlen?“, kam es zurück.

„Wieso?“

„Wieso wohl… Ich will mit Maron Essen gehen.“

„Du warst mit ihr noch nie essen?“ Chiaki klang überraschter als er beabsichtigte.

„Naja… wir hatten uns immer nur zum Kaffeetrinken getroffen und die letzten Wochen war sie ja mit Abschlussarbeit beschäftigt gewesen und ich mit der Arbeit.“, erklärte Hijiri. „Und da ihre Eltern jetzt auch von uns wissen, dachte ich mir sie heute mal zu einem entspannten Dinner auszuführen.“

„Und da fragst du mich nach Restaurants? Gibt es dafür nicht Google, wenn du schon im Internet warst…?“

„Da stehen überall die gleichen Bewertungen drin. Da frage ich lieber jemanden, der vielleicht Ahnung hätte.“

„Okay…“

Am liebsten hätte Chiaki Hijiri eine Liste von den schlechtesten Restaurants Momokuri’s gegeben. Leider kannte er selbst keine, weshalb er resigniert ihm eine Auswahl von Geschäften auflistete, die ihm willkürlich einfielen.

Mit einem „Alles klar, Danke“ legte Hijiri schließlich abrupt auf. Kopfschüttelnd packte Chiaki sein Handy wieder in die Tasche.

Merkwürdiger Tag…!, dachte er sich und fuhr sich seufzend durch die Haare.

 

„Chiaki?“

Der Angesprochene drehte sich zur Seite und sah Natsuki in blauer Jeans, weißem T-Shirt, dunkler Lederjacke und großer Sonnenbrille vor ihm stehen. Er hatte gar nicht mitbekommen, dass ihr Zug bereits da war. Ein breites Grinsen haftete auf ihrem Gesicht und mit beiden Händen schob sie ein Gepäckwagen vor sich, auf welches zwei riesige Koffer lagen sowie eine Handtasche.

„Hey!“, begrüßte er sie mit einer freundschaftlichen Umarmung.

„Gut siehst du aus!“, lachte sie und musterte ihn von oben bis unten.

„Du auch.“, sagte er und deutete auf ihre schulterlangen, grünen Haare. Als er Natsuki vor einem Jahr traf, waren sie noch bis zum Nacken kurz gewesen. „Steht dir.“

„Danke!“ Sie strich sich ein paar Strähnen nach hinten.

„Komm, ich helfe dir mit deinen Sachen.“, bot Chiaki an und nahm ihr den Gepäckwagen ab. Es war ziemlich schwer. Schwerer als er erwartet hatte. Innerlich fragte er sich, wie diese zierliche, junge Frau die beiden Gepäckstücke in den Zug rein und raus befördern konnte. Wahrscheinlich hatte sie ein bis zwei Leute um Hilfe gebeten.

„Ach, das geht schon, aber Danke vielmals!“, sagte sie. Gemeinsam verließen sie den Bahnhof und liefen zu seinem Auto.

„Warst du eigentlich schon einmal in Momokuri?“, fragte Chiaki, nachdem er die Koffer in den Kofferraum verstaut hatte und in den Wagen einstieg. Natsuki überlegte kurz und schob sich dabei die Sonnenbrille in die Haare hoch.

„Einmal...Nein, zweimal! Da war ich für wenige Tage hier zu Besuch.“

„Ach so. Tut mir übrigens leid, dass Shinji heute nicht kommen konnte.“, sagte er, fuhr sich die Haare nach hinten. Anschließend fuhr er los.

Natsuki winkte die Entschuldigung ab.

„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.“, sagte sie ihm mit einem engelsgleichen Lächeln.

„Okay.“

„Shinji hingegen…“, presste sie auch einmal unter zusammengebissenen Zähnen hervor, die Stimme gezeichnet mit unterdrückter Wut und die grünen Augen bekamen einen mörderischen Blick. „Shinji kann mehr als glücklich sein, dass ich meine Kendo-Ausrüstung nicht mitgenommen habe.“ Im Anschluss stieß sie noch paar Flüche aus.

Chiaki nickte nur verstehend und überlegte sich schon eine Grabrede für seinen Freund.

„Ich habe übrigens den Zweitschlüssel.“, fiel ihm ein. „Den soll ich dir geben.“

„Wenigstens eine schlaue Sache, die mein Freund machen konnte.“, entgegnete Natsuki sarkastisch. Chiaki verkniff es sich laut loszulachen.

„Hast du eigentlich eine Freundin?“, fragte sie plötzlich und schaute neugierig zu ihm rüber.

„Nein. Derzeit nicht.“, antwortete er in einem neutralen Ton, den Blick auf die Straße geheftet.

„Ach so.“

„Hättest du heute auf irgendetwas Lust? Oder bist du zu fertig von der Reise und willst lieber zu Hause bleiben?“, erkundigte er sich bei ihr, um das Thema zu wechseln.

Natsuki dachte für einen Moment nach. „Um ehrlich zu sein, hätte ich keine Lust zu Hause abzuhängen und auf diesen Vollidioten, welcher mein Freund ist, zu warten. Am Ende zerstöre ich aus Wut und Langeweile noch einer seiner teuren Kameras, oder sowas.“ Chiaki glaubte ihr aufs Wort.

„Wir können es ja beide gemütlich Abendessen gehen.“, machte sie als Vorschlag.

„Abendessen?“

„Ja. Ein freundschaftliches Dinner.“, zuckte Natsuki mit den Schultern. „Anlässlich meines Umzugs hierher.“

„Okay.“, grinste Chiaki.

„Und die Rechnung geben wir Shinji.“, kicherte seine Beifahrerin fies.

Daraufhin musste er amüsiert lachen. „Alles klar! Dann suchen wir uns die teuersten Gerichte aus und lassen wir es uns gut gehen.“

„Gut, dann legen wir meine Sachen in meinem neuen zu Hause ab, ruhen uns kurz aus, ich gehe mich noch duschen, ziehe mir frische Sachen an und dann sehen wir uns in ein paar Stunden wieder.“, plante Natsuki. „Du kannst dir in der Zwischenzeit ein gutes Restaurant aus und mir anschließend die Adresse zusenden.“

„Soll ich dich nicht abholen kommen?“, fragte Chiaki.

„Nein, brauchst du nicht. Ich kann mir ein Taxi leisten.“

Chiaki presste nachdenklich die Lippen zusammen. Shinji würde es garantiert nicht gefallen, wenn er seine Freundin alleine durch eine fremde Stadt wandern ließ, in der sie noch verloren gehen könnte.

„Gegenüber von seinem Wohnkomplex ist ein gutes Restaurant.“, sagte er. „Und da er auch nicht weit von mir wohnt, kann ich selbst für ein paar Minuten locker dahin laufen.“

„Alles klar. Machen wir das so.“, stimmte sie zu.
 

***

Maron ging Hand in Hand mit Hijiri durch die Straßen Momokuris entlang. Es war fast 20 Uhr und die Sonne ging allmählich unter.

Zuvor hatte ihr Freund sie wie ein Gentleman von zu Hause abgeholt, trotz der strengen Blicke, die er von ihrem Vater kassierte, als dieser ihn vor der Haustür erblickte.

„Dein Vater kann schon ziemlich unheimlich sein…“

„Du kannst froh sein, dass er nicht Polizist geworden ist, wie er der Legende nach als Kind mal werden wollte.“, entgegnete Maron, „Sonst müsste ich wirklich um dein Leben bangen.“

Beide lachten.

„Nimm es nicht so persönlich. Mein Vater hatte auch keiner Exes gemocht.“, sprach sie weiter.

„Das glaube ich dir.“, sagte Hijiri. „Deine Mutter ist hingegen lockerer?“

„Ja, so war sie schon immer. Und überhaupt… Ich bin erwachsen genug und meine Eltern haben sich nicht in mein Liebesleben einzumischen.“

Während sie laufen, schaute Maron sich in der Umgebung um.

„Wo führst du mich überhaupt hin?“, fragte sie voller Neugier. „Kurze Info: Ich bekomme langsam Hunger.“

„Siehst du gleich.“, lächelte Hijiri.

Kurze Zeit später kamen Beide schließlich an und gingen direkt rein.

„Ein schickes Restaurant hast du dir ausgesucht.“, sagte sie anerkennend und sah sich im überfüllten Lokal um, „Woher kanntest du es?“

„Ach, ich höre mich bei Leuten um.“, erwiderte er schmunzelnd und wandte sich an eine Wirtin, eine Dame mittleren Alters.

„Haben Sie reserviert?“, fragte sie ihre neuen Gäste.

„Reserviert?“ Die ganze Zeit schon hatte Hijiri das Gefühl, er hätte etwas Wichtiges vergessen. Nun fiel ihm auch ein was es war und zwar ein Tisch zu reservieren!

„Eh, haben Sie noch was Kurzfristiges frei?“, fragte Maron.

„Leider keinen richtigen Zweiertisch, meine Liebe. Wir können höchstens einen Vierertisch für Sie auseinanderschieben.“, schlug die Wirtin vor.

Mit einem unschlüssigen Gesichtsausdruck wandte Hijiri sich an Maron.

„Was denkst du? Wir können auch woanders hin…“

„Nein, nein. Das ist schon okay. Wirklich.“

Somit stimmten sie den Vorschlag zu und die Frau führte sie mit zwei Menükarten in der Hand zu dem besagten Vierertisch, welcher sich in der Mitte des Raumes befand.

Als Maron und Hijiri sich dem Tisch näherten, saß da bereits jemand. Dieser Jemand sah von seinem Handy auf und starrte sie mit einem entgeisterten Blick an. Überrascht starrten die Beiden zurück.

„Hey…“, begrüßte Chiaki sie, die Perplexität war ihm ins Gesicht geschrieben. Er wusste, dass der Tag merkwürdig war. Die Tatsache, im selben Restaurant wie seine beste Freundin und ihrem Freund zu sein, sie sogar bei sich sitzen zu haben, trieb es auf die Spitze. Ihm war auch komplett entgangen, dass Hijiri ihn Stunden zuvor um Rat gefragt hatte.

Nichtsdestotrotz standen sie jetzt vor ihm und Chiaki konnte seinen Blick schwer von Maron abwenden. Sie trug unter ihrem schwarzen Frühlingsmantel ein kurzes, dunkelrotes, ärmelloses Kleid, welches ab der Hüfte locker herabflatterte, mit dunkler Strumpfhose und schwarzen Overknee-Stiefeln. Um ihr linkes Handgelenk konnte er Fin, ihren Silberengel, sehen.

Die welligen Haare trug sie halboffen. Passend zum Outfit waren ihre Lippen rot geschminkt und die Augen mit einem gold-bronzenen Lidschatten und dünnen Eyeliner-Strichen zur Geltung gebracht.

Sie sah mehr umwerfend aus!

Atemberaubend schön würde es treffen.

Ihre Begleitung trug -ähnlich wie Chiaki selbst- schwarze Jeans und ein dunkles Hemd.

„Hi.“, begrüßte Hijiri und Maron ihn genauso perplex zurück. Sie lösten sich von ihrer Starre und begaben sich zu ihren Stühlen.

Die Tische wurden letztendlich doch nicht auseinandergeschoben.

 

„Ernsthaft?“, fragte Chiaki und schaute Hijiri mit hochgezogener Augenbraue an, der sich links von ihm hinsetzte. „Von allen Restaurants, die ich dir auflistete, musstest du ausgerechnet dieses wählen?“

Der Rothaarige warf ihm einen scharfen Seitenblick zu. Man sah ihm an, dass er sich so seinen Abend mit seiner Freundin nicht vorgestellt hatte. Ein wenig amüsierte das Chiaki.

Maron sah die beiden Männer mit einem fragenden Blick an.

Chiaki bemerkte dies. „Dein Freund hat mich angerufen und nach Beziehungstipps gefragt.“, klärte er auf.

Beziehungstipps?“, prustete sie lachend los und blickte ungläubig sowie belustigt zwischen ihnen hin und her.

„Falsch. Ich habe Chiaki angerufen und nach Restauranttipps gefragt.“, korrigierte Hijiri.

„Ja. Hätte er nach Beziehungstipps gefragt, hätte ich ihm Tipps gegeben, die solch schräge Situationen vermieden hätten.“, lachte sein blauhaariger Sitznachbar sarkastisch auf.

„Ach was! Das muss nicht schräg sein.“, winkte Maron unbekümmert ab.

„Ist so ganz und gar nicht schräg.“, murmelte Hijiri trocken.

„Triffst du dich mit jemanden?“, fragte Maron mit einem interessierten Blick.

„So in etwa….“, antwortete Chiaki ihr und fügte schnell bei, „Aber fühlt euch nicht gestört bei eurem Date! Ignoriert uns einfach. Ihr macht euer Ding, wir unseren.“

Bevor Maron fragen konnte mit wem er sich traf, kam schon Natsuki an den Tisch gelaufen.

„Hey, tut mir leid, dass ich mich verspäte!“

Das Paar blickte neugierig zu ihr auf.

„Hi, keine Sorge.“, sagte Chiaki mit einem unbeschwerten Lächeln.

„Hatte einen kleinen Unfall mit meinen Sachen.“, sagte sie und zog sich den Mantel aus. Darunter trug die angehende Eventmanagerin ein kurzes, schwarzes Spitzenkleid mit langen Ärmeln, welches am Rücken viel Haut zeigte und gleichzeitig ihre weiblichen Reize betonte. Dazu trug sie passendes Make-Up.

Ein paar männliche Gäste in unmittelbarer Nähe drehten sich zu der Grünhaarigen um. Ein Kellner, der soeben mit einem vollen Getränketablett an ihr vorbei ging, stolperte beinahe über seine eigenen Füße, was sie jedoch nicht bekam.

Maron und Hijiri starrten Natsuki mit großen Augen und offenem Mund an.

Chiaki zog nur leicht erstaunt eine Augenbraue hoch. Auch wenn es sich um die Freundin seines besten Freundes handelte, so musste er zugeben, dass sie durchaus unausgesprochen hübsch war.

Shinji könnte sich mehr als glücklich schätzen!

„Wenn du das nächste Mal shoppen gehen willst und das Kleid siehst - Kauf es dir ruhig, okay?“, flüsterte Hijiri Maron zu, die ihn ignorierte und weiter zwischen Chiaki und Natsuki hin und her blickte.

„Irgendetwas ist in meinem Klamottenkoffer ausgelaufen.“, erklärte Natsuki, deutete auf ihr Outfit, „Und das ist das einzige, was ich retten konnte. Alles andere musste leider in die Wäsche… Ich hoffe, ich bin nicht overdressed-...“

„Du siehst toll aus!“, unterbrach Maron ihren Redefluss und reichte ihr die Hand. In dem Augenblick fiel Natsuki auch die Anwesenheit des Paares auf.

„Hi, Maron Kusakabe.“, stellte sich die Braunhaarige vor.

„Natsuki Sakurai. Nett dich kennenzulernen!“

Natsuki warf Chiaki einen kurzen Blick zu, während sie Maron die Hand schüttelte. Dieser zog etwas verwundert die Brauen zusammen.

Hijiri stellte sich ebenfalls bei ihr vor. Im nächsten Moment klingelte sein Handy und er entschuldigte sich mit einem „Meine Mutter, komme gleich wieder“ und verließ kurz das Lokal.

„Ich…eh, gehe noch schnell Hände waschen.“, kam es von Natsuki und verschwand ebenfalls.

Kaum war sie weg, schaute Maron Chiaki breit grinsend an. Er verstand ihren Blick sofort und hob abwehrend eine Hand.

„Es ist nicht so, wie du denkst.“, sagte er.

„Sie ist hübsch und süß.“, grinste sie verschmitzt.

„Das ist kein -ich betone- kein Date.“

„Sieht aber schwer nach einem aus!“

„Sie hat schon einen Freund!“, stellte Chiaki klar.

Maron zog ungläubig die Augenbrauen zusammen. „Echt?!“

„Shinji, um genau zu sein. Sie kam heute aus Okayama hierher und ich passe nur auf sie auf, weil er es heute bei ihr verbockt hat.“, fügte er hinzu.

Noch mehr Fragen zeichneten sich auf ihrem hübschen Gesicht ab. „Okay…?“

Im selben Augenblick kamen Hijiri und Natsuki wieder und alle warfen schließlich einen Blick ins Menü rein.

„Die haben ziemlich viel Auswahl… Wollen wir uns die Vorspeise teilen?“, sagte Hijiri und blickte zu Maron auf.

„Klar, wieso nicht. Such dir was aus.“, stimmte seine Freundin grinsend zu. Ihr Gegenüber blätterte kurz.

„Okay… Austern hören sich gut an, findest du nicht?“

Bei dem Vorschlag verschwand ihr Lächeln für einen Augenblick.

Chiaki warf immer wieder ein paar Seitenblicke zu dem Paar rüber. Natsuki beobachtete die Szene vor ihr hinter hervorgehaltener Karte aufmerksam.

„Nein? Hm…Shrimps?“ Hijiri wirkte verunsichert.

„Uhm…“ Maron lächelte verlegen.

„Sie hasst Meeresfrüchte.“, merkte Chiaki schließlich an und sah kurz auf. „Muscheln, Schnecken, Krabben, Hummer-…“

„Gut zu wissen.“, murmelte Hijiri.

„Das ist nicht wahr!“, wendete Maron augenrollend ein und schnellte ihren Kopf in Chiaki’s Richtung.

„Ich mag Meeresfrüchte… solange keine Schalen oder...uhm, schleimige Substanzen involviert sind.“, versuchte sie Hijiri zu versichern, ohne das Gesicht zu verziehen.

„Verstehe. Ehmm…“ Ihr Freund schaute mit einem verzweifelt suchenden Blick in die Speisekarte. „Pizzabrötchen?“

„Nimm den Caesar-Salat.“, wisperte Chiaki hörbar, während er in seinem eigenen Menü weiterblätterte.

„Caesar-Salat! Lass uns den Caesar-Salat nehmen, oder?“, sagte Hijiri mit einem souveränen Lächeln, tat so als hätte er seinen Sitznachbar nicht gehört.

Daraufhin nickte Maron bejahend und kicherte amüsiert. „Perfekt, mein Favorit!“

Lächelnd warf sie Chiaki einen Blick zu, welcher förmlich sagte ‚Wolltest du uns nicht ignorieren?‘, worauf er nur schief in sich hinein grinste.

Mit einem leicht fremdschämenden Gefühl und aufgeblasenen Wangen, ließ Natsuki ihre Karte auf den Tisch sinken und fragte in die Runde: „Wer hat auch Lust auf Cocktails?“

Wenn der ganze Abend so weiter lief, bräuchte sie (und die anderen) dringend etwas Alkohol.

Alle drei gingen auf den Vorschlag gleichzeitig zustimmend ein.

„Unbedingt! Ja!“, kam es von Chiaki eifrig.

„Ich bin dabei.“, antwortete Hijiri genauso schnell.

„Gute Idee.“, sagte Maron ruhig.

 

Nach wenigen Minuten hatten alle ihre Bestellungen bei der Kellnerin aufgenommen und nach einer halben Stunde standen schließlich von allen die Getränke und Gerichte auf den Tischen.

Währenddessen unterhielten sie sich ausgelassen.

„Chiaki sagt, du kommst aus Okayama?“, fragte Maron ihre Sitznachbarin. Diese nickte und nahm einen Schluck von ihrem Margarita.

„Bin heute hierhergezogen zu meinem Freund.“, antwortete sie ihr.

„Shinji?“

„Ja.“

„Wie kommt es, dass du dann mit Chiaki hier bist? Wenn ich das fragen darf…“

Natsuki lachte kurz und nahm einen weiteren Schluck von ihrem Cocktail.

„Weil mein ach-so-toller Freund verpennt hat sich frei zunehmen und den ganzen Tag auf Arbeit ist.“

„Oh…“, brachte Maron hervor und schaute Chiaki an. „War er deswegen heute bei dir?“

„Japp.“, bestätigte er und nahm einen Bissen von seinem Teriyaki Lachs.

„Das ist mehr als nett von Chiaki, dass er dir dann einen angenehmen Abend bietet.“, kommentierte Hijiri.

„Ja. Auf ihn kann man sich immer verlassen.“, stimmte ihm Maron zu. „Chiaki ist ein toller Freund.“

„Habe für jedes Problem ein offenes Ohr.“, sagte dieser mit einem verhaltenen Lächeln und nahm einen Schluck von seinem Cocktail. Natsuki schaute ihn kurz mit einem mitfühlenden Blick an, bevor sie von Maron weiter über ihre Person ausgefragt wurde.

 

Nach eineinhalb Stunden wurde schließlich bezahlt.

Draußen verabschiedeten die vier sich voneinander. Maron und Natsuki hatten sich im Restaurant so gut verstanden, dass sie sich herzlichst zum Abschied umarmten und sich versprachen, die nächsten Tage zum Shoppen zu verabreden. Chiaki musste bei dem Anblick der Beiden schmunzeln. Er und Shinji hatten es schließlich vorausgesagt, dass sie gut miteinander auskommen würden.

Nachdem Maron und Hijiri in die entgegengesetzte Richtung liefen und hinter einer Ecke verschwanden, begleitete Chiaki die Freundin seines Freundes noch nach Hause.

„Das war also die berüchtigte Maron.“, grinste Natsuki ihn an.

Er zog verwundert die Augenbrauen zusammen.

„Was soll das heißen?“

„Shinji ist eine ziemliche Labertasche…“, erklärte sie, worauf er sich seufzend die Hand übers Gesicht fuhr und beschloss Shinji mit Natsuki zusammen zu killen.

„Von wegen ‚schweigt wie ein Grab‘…“, murrte er. Sie kicherte leise.

„Sie ist wirklich, wirklich hübsch. Wow! Das muss ich sagen.“, sprach Natsuki weiter.

„Und, wie du gesehen hast, vergeben.“

Für einen Moment war kurz Stille zwischen ihnen.

„Wenn du weiblichen Rat brauchst… Ich bin da.“, sagte Natsuki.

„Danke. Wenn Shinji mal nicht kann, wende ich mich an dich.“

„Ich bin garantiert ein besserer Gesprächspartner als mein Freund. Als ob was Sinnvolles aus ihm herauskommt.“

Daraufhin musste Chiaki lachen.

Vor dem Eingang des Wohnkomplexes kam ihnen eine männliche Gestalt entgegen.

„Hey, Natsuki-Schatz!!“

Ehe Shinji seiner Freundin einen Begrüßungskuss geben konnte, gab sie ihm einen kräftigen Kinnhaken. Chiaki wich erschrocken zurück.

„KOMM MIR JA NICHT MIT NATSUKI-SCHATZ!! DU BIST SO EIN VOLLIDIOT! ES IST MIR MANCHMAL PEINLICH DICH ALS MEIN FREUND ZU BEZEICHNEN!!“, meckerte sie Shinji an, der verzweifelt versuchte sie zu beruhigen.

Einige vorbeigehende Passanten machten einen großen Bogen um das Paar.

Chiaki tat so, als würde er die Beiden nicht kennen und verabschiedete sich mit einem kurzen „Bis demnächst“ von ihnen.

 

Chapter 7: Was it right?

Chapter 7: Was it right?

 

Knapp zwei Monate vergingen.

Maron hatte in der Zeit ihre offizielle Abschlussurkunde erhalten und einige Vorstellungsgespräche hinter sich gebracht. Allerdings hatte sie bisher noch keine Rückmeldungen erhalten.

Weiterhin war sie mit Hijiri glücklich zusammen. Ihr Vater hatte sich inzwischen mit der Beziehung abgefunden und zu seinem Angestellten auch wieder ein normales Verhältnis aufgebaut. Dennoch blieb das Thema Maron zwischen Hijiri und Takumi größtenteils tabu, um unangenehme Spannungen zu vermeiden.

In Chiaki’s Leben hingegen hatte sich nicht viel verändert.

Er und Maron trafen sich immer noch alle paar Tage -wie zu alten Zeiten- zum Kaffeetrinken oder einem gemütlichen Kinoabend zu zweit, jedoch verbrachte er gleichzeitig viel Zeit damit seine persönliche Distanz von dem Paar zu bewahren. Neben der Arbeit oder dem Sport, war die Gesellschaft von Shinji und Natsuki oft eine gute Ablenkung.

Doch wie lange konnte er den seelischen Schmerz noch mit sich herumtragen?

Wie lange konnte er seine Gefühle noch in sich hineinfressen lassen?

Wäre es nicht besser Maron endlich nach all den Jahren doch aufzugeben und sich woanders umzuschauen?

Vielleicht war sie einfach nicht für ihn bestimmt und seine wirklich wahre Liebe war irgendwo anders auf der Welt?

Fragen, die sich Chiaki in letzter Zeit oft fragte.

Und keine Antwort fand.
 

***

Es war Maron’s Geburtstag und Chiaki beschloss, bevor seine Schicht begann, bei ihr zu Hause ihr Geschenk vorbeizubringen. Da sie diese Woche nicht im Mori-Café arbeiten musste, wusste er dass er sie zu Hause antreffen würde.

Nachdem Chiaki an der Tür klingelte, öffnete sie ihm seine beste Freundin, bekleidet in dunkelblauer Skinny-Jeans und weißen, ärmellosen Sommershirt, die Augen leicht verschlafen und einer Tasse Tee in der Hand. Als Maron den Blauhaarigen sah, wurde ihre Blick wacher und sie begrüßte ihn mit einem halbmüden Lächeln.

„Muss du nicht auf die Arbeit?“, sagte sie.

„Dir auch einen Guten Morgen, Geburtstagskind.“, grinste er zurück und hielt ein kleines Geschenkpäckchen in die Höhe. Maron’s Augen begannen sofort zu leuchten.

Ehe Chiaki sich versah, packte ihn die Braunhaarige schon am Arm und zog ihn ins Haus rein, Richtung Wohnzimmer.

„Gib her, gib her, gib her!“, klatschte die nun-25-jährige wie ein kleines Kind in ihre Hände, als sie sich auf das Sofa hinsetzten. Chiaki lachte amüsiert, legte das Geschenk in ihre offenen Hände und lehnte sich anschließend zurück. Gespannt schaute er zu, wie Maron sein Geschenk entpackte. Mit schnellen Handgriffen hatte sie das Geschenkpapier entfernt und hielt eine rote Schachtel in den Händen.

Kurz tauschten beide sich Blicke aus, ehe Maron die Schachtel öffnete und eine dünne, lange, Silberkette herausholte.

„Eine Kette?“, fragte sie nach.

„Für Fin.“, antwortete Chiaki und deutete auf ihren Engel am Handgelenk. „Damit du sie wieder am Hals hast.“

Maron lachte kopfschüttelnd auf und hielt sich die Hand vor die Stirn. „Auf die Idee bin ich gar nicht gekommen!“

„Dafür bin ich ja da.“, grinste ihr Gegenüber.

„Sieht vom Material aber ziemlich teuer aus...“

„Macht dir deswegen keine Sorgen. Komm, ich mach sie dir dran.“

Chiaki entfernte vorsichtig ihre alte Kette am Handgelenk. Nach einigen präzisen Handgriffen, hatte er den Engel an die neue Kette angebracht.

„Hier.“, sagte er und hielt ihr das Schmuckstück entgegen.

„Mach du.“, entgegnete Maron, schob ihre Haare beiseite und drehte sich um.

Chiaki zögerte einen Moment, bevor er ihr sanft ein paar lose Strähnen zur Seite strich, die Kette um den Hals legte und sie verschloss.

Mit einem warmen, gerührten Lächeln drehte Maron sich wieder zu ihn um und umarmte ihn innig.

„Das ist wirklich süß von dir. Danke, Chiaki.“

„Gern geschehen.”

„Sowas kann ich zu deinem Geburtstag kaum überbieten…“, sagte sie mit leichter Sorge in der Stimme.

„Ach was! Alles was du mir schenken wirst, wird garantiert einzigartig sein!“, lächelte Chiaki sie an.

Plötzlich klingelte das Telefon. Maron stand auf und ging ran.

„Kusakabe.“ Chiaki beobachtete, wie groß ihre braunen Augen wurden und sie aus dem Wohnzimmer verschwand.

„Ja. Verstehe. Das freut mich wirklich sehr. Danke vielmals.“, hörte er sie mit Abständen sagen.

„Ich sehe Sie dann am Montag.“, kam es nach wenigen Minuten abschließend. Kaum hatte Maron aufgelegt, schrie sie erfreut auf. Erschrocken fuhr Chiaki zusammen.

Bevor er fragen konnte was passiert war, rannte sie ins Wohnzimmer zurück und sprang freudestrahlend in seine Arme rein.

„Was ist los?“, fragte er lachend, als sie sich von ihm löste.

„Erinnerst du dich an mein erstes Vorstellungsgespräch vor zwei Monaten?“

„Bei Momokuri News?“

„Ja! Ich hatte vor ein paar Tagen einen Probearbeitstag bei ihnen gehabt und … Ich hab den Job!!“, strahlte sie ihn an.

Bei der Neuigkeit nahm er sie wieder in seine Arme und drückte sie innig. „Ich habe kein bisschen daran gezweifelt!“

„Du glaubst immer an mich. Danke, Chiaki.“, lächelte Maron ihn an.

Auf einmal klopfte es an der Tür. Überrascht zuckten Beide auf und lösten sich voneinander.

„Das muss Hijiri sein. Er hat sich heute und morgen auch frei genommen.”, sagte Maron und stand auf, „Wir gehen auch gleich in der Stadt frühstücken.“

„Natürlich...“, murmelte Chiaki leise, legte kurz seinen Kopf in den Nacken und stand schließlich ebenfalls auf.

„Alles Gute zum Geburtstag.“, hörte er Hijiri sagen, nachdem das Paar sich einen Kuss zur Begrüßung gab.

„Hey, Chiaki.“, nickte er anschließend dem Arzt zu, als dieser in den Flur eintrat. Der Angesprochene winkte knapp zurück.

Dann fiel Hijiri die Kette an Maron’s Hals auf.

„Ist die neu?“, fragte er und deutete mit dem Finger darauf.

„Nein. Erkennst du sie nicht? Das ist Fin, mein kleiner Engel. Ich habe sie vorher immer als Armband getragen.“ Sie nahm den Anhänger kurz in ihre Hände, „Chiaki hat mir die Silberkette eben geschenkt, damit ich sie wieder am Hals tragen kann. Ist das nicht toll?“, fügte Maron mit einem breiten Lächeln hinzu und wandte sich zu ihrem benannten besten Freund um.

„Das... ist wirklich sehr aufmerksam von ihm.“, sagte Hijiri mit einem verhaltenen Lächeln, sah kurz zwischen den beiden hin und her. „Gehen wir? Ich habe für neun reserviert.“ Seit dem persönlichen Fiasko von vor zwei Monaten, hatte Hijiri es sich zu Angewohnheit gemacht immer einen Tisch zu reservieren, wenn sie irgendwo Essen gingen.

„Ja, ich hole noch meine Tasche.“, brachte seine Freundin entgegen und rannte schnell die Treppen hoch.

„Nun…Ich muss jetzt zur Arbeit. Wollte nur dem Geburtstagskind ihr Geschenk vorbeibringen.“, sagte Chiaki und ging aus dem Haus raus. „Wir sehen uns.“, verabschiedete er sich, ohne sich umdrehen und stieg auf der anderen Straßenseite in sein Auto ein.

Hijiri schaute ihm mit einem skeptischen Blick nach, bevor Maron zurückkehrte und sie sich gemeinsam zur Innenstadt begaben.

 

Nach einer halben Stunde saß das Paar in einem Café, frühstückten, unterhielten sich und tranken jeweils einen Cappuccino. Während Maron sprach und erzählte, hörte Hijiri mit halben Ohr zu und nickte in den passenden Momenten kurz mit einem nachdenklichen Lächeln.

Seine Freundin merkte, dass er nicht ganz bei Sache war. „Hörst du mir zu?“

„Doch, doch!“

„Ich glaube dir nicht.“ Sie durchschaute ihren Freund schnell und das wusste er. „Was ist denn los?“

Hijiri strich sich seufzend durch die Haare, als er ansetzte:

„Chiaki verhält sich in letzter Zeit schon etwas komisch, findest du nicht?“

„Wieso?“

„Hab es so im Gefühl…“, zuckte er mit der Schulter, „Er schien nicht gerade begeistert gewesen zu sein, als ich vorhin vorbeikam.“

„Das bildest du dir bestimmt ein.“, winkte Maron sorglos ab und nippte an ihrer Tasse.

„Ist es dir jemals in den Sinn gekommen… dass, nun ja… er dich mag?“, fragte Hijiri schließlich, sah sie an und nahm selbst einen Schluck von seinem Cappuccino.

Was?“, verschluckte sich Maron fast. „Nein!

„Soweit ich weiß, verschenkt kein normaler Freund einer Freundin hochwertigen Schmuck, wenn er nicht was von ihr will.“, konterte Hijiri und zog leicht schmunzelnd eine Braue hoch.

Sie schaute kurz zu ihrer Kette runter und zu ihm wieder hoch.

„Es ist nicht so, dass er mir einen Ring geschenkt hat, Dummerchen.“, schüttelte sie bestimmt den Kopf. „Chiaki und ich sind nur beste Freunde.“, beharrte sie. „Wir sind wie Familie!“

„Ich weiß.“ Hijiri setzte seine Tasse ab und griff in seine Jackeninnentasche.

„Nun denn… ich lasse mich davon auch nicht beirren.“, sagte er mit einem selbstsicheren Unterton in der Stimme und legte einen Umschlag auf den Tisch, „Hier ist mein Geschenk. Ich hoffe, es gefällt dir.“

Erwartungsvoll lächelte er sie an. Maron nahm den Umschlag und öffnete ihn. Zwei Tickets nach Kyoto befanden sich darin.

„Ich dachte mir, wir könnten uns ein romantisches Wochenende dort machen, anlässlich deines Geburtstags.“, erklärte Hijiri. „Und bevor es für dich ins richtige Arbeitsleben losgeht.“

Seine Freundin lächelte ihn verliebt an. „Es ist perfekt.“

Daraufhin musste er grinsen. „Also packen wir heute unsere Koffer und morgen geht’s los?“

„Ja!“ Sie nahm seine Hand, welches auf dem Tisch lag und strich mit dem Daumen sanft über seinen Handrücken. Hijiri beugte sich zu Maron vor und drückte ihr einen zarten Kuss auf die Lippen.

Nach dem Frühstück gingen sie noch durch die Innenstadt spazieren bis Hijiri sie nach Hause fuhr und sich von ihr verabschiedete, um die anstehende Reise zu planen. Kaum war er aus ihrem Blickfeld verschwunden, wandte Maron sich zur Eingangstür und wollte soeben den Schlüssel ins Schloss stecken, als sie sich jedoch mitten in der Bewegung stoppte.

Auch wenn sie es sich in Hijiri’s Anwesenheit nicht anmerken ließ, so musste sie die letzten paar Stunden ununterbrochen an seine Worte über Chiaki denken.

Sah er in ihr wirklich mehr als nur eine Freundin?

Wie konnte das sein?

Schließlich war er all die Jahre immer ihr bester Freund gewesen. All die Jahre waren sie wie Bruder und Schwester füreinander.

Und das soll sich nun geändert haben?

Hijiri schien sich seiner Vermutung ziemlich sicher gewesen zu sein.

Ungläubig schüttelte Maron den Kopf, packte ihren Schlüssel wieder in ihre Tasche und ging zur Bahnhaltestelle in der Nähe. Sie brauchte dringend Antworten, bevor sie das ganze Wochenende sich darüber noch den Kopf zerbrach.

Mit dem Entschluss begab sie sich Richtung Krankenhaus.
 

***

Geistesabwesend starrte der junge Arzt aus seinem Bürofenster raus. Es war an sich ein angenehmer Arbeitstag. Keine schwerwiegenden Operationen. Nur ein paar Check-Up-Untersuchungen mit einigen Patienten. Nun musste er nur noch einige formale Sachen und diverses Papierkram erledigen, dann könnte er Feierabend machen.

Ein Klopfen ließ Chiaki zusammenfahren. Er drehte sich um und sah Maron mit einem sanften Lächeln an der Tür stehen.

„Worüber denkst du nach?“, fragte sie und ging auf ihn zu.

„Nicht besonderes… Was verschlägt dich denn hierher?“, fragt Chiaki zurück.

„Ich…eh, wollte nach dir sehen.“, antwortete sie ihm und vergrub ihre Hände in die Jackentasche.

„Okay..?“ Er zog skeptisch eine Braue hoch und spielte mit seinem Stift in der Hand. „Wie war dein Tag mit Hijiri?“, fragte er mit gespieltem Interesse.

„Gut.“, sagte Maron „Das Frühstück war super. Im Anschluss hat Hijiri mir sein Geschenk überreicht.“ Sie stoppte sich einen Moment und sah Chiaki an. Er erwiderte ihren Blickkontakt.

„Er hat mir Tickets für ein Wochenendtrip nach Kyoto geschenkt.“, sprach sie weiter und beobachtete seine Reaktion genau. „Morgen geht’s los.“

Chiaki machte ein erstauntes Gesicht und nickte.

„Kyoto?“, brachte er mit einem Lächeln entgegen. „Hört sich romantisch an. Dann wünsche ich euch beiden viel Spaß.“

„Danke.“ Maron ging um seinen Tisch herum und lehnte sich neben seinem Bürosessel an der Tischkante an. Sie biss sich zögernd auf die Lippe, sah zu Boden und wieder in seine Richtung.

„Irgendwie hatte Hijiri die Befürchtung, dass dich das stören könnte.“, fügte sie hinzu und lachte kurz auf.

Chiaki zog verunsichert die Brauen zusammen.

„Ehm… W-Warum sollte mich das stören?“, fragte er so gelassen wie möglich. Bevor er es selbst realisierte, fing sein Herz an schneller zu schlagen und alles in ihm spannte sich an.

Maron schaute verlegen weg.

„Er meinte…nun… Er ist von der Überzeugung… dass du mich mögen würdest.“, erwiderte sie mit einem ungläubigen Lächeln. „Im romantischen Sinne, versteht sich.“

Chiaki ließ vor Schreck fast seinen Stift fallen. In dem Moment stockte ihm kurz der Atem. Mit schockiert geweiteten Augen starrte er sie an. In seinem Kopf herrschte das komplette Chaos. Hin- und hergerissen zwischen den Optionen, ihr die Wahrheit zu sagen oder zu lügen.

Seine beste Freundin bekam von seiner inneren Unruhe nichts mit und vergrub ihr Gesicht beschämt in beide Hände.

„Das hört sich soo lächerlich an, ich weiß! Jetzt wo ich es laut ausspreche…ehm…“

„Nun, Hijiri liegt falsch!“, warf Chiaki ein, legte einen Ellenbogen auf seinen Schreibtisch ab und stützte seinen Kopf mit der Hand. Einige Male fuhr er sich über den Hinterkopf und blickte zu ihr auf.

„Ich meine…eh, wir sind wie Familie!“, sagte er und biss sich im Anschluss reumütig auf die Zunge. Er konnte selbst nicht glauben, dass er sich dafür entschied die Wahrheit zu verleugnen. Verfluchter Feigling…, ging es ihm durch den Kopf.

Maron atmete erleichtert aus und wandte sich wieder zu ihm um.

„Genau dasselbe habe ich ihm auch gesagt!“

Chiaki schaute ihr mit ruhiger Miene in die Augen. „Ganz ehrlich… Wir sind nur beste Freunde. Das weißt du doch!“ Dann tat er so, als würde er sich wieder seinen Unterlagen widmen.

„Ja… da hast du recht.“ Sie nickte einige Male zustimmend und lächelte. „Nun denn… Ich schätze, ich gehe jetzt mal. Muss noch Koffer packen und mich für die Reise bereit machen.“, verabschiedete Maron sich von ihm und verließ sein Büro.

Nachdem sie weg war, sah Chiaki wieder von seinen Papieren auf und fuhr sich mit beiden Händen frustriert über das Gesicht.

„Ich bin so ein verdammter Idiot…“, stöhnte er, ließ den Kopf mit dem Gesicht voraus auf den Tisch nieder und stieß einige Flüche von sich. Für eine Weile verweilte er in dieser depressiven Position, brabbelte unverständliches Zeug vor sich hin bis sein Vater in seinem Büro so vorfand und ihn ohne große Fragen nach Hause schickte.

 

Unterdessen hatte Maron das Krankenhaus verlassen und fuhr mit der Bahn zurück nach Hause. Während ihrer Heimfahrt, ging sie gedanklich das Gespräch mit Chiaki nochmal durch.

Sie bekam das Gefühl nicht los, dass er ihr dennoch etwas verheimlichte.

Hijiri hatte nicht Unrecht, als er die Anmerkung machte, dass Chiaki sich in letzter Zeit merkwürdig verhielt. Schon eine ganze Weile verfolgte sie ein eigenartiges Gefühl, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Dass er sich in ihrer Anwesenheit anders verhielt als sonst.

Ach quatsch… Ich kann Chiaki vertrauen…!, dachte sie sich und verwarf ihre Sorgen sofort wieder.

Mit einer guten Laune bereitete sie sich für ihr Wochenendtrip mit ihrem Freund vor.
 

***

„Du bist so ein gottverdammter Idiot, weißt du das?“, sagte Shinji und schlug sich mit der Hand auf die Stirn.

„Sei nicht so streng zu ihm.“, mahnte Natsuki und gab ihrem Freund einen Klaps mit der Hinterhand auf die Brust.

„Trotzdem ist er ein Feigling…“

Chiaki seufzte entnervt auf.

„Du bist auch nur da, um mich zu kritisieren, oder?“, fuhr er Shinji an.

Es war Freitagabend, ein Tag nach dem Maron ihn im Büro besuchte. Seit dem konnte er sich auf nichts mehr richtig konzentrieren. Er konnte froh sein, dass er auf der Arbeit keine Fehler in der heutigen Operation gemacht hatte.

Nun stand er mit Shinji und Natsuki vor einem beliebten Club der Stadt Schlange, der Bass der Musik war bis nach draußen zu hören. Das Paar riefen ihn nach der Arbeit an und überredeten ihn dazu, den Kopf frei zu bekommen, was einfacher gesagt war als getan.

Noch immer fragte Chiaki sich, ob es die richtige Entscheidung war zu Lügen.

„So erleichtert wie sie wirkte, war es vielleicht gut, dass ich ihr nicht die Wahrheit gesagt habe...“, sprach er mit sich selbst und seufzte. Ihre Reaktion hatte ihm einen Stich ins Herz versetzt. „Womöglich ist es mein Schicksal, einfach nur ihr bester Freund zu sein.“

„Was wäre, wenn du Maron mal fragst, wie sie die Wahrheit wohl empfunden hätte?“, wandte sich Shinji an seine Freundin. Diese schaute ihn entgeistert an.

Natsuki und Maron waren nach einigen Shopping-Verabredungen ziemlich schnell zu guten Freundinnen geworden, die über alles Mögliche miteinander redeten und sich austauschten. Hinsichtlich dem Dreiecksdrama, so sympathisierte sie zwar mit Chiaki, gegenüber Maron versuchte sie in ihren typischen Frauengesprächen dennoch unparteiisch zu wirken.

„Ich bezweifle, dass das irgendetwas nützt… Doofkopf.“, entgegnete Natsuki zu Shinji’s Vorschlag. „Also, klar… Wenn sie von sich aus mir das mal erzählt, könnte ich sie ganz dezent fragen, ab-…“

„Lass gut sein.“, unterbrach Chiaki sie und nickte Richtung Eingang. „Wir sind übrigens jetzt dran.“

Gemeinsam passierten die drei Freunde die Türsteher und gingen rein.

 

Nach einer gewissen Zeit reichte die Betrunkenheitsskala von angeschwipst (Shinji) bis stockbetrunken (Natsuki). Chiaki hielt sich den ganzen Abend an alkoholfreien Getränken, da er sich und seine Freunde noch nach Hause fahren musste. Letztlich hatte er sie auch abgeholt, da Shinji keine Lust hatte selbst zu fahren.

Eigentlich war er ein guter Trinker. Shinji scherzte oft herum, dass sein bester Freund immun gegen Alkohol sei.

Gerade lief „Dead End in Tokyo“ von Man with a Mission und Chiaki beobachtete von der Bar aus, wie seine Freunde sich der Musik hingaben und abfeierten.

Als das Lied zu Ende war und der DJ zu RnB-Mixen wechselte, schlossen Shinji und Natsuki sich ihm an der Bar an und bestellten sich jeweils einen Cocktail.

Bevor Chiaki fragen kannte, wie es ihnen ging, fingen sie an miteinander rumzuknutschen, woraufhin er augenrollend sich in die andere Richtung drehte.

In dem Moment kam eine Gruppe von vier Mädels an die Bar und fragten dem Barkeeper panisch nach ein paar Servietten. Da fiel Chiaki auf, dass einer der Frauen sich die Hand vor die Nase hielt, welche stark zu bluten schien. Womöglich war sie gestürzt. Ebenso sah sie aus, als hätte sie einen zu viel getrunken.

Durch die Musik konnte er hören, wie ihre Freundinnen darüber argumentierten, ob man bei Nasenbluten den Kopf nach hinten oder nach vorne legen sollte.

Bei dem Tempo verblutet sie noch…, dachte sich Chiaki und rief ihnen „Nach vorne!“ laut zu.

Überrascht drehten sich drei Köpfe zu ihm um und blickten ihn skeptisch an.

„Woher willst du das wissen?“, fragte eine von ihnen mit lilanen, kinnlangen Haaren, dunkelbraunen Augen, die Hände an den Hüften gestemmt. Sie trug eine kurze, schwarze Short, ein lockeres Top sowie eine schwarze Lederjacke um die Taille. Kritisch zog sie eine Braue hoch und legte den Kopf schief.

„Ich bin Arzt.“, antwortete ihr Chiaki ruhig und fragte bei Barkeeper nach einem kühl-feuchten Tuch nach, welches er ihr gab. „Leg ihr das auf dem Nacken. Das wird helfen.“

Noch immer zögerten die Mädchen.

„Hört auf den Doktor, Mädels!“, lallte Shinji plötzlich von hinten, legte seinem Freund einen Arm um die Schulter und zwinkerte den Mädchen lachend zu. „Ich würde auf ihn hören, sonst verblutet eure Freundin noch zu Tode!“

Dies brachte die Gruppe wieder in Bewegung und sie verschwanden in Richtung der Toiletten. Kaum waren sie weg, tauchte Natsuki zu Chiaki’s Linken auf.

„Du bist Arzt und kannst Leben retten??“ Man sah ihr mehr als deutlich an, dass sie etwas zu tief ins Glas geschaut hatte.

„Wow... Nenn mir etwas, was du tun nicht kannst...“, sprach sie nuschelnd weiter und griff sich ein paar Vodkagläser, die anderen Gästen bestimmt waren.

„Dich vom Trinken abhalten! So wie es aussieht.“, schüttelte Chiaki amüsiert mit den Kopf, schnappte ihr die Getränke weg und stellte sie in sicherer Entfernung beiseite. Die Grünhaarige verzog eine Schnute, neigte den Kopf zur Seite und sah ihren Freund mit einem bettelnden Hundeblick an.

„Du hast für heute genug, Natsuki-Schätzchen!“, kicherte Shinji breit grinsend und nahm sich eines der Vodkagläser. Chiaki blickte belustigt zwischen den beiden hin und her.

„Ihr seid beide echt gemein!“, ningelte sie und wirkte wie ein Kind, welches man den Lolli geklaut hatte. „Ich glaube… ich muss aufs Klo…“, entschuldigte sie sich anschließend bei ihnen und ging zu den Toiletten.

„Ich folge ihr mal, bevor ihr noch was passiert.“, sagte Shinji und stand auf, lief seiner Freundin eilig hinterher. Chiaki sah ihnen schmunzelnd nach und bestellte für sie jeweils ein Glas Wasser.

„Die gehen auf mich.“, hörte er plötzlich neben sich sagen. Überrascht wandte er sich zur Seite und sah dieselbe kurzhaarige junge Frau von vorhin vor sich. Sie war ziemlich hübsch und attraktiv, stellte Chiaki fest.

„Danke für vorhin, Herr Doktor. Du hast meiner zukünftigen Schwägerin einen riesigen Gefallen getan.“, sagte sie mit einem Lächeln.

„Geht’s ihr besser?“, erkundigte Chiaki sich bei ihr.

„Ja, deine Tipps haben wirklich geholfen. Die anderen Mädels kümmern sich gerade um sie.“

„Das freut mich zu hören.“

„Und… du und dein Kumpel, ihr seid mit euren Freundinnen hier?“, fragte sie mit Neugier in ihrem Gesichtsausdruck.

„Freundinnen? Oh… eh, Nein. Es sind nur er, seine Freundin und ich.“

„Aaah… Keine Freundin deinerseits?“

„Nein.“, schüttelte Chiaki verlegen den Kopf. Sie nickte einige Male verstehend.

Anschließend herrschte kurzes, peinliches Schweigen.

Die hübsche Unbekannte schaute weg, spielte unsicher mit dem Verschluss ihrer kleinen Clutch-Handtasche. Chiaki musterte sie für einen Moment, bevor er ebenfalls unbeholfen wegsah.

„Hey, kennst du diese App…“, drehte die Dunkelhaarige sich wieder zu ihn um und holte ihr Handy aus der Tasche, „Die ist ziemlich cool. Habe ich neu für mich entdeckt…Wenn du dein Handy mit einem anderen Handy berührst, werden automatisch eure Kontaktdaten einander ausgetauscht.“

Chiaki blickte sie erstaunt an.

„Wirklich? Hört sich ziemlich praktisch an.“, sagte er und legte sein Handy auf die Theke. Sie tippte ihr Handy mit seinem kurz an. Sofort blickte sein Display mit ihrem Namen, Adresse und Telefonnummer auf.

„Siehst du! Funktioniert. Cooler als die klassische Variante mit Stift und Zettel…“, grinste sie und nickte mit dem Kopf auf sein Handy. „Nun hast du meine Nummer!“ Chiaki nahm das Gerät wieder an sich und überflog kurz die neuen Kontaktdaten.

„Was du mit ihr machst ist ganz allein dir überlassen.“, verabschiedete sie sich augenzwinkernd von ihm und ging.

Er sah ihr noch eine Weile hinterher bis sie komplett unter der Menschenmenge verschwand.

In dem Moment kam Shinji mit Natsuki wieder. Sie wirkte blass, das Augen-Makeup leicht verschmiert und die grünen Haare waren in alle Richtungen zerzaust. Ihr dunkelhaariger Freund legte fürsorglich einen Arm um sie und gab ihr ein Glas Wasser.

„Gehen wir?“, fragte er. „Ihr geht es nicht so gut. Vorhin hatte sie sich auch auf der Toilette übergeben.“

„Oh…Ja, klar.“, nickte Chiaki und warf Natsuki einen besorgten Blick zu.

Zusammen verließen sie den Club und begaben sich zu seinem Auto.

Diese ganze Fahrt über war es relativ ruhig. Shinji und Natsuki saßen auf der Rückbank und erholten sich von ihrem Rausch. Ihr Kopf an seiner Schulter gelehnt, er strich ihr behutsam durch die Haare.

„Rufst du sie an?“, fragte die Natsuki plötzlich und sah zu Chiaki auf. Shinji döste mit geschlossenen Augen vor sich hin.

„Wen?“, fragte er zurück und warf einen kurzen Blick in den Rückspiegel.

„Na, das hübsche Mädchen. Die…die dir ihre Nummer gegeben hat.“, brachte sie ermüdet hervor.

„Ah… Ich habe nicht wirklich darüber nachgedacht.“, erwiderte Chiaki und zuckte mit den Schultern.

„Ich finde… du hast selbst ein wenig Glück verdient…“, sagte Natsuki leise, bevor sie sich wieder auf der Schulter ihres Freundes niederließ.

„Ich wette, er tut es nicht.“, murmelte Shinji, hielt die Augen weiterhin geschlossen.

Chiaki verdrehte genervt die Augen. „Was auch immer.“

Wenige Minuten später, hatte er das Paar nach Hause gefahren und fuhr schließlich selbst nach Hause.
 

***

Das Wochenende verging und Maron trat ihren ersten Arbeitstag an. Ihr Wochenende in Kyoto war zwar traumhaft, dennoch konnte sie ihre Nervosität für den heutigen Tag nicht zurückhalten. Hijiri hatte immer wieder versucht ihr Mut zuzusprechen und sie gleichzeitig abzulenken, allerdings wuchs die Anspannung mit jedem Moment, in der der Montag sich näherte.

Mit Herzklopfen stand Maron vor den Türen der Momokuri News Presseagentur, umfasste zur eigenen Beruhigung kurz ihre Kette, nahm ein letztes Mal tief Luft und trat ein.

Vor ihren Augen befand sich ein 280 Quadratmeter großer Raum mit zahlreichen Tischen, an denen Leute entweder vor dem Computer beschäftigt waren oder in kleinen Gruppen zusammenarbeiteten. An einem Ende des Raumes befand sich eine milchige Trennwand, in der Meetings gehalten wurden sowie eine Glaswand mit Tür, in der das Büro des Chefs war. Am anderen Ende waren auf Tischen Kaffeemaschine, Getränke und Snacks aufgestellt, an denen sich die Mitarbeiter kostenlos bedienen konnten.

Kaum hatte Maron Fuß in ihrem neuen Arbeitsplatz rein gesetzt, wurde sie direkt von der Empfangssekretärin freundlich begrüßt sowie von einer Mitarbeiterin, die sie von ihrem Probearbeitstag kannte.

„Hallo Mikoto.“, begrüßte Maron sie mit einem schüchternen Lächeln zurück.

„Willkommen im Team!“, grinste Mikoto. „Ich bin froh, dass unser Chef dich gewählt hat. Die anderen Kandidaten waren nur halb so gut wie du an ihrem Probearbeitstag.“

„Ehm, Danke! Ich hätte es, um ehrlich zu sein gar nicht erwartet.“, entgegnete Maron peinlich berührt.

„Du warst super. Und hast Potenzial.“, sagte Mikoto ehrlich. „Komm ich bring dich zu deinem Tisch, welches -übrigens- gegenüber von meinem ist. Demnach sind wir Tischnachbarn.“, kicherte sie. „Dann zeige ich dir nochmal alles. Wenn du Fragen hast, zögere bitte nicht.“

Maron nickte lachend und folgte ihrer Kollegin, die ihr nebenbei ein Teil der Belegschaft vorstellte.

 

Die erste Hälfte des Tages ging erstaunlicherweise schnell um und Maron wollte sich soeben für die Mittagspause fertig machen, als sie zu ihrer großen Verwunderung Chiaki reinkommen sah.

„Hi Chiaki.“, begrüßte sie ihn und kam auf ihn zu.

„Hey. Wie war Kyoto?“, kam es von ihm zurück. „Oh, und wie ist dein erster Arbeitstag bis jetzt?“

„Kyoto war schön und bis jetzt ist alles ganz gut! Was machst du denn hier? Wenn du dir Sorgen gemacht hast und dich nach mir erkundigen wolltest… Das ist wirklich lieb von dir, aber ich komme schon klar. Ich bin schließlich ein großes Mädchen.”, zwinkerte Maron ihn grinsend zu.

„Da bin ich wirklich froh.“, lächelte Chiaki. „Nun, eh, um ehrlich zu sein... Ich bin ausnahmsweise nicht wegen dir hier.“ Er schenkte ihr ein entschuldigendes Lächeln und fuhr sich verlegen durch die Haare.

Das überraschte Maron nun sehr.

Für wen war ihr bester Freund sonst hier, wenn nicht für sie?

„Nicht?“, fragte sie verwundert und blinzelte ihn einige Male an.

„Nein, ehm, ich habe -sagen wir mal- eine Verabredung zum Mittagessen.“, gestand ihr Gegenüber. Maron brauchte einen Moment, um die Worte zu registrieren. Etwas schnurrte sich in ihrem Inneren zusammen.

„Mittagessen…Mit wem?“ Sie zog prüfend die Augenbrauen zusammen.

Ehe Chiaki ihr antworten konnte, kam auf einmal jemand von der Seite.

Eine junge, hübsche Frau -ungefähr ihres Alters- mit kurzen, lilanen Haaren, bekleidet in Jeans, T-Shirt und schwarzer Lederjacke.

„Hey Chiaki, gehen wir?“, fragte sie ihn mit einem breiten Lächeln. Dann bemerkte sie Maron Anwesenheit.

„Oh, Hi! Du bist unsere Neue im Modebereich, oder?“

„Eh…Ja.“, antwortete Maron ihr mit einem freundlichen Lächeln und versuchte sich ihre Überraschung nicht anmerken zu lassen.

„Ich bin Miyako Toudaiji. Sport.“, stellte die Dunkelhaarige sich vor und reichte ihr die Hand.

„Maron Kusakabe.“, schüttelte diese ihre Hand.

„Nett dich kennenzulernen. Und willkommen im Team.“

„Danke. Eh, nun… Darf ich fragen, woher ihr euch kennt?“, fragte Maron und sah sowohl Chiaki als auch Miyako interessiert an.

„Ja… Ich erzähle dir das später, okay?“, sagte Chiaki und wandte sich an Miyako. „Wollen wir los?“

„Oh, Klar!“, nickte sie, „Wir sehen uns, Maron.“ Damit begaben sie sich nach draußen.

„Viel Spaß euch zweien …“, verabschiedete die Angesprochene sich von ihnen.

Maron blickte den beiden mit einem fremdartigen Gefühl in der Brust hinterher.

 

Chapter 8: New Girl

Chapter 8: New Girl

 

Chiaki stand vor seinem Kleiderschrank und bereitete sich für sein Date mit Miyako vor. Nebenbei hatte er das Radio an und gerade lief „Flamingo“ von Kenshi Yonezu.

Es waren einige Tage her seit ihrem ersten Kennenlernen im Club. Nach einigen angeregten Telefongesprächen, Nachrichtenkonversationen sowie kurzen Treffen in den Mittagspausen, beschlossen beide sich zu einem gemütlichen Dinner zu verabreden.

Während er sich anzog, dachte er über die junge Sportjournalistin nach. Miyako war nicht nur hübsch, sondern hatte einen durchaus lebhaften, kontaktfreudigen, und energiegeladenen Charakter, was sie irgendwie noch attraktiver machte. Ein Lächeln bildete sich automatisch auf seinen Lippen.

Er freute sich auf das Date.

Mit schwarzen Schuhen, schwarzer Jeans, einem weiß-grau karierten Hemd und einer schwarzen Weste stand er vor seinem Spiegel und knöpfte sich die letzten Knöpfe zu. Im Bad machte er sich noch mit ein wenig Haarspray seine Haare leicht nach hinten und spritzte sich noch sein Lieblingsparfüm auf.

Zu guter Letzt holte er sich noch sein Jackett und begab sich zu der Adresse von Miyako’s Wohnkomplex.

Minuten später stand Chiaki schon vor dem Haupteingang des Gebäudes und war darauf bedacht die Klingel, in der „Toudaiji“ auf dem Namensschild stand zu betätigen, als Miyako schon rauskam.

Er musterte sie mit einem schnellen Blick von oben bis unten.

Sie trug schwarze Jeans, dazu passende Keilabsatzschuhe, eine hellfarbiges Top mit abstrakten Muster und ihre schwarze Lieblingslederjacke. Ihr Gesicht wurde mit leichtem Make-Up zur Geltung gebracht.

„Auf die Minute pünktlich. Respekt.“, grinste sie ihn an, nachdem sie einen prüfenden Blick auf ihre Uhr warf.

„So nennen mich meine Freunde: Mr. Pünktlich.“, scherzte er.

Miyako kicherte amüsiert. Chiaki bot ihr seinen Arm an und sie hakte sich lässig darin ein. Gemeinsam gingen sie Richtung Restaurant, welches Miyako sich ausgesucht hatte.

 

„Ich hätte nicht gedacht, dass du mexikanisch magst.“, sagte Chiaki und schaute sich im Lokal um. Von außen sah es recht unscheinbar aus, doch von innen erstreckte sich ein großer Raum aus, welches mit authentischer Deko entsprechend der Landesküche eingerichtet war und viele neugierige Gäste anlockte.

„Ich mag scharfes Essen.“, entgegnete Miyako ihm gegenüber und sah von ihrer Karte auf. „Und Mexiko ist weltweit bekannt für ihre sehr, sehr scharfe Küche.“ Sie grinste ihn verschmitzt an.

„Wenn du mich einschüchtern willst, nur zu deiner Info: ich kann sehr gut scharf essen.“ Chiaki blickte sie mit hochgezogener Augenbraue an.

„Hmm.“ Miyako neigte schmunzelnd den Kopf zur Seite. „Ich wette, nicht so gut wie ich.“ Ein herausforderndes Lächeln bildete sich auf ihrem Gesicht.

„Ach ja?“

„Ja!“

„Wie finden wir am besten heraus wer besser ist?“, fragte Chiaki.

„Wir bestellen uns das schärfste Gericht hier und wer als Erster zum Wasserglas greift, hat verloren.“, sagte Miyako, lehnte sich nach vorne und deutete mit dem Finger auf die Chicken-Peperoni-Chili-Tacos in der Speisekarte. „Das sind die schärfsten Tacos Momokuris.“

Chiaki lachte ungläubig auf.

„Okay. Ich nehme die Herausforderung an.“

Darauffolgend riefen sie nach der Kellnerin, die nach einer kurzen Wartezeit ihnen alles an den Tisch brachte.

„Die Regeln sind dir klar?“, fragte Miyako und hob gespielt prüfend eine Augenbraue.

Chiaki nickte, krempelte sich die Ärmel leicht hoch und sah sie direkt an. „Um was wetten wir eigentlich?“

„Das entscheiden wir spontan.“, zwinkerte sie ihm zu und nahm ihren Taco in die Hände. Ihr Gegenüber tat dasselbe.

Ohne die Augen voneinander zu lösen, nahmen beide einen Bissen und beobachteten den anderen genau.

Während Miyako seelenruhig ihren Taco aß, merkte Chiaki mit jedem weiteren Bissen, wie sich die beißende Hitze in seinem Mund intensivierte.

Sein rechtes Auge begann zu zucken und er atmete durch die Nase angestrengt ein und aus. Sein Gegenüber bemerkte dies und versuchte nicht mit vollem Mund loszulachen.

Nach einigen Augenblicken gab Chiaki schließlich auf, legte seinen halbfertigen Taco auf dem Teller ab und griff schnell nach seinem Glas Wasser.

„JA! Gewonnen!“, rief Miyako laut auf und schoss ihre Arme siegreich in die Höhe. Ihr Teller war bis zum letzten Krümel leer. „Der Sieg ist mein!“

„Und ich dachte, du übertreibst…oder bluffst!“, brachte Chiaki schwer atmend entgegen und setzte sein halbleeres Glas auf den Tisch ab. Sein Gesicht war leicht rot angelaufen. Noch immer spürte er das brennende Gefühl auf der Zunge.

„Ich bluffe nicht! Gib einfach zu, dass ich der Schärfe-Champion hier bin.“, neckte sie ihn und lehnte sich zufrieden in ihrem Stuhl zurück.

„Du bist die Schärfe-Königin der ganzen Stadt.“, ging er mit einem teils amüsierten, teils hochachtungsvollen Ton ein und wischte sich die Hände mit der Serviette ab.

Nach einer Stunde verließen sie gut gelaunt das Restaurant. Arm in Arm spazierten beide die Straßen entlang, befanden sich gleichzeitig auf dem Rückweg zu Miyako nach Hause.

„Ach ja… Ich hätte noch meinen Gewinn einzulösen.“, kam es von ihr, als sie vor ihrem Wohnkomplex standen. Erwartungsvoll blickte Chiaki sie an.

Ehe er sich versah, stellte sie sich auf Zehenspitzen und legte ihre Lippen auf seine. Es war ein unschuldiger, zärtlicher Kuss, den er erwiderte.

„Eigentlich ist mein Mund immer noch am Brennen.“, sagte Chiaki, als sie sich kurz lösten.

Miyako kicherte leise in sich hinein. „Heiß…“

Damit küsste sie ihn ein weiteres Mal. Diesmal mit mehr Gefühl. Gerade als Miyako sich von ihm entfernen wollte, griff Chiaki nach ihrem Handgelenk und zog sie für ein weiteren Kuss wieder an sich. Unbewusst verflochten sich ihre Hände miteinander.

Glücklich lächelte Miyako ihn an. „Danke für den Abend.“

„Können wir gerne wiederholen.“, sagte Chiaki sanft lächelnd.

„Liebend gern.“, nickte sie, die Wangen rosa schimmernd und ging langsam Richtung Tür. „Gute Nacht, Chiaki.“

„Dir auch.“, winkte er ihr zurück und sah zu, wie Miyako ins Gebäude verschwand. Mit leichten Herzklopfen begab er sich ebenfalls nach Hause.
 

***

„So wie du vor dich hin grinst, schien das Date gestern ja gut gelaufen zu sein.“, begrüßte Shinji Chiaki mit einem Handschlag. Gemeinsam gingen sie ins Mori-Café rein.

„Sie ist auch ziemlich cool. Wir treffen uns morgen Abend bei mir zu Hause für das nächste Date.“, sagte Chiaki.

Shinji runzelte die Stirn. „Bei dir zu Hause?“, fragte er.

„Ja.“

„Denkst du nicht, dass es ein bisschen schnell geht?“

„Was meinst du?“

„Naja, ihr kennt euch nicht so lange. Und ein Date im eigenen Heim bedeutet meistens, dass sie auf der ‚Film-Couch‘ anfängt und im Bett endet.“, erklärte Shinji und zog eine Augenbraue hoch.

„Du gibt’s mal wieder nur Scheiße von dir.“, murmelte Chiaki und schüttelte augenrollend mit den Kopf. Sie liefen durch den Laden und fanden in einer Ecke einen freien Tisch. „Ich sagte, dass wir uns bei mir zu Hause treffen, nicht dass wir den ganzen Abend da auch verbringen werden. Ich sag dir, es wird nur ein ganz normales Date werden.“, sagte er mit Überzeugung und setzte sich hin.

„Date?“, ertönte wie aus dem Nichts Maron’s Stimme. Überrascht blickten beide Männer sich um und sahen Maron mit Laptop an einem Tisch sitzen. Chiaki hatte gar nicht gemerkt, dass sie wenige Meter von ihnen entfernt saß. Womöglich machte sie hier einige Recherchen für die Arbeit. Schon zu Schul- und Studienzeiten bevorzugte seine beste Freundin es in Cafés zu lernen als zu Hause.

„Ehm, Ja. Mit Miyako.“, antwortete Chiaki ihr und strich sich kurz die Haare nach hinten.

„Ah…!“

Maron nahm ihre Tasse Kaffee, stand auf und ging auf beide Freunde zu. Auf ihrem hübschen Gesicht haftete ein Lächeln.

„Das hört sich toll an! I-Ich meine, du bist ein toller Kerl. Miyako scheint eine tolle Frau zu sein. Also, eh… Toll!“ Sie nickte einige Male zu viel und etwas in ihrem Lächeln veränderte sich kaum merklich.

In dem Moment als Chiaki was sagen wollte, klingelte lautstark Shinji’s Handy und unterbrach seine Gedankengänge.

„Hallo Schatz.“, nahm sein Freund in einem verliebten Ton ab und ging zum Telefonieren raus. Maron und Chiaki sahen ihn belustigt hinterher.

 

„Also,... du und Miyako.“, wandte Maron sich wieder ihrem besten Freund zu. „Scheint wohl was Ernstes zu werden mit euch beiden.“

„Scheint so…“, nickte Chiaki mit einer leichten Röte auf den Wangen. „Fühlt sich auf jeden Fall gut an.“

„Das ist toll! Ich freu mich für dich – für euch beide! Wirklich!“ Maron nahm einen Schluck von ihrem Kaffee. „Ich hatte auf der Arbeit bisher noch nicht viel mit Miyako zu tun gehabt, aber sie scheint recht beliebt unter den Kollegen zu sein. Versteht sich mit jedem gut und sei auch ziemlich gut in ihrem Job…“

„Ich bin mir sicher, du wirst dich mit ihr auch gut verstehen.“, sagte er.

„Ja… Mal gucken.“, erwiderte sie schnell, nahm einen weiteren Schluck von ihrer Tasse und sah auf ihre Armbanduhr.

„Oh verdammt, schon so spät?!“, kam es leicht erschrocken. „Ich saß schon den halben Tag an diesem Artikel und habe komplett die Zeit vergessen.“ Während Maron vor sich hin sprach, klappte sie ihren Laptop schnell zu und packte es in ihre Tasche ein.

„Muss du irgendwo hin?“, fragte Chiaki verwundert.

„Hijiri lädt mich zu sich nach Hause ein und in eineinhalb Stunden holt er mich von zu Hause ab. Ich muss noch duschen, mich fertig machen und so…“

„Ah…“

„Nun…“ Unbeholfen stand die Braunhaarige mit ihrer Tasche vor ihrem besten Freund, strich sich eine lange Strähne aus dem Gesicht. „Ich wünsche dir viel Spaß bei deinem Date mit Miyako morgen.“, sagte sie schließlich und beugte sich für eine Umarmung zu ihm runter. Wieder überkam sie für einen Augenblick dieses fremdartige Gefühl in der Brust, wie vor ein paar Tagen. So plötzlich es kam, so verschwand es auch wieder.

„Danke. Dir und deinem Freund auch viel Spaß heute.“, entgegnete Chiaki zurück.

Mit einem Winken verabschiedete Maron sich schließlich und verschwand schnellen Schrittes aus dem Laden. Dabei passierte sie Shinji, der wieder zum Tisch zurückkam und verdutzt zwischen ihr und Chiaki hin und her sah.
 

***

Der nächste Abend stand an.

Chiaki hatte sich soeben fertig umgezogen und im Wohnzimmer die Sofakissen ordentlich gerichtet, als es an der Tür klingelte. Ein flüchtiger Blick auf die Uhr sagte ihm: genau 19 Uhr pünktlich.

Als Chiaki die Tür aufmachte, weiteten sich seine Augen.

Miyako stand perfekt geschminkt in einem silbernen Metallic-Top, einer dünnen, weißen Strickjacke, einem schwarzen Rock sowie ebenso schwarzen Strumpfhosen und Schuhen vor ihm. Es war etwas ungewohnt, sie in einem relativ weiblicheren Look zu sehen, da sie eindeutig eher den legeren, sportlichen Stil bevorzugte. Nichtsdestotrotz sah sie mehr als gut aus.

„Du siehst großartig aus.“, sagte er und trat zur Seite um ihr Einlass zu gewähren.

„Nun, ich habe ein wichtiges Date und da will ich den Kerl beeindrucken.“, brachte Miyako entgegen, während sie in seine Wohnung eintrat.

„Dann spreche ich mal für diesen Kerl und sage dir, dass er sehr beeindruckt ist.“, erwiderte Chiaki und machte die Tür hinter sich zu. Die Dunkelhaarige grinste verlegen, geschmeichelt von dem Kompliment.

Dann führte er sie kurz durch seine Wohnung.

„Schick hast du es hier. Klein und gemütlich.“, sagte Miyako anerkennend, als sie ins Wohnzimmer zurückkehrten und sie seine Regale mit seinen Bücher- und DVD-Sammlungen bestaunte.

„Für mich alleine reicht es.“ Chiaki stand etwas entfernt hinter ihr und beobachtete Miyako dabei, wie sie sich nun seine eingerahmten Bilder auf den Regalen ansah.

„Dein Vater ist Chef der Klinik, richtig?“, fragte sie auf einmal, als sie ein Foto von seinen Eltern erblickte.

„Ja, woher weißt du das?“, kam es erstaunt zurück.

Miyako fing an zu kichern, den Rücken immer noch zu ihm gewandt. „Du, Chiaki Nagoya, arbeitest im angesehenen Nagoya-Krankenhaus und da ich bezweifle, dass du mit 24 Jahren schon Direktor bist, gehe ich stark davon aus, dass dein alter Herr der Kopf des Familienbetriebes ist.“ Sie drehte mit einem selbstsicheren Lächeln in seine Richtung um und tippte auf ihrem Kopf. „Da drin befindet sich auch ein Gehirn, weißt du?“

Chiaki stieß ein kurzes Lachen aus.

„Deine Mutter ist auch eine wunderschöne Frau.“, sagte Miyako mit Bewunderung in der Stimme.

Sein Lachen erstarb in dem Moment.

„…War.“, sagte er nach kurzem Zögern.

„War?“ Miyako machte ein irritiertes Gesicht.

„Ja.“

„Oh…“ Sie begann zu realisieren, was er meinte. „Oh Gott… Das tut mir furchtbar leid.“ Mitgefühl zeichnete sich in ihren Augen ab.

„Schon okay.“ Er schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln.

„Was machen deine Eltern eigentlich?“, fragte Chiaki sie, versuchte mehr oder weniger das Thema zu wechseln. Miyako atmete erleichtert aus.

„Meine Mutter ist eine fleißige Hausfrau und mein Vater Polizeiinspektor.“, antwortete sie ihm.

„Ah… Dann weiß ich jetzt, woher diese bemerkenswerte Auffassungsgabe kommt. Muss ich Angst haben, wenn ich ihn irgendwann kennenlerne?“

„Wer weiß… Ich kann für nichts garantieren.“

„Wie zielsicher ist er?“

„Hmmm. Ich würde sagen: sehr.“

„Okay… Man sagt mir zwar, ich sei ein talentierter Arzt, aber selbst ich könnte mir schwer eine Kugel eigenhändig aus der Brust entfernen.“

Daraufhin musste Miyako herzlich lachen, sichtlich froh darum, dass sie die Atmosphäre zwischen ihnen sich wieder aufgelockert hatte. Sie wandte sich wieder zu den Fotos um. Ihre Augen blieben bei einem bestimmten Bild etwas länger haften.

Es war das Schulabschlussfoto von Chiaki und Maron. Die Vertrautheit, die die beiden darauf ausstrahlten, bereitete Miyako für einen kurzen Moment ein unruhiges Gefühl im Herzen.

„Du und Maron… Ihr kennt euch schon seit der Oberstufe?“

„Eher. Seit der Grundschule.“

Miyako’s Augenbrauen schossen erstaunt nach oben. „Wow…!“

„Ja. Wir wuchsen wie Bruder und Schwester gemeinsam auf.“, zuckte Chiaki mit den Schultern, steckte die Hände in die Hosentasche.

„Wirklich süß.“ Sie wandte sich lächelnd zu ihm um.

„Was steht überhaupt an für den heutigen Abend?“, fragte sie.

„Gut, dass du fragst…“, grinste Chiaki erfreut und ging auf sie zu. „Eine Reservierung beim besten Thailänder der Stadt, dann gehen wir in eine Billard-Bar, spielen ein paar Runden, trinken Cocktails.“, zählte er mit den Fingern auf, „Heute werden die auch eine Live-Band haben, die Jazz spielt. Hört sich gut an, oder?“

„Hm.“ Miyako ging einen Schritt auf ihn zu. „Oder wir können das machen…“ Sie zog ihn zu sich heran und versiegelte ihre Lippen miteinander. Chiaki riss zunächst etwas überrascht die Augen auf, gab sich jedoch dem Kuss hin und umfasste ihre Taille.

Ehe er sich versah, saß er auf dem Sofa, während Miyako sich auf seinen Schoß positionierte und ihre Arme um seinen Nacken legte. Mit jedem Moment wurden ihre Küsse fordernder.

Nach einer Weile war Chiaki sein Hemd los und Miyako hatte sich ebenfalls ihrer Strickjacke und Top entledigt und saß in BH vor ihm. Er legte ihr sachte eine Hand auf die Schulter und drückte sie etwas von sich.

„Was ist?“, fragte Miyako verwirrt.

„Ich eh, mach mir nur Sorgen, ob wir-... ob es für dich am Ende nicht etwas zu schnell geht…“, sagte Chiaki mit ehrlichen Bedenken in der Stimme.

„Keine Sorge.“ Sie drückte ihn mit einer Hand auf der nackten Brust aufs Sofakissen und lächelte. „Ich mag’s schnell.“

Chiaki nickte und lächelte ebenfalls. „Okay.“

Damit zog er sie zu sich runter und küsste sie leidenschaftlich.
 

***

Wenige Tage später:

 

Es war Samstagnachmittag -ein warmer Junitag- und Maron lief mit Natsuki durch die Einkaufsstraßen Momokuri’s. Jede von ihnen hielt eine große Shoppingtasche in der Hand.

„Ich habe Lust auf Bubble Tea. Du auch?“, fragte Natsuki ihre Freundin, die sich gerade die langen, braunen Haare zu einem hohen Pferdeschwanz band.

„Klar.“, entgegnete Maron ihr nickend.

Gemeinsam steuerten sie auf einem naheliegenden Bubble Tea-Shop zu und bestellten sich jeweils ein Getränk. Plötzlich vernahmen sie eine weibliche Stimme hinter sich.

„Maron?“

Überrascht drehten die Angesprochene und Natsuki sich zu Miyako um, die beide freundlich anlächelte.

„Miyako, Hey! Was für ein Zufall.“, begrüßte Maron ihre Kollegin. „Oh, eh, das ist Natsuki.“, stellte sie gleichzeitig ihre Freundin vor.

„Hey, dich kenne ich doch.“, deutete Miyako auf die Grünhaarige, „Du warst mit Chiaki und deinem Freund letztens im Club gewesen. Wir, eh, sind uns auch kurz auf der Toilette begegnet, bevor du, ehm….“

Natsuki hielt sich mit einem beschämten Lächeln die Stirn.

„Erinnere mich bitte nicht daran, sonst bekomme ich wieder Migräne…“, sagte sie und versuchte die Erinnerungen von ihrem peinlichen Alkoholexzess zu verdrängen.

„Ach, sowas braucht die doch nicht peinlich zu sein.“, warf Miyako ein, bevor sie fragte: „Habt ihr vielleicht was dagegen, wenn ich mich zu euch dazusetze?“

Maron und Natsuki tauschten sich einen kurzen Blick aus und zuckten mit den Schultern.

„Wieso nicht.“, sagten sie gleichzeitig.

„Super!“, klatschte Miyako mit den Händen, „Ihr könnt euch schon mal einen Platz suchen. Ich hol mir noch schnell was.“

Gesagt, getan.

Maron und Natsuki setzten sich an einem runden Tisch am Fenster hin und keine fünf Minuten später, kam Miyako dazu.

„Du, Maron…Kann ich dich was fragen?“, fragte sie ihre braunhaarige Kollegin. „So unter Frauen…“

„Klar, tu dir keinen Zwang an!“

„Du und Chiaki… ihr seid sowas wie beste Freunde, richtig?“

„Die allerbesten Freunde.“, bestätigte Maron mit einem stolzen Lächeln.

„Okay. Wie viele Freundinnen hatte er vorher?“

Maron und Natsuki schauten sie bei der Frage irritiert an.

„Solltest du sowas nicht Chiaki selbst fragen?“, fragte Maron verwundert zurück.

Miyako lachte schnaubend auf. „Du weißt doch, wie Männer sind. Ihnen sind solche Fragen unangenehm und dann drücken sie sich davor zu antworten.“

Maron verzog unschlüssig das Gesicht.

„Naja… Chiaki geht eigentlich ziemlich sorglos mit seinen Vergangenheiten um-…“

„Aha. Mehrzahl.“ Miyako schlürfte kurz an ihrem Bubble Tea und sah mit einem aufmerksamen Blick zu Maron auf. „Mehrere also...?“

Maron seufzte innerlich. Sie wusste, dass ihre Kollegin die Tochter eines Polizisten war und gedanklich musste sie feststellen, dass man Miyako diesen Familienhintergrund anmerkte.

„Und wie war denn seine letzte Freundin?“, fragte die Sportjournalistin mit Neugier in der Stimme.

„Okay, schätze ich. Ist auch schon eine Weile her… Ich kann nicht viel über seine letzte Freundin sagen, weil er sie in Tokyo im Studium kennenlernte und ich sie nur einmal getroffen hatte, als ich für ein paar Tage zu Besuch da war.“, zuckte Maron mit der Schulter. „… Ich kann sagen, dass seine Ex vorher, Mayuri, ziemlich grauenhaft war. Bei der frage ich mich manchmal, wie er es am Ende mit ihr drei Jahre ausgehalten hatte…“

„Wieso fandst du diese Mayuri so schlimm?“, mischte Natsuki sich nun ins Gespräch ein.

„Ach, uhm… wir waren in der Oberstufe alle zusammen in einer Klasse und am Anfang der Beziehung sah noch alles gut aus. Aber mit der Zeit bekam sie immer solche merkwürdigen Eifersuchtsattacken, wenn er sich mir oder anderen Mädels unterhielt oder was unternehmen wollte. Besonders bei mir wurde sie extrem. An einem Knackpunkt hatte er am Ende Schluss gemacht…“ Bei den Erinnerungen zog Maron unverständlich die Brauen zusammen.

„Hmmm.“ Miyako blickte Maron mit einem neutralen Gesichtsausdruck an. „Hatte sie einen Grund, wegen dir eifersüchtig zu sein?“, fragte sie schließlich.

„Nein. Eigentlich nicht.“, seufzte Maron nach kurzer Überlegung und strich sich den Pony aus dem Gesicht.

„Also, zwischen dir und Chiaki war auch niemals was?“, hakte Miyako plötzlich nach.

Daraufhin riss die Braunhaarige erschrocken die Augen auf.

„Gott, Nein! Niemals!“ Maron schüttelte beharrend mit dem Kopf. „Chiaki und ich sind nur Freunde. Das wusste sie auch von Anfang an. Ich hatte mich mit ihr vorher auch super verstanden, aber mit der Zeit hatte sie sich extrem verändert….“ Sie hielt kurz inne.

„Okay, ich gebe zu, zu damaligen Zeiten hatte ich ziemlichen Stress mit meinem damaligen Freund gehabt und Chiaki war immer für mich dagewesen, um mich aufzubauen… Aber ich schwöre, mehr als Freundschaft war da nie. Für mich war und ist er immer wie ein großer Bruder - obwohl ich ein paar Monate älter bin.“

„Verstehe.“, sagte Miyako ruhig und rührte mit dem Strohhalm ihren Bubble Tea einige Male um.

„Also, ich hoffe, dass verunsichert dich jetzt nicht, oder so…!“, wendete Maron schnell ein und hob unschuldig ihre Hände in die Höhe. „I-Ich meine, du und Chiaki, ihr gebt ein tolles Paar ab und ich will seinem bzw. eurem Glück auf keinem Fall im Weg stehen! Außerdem bin ich mehr als glücklich mit meinem eigenen Freund zusammen!“

Daraufhin fing Miyako an zu lachen und winkte mit einer unbekümmerten Handbewegung ab.

„Keine Sorge! Ich bin nicht so unreif, wie eure ehemalige Schulkameradin.“, sagte sie und schenkte ihrer Kollegin ein sorgloses Lächeln. „Danke, für das Gespräch. Ich hatte das Gefühl gehabt, dass du ziemlich geschockt gewirkt hattest, als Chiaki mich zum Mittagessen damals abgeholt hatte.“

Was?? Quatsch! Ich war nur etwas überrascht. Weil ich Chiaki immer damit aufziehe, wieso er Single ist und kaum war ich ein Wochenende weg, warst du da.“, winkte Maron lachend ab.

„Tja… An einem Wochenende kann viel passieren.“, grinste Miyako.

„Und glaub mir, mit Chiaki kannst du dich mehr als glücklich schätzen. Ganz ehrlich… Er ist der Gentleman in Person.“

„Ich kann das ebenfalls bezeugen.“, stimmte Natsuki mit erhobener Hand zu, fühlte sich etwas ausgeschlossen aus der Konversation. „Da ich einen ganzen Tag mit ihm verbringen durfte…“

„Wie das denn?“, erkundigte Miyako sich bei der Grünhaarigen.

„Ach…Das ist eine ziemlich witzige Geschichte.“, sagte Natsuki und begann von ihrem Umzug nach Momokuri und dessen weiteren Tagesverlauf zu erzählen. Ab dem zufälligen Zusammentreffen im Restaurant begann Maron immer wieder ein paar Einzelheiten einzuwerfen, die Natsuki selbst entgangen waren. Gegen Ende der Story hielt sich jede von ihnen vor Lachen den Bauch.

„Dein armer Freund!“, lachte Miyako.

„Er hatte es verdient.“, verteidigte Natsuki sich.

„Aber so wie er dir zur Frauentoilette letztens gefolgt war…Wie der Typ Mann, der dir förmlich die Welt vor die Füße legen würde.“

Maron stimmte Miyako nickend zu.

Daraufhin rollte Natsuki verlegen mit den Augen.

Im Anschluss unterhielten sich die drei Frauen den restlichen Nachmittag ausgelassen über alle möglichen Themen und amüsierten sich herzlich, bis es schließlich Zeit war nach Hause zu gehen.

 

 

 

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Ein ziemlich ereignisloses Kapitel… Hoffe der eine oder andere bleibt trotzdem weiterhin gespannt :)

 

Chapter 9: Double Date

Chapter 9: Double Date

 

Drei Monate später:

 

„Ich hätte nicht gedacht, dass du jemand bist, der gerne in den Freizeitpark geht.“, schmunzelte Miyako amüsiert, während ihr Freund die Eintrittskarten bezahlte. Sie trug eine blaue, zerrissene Jeans, schwarze Schuhe, ein weißes Shirt sowie ihre schwarze Lederjacke. Chiaki passte sich ihrem schlichten Look mit schwarzer Jeans, schwarzen Schuhen, weißem Hemd und dunkelgrauer Jeansjacke an.

„Das ist eines meiner absoluten Lieblingsorte auf der Welt.“, grinste er. „Außerdem steht vor dir auch der Champion aller Spielstände!“

„Ach! Wenn das so ist, dann kann ich mich ja auf den einen oder anderen Hauptgewinn freuen, oder?“

„Darauf kannst du wetten.“, lachte Chiaki und legte ihr einen Arm um die Schultern. Gemeinsam gingen sie durch den Eingang, blieben nach einigen Schritten für einen Kuss und ein Handyfoto stehen.

„Hi, ihr zwei!“, hörten sie plötzlich Maron’s gut gelaunte Stimme sagen.

Überrascht drehten Chiaki und Miyako sich um und sahen die hübsche Braunhaarige Arm-in-Arm mit Hijiri. Dieser winkte beiden freundlich lächelnd zu.

Maron trug -ähnlich wie ihre Kollegin- zerrissene Jeans in Schwarz, die passenden Stiefeletten und dazu einen bordeauxroten Oversize-Pullover, welcher sie vor den frischen Herbsttemperaturen warm hielt. Um ihren Hals glitzerte ein Teil ihrer Silberkette auf und lief unter dem dicken Stoff des Pullovers weiter. Ihre Begleitung war in dunkelblauer Jeans, schwarzen Schuhen, hellgrauem T-Shirt und schwarzer Jacke leger gekleidet.

„Maron, Hijiri, Hey!“, begrüßte Chiaki das Paar. „Lange nicht gesehen.“

„Was macht ihr denn hier?“, fragte Miyako.

„Wir machen uns einen schönen Tag.“, antwortete Maron und grinste Hijiri sowie ihre Freunde an. „Chiaki und ich sind schon gerne hierhergekommen, als wir klein waren.“

Chiaki nickte zur Bestätigung, als Miyako kurz zwischen Maron und ihm hin und hersah.

„Mein Vater war auch am Design und Bau des Freizeitparks beteiligt gewesen.“, erklärte Maron weiter und schlug anschließend vor: „Wie wär’s wenn wir alle zusammen durch den Park laufen?“ Daraufhin Hijiri warf seiner Freundin einen eher weniger zustimmenden Blick zu, den sie nicht bemerkte.

„Ehmm.“, zögerte Miyako, machte ein unschlüssiges Gesicht und blickte Chiaki fragend an. Er wusste selbst nicht was er antworten sollte, machte wortlos deutlich dass er ihr lieber die Entscheidung überließ.

„Wir wollen euch nicht bei eurem Date stören.“, winkte Hijiri lächelnd ab.

„Nein, nein.“, wendete Miyako schnell ein. „Ist- Ist schon okay!“

„Bist du dir sicher?“, fragte Chiaki nach.

„Klar!“ Miyako nickte, zuckte mit den Schultern und lächelte in die Runde. „Wird garantiert lustig.“

Damit liefen die vier schließlich los.

 

Unterdessen spähten zwei Gestalten hinter einem Baum hervor:

„Alter…Ein Doppeldate?!“, platzte es aus Shinji heraus und richtete sich seine Baseballkappe auf dem Kopf.

„Sieht wohl so aus.“, sagte Natsuki mit großen Augen. Beide hatten sich schnellstmöglich versteckt, als sie die beiden Paare erblickten.

„Wie wär’s? Schließen wir uns ihnen an?“, fragte Shinji.

„Bist du verrückt?!“ Natsuki sah Shinji entsetzt an. „Wir machen daraus jetzt kein Dreifachdate!!“

„Bestimmt werden wir ihnen aber noch über den Weg laufen und dann fragen sie uns garantiert, ob wir uns ihnen anschließen wollen…“

„Nicht wenn wir uns strikt im Hintergrund halten.“

Shinji sah seine Freundin mit hochgezogener Augenbraue an. „In anderen Worten, du willst ihnen auf Schritt und Tritt folgen.“ Seine Mundwinkel zogen sich belustigt nach oben. „Verstehe ich das richtig?“

„Natürlich! Ist doch offensichtlich.“, brachte Natsuki augenrollend entgegen und schlug ihm verspielt auf den Kopf. „Dass sich hinter diesem gutaussehenden Gesicht auch ein Gehirn befindet, glaubt man manchmal nicht.“, neckte sie ihn.

„Du weißt, dass ich ab dem Wort ‚gutaussehend‘ schon nicht mehr zugehört habe, Süße.“, sagte er verliebt grinsend und drückte ihr einen dicken Schmatzer auf die Wange.

Wieder verdrehte sie ihre Augen, lächelte jedoch mit geröteten Wangen in sich hinein.

Darauffolgend zog Shinji sich seine Kappe etwas tiefer ins Gesicht, während Natsuki -trotz des sonnenarmen Wetters- ihre dunkle Sonnenbrille aus der Handtasche holte und die sich aufsetzte.

Im Anschluss folgten sie den zwei Paaren unauffällig.
 

***

Zuerst standen einige Fahrten mit der Achterbahn, dem Kettenkarussell und anderen Attraktionen an.

„Du hast mir nie gesagt, dass du so ein großer Achterbahn-Fan bist.“, sagte Hijiri nach der ersten Fahrt an Maron gerichtet, fasste sich leicht benommen die Stirn. Sein Gesicht hatte ein wenig an Farbe verloren.

Chiaki musste innerlich schmunzeln. Es amüsierte ihn etwas, dass Hijiri anscheinend keine Achterbahnen und sonstige schwindelerregende Fahrten vertrug.

„Klar, hab ich das!“, entgegnete Maron, gab ihrem Freund einen verspielten Klaps auf den Oberarm. „Überhaupt gehört der Freizeitpark zu einer meiner absoluten Lieblingsorte auf der Welt.“, fügte sie breit grinsend hinzu und hakte sich bei ihm ein.

Bei den Worten machte Miyako, die neben Chiaki her lief, ein stutziges Gesicht und warf Maron einen skeptischen Seitenblick zu. Hatte Chiaki nicht vor ein paar Minuten dasselbe gesagt? Ein unwohles Gefühl überkam sie für einen Moment, welches sie sofort wieder beiseiteschob.

Nach zwei spaßigen Stunden stand die Gruppe um einen runden Stehtisch, stärkten sich mit Kleinigkeiten wie Pommes, Kartoffelspalten und Chicken Wings.

Während sie aßen und sich unterhielten, blieb Chiaki etwas Ketchup am rechten Mundwinkel kleben. Bevor Miyako ihn darauf hinweisen wollte, tippte Maron ihrem besten Freund schon auf die Schulter, sodass er sich zu der Braunhaarigen umdrehte. Lachend wischte sie ihm mit dem Finger den Ketchup weg.

Miyako presste sich ihre Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. Auch Hijiri bekam einen ernsten Blick in den Augen. Maron bekam von dem nichts mit und machte sie sich mit einer Serviette den Finger sauber. Chiaki tat so als wäre nichts gewesen, setzte unbekümmert die Unterhaltung wieder fort.

Sein laut klopfendes Herz ignorierte er ebenfalls.

 

„Spürst du auch diese unangenehme Atmosphäre?“, fragte Natsuki ihren Freund. Sie standen einige Meter entfernt an einem Getränkestand und schlürften jeweils an einer Cola. Beide waren der Gruppe zu fast jeder Attraktion gefolgt.

„Ja…Mehr als unangenehm. Ich würde trotzdem gern wissen, über was die reden. Aus der Entfernung hört man leider nichts.“, sagte Shinji und kratzte sich unter der Mütze den Kopf. „Mir würde es auf jeden Fall gar nicht gefallen, wenn du die Lippen eines anderen Kerls anfasst.“

„Bei dir dürfte sich auch keine andere Frau weniger als drei Meter nähern.“

„Für mich gibt’s nur dich, Natsuki-Schatz.“

„Ich liebe dich auch, Doofkopf.“

„Gut, dass wir das auch geklärt haben.“

„Japp.“

Beide tauschten sich einen verspielten Kuss aus.

„Oh, sie steuern jetzt auf das Geisterhaus zu.“, merkte Natsuki an, als die Gruppe sich wieder in Bewegung setzte. Shinji verzog merklich das Gesicht, was ihr nicht entging. „Was? Hast du Angst?“

„Waaas?! Angst? Ich doch nicht!“, entgegnete er schnell, streckte mannhaft die Brust raus.

Seine Freundin konnte sich ein schmunzeln schwer verkneifen. „Es ist okay, wenn du Angst hast.“, zuckte Natsuki mit der Schulter und sah ihn mit Verständnis in den Augen an.

„Herrgott nochmal, ich hab keine Angst!“, beharrte Shinji, nahm ihre Hand und zog sie stampfend Richtung Geisterhaus. „Wir folgen ihnen da rein und wenn du Angst vor den Geistern bekommst, dann werde ich dich vor ihnen beschützen! Ich beweis es dir!“

„Ja, ja, wie du meinst.“, grinste sie ihn an.
 

***

Das Geisterhaus war eines der neusten Attraktionen des Freizeitparks und besonders bei jungen Leuten sehr beliebt, die ihren Mut und Angstpegel unter Beweis stellen wollten. Das Haus wies die Größe eines zweistöckigen Krankenhauses auf und wurde als Labyrinth aufgebracht.

Ein riesiges Gittertor aus Stahl, an dem sich ein Ticketschalter für die Attraktion befand, trennte das Haus vom restlichen Park.

Von außen sah das Gebäude aus, wie als wurde es seit Jahrzehnten stillgelegt. Zerbrochene Fenster, Blutspuren an den Wänden sowie aufgespießte Köpfe am Gittertor, brachten die ideale Atmosphäre mit sich und jagten dem einen oder anderen schon von draußen einen Schauer über den Rücken.

Neben dem Ticketschalter waren diverse Schilder in verschiedenen Sprachen angebracht, die die Regeln und Vorsichtsmaßnahmen des Geisterhauses festhielten.

Demnach bestand die Durchschnittszeit aus dem gruseligen Labyrinth raus zu finden etwa 30 bis 40 Minuten. Der Weg zum Ausgang wäre zwar aufgezeigt, doch Zombies und andere Gruseleffekte können die Flucht nach draußen verzögern. Für diejenigen mit schwachen Nerven wurden Fluchtausgänge ausgeschildert. Das Anfassen, Fotografieren und Filmen von Requisiten und den Darstellern war untersagt. Handys sollten ausgeschaltet weggepackt werden. Aus Sicherheitsgründen dürfte man das Haus nicht alleine betreten, um Unfälle oder plötzliches Verschwinden zu vermeiden. Demzufolge wären nur kleine Gruppen von mindestens zwei bis maximal vier Leuten zugelassen.

 

„Habt ihr Angst?“, fragte Hijiri in den Runde, nachdem alle die Schilder gelesen hatten.

„Nein.“, sagten die Mädels gleichzeitig.

„Bist du dir sicher, Ma-…“, wollte Hijiri fragen, als seine Freundin ihn schon unterbrach: „Ich habe keine Angst! Wir gehen schließlich alle zusammen rein, oder?“

„Klar, wieso nicht.“, sagte Miyako achselzuckend. „Wird bestimmt abenteuerlich. Und wenn wir Mädels vielleicht doch Angst bekommen, dann seid ihr starken Männer ja da.“ Augenzwinkernd nahm sie Chiaki’s Arm.

„Ja, Chiaki hat bei sowas sowieso Nerven aus Stahl.“, kommentierte Maron. „War schon als Kind immer so…“

„Weil das alles ja auch nur gespielt ist. Außerdem - da das eine Klinik darstellen soll, kenne ich mich ja schon mit dem was uns erwarten könnte aus.“, grinste Chiaki.

„Dann sind wir uns ja alle einig.“, kam Hijiri wieder zu Wort und lief zum Schalter, um vier Tickets zu holen.

Als Vierergruppe gingen sie schließlich rein und wurden von einer blutverschmierten, kalkweiß geschminkten Krankenschwester am Gebäudeeingang empfangen. Diese führte sie wortlos in ein dunkles Zimmer, welches ein paar quer durch den Raum verteilte Stühle und eine Leinwand aufwies. In der Ferne hörte man unheimliches Stöhnen und Krächzen. Die Krankenschwester stellte sich neben der Leinwand hin und bat ihre Gäste mit einer stummen Handbewegung sich hinzusetzen. Sie taten wie ihnen geheißen.

Es wurde ein Schwarzweißfilm abgespielt, welches die Hintergrundgeschichte des Geisterhauses erzählte.

So wurde die Klinik wegen grausamen Experimenten und Menschenversuche geschlossen, die einige Ärzte an ihren Patienten, Krankenschwestern und Kollegen durchgeführt haben. Man sagte ihnen nach, mit den Organen der Menschen gehandelt und die Körper im Krankenhausgelände entsorgt zu haben, weshalb die Geister der Opfer Rache nahmen und die Ärzte töteten. Nun besagt die Legende, dass die Geister noch immer im Krankenhaus herumschwirrten und jeden verjagten, der ihre Ruhe störte.

 

Kaum war der Kurzfilm zu Ende, war es für einige Sekunden ruhig. Chiaki tauschte mit den anderen fragende Blicke aus. Keine wusste, ob sie aufstehen durften oder ob sie noch was erwartete. Die Krankenschwester rührte sich nicht.

Im nächsten Augenblick erlosch alles an Licht.

Genauso plötzlich schrie Maron erschrocken auf.

„Was zum Teufel?!“, hörte er Hijiri fluchen.

„Was soll das?!“, kam es von Miyako.

„Woah-…!“ Auf einmal spürte Chiaki Hände, die ihn am Arm packten, vom Stuhl hochgezogen und durch die Dunkelheit gezerrt. Im nächsten Moment fielen mehrere Türen laut zu und das Licht einer kleinen Taschenlampe begann aufzuflackern.

Leicht geblendet sah Chiaki sich um und war mehr als überrascht Maron neben sich zu sehen.

„Maron??“

Sie sah genauso überrascht sowie verwirrt zu ihm auf. „Chiaki…“

Der Blauhaarige sah sich um. Sie befanden sich in einem dunklen Korridor und sowohl Hijiri als auch Miyako waren nirgends zu sehen. Womöglich wurden sie in einen anderen Bereich des Gebäudes gezerrt. Seufzend fuhr er sich durch die Haare.

Ihr wollt mich doch verarschen…, ging es ihm durch den Kopf. Das er mit Maron alleine war verunsicherte ihn mehr, als die Tatsache dass die Hälfte ihrer Gruppe verschwunden war. Innerlich fragte Chiaki sich, ob Gott und das Universum das mit Absicht machte.

Dann erblickte er die neue Geisterkrankenschwester, die mit Klemmbrett vor ihnen stand und die kleine Taschenlampe unter das Gesicht hielt. Ohne jegliche Anweisungen, drückte sie ihm die Taschenlampe in die Hand und verschwand schließlich hinter einer Tür.

„Sieht wohl so aus, als sind wir ab jetzt auf uns allein gestellt.“, sagte Maron trocken und strich sich mit beiden Händen die Haare aus dem Gesicht. „Gott… Die Aktion eben, hat mich schon total aus der Fassung gebracht.“

„Wenn du willst, können wir einer der Fluchtausgänge nehmen.“, schlug Chiaki vor und durchleuchtete kurz den Gang.

„Nein, nein, nein. Ich will es bis zum Ende durchziehen!“, warf sie schnell ein.

„...Bist du dir sicher?“, fragte er vorsichtig. Er wusste, dass seine beste Freundin nicht der Fan von solchen Horrorerlebnissen war und dass sie nur mitmachte, um sich nicht von der Gruppe auszuschließen. Miyako hingegen war anders. Chiaki war sich nicht mal sicher, ob seine lilahaarige Freundin sich vor irgendwas fürchtete.

Er sah wie Maron sich zögernd auf die Unterlippe biss und die braunen Augen in alle Richtungen wandern ließ. Dann nickte sie bekräftigend, setzte ein Lächeln auf und sah mutig zu ihm hoch.

Ihr Gegenüber nickte verstehend. „Okay.“

Somit begaben sie sich auf der Suche nach dem Ausgang.
 

Die Taschenlampe bot nur wenig Licht in der Finsternis an, was den Gruseleffekt um einiges erhöhte. Zerfetzte Betten, zerstörte Tische und Stühle standen rum. Die Tapeten an den Wänden waren zerrissen und Bilder hingen überall schief. Ebenso standen alle Türen halboffen, die man betreten konnte, um die Zimmer zu erkunden. Auf dem Boden und an den Wänden waren Blutspuren verteilt. Ebenso waren aufgemalte Pfeile zu sehen, die im Dunkeln leuchteten und den richtigen Weg leiteten.

Die meiste Zeit war es totenstill im Gebäude. Nur alle paar Minuten knarrte eine Tür oder etwas fiel lautstark zu Boden. Bei jedem Laut und Geräusch merkte Chiaki, wie Maron neben ihn erschrocken zusammenzuckte.

„Es ist so dunkel hier…“, sagte sie mit einem leichten Zittern in der Stimme. „Und ich frag mich, wo Miyako und Hijiri wohl sind...“

„Vielleicht begegnen wir sie noch auf dem Weg.“, entgegnete er und fügte scherzhaft hinzu: „Oder wir sehen beide erst draußen lebend wieder.“

„Vorausgesetzt wir überleben das hier auch unbeschadet.“ Maron lachte ihre Nervosität leise weg.

Chiaki kicherte ebenfalls in sich hinein.

Auch wenn er keine Angst verspürte, so merkte er doch eine gewisse Anspannung, die sich in seinem Körper ausbreitete. Er bezweifelte, dass es am Geisterkrankenhaus lag.

Beide bogen in ein Zimmer rein, welches wie ein Operationssaal aussah. Auf dem Operationstisch lag eine leichenähnliche Puppe, die im Bauchbereich aufgeschnitten war und jegliche Eingeweide herausquellten. Am anderen Ende des Raumes war eine Tür in der es weiterging.

Gerade als sie auf die zusteuern wollten, tauchte aus einem Schrank ein Zombie in Arztkittel mit schrecklichem Gebrüll auf.

Leicht überrascht wich Chiaki etwas zurück, während Maron aufkreischte und sich in seine Arme warf. Zitternd klammerte sie sich an ihn.

Chiaki spürte, wie sein Herz wieder lauter und schneller schlug.

Verdammt…, dachte er sich, merkte wie sein Gesicht errötete. Er war froh, dass es dunkel genug war, damit Maron es nicht sehen konnte. Vorsichtig legte er eine Hand auf ihre Schulter.

Unterdessen hatte der Zombie den Operationssaal verlassen.

„Er ist jetzt weg, Maron.“, sagte Chiaki sanft.

Die Angesprochene blinzelte einige Male bis sich schnell von ihm löste. „Oh! E-Ehm Sorry!“

„Kein Problem.“

Komplett aufgelöst stand Maron vor ihm und sah beschämt zur Seite. Wenn er sich nicht irrte, sah er kleine Tränen in ihren Augen.

„I-Ich wollte nicht so schreckhaft sein…“, sagte sie, strich sich mit der Hand über die Augen.

„Ist doch nicht schlimm.“ Er lächelte sie sanft an und bot ihr ohne Nachzudenken seine Hand an. „Damit du mir nicht noch wegrennst oder dich noch verletzt.“, sagte Chiaki augenzwinkernd. „Außerdem bräuchtest du keine Angst haben. Schließlich bin ich bei dir.“, fügte er hinzu.

Dies brachte Maron zum Lächeln und sie nahm seine Hand nickend an. „Danke, Chiaki…“

Kaum berührten sich ihre Hände, durchfuhr ihn ein kribbelndes, elektrisierendes Gefühl auf der Haut. Sein Herz machte noch mehr Sprünge.

Wann hatte er das letzte Mal ihre Hand gehalten? Womöglich in der Grundschule. War ihre Hand schon immer so klein und zierlich gewesen? Sie fühlte sich warm an.

„Also,…weiter geht’s!“, sagte Maron und nickte Richtung Tür. Ihre Stimme riss Chiaki aus seinen Gedanken.

„Ehm, Ja…Pass auf, wo du hinläufst, okay?“

Somit gingen sie weiter.

 

Chiaki lief voraus und scannte mit seinen Augen jeden Korridor, jede Treppe und jeden Raum vorsichtig ab, den sie passierten, um Maron vor eventuellen Überraschungsangriffen zu warnen. Mit mäßigem Erfolg.

Manchmal standen oder saßen die Zombies und Geister nur rum, starrten ihre Gäste mit unheimlichen Blicken an. Die brachten Maron mehr Angst ein, als die die aus dem Nichts irgendwo auftauchten. Ab und an fielen sogar Körperteile von der Decke.

Bei jedem Schreckmoment schrie Maron zwar immer noch auf und erdrückte dabei fast Chiaki’s Hand, fasste sich jedoch schnell wieder.

Chiaki merkte, dass sie deutlich an Nervosität abgenommen hatte, seitdem sie seine Hand hielt. Er seufzte innerlich.

Ab einem bestimmten Punkt wurde Chiaki von einem Geist stumm angewiesen ihm die  Taschenlampe zu geben, womit sie gezwungen waren im Dunkeln nach den Ausgang weiter zu suchen. Chiaki spürte, wie Maron seine Hand etwas fester drückte und sie näher an ihn herantrat.

„Und da schwindet unsere Hoffnung es hier lebend raus zu schaffen.“, sagte sie.

„Die letzte Hälfte kriegen wir auch ohne Taschenlampe hin.“, versuchte er sie zu ermutigen.

Vorsichtig liefen beide weiter. Ihre einzigen Orientierungspunkte waren die leuchtenden Pfeile.

Gelegentlich flackerte für Millisekunden ein Deckenlicht auf.

Nach einigen Minuten in der Dunkelheit standen sie vor einem endlos langen Korridor, welches mit dunkelrotem Licht erleuchtet war.

„Die hecken hier bestimmt irgendwas aus…“, merkt Maron an und zog skeptisch die Augenbrauen zusammen.

Kaum hatte sie den Satz zu Ende gesprochen, ertönte plötzlich ein PENG und drei Zombies brach hinter ihnen durch präparierte Wände durch, rannten auf sie zu.

„LAUF!“ Instinktiv rannte Chiaki los, zog Maron mit sich. Am Ende des Korridors liefen sie durch eine mit Vorhängen bedeckte Tür. Als sie merkten, dass keiner der Zombies sie durch die Tür folgte, wiegten sie sich kurz in Sicherheit.

Maron fing an herzlich zu lachen.

„Das war eigentlich richtig cool!“

„Ja!“, schloss sich Chiaki ihrem Lachen an. „Sollten Zombies irgendwann die Welt beherrschen, dann wissen wir, dass die uns nicht in ihre Hände bekommen!“

„Genau!“

Nachdem sich für eine halbe Stunde lang Adrenalin angesammelt hatte, war der Sprint in der Tat eine gewonnene Abwechslung. Womöglich war das auch geplant.

„Hey, ich glaube da ist der Ausgang!“, vernahm Chiaki Maron’s erleichterte Stimme neben sich und sah auf. Der hell erleuchtete Ausgang war nur wenige Schritte von ihnen entfernt und man konnte schon die Freizeitparkmusik hören.

Im nächsten Moment ließ Maron seine Hand los und lief Richtung Tür. Mit einem Schlag waren die Wärme ihrer Hand sowie das kribbelnde Gefühl verschwunden, zu seiner Enttäuschung. Seufzend folgte er ihr nach draußen.

„Hijiri und Miyako sind anscheinend noch nicht da.“, stellte Maron fest, nachdem sie sich umschaute.

„Wir können hier auf sie warten.“, schlug Chiaki vor und deutete auf eine Bank unter einem Baum, gegenüber vom Ausgang.

„Gute Idee! Dann können wir sie direkt sehen, wenn sie rauskommen.“

Mit den Worten nahmen sie nebeneinander Platz und warteten. Die Sonne ging allmählich unter.
 

***

„Eigentlich sollten sie jeden Augenblick rauskommen.“, sagte Chiaki, nachdem er einen Blick auf seine Armbanduhr warf und wieder zur Tür schaute. „So wie ich Miyako kenne, sollte das Haus für sie kein Problem darstellen. Sie kann sich Horrorfilme angucken, wie andere Frauen Liebeskomödien.“

„Hmm.“ Maron stützte ihren linken Ellenbogen auf die Knie ab, Kinn auf die Hand platziert. „Hijiri ist da genauso. Er versucht mir immer irgendwelche Horrorfilme anzudrehen, die angeblich ‚nicht so schlimm seien‘.“, sagte sie, imitierte mit Zeige- und Mittelfinger ihrer freien Hand ein paar Anführungszeichen.

„Im Grunde genommen, bist du von uns die Einzige, die nicht für solche Filme geschaffen ist.“, schmunzelte Chiaki. Sie rollte gleichgültig mit den Augen.

„…Bei dir und Miyako läuft alles gut?“, erkundigte Maron sich bei ihren Sitznachbarn.

„Alles super.“

„Freut mich zu hören. Miyako ist wirklich ziemlich cool. Super schlau und super hübsch und …Nun, wir verstehen uns auf der Arbeit eigentlich auch ziemlich gut, wenn wir uns in den Pausen über den Weg laufen.“

„Da bin ich froh.“, lächelte er. „Wie ist es bei dir und Hijiri?“

„Genauso super. Wie am ersten Tag.“ Mit geröteten Wangen lachte sie etwas auf. „Wir reden in letzter Zeit oft davon zusammenzuziehen…“

Chiaki’s Augenbrauen schossen in die Höhe und er sah sie an. „Echt?“

„Eher scherzen wir darüber, weil ich die meiste Zeit bei ihm übernachte…“, korrigierte sie sich und lachte verlegen. „Heute zum Beispiel auch.“

„Aha.“ Chiaki lehnte sich etwas zurück und starrte nach vorne zur Tür. Die Beine ausgestreckt und beide Hände in den Jackentaschen vergraben. „Wäre auf jeden Fall ein großer Schritt für eure Beziehung.“

Maron nickte. „Mal gucken. Der Gedanke wäre auf jeden Fall nicht ausgeschlossen.“

„Wenn das so ist, dann muss er dir wirklich viel bedeuten.“

„Ja… Er bedeutet mir wirklich viel.“

„Hm… Hijiri kann sich mehr glücklich schätzen….“, murmelte Chiaki leise.

Seine beste Freundin warf ihm einen lächelnden Seitenblick zu.

Für einen Moment herrschte Stille zwischen ihnen, bis Maron sie durchbrach: „…Irgendwie hab ich das vermisst.“

„Was?“, fragte Chiaki und drehte sich verwundert zu seiner Linken.

„Das hier.“, antwortete sie, gestikulierte mit dem rechten Zeigefinger zwischen ihnen hin und her. „Du und ich. Unsere beste Freunde-Zeit. Das ist das erste Mal seit Monaten, in der wir länger als fünf Minuten unter uns sind.“ Ein nostalgisches Lächeln bildete sich auf ihrem hübschen Gesicht.

Chiaki biss sich seufzend auf die Unterlippe, sah wieder nach vorne zur Tür. „Wir sind beide ziemlich beschäftigt geworden mit unserem Leben.“

„Ja, scheint so…“, stimmte ihm Maron zu. „Ob wir uns irgendwann noch komplett aus den Augen verlieren…?“

Für einige Sekunden sagte niemand mehr was, bis Chiaki sich leicht zu ihr nach vorne beugte und Maron auf die Stirn schnipste.

„AU! W-Was soll das?!“, murrte sie, richtete sich gerade und hielt sich schmerzlich die Stirn.

„Dafür das du mal wieder komisches, melodramatisches Zeug laberst.“, antwortete Chiaki ihr.

Genervt stöhnte Maron auf.

„Gottverdammt… Wenn ich wegen dir Migräne bekomme!“, entgegnete sie und pikste Chiaki einige Male zwischen die Rippen.

„Hey, hey, hey! Das kitzelt!“ Er wich von ihr zurück, hielt beide Hände schützend vor sich.

Maron grinste fies und dachte nicht daran aufzuhören. „Stell dich nicht so an!“ Sie wusste ganz genau, an welchen Stellen ihr bester Freund kitzlig war.

Chiaki versuchte nun auf Armlänge Abstand von ihr zu halten, soweit die Bank es zuließ. „Komm mir ja nicht zu nah!“

Wie kleine Kinder neckten und ärgerten sich beide, fühlten sich wie in alte Zeiten zurückversetzt.

 

Ohne dass die beiden besten Freunde es zunächst mitbekamen, trat Miyako nach draußen, gefolgt von einem schlecht gelaunten Hijiri. Es war für beide ein großer Schock gewesen anstatt ihre Partner, einander zu erblicken nachdem sie aus dem Filmraum gezerrt wurden.

Widerwillig suchten sie zusammen nach dem Ausgang, ohne groß miteinander zu reden.

Den gesamten Rückweg über, war Miyako in Gedanken bei Chiaki und Maron. Sie wusste, dass die beide nur Freunde waren und dass sie Chiaki vertrauen konnte, trotzdem wuchs ihre innere Unruhe mit jeder Minute.

Als Miyako Chiaki mit Maron draußen schließlich erblickte, blieb sie für einen Moment wie vom Blitz erschlagen stehen. Wage bekam sie mit, wie Hijiri hinter ihr ebenfalls stehen blieb.

Mit einem teils ernsten, teils traurigen Blick in ihren Augen beobachtete Miyako die beiden, wie sie einander piesackten und lachten. Sie schluckte schwer. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten.

Zu sehen, wie vertraut und unbeschwert die beiden miteinander umgingen, versetzte ihr einen gewaltigen Stich ins Herz. Konnte wirklich alles nur Freundschaft sein?

Tiefdurchatmend ließ Miyako ihre angespannten Schultern sinken und lockerte ihre Hände. Sie zwang sich zu einem Lächeln und räusperte sich laut.

„Da seid ihr ja!“, rief sie ihnen mit überspielter Heiterkeit zu.

Überrascht schauten Maron und Chiaki auf und standen von der Bank auf.

„Hey!“, sagte Maron zu Hijiri und wollte ihm einen Kuss geben, als dieser zu ihrer Überraschung sich leicht weg drehte.

„Hey.“, kam es von ihm kühl zurück, das Gesicht ausdruckslos, die Hände in den Hosentaschen vergraben. Maron blinzelte ihren Freund verwundert an.

„Das ist echt unglaublich! Ich dachte, wir gehen als Gruppe rein und wieder raus! Dass man uns trennt, wurde draußen nirgends aufgelistet!“, beschwerte Miyako sich zur selben Zeit bei Chiaki, fasste sich theatralisch die Stirn, während er nur nickte.

„Hat es euch wenigstens Spaß gemacht?“, erkundigte Chiaki sich bei ihr, nahm ihre Hand sachte in seine und verschränkte ihre Finger miteinander. Warm, aber kein Kribbeln.

Chiaki sah kurz zu ihren Händen herab und wieder zu Miyako, setzte ein sanftes Lächeln auf.

„Am Anfang war es ganz lustig, aber irgendwann wurde es langweilig.“, zuckte sie auf seine Frage gelassen mit den Schultern.

„Sagt die, die sich ab der Hälfte im Dunkeln die Seele aus dem Hals schrie.“, kommentierte Hijiri, strich sich wie beiläufig durch die kurzen Haare.

„Tu nicht so cool.“, konterte Miyako augenrollend, stemmte ihre freie Hand in die Hüfte. „Du warst derjenige, der jedes Mal vor einem dämlichen Zombie zurückschreckte und im Anschluss schnell die Flucht ergriff.“

Chiaki und Maron sahen deren Argumentation verdutzt zu und grinsten belustigt in sich hinein.

 

Gerade als die vier sich in Bewegung setzen wollten, vernahmen alle auf einmal männliche Schreie aus dem Geisterhaus, die bis nach draußen drangen.

Die Stimme kam Chiaki komischerweise vertraut vor.

Zur Überraschung aller kam plötzlich Shinji aus der Tür rausgerannt, das Gesicht blass vor Angst, die Haare in allen Richtungen zerzaust. Hinter ihm kam Natsuki seelenruhig hergelaufen. Chiaki, Maron, Miyako und Hijiri starrten die Neuankömmlinge mit irritierten Gesichtsausdrücken an.

Völlig außer Atem blieb Shinji vor der Gruppe stehen, setzte sich kurz in die Hocke, das Gesicht in den Händen vergraben und brabbelte einige Flüche und Stoßgebete in einem von sich.

„Eh… Shinji, geht's dir gut?“, fragte Chiaki seinen besten Freund besorgt. Dieser realisierte erste die Anwesenheit der vier Personen vor sich und setzte sich schnell auf.

„Oh, H-H-Hi!“, brachte Shinji nervös entgegen, nachdem er seinen Puls mehr oder weniger auf Normalzustand gebracht hatte. „So ein Zufall! Wusste gar nicht, dass ihr alle auch da drin wart…Oder dass ihr überhaupt hier im Freizeitpark seid.“ Mit einem verlegenen Lachen kratzte er sich den Hinterkopf.

Chiaki neigte stutzig den Kopf zur Seite. Aus unerfindlichen Gründen, konnte er seinem Freund nicht glauben, dass dieses Aufeinandertreffen nur Zufall war. Die anderen drei schauten ebenso verwirrt rein.

Dann musterte Chiaki Shinji etwas genau.

„Hast du geheult??“, fragte er ihn ungläubig und amüsiert zugleich.

„Habe ich nicht!!“, verneinte Shinji sofort. „Ich hatte nicht geheult! Ich hatte auch keine Angst!!“

Doch, hat er!!“, warf Natsuki ein, setzte ihrem dunkelhaarigen Freund seine Kappe auf, die er auf dem Weg nach draußen verloren hatte. Für sie war das Geisterhaus wie ein Spaziergang durch den Stadtpark.

„Er hat geheult, geschrien und nach seiner Mama gerufen, wie kein anderer. Ich konnte mich manchmal keinen Meter bewegen, so sehr hatte er sich an mich geklammert. Andererseits hatte er sich an manchen Stellen so schnell aus dem Staub gemacht, da konnte ich kaum mithalten.“, erzählte Natsuki kichernd weiter.

Daraufhin mussten alle bis auf Shinji lachen. Erschöpft senkte er den Kopf und hielt sich beschämt die Hand vor die Augen. Das war’s mit seiner Männlichkeit.

 

Den restlichen Abend verbrachten die drei Paare schließlich zu sechs im Park.

 

 

 

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NOTE: das Geisterhaus ist inspiriert vom Geisterhaus aus dem Fuji-Q Freizeitpark in Japan :‘D

Chapter 10: To Be Honest

Chapter 10: To Be Honest

 

„Was ist los mit dir?“, fragte Maron ihren Freund, der soeben seinen Kaffee fertig trank. Sie räumte unterdessen das Frühstücksgeschirr weg.

„Was soll los sein?“, fragte Hijiri neutral zurück und blickte sie mit hochgezogener Augenbraue an.

Maron rollte schnaubend mit den Augen.

„Seit dem wir gestern den Freizeitpark verlassen haben, hast du nicht einen Mucks von dir gegeben und gibt’s mir die kalte Schulter.“ Sie ging auf Hijiri zu und setzte sich vor ihm an der Tischkante hin. „Habe ich irgendwas getan?“, fragte sie, die braunen Augen mit Sorge gezeichnet.

Hijiri nahm kurz Luft und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.

„Mir gefiel es nicht, dich zusammen mit Chiaki zu sehen.“, offenbarte er und sah sie mit einem ersten Blick an.

Maron seufzte. Darum geht es ihm also…, dachte sie sich.

„Hijiri…“, setzte sie an, „Wir hatten das doch schon mal geklärt. Chiaki ist mein bester Freund und er ist wie-…“

„Wie Familie. Ich weiß.“, wendete Hijiri seufzend. „Und ich weiß, ihr kennt euch um weiteres länger als wir beide uns kennen.“

„Dann müsstest du auch wissen, dass Chiaki immer ein wichtiger Teil meines Lebens sein wird.“

„Ich weiß. Ich versteh das auch.“, entgegnete er, stand auf und verließ die Küche, um seine Jacke von der Garderobe zu holen. Maron folgte ihm.

„Allerdings bist du meine Freundin, Maron.“, sprach Hijiri weiter, „Und hoffentlich… eines Tages auch mehr. Unter den Umständen sollte ich nicht derjenige sein, der sich wie ein fünftes Rad am Wagen fühlen muss.“

Daraufhin machte Maron große Augen. „D-Das tut mir wirklich leid…! Ich wollte nicht, dass du dich wegen uns schlecht fühlst. Entschuldige.“ Sie legte ihm zärtlich eine Hand auf die Wange. Hijiri atmete hörbar aus und nickte einmal.

„Entschuldigung angenommen.“ Er schenkte ihr ein kleines Lächeln.  

Maron lächelte ebenfalls, ließ erleichtert die Hand sinken und nahm seine Hand in die ihre.

„Weißt du, ich habe auch nicht gegen Chiaki. Er ist ein guter Kerl…“, sagte Hijiri. „Bloß denke ich, dass Miyako und ich uns gestern in gewisser Weise fehl am Platz gefühlt haben. Womöglich wäre ihr es auch lieber gewesen mit Chiaki allein den Tag verbracht zu haben.“

Maron biss sich beschämt auf die Unterlippe und nickte.

„Mit ihr werde ich auch reden. Und mich entschuldigen.“

„Ja, tu das.“

„Dann ist alles wieder gut zwischen uns?“

„Ja, alles gut.“ Hijiri strich ihr liebevoll eine Haarsträhne hinters Ohr und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn.

„War das vorhin eigentlich ein Antrag?“, fragte Maron belustigt grinsend.

„Du wirst schon merken, wenn ich einen Antrag mache.“

Beiden entkam ein Kichern.

„Ich liebe dich.“, sagte Maron leise.

„Ich dich auch.“, entgegnete Hijiri zurück.

Das Paar gab sich einen liebevollen Kuss, bevor sie sich zur Arbeit begaben.

 

Chiaki saß im Büro seines Vaters und half ihm bei der Datenverarbeitung. Nachdem sie fertig waren, kam Kagura noch rein und besprach mit Kaiki diverse organisatorische Angelegenheiten des Krankenhauses.

Indessen sah Chiaki gedankenverloren aus dem Fenster und grübelte.

Immer wieder dachte er an den gestrigen Tag im Freizeitpark zurück. Besonders die gemeinsamen Momente mit Maron ließen ihn nicht los.

Er seufzte schwer. Ihm brummte langsam der Schädel.

„Kann ich dich was fragen?“, fragte Chiaki seinen Vater, der sich ihm gegenüber auf die zweite Couch hinsetzte, nachdem der Krankenhaussekretär aus dem Raum war.

Kaiki sah seinen Sohn kurz verwundert an und blickte wieder auf seine Unterlagen in der Hand. „Worum geht’s, Sohnemann?“, fragte er zurück.

„Nun ja…“ Chiaki sah verlegen weg. „Beziehungs- und Liebeskram…“, brachte er kleinlaut hervor. Kaiki machte ein überraschtes Gesicht und sah zu ihm auf. Noch nie hatte sein Sohn ihn nach Beziehungstipps gefragt!

„Brauchst du Rat bezüglich Miyako?“, fragte er ungläubig und schrieb sich nebenbei was auf.

Chiaki brauchte einen Moment, bis er reagierte.

Wer- Was? Eh, Nein…!“ Fluchend kniff er sich die Nase.   

Sein Vater sah von den Unterlagen wieder auf und blickte ihn irritiert an. Nun hatte Chiaki seine vollkommene Aufmerksamkeit.

„Es… geht um Maron.“

Kaiki zog fragend beiden Brauen hoch. „Okay…?“

Chiaki rieb sich stöhnend die Stirn. „Es ist…kompliziert.“

Zu seiner eigenen Verwirrung fing sein Vater auf einmal an zu lachen. Papiere und Stift hatte Kaiki beiseitegelegt.

„Lass mich das bitte kurz klarstellen: Du, der eigentlich eine feste Freundin hat, fragst mich - deinen Vater um Rat, weil du immer noch in die Tochter seines besten Freundes verliebt bist, die wiederum mit dessen Angestellten zusammen ist.“

Kaiki kriegte sich vor Lachen nicht mehr ein. Chiaki rollte genervt mit den Augen und seufzte auf. Er bereute es, diese Konversation angefangen zu haben.

„Sag Bescheid, wenn’s noch komplizierter wird.“, kicherte der Ältere.

„Manchmal haben Maron und ich solche Momente…und, naja, die fühlen sich komplett anders an, als wenn ich mit Miyako beispielsweise zusammen bin.“, versuchte Chiaki die Sachen zu erläutern, wusste mit seinem Vokabular jedoch nicht mehr weiter. „Keine Ahnung wie ich es Beschreiben soll…“

„Anders im Sinne von die Welt bleibt für einen Moment stehen, das Herz klopft dir bis zum Hals und alles andere ist wie vergessen?“

„…Ich red nicht mehr mit dir.“

Hab wohl ins Schwarze getroffen…, dachte sich Kaiki.

Frustriert fuhr Chiaki sich durch die Haare, stützte seinen Ellenbogen auf die Armlehne ab, das Kinn in die Hand gelegt und sah aus dem Fenster wieder raus. Kaiki lächelte ihn mit väterliche Fürsorge an.

„Weißt du, Sohn. Es ist mehr als klar, dass du deine Gefühle für Maron nicht abschalten kannst. Egal, wie oft du es die letzten Jahre schon versucht hattest.“, sagte er ruhig. Noch immer hatte Chiaki das Fenster im Blick, doch er hörte seinem Vater zu. „Du solltest ehrlich mit dir selbst sein. Mit Miyako auch. Schließlich ist es ihr gegenüber nicht fair, wenn dein Herz sich insgeheim nach einer anderen Frau sehnt.“

Kaiki sah, wie Chiaki ihm einen kurzen Seitenblick zuwarf und kaum merklich nickte. Zufrieden legte er die Beine übereinander und lehnte sich schmunzelnd zurück.

„Ich würde dir auch raten, Maron ebenfalls die Wahrheit zu sagen, aber das wäre für dich wahrscheinlich schon zu viel des Guten.“

„Ich geh jetzt.“ Chiaki stand auf und ging zur Tür.

„Warte!“, rief sein Vater mit ausgestreckter Hand aus. Mit hochgezogener Augenbraue drehte Chiaki sich zu ihm um. „Ich werde am Donnerstag auf Geschäftsreise ein, da werden wir uns leider nicht sehen und-…“

„Schon okay.“, stoppte der Jüngere ihn. „Ich bin an dem Tag sowieso mit Miyako verabredet.“

„Ach so. Verstehe.“

Peinlich berührt verzog Chiaki das Gesicht, die Wangen leicht rosa angelaufen. „Danke für den Rat übrigens.“, sagte er. Kaiki grinste erfreut.

„Wenn du wieder Liebestipps von deinem alten Herrn brauchst, gib Bescheid.“

Kopfschüttelnd lachte Chiaki in sich hinein. „Einmal und nie wieder.“

„Und noch etwas!“

„Was?“

„Ich bin stolz auf dich, mein Junge.“

„… Danke, Vater.“

Damit verließ Chiaki das Büro.

 

„Dann haben wir alle Einzelheiten für die nächste Ausgabe durch.“

„Alles klar, Frau Amamiya. Ich kümmere mich darum.“, grinste Maron ihre Abteilungsleiterin an. Die zierlich blonde Frau nickte zufrieden und widmete sich wieder ihrem Computerbildschirm.

Maron lief mit einer Mappe in der Hand zu ihrem Tisch zurück. Auf dem Weg dahin lief sie an die Getränke- und Snack-Ecke der Agentur vorbei und sah wie Miyako sich einen Kaffee machte.

„Hey Miyako.“, begrüßte Maron ihre Kollegin, stellte sich links von ihr hin und lächelte freundlich. Die Angesprochene sah kurz von der Kaffeekanne auf.

„Hey.“, kam es von Miyako knapp zurück und wandte ihren Blick von der Braunhaarigen wieder ab. Ungestört schenkte sie sich Kaffee in ihre Tasse ein und stellte die Kanne an die Maschine zurück.

Der kühle Unterton in der Stimme entging Maron nicht. Sofort dachte sie an ihr Gespräch mit Hijiri zurück.

„Gestern war doch ziemlich lustig, oder?“, fragte sie weiterhin freundlich lächeln.

„Mhm-Hm.“ Ohne Maron eines Blickes zu würdigen, drängte Miyako sich an ihr vorbei, ging den Tisch entlang und suchte nach Zucker und Kaffeesahne.

Ohje…sie scheint wohl ziemlich sauer zu sein…, ging es Maron durch den Kopf. Ein schlechtes Gewissen überkam sie.

„Ehm... Ich wollte mich bei dir entschuldigen!“, sagte sie.

„Entschuldigen…für…?“ Miyako hatte ihr weiterhin den Rücken zugewandt und war mit der Zubereitung ihres Kaffees beschäftigt.

Verunsichert strich Maron sich eine lange Strähne aus dem Gesicht. „Nun…Dafür dass ich dich und Chiaki bei eurem Date gestört habe. Dass ich -mehr oder weniger- indirekt euch zu diesem Doppeldate gedrängt habe.“

Daraufhin drehte Miyako sich zu ihr um, ihr Gesicht war eine ausdruckslose Miene.

„Das war auf jeden Fall sehr taktlos von mir und ich hätte das nicht machen sollen. Das tut mir leid.“, vollendete Maron schließlich.

Für einige Augenblicke schaute Miyako ihre hübsche Kollegin an und blickte nachdenklich wieder auf ihren Kaffee in der Hand herunter.

„Sag mal, Maron, was bedeutet dir Chiaki?“, fragte sie plötzlich.

„Er ist ein guter Freund.“, antwortete Maron ihr nach einen Moment der Verwirrung.

„Nur ein guter Freund?“

„Mein bester Freund. Er ist Familie.“

„Das war’s?“

„Ja!“

Seufzend fing Miyako an ihren Kaffee mit dem Löffel einige Male umzurühren. Maron konnte in keinerlei Weise einschätzen, was in ihrem Kopf vorging. Dies verunsicherte sie noch mehr.

„Falls du irgendwie sauer wegen mir und Chiaki sauer bist… Nun, dafür müsste ich mich auch entschuldigen.“, versuchte Maron auf Miyako einzureden, „Ich hatte heute Morgen mit Hijiri schon darüber geredet und… Es tut mir leid, falls du dich wie ein fünftes Rad am Wagen gefühlt hast. Ich verspreche dir, sowas wird nicht wieder vorkommen.“

Miyako nahm die Worte mit einem stummen Nicken zur Kenntnis, die Augen immer noch auf ihren Kaffee fixiert. Maron wusste nicht, ob sie ihr überhaupt zugehört hatte.

„Seit einigen Monaten verfolgt mich so ein komisches Gefühl…und als ich dich gestern mit Chiaki zusammen sah, dann wurde dieses Gefühl intensiver und lässt mich seitdem nicht mehr los.“, sagte Miyako plötzlich und sah mit einem ernsten Blick in den Augen wieder auf. „Und dich jetzt zu sehen, macht’s nicht besser.“

Maron blinzelte sie verwirrt an.

„Ich fang an zu verstehen, was diese Mayuri für ein Problem mit euch hatte.“, fügte Miyako mit tonloser Stimme hinzu, drehte sich abrupt weg und ging davon. Zurück blieb eine Maron, die ihr mehr als verdutzt nachblickte.

„Hmpf.“ Man kann mir nicht nachsagen, dass ich nicht mit ihr geredet habe…, stöhnte sie innerlich auf. Was sie mit ihrer letzten Bemerkung meinte…?, fragte sie sich, die Arme vor die Brust verschränkt.

„Naja. Was soll’s…“, murmelte sie leise zu sich selbst, zuckte mit den Schultern und hakte das Thema für sich ab.

Kopfschüttelnd ging Maron schließlich zu ihrem Platz zurück.
 

***
 

Erschöpft ließ sich Chiaki in seinen Bürosessel fallen. Die letztens zwei Tage hatte er ziemlich stressige 24-Stunden-Schichten hinter sich gehabt und ab heute Abend konnte er wieder sich zurücklehnen und durchatmen.

Bevor er sich nach Hause begeben wollte, schloss Chiaki kurz die Augen und ruhte sich für ein paar Minuten in seinem Büro aus. Im nächsten Moment hört er jedoch, wie sein Handy auf dem Schreibtisch vibrierte. Stöhnend nahm er es in die Hand.

Eine Nachricht von Miyako.

„Hey. Schon Feierabend? Kannst du in 15 Min. zum Stadtpark kommen?“

Chiaki zog stutzig eine Augenbraue hoch. Ein ungutes Gefühl überkam ihn.

Mit einem simplen „OK“ schrieb er seiner Freundin zurück, schnappte sich seine Sachen und machte sich auf dem Weg nach draußen.

 

„Hey! Tut mir leid, dass du warten musstest.“, entschuldigte Chiaki sich bei Miyako, als er auf sie zugelaufen kam.

Miyako sah schmunzelnd auf ihre Armbanduhr.

„20 Minuten zu spät. Ich glaube, du müsstest deinen Spitznamen ‚Mr. Pünktlich‘ ablegen.“, sagte sie und schenkte ihm ein schiefes Lächeln, welches jedoch nicht ihre Augen erreichte.

„Der Verkehr war die Hölle und überall waren rote Ampeln. Ich habe mich nach der Arbeit beeilt, als ich deine Nachricht sah.“ Chiaki steckte sich die Hände in die Jackentaschen und sah Miyako verwundert an. „Ich dachte, wir wollten uns morgen sehen?“

Bestimmt schüttelte sie den Kopf und nickte Richtung Stadtpark.

„Vertreten wir uns kurz die Beine.“, entgegnete sie und lächelte schwach.

„Okay.“, nickte Chiaki und folgte ihr ohne weiteren Fragen.

 

Schweigend lief das Paar mit ein wenig Abstand nebeneinander her. Die Stille zwischen ihnen war bedrückend. Unter einer Laterne blieb Miyako schließlich stehen und wandte sich Chiaki zu. Er blieb ebenfalls stehen, schaute sie an.

„Was ist los mit dir in letzter Zeit?“, durchbrach sie schließlich das Schweigen.

„Wovon redest du?“, fragte Chiaki zurück und schüttelte leugnend den Kopf, „N-Nichts ist los.“

Miyako lächelte ihn ungläubig an.

„Chiaki… Ich kenne dich nicht erst seit gestern.“, rollte sie mit den Augen. „Bis eben hattest du all meine Nachrichten unbeantwortet gelassen. Selbst in deinen stressigsten Tagen meldest du dich normalerweise immer zurück. Anrufe hattest du auch nicht abgenommen…“

Der Angesprochene seufzte und sah betreten zu Boden.

„Es ist wie, als würdest du mir aus dem Weg gehen.“, schlussfolgerte Miyako in einem ruhigen Ton. „Was wohl auch der Fall ist.“

Zögernd presste Chiaki die Lippen zusammen und blickte sie wieder an.

„Ich… weiß nicht, wie es dir sagen soll.“, setzte er an, „Ich mag dich, Miyako. Du bist eine tolle Frau und wir verstehen uns super-…“

„Beziehungen sollten aber mehr sein, als sich nur super zu verstehen.“, unterbrach Miyako ihn. „Du sagst, du magst mich, aber du liebst mich nicht… oder liege ich falsch?“ Bei der Frage sah sie Chiaki sowohl ernst als auch betrübt an.

Er machte den Mund auf und schloss ihn wortlos wieder, wandte den Blick beschämt von ihr ab. Sein Schweigen reichte Miyako als Antwort.

Niedergeschlagen nickte sie mit dem Kopf. „Schon gut. Ich verstehe schon.“

Chiaki fuhr sich mit einer Hand über den Nacken, nicht wissend was er ihr noch sagen konnte. „Ich empfinde viel für dich, Miyako-…“

„Nur leider nicht so viel wie für jemand anderes.“, warf sie ein und neigte mit einem wissenden Blick leicht den Kopf. „Maron.“ Ihre Mundwinkel zogen sich traurig nach oben.

Chiaki’s Schuldgefühle wuchsen. Er fühlte sich elend.

Miyako ging einen Schritt auf Chiaki zu und legte ihm sachte eine Hand auf die Schulter.

„…Bist du sauer auf mich?“, fragte er mit einem entschuldigenden Gesichtsausdruck. Sie schüttelte den Kopf.

„Niemand hat was falsch gemacht.“, sagte sie sanft. Trotzdem fühlte Chiaki sich mehr als schuldig.

„Es tut mir wirklich leid.“

Miyako nahm die Entschuldigung mit einem Nicken an und ließ ihre Hand von seiner Schulter sinken. Tränen schimmerten in ihren Augen, die sie geschickt wegblinzelte.

„Mir tut es auch leid…“, brachte sie entgegen und blickte zur Seite. „Ich habe mir wahrscheinlich den schlimmsten Zeitpunkt zum Schluss machen ausgesucht…“ Sie schniefte kurz. „Aber… ich konnte keinen Tag mehr länger weitermachen.“

„Nein, ist schon okay!“, winkte Chiaki sorglos ab, „Wirklich. Mir macht das nichts aus. Ich… Ich bin schließlich das Arsch, der dir Unrecht getan hat.“ Er zuckte mit der Schulter und schenkte ihr ein schiefes Grinsen. Miyako lachte daraufhin kurz auf.

„Okay. Da bin ich erleichtert.“, sagte sie und sah ihn für einen Moment ernst an. „Tu mir den Gefallen und sag es ihr. Sag ihr, wie du für sie empfindest. Sei ehrlich zu ihr und dich selbst. Je länger du es für dich behältst, desto mehr schadest du dir selbst… und anderen auch.“

Chiaki nahm die Worte nickend zur Kenntnis. Er wusste, dass sie Recht hatte mit dem was sie sagte. Und den Gefallen war er ihr nach all dem Herzschmerz, dass er ihr zugefügt hatte, definitiv schuldig. „Ich versprech es.“

„Danke…“ Miyako lächelte gequält.

„Können wir immer noch Freunde bleiben?“, fragte er sie.

Wieder musste Miyako lachen und nickte zustimmend. „Klar!“

Sie stellte sich auf Zehenspitzen und gab Chiaki einen Abschiedskuss auf die Wange. Eine kleine Träne entkam ihr, die sie sich schnell mit der Hand weg wischte.

Letztlich verabschiedeten beide sich voneinander und gingen getrennte Wege.

 

Auf dem Weg zu seinem Auto, zückte Chiaki sein Handy aus der Tasche und rief Maron an.

„Hey Chiaki!“, nahm sie ab.

„Hey…“, brachte Chiaki hervor und biss sich auf die Lippe.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte sie besorgt. „Ist zwischen dir und Miyako was vorgefallen?“

„Eh… Nun,… Es ist aus.“

„Oh… D-Das tut mir furchtbar leid.“, sagte Maron in einem mitfühlenden Ton und fügte erstaunt hinzu: „Und das ein Tag vor deinem Geburtstag?!“

„Nein, keine Sorge. Ist schon okay! Wir bleiben Freunde und-… Ja, alles wird super!“, wendete Chiaki schnell ein und lachte sorglos auf.

„Okay…“, kam es skeptisch zurück. „Wenn du reden willst, dann kannst du ruhig vorbei kommen.“, schlug Maron vor. „Meine Eltern sind gerade zu einem Geschäftsessen losgefahren.“

„Oh, ehm…“ Chiaki sah sich flüchtig um, atmete kurz ein und wieder aus, ehe er weitersprach: „Ja, ich würde gern mit dir reden… Ich bin in ein paar Minuten bei dir.“

„Okay. Bis gleich.“

„Okay…“

Mit den Worten legten sie auf. Chiaki stieg in sein Wagen ein und spürte wie sich seine Nervosität und sein Herzschlag erhöhte. Tief durchatmend fuhr er schließlich los.  
 

***
 

Eine halbe Stunde später stand er bei den Kusakabes vor der Haustür und klingelte. Maron öffnete sie ihm sofort. Sie stand in einer gemütlichen, schwarzen Leggings und einem großen, grauen Strickpullover vor ihm. Ihre Haare fielen locker über ihre Schulter. Ein warmes zugleich besorgtes Lächeln haftete auf ihrem Gesicht.

„Wie geht es dir?“, fragte sie ihn, als sie sich ins Wohnzimmer begaben. Das orangefarbene Licht einer Zimmerlampe erhellte den Raum schwach. Der Rest des Hauses blieb im Dunkeln.

„Gut.“, antwortete Chiaki ihr.

„Sicher?“

„Ja. Wirklich.“

„Hm…“ Maron blickte ihn ungläubig an und drehte sich kurz um. Chiaki sah zu, wie sie die Treppen zu ihrem Zimmer hochging und keine Minute später wieder zurückkehrte. Etwas befand sich in ihrer Hand. 

„Eine Trennung ist immer schwierig…aber ich hoffe, dass das dich etwas aufmuntern kann.“, sagte sie und hielt ihm mit beiden Händen etwas Viereckiges entgegen, was in Geschenkpapier eingewickelt war. „Auch wenn es vier Stunden zu früh dafür ist… Alles Gute zum Fünfundzwanzigsten.“, fügte sie in einen warmen Ton hinzu.

Chiaki sah mit großen Augen zwischen dem Päckchen und Maron hin und her. Nach kurzen Zögern, nahm er das Geschenk in die Hand und packte es aus.

Seine braunen Augen weiteten sich noch mehr als er sah, dass er ein Bilderrahmen in den Händen hielt. Darin befand sich ein Foto von ihm, Maron und zwischen ihnen - seiner Mutter. Alle lächelten breit in die Kamera. Vor ihnen befand sich ein Tisch und darauf war ein Geburtstagskuchen zusehen.

Er erinnerte sich. Es war ein Bild von seinem achten Geburtstag. Der letzte Geburtstag, den seine Mutter noch erleben dürfte.

Chiaki musste schwer schlucken. Wie eingefroren stand er da und starrte auf das Foto in seiner Hand.

„Ich hatte das Foto zufällig in der Speicherkarte unserer alten Kamera gefunden.“, hörte er Maron sanft sagen. „Bestimmt haben du und dein Vater es noch nicht…“ Sie warf einen traurigen Blick darauf. „Deine Mutter wäre garantiert stolz auf dich. Egal was du machst.“

Wäre sie das?, ging es Chiaki durch den Kopf. Was hätte sie wohl zu der ganzen Situation gesagt? Seine Finger verkrampften sich etwas um den Bilderrahmen.

„Danke, Maron….“, sagte er, die Stimme ein heiseres Flüstern und sah wieder zu ihr auf.

Maron sah ihn besorgt an.

„Alles okay, Chiaki…?“, fragte sie leise. „Du hast doch was…“

Chiaki ging auf sie zu und nahm sie in seine Arme. Maron erwiderte die Umarmung mit leichter Verwunderung.

Ein letztes Mal nahm er tief Luft, rang kurz mit sich selbst und sprach schließlich das aus, was er für Jahre nicht aussprechen konnte:

„Ich liebe dich, Maron...“

„Aw… Ich hab dich auch lieb.“, erwiderte sie gerührt, strich ihm über den Rücken.

Chiaki löste sich von ihr.

„Das meinte ich nicht.“

Maron’s Lächeln verschwand. Die Verwirrung in ihren braunen Augen wandelte sich langsam in Realisation um.

„Schon als wir klein waren, bevor ich überhaupt wusste was das Wort Liebe bedeutet…da habe ich mich wahrscheinlich schon in dich verliebt.“, gestand Chiaki schließlich und lächelte gequält. Sprachlos und mit großen Augen blickte Maron ihn an.

Langsam bewegten sie sich zum Sofa und setzten sich mit ein wenig Abstand hin. Chiaki legte das Foto beiseite und wandte sich Maron zu.

„Hör zu…“, sagte er, fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht und sah sie eindringlich an. „Es gab so viele Momente, wo ich es dir sagen wollte. Zu unserem Abschluss, bevor ich fürs Studium wegzog, nachdem ich vom Studium wieder zurückkam. All die Geburtstage, all die Weihnachten, all die Nächte in der wir beide einfach stundenlang wach blieben, durch die Stadt wanderten oder am Strand saßen und miteinander redeten… So viele Momente und Möglichkeiten!“ Die Worte sprudelten nun förmlich aus ihm heraus.

„Und ich habe es dennoch nie getan und behielt es für mich. Ich hatte Angst dich zu verlieren, wenn du meine Gefühle nicht erwiderst. Ich dachte, ich könnte diese Gefühle verdrängen…mir selbst und anderen was vormachen.“ Er hielt kurz inne. „Die Ironie ist jetzt, dass ich womöglich dabei bin dich zu verlieren.“

Währenddessen rollte Maron eine stumme Träne die Wange herunter, ihre Hände hielten sich am Stoff des Sofapolsters fest. Ihre braunen Augen ließen nicht von ihm los, sahen ihn traurig an. Ihr Blick allein zerriss ihm das Herz.

„I-Ich weiß, ich hatte mein ganzes Leben lang Zeit, dir das zu sagen. Und du bist nun mit Hijiri zusammen, mir ist das durchaus bewusst. Und ich weiß, dass ich keinen beschisseneren Zeitpunkt hätte aussuchen können als jetzt… aber ich konnte nicht mehr so weitermachen. Ich konnte dich nicht mehr weiter anlügen.“

Nachdem Chiaki zu Ende sprach, atmete Maron tief durch und schloss für einen Moment ihre Augen. Sie presste sich ihre zittrigen Lippen zusammen und sah ihn an. Mehr Tränen liefen ihr still das Gesicht herunter. Schwach und dennoch bestimmt schüttelte sie den Kopf.

„Es tut mir leid…“, wisperte sie kaum hörbar.

Resigniert ließ Chiaki den Kopf sinken. Auch wenn er solch eine Antwort von ihr erwartet hatte, so spürte Chiaki trotzdem wie sein Herz in tausende Einzelteile zerbrach. Der Schmerz war kaum in Worte zu fassen.

„Mir tut es auch leid...“, erwiderte er leise, stand auf und ging zur Tür.

Ein letztes Mal drehte Chiaki sich zu Maron um. Sie saß weiterhin noch auf dem Sofa und hatte ihm den Rücken zugewandt.

Ohne weiteres verließ er schließlich das Haus. Eine Träne rollte ihm stumm über die Wange.

 

Zurück blieb eine Maron, die ihre Tränen nicht mehr zurückhalten konnte.

 

 

Chapter 11: Rejected Love

Chapter 11: Rejected Love

 

„Reichst du mir die Sojasoße?“

Chiaki blickte von seiner Reisschale auf und sah Maron ihm gegenüber sitzen, die geduldig mit den Stäbchen auf die Sojasoße vor ihm zeigte.

„Klar.“, sagte er und reichte ihr die Flasche.

„Danke.“, bedankte sie sich.

„Chiaki, möchtest du noch eine Portion Reis?“, fragte Korron zu Marons Rechten und deutete auf den Reiskocher, welcher zwischen ihr und Takumi auf einen Hocker stand.

Der Angesprochene schüttelte höflich mit dem Kopf, wobei sein Vater neben ihn sich auf Reis-Nachschlag freute. Takumi, der am Kopfende des Tisches saß, gab seiner Frau ebenfalls seine Schale.

„So ein gutes Essen bekommt ihr beide selbst in den besten Restaurants nicht, oder?“, merkte Maron an, blickte zwischen Vater und Sohn hin und her.

„Ja...“, antwortete Chiaki, „Eure Kochkünste übertreffen wirklich jede Fünfsterneküche.“

„Takumi kann sich echt glücklich schätzen.“, stimmte sein Vater ihm zu und grinste den Architekten zu seiner Linken an, der kauend die Augen verdrehte.

Korron winkte die Komplimente lachend ab, während ihre Tochter verlegen den Kopf schüttelte.

Also Maron merkte, wie Chiaki’s Blick auf ihr haftete, sah sie schnell weg und tat so als würde sie eine von Kaiki’s Krankenhauserzählungen zuhören. Chiaki konnte förmlich die Mauer zwischen ihnen sehen, die sie zwischen ihnen hochfahren ließ.

Er seufzte innerlich.

Es war Sonntag, drei Tage seitdem Chiaki ihr seine Gefühle gestanden hatte. Seitdem hatten sie kein Wort mehr miteinander gewechselt oder sich gesehen.

Nun sitzen beide beieinander am Esstisch, weil ihre Eltern ihn und sein Vater zum Mittagessen eingeladen hatten und sie verhielten sich fast wie als wäre nie etwas gewesen.

Aber nur fast.

Obwohl sie sich im selben Raum befanden und keinen Meter voneinander entfernt saßen, fühlte die innere Kluft zwischen ihnen unendlich groß an.

Ebenso erinnerte der Schmerz in seiner Brust ihn immer wieder daran, dass der eine Abend wirklich geschehen war.

Zwar versuchte Chiaki sich auf der Arbeit mit Überstunden und zusätzlichen Nachtschichten abzulenken, doch es komplett zu ignorieren konnte er nicht. Die letzten Nächte hatte er auch kein einziges Auge zubekommen.

Aber was beschwerte er sich?

Er hatte es doch gewusst.

Er wusste, dass sie seine Gefühle nicht erwidern würde. Und trotzdem war der Schmerz in seinem Inneren kaum zu ertragen.

Er dachte, er kannte Herzschmerz. Doch dieser Schmerz war absolut nicht mit dem zu vergleichen, wenn er sie in den Armen eines anderen Mannes sah.

Nein – dieser Schmerz war anders. Qualvoller.

Wie als hätte sie ihm direkt ins Herz geschossen und es verbluten lassen.

Er dachte, er könnte mit diesen neuen Schmerz umgehen. Er lag falsch.

Tja… Die Realität sieht immer anders aus, als man sie sich vorstellt…, dachte er sich niedergeschlagen.

Ein plötzliches Klingeln warf Chiaki wieder ins Hier und Jetzt zurück.

„Oh, hab ich fast vergessen. Hijiri und ich sind fürs Kino verabredet.“, hörte er Maron sagen, die ihre Schale und Stäbchen auf den Tisch ablegte und zur Tür ging.

Mit einem „Warte kurz, ich hole meine Sachen.“, ließ sie ihren Freund rein, der alle im Raum freundlich und respektvoll begrüßte.

Ohne lang zu warten kam Maron mit Mantel und Umhängetasche wieder. Sie verabschiedete sich von ihren Eltern und Kaiki herzlich.

Chiaki warf sie einen kurzen Blick zu. Er erwiderte den Blickkontakt flüchtig, sah jedoch wieder weg.

Allen Anwesenden entging die Anspannung zwischen den beiden besten Freunden nicht.

Seufzend und ohne weiteren Worte ging Maron schließlich. Hijiri winkte allen zu Abschied zu und folgte ihr raus.

 

Während Maron mit Hijiri zum Auto ging, warf sie einen letzten Blick nach hinten.

Die mit Schmerz gezeichneten braunen Augen ließen sie nicht los.

„Alles in Ordnung bei euch?“, hörte sie Hijiri fragen, als den er Motor startete.

„Was? Wer?“, fragte Maron perplex zurück.

„Du und Chiaki. Hattet ihr Streit?“

„Nein. Alles ist gut!“

Maron schenkte ihm ein kleines, sorgloses Lächeln. Hijiri warf ihr einen skeptischen Seitenblick zu.

„Okay…?“, sagte er und sah auf die Straße, „Chiaki wirkte irgendwie niedergeschlagen.“

„Mhm. Muss an der Trennung von Miyako liegen.“, antwortete Maron schulterzuckend und schaute aus dem Fenster raus.

„Ach so?“

„… Er wird schon damit klar kommen.“

Maron war sich bewusst, dass sie ihren Freund gerade anlog. Doch ihm die Wahrheit zu sagen, würde nur noch mehr Probleme bringen.

Hijiri blickte sie besorgt an.

„Du wirkst auch nicht gerade als gehe es dir gut. Überhaupt, seit ein paar Tagen-…“

„Mir geht es gut.“, wendete sie ein und drehte sich breit lächelnd zu ihm um. „Tu mir den Gefallen und lass uns den Tag einfach genießen.“

„Okay, wie du willst.“, grinste er.

Somit fuhr das Paar die Straßen entlang in die Innenstadt.

 

Nachdem Maron aus dem Haus war, sah Chiaki wieder zu seiner Reisschale herunter und schob geistesabwesend mit den Stäbchen ein paar Reiskörner hin und her.

Er bemerkte nicht wie ruhig es im Raum war, bis Takumi die Stille durchbrach:

„Okay. Es geht mich normalerweise nichts an, aber ich frage jetzt trotzdem: Was ist los mit euch beiden?“

Maron’s Vater ließ seinen Blick von der Haustür zu Chiaki wandern, sah den jungen Arzt ernst an.

Chiaki schaute zu ihm und den anderen auf. Korron und Kaiki wirkten besorgt. Besonders sein Vater musterte ihn kritisch.

Seufzend senkte Chiaki seinen Blick wieder und schüttelte den Kopf. „Nichts.“

„Wirklich?“, schmunzelte Takumi ungläubig. „Das ist witzig, denn ich habe da zwei Dinger, die nennen sich Augen. Es sah nicht so aus als wäre nichts gewesen zwischen euch.“

Sich geschlagen gebend legte Chiaki seine Stäbchen auf den Esstisch ab und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Leugnen nützt eh nichts…, dachte er sich.

Er warf einen kurzen Blick in die Runde.

„Ich hab es Maron gesagt.“ Ein schwaches Lächeln bildete sich auf Chiaki’s Gesicht. „…Ich habe ihr gesagt, was ich für sie empfinde.“, offenbarte er.

Takumi zog erstaunt die Brauen hoch. „Oh.“

Korron und Kaiki machten ebenfalls ein überraschtes Gesicht. „Oh Gott…“, sagte sein Vater leise.

„Hm.“, brachte Chiaki nur entgegen und richtete sich in seinem Stuhl etwas gerade.

„Was hat sie gesagt? Oder wie hat sie reagiert?“, fragte sein Vater.

„Nun…“ Chiaki sah kurz zur Tür und deutete mit dem Daumen darauf. „Sie hat gerade ein Date mit ihrem Freund. Da könnt ihr es euch denken, oder…?“ Anschließend zuckte er wie akzeptierend mit den Schultern und steckte die Hände in die Jackentasche.

„Ich- Ich will einfach nur so tun als wäre das nie passiert.“, sagte er, presste sich kurz die Lippen zusammen und fügte hinzu, „Im Grunde genommen tun wir beide das. Also, tja.“

Chiaki sah wieder betrübt runter.

Sein Vater und Maron’s Eltern sahen ihn für einen Moment an, bis Takumi wieder das Wort ergriff:

„Nun… Nicht zu sagen, wie du für sie empfindest, hat dich doch erst in dieses Chaos gebracht.“, gab er ehrlich zu und zuckte entschuldigend mit der Schulter. Korron stand unterdessen auf und räumte den Tisch ab.

„Aber die ganze Geschichte zu ignorieren ist auch nicht die Lösung des Problems.“, warf Kaiki ein und schenkte seinem Sohn ein tröstendes Lächeln.

Chiaki nickte schwach.

Takumi stand nun ebenfalls auf und half seiner Frau beim Aufräumen.

Kaum war er ihr in die Küche gefolgt, wandte Kaiki sich wieder Chiaki zu.

„Chiaki, wie lange hast du nicht mehr geschlafen?“, erkundigte der Chefarzt sich bei ihm, seine Stimme nahm einen ernsten Unterton an, wie wenn er mit einer seiner Patienten sprach.

Chiaki rieb sich müde über die Augen. „Keine Ahnung. Zwei…drei Tage?“

Sein Vater machte ein entsetztes Gesicht.

„Willst du mir sagen, du warst seit drei Tagen durchgehend wach?“

Als Antwort bekam er einen stummen Blick von seinem Sohn. Kaiki hielt sich fassungslos den Kopf.

Das laute Klappern von Geschirr war aus der Küche zu vernehmen, so wie die dumpfen Stimmen von Korron und Takumi. Worüber sie sprachen, konnte man nicht hören. Chiaki fiel auf, dass Maron’s Mutter sich gar nicht zu ihm oder Maron geäußert hatte.

„So kommst du mir nicht auf die Arbeit.“, sagte Kaiki in einem ruhigen, gleichzeitig strengen Ton und riss Chiaki aus den Gedanken, „Ich stelle dich solange frei bist du dich erholt hast.“

„Jetzt übertreib nicht. Mir geht’s gut!“

„Nein, dir geht es nicht gut! Und ich will auf keinen Fall riskieren, dass du vor lauter Schlafmangel noch Halluzinationen bekommst und dich oder deinen Patienten schadest.“ Chiaki blickte seinen Vater mit großen Augen an. Kaiki hatte zwar seine strengen Seiten, allerdings kamen die so selten zum Vorschein, dass sein Sohn sich kaum erinnern konnte, wann er das letzte ihn so erlebt hatte.

„Meinetwegen. Wenn es dich glücklich macht.“, rollte Chiaki mit den Augen. „Zwei Wochen, okay?“

„Gut.“, erwiderte sein Vater und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Und das mit Maron tut mir leid, Sohn.“ sagte er wieder sanfter, „Es wird schon wieder.“

Chiaki nickte daraufhin nur.

Als ob…, dachte er sich.
 

***

Maron saß auf der Arbeit und war gerade dabei ein Interview, welches sie kürzlich mit einem erfolgreichen Modedesigner durchgeführt hatte, zu bearbeiten. Nach einigen konzentrierten Stunden bemerkte sie Miyako im Augenwinkel, die sich einige Meter entfernt mit dem neuen Chefredakteur Yamato Minazuki unterhielt.

Vor einigen Wochen war ihr alter Chef abgetreten, wodurch sein Neffe -Enkel des Firmenoberhauptes der Minazuki Firmengruppe- daraufhin die Position übernahm.

Beide lachten bester Laune und schienen sich blendend zu verstehen.

Es überraschte Maron etwas Miyako diese Woche schon wiederzusehen, denn in den letzten Tagen hatte sie ihre Kollegin gar nicht mehr zu Gesicht bekommen. Womöglich hatte sie sich kurz frei genommen, um sich von der Trennung mit Chiaki zu erholen.

Maron seufzte.

Der Gedanke an Chiaki bereitete ihr ein deprimierendes Gefühl in der Brust.

Energisch schüttelte sie den Kopf und verwarf dieses Gefühl sofort wieder. Konzentrier dich, Maron!, ermahnte sie sich innerlich.

Im nächsten Augenblick stand jemand neben ihr.

Maron hörte auf zu tippen und blickte zu Miyako auf.

„Hey.“, begrüßte die Kurzhaarige sie freundlich.

„Hi.“, kam es von Maron neutral zurück.

Kurz herrschte unbehagliches Schweigen.

„Es ist keine Woche her seit es zwischen dir und Chiaki aus ist und du flirtest schon mit dem Nächsten? Und nicht nur einen, sondern unserem Junior Chef?“, platzte es aus Maron heraus.

Miyako starrte ihre Kollegin mit offenen Mund entgeistert und teilweise beleidigt an.

„Wow… So ein freches Mundwerk hätte ich von diesem engelsgleichen Gesicht nicht erwartet.“, entgegnete sie trocken, verschränkte ihre Arme vor der Brust und lehnte sich mit der Hüfte an Maron’s Tisch an. „Auf jeden Fall bin ich dir keine Antwort darauf schuldig.“

„Was auch immer.“ Die Braunhaarige zuckte mit den Schultern, lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und blickte Miyako ernst an. „Du hast es wegen mir beendet, richtig?“

„Klar! Was glaubst du denn? Dass der Sex zu schlecht war, oder was?“ Miyako lachte ironisch auf und schüttelte den Kopf. Maron hob abwehrend eine Hand und fasste sich leise stöhnend die Stirn. Darüber wollte sie auf keinen Fall was wissen oder hören.

„So wie es sich anhört, scheint er es dir wohl endlich gestanden zu haben.“, stellte Miyako fest.

„Ich bezweifle, dass dich das noch was angeht. Schließlich ist es nun eine Sache zwischen mir und ihm.“, erwiderte Maron spitz.

„Du hast Recht. Mich geht das nichts mehr an.“ Miyako musterte Maron mit einem gelassenen Gesichtsausdruck.

„Weißt du, Maron… Ich mag dich. Als Kollegin und als Freundin.“, sagte sie nach einigen Sekunden, „Und ich bin ganz ehrlich zu dir: Ich habe die letzten Tage unfreiwillig viel über euch beide nachgedacht. Von unserer ersten Begegnung bis zu unserem Doppeldate in Freizeitpark. Und… da ist mir etwas Interessantes klar geworden.“

Mit hochgezogener Braue sah Maron desinteressiert zu ihr auf.

„Und zwar, dass du auch Gefühle für ihn hast.“, vollendete Miyako halblächelnd.

Schockiert starrte Maron ihre Kollegin mit großen Augen und offenen Mund an. Sie schüttelte beharrend mit dem Kopf.

„N-Nein- Nein! Da irrst du dich gewaltig, Miyako.“, brachte sie in einem ernsten Ton entgegen und wandte sich wieder ihrem Computer zu. Für sie war die Konversation beendet.

„Wie du meinst, Maron…“ Miyako verdrehte ihre Augen und entfernte sich langsam von Maron’s Platz. „Aber es gibt da so einen Spruch in unserer Branche. Und zwar dass die einzig wahre Top-Story immer die ist, die verschwiegen wird.“ Mit den Worten ging sie zu ihrem eigenen Tisch zurück.

Maron fixierte mit einem ausdruckslosen Gesichtsausdruck ihren Bildschirm und versuchte sich die letzte Stunden auf die Arbeit zu fokussieren.

 

Chiaki stand vor Shinji’s und Natsuki’s Wohnung und klingelte.

Nachdem er es geschafft hatte ein paar Stunden Schlaf nachzuholen, spazierte er eine Weile durch die Stadt herum und dachte ununterbrochen an Maron.

Noch nie hatte so lange Funkstille zwischen ihnen geherrscht. Überhaupt gab es bisher keinen Tag in ihrem Leben, wo sie nicht miteinander in Kontakt blieben. Nun ging Maron ihm bestmöglich aus dem Weg und Chiaki wusste nicht einmal, ob er ihr einfach eine simple Nachricht hinterlassen konnte.

Er war sich noch nicht mal sicher, ob sie noch Freunde waren.

War es vielleicht doch ein Fehler, ihr die Wahrheit zu sagen?

Wie soll es mit ihnen nun weitergehen?

Er musste unbedingt mit jemand reden und vielleicht könnte ein freundschaftlicher Rat seines besten Freundes weiterhelfen. Chiaki müsste ihn sowieso auf den neusten Stand bringen, was die letzten Tage geschehen war.

Seufzend betätigte Chiaki ein weiteres Mal die Türklingel und warte ein paar Sekunden. Natsuki machte sie ihm auf.

„Oh, mit dir habe ich heute gar nicht gerechnet.“, grinste sie ihn an.

„Hi.“, zwang er sich zu einem Lächeln, „Ist Shinji da?“

Sie schüttelte den Kopf und sah auf ihre Uhr. „Er müsste in ein paar Minuten nach Hause kommen. Wenn du willst kannst du drinnen auf ihn warten.“

Chiaki nahm das Angebot mit einem Nicken an.

Kaum setzte er Fuß in die Wohnung des Paares, kam ihm der Geruch von gegrilltem Fleisch entgegen.

„Was gibt’s bei euch denn zu essen?“, fragte er mit höflichen Interesse.

„Koreanisches BBQ.“, antwortete Natsuki und begab sich in die Küche. „Willst du auch was?“

Chiaki folgte ihr und schaute ihr beim Kochen zu. „Nein Danke. Ich habe derzeit nicht so einen großen Hunger.“

Natsuki wendete einige Fleisch- und Gemüsestücke auf der Grillplatte und sah wieder zu ihm auf.

„Alles okay bei dir?“, fragte sie ihn besorgt. Ihr war seine traurige Erscheinung nicht entgangen.

„Ja…irgendwie.“, zuckte er mit den Schultern, „Eigentlich nicht.“

„Was ist los?“

Chiaki biss sich auf die Lippe und wog seine Antwort kurz ab. Eigentlich wollte er warten bis Shinji kommt. Aber vielleicht konnte weiblicher Rat auch helfen.

„Kurz gefasst: Miyako und ich haben uns getrennt und… Ich habe Maron gesagt, was ich für sie empfinde.“, sagte er schließlich.

„Oh…!“ Natsuki blickte erstaunt drein. „Mutig.“

„Hmm.“ Chiaki fuhr sich seufzend durch die blauen Haare. „Ich meine, wir sind oder waren beste Freunde. Und nun…Keine Ahnung. Jetzt weiß ich nicht, wie wir zueinander stehen….“

Die Grünhaarige nickte verstehend, drehte die Temperatur der Grillplatte runter und wandte sich wieder ihrem Gast zu.

„Weißt du… Bevor ich Shinji kennenlernte, da war mein Leben ziemlich klar, strukturiert und vorausgeplant.“, begann sie zu erzählen. „Und ich mag Struktur und Planung.“ Ein verlegenes Lächeln bildete sich auf ihren Lippen. Chiaki hörte ihr gespannt zu.

„Aber als Shinji und ich anfingen miteinander auszugehen, da fing mein gaaanzes Leben an sich zu verändert. Ich war am Anfang ziemlich überfordert. Besonders die unangekündigten Anrufe und Besuche machten mich fertig! Ehe ich mich versah, hatte Shinji mich an indisches Essen herangeführt oder machte mit mir verrückte Spontanausflüge fürs Skydiving, oder ähnliches.“, lachte sie. Chiaki musste auch anfangen zu schmunzeln. „So ungewohnt und beängstigend diese Veränderungen für mich zuerst waren, ich habe mich daran gewöhnt und das Leben wurde besser.“ Natsuki schaute ihn aufmunternd an.

„Was ich sagen will: Du warst all die Jahre daran gewöhnt gewesen, dass Maron nichts über deine Gefühle wusste, dass diese neue Situation dich verunsichert. Verständlich. Aber auch du wirst einen Weg finden, damit klar zu kommen. Und was auch immer danach noch passieren mag...Es wird auf jeden Fall besser.“, lächelte sie sanft. „Das garantier ich.“

Zu Chiaki’s Überraschung fühlte er sich wirklich etwas besser. „…Danke.“

„Denk in Ruhe über alles nach und mach dich nicht fertig. Maron braucht wahrscheinlich auch erstmal ihre Zeit, um alles zu verarbeiten.“

„Ja, sowieso… Ich denke es ist gut, dass mein Vater mich in den Urlaub gezwungen hat. Ich kann mich ehrlich gesagt noch nicht mal daran erinnern, wann ich das letzte Mal frei hatte.“

Beide lachten.

In der nächsten Minute kam Shinji nach Hause.

„Was verschafft dich den hierher?“, wurde Chiaki von seinem besten Freund begrüßt, nachdem dieser seiner Freundin einen Begrüßungskuss gab. „Oder besser gefragt: Wie kann ich dir als Seelenklempner helfen?“

„Dreimal darfst du raten.“, blickte Chiaki ihn herausfordernd an.

Shinji brauchte nicht lange nachzudenken. Sofort wurden seine Augen groß.

„Red kein Scheiß! Du hast es ihr wirklich gesagt?!“

„Wow, direkt ein Volltreffer.“, entgegnete Chiaki ironisch.

Mittlerweile hatten alle sich an den Tisch hingesetzt. Auch wenn Chiaki keinerlei Appetit verspürte, so aß er doch etwas vom BBQ mit.

Holy shit….“, brachte Shinji erstaunt hervor, nachdem Chiaki ausführlich von dem Abend vor seinem Geburtstag und den Tagen danach berichtet hatte. „Nicht mal in eine Million Jahre hätte ich geglaubt, dass du es wirklich durchziehst. Und das, weil eine andere Frau dich darum bat…“

Chiaki verdrehte die Augen.

„Weißt du was?“, knapperte der Dunkelhaarige an einem Salatstück, „Wir beide gehen gleich raus und ich lade dich auf ein paar Drinks ein.“

„Ich bin eigentlich nicht in Stimmung…“

„Ach Komm! Ein Männerabend zu zweit sollte dich auf andere Gedanken bringen.“

Chiaki legte seufzend den Kopf nach hinten und starrte zur Zimmerdecke. „Okay, meinetwegen. Vielleicht hast du auch Recht und ein bisschen Ablenkung kann nicht schaden.“

„Super.“ Shinji wandte sich an Natsuki. „Willst du mitkommen, Natsuki-Schatz?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Macht euch ruhig einen gemütlichen Männerabend.“

„Okay.“, grinste Shinji.

Nach ein paar Minuten standen beide Männer auf und zogen sich ihre Jacken an.

„Übertreib es aber nicht so wie beim letzten Mal.“, mahnte Natsuki ihren Freund.

„Ach was, sooo betrunken war ich letzte Woche auch nicht!“, verdrehte Shinji lachend die Augen.

„Du hattest mit mir geflirtet.“

„Und? Du bist meine Freundin.“

„Du fragtest mich, ob ich Single sei. Dann hast du angefangen zu weinen, als ich Nein sagte.“, schmunzelte sie belustigt. Chiaki fing an zu kichern.

Beschämt von den Erinnerungen vergrub Shinji sein Gesicht in seine Hand.

„… Okay, ich verspreche, wir übertreiben es nicht.“

Damit legte er Chiaki einen Arm um die Schultern und ging mit ihn zusammen aus der Wohnung raus.

Unterdessen bahnten sich draußen dunkle Wolken an.

 

Mit einem lauten Knall ließ Maron die Haustür zufallen und warf ihre Tasche aufs Sofa.

Aus der Küchentür sah sie ihre Mutter hervor spähen, die eine halbe Stunde früher nach Hause kam und nun dabei war das Abendessen vorzubereiten.

„Du scheinst ja eine prächtige Laune zu haben…“, merkte Korron an.

Maron kam zu ihr in die Küche rein und setzte sich wortlos auf einen Hocker neben der Kücheninsel hin. Von der Obstschale schnappte sie sich eine Mandarine und schälte sie mit den Händen.

Korron warf ihrer Tochter einen besorgten Blick zu, während sie am Herd eine Suppe kochte. Für eine Weile war es ruhig zwischen ihnen. Draußen hatte es angefangen stark zu regnen und die Tropfen prasselten lautstark gegen die Fensterscheiben.

„Möchtest du darüber reden?“

„Worüber?“, fragte Maron monoton zurück.

„Du weißt schon…über Chiaki.“, sagte ihre Mutter nach einem kurzen Moment. „Scheint wohl ziemlich kompliziert geworden zu sein.“

Maron schwieg.

„Du weißt, dein Vater und ich mischen uns bei solchen Sachen normalerweise nicht ein, aber wir machen uns Sorgen um dich.“, sprach Korron weiter. „Und um Chiaki. Kaiki musste ihn dazu überreden sich für ein paar Tage frei zu nehmen.“, fügte sie hinzu.

Nun blickte Maron zu ihr auf.

„Ihr wusstet es...“, sagte sie, die Stimme ausdruckslos. Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. „Du und Papa – Ihr wusstet, was er für mich empfindet.“

Korron nickte zur Bestätigung.

„Das gibt es doch nicht…“, sprach Maron leise zu sich selbst und fuhr sich fassungslos durch die Haare.

Wusste jeder auf der Welt über Chiaki’s Gefühle für sie Bescheid, bis auf sie?!

Allmählich kam sie sich mehr als idiotisch vor.

Maron sah ihre Mutter mit schmalen Augen an. Die Brauen wütend zusammengezogen.

„Wenn ihr -Gott weiß wie lange- es wusstet…Wieso- Wieso habt ihr mir nichts gesagt?!“ Ihre Stimme wurde etwas lauter, aufgebrachter. Auf wen oder was Maron genau wütend war, wusste sie selbst nicht.

Daraufhin drehte Korron sich zu ihr um und lehnte sich mit dem Rücken an der Arbeitsplatte an.

Ihr Gesichtsausdruck war ruhig und voller mütterlicher Fürsorge.

„Es war nicht unser Geheimnis, Maron. Also, stand es uns auch nicht zu, dir das zu sagen.“

Maron schnaubte mies gelaunt auf.

„Hättet ihr mir was gesagt- Hättet ihr mir die Wahrheit gesagt, dann wäre Chiaki-…“ Sie stoppte sich mitten im Satz und presste sich ihre Lippen zu einem dünnen Strich zusammen.

Korron zog eine Augenbraue hoch. „‚Dann wäre Chiaki…‘ - Was?“, fragte sie nach.

Ihre Tochter schüttelte den Kopf.

„Ist nicht mehr so wichtig.“, murmelte sie und widmete sich wieder ihrer halbgeschälten Mandarine. „Chiaki ist zu spät. So leid es mir auch tut.“, sagte Maron mit tonloser Stimme.

Für einige Augenblicke war es still zwischen Mutter und Tochter. Das Prasseln des Regens füllte die Stille.

Korron ging auf Maron zu, schnappte sich einen Hocker und setzte sich vor sie hin. Sachte strich sie ihrer Tochter ein paar Strähnen hinters Ohr und legte ihr eine Hand auf die ihrer. Maron hielt mitten in ihren Bewegungen inne und blickte zu ihrer Mutter auf.

„Ich möchte dich was fragen.“, sagte Korron sanft. Erwartungsvoll neigte ihre Tochter den Kopf. „Schatz… Wen von den beiden liebst du?“

Maron zog ihre Augenbrauen argwöhnisch zusammen. Zuerst Miyako und nun auch ihre Mutter!

Sie zuckte wie selbstverständlich mit den Schultern.

„Ich liebe Hijiri. Ist doch klar.“, sagte Maron und lächelte sie wie offensichtlich an.

Korron blinzelte sie für eine Sekunde ungläubig an.

„Okay!“, brachte ihre Mutter mit falschen Enthusiasmus schließlich entgegen, nickte einmal und zuckte ebenfalls mit den Schultern. „Gut.“

Maron ignorierte ihren wenig überzeugten Ton und aß ein Stück der Mandarine.

Gerade als Korron noch etwas sagen wollte, war das metallische Klappern von Schlüsseln zu hören sowie das Öffnen der Tür. Maron sprang von ihrem Hocker herunter und ging aus der Küche raus, um ihren Vater zu begrüßen.

Korron blickte ihr seufzend nach. „Von mir hat sie diese Sturheit nicht…“, murmelte sie und konzentrierte sich wieder auf das Abendessen.

 

Völlig durchnässt kamen Chiaki und Shinji in ihrer Lieblingsbar an. Der Blauhaarige verfluchte sich dafür, dass er eine relativ dünne Jacke an hatte. Gleichzeitig hoffte er auch, nicht krank zu werden. Wieso musste es auch plötzlich anfangen wie verrückt zu regnen?

Eigentlich hatte Chiaki nach den ersten Tropfen schon keine Lust mehr gehabt in die Bar zu gehen, doch Shinji ließ sich nicht vom Regen abschrecken.

Er schüttelte sich etwas, fuhr sich die nassen, blauen Haare nach hinten und schaute sich um. Jeder Tisch war besetzt. An jeder Ecke stießen Leute an, lachten und unterhielten sich laut.

Shinji hatte sich schon zur Theke begeben. Chiaki setzte sich rechts von ihm auf einen Hocker hin und begrüßte den Barkeeper (mit denen beide gut befreundet waren).

Nach ein paar Minuten stand eine Flasche Whisky vor ihnen und beide hatten jeweils ein Glas in der Hand.

„Chiaki?“

Der Angesprochene blickte zur Seite und sah Hijiri vor sich stehen.

Gott will mich doch bestrafen…, stöhnte er innerlich.

„Oh, Hey…“, sagte Chiaki lustlos, „Was machst du denn hier?“

„Oh, ein paar Freunde von mir wollten so einen typischen Männerabend machen.“, erklärte Hijiri und deutete auf einen Tisch im hinteren Bereich der Bar, an der eine kleine Gruppe junge Männer saßen.

Der hat Freunde?, dachte Chiaki sich.

„Anscheinend machen du und Shinji dasselbe.“, stellte Hijiri fest.

„Er lädt mich ein.“

„Cool. Nun, hör mal…“ Hijiri sah den jungen Arzt mit einem unschlüssigen Ausdruck an. „Ist alles okay zwischen dir und Maron?“

„Wieso fragst du?“, fragte Chiaki zurück und starrte auf sein leeres Glas.

Eigentlich hatte er nichts anderes erwartet, weshalb Hijiri mit ihm reden wollte. Neben ihn nahm Shinji sich kommentarlos die Whiskyflasche und schenkte ihm ein weiteres Glas voll. Chiaki warf ihm einen schnellen, dankenden Seitenblick zu und leerte sein Drink in einem Zug wieder. Innerlich wünschte er sich, er wäre betrunken genug um diese Konversation ertragen zu können.

„Naja...Scheint so angespannt zwischen euch zu wirken.“, sprach Hijiri weiter, „Und Maron ist in letzter Zeit auch ziemlich in sich gekehrt.“

„Selbst die allerbesten Freunde haben ihre Streits.“

„Worum ging’s denn?“

„Hör mal, nichts gegen dich…“, platzte es aus Chiaki leicht genervt heraus, „Sie und ich hatten da eine kleine Auseinandersetzung und gerade bin ich nicht in Stimmung mit dir darüber zu reden.“

Hijiri wich mit erhobenen Händen etwas zurück. „Okay! Kein Problem. Das kann ich verstehen… Ich weiß, dass ihr euch schon seit Ewigkeiten kennt.“ Er lehnte sich an der Theke an. „Und wenn ich ehrlich sein will, fühlte ich mich etwas bedroht von dir am Anfang. Bevor ich dich kennengelernt habe.“

Chiaki blickte Hijiri an und hob eine Augenbraue.

„Bedroht? Von mir?“

„Ja klar!“ Der Rothaarige zuckte wie selbstverständlich mit den Schultern. „Ich habe gesehen, wie nah ihr euch steht. Und da war ich natürlich auch etwas eifersüchtig.“

„Okay…“

„Aber ich glaube auch, du tust ihr gut. Was ich sagen will ist… Ich möchte, dass Maron glücklich ist und es wäre toll, wenn ihr euch wieder vertragt.“, sagte Hijiri mit einem ehrlichen Gesichtsausdruck und drehte sich kurz zu seiner Gruppe um. „Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, dass gute Freunde selten zu finden sind.“ Anschließend klopfte er Chiaki kurz auf die Schulter und ging.

Chiaki und Shinji sahen ihm argwöhnisch nach.

„Auch wenn du’s nicht von mir hören willst, aber Recht hat er.“, durchbrach Shinji das Schweigen zwischen ihnen und schwenkte in kreisenden Bewegungen sein Glas. „Gute Freunde sind selten zu finden…“, wiederholte er Hijiri’s Worte.

Chiaki warf ihm einen scharfen Blick zu, murmelte unverständliche Flüche von sich.

„Ich weiß, ich habe versprochen dich auf andere Gedanken bringen zu wollen, aber nach dem Gespräch eben, kann man’s wohl vergessen.“, sagte Shinji und sah seinen Freund besorgt an, „Aber es wäre für dich und Maron wirklich gut, wenn ihr nochmal miteinander redet.“

„Ich weiß…“, stöhnte Chiaki frustriert auf und strich sich durchs immer-noch-nasse Haar. „Allerdings brauchen wir beide erstmal unsere Zeit zum Nachdenken, schätze ich.“

„Klar…Und solange sie die Freundschaft nicht offiziell gekündigt hat, hast du sie auch noch nicht verloren, mein Freund.“

„Danke für deinen Optimismus.“ Chiaki’s Mundwinkel zogen sich leicht nach oben. Shinji legte ihm grinsend einen Arm um die Schultern und hob sein Glas.

„Wozu sind Freunde da?“
 

***

Vier Tage später:

 

„Dr. Nagoya wird gleich da sein.“

„Okay.“, nickte Maron und lächelte Kagura freundlich an, der das Büro seines Chefs verließ.

Seufzend blickte sie sich um.

Was mache ich hier?, ging es ihr durch den Kopf.

Vor einer halben Stunde hatte sie Feierabend gemacht und war mehr als überrascht Kagura zu erblicken, der sie höflich bat ihn ins Krankenhaus zu begleiten. Als Maron fragte was das Problem war kam als Begründung, dass sein Chef sie sehen wollte.

Nun saß sie in Kaiki’s Büro und wartete geduldig auf ihn.

Nach einigen Minuten öffnete sich die Tür. Maron stand direkt auf, doch zu ihrer nächsten Überraschung kamen Shinji und Natsuki rein.

„Hi…?“ Maron ging auf das Paar zu. „Was macht ihr denn hier?“

Natsuki zuckte ahnungslos mit den Schultern. „Wenn wir wüssten. Der Sekretär tauchte plötzlich auf und hat uns hierher gebracht.“

„Okay…?“

„Ich könnte den Doc ja nach Erkältungsmedizin fragen…“, überlegte Shinji laut, die Nase leicht verstopft und nieste.

„Gesundheit!“, sagten die Mädels gleichzeitig.

Im nächsten Augenblick kam der Krankenhausdirektor rein und begrüßte alle herzlich.

„Ihr fragt euch bestimmt weshalb ihr hier seid, oder?“

„Nun…“ Natsuki ergriff das Wort und schaute sich kurz um. „Ich würde mal sagen, Sie haben uns wegen Chiaki hierher bestellt?“

Kaiki nickte und fuhr sich mit einer Hand über sein Kinn.

„Habt ihr in letzten Zeit von ihm gehört?“, fragte er besorgt.

Alle drei schüttelten Kopf. Maron sah verunsichert weg.

„Wieso fragen Sie?“, fragte Natsuki.

„Die letzten Tage habe ich nichts mehr von ihn gehört und ich mache mir natürlich Sorgen…“, seufzte Kaiki erschöpft auf.

„Nun, als wir das letzte Mal mit ihm sprachen, ging es ihm eigentlich noch gut.“, sagte Shinji, schniefte und überlegte kurz. „Aber seit Montag konnte ich ihn auch nicht mehr erreichen… ziemlich ungewöhnlich.“

„Wieso schaut ihr nicht einfach bei ihm zu Hause nach?“, warf Maron ins Gespräch ein, die Arme vor sich verschränkt.

„Gute Idee! Wieso machst du das nicht, Maron?“, ging Kaiki auf den Vorschlag ein und lächelte sie erfreut an.

Erschrocken riss Maron ihre Augen auf. „W-Wieso ich?! Wieso nicht die anderen?! Oder du?!“

„Ich bin krank. Natsuki pflegt mich.“, kam es von Shinji erstickt, der wieder niesen musste. „Und der Doc ist ein vielbeschäftigter Mann, der vielleicht so nett wäre mir ein paar Medikamente zu verschreiben.“

Natsuki grinste ihre Freundin an und nickte.

Maron schaute ihre Freunde entgeistert an.

Kaiki räusperte sich und sah sie an. „Erstens: Du hast es vorgeschlagen. Zweiten: Ihr beide solltet sowieso miteinander reden. Diese Funkstille zwischen euch ist nicht normal und ziemlich Schade um eure langjährige Freundschaft.“, erklärte er ruhig.

Maron biss sich zögernd auf die Lippe.

Sie spürte zusätzlich Shinji’s und Natsuki’s Blicke auf sich haften. Am liebsten würde sie sich in Luft auflösen wollen. Sie mochte diese Aufmerksamkeit absolut nicht. Selbst zu Hause blieb sie von den eindringlichen Blicken ihrer Eltern nicht verschont.

Und das nur weil sie Chiaki in den Augen aller das Herz gebrochen hatte. Dabei hatte sie doch auch nichts falsch gemacht. Es war einfach nicht fair.

Hätte er sich nicht so viel Zeit gelassen, dann-…

„Also?“ Kaiki’s geduldige Stimme unterbrach ihre Gedankengänge.

„W-Was ist mit Kagura? Ihn kannst du doch zu Chiaki schicken.“, versuchte Maron verzweifelt aus der Situation rauszukommen.

„Maron…“ Kaiki’s Augen verhärteten sich und seine Stimme bekam einen autoritären Ton. Die Angesprochene zuckte etwas zusammen. Verdammt

Sie konnte Kaiki schwer was abschlagen. Vor ihm hatte Maron genauso viel Respekt wie vor ihrem eigenen Vater.

„Okay…“, seufzte sie. „Ich werde bei ihm zu Hause nachschauen…Und mit ihm reden.“

„Gut.“, nickte Kaiki zufrieden und drückte ihr den Zweitschlüssel von Chiaki’s Wohnung in die Hand. „Kagura wird dich fahren.“

„M-Moment ich soll jetzt zu ihm?!“

„Natürlich!“

„A-A-Aber-…“ Ein weiterer Blick von Chiaki’s Vater ließ sie schließlich verstummen. „I-Ich mach’s.“, gab Maron sich geschlagen.

Sofort bildete sich wieder ein zufriedenes Lächeln auf sein Gesicht. Natsuki und Shinji fingen an verschmitzt zu grinsen.

„Danke, Maron. Das bedeutet mir viel.“, sagte Kaiki und legte ihr väterlich eine Hand die Schulter.

Wieso bekam sie das Gefühl nicht los, dass dies von Anfang an Kaiki’s Ziel von diesem ungewöhnlichen Treffen war? Und ob Natsuki und Shinji darin eingeweiht waren?

 

Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch stand Maron vor Chiaki’s Wohnungstür. Nervös spielte sie mit ihrer am Hals rum.

Gott verdammt, wieso bin ich so nervös?, dachte sie sich frustriert.

Verbissen ging sie auf die Tür zu und klingelte. Geduldig wartete sie, doch niemand öffnete sie ihr. Sie klingelte ein weiteres Mal und wieder bekam sie keine Antwort.

Ob er nicht da ist? Aber sein Auto stand draußen...Und was ist, wenn er für ein Spaziergang weg ist?, ging es ihr durch den Kopf. In ihrer Jackentasche fühlte sie den Zweitschlüssel in ihrer Hand.

Ihr Gewissen sagte ihr, dass sie Kaiki wenigstens den Gefallen tun könnte, bei Chiaki zu Hause nachzuschauen.

Seufzend steckte sie den Schlüssel ins Schloss und riegelte die Tür auf.

Es war eine Weile her, seit Maron das letzte Mal bei ihm zu Hause zu Besuch war. Es überraschte sie nicht, die Wohnung genauso sauber und ordentlich zu sehen, wie Maron sie das letzte Mal sah.

Sie ging durch den Flur ins Wohnzimmer und fand Chiaki schlafend auf dem Sofa liegen. Über ihm lag eine dünne Baumwolldecke.

Schläft wohl tief und fest…erklärt wieso er die Klingel nicht gehört hat, dachte Maron sich erstaunt. Auf dem Wohnzimmertisch sah sie ein paar Medikamente und Tabletten verstreut herumliegen. War er krank?

Sie stellte sich an dem Ende des Sofas hin, wo auch sein Kopf ruhte und blickte auf ihn herab.

Sollte sie ihn nicht doch besser in Ruhe lassen und gehen?

Plötzlich öffneten sich seine Lider und ihre Augen blickten in seine. Verschlafen blinzelte Chiaki sie einige Male an, machte jedoch keine Anstalten aufzustehen.

Sie starrte zurück.

„Träum ich?“, fragte er schließlich und kniff leicht die Augen zusammen. „Für einen Traum siehst du ziemlich real aus…“

Maron war zunächst etwas perplex über die Information, dass er öfters von ihr zu träumen schien, fasste sich jedoch schnell wieder.

„Du träumst nicht.“, erwiderte sie und zwickte ihm in die Wange.

„Au!“ Chiaki hielt sich schmerzlich das Gesicht.

„Siehst du.“

„Schon kapiert!“ Er setzte sich auf und sah sie an. „Was machst du hier?“

„E-ehm... Dein Vater hat sich Sorgen gemacht, weil du dich nicht meldest und hat mich hierher geschickt.“, erklärte Maron achselzuckend.

Chiaki zog eine Augenbraue hoch und lachte ungläubig auf. „Okay? Das heißt, du bist nicht freiwillig hier?“

Maron biss sich schweigend auf die Lippe.

„Schon gut, du brauchst mir nichts zu erklären.“, winkte Chiaki müde ab, „Ich hatte die letzten Tage mein Handy lautlos und wollte einfach die Ruhe genießen. Außerdem hatte ich mir dank Shinji eine dämliche Erkältung mit Fieber eingefangen.“

„Wieso ist das Shinji’s Schuld?“, fragte Maron verwundert und setzte sich mit Abstand auf das Sofa hin. Chiaki entging das nicht, seine Züge verhärteten sich.

„Er hat mich für ein paar Drinks durch den Regen geschleppt.“

„Ah…Dann hättest du deinem Vater wenigstens das mitteilen können.“

„Keine Lust gehabt.“

Maron fuhr sich augenrollen durch die langen Haare. „Nun…wie es aussah, war Shinji auch erkältet. Dein Vater hatte uns vorhin alle in sein Büro bestellt.“

„Aha. Mich hat es bestimmt härter erwischt.“

„Kann sein... Aber ist es schon mal gut zu sehen, dass es dir besser geht!“

„Von wegen.“, schnaubte Chiaki und stand vom Sofa auf. „Temperatur habe ich immer noch. Und Migräne…“

Maron musterte ihn von oben bis unten. Er trug eine schwarze Sweatpants und ein enganliegendes weißes T-Shirt, welche seine schlanke, durchtrainierte Figur zur Geltung brachten. Energisch schüttelte sie leicht den Kopf.

„Soll ich dir was zu trinken anbieten?“, hörte sie ihn fragen.

„Eh, Nein Danke. Ich denke, ich gehe auch gleich. Ich bin ja nur hier, um nach dir zu sehen.“, antwortete sie und zog ihren Mantel etwas enger um sich.

„Nun, wie du siehst, lebe ich noch.“

Gerade als Chiaki sich zur Küche begeben wollte, fing er an zu schwanken, stoppte und lehnte sich an der Wand an. Angestrengt kniff er sich die Augen zusammen und atmete schwer.

Sofort sprang Maron auf und ging auf ihn zu.

„Alles okay?“, fragte sie besorgt. Sie legte ihm eine Hand auf die Stirn. „Du glühst ja!“ Erst jetzt fiel ihr auch auf, dass sein Gesicht fieberhaft gerötet war. „Komm, leg dich wieder hin. Du musst dich ausruhen.“

„Ich komme schon klar!“, wendete er ein.

„Nein, du legst dich jetzt ins Bett.“, sagte Maron ernst und bestimmt. Chiaki blinzelte einige Male, um seinen Blick zu fokussieren. Er schaute sie an und blickte ihr in die Augen. Jegliche Distanziertheit war verschwunden und wurde mit ehrlicher Sorge ersetzt.

Erschöpft schloss er seine Augen und nickte. „Okay...“

„Gut. Sag mir was du brauchst, ich kümmere mich darum.“

 

Nachdem Chiaki sich in sein Schlafzimmer zwang, brachte Maron ihm seine Medikamente sowie ein Glas Wasser. Nebenbei hatte sie ihm Tee gekocht. Ihre Sachen hatte sie im Wohnzimmer abgelegt.

„Brauchst du noch irgendwas?“, fragte sie ihm und stellte die Teetasse auf den Nachtschrank ab.

Chiaki schüttelte den Kopf und schluckte seine Tabletten.

„Als Arzt solltest du besser wissen, dass du dich ausruhen sollst.“, merkte Maron an. Sie kniete neben dem Bett auf den Teppichboden.

„Die letzten vier Tage kam ich auch klar.“, erwiderte er leise und rieb sich zischend die Schläfe.

„Hast du noch irgendwelche Schmerzen?“

„Die Migräne nervt.“

„Du hast doch Tabletten genommen…“

„Die müssen noch wirken.“

Entkräftet fiel Chiaki ins Kissen zurück und blickte zur Decke. Dann drehte er sich zu Maron, blinzelte sie müde an. Verlegen blickte sie weg und zupfte unsicher an dem Saum ihres Oberteils rum.

„Auch wenn du nicht freiwillig hier bist… Ich bin froh dich zu sehen.“, sagte Chiaki plötzlich und lächelte schwach. Ihre Augen weiteten sich. Sofort kam ihr die Erinnerung vor Augen, wie sie ihn als Kind das erste Mal besuchte, als er schwer krank war. Da hatte er sich auch gefreut sie zu sehen. Sie musste schlucken.

„Ich bin freiwillig geblieben.“, brachte Maron sanft entgegen. Ihre Mundwinkel zogen sich nach oben. Daraufhin kicherte er leise in sich hinein, die Stimme tief und rau. Seine braunen Augen ließen nicht von ihr los.

„Wieso musste ich mich in dich verlieben…?“, wisperte Chiaki kaum hörbar, sprach eher zu sich selbst als an sie gerichtet.

„Chiaki…“, seufzte Maron, presst sich unsicher die Lippen zusammen und schaute auf ihre Hände auf ihrem Schoß herunter, „Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll. Aber du bist mein bester Freund und-...“

„Ich will aber nicht nur dein bester Freund sein.“, unterbrach er sie. „Ich will der beste Freund sein, in den du dich hoffnungslos verliebst. Ich will der beste Freund sein, bei dem du es kaum erwarten kannst nach Hause zu kommen, um ihm über jede Kleinigkeit deines Tages zu berichten. Der beste Freund, der dich schließlich in die Arme nimmt und vor allen Strapazen der Welt beschützt.“ Er hielt inne, atmete tief durch. „Gott...Ich rede mal wieder zu viel.“ Er vergrub sein Gesicht in das Kissen. Mit einem niedergeschlagenen Ausdruck sah Chiaki wieder zu ihr auf.

„Gemeinsam aufzuwachsen und so viel über den anderen zu wissen, hat-…Hat es mir ganz schön schwer gemacht, dir endlich meine Gefühle zu gestehen. Ich hab zu lang gewartet… und nun liebst du Hijiri….“, sprach er betrübt.

Sprachlos blickte Maron ihn an, unfähig etwas zu erwidern. „Chiaki…“

Ein müdes, verliebtes Lächeln bildete sich auf seinen Lippen.

„Du bist wunderschön, weißt du das? Wie ein Engel…“ Die Worte sprach er leise, aber dennoch deutlich genug aus.

Maron begann zu stottern und schaute peinlich berührt weg. Ihre Wangen liefen rot an.

Nach einigen stillen Momenten stellte sie fest, dass Chiaki eingeschlafen war.

Für einen ruhigen Augenblick musterte Maron ihren schlafenden Freund und rückte näher an den Bettrand ran. Er wirkte so friedlich und ruhig, wenn er schlief. Maron konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.

„Schlaf gut.“, sagte sie sanft und zog ihm die Decke vorsichtig hoch. Zu guter Letzt strich sie ihm noch ein paar Strähnen aus dem Gesicht.

Bei der Geste zuckten seine Augen und sie öffneten sich einige Millimeter.

„Oh verdammt…hab ich dich geweckt?“, flüsterte Maron erschrocken.

Doch anstatt zu antworten reichte Chiaki plötzlich eine Hand nach ihr aus, umfasste ihren Hinterkopf, zog sie etwas zu sich heran und drückte ihr einen zarten Kuss auf die Stirn.

Verträumt grinste er in sich hinein, die Augen immer noch halb offen. Schließlich fielen seine Lider wieder ganz zu, er ließ von ihr los und kuschelte sich in sein Kissen rein. Leise vernahm man seinen ruhigen Atemrhythmus. Er schlief tief und fest.

Maron war wie gelähmt. Ihre Augen waren weit aufgerissenen.

Schnell atmete sie ein und wieder aus. Sie hatte nicht gemerkt, dass sie den Atem angehalten hatte.

Langsam hob Maron ihre Hand und betastete mit den Fingern die Stelle, wo vor ein paar Sekunden noch seine Lippen sie berührt hatten.

Ihr Gesicht fühlte sich heiß an.

Ihr Herz raste.

Schließlich löste Maron sich von ihrer Schockstarre, stand auf, schnappte sich ihre Sachen und lief schnellen Schrittes aus Chiaki’s Wohnung.
 

***

Mit einer Tüte vom Mori-Café in der Hand betrat Chiaki die Momokuri News Redaktion und steuerte auf Maron’s Tisch zu. Es waren drei Tage her, seit sie bei ihm zu Besuch war. Danach hatte er sich schnell von seinem Fieber erholt.

Im Redaktionsgebäude lief er an Miyako vorbei, die sich mit einem braunhaarigen jungen Mann unterhielt und winkte ihr zu. Sie winkte lächelnd zurück.

Maron blickte verwundert zu ihm auf, als er die braune Papiertüte auf ihrem Tisch abstellte.

Neugierig blickte sie rein.

„Ein Becher Chai Latte und ein Erdbeertörtchen.“, sagte Chiaki.

„Meine Favoriten.“, nickte sie und sah ihn fragend an, „Wofür ist das?“

„Einfach so…“, zuckte er mit den Schultern und sah unsicher zur Seite, „Hör zu, ich weiß zwischen uns war es in letzter Zeit ziemlich komisch…“

„Ja…In der Tat.“, stimmte sie ihm zu.

Kurzes unbeholfenes Schweigen herrschte zwischen den beiden.

„Danke für das Fresspaket.“, sagte Maron peinlich berührt.

Chiaki lächelte sie schief an. Sie erwiderte das Lächeln schüchtern.

„Nun…Wusstest du, dass ich in die Zukunft sehen kann?“, fragte er plötzlich.

Schmunzelnd legte Maron den Kopf schief und sah ihn an. „Wirklich?“

„Ja, habe ich dir das nie gesagt?“

Amüsiert lachte Maron auf. „Nicht das ich es wüsste - Nein.“

„Es ist wahr.“, grinste Chiaki.

„Wenn das so ist…Was hast du denn gesehen?“, fragte Maron interessiert.

Er sah sie eindringlich an. „Dass du und Hijiri glücklich zusammen seid und dass zwischen uns wieder alles okay ist. Wird zwar seine Zeit brauchen, aber alles wird wieder beim Alten sein und wir sind immer noch die allerbesten Freunde, die es gibt.“ Ein kleines Lächeln bildet sich auf seinen Lippen.

„Die Zukunft hört sich nicht schlecht an.“, erwiderte sie sanft.

Beide fingen an zu lachen.

 

„Und…eh, tun wir so als wäre die eine Sache nie passiert?“, fragte Maron leise und sah verlegen zu Boden.

Irritiert zog Chiaki die Brauen zusammen. „Was genau meinst du?“

„Na, als du kurz wach warst…“ Ihre Wangen röteten sich leicht.

Verwirrung zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. „War ich das?“ Er neigte fragend den Kopf.

Maron zog skeptisch die Brauen zusammen.

„...An was kannst du dich erinnern?“, fragte sie.

Chiaki überlegte kurz. „Wir haben geredet-... Ich habe geredet, besser gesagt. Und war ein ziemlich emotionales Wrack.“ Er fuhr sich beschämt über das Gesicht.

Mit großen Augen blickte Maron ihn an.

Er konnte sich nicht erinnern? Er konnte sich nicht an den Stirnkuss erinnern?

Unbewusst musste sie daran zurückdenken und sah sein verträumtes Lächeln vor Augen. Wenn sie sich richtig entsinnen konnte, wirkte er wirklich nicht ganz bei Bewusstsein. Womöglich befand er sich im Halbschlaf, hatte geträumt und es unbewusst getan.

„Maron?“ Seine Stimme ließ sie zusammenzucken und riss sie aus den Gedanken.

„Vergiss es. D-da war nichts.“, winkte sie schnell ab.

Chiaki blickte Maron verwirrt an.

„Okay…?“ Er sah auf seine Uhr. „Nun ich geh jetzt. Muss noch ins Krankenhaus zu meinem Vater.“

Maron nickte. „Bis später.“

Eine Weile sah sie Chiaki noch nach, nachdem er aus der Redaktion verschwand.

Ab jetzt war alles wieder beim Alten.

Oder?

Geistesabwesend fasste sie sich die Stirn und seufzte schwer.
 

 

 

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So viele Wörter… Hoffe den einen oder anderen hat dieses längere Kapitel gefallen :)

Bis zum nächsten Kapitel!

 

Chapter 12: Keeping Things From One Another

Chapter 12: Keeping Things From One Another

 

„Maron! Hey, Maron!“

Überrascht fuhr Maron zusammen und blickte in Hijiri’s Gesicht, der mit der Hand vor ihren Augen wedelte.

„Oh, Sorry.“ Leicht irritiert wandte sie ihren Blick vom Fenster ab und sah sich im Café, in dem das Paar saß um. Maron versuchte sich zu erinnern worüber sie geredet haben. „Ehm...Worüber haben wir geredet?“, fragte sie schließlich.

Hijiri zog skeptisch die Brauen zusammen.

„Darüber ob wir zu diesem Gruppendinner am Freitag mitgehen wollen.“, antwortete er ihr.

„Oh...Ach ja.“ Maron sah auf ihr Handy runter und las Natsuki’s Nachricht, welches sagte: „Habt ihr beide Lust mit uns und Chiaki Abendessen zu gehen? :)“

„Genau… die drei wollen mit uns dieses neue China-Restaurant ausprobieren.“, sagte Maron und scrollte einige Nachrichten auf und ab. „Hast du Lust?“, fragend blickte sie wieder zu Hijiri auf.

Dieser zuckte mit den Schultern. „Ich habe nichts dagegen.“, sagte er und ergänzte nach kurzer Überlegung, „Obwohl Chiaki mir dann etwas leid tut.“

„Wieso?“

„Naja, wenn man zwei Pärchen um sich herum hat… da fühlt man sich doch schon einsam, findest du nicht?“

Maron presste sich kurz die Lippen zusammen. „Er ist ja unter Freunden.“, sagte sie schließlich und hob eine Augenbraue.

„So kann man das auch sehen.“, lachte er.

„Also sage ich für uns beide zu!“ Damit schrieb Maron ihrer grünhaarigen Freundin kurz zurück und packte ihr Handy wieder in die Handtasche.

Hijiri nickte und trank an seinem Espresso. „Ist mit dir eigentlich alles in Ordnung?“, fragte er leicht besorgt.

„Ja! Wieso fragst du?“

„Du driftest in letzter Zeit ziemlich oft ab.“

Maron winkte mit einem verspielten Lächeln ab. „Ach was! Ich hatte nur überlegt, ob diesen Freitag die Weihnachtsfeier der Redaktion ansteht. Aber die ist erst nächste Woche.“, erklärte sie sich.

„Ach so.“

„Außerdem hatte ich mir noch eine gedankliche Liste gemacht, für wen ich alles noch Geschenke besorgen muss.“

„Das waren etwa nicht alle?“, fragte Hijiri ungläubig und blickte auf die zig vollen Shopping-Taschen auf den freien Stuhl zwischen ihnen.

„Das ist gerade mal alles, was ich für meine Eltern und Verwandten besorge.“, erwiderte Maron ernst, „Denn Rest will ich jetzt noch besorgen. Also los!“

Mit den Worten stand sie voller Tatendrang auf und nickte mit dem Kopf Richtung Einkaufszentrum. Ihr Freund legte entkräftet den Kopf in den Nacken. Widerwillig stand er ebenfalls auf und folgte ihr.

 

Einige Wochen waren nun vergangen. Weihnachten sowie das Jahresende standen allmählich vor der Tür.

Die Straßen wurden mit Lichterketten dekoriert und hell beleuchtet. In allen Geschäften und Läden sammelten sich Menschen an, um ihre Weihnachtseinkäufe zu erledigen.

Zwischen Maron und Chiaki war alles wieder beim Alten. Er stand ihr als bester Freund weiterhin für Rat und Tat zur Seite und benahm sich auch so wie immer. Wie als wären die letzten Tage nach seinem Geburtstag nie gewesen zu sein.

Maron war eigentlich froh darum.

Jedoch spürte sie noch immer dieses leichte Kribbeln auf ihrer Haut, wenn sie ihn sah oder an ihn dachte. Noch immer spürte sie den kleinen Kuss auf ihrer Stirn. Dieses warme Gefühl in ihrem Inneren, welches in diesen Momenten auftauchte, irritierte sie sehr.

Sowie die plötzlichen Herzklopfen.

Sie versuchte alles bestmöglich zu ignorieren.

 

Nach zwei Stunden verließen Maron und Hijiri Arm in Arm das überfüllte Einkaufszentrum.

„Nächste Weihnachten weigere ich mich mit dir in die Stadt zu fahren. Ist ja nicht auszuhalten diese Menschenmenge!“, kam es von dem Rothaarigen genervt.

Seine Freundin kicherte amüsiert. „Mutig von dir anzunehmen, dass wir nächste Weihnachten auch noch zusammen erleben.“

„Was soll das jetzt bitte heißen?“ Hijiri wandte sich mit einem entsetzten Gesichtsausdruck zu ihr.

„War nur ein Witz!“, lachte sie.

„Ein ziemlich schlechter.“, murmelte er und sah auf die Taschen in seiner Hand. „Hast du auch wirklich alles, was du brauchst?“

„Ja!“, grinste Maron. „Und dass ich dich vorhin nach deiner Hemdgröße gefragt habe und dich dann dazu gezwungen habe draußen vor dem Laden zu warten, soll nicht bedeuten das du ein Hemd bekommst.“, fügte sie schmunzelnd hinzu.

Doch Hijiri hörte nicht mehr zu. Sein Blick blieb an eine Person haften, die soeben an ihnen vorbei lief.

„Eh, J-Jeanne?“, rief er überrascht aus. Maron folgte seinen Blick.

Eine junge Frau mit langen, silbernen Haaren und einem Rollkoffer in der Hand blieb stehen und drehte sich zu dem Paar um. Sie trug einen beigefarbenen Mantel, dunkle Wollstrumpfhosen und schwarze kniehohe Stiefeln.

Jeanne?, ging es Maron stutzig durch den Kopf und musterte die junge Frau. Hübsch ist sie…, dachte die Braunhaarige sich mit leichter Ehrfurcht.

„Oh… Hi Hijiri.“, sagte Jeanne mit einem verhaltenen Lächeln. „So ein Zufall.“

„Hey, eh, Ja! Wirklich ein Zufall.“, entgegnete er und rieb sich verlegen den Nacken, „Was machst du hier? Ich dachte, du wohnst noch in Osaka…“

„Doch, doch! Ich bin nur geschäftlich hier. Für eine Woche. I-Ich bin gerade auf den Weg zu meinem Hotel.“

„Ah, okay.“ Dann wurde es für eine Sekunde still.

Maron sah zwischen ihm und Jeanne hin und her.

„Hi!“, durchbrach sie die unangenehme Stille und streckte Jeanne die Hand aus, „Ich bin Maron.“

In dem Moment fiel Hijiri wieder ein, dass die Braunhaarige auch anwesend war. „Oh, genau – Sorry. Das ist meine Freundin Maron.“, stellte er sie vor.

„Nett dich kennenzulernen.“ Jeanne schüttelte ihr freundlich die Hand. „Nun, ehm, ich muss jetzt wirklich los ins Hotel. Es wird langsam kalt.“, sagte sie und nickte mit dem Kopf Richtung Hotelgebäude am Ende der Straße.

„Oh, klar! War schön dich wiederzusehen.“, erwiderte Hijiri nickend.

„Ja. Freut mich auch.“ Jeanne ließ ihre grauen Augen zu Maron wandern. „War nett dich kennenzulernen.“

„War mir eine Freude.“, sagte Maron mit einem Lächeln.

Dann drehte sich Jeanne um und verschwand unter der Menschenmenge.

Seufzend legte Hijiri einen Arm um Maron’s Taille und beide setzten ihren Weg wieder fort.

„Woher kennst du sie?“, fragte Maron neugierig.

„Wir kennen uns aus dem Studium. Sie kam aus Frankreich hierher.“, erklärte er.

„Aaah… Cool. Jetzt scheint sie sich in Osaka festgesetzt zu haben, wie ich rausgehört habe.“

„Ja. Sie wollte schon immer in Japan leben.“

„Wow…Ziemlich cool.“

„Japp. Und-…“ Hijiri stoppte sich, presste sich die Lippen zusammen und seufzte schließlich.

Maron sah ihn an und neigte fragend den Kopf. „Was ist los? Wolltest du noch was sagen?“

„Eh… Nein, nichts.“, entgegnete er nach kurzem Zögern. Anschließend drückte er ihr einen Kuss auf die Schläfe, worauf sie verlegen grinsen musste.

Die beiden gingen zu seinem Auto und fuhren schließlich nach Hause.

 

Drei Tage später ging Maron ins Mori-Café, um dort ihre Mittagspause zu verbringen.

Im Café angekommen, wurde sie direkt vom Inhaber und ehemaligen Kollegen begrüßt.

An der Theke war viel Betrieb, wodurch sich schon eine kleine Schlange gebildet hatte. Sie reihte sich ein und blickte zur Menü-Tafel auf. Dann fiel ihr aus dem Augenwinkel eine vertraute Person auf, die ebenfalls zur Tafel hochschaute.

„Oh, Hallo Jeanne.“

Die Französin blickte sie überrascht an. „Hi Maron.“

„Kannst du dich nicht entscheiden?“, fragte Maron freundlich.

„Ja…“, nickte Jeanne und sah wieder zur Tafel auf. „Man hatte mir dieses Café angeboten und die haben eine ziemlich gute Auswahl.“ Kurz überlegte sie und wandte sich wieder an Maron.

„Kannst du mir was empfehlen?“, fragte sie.

„Klar! Ich habe für eine Zeit lang hier gearbeitet.“, lächelte Maron, „Bei den Kunden waren der Caramel Latte Macchiato und der Käsekuchen beliebt. Meine persönlichen Favoriten sind der Chai Latte und die Erdbeertörtchen.“

„Hmm. Dann nehme ich den Chai Latte und den Käsekuchen.“, schmunzelte Jeanne.

„Okay. Wenn du willst, kann ich dir Gesellschaft leisten, solange ich Pause habe.“

„Ich hätte nichts dagegen.“

Nach ein paar Minuten hatten beide was bestellt und begaben sich zu einem Tisch.

„Wie findest du Momokuri bis jetzt?“, erkundigte Maron sich bei ihrem Gegenüber.

„Vom ersten Eindruck her: eine hübsche Stadt.“, sagte Jeanne und nippte an ihrem Becher, „Ich kam noch nicht dazu mir die Stadt in Ruhe anzugucken, aber das werde ich mir am Wochenende vornehmen.“

„Hijiri und ich können dich ja rumführen.“

In den Augenblick hielt Jeanne in ihrer Bewegung inne und blickte auf ihr Getränk herab.

„Lieber nicht.“, lehnte sie das Angebot bestimmt ab.

Maron machte ein verwundertes Gesicht. „Darf ich fragen wieso?“

Jeanne presste sich kurz die Lippen zusammen und sah aus dem Fenster.

„Hat Hijiri mich jemals erwähnt?“, fragte sie stattdessen plötzlich und sah Maron an. „Bevor wir uns auf der Straße begegnet sind…“

Diese zog eine Braue hoch. „Nein. Wieso sollte er?“

Diesmal machte Jeanne ein verwundertes Gesicht und neigte den Kopf. „…Was hat er über mich erzählt?“, stellte sie als Gegenfrage.

„Dass ihr euch aus dem Studium kennt.“

„Mehr nicht?“

„Mehr nicht.“ Maron irritierten die ständigen Gegenfragen.

Jeanne fasste sich die Stirn und schüttelte ungläubig den Kopf. Sie fing an kurz aufzulachen. Maron wurde nicht schlau aus ihrem Verhalten. Schließlich ebbte ihr Lachen ab und Jeanne sah sie ernst an.

„Wir waren mal zusammen während unseres Studiums.“, offenbarte sie schließlich mit ruhiger Stimme. „Über drei Jahre.“

Maron blickte die hübsche Französin mit großen Augen an.

„Okay.“, erwiderte sie und nahm die Information achselzuckend zur Kenntnis, „Gut zu wissen.“

„Interessant, dass du das nicht weißt.“

„Jeder hat eine Vergangenheit.“ So geschockt Maron sich eigentlich fühlen sollte, so war sie zu ihrem eigenen Erstaunen sehr ruhig und gelassen. „Nun-… Ich verstehe schon. Ich kann verstehen, wenn du dich von ihm fernhalten willst.“

Sie lehnte sich zurück und sah Jeanne verständnisvoll an.

„Hmm.“ Jeanne stütze ihren Ellenbogen auf den Tisch ab und legte ihr Kinn in die Hand. „Ich glaube, ich weiß wieso er dir nichts von mir erzählt hat.“, sagte sie und seufzte schwer.

„Wieso?“, fragte Maron, die Augen leicht verengt.

Für einen Augenblick war es still zwischen beiden Frauen.

„Ich glaube, dass solltest du ihn selbst fragen…“, entgegnete Jeanne.

„Nein.“, wendete Maron ein und blickte sie ernst an, „Ich möchte es von dir hören.“

Zögernd biss sich Jeanne auf die Unterlippe. „Okay, wie du willst.“ Sie richtete sich auf ihren Stuhl gerade. Mit den Worten begann sie schließlich zu erzählen, weshalb die Beziehung mit Hijiri zu Ende ging.

„D-Das tut mir leid.“, brachte Maron leise hervor. Nun war sie wirklich geschockt.

Jeanne winkte schulterzuckend ab und lächelte gequält.

„Weißt du, als ich ihn sah, da kam alles wieder hoch und-…Ich will’s einfach vergessen.“ Sie stand auf und zog sich ihren Mantel an. „Wenn du mich entschuldigst…Ich muss jetzt los.“

Damit verabschiedete Jeanne sich von Maron und verließ das Café.

Maron saß noch für einige Minuten am Tisch und blickte mit ausdrucksloser Miene aus dem Fenster raus.

Heute Abend ist das Gruppendinner…, ging es ihr durch den Kopf.

Seufzend ging sie schließlich zurück zur Arbeit.
 

***

„Wozu habt ihr mich zu diesem Essen eingeladen?“, fragte Chiaki an Natsuki und Shinji gerichtet, während sie durch den Parkplatz liefen und auf das Restaurant zusteuerten.

Am liebsten wäre er zu Hause geblieben. Die Arbeit war mehr als stressig gewesen. Cholerische Patienten ohne Ende und überforderte Krankenschwestern, die die Patienten nicht im Griff bekamen und ihn zu Hilfe riefen.

„Ihr hättet zu zweit oder mit den anderen beiden alleine hingehen können.“, merkte er an, eine Hand in die Hosentasche gesteckt und fuhr sich seufzend mit der anderen Hand über den Hinterkopf.

„Natsuki wollte ein letztes Mal unter Freunden was unternehmen, bevor wir die Weihnachtstage und Neujahr bei ihrer Familie in Okayama verbringen.“, erklärte Shinji sachlich.

„Außerdem verhinderst du mit deiner Anwesenheit, dass der heutige Abend als Doppeldate abgestempelt wird.“, fügte Natsuki hinzu.

„Meine Anwesenheit macht mich wortwörtlich zum fünften Rad am Wagen.“ Chiaki rollte mit den Augen. „Nun denn. Ist auch egal. Ich bin jetzt hier und habe Hunger.“, zuckte er mit den Schultern.

Im Restaurant angekommen, warteten schon Maron und Hijiri vor dem Eingang.

„Hey Leute!“, begrüßte Natsuki die beiden und ging auf Maron zu, „Oh mein Gott, du siehst Hammer aus!“, umarmte sie ihre Freundin, die ein enganliegendes weißes Kleid unter ihrem Wintermantel trug.

„Danke.“, entgegnete Maron zurück. „Du siehst auch nicht schlecht aus.“, sagte sie und deutete auf Natsuki’s waldgrüne Kleid.

„Und wie geht’s euch so?“, fragte Shinji freundlich.

„Gut.“, erwiderte Maron knapp.

„Gut ist relativ.“, kam es von Hijiri, worauf er einen kühlen von ihr erntete.

Chiaki neigte mit einem stutzigen Blick leicht den Kopf. Irgendwas stimmte nicht.

Im nächsten Moment kam ein Mitarbeiter des Restaurants und führte die Gruppe zu ihrem Tisch. Maron hakte sich bei Natsuki ein, die ein verwundertes Gesicht machte und gingen mit ihr voraus.

Irritiert blickten die Männer den Freundinnen nach und folgten ihnen langsam.

„Was ist los mit ihr?“, fragte Chiaki leise an den Rothaarigen gerichtet.

„Keine Ahnung…Seit ich sie abgeholt habe, ist sie so.“, antwortete Hijiri ihm leise zurück.

Chiaki verengte skeptisch die Augen. „...Was hast du angerichtet?“

„Nichts. Ich schwöre!“

„Okay…? So wie sie aussieht, musst du ja irgendwas getan haben.“

Hijiri erwiderte dazu nichts mehr und setzte sich neben Maron hin, die schon an dem runden Tisch Platz nahm. Chiaki ließ sich auf ihre andere Seite nieder.

Natsuki, die vom Bad zurückkam und Shinji setzten sich auf den zwei übrigen freien Stuhlen hin.

Ein Kellner brachte allen jeweils eine Karte und nach wenigen Minuten hatte jeder sich auch ein Getränk und ein Gericht bestellt.

 

„Also, ihr verbringt eure Feiertage in Okayama?“, erkundigte Hijiri sich bei dem anderen Paar.

„Japp.“, nickte Shinji und legte seiner Freundin seine Hand auf ihrer, die auf den Tisch lag. „Ist irgendwie schon zur Tradition geworden, dass ich die Tage mit ihr und ihrer Familie verbringe. Und meine Familie geht Weihnachten sowieso immer in den Urlaub.“

„Das ist schön.“, lächelte Maron und fragte im Anschluss plötzlich: „Wie lange seid ihr beide nochmal zusammen?“

„Fast drei Jahre.“, grinste Natsuki verliebt.

„Drei Jahre. Interessant.“ Maron schnellte ihren Kopf zur Seite zu Hijiri und sah ihn eindringlich an. Dann wandte sie sich wieder zu den anderen. „Da vertraut man sich mittlerweile garantiert blind und hat keine Geheimnisse voreinander.“ Immer wieder warf sie Hijiri ein paar scharfe Seitenblicke zu. „Ich meine, ihr erzählt euch bestimmt alles, oder?“

„Ehm, Ja. Ich sag Natsuki alles. Vor ihr habe ich keine Geheimnisse.“, erwiderte Shinji schulterzuckend.

„Kommunikation ist schließlich das Wichtigste in einer Beziehung.“, sagte Maron mit einem Lächeln, welches nicht ihre Augen erreichte. Neben ihr wurde Hijiri mit jedem Moment nervöser, versuchte allerdings sein Lächeln aufrechtzuerhalten. Mittlerweile entging keinem mehr die steigende Anspannung zwischen ihnen.

Chiaki sah zwischen den beiden hin und her, hielt sich bewusst aus dem Gespräch heraus.

„Nun…Genauso wichtig ist auch, dass man den Partner vertrauen kann.“, warf Natsuki ein, versuchte die Stimmung in eine aufzulockernde Bahn zu bringen. „Ist wahrscheinlich sogar wichtiger…“

„Das denke ich auch.“, stimmte Hijiri ihr zu. „Ich meine, manche Sachen können auch unausgesprochen bleiben. Aber solange man einander vertraut…“

„Ach, wirklich?“ Maron lachte ungläubig auf und sah ihn ernst an. „Ich denke, beides hängt eng miteinander zusammen und wenn die Kommunikation nicht funktioniert, dann ist das Vertrauen auch hinüber.“

Daraufhin wusste ihr Freund nicht mehr was er sagen sollte.

Einige unangenehme Sekunden verstrichen.

Natsuki und Shinji rutschten unsicher auf ihren Stühlen hin und her, tauschten sich stumme Blicke aus.

Chiaki rieb es sich still seufzend die Schläfe und schaute zur Seite.

„Gott sei Dank, das Essen ist da!“, rief der Blauhaarige mehr als erleichtert aus, als er den Kellner sah, der mit seinen Kollegen das Essen brachte.

Dies riss die anderen auch wieder in die Gegenwart zurück.

„Können wir uns bitte netten Abend heute machen?“, flüsterte Hijiri Maron in einem nahezu flehenden Ton zu.

„Ach, ich bin schuld, dass wir keinen netten Abend haben??“, kam es von ihr empört.

„Das habe ich nicht gesagt! Aber ich will die anderen nicht in eine unangenehme Lage bringen.“

Maron wog ihre Antwort kurz ab, sah ihn an und ließ ihren Blick zu ihren Freunden wandern, die leise untereinander sprachen und so taten als wären sie mit ihrem Essen beschäftigt.

„Egal, weswegen du sauer bist, wir reden zu Hause darüber. Versprochen.“, hörte sie Hijiri noch sagen.

Tief atmete sie ein und aus, ließ ihre angespannte Schulter sinken. Hijiri fasste dies als Zustimmung auf, seufzte erleichtert auf und nahm sich sein Glas Wasser.

„Ich weiß, dass wir letztens deine Ex-Freundin getroffen hatten.“, platzte es plötzlich aus Maron heraus, die Stimme monoton. „Ich traf sie heute zufällig wieder. Erklär mir mal, wieso du mir nichts gesagt hast und wieso ich von ihr erfahren durfte, dass du sie betrogen hast?“

Kaum waren die Worte ausgesprochenen, verschluckte Hijiri sich fast an seinem Wasser. Erschrocken sah er sie an.

Mit einem Schlag wurde es am Tisch still. Chiaki und seine Freunde starrten wie eingefroren sowie mit großen Augen das Paar an.

„Ich habe keinen Hunger mehr.“ Maron stand auf, nahm sich ihren Mantel und ging.

Hijiri war ebenfalls auf den Beinen und lief ihr nach. „Maron, w-warte…“

Nach einigen Augenblicken lösten die Verbliebenen am Tisch sich von ihrer Schockstarre.

„Wow…“, brachten Natsuki und Shinji gleichzeitig hervor. Die Perplexität war ihnen noch anzusehen.

„Ich bezahl für sie mit. Genießt den restlichen Abend einfach, okay?“, sagte Chiaki, legte den beiden Bargeld auf den Tisch und ging ebenfalls.

 

Maron lief aus dem Restaurant raus und sah sich auf der Straße um, auf der Suche nach einem Taxi.

„Maron!“, hörte sie sich hinter ihr sagen.

Seufzend drehte sie sich um.

„Ich kann verstehen, wenn ich in deinen Augen der größte Arsch der Welt bin.“, sagte Hijiri, „Aber das ist eine Ewigkeit her… Klar, es war furchtbar, was ich getan habe und für sowas sollte ich in der Hölle landen, aber-…“ Maron hielt ihm eine Hand stoppend entgegen, worauf er seinen Redefluss sofort abbrach.

„Nur damit du es weißt… Es geht nicht darum, dass du mal untreu warst.“, setzte sie an, die Stimme ruhig und bestimmt. „Nein, ich bin nicht sauer deswegen. Wir machen alle Fehler im Leben und das liegt in der Vergangenheit. Schließlich hat es auch nichts mit mir zu tun.“ Sie blickte Hijiri ernst an. „Ich bin sauer, weil du mir nichts von ihr und allem erzählt hast. Oder dass du es wahrscheinlich auch nicht vorhattest. Dass du mir nicht genug vertraust, um mir sowas zu offenbaren.“

„…Ich wollte es dir sagen.“

„Wirklich? Wann?“

„…“ Hijiri sah schweigend weg.

Maron seufzte und strich sich eine lange Strähne aus dem Gesicht.

„Hör zu. Ich kann verstehen, wenn du Angst hattest mir die Wahrheit zu sagen. Ich kann verstehen, wenn du mich und meine Gefühle in Schutz nehmen wolltest.“, sagte sie nach einigen Sekunden, „Aber das brauchst du nicht. Egal, was du in der Vergangenheit verbrochen hast, ich werde dich nicht dafür verurteilen.“ Sie legte ihm eine Hand sachte auf die Wange.

Im nächsten Augenblick blickte sie zu Seite, sah ein Taxi und winkte es herbei.

„Ich melde mich bei dir.“ Mit den Worten stieg die Braunhaarige in den Wagen ein und verschwand schließlich.

 

Chiaki, der alles mitbekam, beobachtete Hijiri dabei, wie er mit einem unsicheren Ausdruck dem Taxi hinterher blickte. Seufzend ging er auf ihn zu.

„Keine Sorge. Du hast sie noch nicht verloren.“

Irritiert drehte Hijiri sich zu ihm um.

Noch nicht??“, wiederholte er, „Was soll das bitte heißen?“

„Beruhig dich.“, winkte Chiaki leicht schmunzelnd ab und steckte seine Hände in die Hosentaschen, „Du verstehst, was ich meine. Sie ist momentan zwar enttäuscht, aber sie verzeiht dir.“

„Denkst du wirklich?“, fragte Hijiri vorsichtig nach. „Ich meine, ich will sie nicht für einen dummen Fehler verlieren, den ich vor Jahren gemacht habe.“

„Du hast doch gehört, wie einsichtig sie wurde.“

„Trotzdem fühle ich mich nicht besser.“

Kurz hielt Chiaki inne und presste sich die Lippen zusammen.

„Glaub mir, ich kenne sie.“, entgegnete er, versuchte sich seine innere Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. „Du bist ihr genauso wichtig, wie sie dir wichtig ist.“

„Okay….“, atmete Hijiri erleichtert aus und fuhr sich durch die Haare.

„Aber ich muss sagen, die letzten dreißig Minuten waren wirklich filmreif gewesen.“, merkte Chiaki in einem ironischen Ton an.

„Schön, dass es dich amüsiert hat.“

„Naja… eigentlich wäre ich lieber woanders gewesen, als in der ersten Reihe von eurem Beziehungsdrama zu sitzen.“

Hijiri sagte darauf nichts und kickte ein Kieselstein weg.

„Aber mal eine Frage.“, setzte Chiaki an und zog eine Braue hoch, „Als ihr deine Ex begegnet seid… Du hättest Maron ja nicht sagen müssen, dass du die Frau betrogen hast, aber wenigsten zu erwähnen dass du mit ihr mal was hattest, wäre sinnvoll gewesen. Ich meine- Dieses kleine Detail schien für dich nicht irgendwie…-keine Ahnung- relevant gewesen zu sein? Nicht mal ansatzweise?“

„Sie hatte nicht gefragt.“

„Maron ist eine Journalistin. Sie stellt immer Fragen.“

Hijiri fuhr sich genervt über das Gesicht. „Sie hatte nur gefragt, woher ich Jeanne kannte. Was ich ihr wahrheitsgetreu beantwortet habe.“

„Ahja…Und da bist du nicht auf die Idee gekommen, etwas mehr zu erzählen?“ Chiaki blickte ihn erstaunt an und lachte kurz auf. „Ich bin mir gerade nicht sicher, ob du nur so tust oder ob du wirklich so dämlich bist, wie du dich gerade gibst.“

Hijiri ignorierte die letzte Bemerkung augenrollend.

„Ich meine, hättest du kein Geheimnis daraus gemacht, dann wären euch -und besonders ihr- derartige Überraschungen erspart geblieben.“, merkte Chiaki an.

„Wie auch immer… Ich gehe jetzt nach Hause.“, sagte Hijiri. „Und hoffe darauf, dass Maron sich bald wieder meldet.“

„Eure Rechnung hab ich übrigens beglichen.“

„Danke.“ Damit verschwand Hijiri schließlich.

Zurück blieb Chiaki, der kurz zum Nachthimmel hochschaute.

Anschließend setzte er sich in Bewegung.
 

***

Maron saß mit einer dicken Decke um ihren Schultern auf der Verandabank vor der Haustür und schaute gedankenverloren zum Nachthimmel auf. Es begann zu schneien.

„Ist dir nicht kalt?“, sprach auf einmal eine vertraute Stimme zu ihr.

Sie blickte zu ihrer Linken und sah Chiaki mit einer weiteren Decke in der Hand vor ihr stehen. „Ich wollte gerade zu meinem Vater und habe dich draußen sitzen sehen.“, lächelte er sie sanft an.

Maron musste ebenfalls lächeln. „Ich gebe zu, ein bisschen frisch ist es geworden.“, entgegnete sie. Anschließend rückte sie etwas zur Seite, um ihm Platz auf der Bank zu bieten. Chiaki setzte sich hin und legte ihr die weitere Decke über die Schultern. Mit einem Nicken bedankte seine beste Freundin sich, die Wangen rosa angelaufen.

Einige Minuten saßen sie schweigend nebeneinander.

„Interessant… Die Menschen, die mir am Nächsten stehen, verheimlichen mir Sachen, aus Angst mich verlieren zu können.“, murmelte Maron leise vor sich hin, durchbrach die Stille zwischen ihnen.

Chiaki versteifte sich neben ihr etwas, wohlwissend dass sie ihn indirekt in die Aussage miteinbezog.

Sie warf ihm einen kurzen Seitenblick zu und kicherte leicht.

Er fuhr sich unsicher durch die Haare, nicht wissend, was er darauf erwidern soll.

„Ich habe eine ziemliche Szene im Restaurant gemacht, oder?“, sprach sie weiter und sah verlegen runter.

„Nun… Sooo schlimm war es nicht.“, zuckte er leicht schmunzelnd mit den Schultern.

„Doch, ich habe dich und die anderen in Verlegenheit gebracht. Ich hätte warten sollen, um es mit ihm unter vier Augen zu klären. Aber… irgendwie ist es letztlich aus mir herausgeplatzt.“

Ihr bester Freund lachte leise in sich hinein.

„Ich habe euer Gespräch draußen mitbekommen.“, gestand er.

Maron schmunzelte und sah sich zu ihm. „Ich weiß. Ich habe dich gesehen.“

„Ich habe mit Hijiri auch geredet.”

„Ja?“

„Nur ganz kurz.“

„Hm-Mhm.“

„Du bist ihm wirklich wichtig… Und ich denke, er wird aus seinen Fehlern gelernt haben.“

Maron nickte verstehend. „Mich überrascht es, dass du dich für ihn einsetzt.“

Mich auch…, dachte Chiaki sich im Stillen und sagte: „Er macht dich glücklich. Und ich wünsche mir nichts mehr als das du glücklich bist.“

Ein peinlich berührtes Lächeln bildete sich auf ihren Lippen.

„Danke.“, sagte sie sanft. „Ich glaube, ich werde ihn das Wochenende dazu bringen, sich bei Jeanne zu entschuldigen.“

„Mach das.“

Dann wurde es wieder still zwischen ihnen.

Ohne weiteres zog Maron die Decken enger um sich und lehnte ihren Kopf an Chiaki’s rechte Schulter an.

Chiaki überraschte die Geste zunächst, entspannte sich jedoch wieder und seufzte leicht.

Eine Weile saßen sie noch auf der Bank und beide beobachteten, wie langsam alles mit Schnee bedeckt wurde.

 
 


 

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Mal wieder ein Kapitel für den Übergang…

Hoffe den einen oder anderen hat es trotzdem gefallen…. :‘)

Nächstes Kapitel wird wieder interessanter! Versprochen! xD

Chapter 13: Yes? or No?

Chapter 13: Yes? or No?

 

Maron und Hijiri hatten ein Tag nach der kleinen Eskalation im Restaurant sich ausgesprochen und sich versöhnt. Ebenso hatte er sich bei seiner Ex-Freundin entschuldigt. Diese nahm seine Entschuldigung dankend an.

„Du kannst dich glücklich schätzen, sie zu haben.“, hatte Jeanne zu Hijiri gesagt und sah zu Maron rüber, die auf der anderen Straßenseite vor dem Auto wartete. Er folgte ihrem Blick und lächelte. Maron bemerkte die Blicke der beiden und winkte ihnen verspielt zu.

Sie winkten zurück.

„Da hast du Recht.“, stimmte Hijiri ihr zu, konnte seine Augen nicht von der hübschen Braunhaarigen abwenden. „Und ich bin mehr als glücklich, sie zu haben. Sie ist was Besonderes.“

„Vermassele es nicht mit ihr.“, zwinkerte Jeanne ihm zu.

Er schüttelte den Kopf. „Auf keinem Fall.“

Die Exes verabschiedeten sich voneinander und Maron empfing den Rothaarigen mit einer Umarmung.

„Ich bin stolz auf dich.“, sagte sie.

„Ich liebe dich.“, erwiderte er.

Sie gaben sich einen zarten Kuss.

 

In dem Augenblick lief Chiaki die Straße entlang und sah das küssende Paar einige Meter entfernt vor sich. Er spürte das allbekannte stechende Gefühl in seiner Brust.

Kurz lösten sie sich und Chiaki konnte sehen, wie Maron ihren Freund -der mit dem Rücken zu ihm gewandt stand- warm anlächelte.

Plötzlich trafen ihre braunen Augen auf seine. Ihr Lächeln verschwand kaum merklich. Sie wirkte leicht überrascht. Chiaki wüsste nicht wieso.

Für einige wenige Sekunden sahen die beide beste Freunde sich an.

Sekunden die sich wie Ewigkeiten anfühlten.

Chiaki konnte es sich nicht erklären, aber dieser Blickkontakt hatte was Eindringliches.

Intensives.

Er wagte es gar nicht wegzusehen.

Sein Herz wurde lauter.

Letztlich löste Maron den Blickkontakt, sah wieder zu Hijiri auf und sprach auf ihn ein. Dann stieg er ins Auto ein und sie begab sich zur Beifahrerseite. Maron warf Chiaki einen letzten unauffälligen Blick zu, bevor sie in den Wagen verschwand.

Anschließend fuhren sie los.

Chiaki sah dem roten Wagen kurz nach, fuhr sich seufzend durchs Haar und lief seinen Weg weiter.

„Nichts wird sich ändern…“, sprach er niedergeschlagen zu sich selbst.
 

***

Die Tage vergingen und Weihnachten sowie Neujahr vergingen wie im Fluge.

Es war die erste Woche des neuen Jahres.

Takumi betrat das Mori-Café und traf direkt Hijiri an, der an der Theke stand und zwei Tassen Kaffee entgegennahm.

„Soweit ich mich entsinne hast du dir die Woche doch frei genommen.“, begrüßte er seinen Angestellten, der ihm eine Tasse gab. Dankend nahm Maron’s Vater den Kaffee an. „Weshalb hast du mich hierhergerufen?“

„Ich… wollte nur mit dir reden.“, erklärte Hijiri sich.

„Reden?“ Takumi zog eine Augenbraue hoch. Beide begaben sich zu einem Tisch im hinteren Bereich des Cafés und setzten sich hin.

„Ja. Ohne die Anwesenheit von unseren Kollegen oder Maron oder deine Frau…“

Kurz lachte Takumi auf. „In anderen Worten, du wolltest mit mir alleine reden.“

Hijiri nickte zur Bestätigung. „Ja. Unter vier Augen.“

„Okay. Schieß los.“ Sein Chef nahm seine Tasse in die Hand und nippte kurz dran. „Worum geht’s? Und bitte sag mir nicht du willst eine Gehaltserhöhung.“, fügte er scherzhaft hinzu.

„Eh- Nein, nein.“, schüttelte Hijiri mit den Kopf. „…Es geht um Maron.“

„Um Maron?“

„Ja…Das mag jetzt vielleicht plötzlich kommen, aber deine Tochter ist mir wirklich wichtig. Und in letzter Zeit ist mir das mehr und mehr deutlich geworden.“ Er nahm tief Luft und sah Takumi direkt an. Dieser trank in Ruhe seinen Kaffee, spannt darauf was sein Gegenüber sagen wollte.

„Ich möchte Maron einen Antrag machen.“, gestand Hijiri schließlich.

In dem Moment hielt Takumi inne, den Kaffee auf halber Höhe vor seinem Mund haltend. Kurz sah er zu Hijiri, der ein hoffnungsvolles Lächeln auf dem Gesicht hatte. „Ich hatte gehofft… Nun, dass du mir vorher deinen Segen geben würdest.“, hörte er ihn weitersprechen.

Es wurde Still zwischen den beiden. Erwartungsvoll wartete Hijiri auf Takumi’s Antwort.

Der Architekt setzte seine Tasse langsam auf dem Tisch ab, die Augen auf das braune Getränk fixiert.

Dann atmete er kurz ein und sagte: „Nein.“

Mit einem ernsten Gesichtsausdruck blickte Takumi zu Hijiri auf.

Dem sein Lächeln gefror. Ungläubig lachte er kurz auf. „Bitte was?“

„Nein.“, wiederholte Takumi sich, die Stimme klar, autoritär und bestimmt. „Du bekommst meinen Segen nicht.“ Mit den Worten stand er auf, darauf bedacht zu gehen.

Sprachlosigkeit spiegelte sich in Hijiri’s Gesicht wider.

„Wenn du mich entschuldigst. Wir sehen uns nächsten Montag, nach deinem Urlaub.“, sagte Takumi und zog sich seinen Mantel an. Inzwischen löste Hijiri sich von seiner Schockstarre, stand ebenfalls auf und folgte seinem Chef zum Ausgang.

„Takumi, ich habe nur aus Höflichkeit gefragt. Aus Respekt! Ich- Ich brauche deine Erlaubnis nicht!“

Doch Maron’s Vater war schon aus dem Café verschwunden, ließ seinen Angestellten fassungslos zurück.
 

***

Am nächsten Tag:

 

„Bevor du gehst… Ich habe dir einen Interviewtermin klar gemacht.“

Überrascht drehte Maron sich zu ihrer Abteilungsleiterin Tsukasa Amamiya um, die eine dünne Mappe in der Hand hielt. Eigentlich wollte sie soeben raus in die Stadt und ihre Mittagspause anfangen.

„Was für ein Interview?“, fragte sie freundlich zurück.

„Mit diesem jungen Model. Diese Newcomerin, die letztes Jahr an große Popularität gewonnen hat.“, antwortete Frau Amamiya ihr, die sich angestrengt die Stirn hielt und überlegte. „Du weißt schon.“

„Das, eh, schränkt den Kreis nicht gerade ein. Letztes Jahr haben einige Models sich einen Namen gemacht.“, schmunzelte Maron.

„Du weißt, ich kann mir selten Namen merken, Maron.“, rollte Frau Amamiya mit den Augen, „Wie auch immer, ich hatte eben mit ihrem Manager einen Termin für diesen Freitag ausgemacht. Anscheinend hält sie sich für eine gewisse Zeit in Momokuri auf, aus privaten Gründen. Alles Weitere findest du hier.“ Damit drückte sie Maron die Mappe in die Hand. „Schau es dir in der Pause einfach an. Wir können später noch klären, wie wir die nächste Ausgabe mit ihr gestalten.“

„Alles klar…“ Maron nickte einmal und packte die Mappe in ihre Tasche ein. Anschließend musterte sie Frau Amamiya kurz, die ziemlich gestresst wirkt und leise vor sich hin brabbelte. In letzter Zeit wirkte sie angespannter als sonst, fiel Maron auf.

„Ist alles okay bei Ihnen?“, fragte sie besorgt.

Dies riss die blonde Frau aus ihren Gedanken und winkte verlegen lächelnd ab. „Oh, Ja, ja! Keine Sorge. Nur der übliche Hochzeitsstress.“

„Hochzeitsstress?“

„Ja. Mein Verlobter und ich heiraten doch im Frühling. Seit Monaten sind wir dabei alles zu planen. Man denkt sowas würde stressfrei ablaufen, aber Nein! Der Stress nimmt einfach kein Ende! Hunderte Gäste werden erwartet. Dann muss noch geregelt werden, wer wo sitzt und mit wem… Vorgestern hatten wir den ganzen Nachmittag damit verbracht, unzählige Kuchenstücke für die Hochzeitstorte auszuprobieren und mussten dann noch entscheiden, welches Design die Torte haben soll! Oh Gott – mir fällt ein, ich muss noch Brautkleider anprobieren und die Floristin anrufen!“

Stöhnend fasste sich Frau Amamiya den Kopf. Dann legte sie Maron eine Hand auf die Schulter. „Heirate niemals, Maron.“

Maron schenkte ihr ein sympathisches Lächeln und zog belustigt ihre Augenbrauen hoch.

„Wenn Sie es sagen.“, lächelte sie und schüttelte leicht kichernd den Kopf. Anschließend begab sie sich schließlich nach draußen.

 

Fünfzehn Minuten später saß Maron mit einer Tasse Pfefferminztee und einem Sandwich im Mori-Café.

Die Heizung war im Laden zwar an, dennoch fröstelte die junge Frau immer wieder, wenn die Tür sich öffnete und die kalte Luft von draußen reinkam. Sie verfluchte sich dafür, ihren Winterschal in der Eile zu Hause vergessen zu haben. Wieso musste sie auch wieder verschlafen?

Naja, egal…, dachte Maron sich.

Sie nahm einen Schluck von ihrem warmen Tee, schlug die Beine übereinander, machte sie es sich in ihrem Sitz gemütlich und holte die Mappe von Frau Amamiya raus.

Ihre Brauen zogen sich nachdenklich zusammen, als sie sich den Inhalt ansah. Gleichzeitig aß sie ihr Sandwich.

Den Namen kenne ich doch von irgendwo her…, dachte sie sich und legte den Kopf schief. Sie betrachtete das Foto vor sich. Das Gesicht kenne ich auch von irgendwo her…

Nach einigen Minuten machte es schließlich Klick und ihre braunen Augen wurden größer. Instinktiv hob sich ihre Hand und umfasste ihre Engelskette. Alte, ganz alte Erinnerungen kamen ihr hoch und spielten sich vor ihrem inneren Auge ab.

„Ausgerechnet sie…“, murmelte Maron leise zu sich selbst und seufzte.

Sie wischte sich mit der Serviette ihre Hand ab und trank ihren Tee. Gedankenverloren sah sie aus dem Fenster raus. Innerlich sträubte sie sich davor dieses Interview zu machen.

Ach, für dich nicht so auf…, mahnte sie sich in Gedanken, Schließlich ist die Sache Jahre her und vielleicht erkennt sie mich auch nicht wieder! Auf jeden Fall muss ich Chiaki davon erzählen…

Maron nahm einen weiteren Schluck und sah auf ihre Uhr. Ihre Augen weiteten sich erschrocken.

Shit! Ich muss zurück!“, zischte sie und leerte ihren Tee in einem Zug. Schnell sprang sie vom Stuhl auf und packte ihre Sachen. Maron zog sich ihren Mantel an und stieß unerwartet mit jemand zusammen, als sie sich umdrehte. Überrascht sprang sie zurück und verlor fast das Gleichgewicht, doch zwei starke Hände hielten sie an den Armen sicher fest.

„Beruhig dich. Ich bin’s.“, sprach eine vertraute Stimme zu ihr.

Sie blinzelte ihren Gegenüber überrascht an.

„Alles in Ordnung?“, fragte Chiaki mit einem amüsierten Grinsen und ließ vorsichtig von ihr los.

„J-Ja!“, entgegnete Maron und lachte verlegen. Sie strich sich einige lange Strähnen aus dem Gesicht und lief leicht rosa an. „Sorry, ich kann nicht lange reden. Ich hatte hier die Pause verbracht und komplett die Zeit vergessen.“

„Oh, kein Problem. Ich hol mir auch kurz einen Kaffee und dann muss ich auch zurück.“

„Ach so. Übrigens, ich muss dir später nach was erzählen!“

„Worum geht’s?“

„Uhm…“ Sie sah auf ihre Uhr. „Das erzähle ich dir besser später. Ich muss jetzt wirklich los. Bin spät dran.“

„Warte.“, sagte er plötzlich. „Es ist kalt draußen.“

Maron machte eine Grimasse. „Und? Wir haben schließlich Winter.“

„Weil du keinen Schal an hast.“, merkte Chiaki an und deutete auf ihren nackten Hals. „Und ich weiß, dass dir schnell kalt wird.“

„Oh.“ Sie sah kurz auf sich herab. „Hatte ich vergessen.“, kam es kleinlaut zurück.

Schmunzelnd nahm Chiaki seinen großen, dunkelroten Schal ab und legte ihn Maron um. Sie zuckte zunächst etwas zusammen, ließ es jedoch geschehen.

Ihr Herz machte einen Sprung.

Ihre Wangen erröteten.

Mit einem Mal wurde ihr warm.

„Den leihe ich dir für heute.“, sagte Chiaki.

„Aber-…“

„Kein Aber. Mir war sowieso schon zu warm mit dem Ding.“, grinste er Maron an, „Ich ruf dich an, wenn ich Zeit hab. Dann kannst du mir erzählen, was los ist.“

„Okay. U-Und danke für den Schal. Ich gebe ihn dir morgen wieder.“, sagte sie peinlich gerührt.

Damit ging Maron schließlich.

 

Verliebt lächelnd wartete Chiaki an der Theke auf seinen Becher Kaffee und sah Maron noch eine Weile nach, nachdem sie das Café verlassen hatte. Durch die gläserne Tür sah er, wie Hijiri ihr über den Weg kam. Sein Lächeln verschwand mit einem Schlag.

Kurz gaben sie sich einen Kuss und tauschten sich ein paar Worte aus, bis Maron ihren Weg eilig weiterlief.

Breit grinsend betrat Hijiri anschließend den Laden. Im selben Moment gab der Barista Chiaki seinen Becher, welchen er dankend annahm.

„Chiaki! Gut, dass ich dich hier antreffe. Ich muss mit dir reden.“, hörte er Hijiri hinter sich sagen. Innerlich rollte der junge Mann mit den Augen. Er steckte sich die freie Hand in die Hosentasche und drehte sich zu Hijiri um.

„Hey! Was gibt’s?“, fragte er freundlich lächelnd und trank seinen Kaffee.

Der Rothaarige nickte mit dem Kopf nach draußen. Widerwillig und desinteressiert folgte Chiaki ihm.

Kurz sah Hijiri sich in alle Richtungen um, griff in seine Jackeninnentasche und holte eine kleine schwarze Box hervor.

Darin brachte er einen schönen, verzierten Goldring Vorschein.

Chiaki verschluckte sich an seinem Kaffee, spuckte ihn teilweise auch aus.

Mit schockiert großen Augen sah er Hijiri an, der noch breiter grinste und den Blick die Straße entlang wandern ließ, wo Maron soeben verschwunden war.

„Oh.“ Chiaki blickte ebenfalls auf die Straße und drehte sich wieder zu Hijiri um, der die Box wieder einsteckte. „O-Okay!“, nickte er mehr als perplex, rieb sich unbeholfen über den Hinterkopf und versuchte sich wieder zu sammeln. Er verschränkte seine Arme vor die Brust und richtete sich gerade. Ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken. Chiaki bezweifelte, dass es an dem kalten Wetter lag.

„Ehm…Also- W-Was hat sie gesagt?“, stammelte er. „Obwohl, warte, du hast den Ring noch.“, korrigierte er sich, „Das heißt, du hast sie noch nicht gefragt. Oder du hast sie schon gefragt und sie sagte-…“

„Ich will ihr den Antrag heute Abend machen.“, stellte Hijiri klar.

„Oh, Okay.“, nickte Chiaki kurz. Er rang angestrengt nach Luft. „Wow…“

Gerade fühlte er sich wie als hätte man ihm ein Messer ins Herz gerammt und es aus der Brust gerissen. Dennoch versuchte er sich den Schock nicht anmerken zulassen.

„Aber...Denkst du nicht, dass es etwas zu schnell geht für den nächsten Schritt?“

„Mag sein.“, zuckte Hijiri mit den Schultern. „Aber nach der ganzen Sache mit meiner Ex… Da hab ich das Gefühl, dass das uns noch enger zusammengeschweißt hat! Und da ist mir auch klar geworden, was für eine unglaubliche Frau Maron ist und wie unglaublich es ist, dass ich sie in meinem Leben haben darf.“

Chiaki hörte nur mit halben Ohr zu und blickte in die Ferne. Hijiri’s Worte rauschten förmlich an ihm vorbei. Bilder spielten sich vor seinem inneren Auge ab.

Eine hellbeleuchtete Kirche.

Maron in einem atemberaubenden Brautkleid.

Vor dem Altar.

Bloß nicht mit ihm an ihrer Seite.

„Wirklich unglaublich…“, murmelte er trocken.

„Auf jeden Fall denke ich, dass wir bereit sind für den nächsten Schritt. Aber als ich Takumi letztens nach seinem Segen gefragt habe… Sagte er ‚Nein‘!“, hörte er Hijiri weitersprechen. Unglaube war in seinem Gesicht abzulesen.

Dies ließ Chiaki wieder aufhorchen. Er zog erstaunt beide Augenbrauen hoch. „Ach, eh…Tatsächlich?“, brachte er knapp entgegen.

„Ja, mehrmals sogar! Kannst du das glauben?“

„Ehm, Ja…Wirklich komisch…“

„Könntest du mir den Gefallen tun und Takumi fragen, wieso? Wieso er ‚Nein‘ gesagt hat? Mich würde das brennend interessieren.“

„M-Moment - Was?“ Die plötzliche Bitte warf Chiaki komplett aus der Bahn.

„Ich weiß, dass ist mehr als merkwürdig, dass ich dich um sowas bitte. Aber stell dir vor wie am Boden zerstört Maron wäre, wenn sie erfährt, dass ihr Vater bzw. ihre Eltern uns nicht damit unterstützen.“, sprach Hijiri auf ihn ein. „Ich weiß von seinem Arbeitskalender, dass er heute bei deinem Vater im Krankenhaus vorbeischauen wollte.“

„Uhm…“ Unschlüssig sah Chiaki weg, biss sich auf die Lippe. Im nächsten Moment vibrierte sein Handy. Er holte es raus und sah ein Anruf von Kagura eingehen. Eigentlich müsste er auch längst zurück zur Arbeit.

„Ja…Mal schauen…“, erwiderte Chiaki schnell, „Wenn ich ihn begegne…Ich muss jetzt los, okay?“

Er wollte sich in Bewegung setzen, als Hijiri ihn noch kurz aufhielt.

„Danke, Mann! Dafür bin ich dir echt dankbar!“

„Klar….“

„Die zukünftige Mrs. Shikaidou auch.“ Mit zusammengepressten Lippen, setzte Chiaki ein künstliches Lächeln auf. „Maron Shikaidou…“, sagte Hijiri verträumt grinsend. „Klingt doch gut, oder?“

Chiaki sagte darauf nichts. Er musste all seine Willenskraft zusammennehmen, um eine neutrale Miene beizubehalten.

„Nun denn, ich halte dich nicht mehr länger auf.“ Hijiri klopfte dem jungen Arzt kurz auf die Schulter und ging.

Kaum war er weg, verzog Chiaki das Gesicht. „Klingt ganz und gar nicht gut…“, murmelte er verbittert vor sich hin und fuhr zurück ins Krankenhaus.
 

***

Zwei Stunden später:

 

„Dr. Nagoya? Dr. Nagoya!“

Erschrocken fuhr Chiaki zusammen und blinzelte seine Patientin auf dem Krankenbett an. Eine ältere Dame, die er seit einigen Tagen behandelte.

Seufzend rieb er sich die Stirn. „Ehm, Entschuldige…Ich war in Gedanken woanders.“

Die Frau lächelte verständnisvoll.

„Uhm... Haben Sie noch irgendwelche Beschwerden, Frau-“

„Wie wär es, wenn Sie mich doch einfach Hisae nennen.“, bat die ältere Dame ihn und lachte. „Das tuen alle.“

„Oh, okay...“

Hisae lachte amüsiert in sich hinein. „Keine Beschwerden.“, schüttelte sie den Kopf, „Außerdem hatten Sie mich das eben schon gefragt, bevor wir die Untersuchung angefangen haben.“

„...Ach ja. Stimmt.“

„Dabei sollte ich diejenige sein, die nicht mehr fit da oben ist.“, lachte die ältere Frau und deutete auf ihren Kopf.

Chiaki rieb sich verlegen den Nacken.

„Heute wirken Sie nicht ganz bei der Sache, mein Lieber.“, merkte Hisae an.

Beschämt nickte der junge Arzt. „Privat geht es drunter und drüber.“, gab er zu.

Ein belustigtes, verstehendes Lächeln zeichnete sich auf dem faltigen Gesicht der Frau ab, die sich in ihr Kissen zurücklehnte.

„Ich kann es in Ihrem Gesicht ablesen. Ich weiß genau, was Sie beschäftigt.“

„Ach, wirklich?“

„Ja, natürlich. Herzschmerz sehe ich in meinen 79 Jahren nicht zum ersten Mal.“, schmunzelte Hisae, „Dabei sind Sie doch ein soo hübscher junger Mann!“

Nickend nahm Chiaki das Kompliment an, lächelte freundlich. „Nun, wenn Sie mich entschul-…“

„Wie wär es, wenn ich ihnen meine Enkelin vorstelle?“, kam es von der Älteren plötzlich.

Überrascht musste Chiaki auflachen. „Wie bitte?“

„Ein sehr hübsches Mädchen! Sie ist für längere Zeit in Momokuri zu Besuch. Ich bin mir sicher, sie würde Ihnen gefallen-“

„Oma!!“, ertönte auf einmal eine weibliche Stimme, „Fängst du schon wieder damit an!“

Chiaki drehte sich um und sah eine junge Frau -ungefähr seines Alters- mit langem, türkisen Haar ans Bett herantreten. Dies war wohl Hisae’s Enkelin.

Er musste zugeben, dass sie in der Tat hübsch war.

„Tut mir furchtbar leid! Meine Großmutter versucht immer wieder Kupplerin zu spielen.“, entschuldigte sie sich bei Chiaki.

„Kein Problem.“, winkte er unbesorgt ab und musterte sie kurz. Von irgendwoher kannte er die Frau.

Sie schenkte ihm ein freundliches Lächeln.

„Das ist der hübsche, junge Arzt, von dem ich dir erzählt habe!“, lachte ihre Großmutter und deutete mit dem Finger auf Chiaki.

„Ahja… jung und gutaussehend. Super präzise die Beschreibung, Oma. Im gesamten Krankenhaus sehen die Ärzte jung und gut aus, wenn ich darauf hinweisen darf.“, entgegnete die Enkelin augenrollend und setzte sich auf einem Stuhl neben dem Bett hin.

Dann sah sie zu Chiaki auf.

„Ich glaube, Sie können jetzt gehen. Sie haben schließlich noch andere Patienten.“, grinste sie ihn an.

„Ja, stimmt.” Er wandte sich in einem professionellen Ton, zuerst an Hisae. „Wenn Sie irgendwelche Schmerzen verspüren, Frau Sazanka, dann zögern sie nicht und sagen Sie einer Schwester Bescheid, okay?“

„Ich sagte doch, Sie sollen mich Hisae nennen.“, entgegnet die ältere Patientin.

Chiaki schmunzelte.

Ihre Enkelin räusperte sich kurz. „Dr. Chiaki Nagoya.“, meldete sie sich zu Wort und hielt ihm die Hand entgegen, „War nett Sie kennenzulernen.“

Er nahm freundlich ihre Hand.

„Bis zum nächsten mal.“, lächelte sie.

„Dann ich wünsche den Damen noch einen schönen Tag.“, verabschiedete er sich und ging raus.

Moment mal…, ging es Chiaki durch den Kopf und seine Augenbrauen zogen sich skeptisch zusammen. Ihm fiel auf, dass die junge Frau ihn bei vollen Namen genannt hat, obwohl er sich ihr gar nicht vorgestellt hatte. Und auf seinem Namensschild stand nur sein Nachname da.

Kurz bevor sich die Tür hinter ihm schloss, hörte er wie Hisae ihre Enkelin um ein Glas Wasser bat.

Als der Name der jungen Frau fiel, sah Chiaki überrascht auf, die braunen Augen weiteten sich.

„Sie…“, flüsterte er leise und starrte auf die Tür.

Seit er Hisae Sazanka’s Namen zum ersten Mal las, überkam ihn ein komisches Gefühl und er suchte im hintersten Teil seines Gedächtnisses, woher das liegen könnte. Nun wusste Chiaki auch, woher der Nachname ihm so bekannt vorkam.

Und wie es schien, hatte sie ihn sofort erkannt.

Auf jeden Fall muss ich Maron erzählen, dass-...!

Chiaki hielt gedanklich inne.

Der Gedanke an Maron schnürte ihm das Herz zusammen.

Er musste schwer schlucken. Seine Hände ballten sich krampfhaft zu Fäusten.

Die Stimme einer Krankenschwester riss ihn in die Realität zurück. Er nahm beruhigend tief Luft.

Gottverdammt, konzentrier dich!, mahnte er sich und ging seinen beruflichen Tätigkeiten wieder nach.

 

Einige Untersuchungen später betrat Chiaki sein Büro, um sich für einige Minuten auszuruhen.

Genervt stöhnte er auf, als er zu seinem Tisch blickte.

„Was zum Teufel machst du hier?!“, rief er entgeistert aus.

„Dir auch Hi!“ Shinji saß auf seinen Bürostuhl und drehte darauf verspielt ein paar Runden. Nebenbei war er an seiner Playstation Vita am Spielen.

„Nichts mit ‚Hi‘! Wie kamst du überhaupt hier rein??“

„Dein Vater. Er hat gesagt, ich darf hier warten.“

„... Wie lange bist du schon hier?“

Shinji überlegte. „Zehn - Fünfzehn Minuten? Vielleicht auch länger.“

„Musst du nicht arbeiten?“, seufzte Chiaki genervt.

„Nur wenn die Arbeit nach mir ruft.“, konterte der Fotograf.

„Und was willst du hier?“

„Darf man seinen besten Freund nicht auf der Arbeit besuchen?“

„Nein.“

Niedergeschlagen warf Chiaki sich mit dem Rücken voraus auf die kleine Couch an der Wand und legte einen Arm über die Augen.

„Wow…deine Laune scheint mal wieder prächtig zu sein.“, entgegnete Shinji ironisch und packte seine Konsole in die Tasche. Er stützte einen Ellenbogen auf den Schreibtisch ab und legte sein Kinn in die Hand. Flüchtig ließ er einen prüfenden Blick über Chiaki wandern.

„Ich spüre, wie mein innerer Seelenklempner Alarm schlägt.“, sagte er.

Chiaki antwortete nichts darauf.

„Was ist los? Was lässt dich nachts nicht schlafen?“

Wieder traf Shinji auf Schweigen. „Ich kann dich jetzt solange mit Fragen nerven, bis du mir antwortest.“

Bei der Aussage setzte sein blauhaariger Freund sich auf, warf ihm einen scharfen Blick zu und stieß genervt ein paar Flüche von sich.

Dann stützte Chiaki seufzend einen Ellenbogen aufs Knie ab und rieb sich mit der Hand über die Augen.

„Er will ihr einen Antrag machen.“, sagte Chiaki schließlich.

„Wer will wem einen Antrag machen?“

„Gottverdammt, tu nicht so dumm! Hijiri an Maron natürlich! Heute!“

Shinji zog scharf Luft ein. „Uii Shit…“ Er machte eine mitleidige Grimasse. „Dir bleibt aber auch gar nichts erspart, Kumpel.“

Für eine Minute herrschte Schweigen zwischen den beiden Freunden.

„Dann überlege ich mir schon mal einen Plan, wie du die Hochzeit crashen kannst.“, durchbrach Shinji die Stille.

Chiaki sah irritiert zu ihm rüber. „...Hörst du dich eigentlich selbst reden, wenn du so ein Scheiß von dir gibst?“

„Immer!“, antwortete Shinji und sah ihn mit einem ernsten Ausdruck an. „Kannst du damit leben, dass deine große Liebe des Lebens jemand anderes heiratet als dich??“

„Das ist allein ihre Entscheidung. Außerdem erwidert sie meine Gefühle doch gar nicht. Sie sieht in mir doch nur ihren besten Freund.“

Shinji legte stöhnend den Kopf in den Nacken und starrte zur Zimmerdecke. Einige Male rollte er mit dem Stuhl hin und her.

„Okay, gehen wir das schrittweise an. Bevor wir eine Hochzeit crashen, muss sie erstmal ‚Ja‘ zum Antrag sagen.“ Chiaki rollte unterdessen mit den Augen, ließ Shinji aber weiterreden. „Wie hoch ist denn die Wahrscheinlichkeit? Fifty-Fifty? Oder liebt sie ihn soooo sehr, dass sie ohne zu zögern ‚Ja‘ sagen würde?“

„Wenn sie ‚Ja‘ sagt…“, setzte Chiaki an, „…Dann ist das ihre Entscheidung. Ich will ihrem Glück auf keinem Fall nicht im Wege stehen.“

„Ja, ja, ja. Du willst, dass sie glücklich ist. Blahblahblah.“, winkte Shinji gleichgültig ab und verdrehte seine bernsteinfarbenen Augen.

„Was ist-!“ Er schlug kurz auf den Schreibtisch, hielt einen Zeigefinger hoch und sah Chiaki direkt an. „Aber was ist wenn sie ‚Nein‘ sagt?“

Ungläubig zog Chiaki die Brauen zusammen. „Aus welchen Gründen sollte sie ‚Nein‘ sagen?“

„Keine Ahnung!“, zuckte Shinji mit den Schultern. „Es gibt genug Gründe um ‚Nein‘ zu einem Antrag zu sagen! Allein weil der Typ eine untreue Vergangenheit aufzuweisen hat, würde ich es mir zweimal überlegen!“

„Würde er es wage, dann wäre ich der Erste, der ihm eine reinhaut.“, entgegnete Chiaki trocken.

„So! Da hätten wir ein Grund, weshalb sie ‚Nein‘ sagen könnte! Und bei einem abgelehnten Heiratsantrag ist eine Trennung auch nicht weit entfernt.“

Mit einer ausdruckslosen Miene hielt Chiaki sich den Kopf. „Und dann?“

Und dann?! Das fragst du noch??“, erwiderte Shinji entgeistert und beugte sich etwas über den Tisch. „Junge! Dann wäre sie wieder Single! Dann hast du freie Bahn und kannst sie für dich gewinnen, Mann!“

„Ich sag es nochmal: Sie. Liebt. Mich. Nicht!“

„Gefühle. Können. Sich. Ändern!“

„Man betone ‚Können‘!“

„Einen ziemlich ungesunden Pessimismus hast du, mein Freund…“

Chiaki sah Shinji an, der nahezu vor Optimismus sprühte. Er seufzte kurz, stand von der Couch auf und ging auf seinen Freund zu, der weiterhin noch auf seinem Bürostuhl saß.

„Ich zeig dir mal was Cooles.“, sagte er.

Shinji zog neugierig eine Braue hoch. „Was denn?“

„Die Tür.“

„Coo- Warte! Was?!“

Ohne auf die Shinji’s Proteste einzugehen, packte Chiaki den Stuhl an und schob ihn samt seines besten Freundes darauf Richtung Tür, bis Shinji von selbst aufstand.

„Wir reden heute später nochmal.“, sagte er zu Chiaki und verabschiedete sich.
 

***

„Muss du nicht nach Hause?“, hörte Maron Miyako fragen.

„Doch, aber Hijiri wollte mich abholen.“, antwortete sie ihr.

„Ah okay. Dann pass auf dich auf. Yamato und ich gehen schon mal.“

„Danke. Bis morgen.“, winkte Maron den beiden zu Abschied zu.

Es war fast 18 Uhr und Maron sollte schon längst auf dem Weg nach Hause sein. Allerdings hatte Hijiri zu ihr gesagt, dass er sie von der Arbeit abholen würde, als sie sich Stunden vorher in der Innenstadt begegnet waren.

Nun wartete Maron vor der Redaktion auf ihren Freund. Innerlich fragte sie sich was er vorhatte.

Womöglich wollte er mit ihr irgendwo spontan essen gehen. Schließlich kam es nicht zum ersten Mal vor, dass Hijiri sie ohne Vorwarnung von der Arbeit abholte.

Ein kalter Windzug zog vorbei.

Maron schüttelte sich, zog ihren Kopf ein und schlang Chiaki’s Schal enger um sich. Dabei kam ihr der wohlige Duft seines Parfüms in die Nase.

„Emblem“ von Mont Blanc.

Was sie ihm auch zu Weihnachten geschenkt hat. Es war sein Lieblingsparfüm.

Ihres auch.

Ein warmes Gefühl durchfuhr sie und ein kleines Lächeln bildete sich auf ihren Lippen.

„Maron!“

Die Angesprochene drehte sich zur Seite um und sah Hijiri mit einem breiten Lächeln auf sie zukommen.

Sie ging zu ihm hin und er küsste sie zärtlich.

„Weshalb grinst du so?“, fragte er.

Maron zog sich den Schal etwas hoch und schüttelte den Kopf. „Nichts. Bin nur gespannt, was du heute geplant hast.“

Hijiri nahm ihre Hand. „Wirst du schon sehen.“

Hand in Hand gingen die beiden schließlich los.

 

Chiaki wollte im Büro seines alten Herrn vorbeischauen, um sich bei ihm zu verabschieden.

Ohne zu klopfen öffnete er die Tür und blieb abrupt stehen, als er Takumi erblickte. Verwundert schauten beide Männer den Jüngeren an.

„Was ist los, mein Junge?“, fragte Kaiki und lächelte seinen Sohn an.

„I-Ich wollte nur Bescheid geben, dass ich für heute Schluss mache.“, antwortete Chiaki ihm, schaute jedoch mit einem Seitenblick zu Maron’s Vater rüber.

„Ach so. Stimmt es ist schon spät geworden…“, nickte der Krankenhauschef und sah auf die Uhr an der Wand.

„Für mich wird es auch Zeit zu gehen. Wir sehen uns.“, sagte Takumi zu seinem Freund, nickte Chiaki kurz zu und verließ das Büro.

Für einige Sekunden überlegte Chiaki, ob er Hijiri’s Bitte nachgehen sollte. Wenn er ehrlich mit sich selbst war, dann war er selbst neugierig über Takumi’s Entscheidung.

Innerlich fluchend, folgte er dem Architekten letztendlich.

„Takumi. Kann ich kurz mit dir sprechen?“

„Was gibt’s, Chiaki?“, fragte der Angesprochene ruhig, beide Hände lässig in den Hosentaschen vergraben.

„Ehm…“ Gemeinsam gingen beide Männer durch den Korridor entlang Richtung Aufzug.

„Hijiri hat mir erzählt, was zwischen dir und ihm passiert ist…“, unsicher strich sich der Jüngere über den Nacken. „Nun ja…dass du nicht einverstanden mit seinem Heiratsantrag bist, oder sowas…“

Takumi verdrehte direkt die Augen. „Das war eine Sache zwischen mir und ihm.“, sagte er in einem strengen Unterton und blickte starr geradeaus.

„Uhm- Ja! D-Da stimme ich dir auch zu!“, entgegnete Chiaki. Beide blieben vor dem Aufzug stehen und standen sich gegenüber. „Mich geht’s eigentlich auch nichts an.“, sprach der Blauhaarige weiter, „Und eigentlich sollte ich der Letzte sein, der sich für Hijiri einsetzt… Aber- Wieso? Ich meine- Wieso hast du zu ihm ‚Nein‘ gesagt?“

Seufzend sah Takumi Chiaki einige Sekunden an. Die Augen ruhig und ernst zugleich.

„Wenn er Maron einen Antrag macht, dann wird sie garantiert so überwältigt von der Romantik und dem ganzen Kram sein, dass sie ‚Ja‘ sagen wird.“, antwortete er.

Chiaki runzelte die Stirn, war nun noch verwirrter.

„Und was ist daran falsch?“, fragte er und fügte zu sich selbst sprechend hinzu, „Wieso frage ich überhaupt?“, frustriert mit sich selbst.  

Takumi schmunzelte leicht, wurde im selben Augenblick jedoch wieder ernst. „Weil sie eines Tages aufwachen wird und sich denkt, dass sie den falschen Kerl geheiratet hat. Aber sie würde trotzdem bei ihm bleiben, weil sie ihm mit dem Ja-Wort ein Versprechen vor dem Altar gegeben hat. Und sowas will ich ihr und ihm ersparen.“, erklärte er.

Chiaki nickte einmal kurz und nahm angestrengt Luft. Takumi beobachtete ihn dabei, wie er sich unruhig mit beiden Händen durch die Haare fuhr.

„Sie hat Gefühle für dich, Chiaki.“, sagte er schließlich. Chiaki wandte sich mit einem verwirrten Gesichtsausdruck wieder Maron’s Vater zu. Dieser atmete kurz ein und wieder aus, sah den besten Freund seiner Tochter mit einem wissenden Blick an.

„Im Moment weiß sie zwar noch nicht, wie sie mit diesen Gefühlen umgehen soll…Aber Korron und ich, wir kennen Maron. Diese Gefühle – die sind da. Waren schon immer da gewesen.“ Ein kleines Lächeln bildete sich auf Takumi’s Gesicht. „Ich bin mir sicher, dass du das auch weißt.“

In der nächsten Sekunde öffnete sich die Fahrstuhltür.

Chiaki sah Takumi an, schüttelte kaum merklich den Kopf und lächelte gequält.

„Ganz ehrlich…Ich weiß gar nichts.“, sagte er leise, drehte sich um und lief in die andere Richtung.

Wie auf Auto-Pilot lief er durch das Gebäude. Irgendwann schaffte er es zu seinem Auto.

Für eine gefühlte Ewigkeit saß er reglos vor dem Lenkrad.

Die Augen geschlossen. Den Kopf in den Sitz zurückgelehnt.

Dachte an nichts.

Er ließ einen leisen Seufzer aus.

Alles fühlte sich so schwer und leer an.

Besonders sein Herz.

Unbemerkt lief ihn eine Träne die Wange herunter.
 

„Es ist nicht mehr so kalt, wie vor ein paar Stunden.“, sagte Maron mit Erleichterung in der Stimme. „Und dass wir uns die Beine vertreten, ist auch schön.“, fügte sie hinzu und sah ihren Freund an.

Nachdem beide was gegessen hatten, bestand Hijiri darauf noch einen Spaziergang zu machen.

Gerade liefen sie über die Strandpromenade entlang, welche mit Laternen hell beleuchtet war. Um sie herum war keine Menschenseele zu sehen.

„Hättest du dagegen wenn wir kurz hier anhalten?“, fragte Hijiri, ließ ihre Hand los und stellte sich vor ihr auf.

Maron machte ein stutziges Gesicht. „Klar…Was ist los?“ Sie steckte sich ihre beiden Hände in die Manteltaschen.

„Maron.“, sagte er und lächelte nervös.

Sie legte den Kopf schief. „Ja?“

Er nahm tief Luft.

„Ich weiß…Wir hatten des Öfteren unsere Auf-und-Abs. Besonders vor Weihnachten… da hatte ich Angst um uns gehabt. Aber du hattest uns nicht aufgegeben, weshalb ich dir sehr dankbar dafür bin.“, begann Hijiri zu sagen, „Und…überhaupt bin ich mehr als dankbar, an deiner Seite sein zu dürfen.“

Maron sah wie er in seine Jackeninnentasche griff und etwas herausholte. Das Lächeln auf ihrem Gesicht verschwand langsam. Sie begann zu realisieren, was er vorhatte.

Im nächsten Moment kniete er sich vor ihr hin und offenbarte ihr einen Goldring in einer Box.

Ihre Augen wurden größer.

„Maron Kusakabe. Willst du meine Frau werden?“, hörte sie ihn fragen.

Ihr stockte der Atem.

Wie erstarrt stand sie mit halboffenen Mund vor ihm.

Unfähig einen Muskel zu rühren oder einen Ton von sich zu geben.

Es dauerte einige endlose Augenblicke, bis Maron ihre Sprache wiederfand.

„I-Ich…“
 

 

 

 

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Frohe Weihnachten! :)

Chapter 14: Confused Feelings

Chapter 14: Confused Feelings

 

„I-Ich…uhm…“

Ein paar Male machte Maron den Mund auch und versuchte was zu sagen, doch die Worte blieben ihr im Hals stecken. Wie eingefroren stand sie vor Hijiri, der ihr immer noch kniend die Box mit dem goldenen Ring entgegenhielt. Mit einem hoffnungsvollen Lächeln wartete er auf ihre Antwort.

Wie viele Sekunden waren nun vergangen? Für Maron fühlte es sich wie Stunden an.

Ihr Verstand schrie förmlich danach „Ja“ zu sagen. Doch sie konnte es nicht.

Wieso kann ich es nicht sagen?!, ging es ihr frustriert durch den Kopf.

„Maron?“

Hijiri’s Stimme ließ sie zusammenzucken. Maron sah, wie er sich aufrichtete und sie verwundert und besorgt zugleich anblickte.

Schweigend ließ sie ihren Blick zu Boden sinken. Sie sollte glücklich sein. Ihr Herz sollte bei dem Antrag vor Freude zerspringen. Dem war jedoch nicht so.

Maron verstand sich selbst nicht mehr. Schließlich liebte sie ihn doch. Oder?

Wieso brachte sie dieses eine simple Ja-Wort nicht zustande?

Hijiri, der ihr Schweigen beobachtete, zog irritiert die Brauen zusammen und ging einen Schritt auf sie zu. „Bitte sag et-“

„Nein.“, sagte sie leise.

Ihr Gegenüber hielt abrupt inne, die Augen ungläubig geweitet. „W-Was?“

„Nein.“, wiederholte Maron, die Stimme klar und deutlich. „Das ist meine Antwort…“ Sie sah mit traurigen Augen zu Hijiri auf. „E-Es tut mir leid…“, fügte sie hinzu.

Der Rothaarige brauchte einige lange Augenblicke, um zu verstehen, was soeben passiert war. Resigniert klappte er die Box zu und streckte sie sich in die Hosentasche.

Enttäuschung und Verwirrung waren in seinen Augen abzulesen. Maron sah, wie sich seine Gesichtszüge verhärteten und seine Lippen sich zu einem dünnen Strich zusammenpressten.

Sie ließ ihre Augen in die andere Richtung schweifen.

„… Kann ich wenigstens fragen, wieso?“, hörte sie ihn in einem monotonen Ton schließlich sagen. Hijiri wandte sich ihr wieder zu. Die dunklen Augen mit einem ernsten Blick versehen.

Maron musste schwer schlucken.

Ja, wieso? Wenn sie es selbst doch wüsste!

 „I-Ich liebe was wir jetzt haben.“, begann sie zu sagen, versuchte so ruhig wie möglich zu klingen und schaute ihn direkt an. Nervosität stieg in ihr auf. „U-Und ich bin wirklich -wirklich- glücklich über den Antrag-…“ Sie stoppte sich mitten im Satz und biss sich auf die Lippe.

„Komm mir jetzt bitte nicht mit einem ‚aber‘.“, warf Hijiri ein, die Arme vor sich verschränkt. „Ich will keine halbherzigen Ausreden hören.“

Verzweifelt sah Maron kurz zur Seite. „… Können wir später darüber reden?“

„Ich bezweifle, dass ich fähig bin über was anderes jetzt reden zu wollen.“

„O-Okay.“ Sie lächelte nervös. „Nun… Ich- Ich bin wie gesagt glücklich mit allem und ich bin glücklich über den Antrag und dass du dir Gedanken über unsere Zukunft gemacht hast…“

„Wenn du so glücklich bist, wie du sagst… Dann sollte der nächste Schritt für eine offizielle Bindung doch kein Problem für dich sein.“

„D-Doch! Ist es...“

„Wieso?“

„... Ver-Vergiss es!“, schüttelte sie mit den Kopf und hob frustriert die Hände in die Höhe. „Vergessen wir die Sache einfach!“

„Nein, Maron!“, sprach er auf sie ein, „Wieso kannst du mir nicht einfach sagen, wieso-...“

In dem Moment verlor Maron ihre Beherrschung.

„Hör zu, ich will dich nicht heiraten!!! Ich will und kann es einfach nicht!!“, platzte es ihr laut und panisch heraus. Erschrocken hielt sie sich die Hände vor den Mund, nachdem die Worte ausgesprochen waren.

Hijiri starrte sie fassungslos und schockiert an.

Beschämt drehte Maron sich abrupt weg und ging mit schnellen Schritten davon, ließ ihn an Ort und Stelle stehen.
 

***

„Hast du nicht eine Freundin, der du auf den Keks gehen kannst?!“, brummte Chiaki genervt, während Shinji lässig einen Arm über seine Schultern platziert hat und mit ihm durch die Straßen schlenderte.

„Die ist noch in Okayama bei ihrer Familie. Außerdem brauchst du Ablenkung!“

„Brauche ich nicht!“

„Doch!“

„Du suchst auch nur nach Gründe, um mit mir einen Trinken gehen zu wollen.“

„Das streite ich nicht ab.“, grinste Shinji.

„Such dir andere Hobbies.“, rollte sein blauhaariger Freund mit den Augen und entfernte den Arm von seinen Schultern.

Eigentlich wollte Chiaki den Abend zu Hause verbringen und Trübsal blasen. Leider wurden diese Pläne zunichte gemacht, als sein bester Freund unangekündigt vor seiner Tür stand und ihn nach draußen zerrte.

Gerade betraten die beiden jungen Männer einer ihrer Stammbars, als sie merkten, dass diese von hinten nach vorne voll war und keine freien Plätze aufwies.

„Gehen wir woanders hin.“, sagte Chiaki zu Shinji und ging wieder Richtung Ausgang.

„Hey, Chiaki!“, ertönte von hinten urplötzlich Hijiri’s Stimme. Der Angesprochene drehte sich um.

„Wa-“ Bevor Chiaki irgendwas sagen konnte, spürte er wie eine Faust seine linke Gesichtshälfte traf. Einige Leute drehten sich mit verstohlenen Blicken um.

„Wowowow!!“ Shinji stellte sich sofort dazwischen, hielt beide jeweils mit einer Armlänge Abstand voneinander fern. „Keinen Schritt weiter, Freundchen!“

Hijiri blieb zähneknirschend vor dem Lilahaarigen stehen und stierte Chiaki wütend an.

„Wofür zum Teufel war das denn?!“, fragte Shinji entsetzt.

Hijiri ignorierte ihn.

„Etwas in mir sagte, dass du es verdient hast.“, sagte er an Chiaki gerichtet.

Dieser rieb sich perplex seine schmerzende Gesichtshälfte. Er versuchte zu verstehen, wieso war der Kerl überhaupt hier war. Und das allein, wie es schien.

Automatisch stellte sich in ihm die Frage wo Maron war, wenn nicht bei ihrem Freund?

„Wenn ihr euch prügeln wollt, dann erledigt das draußen! Gerne schmeiß ich euch persönlich raus!”, kam es als Warnung vom Barkeeper.

Damit machte Hijiri mit erhobenen Händen zwei langsame Schritte zurück und kehrte den beiden Freunden den Rücken zu.

„W-Warte.“ Chiaki erholte sich von seinen minimalen Schock. „Wo ist Maron?“

Hijiri versteifte sich bei der Erwähnung ihres Namens. Er drehte sich nicht um.

„…Keine Ahnung.“, antwortete er, die Stimme tonlos. „Ist vor einer Weile weggelaufen, nachdem sie meinen Antrag abgelehnt hat.“ Damit verschwand er schließlich unter der Menge.

„W-Was…“ Irritiert sah der junge Arzt ihm hinterher.

„Arsch.“, fluchte Shinji, als er Chiaki nach draußen dirigierte. Beide entfernten sich einige Meter von der Bar.

„Hast du gehört was er gesagt hat?“ Erfreut grinste Shinji seinen besten Freund an. „Sie hat ‚Nein‘ zum Antrag gesagt, Kumpel!“

Chiaki brauchte einige Momente, um die Worte auf sich wirken zu lassen. Bei der Realisation machte er großen Augen.

Sie hatte ‚Nein‘ gesagt!

Eine schwere Last fiel ihm von den Schultern. Nahezu befreit atmete Chiaki tief ein und wieder aus.

Sie hatte ‚Nein‘ gesagt…, ging es ihm immer und immer wieder durch den Kopf.

„Unglaublich…“, brachte er leise hervor.

„Ich dachte, du würdest glücklicher aussehen.“, merkte Shinji an.

„… Mein Gesicht tut noch zu sehr weh, um glücklich zu sein.“ Chiaki strich sich mit beiden Händen durch die Haare und zog scharf Luft ein. „Ich glaub, ich muss das erstmal sacken lassen…“

Shinji nickte verstehend und klopfte ihm auf die Schulter. „Glaube ich dir, Kumpel. Wir können später anlässlich dessen eine Party schmeißen!“

Daraufhin konnte Chiaki nur Lachen und die kurzweiligen Schmerzen waren vergessen. Sein Grinsen verschwand in der nächsten Sekunde jedoch wieder.

„Da fällt mir ein… Maron ist weggelaufen, hat er gesagt…“, stellte er bestürzt fest.

Shinji zog argwöhnisch die Augenbrauen hoch. „Ich denke, unser Schläger da drüben war ein bisschen melodramatisch und hatte eindeutig einen Bier zu viel gehabt. Bestimmt ist sie schon zu Hause.“

Ehe man sich versah, hatte Chiaki schon sein Handy rausgeholt und rief Maron’s Nummer an. Sofort kam die automatische Ansage, dass die Nummer nicht erreichbar war.

Ist ihr Handy aus?, fragte er sich, als er auf das Display blickte, die Brauen besorgt zusammengezogen.

Dann rief der Blauhaarige bei den Kusakabes an.

„Kusakabe?“, ertönte am anderen Ende Korron’s Stimme.

„Hallo, hier ist Chiaki. Uhm… Ich wollte fragen, ob Maron da ist…“

„Sie ist nicht hier. Vor ein paar Stunden hatte sie mir eine SMS geschrieben, dass sie nach der Arbeit den Abend mit Hijiri verbringen würde.“

„Oh… Okay.“

„Ist was passiert?“, fragte Korron besorgt.

„Ach, ehm, Nein, nein, nein. Keine Sorge.“, log Chiaki und fügte schnell hinzu, „Ich wollte nur fragen. Ehm… Tut mir leid, dass ich noch so spät störe. Kommt nicht wieder vor.“

„Chiaki, warte!“, warf Maron’s Mutter ein, bevor er auflegen konnte.

„J-Ja…?“

Es dauerte fünf stille Sekunden, bis Korron weitersprach. „Pass auf sie auf.“ Ein sanftes Lächeln war in ihrer Stimme zu hören.

„…Werde ich.“, versprach er ihr. Damit beendete Chiaki das Telefonat.

„Maron ist nicht zu Hause.“, wandte er sich an Shinji, „Und ihr Handy ist auch aus.“

Sein Gegenüber machte ein bestürztes Gesicht.

„Und was willst du jetzt machen?“, kam es als Frage zurück. „Ich meine, es ist zehn – fast elf Uhr in der Nacht, es ist arschkalt und bis auf Pubs haben nichts mehr auf.“

„Deswegen werde ich nach ihr suchen gehen. Am Ende passiert ihr noch was!“

„Willst du ganz Momokuri auf den Kopf stellen, um nach ihr zu suchen?!“

„Klar! Und du hilfst mir!“

„O-Okay, ab-…“

„Ich geh in die eine Richtung und du in die andere. Wenn was ist, dann ruf an!“ Und schon war Chiaki verschwunden. Shinji sah im verdattert hinterher.

„Da geht der Prinz, auf der Suche nach seiner Prinzessin…“ Schließlich setzte er sich ebenfalls in Bewegung setzte.

 

Unterdessen lief Maron durch die Straßen Momokuris.

Der Kopf abgeschaltet. Den Blick zu Boden gesenkt.

Ihre Beine trugen sie wie von selbst.

Sie wusste nicht wohin sie lief. Es war ihr auch egal. Auf keinen Fall wollte sie jedoch nach Hause. Ihr Handy hatte sie bewusst ausgeschalten.

Sie wollte ihre Ruhe. An nichts denken.

Weder an Hijiri, den Antrag oder an sonst irgendwas!

Ein starker Windzug kam ihr entgegen und Maron war gezwungen für einen Moment stehen zu bleiben. Mit zitternden Händen zog sich den Schal etwas hoch.

Wieder kam ihr Chiaki’s Parfüm in die Nase. Wieder verspürte sie dieses irritierend warme Gefühl in ihrer Brust.

Chiaki…, ging es ihr betrübt durch den Kopf.

Schwer seufzend blickte Maron sich um. Sie kannte die Gegend nicht. Diverse Hochhäuser und Geschäfte waren in Sichtweite.

Eine weitere kalte Brise ließ sie frösteln.

Vielleicht sollte ich mich irgendwo ins Warme reinsetzen…, dachte sie sich und betrat das erstbeste Lokal, was sie sah.

Es war eine kleine, gemütliche Bar. Maron sah sich vorsichtig um. Die Gäste darin bestanden hauptsächlich aus Frauen. Auch die Angestellten waren alle weiblich. Mit eine Hand konnte Maron förmlich abzählen, wie viele Männer sie vorfand.

Gerade lief im Hintergrund Ariana Grande’s „Thank u, next“.

Vage erinnerte sich die junge Journalistin daran, dass vor geraumer Zeit eine Bar für

Frauen in Momokuri eröffnet wurde und schnell an Beliebtheit gewann.

Sie ging zur Theke und ließ sich auf einem Hocker nieder.

Hinter ihr stießen eine Gruppe junger Frauen mit Sekt an und lachten lautstark. Die Wörter „Bachelorette-Party“, „Braut“ und „Hochzeit“ kamen ihr zu Ohren.

Kurz schielte Maron zu ihnen rüber. Alle hatten knallpinke Federschals um ihre Hälse und die zukünftige Braut erkannte man an der verspielten Prinzessinnenkrone auf dem Kopf.

Na toll… Jungesellinnen… Entnervt verzog Maron ihr Gesicht und wandte sich wieder um.

„Was kann ich dir bringen?“, fragte die Barkeeperin freundlich.

Gerade als Maron sich was Alkoholfreies bestellen wollte, unterbrach sie das schallende Gelächter der Junggesellinnen-Gruppe. Die Braut war dabei von ihren Freundinnen abgefüllt zu werden. Das Gelächter hallte im gesamten Lokal und zerrte an ihren Nerven. Sie konnte nicht einmal ihre eigenen Gedanken hören!

Maron würde noch einen Anfall bekommen, wenn das den ganzen Abend so weiter ging. Dabei wollte sie doch nur ihre Ruhe!

„Etwas zum Abschießen.“, antwortete sie der Barkeeperin.

 

Chiaki rannte durch die Straßen und suchte alle Gegenden nach seiner besten Freundin ab.

Plötzlich meldete sich sein Handy. Ein Anruf von Shinji.

„Hey… Ich hab sie gefunden.“, kam es von seinem besten Freund direkt.

„Wirklich?! Wo ist sie?“, fragte er aufgeregt.

„Kennst du diese Frauen-Bar? Ich stehe davor und sehe sie durch das Fenster.“

„Okay. Geh schon mal rein, ich bin gleich da.“

Sofort lief Chiaki los.

Zehn Minuten später war er in der besagte Bar angekommen. Er brauchte nicht lange zu suchen, um seine beiden besten Freunde zu erblicken. Was Chiaki sah, hatte er in gar keiner Weise erwartet.

Maron saß heiter lachend mit einer Krone auf dem Kopf an einem Tisch mit einer Gruppe Frauen, die lächerliche Federschals trugen und amüsierte sich herrlich.

Junggesellinnen…?, stellte der Blauhaarige direkt fest. Innerlich fragte Chiaki sich, wie sie bei denen gelandet war. Und wie viel Maron getrunken hatte, denn sie war eindeutig betrunken.

Währenddessen stand Shinji neben ihr und versuchte verzweifelt auf sie einzureden, doch Maron schien ihn zu ignorieren. Stattdessen war sie in einem lauten Gespräch mit einer der Frauen -womöglich die Braut- vertieft.

„Er ging auf die Knie und du hast ohne Probleme JA gesagt?!?“, fragte die Braunhaarige mit Unglauben in der Stimme. Ihr Gesicht war stark gerötet.

„JA!“, sagte ihre Gesprächspartnerin, die wohl auch zu tief ins Glas geschaut zu haben schien.

„Und das ging einfach so??“

„Ja!“

„Wow! Respekt! Ganz ehrlisch!“ Maron schnappte sich die Flasche Tequila auf den Tisch und füllte die umstehenden Gläser auf. „Darauf trinken wir!“

Die Junggesellinnen stimmten jubelnd darauf ein.

Mit einem verstörten Gesichtsausdruck steuerte Chiaki auf Shinji zu.

„Chiaki! Da bist du ja endlich!“, stöhnte Shinji erleichtert auf. Er wirkte sichtlich überfordert.

Bei der Erwähnung von seinem Namen drehte Maron sich in seine Richtung um.

„HII!!“, grinste sie Chiaki an, „Ladies, das ist Chiaki Nagoya! Mein aller, aller, aller beste Freund!“, stellte sie ihn vor und hielt ihr Glas hoch.

„Der ist ja noch süßer als der andere!“, sagte eine der Junggesellinnen.

„Ist er Single? Kannst du ihn mir vorstellen?“, fragte eine andere.

„Ich warte immer noch auf den Stripper! Kann sich einer von beiden ausziehen??“, kam es von der nächsten.

„Hey!“ Maron knallte ihre Hand auf die Tischoberfläche und verengte leicht ihre Augen. Für einen Augenblick hatte sich ihre Stimmung um 180 gedreht. „Finger weg, Ladies! Er ist meiner!“, sprach sie in einem ernsten Unterton. „Mein. Bester. Freund.“

In der nächsten Sekunde fing sie wieder an breit zu grinsen und lachte sorglos auf. Mit einem Zug trank sie ihr Glas leer. Die Gruppe stimmte in ihr Lachen unbekümmert mit ein.

Chiaki brauchte einen Moment, um sich wieder zu fassen.

„Was zum Teufel ist passiert?!“, fragte er Shinji entgeistert.

Dieser hob unschuldig die Hände in die Höhe „Schau mich nicht an! Eben war sie noch nüchtern!“

„Was ist für dich nüchtern?!“

„Ganz leicht beschwipst…??“

Chiaki schlug sich die Hand auf die Stirn.

Aus Erfahrung weiß er, dass Maron und Alkohol nie eine gute Kombination war. Da wurden in Nullkommanichts völlig fremde Menschen ihre neuen besten Freunde und ihre Hemmschwelle sank auf null.

Er warf seinem besten Freund einen scharfen, vorwurfsvollen Blick zu.

„Du hättest wenigstens was unternehmen können!“

Sorry, Mann! Es fing mit einem Glas an und sie hörte nicht auf!“, entschuldigte Shinji sich „Außerdem war ich beschäftigt damit den Damen klar zu machen, dass ich kein Stripper bin! Ich hatte mich schon fast belästigt gefühlt…“

Seufzend fuhr sich Chiaki kurz über das Gesicht, packte Maron anschließend am Arm und zog sie vom Stuhl hoch.

„Komm wir gehen nach Hause, Prinzessin.“, sagte er ruhig, nahm ihr die Krone vom Kopf und gab sie der Besitzerin zurück. Gleichzeitig schnappte er sich ihre Sachen.

Ohne große Proteste, willigte seine beste Freundin ein.

„Yeayyy!! Ich bin eine Prinzessin!“, kicherte Maron. Sachte legte Chiaki ihr eine Hand auf den Rücken und führte sie aus der Bar raus.

Draußen wandte er sich Shinji zu. „Ich kümmere mich um sie. Danke, dass du sie gefunden hast.“

„Brauchst du keine Hilfe?“, fragte der Dunkelhaarige, sah besorgt zwischen den beiden hin und her.

Chiaki schüttelte mit einem kleinen Lächeln den Kopf. „Mein Wohnblock ist nicht weit von hier. Da geht’s schon. Danach kann ich sie nach Hause fahren.“

Shinji nickte einmal und verabschiedete sich schließlich von den beiden.

Dann wandte Chiaki sich an Maron, die immer noch vor sich her grinste und kicherte. „Kannst du laufen?“

Als Antwort bekam er ein energisches Nicken sowie zwei Daumen hoch. „Immer ein Bein nach dem anderen. Hihihi.“

„Okay…“ Vorsichtshalber stützte Chiaki sie noch. Ihre Tasche hatte er über seine Schulter gehangen.

Die ersten paar Meter liefen wacklig und unbeholfen ab, bis Maron auf einmal stehen blieb.

„Isch will nischt nach Hause.“, nuschelte sie und lehnte sich an Chiaki leicht an.

„Wieso nicht?“, fragte er verwundert.

„Isch will niiischt.“

„…Wo willst du dann hin?“

„Keine Ahnuuung…“

Chiaki kniff sich angestrengt zwischen die Nase. „Willst zu mir nach Hause?“, fragte er.

Maron legte nachdenklich den Kopf schief, grinste und nickte im Anschluss.

Wieder stieß er einen resignierten Seufzer aus. „Okay…Los gehen wir weiter.“

Doch Maron rührte sich nicht vom Fleck.

„Nimm mich Huckepack!“, verlangte sie plötzlich.

„Was?“, entgegnete Chiaki irritiert.

„Nimm mich Huckepaaaack.“, wiederholte sie und hüpfte einige Male auf der Stelle.

„Du kannst doch laufen.“

„Ich will nischt laufeeen.“

Gerade benahm die 25-jährige sich wie ein kleines, trotziges Kind und verzog eine Schnute. Unter Umständen hätte Chiaki es als süß empfunden.

Schließlich tat er wie ihm geheißen und trug sie auf den Rücken.
 

***

Zu seinem Erstaunen war Maron den restlichen Weg über relativ still. Chiaki spürte, wie sie ihren Kopf auf seine Schulter ruhen ließ.

„Du riechst so gut…“, wisperte sie kaum hörbar.

„…Du hast eindeutig zu viel getrunken, Maron.“, murmelte er.

„Nur ein… zwei Tequila…“

Wenig später konnte man ihren ruhigen Atemrhythmus vernehmen, wodurch Chiaki davon ausging, dass sie eingenickt war.

Kurze Zeit später hatte sie sein Wohnblock erreicht und fuhren den Aufzug hoch. In der Zwischenzeit wurde Maron wieder wach.

Vorsichtig setzte er sie im Flur ab und half ihr Schal und Mantel auszuziehen.

„Chiaki…“, flüsterte Maron mit schwacher Stimme.

„Brauchst du was?“ Chiaki sah besorgt zu ihr herab. Sie war leichenblass und wirkte komplett kraftlos.

„Ich…urgh…“ Maron hielt sich mit einem unterdrückten Würgelaut eine Hand vor dem Mund. „Ich glaub,…urgh…Ich glaub, ich kotz gleich...“

Sofort brachte er sie ins Badezimmer, wo sie sich direkt über die Toilettenschüssel beugte und ihren Magen entleerte. Ihre langen Haare hielt Chiaki mit einer Hand zusammen und strich ihr mit der anderen Hand über den Rücken.

Nach einigen Minuten hatte Maron’s Magen sich beruhigt. Sie betätigte die Spülung, klappte den Sitz zu und ließ sich darauf nieder. Den Kopf in ihre Hände vergraben, blickte sie zu Boden.

Chiaki sah besorgt zu ihr herab und holte ein Handtuch aus dem Regal.

„Du wusstest es, oder…?“, durchbrach Maron die Stille zwischen ihnen, richtete sich etwas gerade und strich sich ein paar Strähnen, die ihr auf der Stirn klebten, weg. „Du wusstest von dem Antrag…“ Sie vermied seinen Blickkontakt.

„Ja…“, antwortete Chiaki wahrheitsgemäß und sah auf das Handtuch in seiner Hand herunter.

Verbittert lachte Maron auf. „Ich habe ‚Nein‘ gesagt...“

Er nickte kurz.

„Ich verstehe es nicht…Ich konnte einfach nicht ‚Ja‘ sagen…Wie als wollte alles in mir mit aller Macht verhindern, dass ich den Antrag annehme.“, sprach sie eher zu sich selbst als zu ihrem Gegenüber gerichtet. „Vielleicht sollte es einfach nicht sein…“

„…Du solltest mit ihm nochmal reden.“, schlug Chiaki vor. „Bestimmt habt ihr einiges auszusprechen.“

Die Braunhaarige nickte kaum merklich, das Gesicht eine ausdruckslose Maske.

Chiaki seufzte, hockte sich zu ihr runter und hielt ihr freundlich lächelnd das Handtuch entgegen.

Maron blickte das Tuch an und zog ihre Augenbrauen verärgert zusammen.

„Warum…“, murmelte sie.

Irritiert zog der ihr bester Freund eine Braue hoch. „Warum was?“

Frustriert schnaubte sie auf und funkelte ihn an. Chiaki konnte ihren plötzlichen Emotionswandel nicht verstehen. Verwirrung spiegelte sich in seinem Gesicht wider.

„Warum bist du immer so nett zu mir? Du weißt, dass ich deine Gefühle nicht erwidern werde! Egal, wie nett du zu mir bist!“

„…Das ist der Alkohol, der da aus dir raus spricht-“

„Nein, ich meine das hundertprozentig ernst!“

„Maron…“

„Ich liebe dich nicht, okay!!“, schrie sie ihm wütend entgegen. Die Worte ließen ihn zusammenzucken. Sie trafen ihn hart. Wie als hätte sie ihm das Herz aus der Brust gerissen und darauf getreten.

„Und dennoch…“, sprach Maron leiser weiter -nahezu kaum hörbar- und lehnte sich zu ihm nach vorne. „Dennoch verwirrst du mich…Du verwirrst mich sogar sehr. Manchmal wünsche ich mir, du hättest mir nie deine Gefühle gestanden!“

„Maron…,“, wisperte Chiaki, wagte es nicht sich von der Stelle zu bewegen.

Dann begann sie mit einer Hand sachte sein Gesicht zu berühren, strich ihm mit den Fingerspitzen über die Wange. Er fuhr leicht zusammen. Sein Herz begann lauter zu schlagen.

Ihre federleichten Berührungen brannten wie Feuer auf seiner Haut.

Sie beugte sich weiter zu ihm nach vorne, bis ihre Gesichter wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. Ihre Hand umfasste sanft sein Gesicht. Leise seufzend schloss sie ihre Augen und lehnte ihre kalte Stirn an seiner warmen an.

„Entschuldige…“ Maron entfernte sich langsam von Chiaki und sah beschämt weg. „Das waren sehr verletzende Worte… Ich hätte das nicht sagen sollen.“ Ein paar Tränen rollten ihr die Wangen herunter und ein leises Schluchzen entkam ihr. „Jetzt habe ich schon zwei Leuten das Herz gebrochen…“

Für eine Weile sagte niemand mehr was, bis Chiaki ihr fürsorglich mit dem Handtuch das Gesicht abtupfte. Mit großen Augen blinzelte Maron ihn überrascht an.

„…Dass ich nett zu dir bin, hat nichts mit meinen Gefühlen zu tun.“, sagte er mit einem sanften Lächeln. „Wir sind Freunde. Das Nett-sein gehört zum Freunde-sein dazu.“ Zärtlich wischte er ihr mit dem Finger die Tränen weg.

Ihre braunen Augen weiteten sich noch mehr. Sie schniefte kurz und nickte.

Dann schlang sie wortlos ihre Arme um Chiaki und drückte ihn fest an sich heran, ihr Gesicht an seinen Bauch geschmiegt. Er legte ihr einen Arm auf den Rücken und den anderen auf den Kopf. Sachte strich er ihr durch die Haare.

Eine Weile verweilten beide in der Position, bis sich Maron allmählich von ihm löste.

„Danke…“, flüsterte sie und stand mit etwas Mühe auf. Chiaki half ihr dabei.

Mit einem schüchternen Lächeln sah Maron zu ihm auf. „Kann ich deine Dusche benutzen?“

„Oh, eh, klar! Warte kurz, ich hol dir ein paar Sachen zum Anziehen.“

 

Chiaki hatte eine Weile gebraucht, bis er für Maron einen sauberen Pullover und eine Shorts fand, da er festgestellt hatte, dass die meisten seiner Sachen in der Wäsche waren.

Als er zum Bad zurückkehrte, blieb er wie erstarrt vor der Tür stehen.

Seine Augen rissen sich erschrocken weit auf. Fast hätte er die Sachen in seiner Hand zu Boden fallen lassen.

Maron stand in ihrer weißen Unterwäsche bekleidet vor dem Badezimmerspiegel. Ihre Klamotten lagen auf der Waschmaschine. Um ihren Hals hing ihre allbekannte Engelskette.

In ihrer Hand befand sich eine Schere. Ihre braunen Haare, die einst ihren gesamten Rücken bedeckten, lagen verstreut auf dem Boden. Nun waren sie nur noch maximal kinnlang.

„Was?“, fragte Maron irritiert, legte die Schere weg und sah Chiaki mit hochgezogener Augenbraue an.

„Uhm…“ Verunsichert fuhr er sich über die untere Gesichtshälfte, nicht wissend was er sagen sollte. Unbeholfen sah er zur Seite.

Daraufhin sah sie auf sich herab und stemmte schnaubend ihre Hände an die Hüften.

„Ach komm, stell dich nicht so an! Als ob du das nicht schon von anderen Frauen kennst, was du hier siehst!“

„...D-Darum geht’s nicht-“

„Außerdem hast du mich schon oft genug in Bikini gesehen.“

„Bikinis bestehen nicht aus Spitze.“, entgegnete Chiaki.

„Denk an pinke Elefanten!“, konterte Maron augenrollen.

Mittlerweile waren seine Wangen rosarot angelaufen.

„Eigentlich bin ich überrascht wegen den Haaren…“, sagte er und rieb sich verlegen den Nacken.

„Oh.“ Maron strich sich durch die frischgeschnittenen Haare, nahm eine Strähne zwischen ihre Finger und blickte auf ihre kurzen Spitzen. „Sieht es schlimm es?“

Chiaki sah zu ihr rüber und schüttelte den Kopf.

„Wirklich?“, hakte sie nach.

„Ja…“ Er schenkte ihr ein ehrliches Lächeln. „Der Schnitt steht dir sehr gut.“

Nun konnte Chiaki seine Augen nicht mehr von ihr abwenden. Mehr als gut sogar…, fügte er gedanklich hinzu.

Es war unglaublich, was ein Haarschnitt ausmachen konnte!

Es war wie, als würde sein Blick nicht mehr von den langen Haaren abgelenkt werden und sich direkt auf ihr schönes Gesicht fokussieren. Ihre Züge wirkten markanter, definierter. Die braunen Rehaugen kamen noch mehr zur Geltung als vorher.

Doch egal, ob lang oder kurz – in Chiaki’s Augen war sie immer noch wunderschön und strahlte eine atemberaubende Ausstrahlung aus.

Maron’s Mundwinkel zogen sich bei dem Kompliment noch oben.

„Da bin ich froh… Meine Mutter müsste mir eventuell die Spitzen ordentlich nachschneiden.“, kicherte sie, „Um ehrlich zu sein, wollte ich schon immer einen Haarschnitt. Und wie sagt man so schön… Ein neuer Haarschnitt ist der Anfang eines neuen Lebens?“

„Anfang eines neues Lebens?“

„Ja…“, zuckte sie mit den Schultern und sah sich im Boden um. „Sorry, für die Sauerei.“

„Schon okay! Ich mache das später sauber.“, winkte Chiaki ab und gab ihr schließlich seine Sachen sowie ein paar Badetücher. „Hier.“

Nickend nahm Maron seine Sachen dankend an und verschloss die Badezimmertür.

Draußen lehnte der Blauhaarige sich an der nebenstehenden Wand an und atmete tief durch.

Was für ein Tag…, ging es ihm leicht erschöpft durch den Kopf.

 

Eine halbe Stunde später kam Maron in aus dem Bad raus. Im Flur kam Chiaki ihr mit einem Glas Wasser und Aspirin-Tabletten entgegen.

Er musterte sie flüchtig. Der Pullover war ihr zu groß und die Shorts darunter schmeichelte ihre langen Beine. Überhaupt sah das Outfit süß an ihr aus. Chiaki versuchte nicht rot zu werden. Vergeblich.

„Ehm…Nimm am besten die Tabletten und leg dich dann drüben schlafen.“, sagte er und deutete aufs Schlafzimmer.

Maron nickte träge und schenkte ihm ein kraftloses Lächeln.

„Ich glaub, ich muss mir für Morgen frei nehmen...“, sagte sie, als sie sich im Bett gemütlich machte und zwei Aspirin-Tabletten nahm. „Vor sieben schaffe ich es garantiert nicht raus.“

„Das schaffst du auch so nur mit Mühe.“, scherzte Chiaki, worauf er ein Augenrollen von ihr erntete.

„Was ist mit dir? Muss du morgen früh ins Krankenhaus?“

„Erst mittags.“

„Okay…“ Maron ließ sich gähnend ins Kissen fallen und sah mit müden Augen zu Chiaki auf.

Dieser zog ihr sachte die Decke hoch. „Ich lass dich jetzt schlafen.“

Plötzlich streckte sie eine Hand nach ihm aus und hielt ihm am Ärmel fest. Überrascht sah er zu Maron runter. „Bleibst du bis ich eingeschlafen bin…?“, fragte sie.

Sanft lächelnd blickte Chiaki zu ihr herab und nickte. In Schneidersitz saß er neben dem Bett auf dem Teppichboden.

„Wir haben jetzt Rollen getauscht.“, grinste Maron in sich hinein.

Chiaki runzelte fragend die Stirn. „Was meinst du?“

„Na, das letzte Mal lagst du im Bett und ich habe mich um dich gekümmert. Ich war auch bei dir, als du eingeschlafen bist.“

„Ach…“ Verlegen von den Erinnerungen, sah Chiaki auf seine Hände herunter, die auf dem Schoß ruhten.

„Eine Sache fehlt noch.“, sagte sie, ein geheimnisvolles Lächeln bildete sich auf ihren Lippen.

Verwundert zog er die Brauen zusammen. „Was?“

Maron biss sich zögernd auf die Lippe, setzte sich etwas auf und stützte sich mit einen Ellenbogen auf der Matratze ab.

„Komm mal her…“, winkte sie Chiaki zu sich heran.

Er rückte näher zu ihr ans Bett ran.

Zu seiner großen Überraschung nahm Maron sein Gesicht in beide Hände, beugte sich zu ihm nach vorne und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.

Seine Augen wurden riesengroß.

Ihm stockte der Atem.

Fast blieb ihm das Herz stehen.

Leise kicherte Maron über seine Reaktion und kuschelte sich wieder in die Bettdecke rein.

Langsam drehte Chiaki sich um, den Rücken an das Bett angelehnt. Perplex hob er seine Hand und betastete mit den Fingern seine Stirn.

Noch immer spürte er das elektrisierende Kribbeln auf seiner Haut.

In seinem Kopf war das Chaos ausgebrochen.

Was war das denn?! Chiaki verstand gar nicht, wofür der Kuss war und was er zu bedeuten hatte. Innerlich ging er alle möglichen Erklärungen durch. Vielleicht lag es am Alkoholeinfluss? Obwohl – sie wirkte die letzten vierzig Minuten relativ ausgenüchtert…

Ratlos fasste er sich den Kopf. Er konnte noch nicht einmal einschätzen, ob so ein Stirnkuss von ihr freundschaftlicher Natur war, oder nicht.

Unwillkürlich ließ Chiaki die letzten zwei Stunden sowie die letzten Monate mit ihr gedanklich Revue passieren.

Sie hatte ihm mehr als einmal deutlich gemacht, dass sie nicht dieselben Gefühle empfand wie er. Allerdings ließ ihr Verhalten manchmal vom Gegenteil andeuten. (Besonders heute, was womöglich auch am Alkohol liegen konnte.)

Auch ihr Vater hatte Chiaki gesagt, dass Maron ihn tief in ihrem Inneren liebte.

Doch solange sie es ihm nicht selbst sagte, würde er es nicht glauben können.

„K-Kann ich dich was fragen?“, fragte er schließlich, ohne sich umzudrehen.

„Hmm? Was denn…?“, fragte Maron leise zurück, bewegte sich etwas hinter ihm.

„Das was du vorhin gesagt hast…Dass du mich nicht liebst...“ Er hielt für einen Moment inne und sah zu Boden. „Hast du das wirklich ernst gemeint?“

„Hmmm…“ Geduldig wartete Chiaki auf eine Anwort. Doch nach dem es für eine ganze Weile still war, drehte er sich doch um, um festzustellen, dass Maron tief und fest eingeschlafen war.

Seufzend senkte Chiaki niedergeschlagen den Kopf.

Mit einem matten Lächeln sah er Maron kurz beim Schlafen zu, strich ihr liebevoll ein paar Strähnen von der Stirn. Leise flüsterte er ihr ein „Schlaf gut“ zu, stand auf und verließ das Schlafzimmer.
 

***

„Ugh…“ Stöhnend wachte Maron am nächsten Morgen auf und rollte sich auf dem Bett.

Ihr Kopf dröhnte. Ihre Glieder schmerzten. Alles in ihr tat weh.

Müde öffneten sich ihre Lider, setzte sich auf und sie sah sich um.

Es brauchte einige Augenblicke, bis sie ihre Umgebung als Chiaki’s Schlafzimmer wiedererkannte.

Angestrengt versuchte sie sich zu erinnern, was passiert war.

Ein Handstrich durch ihre kurzgeschnittenen Haare, ließen alle Erinnerungen des gestrigen Abends wieder hochkommen.

Der Antrag. Die Bar. Ihr Alkoholexzess. Alles.

Besonders die Erinnerungen mit Chiaki sah sie klar und deutlich vor Augen.

Angefangen von ihrem emotionalen Ausraster im Bad bis zu dem Stirnkuss.

Mit einem ächzenden Geräusch ließ Maron sich rückwärts wieder ins Bett fallen und wickelte sich in die Decke ein.

Gottverdammt - Was zum Teufel war nur los mit ihr?! Am liebsten würde sie sich eine Ohrfeigen.

Ein Klopfen ließ sie aufschrecken. Maron warf einen Blick auf die Tür und sah Chiaki schmunzelnd darin stehen.

„Guten Morgen.“, lächelte er. Sofort wurde die Braunhaarige bei seinem Anblick rot und versteckte sich wieder unter der Bettdecke.

Ihr Herz raste wie verrückt.

Wiedermals überkam sie das warme Gefühl in ihrer Brust.

„Wie geht es dir?“, hörte sie ihn fragen.

Maron spürte, wie sich das Gewicht auf der Matratze etwas verlagert. Zögernd lugte sie ihren Kopf raus und sah zu ihrem besten Freund rüber, der auf der Bettkante saß.

„Beschissen. Alles fühlt sich beschissen an.“, antwortete sie, die Stimme heiser. Sie setzte sich langsam auf und lehnte sich ins Kissen rein. „Bietet euer Krankenhaus Entgiftungen an? Ich glaube, ich brauch eine...“

Daraufhin musste Chiaki amüsiert auflachen. „Du bist nur verkatert.“

„… Ich hab’s gestern etwas übertrieben mit dem Alkohol.“

„‚Etwas‘ ist eine deutliche Untertreibung!“

„Kommt nicht nochmal wieder vor, versprochen.“

„Ich sorge dafür, dass du keinen Tropfen mehr Alkohol anrührst.“, sagte er augenzwinkernd, worauf sie ebenfalls lachen musste.

 

Nach zwanzig Minuten hatte Maron es aus dem Bett geschafft und saß mit Chiaki in der Küche, der Brötchen aufbackte und Kaffee kochte.

„Hattest du schon auf der Arbeit angerufen?“, fragte er, während er das Frühstück vorbereitete.

Maron nickte. „War kein Problem gewesen. Habe einfach gesagt, dass es mir heute nicht gut ging und dass ich morgen wieder da wäre.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Solange ich morgen für dieses dämliche Interview da bin...“

„Verstehe.“ Chiaki reichte ihr eine Tasse Kaffee und setzte sich ihr gegenüber hin.

Das Frühstück verlief relativ ruhig ab. Jeder war in seinen eigenen Gedanken vertieft. Im Hintergrund lief das Radio und füllte die Stille im Raum.

Maron warf -nachdem sie fertig gegessen hatte- einen Blick auf die Uhr. Viertel vor zehn.

„Du musst mittags zur Arbeit, richtig?“, fragte sie ihren besten Freund, der an seiner Tasse nippte und bejahend nickte. „Könntest du mir einen Gefallen tun, bevor du mich nach Hause fährst?“

Neugierig zog Chiaki eine Augenbraue hoch. „Was für einen Gefallen?“

 

„Du bist dir sicher, dass ich hier warten soll?“ Chiaki warf Maron einen prüfenden Seitenblick zu. Diese saß auf dem Beifahrersitz und biss sich zögernd auf die Lippe.

Dann nickte sie ernst. „Ich werde nicht lange brauchen.“

„Pass auf dich auf.“, seufzte er. Schließlich stieg sie aus.

Maron nahm kurz tief Luft und steuerte auf ein Hochhaus vor ihr zu. Hinter ihr konnte sie seine besorgte Blicke auf ihren Rücken spüren.

Keine fünf Minuten später, fand sie sich vor einer Wohnungstür und klingelte. Nervös zupfte sie an Chiaki’s Schal um ihren Hals herum, den sie sich für einen weiteren Tag auslieh.

Nach zehn langen Sekunden öffnete Hijiri die Tür.

Wie vom Blitz getroffen erstarrte er, als er Maron sah. Seine Augen wurden erschrocken groß. Seine Kinnlade fiel auf.

Maron konnte nicht einschätzen, ob es an ihrem unerwarteten Erscheinen lag oder am Haarschnitt. Womöglich eine Mischung von beidem.

„Hi.“, sagte sie mit einem kleinen Lächeln.

„Uhm…H-Hi!“ Hijiri blinzelte sie einige Male verdutzt an. „W-Was machst du denn hier?“

„Ich wollte reden.“

„O-Okay…“ Er trat unbeholfen zur Seite. „Ehm- Willst du reinkommen?“

Maron blickte durch die Tür in seine Wohnung und sah wieder zu ihm auf. Bestimmt schüttelte sie den Kopf.

„Nein.“

Daraufhin musste Hijiri verbittert auflachen. „Ist wohl dein neues Lieblingswort…“

Maron’s Lächeln verschwand. Seufzend schaute sie ihn mit ruhiger Miene an, steckte sich ihre Hände in die Manteltasche.

„Ich bin nur hier, um dir zu sagen, dass ich weiß, wieso ich deinen Antrag nicht annehmen konnte.“

Hijiri zog hellhörig eine Augenbraue hoch und lehnte sich mit verschränkten Armen am Türrahmen an.

„Mir wurde bewusst, dass du nicht der bist, den ich vor dem Altar an meiner Seite sehe…“, gestand sie. „Deshalb… kann ich diese Beziehung auch nicht mehr weitermachen.“

Hijiri’s Gesicht war eine ausdruckslose Maske.

„Verstehe.“, nickte er einmal mit dem Kopf und lachte bitter. „Ich bin nicht der, den du vor dem Altar siehst.“, wiederholte er ihre Worte ungläubig.

Kurz war es still zwischen den beiden, bis Hijiri wieder das Wort ergriff: „Es liegt an Chiaki, oder?“

Maron versuchte ihre neutrale Miene beizubehalten, doch ihre großen, überraschten Augen verrieten sie. „D-Das stimmt nicht… D-Das hier ist eine Sache zwischen dir und mir!“

„Maron, ich habe viel über uns nachgedacht.“ Seine dunklen Augen blickten sie wissend an. „Und in dieser Beziehung gab es von Anfang an drei Leute: dich, mich und Chiaki.“ Maron wollte wieder etwas einwenden, doch er fiel ihr schon ins Wort: „Ich meine, ich wusste, dass er Gefühle für dich hat…Habe es die ganze Zeit über gewusst. Ich hatte es nur so gut es ging ignoriert und gehofft, dass das zwischen uns stärker wäre als zwischen dir und ihm… Anscheinend hatte ich falsch gehofft.“

Sprachlos starrte Maron ihn an.

„Wenn ich ehrlich sein muss, habe ich ihn aus Eifersucht gestern geschlagen.“, offenbarte er ihr.

„D-Du hast was??“, fragte sie entsetzt und verärgert zugleich.

Hijiri ignorierte sie mit einer Gegenfrage: „Sei ehrlich: Liebst du ihn?“

Maron zögerte einige Momente, ehe sie antwortete:

„…Ich weiß es nicht.“, gab sie ehrlich zu und blickte nachdenklich zur Seite. „E-Es ist alles sehr verwirrend…“ Dann sah sie ihren Ex-Freund mit einem traurigen Lächeln wieder an. „Ich möchte es allerdings herausfinden.“, fügte sie entschlossen hinzu.

 

Gelangweilt hatte Chiaki sich über sein Lenkrad gebeugt und wartete auf Maron. Mit einem ungeduldigen Blick starrte er auf die Uhr.

Immer wieder sah er zu dem Gebäude rüber, in das sie verschwunden war. Er wusste mit wem sie sich treffen wollte und dies bereitete ihm ein unwohliges Gefühl in den Magen.

In dem Moment als er Maron vorsichtshalber anrufen wollte, kam sie raus und stieg in sein Auto ein.

„Wir können fahren.“, sagte sie und schnallte sich an. Sie wirkte ziemlich ruhig. Chiaki sah seine beste Freundin fragend an, startete jedoch den Motor und fuhr los.

„Es ist aus zwischen mir und Hijiri.“, platzte es aus Maron heraus, bevor Chiaki irgendwelche Fragen stellen konnte.

Der junge Arzt machte erstaunt große Augen. „O-Okay…?“

„Bevor du fragst, mir geht es gut.“, warf sie ein und sah aus dem Fenster. „Im Großen und Ganzen beruhte es auf Gegenseitigkeit.“, zuckte sie mit den Schultern.

Chiaki musste sich zusammenreißen, um sich ein glückliches Grinsen zu verkneifen. Innerlich machte sein Herz Freudensprünge.

„Dass es dir gut geht, freut mich.“, brachte er entgegen.

Maron warf ihm einen schmunzelnden Seitenblick zu.

„Ab heute werde ich mich vor Männer und Dates fernhalten und mich auf die wichtigeren Dinge im Leben konzentrieren.“, kündigte sie an.

Ihr bester Freund musste bei dem Vorsatz kurz auflachen. „Muss ich mich als Mann auch vor dir fernhalten?“

Sie rollte mit den Augen. „Du bist mein bester Freund. Natürlich gehörst du zur Ausnahme.“

„Da bin ich mehr als erleichtert.“ Er warf ihr einen neugierigen Seitenblick zu. „Auf was für wichtige Dinge willst du dich denn konzentrieren?“

Kurz zuckte Maron mit den Schultern. „Keine Ahnung… Hobbies, Arbeit, Familie, Freunde…“, zählte sie auf und hielt kurz inne. „Menschen, die mir Nahe stehen.“, fügte sie hinzu und sah Chiaki eindringlich an.

„…Wie nah?“, fragte er.

„Sehr, sehr nah.“

Chiaki sah, wie ihr Blick immer noch auf ihn haftete und Maron ihn warm anlächelte.

Er lächelte zurück und nickte.
 

***

Chiaki lief durch die Korridore des Krankenhauses, auf dem Weg zu seinem nächsten Patienten. Kurz blieb er stehen, als er sein Handy in der Hosentasche vibrierte.

Eine Nachricht von Maron. Es waren einige Stunden vergangen, seit er sie nach Hause gefahren hatte.

„Meine Eltern hatten eben den Schock ihres Lebens bekommen, als sie heim kamen und meine Haare sahen :D“

Ein amüsiertes Grinsen entkam ihm und er tippte direkt eine Antwort zurück.

„Wussten bestimmt erstmal nicht, wer du warst :b“

„Glaub ich auch :b“

Kurz tauschten beiden sich noch ein paar Nachrichten aus, bis Chiaki sein Handy wieder wegpackte.

Etwas hatte sich zwischen ihnen verändert. Chiaki konnte nicht einschätzen was, doch es fühlte sich auf jeden Fall gut an.

Zwar schwebte ihm immer noch die Frage im Kopf, wie Maron’s Gefühle zu ihm standen, doch das würde er womöglich zu einem späteren Zeitpunkt, zu einer besseren Gelegenheit ins Gespräch bringen.

So gelassen sie auch nach der Trennung wirkte, so war er sich sicher, dass sie erstmal Zeit für sich brauchte.

Während Chiaki durch die Gänge lief, kam ihm auf einmal eine vertraute Gestalt mit langem türkisenem Haar entgegen.

Hisae Sazanka’s Enkelin.

„Guten Tag, Dr. Nagoya!“, kam es von ihr als Begrüßung.

Er lächelte trocken zurück. „Hi.“

„So sieht man sich wieder.“, grinste sie ihn schief an. „Einen schönen Tag haben wir heute, nicht?“

Chiaki rollte innerlich mit den Augen. „Tu nicht so als würden wir uns nicht kennen, Yashiro.“, sagte er.

„Was?“ Yashiro’s Grinsen wurde breiter. „Ich freu mich nur einen alten Freund aus Kindheitstagen wiederzusehen!“

 

Chapter 15: Unexpected Reunion

 

Chapter 15: Unexpected Reunion
 

„Ich freu mich nur einen alten Freund aus Kindheitstagen wiederzusehen!“, grinste Yashiro Chiaki an. „Ich habe mich schon gefragt, ob du mich gestern wiedererkannt hast…“, kicherte sie. „Gott, wie lange ist das her…siebzehn...achtzehn Jahre?“

„Könnte hinhauen.“, entgegnete er in einem neutralen Ton.

„Wow! Wirklich unglaublich! Ich habe höchstens damit gerechnet den Direktor -ich meine-deinen Vater hier zu sehen, weil er mir noch recht gut in Erinnerung geblieben ist. Aber dass ich dich direkt antreffe! Und noch dazu, dass du für meine Großmutter zuständig bist!“

„Mhm-Hm. Wirklich interessante Zufälle.“

„Ja! Ich habe gar nicht damit gerechnet, überhaupt jemanden von früher wiederzusehen, als ich nach Momokuri zurückkam. Aber dich habe ich sofort wiedererkannt! Du bist ein richtig hübscher Kerl geworden, wie meine Oma dich beschreiben würde.“

Chiaki schmunzelte leicht. „Danke. Du siehst auch nicht schlecht aus.“, gab er als Kompliment zurück und lächelte freundlich, worauf Yashiro kichernd abwinkte.

„Du scheinst im Vergleich zu gestern ziemlich gute Laune zu haben.“, stellte sie fest.

„…Sieht man mir das an?“

„Ein bisschen. Ist was Besonderes passiert?“

„Ja…Könnte man so sagen.“, grinste er in sich hinein.

Plötzlich ertönte ein Piepen. Yashiro reagierte sofort, wühlte kurz in ihre Handtasche und holte ihr Handy heraus. Kurz blickte sie auf das Display und steckte das Gerät wieder ein.

„Ich würde wirklich gerne weiterplaudern, aber leider muss ich dringend los. Hatte Oma eben noch einen kurzen Besuch abgestattet…“

„Lass dich von mir nicht aufhalten.“, zuckte Chiaki unbekümmert mit den Schultern. „Ich muss schließlich auch weiter.“

„Genau, die Arbeit ruft.“, sagte sie augenzwinkernd, „Garantiert laufen wir uns hier sowieso nochmal über den Weg. Werde für eine Weile schließlich Dauergast hier sein. Also, bis dann.“ Damit verabschiedete Yashiro sich und ging davon.

Kurz sah Chiaki ihr noch hinterher, bis er sich seufzend durch die Haare fuhr und seine Arbeit nachging. Eine vollbeschäftigte Nachtschicht stand ihm noch bevor.

 

Währenddessen war Maron damit beschäftigt ihr Zimmer auszumisten. Sie stellte einen großen Pappkarton in die Mitte des Raumes und warf alle möglichen Dinge hinein.

Fotos, Kuscheltiere, Briefe. Jegliche Geschenke und Kleinigkeiten, die sie an Hijiri erinnerten. Auch wenn sie nur knapp ein Jahr zusammen waren, so hatte sich zu Maron’s Erstaunen einiges angesammelt.

Zuvor hatte sie ihren Eltern von der Trennung berichtet, was sie mit einem erstaunten „Okay“ zur Kenntnis nahmen. Bei der Frage, ob dies der Grund für den spontanen Haarschnitt war, zuckte Maron nur mit den Schultern.

„Vielleicht…Vielleicht auch nicht. Ich weiß es nicht mehr…“, hatte sie ihnen gesagt, worauf ihre Eltern sich stumme, verwunderte Blicke austauschten.

Wenn sie ehrlich mit sich selbst war, so wusste sie selbst nicht mehr genau, was sie dazu bewegt hatte. Seit sie denken konnte, trug sie ihre braune Mähne lang. Womöglich, weil sie sich als Kind ihre Mutter zum Vorbild nahm.

Freundinnen beneideten sie oft für ihre gesunden, langen Haare. Alle ihre Exes bevorzugten sie mit langen Haaren, komplimentierten sie dafür.

Maron nahm dies als gegeben hin, weshalb sie nie groß über eine neue Frisur nachgedacht hatte.

Doch als sie gestern Abend vor dem Spiegel stand, ging ihr eines durch den Kopf: dass die Haare viel zu lang waren. Zu lang, zu dick, zu schwer.

Dass sie Veränderungen wollte. Dass sie Veränderungen brauchte.

Letztendlich hatte sie ohne zu Zögern nach der Schere gegriffen und Strähne für Strähne zwischen die Klingen geschoben.

Nachdem schließlich das letzte Stück ihrer langen Haarpracht ab war, hatte sie sich befreiter und leichter als je zuvor gefühlt. Kleine Glücksgefühle kamen ihr hoch.

Dass Chiaki ihre neue Frisur mochte, stimmte sie noch glücklicher.

Bei dem Gedanke an ihn zogen sich Maron’s Mundwinkel automatisch nach oben. Ihre Wangen liefen rosa an.

Nach dreißig Minuten war das letzte Teil eingepackt und sie faltete die Kiste mit einem zufriedenen Gefühl zu.
 

***

Am nächsten Tag:

 

„Hier ist dein Latte Macchiato.“

Dankend nahm Chiaki das Getränk von der Kellnerin ab und stellte ihn sich auf den Tisch. Dann sah er gedankenverloren aus dem Fenster und nippte kurz an der Tasse.

„Hallo Chiaki!“, hörte er auf einmal eine gut gelaunte Stimme neben sich sagen. Der Angesprochene blickte zu seiner Rechten und sah Yashiro’s grinsendes Gesicht vor sich.

Sie schon wieder…, ging es ihm durch den Kopf.

„Was dagegen, wenn ich mich dazu setze?“, fragte sie. Trotz des wolkenreichen Wetters trug sie eine relativ stark getönte Sonnenbrille.

Bei der Frage sah sich der junge Arzt kurz um. Bis auf die zwei freien Stühle an seinem Tisch waren alle Plätze im Café besetzt.

„Tu dir keinen Zwang an.“, sagte er mit einer einladenden Geste und sah wie Yashiro sich ihm gegenüber niederließ. Die Kellnerin von eben kam vorbei und die junge Frau bestellte sich einen Cappuccino.

„Sag mal, verfolgst du mich?“, fragte Chiaki mit hochgezogener Augenbraue.

Yashiro schüttelte amüsiert mit den Kopf und schob sich die Sonnenbrille die Nase hoch. „Reiner Zufall! Ich bin beruflich hier.“

„Beruflich?“

„Ja. Mein Manager hat mir hier ein Interviewtermin organisiert.“

„Du hast einen Manager?“

„Gehört zu einem Model dazu.“, erklärte sie wie selbstverständlich. In dem Moment kam ihr Cappuccino. „Bestimmt hast du mich schon auf einigen Covern von Magazinen gesehen.“, sprach Yashiro weiter, während sie Zucker in ihr Getränk hinzufügte.

„Ganz ehrlich - Ich interessiere mich für sowas nicht.“, gab Chiaki offen zu und nahm einen weiteren Schluck von seinem Macchiato.

„Oh.“ Sein Gegenüber strich sich durch die Haare und lächelte unbesorgt. „Naja, ist auch nicht jedermanns Sache… Ich kam nur da rein, als mich vor ein paar Jahren eine Mitarbeiterin der Agentur auf offener Straße angequatscht und die Visitenkarte in die Hand gedrückt hat.“

„Hmm. Wenn ich mich richtig erinnere, ist deine Familie damals nach Tokyo gezogen?“, fragte er.

„Nur meine Großeltern und ein paar andere Verwandte sind hiergeblieben.“, nickte Yashiro zur Bestätigung.

„Und jetzt bist du wegen deiner Großmutter wieder in Momokuri.“

„Sozusagen. Seit dieser Woche bin ich wieder hier und werde auch für eine gewisse Zeit bleiben. Nebenbei mache ich noch ein paar Fotoshootings… Aber ansonsten genieße ich mal die Pause von der riesigen Metropole.“

„Ach so…“

„Warst du schon mal in Tokyo?“, erkundigte Yashiro sich.

Chiaki nickte. „Für mein Medizinstudium war ich dort.“

„Wow! Das ist wirklich bemerkenswert! Dass du auch in die Fußstapfen deines Vaters trittst.“, brachte sie erstaunt entgegen.

„Man kann sagen, dass Medizin uns im Blut liegt.“, sagte er mit einem schiefen Lächeln.

Yashiro kicherte amüsiert in sich hinein. Dann stützte sie ihre beiden Ellenbögen auf den Tisch ab und legte ihr Kinn in die Hände.

„Wieder in der alten Heimat zu sein, bringt schon einige Erinnerungen wieder hoch.“, sagte sie mit einem nostalgischen Lächeln. „Hast du eigentlich noch mit irgendjemand Kontakt, den ich von damals vielleicht auch kenne?“

„Uhm… Mit Maron. Maron Kusakabe.“, beantwortete Chiaki nach kurzen Zögern ihre Frage und rieb sich den Nacken. „Falls du dich an sie noch erinnerst.“

Yashiro zog ihre Augenbrauen leicht hoch, ihr Lächeln löste sich. „Natürlich erinnere ich mich an sie. Sehr gut sogar…“ Seufzend blickte sie auf ihre Tasse herab und biss sich auf die Unterlippe. „Hör zu. Auch wenn es eine Ewigkeit her ist, so möchte ich mich wegen der einen Sache damals bei dir entschuldigen.“

„… Welche Sache?“, fragte Chiaki, obwohl er genau wusste, wovon sie sprach.

„Wegen mir bist du in den Pool gesprungen…und hast dir noch eine schwere Erkältung eingefangen...“

„Um es genau zu nehmen, bin ich damals in den Pool gesprungen, weil du Maron’s Kette rausgeschmissen hast.“, korrigierte er sie, seine Stimme bekam einen ernsten Unterton, „Daher denke ich, dass du dich wohl eher bei Maron entschuldigen solltest.“

Yashiro schluckte. „...D-Das stimmt. Da hast du vollkommen Recht.“

„Ich will auch nicht nachtragend sein. Aber wenn sie deine Entschuldigung annimmt, dann ist für mich auch alles in trockenen Tüchern.“

„Kann ich verstehen! Schließlich war ich auch furchtbar fies zu ihr ….“

„Mhm-Hm. Vielleicht kann ich die Tage ein kurzes Treffen arrangieren… Natürlich nur wenn Maron will.“, schlug Chiaki vor, worauf Yashiro zustimmend nickte.

„Okay.“

Plötzlich wurde die junge Frau von drei jungen Mädchen angesprochen.

„E-Entschuldige…Sind Sie vielleicht Yashiro Sazanka, das Model?“, fragte eine von ihnen zögerlich.

„Ja, die bin ich.“, sagte die Angesprochene mit einem breiten Lächeln und schob sich die Sonnenbrille in die Haare, worauf die Mädchen noch aufgeregter wurden.

„Wir sind große Fans von Ihnen! Dürfen wir ein Fotos mit Ihnen machen?“, kam es direkt als Frage, was Yashiro mit einem Nicken erlaubte.

„Ihr braucht nicht so formal mit mir zu sein.“, lachte sie, stand auf und machte zunächst Bilder mit jedem Mädchen einzeln.

Ehe Chiaki sich versah, wurde ihm ein Handy in die Hand gedrückt, wodurch er widerwillig noch ein Gruppenfoto schoss.

Die Mädchen bedankten sich und gingen langsam davon, die Köpfe zusammengesteckt.

Oh my God! Sie ist in echt noch hübscher als auf den Fotos!“, flüsterte eine zu ihren Freundinnen laut.

„Was sie wohl in Momokuri macht?“, fragte sich eine andere.

„Weißt du nicht, dass sie ursprünglich von hier kommt?? Und sowas nennt sich No. 1 Fan…“, belehrte sie die dritte.

„Ob das ihr Freund war?”, wurde anschließend spekuliert, „Der sah furchtbar gut aus…!“

„Bestimmt! Optisch würden sie gutzueinander passen.“

„Denke ich auch… Obwohl ich sagen muss, dass ich auch keinen Überblick mehr über ihre ganzen Kerle habe.“

Letztlich waren die Mädchen außer Hörweite und verließen das Café.

„Die waren süß!“, kam es von Yashiro amüsiert, als sie sich wieder hinsetzte. „In Tokyo kann ich manchmal keine fünf Meter laufen, ohne ständig Fotos mit Fans machen zu müssen oder Autogramme zu verteilen. Von Paparazzi will ich gar nicht erst reden…“

„Stelle ich mir trotzdem ziemlich anstrengend vor.“, kommentierte Chiaki und hob eine Augenbraue. „Wenn jedes deiner Schritte in der Öffentlichkeit festgehalten wird und irgendwelche Geschichten über dich und dein Leben gesponnen werden.“

„Machst du dir Sorgen, weil sie über dich sprachen?“, fragte sie.

Er zuckte einmal mit der Schulter. „Kann mir ehrlich gesagt egal sein.“, gab er gleichgültig zurück.

„Hmm. Ignorieren ist bei sowas sowieso das Beste.“, sagte Yashiro. „Mach dir nichts draus!“

Chiaki nickte, nahm einen weiteren Schluck von seinem Latte Macchiato und sah aus dem Fenster. Ohne dass der Blauhaarige es mitbekam, hatte es draußen angefangen zu schneien. „Da fällt mir ein - sagtest du nicht, du hast hier ein Termin?“, erkundigte er sich bei ihr und sah sie fragend an.

„Ja, um zwei sollte ich mich mit der Journalistin treffen.“, antwortete Yashiro ihm und nippte an ihrem Cappuccino. Chiaki sah auf die Uhr, welche 14:16 anzeigte.

„Sie verspätet sich ganz schön…“, merkte er an.

„Dabei habe ich mich bemüht pünktlich zu sein.“

Im nächsten Moment lief eine vertraute Gestalt an ihm vorbei und blieb vor Yashiro stehen. „Yashiro Sazanka. Ich bin Maron Kusakabe von Momokuri News. Entschuldigen Sie vielmals, dass ich mich verspä-“

Maron stoppte sich mitten im Satz, als sie Chiaki’s Anwesenheit bemerkte. Er starrte sie mit großen Augen an und musterte sie von oben bis unten flüchtig.

Sie trug schwarze, kniehohe Stiefeln mit dunklen Strumpfhosen und dunkelgrauen Overknee-Strümpfe. Unter dem großen, hellgrauen Mantel kam ein dunkelgrünes Kleid zum Vorschein und um ihren Hals konnte er seinen dunkelroten Schal sehen.

Die kurzen, braunen Haare wurden merklich an den Spitzen ausgebessert und mit einem schwarzen Haarreifen verziert. Es überraschte ihn immer wieder aufs Neue, wie gut ihr die neue Frisur stand.

Überrascht sowie schockiert starrte Maron ihren besten Freund an.

„Was machst du denn hier??“, platzte es aus den beiden gleichzeitig heraus.

„Ich bin eigentlich nur zum Kaffeetrinken hier.“, antwortete Chiaki zuerst.

„I-Ich habe einen Termin mit ihr.“, brachte Maron perplex entgegen und deutete mit dem Finger auf Yashiro.

Diese starrte die Braunhaarige mit halboffenen Mund an.

„Maron? Maron Kusakabe??“ Sie sprang von ihrem Stuhl auf und nahm Maron’s Hand in ihre beiden. „Du meine Güte! Erinnerst du dich an mich? Wir gingen zusammen in die Grundschule!“

„J-Ja...I-Ich erinnere mich an dich…Yashiro...“, stammelte Maron und sah verlegen zur Seite.

Ehe sie sich versah, fiel ihr Yashiro in die Arme und drückte sie fest. Die Braunhaarige verzog irritiert eine Grimasse. Man konnte ihr ansehen, dass sie sich mehr als überrumpelt fühlte.

„Süße, sieh dich an! Du hast dich kaum verändert!“, sagte die Türkishaarige.

Unbeholfen klopfte Maron ihrer alten Klassenkameraden auf den Rücken. „D-Danke. Du…eh, hast dich auch kaum verändert...“

Beide Frauen lösten sich voneinander und setzten sich hin.

„Wie aufregend ist das! Wie so ein kleines Klassentreffen!“, klatschte Yashiro erfreut mit den Händen. Maron hatte zwischen ihr und Chiaki Platz genommen und sah skeptisch zwischen ihnen hin und her.

„Sag mal…Du wusstest nicht, dass Maron deine Interviewpartnerin ist?“, fragte er verwundert.

„Mein Manager hat mir nur für heute nur Ort und Zeit gesagt. Ich sah es auch nicht als nötig an, nach weiteren Details nachzufragen.“, entgegnet Yashiro kopfschüttelnd und strich sich verlegen eine Strähne hinters Ohr. „Wenn ihr mich entschuldigt, ich geh mal kurz für kleine Mädchen. Danach können wir ruhig mit dem Interview anfangen, Maron!“

Maron nickte mit einem freundlichen Lächeln, doch sobald Yashiro ins Bad verschwunden war, sah sie ihren besten Freund mit einem kritischen Blick an.

„Wir sind uns nur zufällig hier begegnet.“, beantwortete Chiaki ihre unausgesprochene Frage. „Und da keine anderen Plätze frei waren, hatte sie sich dazu gesetzt.“

Daraufhin zog seine beste Freundin skeptisch eine Braue hoch. „Seid ihr euch vorher schon mal begegnet?“

„Mhm. Ja, vor zwei Tagen.“, sagte er wahrheitsgetreu und kratzte sich am Hinterkopf. „Wie sich herausstellte, gehört ihre Großmutter zu meinen Patienten.“

„Aha…“, erwiderte Maron trocken. „Wie klein die Welt doch ist...“

„Du wusstest aber anscheinend schon länger, dass Yashiro wieder in Momokuri ist.“

„Naja… was heißt ‚schon länger‘? Genauso lange wie du eigentlich… Ich wollte dir letztens schon sagen, dass sie wieder da ist. Aber naja…nach allem was passiert ist… ist es wohl in Vergessenheit geraten.“

„Naja, jetzt ist sie hier.“ Chiaki schaute sie mit einem fürsorglichen Blick an. „Ich weiß, dass du etwas reserviert ihr gegenüber bist, aber ich denke, dass sie im Vergleich zu früher schon reifer geworden ist.“

„Wir sind keine acht mehr, Chiaki.“, rollte Maron mit den Augen und lachte trocken auf. „Außerdem bin ich nur hier, um meinen Job zu machen.“, fügte sie ernst hinzu, worauf er ebenfalls kurz auflachen musste.

Im nächsten Augenblick meldete sich sein Handy.

„Hallo, Kagura?“, nahm er ab und sah abschließend überrascht auf sein Uhr. „Ich bin gleich wieder da.“, sagte er und legte auf.

„Musst du zurück ins Krankenhaus?“, fiel Maron ihm ins Wort und schmunzelte. Lustlos strich sich Chiaki über die Haare und nickte bejahend. „Die Arbeit ruft…“

Sie sah zu, wie er aufstand und sich seine Jacke anzog. „Ach ja! Dein Schal...“ Maron entfernte das Kleidungsstück von ihrem Hals, stand auf und legte es ihm um. „Hast du ihn endlich zurück.“, kicherte sie sanft.

„Danke.“, grinste Chiaki, „Eigentlich hättest du ihn auch behalten können.“

Maron winkte ab, die Wangen leicht gerötet. „Red keinen Unsinn, du brauchst bei den Temperaturen einen ordentlichen Schal. Außerdem habe ich meinen eigenen in der Tasche.“

„Wie du meinst.“ Er seufzte leicht. „Dann lasse ich dich mit Yashiro mal allein.“

„Ich komme schon klar.“

Im Anschluss verabschiedeten die beiden Freunde sich mit einer Umarmung und Chiaki bezahlte an der Theke seinen Latte Macchiato.
 

„Wo ist Chiaki?“, fragte Yashiro direkt, nach dem sie zurückkam.

Unterdessen war Maron auf seinem Platz übergewechselt, sodass beide Frauen sich nun gegenüber saßen. Vor ihr befand sich eine Tasse Tee, die sie sich bestellt hatte.

„Er musste zurück ins Krankenhaus.“, antwortete sie ihr knapp.

„Oh…“ Enttäuschung zeichnete sich in Yashiro’s grünen Augen ab. „Er hätte sich wenigstens von mir auch verabschieden können…“

„Er hatte es eilig.“, entgegnete Maron.

„Ach so…“ Ihre frühere Klassenkameradin zuckte anschließend mit den Schultern. „Na gut, ich gehe später noch meine Oma besuchen. Da sehe ich ihn bestimmt nochmal. Oder ich schaue in seinem Büro vorbei.“

Maron presste ihre Lippen zu einem dünnen Strich zusammen, ihr Blick verhärtete sich.

„Können wir mit dem Interview beginnen?“, wendete sie mit bestimmter Stimme ein und legte ihr Handy zur Gesprächsaufnahme sowie ein Notizblock mit Fragen auf den Tisch. Sie hatte schon genug Zeit verplant, als nötig war. Außerdem wollte sie unbedingt das Thema wechseln.

„Oh, klar! Natürlich.“, ging Yashiro freundlich lächelnd auf sie ein.

Nach fünfundvierzig Minuten waren sie mit dem Interview fertig.

„Deinem Manager wird Bescheid gesagt, wenn wir den Artikel fertig haben.“, sagte Maron, während sie ihre Sachen in die Tasche packte.

Gerade als sie aufstehen wollte, hielt Yashiro sie noch auf. „M-Moment-…!“, den Arm nach der Braunhaarigen ausgestreckt.

„Hast du vielleicht noch fünf oder zehn Minuten?“, fragte sie mit einem unsicheren Gesichtsausdruck. „Ich möchte dir gerne was sagen…“

Seufzend schloss Maron kurz die Augen und blickte ihr Gegenüber erwartungsvoll an. „Was denn?“, fragte sie ruhig.

„Ich... muss mich entschuldigen.“, sagte Yashiro nach einigen zögerlichen Sekunden. Überrascht krauste Maron die Stirn. „W-Wofür?“

„Für die eine Sache damals… Dass ich dir deine Kette weggenommen und aus dem Fenster geschmissen habe.“ Bei den Erinnerungen nahm Maron eine defensive Haltung ein, ihre Hand umfasste automatisch den silbernen Engel um ihren Hals. „Das war ziemlich kindisch und gemein von mir… Ich kann verstehen, wenn du mich deswegen nicht leiden kannst.“ vollendete Yashiro mit einem entschuldigenden Gesichtsausdruck und senkte ihren Kopf.

„Oh….“, brachte Maron nur hervor, nicht wissend was sie sagen sollte. Mit einer Entschuldigung hatte sie in jeglicher Hinsicht gar nicht gerechnet. „Ehm...Danke.“

Sie biss sich verunsichert auf die Lippe und blickte Yashiro an. „Dass ich dich deswegen nicht leiden kann, ist hart gesagt… Schließlich ist die Sache Ewigkeiten her. Aber es war -sagen wir mal- sehr prägend gewesen…Sowas vergisst man nicht so leicht.“

„Das kann ich verstehen! Wie gesagt, das tut mir wirklich leid.“

Für einige Momente war es still zwischen den beiden ehemaligen Klassenkameradinnen, bis die junge Journalistin prustend loslachte.

„Ach….Vergeben und vergessen.“, winkte sie mit einer Hand in der Luft ab und lehnte sich in ihren Sitz zurück. „Lassen wir die Vergangenheit ruhen.“

Yashiro machte überrascht große Augen. „Echt?“

„Ja, klar!“, sagte Maron. „Ich meine, das ist jetzt soooo viele Jahre her. Wir sind beide erwachsene Frauen und reif genug, um uns nicht über solche Kinkerlitzchen den Kopf zu zerbrechen.“

„Da bin ich froh!“ Daraufhin strahlte Yashiro sie an. „Hast du vielleicht was dagegen, wenn wir öfters mal uns für ein Kaffee hinsetzen oder ins Kino gehen? Bis auf meine Familie habe ich niemanden in Momokuri und ein paar Freunde wären schon nett…“

Maron neigte fragend den Kopf. „Meinst du, du und ich…“

„Und Chiaki!“, grinste Yashiro.

„Ehm…klar, wieso nicht…“ Die Braunhaarige strich sich einige Male durch die Haare. „Wir Mädels können auch shoppen gehen.“, warf sie mit einem kleinen Lächeln ein.

„Super!“

Anschließend hatten beide sich die Nummern ausgetauscht.

„Fehlt nur noch Chiaki’s Nummer.“, sagte Yashiro, nachdem sie Maron’s Nummer fertig gespeichert hatte.

„Ich kann sie dir auch geben.“, entgegnete Maron.

„Nein, nein. Ich frage lieber persönlich. Kommt ansonsten komisch rüber… Außerdem will ich mich jetzt sowieso auf den Weg ins Krankenhaus machen.“

Bei den Worten, verspürte Maron ein unangenehmes Gefühl in ihrem Inneren.

Ehe sie darüber nachdenken konnte, wendete sie schnell ein: „Weißt du was! Ich begleite dich.“

„Oh, das muss du nicht-…“

„Doch, doch! Freunde machen sowas!“ Damit hakte sie sich bei Yashiro ein und verließ mit ihr zusammen das Café. „Während wir uns die Beine vertreten, können wir uns unterhalten und quatschen. Schließlich haben wir achtzehn Jahre Erzählstoff nachzuholen.“

„O-Okay!“

                        

Eine halbe Stunde später waren sie im Krankenhaus angekommen und trafen Chiaki vor seinem Büro an. Dieser blickte verdutzt drein, als er beide Frauen vor sich stehen sah.

„Musst du nicht in die Redaktion zurück?“, fragte er als Erstes an Maron gerichtet.

„Ich habe es nicht eilig.“, zuckte sie gleichgültig mit den Schultern und nickte mit dem Kopf in Yashiro’s Richtung, „Außerdem wollte ich eine gute Freundin sein und Yashiro hierher begleiten.“

„Das war wirklich nett, aber ich wäre auch mit dem Taxi gefahren.“, wendete die Benannte lachend ein.

Noch immer war Verwirrung in Chiaki’s Gesicht abzulesen.

„Auf jeden Fall hatte sie den tollen Einfall gehabt, dass wir zu Dritt mal ins Kino gehen, oder so.“, sprach Maron weiter. Ein künstliches Lächeln haftete auf ihrem Gesicht.

„Genau! Da wollte ich nach deiner Nummer fragen.“ Yashiro zückte ihr Handy und ging einen Schritt auf den jungen Arzt zu.

„O-Okay…“ Ohne weiter nachzufragen, gab er ihr seine Nummer. Den wachsamen Blick von seiner besten Freundin entging ihm dabei nicht.

„War das alles?“, fragte er. Beide nickten. Seufzend strich Chiaki sich durch die Haare. „Ich würde mich gerne mit euch weiter unterhalten, aber leider bin ich etwas eingespannt. Also, wenn Kino oder was auch immer geplant ist, dann schreibt einfach.“

„Alles klar!“, grinste Yashiro erfreut.

Maron warf er noch einen kurzen Blick zu, welches sagte ‚Wir reden später nochmal und dann erklärst du mir alles‘, worauf sie kaum merklich nickte.

„Okay. Wir sehen uns dann.“, verabschiedete Chiaki sich schließlich von den beiden und verschwand.

„Nun denn… Ich denke, ich gehe jetzt auch mal.“, wandte Maron sich an ihre ehemalige Klassenkameradin.

„Ich melde mich bei euch.“, lächelte Yashiro und umarmte die Braunhaarige. Maron erwiderte die Umarmung kurz.

Ein letztes Mal winkten sie sich zu und liefen anschließend in entgegengesetzte Richtungen.

Das Lächeln auf Maron’s Gesicht verschwand und sie musste schwer Seufzen.

„Oh man…“, murmelte sie leise in sich hinein. „Wie nervig…“

 

Chapter 16: Rumours and Misunderstandings

Chapter 16: Rumours and Misunderstandings

 

Drei Wochen waren seit der ersten Begegnung mit Yashiro vergangen.

Bisher hatten die drei ehemaligen Schulkameraden sich gelegentlich zum Kaffeetrinken oder Mittagessen getroffen.

Am Anfang fühlte Maron sich dabei noch etwas unbehaglich, doch schnell schob sie das Gefühl beiseite. Es wurde sich ausgelassen über alle möglichen Themen unterhalten und gelacht. Für Kino oder andere Freizeitaktivitäten fanden die drei allerdings noch keine Zeit.

Besonders Chiaki hatte auf der Arbeit viel zu tun, weshalb er die meisten Treffen absagen musste, wodurch Maron auch relativ viel Zeit mit Yashiro alleine verbrachte. Diese Zeit verbrachten die beiden Frauen unter anderem mit Shoppen.

Auch wenn sie sich gut verstanden, würde Maron von sich aus nicht behaupten, dass sie richtige Freunde waren. Eher hatte sie eine neutrale Haltung gegenüber dem Model.

Persönlich hatte Maron auch nichts gegen Yashiro. Sie war klug, hatte Humor und war an sich auch jemand, mit der man über tiefgründige Themen unterhalten konnte.

Doch etwas an der Türkishaarigen bereitete Maron ein unangenehmes Gefühl in der Brust. Nicht nur machte sie ihr dauerhaft gut gelauntes, fröhliches Auftreten skeptisch. Auch ihre Fixiertheit auf Chiaki störte Maron sichtlich. Natürlich entging ihr es nicht, dass Yashiro’s gesamte Aufmerksamkeit auf ihren besten Freund gerichtet war, wenn sie mal zu dritt zusammen saßen. Ebenso konnte sie die Enttäuschung in Yashiro’s Augen jedes Mal aufblitzen sehen, wenn er ein Treffen absagte.

Dennoch setzte Maron eine freundliche Fassade auf und beobachtete die Situation zunächst.

 

Es war Freitagnachmittag.

Die beiden Frauen liefen durch die Einkaufsstraße umher und schauten sich die neusten Mode-Trends in den Geschäften an. Gelegentlich wurden sie von Fans angehalten, die Yashiro erkannten und mit ihr Bilder machen wollten. Was Maron sehr stutzig machte, war die Feststellung, dass ihnen bisher jedoch keine Reporter oder Paparazzi begegnet waren. Schließlich müsste es sich in den Medien und sozialen Netzwerken schon breit gemacht haben, dass ein bekanntes Model sich in der Umgebung aufhielt.

„In der Regel kommen die meist Nachts aus ihren Verstecken raus.“, hatte Yashiro ihr gesagt, nachdem Maron sie darauf angesprochen hatte. „Außerdem kümmert sich meine Agentur und mein Management darum, dass ich unbeschwert meine Zeit hier verbringen kann.“ Ihre Stimme bekam einen bitteren Unterton, der Maron nicht entging. „Also mach dir darum keine Gedanken.“, winkte Yashiro unbeschwert ab.

„Verstehe…Ich meine, ich arbeite auch für die Presse, aber für Paparazzi und den ganzen Promi-Klatsch hatte ich noch nie Verständnis gehabt.“

„Naja… Hier in Asien sind die noch kontrollierbar, denke ich. Ich kann froh sein, dass ich nicht in Amerika die große Karriere gemacht habe. Da würde ich durchdrehen, wenn fünfzig Kameras vor meiner Haustür positioniert wären, nur um das perfekte Fettnäpfchen festzuhalten.“

„Da würde jeder Normalsterbliche durchdrehen.“, verdrehte Maron ironisch die Augen.

„Je nach Definition, gehöre ich nicht zu den Normalsterblichen.“, konterte Yashiro scherzhaft.

Daraufhin mussten beide belustigt auflachen.

„Da fällt mir ein… In ein paar Tagen ist die Fashion Week in Tokyo!“, wechselte das Model das Thema. Inzwischen waren sie in einem neuen Schuhladen angekommen und schauten sich um.

„Uhm…, Ja. Wirst du da für den Laufsteg gebraucht?“, fragte Maron, während sie sich die Stiefeln anschaute.

„Wohl eher nicht… Die letzten Jahre war ich dabei, aber dieses Jahr nicht. Ich will für die nächste Zeit auch keine Jobs außerhalb Momokuri annehmen.“

Die Braunhaarige zog eine Augenbraue hoch. „Wieso?“

„Ich habe in meinem jungen Leben erstmal genug von der Welt gesehen… Da ist es mal nicht schlecht, sich an einem Ort abzusetzen. Außerdem hat Momokuri ihren eigenen, besonderen Charme, welche die Stadt so besonders macht.“, schmunzelte die Türkishaarige, während sie ein paar High Heels in die Hand nahm und begutachtete.

„Ach so… Es steht noch nicht fest, aber wahrscheinlich werde ich und ein paar Kollegen für die Mode-Woche nach Tokyo geschickt, um darüber zu schreiben und zu berichten.“

„Hört sich doch toll an! Warst du schon mal in Tokyo?“

Maron überlegte kurz. „Einmal. Als ich Chiaki während seines Studiums besuchte.“

Yashiro nahm die Antwort mit einem Nicken zur Kenntnis.

„Er ist wirklich ein guter Arzt, der für seine Arbeit lebt… Ich habe ihn die letzten Wochen selbst bei meinen Besuchen im Krankenhaus kaum zu Gesicht bekommen.“

Dies brachte Maron ein kleines, befriedigendes Lächeln auf die Lippen. „Ja… Aber er liebt seinen Job. Er mag es Menschen zu helfen.“, entgegnete sie.

Nach wenigen Minuten verließen die beiden das Geschäft auch wieder. Plötzlich kam ein junger, gutaussehender Mann auf sie zu.

„Entschuldige…“, sprach er Maron an, „Ich komme nicht von hier. Kannst du mir sagen, wo die Postfiliale ist.“

„Uhm…. Einfach gerade aus die Straße entlang. Kann man eigentlich nicht übersehen.“, sagte sie ihm und deutete mit dem Finger in die besagte Richtung.

Der junge Mann wurde etwas nervös. „Ehm… Oh, klar. Natürlich…! Muss ich wohl übersehen haben.“, nickte er verunsichert. Er sah unbeholfen die Straße entlang und wieder zu der hübschen Braunhaarigen. „Ehm, Danke.“

„Gern geschehen.“, entgegnete Maron freundlich. Für einige, lange Sekunden stand er noch vor ihr und lächelte nervös, bis er davon ging und verschwand.

Yashiro stupste sie an und kicherte. „Der gutaussehende Typ hat eben versucht mit dir zu flirten.“

Maron warf ihr einen argwöhnischen Seitenblick zu. „H-Hat er nicht?“

„Oooh, doch! Der hatte gehofft, dass du ihn dahin begleitest. Garantiert wollte er auch deine Nummer.“

„Tja… Kein Interesse.“

„Hast du einen Freund?“, fragte Yashiro mit überspielter Neugier.

„Nein.“, antwortete Maron ehrlich, „Ich habe vor kurzem erst eine Beziehung beendet und möchte erstmal Single bleiben.“

„Ach so.“

Die beiden Frauen steuerten auf eine Bank zu, um sich kurz hinzusetzen. Die Sonne schien warm auf sie herab, im Kontrast zu den kühlen Wintertemperaturen.

„Sag mal, hat Chiaki eigentlich eine Freundin?“, fragte Yashiro plötzlich und drehte sich zu Maron um, die auf ihr Handy etwas tippte.

Diese fuhr bei der Frage innerlich zusammen. „… Derzeit nicht.“, antwortete sie wahrheitsgemäß, den Blick auf ihr Handy in der Hand fixiert, die Stimme tonlos.

„Gibt es jemanden den er mag?“

„Wieso fragst du?“, kam es genervt als Gegenfrage.

„Wieso wohl!“ Yashiro lächelte verspielt. „Weil ich an ihm interessiert bin.“

Bei dem Geständnis versteifte Maron sich etwas. Offensichtlich hatte sie ihre Vorahnungen gehabt, doch die Worte laut ausgesprochen zu hören war wie ein Schlag ins Gesicht.

„Ich mein, er ist groß, attraktiv, charmant. Wenn ich ehrlich sein will, war ich schon damals ein wenig in ihn verschossen…“, schwärmte ihre Sitznachbarin, doch die Worte rauschten an Maron vorbei. „Hättest du was dagegen, wenn ich mich mal mit ihm alleine treffe?“, hörte sie Yashiro auf einmal fragen.

Langsam wandte Maron sich zu ihr um und sah sie an.

„…Fragst du mich gerade um Erlaubnis, ob du mit ihm ausgehen darfst?“

„Eher frage ich, um zu sehen, ob du dich auf den Schlips getreten fühlst.“ Yashiro warf ihr einen prüfenden Blick zu.

Maron zuckte wie gleichgültig mit den Schultern. „Pff. Wieso sollte es mich stören?“

„Für den Fall, dass du ihn auch magst?“

„…Ich mag ihn als meinen besten Freund.“

„Hmm. Na gut, nach so vielen Jahren Freundschaft… da ist er wie ein Bruder für dich, oder?“

Maron zog ihre Brauen zusammen, die Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepresst.

Dann zogen sich ihre Mundwinkel nach oben.

„Weißt du was? Tu was du nicht lassen kannst!“, sagte sie in einem ermutigenden Ton.

„Danke! Ich werde Chiaki fragen, ob er mit mir auf ein Date geht.“, entgegnete Yashiro mit einem selbstsicheren Grinsen. „Wünsch mir Glück!“

Maron erwiderte darauf nichts mehr und lächelte sie einfach an.

Versuch dein Glück…!, ging es ihr insgeheim durch den Kopf.
 

***

Am nächsten Tag:

 

Chiaki saß an seinen Schreibtisch und arbeitete an ein paar Dokumenten.

Plötzlich klopfte es an seiner Bürotür und er schaute von den Papieren auf.

„Stör ich?“, fragte Yashiro höflich.

Er schüttelte den Kopf. „Komm ruhig rein.“, sagte er und machte sich nebenbei ein paar Notizen.

„Ehm… Ich will dich auch nicht lange von der Arbeit abhalten.“

„Mhm-hm. Keine Sorge. Ist nur Papierkram.“

„Okay. Uhm…Ich wollte dich fragen, ob du demnächst vielleicht Zeit hast?“

Chiaki sah kurz zu ihr auf und dann zu seinem Kalender an der Wand. „In der Tat, ja. Ab heute werde ich wieder mehr Freizeit haben.“, sagte er mit einem leichten Lächeln. Dann wandte er sich wieder seinen Papieren zu und notierte sich etwas. „Ist was geplant?“

„Ehm, Ja. Ich wollte dich fragen, ob du Lust hast ins Kino zu gehen?“, fragte Yashiro. Leichte Nervosität war in ihrer Stimme rauszuhören.

„Kino hört sich gut an.“, antwortete Chiaki ihr, ohne aufzuschauen.

„W-Wirklich?“

„Klar, wieso nicht? Schreib mir einfach wann und wo. Ab 17 Uhr habe ich Zeit.“

Er blickte zu ihr auf.

Ein breites, überglückliches Grinsen war auf ihrem Gesicht zu sehen.

„Alles klar! Ich freu mich so!“ Yashiro hüpfte erfreut und begab sich zur Tür. „Bis heute Abend!“

Chiaki winkte ihr zum Abschied kurz zu.

Kaum war Yashiro verschwunden, kam sein Vater vorbei.

„Ist das nicht das Mädchen, was dich damals in den Pool geschubst hat?“, fragte er mit einem verwunderten Gesichtsausdruck und deutete mit dem Finger hinter sich.

Seufzend ließ Chiaki seinen Stift sinken, stand auf und entspannte seinen Nacken. Dann lehnte er sich an der Fensterbank an. „Ihr Name ist Yashiro. Und zu ihrer minimalen Verteidigung, ich bin freiwillig in den Pool gesprungen.“

„Ahja…“ Kaiki gesellte sich zu seinem Sohn dazu und sah nach draußen. Ein orangefarbener Himmel war zu sehen. „Ich habe sie schon öfters hier gesehen.“

„Ihre Großmutter besuchen.“

„Sah vorhin aber nach mehr aus, als nur ein gewöhnlicher Krankenhausbesuch.“

Chiaki rollte mit den Augen. „Sie hatte nur nach einem Treffen heute Abend gefragt. Maron und ich verbringen ein wenig Zeit mit ihr, weil sie derzeit keine Freunde hier hat.“

„Das… ist sehr aufmerksam und nett von euch beiden.“, brachte Kaiki erstaunt und mit leichter Verwirrung entgegen.

Einige Sekunden sah er seinen Sohn mit einem unschlüssigen Gesichtsausdruck an.

Diesem entging der Blick seines Vaters nicht. „Was?“

„…Das ist aber jetzt nicht so eine komplizierte Dreiecksgeschichte, oder?“, fragte Kaiki mit hochgezogener Augenbraue. Chiaki verzog eine irritierte Grimasse, verschränkte die Arme vor seiner Brust.

„Nein.“, streitet er kopfschüttelnd ab. „Nein, ist es nicht.“

„Diese Yashiro scheint aber ein Auge auf dich geworfen zu haben.“

„Mag sein, aber ich will nichts von ihr.“ Chiaki atmete tief ein und aus, fuhr sich über das Gesicht und sah aus dem Fenster. „Für mich gibt es nur einen Menschen auf der Welt…“, seufzte er.

Kaiki kicherte leise in sich hinein und sah seinen Sohn mit väterliche Fürsorge an. „Was ist jetzt eigentlich mit Maron?“, erkundigte er sich.

„Sie und ich sind nach wie vor Freunde.“, lächelte Chiaki schief.

„Das ist nichts neues, Sohn…“, lachte Kaiki auf und fragte im Anschluss, „Was mich genauer interessiert: Was hält dich davon ab, dich ihr zu nähern?“

Es dauerte einige Sekunden bis sein Sohn ihm antwortete.

„Nichts. Aber ich habe beschlossen zu warten.“, offenbarte er, wandte den Blick vom Fenster ab und sah seinen Vater an, der fragend den Kopf neigte.

„Warten?“

Chiaki nickte. „Bis sie weiß, wie sie für mich empfindet. Sie hatte mich damals zwar abgewiesen… Aber mein Gefühl sagt mir was anderes.“

Mit großen Augen blinzelte Kaiki seinen Sohn an.

„... Dann weißt du doch, wie Maron tief in ihrem Inneren für dich empfindet.“, sagte er sanft.

„Ich weiß es erst, wenn ich es von ihr gesagt bekomme.“, seufzte Chiaki, strich sich kurz durch die Haare. „Bis dahin…werde ich mich zurückhalten. Schließlich weißt Maron nur zu gut, wie ich für sie empfinde und ich will sie mit meinen Gefühlen nicht unter Druck setzen… Wenn du verstehst, was ich meine.“

„Hmm.“ Kaiki nickte verstehend.

„Macht das Sinn?“, fragte Chiaki unsicher, „Denkst du, das ist dämlich?“

Sein Vater schüttelte den Kopf, lächelte ihn an und klopfte ihm auf die Schulter. „Ich bin stolz auf dich, mein Sohn.“

Verlegen musste dieser auflachen und nickte dankend.

„Viel Spaß heute Abend. Pass bloß auf, dass du dir keine Probleme einhandelst.“

Anschließend verließ der Chefarzt das Büro.

 

Zur selben Zeit saß Maron in der Redaktion und blickte ihr Handy finster an.

Soeben hatte sie eine Nachricht von Yashiro bekommen, dass Chiaki ihre Kinoeinladung angenommen hatte.

Wie konnte er sich auf ein Date mit ihr einlassen?!, fragte sie sich. Maron war der festen Überzeugung gewesen, dass Chiaki -wegen seiner Gefühle für sie- Yashiro einen Korb geben würde. Ihre braunen Augen bekamen einen enttäuschten, traurigen Touch. Verunsichert biss sie sich auf die Lippe. Liebt er mich nicht mehr…? Ein stechendes Gefühl durchfuhr ihr Herz, was sie noch nie so intensiv empfunden hatte.

Die letzte halbe Stunde konnte sie sich nicht auf die Arbeit konzentrierten.

Vage bekam Maron mit, dass Miyako mit ihrem Stuhl zu ihr gerollt kam.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte sie besorgt und neugierig zugleich.

Maron sah von dem kleinen Display auf und legte ihr Handy murrend beiseite. „Nicht wirklich.“

„Wenn du reden willst, ich habe ein offenes Ohr für dich.“

„Ich weiß...“

In den letzten Monaten sind Maron und Miyako zu ziemlich guten Freunden geworden. Besonders weil Miyako bei der Braunhaarigen des Öfteren nach Rat gesucht hatte, bezüglich ihrer Beziehung mit Yamato, der noch dazu Chefredakteur von ihnen war.

Unter der Belegschaft wurde die Beziehung am Anfang argwöhnisch beäugt, doch Maron stand ihrer Kollegin und Freundin zur Seite.

Dass Miyako mal was mit ihrem besten Freund hatte, war so gut wie vergessen.

„Also, was ist los?“, fragte die Sportjournalistin ein weiteres Mal.

Maron seufzte schwer. „Chiaki ist los…“

„Süße, sei bitte etwas präziser.“

„Er hat ein Date…“

Miyako zog erstaunt eine Augenbraue hoch. „Mit wem denn??“

Sie konnte schwer glauben, dass ihr Ex-Freund, der eigentlich in die braunhaarige Schönheit vor ihr verliebt war, freiwillig ein Date mit einer anderen Frau hatte. Schließlich hatte er ihr damals, als sie Schluss machten versprochen, damit aufzuhören sich und anderen was vorzuspielen und ehrlich mit seinen Gefühlen zu sein.

„Mit jemand den wir beide von früher kennen… Yashiro Sazanka heißt sie.“, antwortete Maron ihr.

„Der Name hört sich vertraut an…“

„Sie ist ein bekanntes Model.“

„Ein Fashion-Model??“

„Ja.“

„Und ich gehe mal davon aus, dass die was von ihm will?“

„Ja, sie steht eindeutig auf ihn.“

„Alles klar… Und jetzt bist du eifersüchtig.“

„Bin ich nicht!“, verneinte die Braunhaarige sofort, „Ich kann bloß nicht verstehen, wie Chiaki mit ihr ausgehen kann!“

„Wenn du es abstreitest, dann bist du erst recht eifersüchtig, Süße. Ich könnte schwören, dass du sogar auf mich eifersüchtig warst.“ Miyako schmunzelte leicht.

Maron verschränkte die Arme vor der Brust und drehte sich trotzig weg. „Hmpf.“

„Okay, zurück zum eigentlichen Thema…“, seufzte die Dunkelhaarige und stützte einen Ellenbogen auf den Schreibtisch ab. „Ein einziges Date bedeutet im Normalfall nicht direkt, dass daraus auch was Ernstes wird.“

„... Da kannst du Recht haben.“

„Was kannst du mir noch über diese Yashiro erzählen? Ich meine, was für eine Persönlichkeit ist die…?“

„Keine Ahnung. So wie ich sie kennengelernt habe… Eine Seltsame. Sie ist zwar nett, aber auch ein bisschen seltsam.“

„Und sonst?“

„Wie ‚und sonst‘?“

Miyako legte den Kopf schief und zog ihre Augenbrauen zusammen. „…Hast du dich nicht weiter über die informiert?“

„Was meinst du?“ Zu Maron’s Perplexität schlug sich ihre Freundin mit der Handfläche auf die Stirn.

„Maron, Maron, Maron…Muss ich wirklich noch deine Hausaufgaben für dich machen.“

„Hausaufgaben?“

„Was können wir Journalisten am besten?“, fragte Miyako in einem verspielt, ironischen Ton, „Genau! Recherchieren. Und das machen wir jetzt auch!“

Ehe Maron sich versah, wurde sie etwas beiseitegeschoben, damit ihre Kollegin an ihre Maus und Tastatur rankommen konnte.

„Das wäre somit das Erste, was ich machen würde.“, sagte Miyako.

„Ich habe es nicht für nötig gehalten sowas zu machen.“, verteidigte Maron sich.

Sofort wurde in der Suchmaschine Yashiro’s Name eingegeben und nach wenigen Sekunden wurden ihnen neben ihren Modelbildern auch zig Artikel und Beiträge angezeigt.

Vorwiegend handelten sie sich um Gerüchte, bezüglich ihres Beziehungsstatus. Paparazzi-Fotos wurden gezeigt, wo sie mit diversen Musikern, Schauspielern oder Modelkollegen auf privaten Dates oder offiziellen Events zu sehen war. Auch wurden ihr Affären nachgemunkelt.

Von dem was Maron überfliegen konnte, wurde offiziell nie etwas bestätigt.

Ebenso las sie sich auch die Kommentare der Beiträge durch, die vorwiegend negativer Ausrichtung waren.

„Was für eine notgeile Schlampe!“

„Die Alte will doch nur Aufmerksamkeit!!“

„Die wechselt ihre Männer wie andere ihre Unterwäsche…“

„Mannomann…!“, stöhnte Miyako und fuhr sich durch die Haare, „Die scheint einen Ruf zu haben….Wird über der auf mal was anderes geschrieben? – Ooh, ja, hier! Die hat sich einen süßen Welpen angeschafft.“

„Glaubst du dem ganzen Promi-Quatsch?“, fragte Maron kritisch.

„Da nie was bestätigt wurde… Wer weiß.“ Miyako machte ein ratloses Gesicht und sah die Braunhaarige an. „Du?“

Maron zuckte mit den Schultern. „Alles reine Spekulationen und Gerüchte. Ich meine, mich wundert es nicht, dass so ein Klatsch und Tratsch rauskommt… Solche Stories sind heutzutage wichtiger als Hungersnot in der dritten Welt.“, sagte sie trocken, „Deswegen habe ich auch versucht, sie als Mensch hinter der Kamera kennenzulernen.“

„Du weißt, dass Models auch fürs Schauspielern geschult werden, oder?“, wendete Miyako ein, die Augen noch auf dem Computerbildschirm gerichtet und scrollt weitere Artikel durch. Maron verdrehte seufzend die Augen.

„Gott…Du musst dich reden hören, Miyako…“

„Und du bist viel zu gutherzig, Maron.“

Gerade als die Braunhaarige was erwidern wollte, für ihr Miyako ins Wort. „Hey, den Laden kenne ich doch…! Ehm…Irre ich mich oder ist das Chiaki da drauf?“

Maron stieß ihre Kollegin abrupt beiseite und beugte sich leicht nach vorne, um das Foto auf dem Bildschirm zu inspizieren.

Darauf war eindeutig das Mori-Café von draußen zu sehen. Durch das Fenster konnte man Chiaki’s Profil erkennen. Yashiro saß ihm grinsend gegenüber.

„Yashiro Sazanka auf einem Date erwischt!“, stand darunter als Titel geschrieben. Der Artikel war drei Wochen alt.

„Kaum zurück in die alte Heimat, wird Model und Mode-Ikone Yashiro Sazanka direkt mit einem hübschen Unbekannten im Café gesichtet! Zeugen zufolge wirkten die beiden ‚sehr vertraut‘. [...]“

Die Kommentare waren zu ihrer Fassungslosigkeit das komplette Gegenteil zu dem, was sie vorher gelesen hatte:

„Sehen gut zusammen aus!“

„Ein hübsches Paar <3“

„Ich gönne ihr das Glück.“

„W-W-Was…“, brachte Maron verständnislos hervor.

Sie fühlte sich wie als hätte man ihr in den Magen getreten. Sie brauchte ein paar Sekunden um ihre Gedanken zu sortieren. Am liebsten möchte sie jemanden schlagen. Einen gewissen jemand hatte sie auch vor Augen.

„Ich hatte an dem Tag mein Interview mit ihr. Chiaki war ihr zufällig begegnet und hatte ihr aus Höflichkeit einen freien Platz angeboten.“, versuchte sie so ruhig wie möglich entgegen zu bringen. „Unfassbar, dass die direkt so eine Lüge auftischen! Und dass die Leute das noch toll finden…?! Eben wurde sie noch als Schlampe bezeichnet und jetzt ist alles okay???“

„Vielleicht war das auch der Zweck des Artikels?“, spekulierte Miyako. „Sobald ein männlicher Star involviert ist, fahren dessen Fans ihre Krallen aus. Aber so… Dann ist es denen egal und alles ist gut.“

„Nichts ist gut!“ Maron nahm durch die Nase tief Luft und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. „Ich verstehe das nicht… Yashiro hatte behauptet, dass ihr Management dafür sorgen würde, dass sie hier in Momokuri von den Medien in Ruhe gelassen wird.“

„Tja… Sieht wohl nach dem Gegenteil aus.“, kommentierte Miyako.

„Auch wenn sein Name nicht genannt wird … Dass Chiaki darein gezogen wird, macht mich wütend.“

„Das glaube ich dir…“ In der nächsten Sekunde bekam Miyako große Augen. „Was ist, wenn bei ihrem Date wieder irgendwelche Paparazzi ihnen auflauern??“

Auch Maron’s Augen weiteten sich vor Schreck.

„Sagt mal, arbeitet ihr beiden noch?“

Überrascht und fast erschrocken drehten beide Frauen sich zu Yamato um.

Dann sah Maron auf die Uhr. 17:48. Sie hatte komplett die Zeit vergessen.

Chiaki müsste jetzt mitten beim Date sein…, ging es ihr durch den Kopf.

Plötzlich meldete sich ihr Handy mit einem kurzen Piep-Ton.

Seufzend entsperrte Maron das Gerät. Eine Nachricht von Natsuki.

Sie hatte ihr ein Foto geschickt. Mit einem überraschten Blick starrte Maron auf den kleinen Bildschirm in ihrer Hand.

Nachdem sie die Nachricht ihrer Freundin vollkommen registriert hatte, musste sie laut auflachen. Ihre Stimmung hatte sich um 180 gewendet.

„Was? Was ist los?“, fragte Miyako irritiert und sah neugierig auf das Handy, was Maron ihr entgegen hielt.

Ein kurzer Blick darauf und sie schloss sich dem Lachen an.

Yamato blickte nur verwirrt zwischen den beiden hin und her.

„Schatz, hättest du was dagegen, wenn Maron uns heute Abend in die Innenstadt begleitet?“, fragte Miyako ihren Freund mit einem geheimnisvollen Lächeln.
 

***

Gott…Ich bin so ein verdammter Idiot!!

Chiaki könnte sich ohrfeigen.

Es war zum fremdschämen!

Die ganze Zeit ging er davon aus, dass Maron bei dem Treffen mit dabei wäre. Schließlich war sie auch sonst immer dabei gewesen. Als der junge Arzt vor dem Kinoeingang wartete und sie angerufen wollte, stellte er zu seinem Bedauern noch fest, dass er sein Handy im Büro vergessen hatte.

Letztlich kam Yashiro alleine und klammerte sich direkt an seinem Arm an. Ihre Haare wurden leicht gewellt und sie trug starkes Makeup. Ihr Outfit war schicker als sonst.

Chiaki hatte einige peinliche Sekunden gebraucht bis er realisierte, dass sie ihn eigentlich zu einem Date ausgefragt hatte.

Ich hätte nicht mit halben Ohr zuhören sollen…, ging es ihm reumütig durch den Kopf und seufzte.

Nun saß er alleine im Kinosaal -während sie sich Popcorn holte- und überlegte sich einen Plan, wie er ihr schonend beibringen konnte, dass das alles ein Missverständnis seinerseits war.

„Yo, Chiaki!“

Überrascht drehte der Angesprochene sich zu Shinji’s Stimme um. Natsuki begrüßte ihn grinsend.

„Hey Leute…?!“ Er war erleichtert und verwirrt zugleich, seine Freunde hier zu sehen. „Was macht ihr denn hier?“

Das Paar setzte sich auf zwei freie Plätze zu seiner Rechten.

„Wir wollten uns eigentlich einen schönen Kinoabend machen. Am Ende sind wir dir und deinem Date gefolgt.“, erklärte Shinji und beugte sich zu seinem besten Freund leicht nach vorne, „Meine Frage: Wieso bist du auf einem Date mit einer anderen Frau, die nicht Maron ist?!”, fragte er hinter hervor gehaltener Hand.

„Ich wusste nicht, dass es ein Date ist.“, kam es beschämt und genervt zurück.

„Wie kann man sowas nicht wissen?!“

„Scheiß auf die Details!“

„Ich wusste schon immer, dass du ein Idiot bist.“

Chiaki rollte entnervt mit den Augen.

„Nur zur Klarstellung: Du willst auch nichts von ihr?“, fragte Shinji.  

Nein! Es war nicht meine Absicht auf diesem Date hier zu sein!“

„Okay, dann darfst du Natsuki dafür danken, dass wir dieses Date jetzt hier crashen.“

Der Blauhaarige sah zu Shinji’s Freundin rüber. „Ist das nicht ein wenig gemein?“

Natsuki zuckte unschuldig mit den Schultern „Steht nirgendwo geschrieben, dass man sowas nicht machen darf.“

Chiaki konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Okay. Das mag zwar nett gemeint sein, aber ich wäre auch alleine damit klargekommen.“

Im nächsten Moment vernahm er Yashiro’s Stimme: „Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Beim Popcornstand war ein riesige Schla-“

Sie hielt mitten im Satz inne, als sie die Anwesenheit seiner Freunde bemerkte.

„Oh! Entschuldige. Yashiro, das ist mein bester Freund Shinji und seine Freundin Natsuki.“, sagte Chiaki zu ihr und lächelte.

Yashiro brauchte einige Sekunden, um sich von ihrem Schock zu lösen und reichte den beiden freundlich die Hand.

„Ich hoffe es stört dich nicht-…“

„Oh, nein! Gar nicht! I-Ich freu mich, deine Freunde kennenzulernen.“

Yashiro nickte einige Male beschwichtigend und setzte sich anschließend zu Chiaki’s Linken hin.

„Bist du nicht Yashiro Sazanka, das Model?“, fragte Natsuki erstaunt.

Die Angesprochene nickte verhalten.

„Wow, ich wusste gar nicht, dass mein bester Freund mit einer Berühmtheit befreundet ist.“, entgegnete Shinji.

„Wir kennen uns aus der Grundschule.“, erwiderte Chiaki sachlich.

„Da fällt mir eine lustige Story ein, die hab ich dir noch gar nicht erzählt.“, begann Shinji zu sagen und verbrachte die nächsten zehn Minuten damit irgendeine Geschichte von einer Party zu erzählen, für die er einmal gebucht wurde. Natsuki und Chiaki mussten an vielen Stellen herzlich lachen. Yashiro zwang sich zu einem amüsierten Lächeln, was jedoch nicht ihre Augen erreichte. Die ganze Zeit über blieb sie still.

„Komm, lass uns noch ein Foto zusammen machen.“, kam es von Natsuki gut gelaunt, das Handy bereits aus der Tasche gezückt und stellte die Frontkamera ein.

Alle grinsten in die Kamera. Shinji posierte sogar mit zwei Daumen hoch.

„Perfekt!“ Die Grünhaarige begutachtete zufrieden das Gruppenbild. Kurz tippte sie noch an ihrem Handy und kicherte leise in sich hinein.

Dann ging das Licht aus. Der Saal war bis auf die letzten Plätze besetzt und der Film fing an.

 

Nach zwei Stunden war der Film vorbei und langsam begaben sich Chiaki und die anderen Richtung Ausgang. Shinji und Natsuki liefen voraus, während Chiaki und Yashiro ihnen hinterher liefen. Beide hatten ihre Hände in die Jackentaschen vergraben. Der junge Arzt warf ihr einen prüfenden Seitenblick zu.

Ihr enttäuschtes und gleichzeitig genervtes Gesicht sprach Bände.

Man merkte ihr an, dass sie sich den Abend so nicht vorgestellt hatte.

Ein wenig tat sie ihm leid.

„Der Film war doch ganz lustig.“, sagte Chiaki an sie gerichtet.

„Hmm. Ja, war er.“, nickte Yashiro mit einem aufgesetzten Lächeln. „Uhm…Du hast ziemlich lebhafte Freunde.“, fügte sie unbeholfen hinzu.

„Tut mir leid, wenn ihre Anwesenheit dir unangenehm war.“ Chiaki lächelte entschuldigend.

„Oh, Nein! Nein! A-Auf keinem Fall! Sie scheinen ja nett zu sein und so. I-Ich war nur etwas überrascht….“, wendete Yashiro schnell ein.

Gerade als die vier das Kino verließen und sich nach draußen begaben, kamen ihnen auf einmal Maron, Miyako und Yamato entgegen.

„Oh! Guten Abend alle zusammen.“, grinste Miyako in die Runde.

Chiaki neigte stutzig den Kopf. Was zum Teufel geht hier vor…?, ging es ihm durch den Kopf. Obwohl er eine vage Ahnung hatte, was sich hier abspielte.

Maron ging mit einer freundlichen Miene auf Yashiro zu und musterte sie von oben bis unten.

„Du siehst hübsch aus.“, merkte sie an.

Ihr Gegenüber lächelte kühl. „Danke.“ Die grünen Augen verengten sich misstrauisch.

„Miyako, Yamato. Das ist Yashiro.“, stellte Chiaki das Model höflich vor.

Beide streckten Yashiro die Hand aus, doch sie kam ihnen mit einem kurzen Winken entgegen.

„Was macht ihr denn hier?“, hörte man Shinji fragen.

„Wir drei hatten spontan beschlossen nach Feierabend Essen zu gehen. Und jetzt machen wir einen Verdauungsspaziergang. Ein lustiger Zufall euch alle auf einem Haufen zu begegnen.“, lachte Miyako. Maron nickte zur Bekräftigung.

Etwas sagte Chiaki, dass dieses Aufeinandertreffen kein Zufall war. Yamato’s beschämter Gesichtsausdruck war Indiz genug dafür.

Er sah wieder zu Maron, die kurz zwischen ihm und Yashiro hin und her sah. Ein schlechtes Gewissen überkam ihm. Am liebsten möchte er mit seiner besten Freundin für ein paar Minuten allein sein, um mit ihr zu reden. Chiaki fühlte sich wie, als wäre er ihr eine Erklärung schuldig.

„Hab ihr eigentlich noch was vor? Wir haben gerade mal fast 20 Uhr. Vielleicht können wir alle zusammen noch was unternehmen.“, schlug Natsuki vor.

„Genau! Die Nacht ist noch jung!“, grinste ihr Freund. „Wie wär’s mit der Bowlingbar drüben?“

Die meisten stimmten dem Vorschlag zu.

„Ich habe auch nichts dagegen.“, sagte Chiaki.

„Was ist mit dir, Yashiro?“, fragte Maron.

Diese setzte ein breites Grinsen auf. „Klar! Ich bin dabei!“

Damit begaben alle sich auf dem Weg zur naheliegenden Bowlingbar.
 

***

„Sorry.“

Yashiro drehte sich mit einem argwöhnischen Blick zu Maron um. „Wofür entschuldigst du dich?“

Die Gruppe hatte soeben mit ihren ersten paar Bowling-Runden angefangen. Chiaki saß mit Shinji und Yamato zusammen auf einer Bank und unterhielt sich angeregt mit ihnen, während die Mädels auf der gegenüberliegenden Bank saßen. Miyako war soeben mit Spielen dran und Natsuki war dabei für alle Snacks zu holen.

„Du hast dir deinen Abend mit Chiaki garantiert anders vorgestellt.“, antwortete Maron und lächelte unschuldig. „Aber wir wissen alle, wie klein die Welt manchmal sein kann.“

„In der Tat…“, stimmte Yashiro ihr zu und zuckte wie gleichgültig mit den Schultern. „Aber halb so wild. Es ist interessant eure Freunde kennenzulernen.“ Sie beäugte Maron für einen Moment kritisch an.

Die Braunhaarige erwiderte ihren Blick irritiert. „Was?“

„Gibt es jemanden den du magst, Maron?“, erkundigte Yashiro sich interessiert.

„…Ja, Nein, Vielleicht?“, sagte die Angesprochene geheimnisvoll.

„Hmm. Darf ich fragen, wer das ist?“

Maron biss sich zögernd auf die Lippe und sah kurz weg.

„Maron! Du bist dran.“, rief Miyako plötzlich, die zurückkam und auf Yashiro’s andere Seite platzt nahm. Die Braunhaarige sprang sofort auf und schnappte sich eine Bowlingkugel. Zur selben Zeit kam Natsuki mit zwei riesige Teller Pommes zurück und stellte sie auf den Tisch.

Yashiro schnappte sich direkt eine Pommes, tunkte die in Ketschup ein und biss rein.

„Muss ein Model nicht auf seine Figur achten?“, fragte Natsuki mit hochgezogener Augenbraue und setzte sich hin.

„Doch. Aber Pommes hat noch niemandem geschadet.“, winkte Yashiro locker ab.

Unterdessen hörte man Maron jubeln, die ihren vierten Strike hintereinander machte.

„Riechst du das?“, neckte sie Chiaki, der nach ihr dran war, „Deine Niederlage!“

Der Blauhaarige grinste amüsiert in sich hinein. „Werd nicht übermütig. Ich hol dich noch ein!“

Yashiro beobachtete die beiden misstrauisch.

Nach eineinhalb Stunden war das Spiel zu Ende und alle saßen noch um einen Tisch und hatten sich was zum Trinken bestellt.

„Darf ich dich was fragen?“ Miyako wandte sich an Yashiro. Diese zog erwartungsvoll ein Augenbraue und nippte an ihrem Cocktail.

„Sind die Gerüchte und Geschichten über dich wahr, die man immer zu lesen bekommt?“

Bei der Frage hielt Yashiro in ihren Bewegungen inne und sah Miyako skeptisch an. Neben ihr wurde Maron hellhörig, tat jedoch so als wäre sie in einem Gespräch mit Natsuki vertieft.

Zur selben Zeit konnte man vernehmen, dass Chiaki sich zu den Toiletten begab. Yashiro folgte ihn mit ihrem Blick.

„Nun… Jeder ist frei zu glauben, was er will.“, sagte sie mit einem geheimnisvollen Lächeln und stand ebenfalls auf. „Wenn ihr mich entschuldigt.“ Damit war sie verschwunden.

Maron schnellte ihren Kopf in ihre Richtung.

Gerade als sie der Türkishaarigen nachlaufen wollte, fiel ihr jemand ins Auge. Ein Mann mit großer Spiegelreflexkamera lief inmitten der Menschen vorbei. Ihre braunen Augen verengten.

Ein Reporter...?, fragte sie sich.
 

Chiaki verließ soeben das Bad, als ihm Yashiro unerwartet entgegenkam. Sie schwankte leicht und hielt sich den Kopf.

„Yashiro?“

„Chiaki… Ich glaube, ich fühle mich nicht so gut…“, wisperte sie und warf sich in seine Arme. Der Blauhaarige fasste sie an den Schultern und schob sie etwas von sich.

„Soll ich dir ein Taxi rufen?“, fragte er.

Yashiro schüttelte den Kopf und schlang ihre Arme um seinen Hals. „Mir wäre es lieber, wenn du mich persönlich nach Hause begleiten würdest.“, sagte sie mit einem verführerischen Lächeln.

Seine Augen weiteten sich. Er erstarrte für einen minimalen Moment.

Dann sah er Maron wenige Meter entfernt stehen. Ihr Gesicht war eine gefühllose Maske.

Chiaki riss sich sofort von Yashiro los. „Maron…“

Auch Yashio drehte sich zu ihr um.

Langsam ging Maron auf die beiden zu und blieb vor ihnen stehen. Mit wütenden Augen sah sie zuerst zu Chiaki und dann zu Yashiro.

„Es ist nicht das, wonach es aussieht…“, versuchte er auf sie einzureden, als sie ihm schon ins Wort fiel:

„Schon gut, Chiaki.“ Die Stimme ruhig. Den Blick weiterhin auf Yashiro gehaftet.

Diese schluckte schwer und sah weg.

„Yashiro. Wusstest du, dass sich hier ein Reporter rumtreibt?“, fragte Maron schließlich.

„W-Was…?“ Die Angesprochene sah sie schockiert an. Ihr Gesicht verlor schlagartig an Farbe.

„Du hast mich gehört.“

„Wovon redest du, Maron?“, fragte Chiaki sichtlich verwirrt. Seine beste Freundin holte ihr Handy raus und gab es ihm.

„Was ist das?“, fragte er, als er auf dem Bildschirm blickte.

„Ein Artikel von vor drei Wochen, den ich heute fand.“ Maron verschränkte ihre Arme vor der Brust und sah das Model ernst an. Chiaki las sich den Artikel schnell durch und sah zu Yashiro auf.

„Was hat das zu bedeuten?“, fragte er sie fassungslos und verärgert zugleich. „War das Theater eben gestellt, damit die perfekten Schnappschüsse für den nächsten Artikel rauskommen?“

Nervös biss Yashiro sich auf ihre zitternde Unterlippe. Ihre Augen waren zu Boden gesenkt. Die zittrigen Hände zu Fäusten geballt. Sie schüttelte schwach mit den Kopf.

„E-E-Es ist nicht das, was ihr denkt…“, brachte Yashiro leise hervor. Dann sah sie zu ihre ehemaligen Klassenkameraden auf. Traurig und voller Reue blickte sie die beiden an.

„Dann erklär es uns.“, sagte Chiaki ruhig und ernst zugleich, eine Hand in die Hosentasche vergraben.

„I-Ich wusste nicht, dass der Reporter hier ist. Ich schwöre!“, sagte Yashiro in einem nahezu panischen Ton. „Hört zu! W-Was auch immer für Bilder der nun geschossen hat… wenn ihr wollt, dass nichts von dem an die Öffentlichkeit gelangt, dann müssen wir ihn aufhalten und dafür sorgen, dass die Bilder gelöscht werden…!“

„Nun, was das angeht-“, begann Maron zu sagen.

Plötzlich hörte man einen Mann lautstark fluchen:

„VERDAMMTE SCHEIßE!! WOLLEN SIE MICH VERARSCHEN!! SIE HABEN MEINE KAMERA FALLEN GELASSEN!!“

Überrascht fuhren alle drei zusammen und folgten der Stimme Richtung Bar.

Ein Mann hielt wutentbrannt seine Kamera in der Hand und schimpfte mit Shinji. Natsuki, Miyako und Yamato in unmittelbarer Nähe.

Muss wohl der Reporter sein…, stellte Chiaki gedanklich fest.

„Es tut mir wirklich leid! Was soll man sagen? Ich bin ein furchtbarer Tollpatsch.“ Shinji hielt beide Hände unschuldig in die Höhe und lachte beschämt.

„Das Objektiv hat einen Bruch und die Linse ist zersplittert!!! Wissen Sie überhaupt, wie viel so ein Ding kostet?!?!“, schrie ihn der Reporter empört an.

„Klar!“, schmunzelte der junge Fotograf lässig.

„Hören Sie.“, mischte sich Yamato ein. „Ich entschuldige mich im Namen meines Freundes. Ich schlage Ihnen vor, ich schreibe Ihnen einen Check aus und dann hat sich die Sache erledigt. In Ordnung?“

Mürrisch ging der Mann auf den Kompromiss ein. Nach einer Minute wurde der Check ausgestellt und der Reporter ging schnellen Schrittes davon.

„M-Moment! Wieso lassen wir ihn gehen?“, fragte Yashiro perplex. „Die Kamera ist zwar kaputt, aber auf der Speicherkarte sind doch noch die Bilder gespeichert…!“

„Oh. Ihr seid ja auch da.“, drehte sich Shinji zu den dreien um und grinste breit. „War eine gute Show, oder?“

„Show??“, fragten Chiaki und Yashiro gleichzeitig.

„Am besten gehen wir. Die Leute starren schon.“, schlug Miyako vor, worauf alle zustimmend nickten.

Draußen angekommen, wandte Maron sich direkt an ihre Freunde:

„Hat’s geklappt?“

„Japp! Habe alles gelöscht!“, verkündete Shinji stolz und klopfte sich selbst auf die Schulter.

„W-Was hast du gelöscht?“, fragte Yashiro verwirrt.

„Alle Fotos auf seiner Speicherkarte.“

Maron lächelte zufrieden sowie erleichtert.

Yashiro fiel vor Sprachlosigkeit der Mund auf.

Auch Chiaki machte ein erstauntes Gesicht.

„Wie zum Henker hast du das gemacht?“, fragte er seinen besten Freund.

„Eigentlich war das reine Teamarbeit gewesen.“, merkte Natsuki an, „Nachdem Maron den Typ gesehen hat, hatte sie uns damit beauftragt, dass wir uns um ihn kümmern bevor er abhaut.“

„Genau.“, setzte Shinji fort, „Ich habe ihn gefragt, ob ich die Kamera mir angucken darf und irgendein Scheiß gelabert, dass ich nach einer neuen Kamera suche und seine so toll fand. Dabei habe ich hochwertigere Modelle als der. Ich ging ihn solange auf die Nerven, bis er die mir endlich gab. Die Mädels hatten ihn anschließend abgelenkt, damit ich schnell alles löschen konnte. Nachdem ich fertig war, ist mir das Ding ausversehen aus der Hand gerutscht. Was für ein Schrottteil.“

„Den Rest habt ihr ja mitbekommen.“, schmunzelte Miyako.

„Ihr seid echt unglaublich!“, lachte Chiaki ungläubig auf.

„Wirklich unglaublich…“, stimmte Yashiro ihm zu.

Maron sah auf ihre Uhr. „Nun… Es ist schon spät. Ich denke, es wird Zeit nach Hause zu gehen.“

Kurze Zeit später verabschiedeten sich die zwei Paare, sodass Maron, Chiaki und Yashiro zurückblieben.

 

Die Braunhaarige wandte sich an das Model. „Du bist uns noch einige Erklärungen schuldig.“

Yashiro seufzte und lehnte sich mit dem Rücken an der Gebäudewand an.

„Welche Wahrheit wollt ihr hören?“, fragte sie mit tonloser Stimme, „Deren…“, sie deutete auf Maron’s Handy, welches Chiaki immer noch in der Hand hielt, „…Oder meine.“

„Deine natürlich.“, antwortete Chiaki ruhig.

Wieder seufzte das Model.

„All die Gerüchte und Geschichten über mich sind nicht wahr. Weder hab ich tausend Liebschaften mit irgendwelchen Boygroup-Mitgliedern, noch hatte ich jemals eine Affäre mit irgendwem gehabt. Da will man sich ausgelassen mit jemanden unterhalten – Boom! Wird das sofort als lächerliche Romanze aufgetischt.“

„Wieso streitest du das dann nicht ab?“, fragte Maron verständnislos.

„Weil solche Schlagzeilen in unserer Branche von hohem Wert sind. Wegen der Publicity ist das Interesse an mir gestiegen. Ich bekam mehr Jobs und Aufträge. Dasselbe galt auch für all die Kerle.“ Yashiro stoppte sich kurz.

„Natürlich wollte ich nicht auf solche dummen Tricks angewiesen sein, aber mein Management und meine Agentur… die sitzen am längeren Hebel. In Laufe der Jahre habe ich gelernt damit zu leben, alles totzuschweigen und für die Presse mitzuspielen.“ Kurz lachte sie bitter auf. „In Momokuri hatte ich gehofft eine Pause von dem ganzen Quatsch zu bekommen. Aber… so wie es aussieht habe ich mich geirrt.“ Yashiro sah Chiaki entschuldigend an. „Ich wusste damals nicht, dass man uns im Café fotografiert hat. Am nächsten Tag hatte man mir den Artikel gezeigt und ich war selbst schockiert. Es war nicht meine Absicht, dass du mit reingezogen wirst…Entschuldige.“

Der Blauhaarige seufzte und strich sich mit der Hand durch die Haare. Kurz tauschte er mit Maron einen stummen Blick aus bis er sich wieder an Yashiro wandte.

„So wie du vorhin reagiert hast, schätze ich mal, dass du es wirklich ernst meinst. Daher nehme ich deine Entschuldigung an. Und die Aktion vor den Toiletten… lasse ich mal unkommentiert.“

„Ehm…Ja…“ Yashiro biss sich unbeholfen auf die Lippe und sah verlegen weg. „Ich…Ich werde ein offizielles Statement schreiben… und meinen Fans die Wahrheit über alles sagen. Ob man mir glaub sei mal dahingestellt, aber ich bin mir sicher die Medien werden uns erstmal in Ruhe lassen.“

„Wenigstens wirst du ehrlich sein zu deinen Fans.“

„Ja… Ansonsten ist alles wieder in Ordnung?“, fragte Yashiro schüchtern.

Chiaki seufzte und rieb sich den Nacken. „Alles in Ordnung.“

Sie lächelte erleichtert.

„… Ich würde dir raten, dass du dir vielleicht mal einen Anwalt holst und gegen deine Agentur und die Medien vorgehst.“, entgegnete Maron und lächelte leicht.

„Werde ich mir überlegen. Danke für den Rat.“

„Nun... Ich würde vorschlagen, dass wir jetzt alle nach Hause fahren.“, sagte Chiaki, „Ich fahre euch beide.“

Die anderen nickten. Maron bekam von Chiaki ihr Handy wieder.

Dann liefen sie die Straße entlang, wo Chiaki sein Auto geparkt hatte.

Maron und Yashiro liefen mit etwas Abstand hinter dem jungen Arzt her.

„Danke, Maron.“, durchbrach Yashiro die Stille zwischen ihnen. „Dass du mir geholfen hast.“

„Mir war es wichtig, dass Chiaki nicht weiter in solche Lügengeschichten reingezogen wird.“

„Du bist eine gute Freundin.“

„Beste Freunde tun sowas füreinander. Er bewahrt mich auch immer vor Unheil. Da ist sowas selbstverständlich.“

„Ja… da wir beim Thema sind: Ich werde nach der ganzen Sache heute Chiaki nicht aufgeben. Das ich an ihn interessiert bin, war ernst gemeint.“ Yashiro sah Maron ernst an. Sie erwiderte ihren Blick. „Und ich habe beschlossen, dass du ab sofort meine Rivalin bist.“

„Deine Rivalin?“

„Ja. Denn du scheinst eindeutig tiefere Gefühle für ihn zu hegen als nur Freundschaft.“

Maron konnte es sich nicht verkneifen kurz aufzulachen. „Wie du meinst.“

„Ich bin nicht dumm, Maron. Und du magst vielleicht behaupten, dass du nichts damit zu tun hattest, dass deine Freunde unser Date gecrasht haben…Aber ich konnte in deinen Augen sehen, dass es dich amüsiert hat. Also, muss an meiner Annahme was Wahres dran sein.“

„Sagt mal, kommt ihr beiden noch?“ Chiaki stand einige Meter entfernt vor seinem Auto und war dabei die Beifahrertür zu öffnen.

„Sind schon da!“ Yashiro lächelte die Braunhaarige herausfordernd an. „Ich werde ihn für mich gewinnen. Darauf kannst du dich verlassen.“ Ein freches Augenzwinkern und dann lief sie auf Chiaki zu und stieg in den Beifahrersitz ein.

Maron lächelte kühn.

„Versuch dein Glück.“

 

Chapter 17: Charity Ball

Chapter 17: Charity Ball

 

„Hier.“

Chiaki machte große, verwunderte Augen, als Maron ihm eine Bento-Box entgegenhielt. Durch den durchsichtigen Deckel konnte er Reis mit Ei, Gemüse und kleine Fleischbällchen sehen.

„Wofür ist das?“, fragte er.

„Einfach so.“, zuckte seine beste Freundin mit der Schulter und grinste. „Ich hatte für mein Mittagessen zu viel gekocht und spontan für dich was eingepackt.“

„Das ist süß.“, schmunzelte Chiaki. „Danke.“

„Also…“ Maron stand etwas unbeholfen in seinem Büro, richtete ihre Tasche um ihre Schulter und biss sich auf die Lippe. „Ich, eh… Ich hoffe, mein Lunchpaket schmeckt dir.“, sagte sie und drehte auf ihrem Absatz um.

„Warte! Hast du schon was gegessen?“, hörte sie Chiaki fragen. Sofort blieb sie stehen. Immer noch mit dem Rücken zu ihm gekehrt, schüttelte sie den Kopf. „Wollen wir in die Cafeteria gehen und zusammen deine Boxen essen?“, fragte er. Ein Lächeln war in seiner Stimme zu hören.

Maron drehte sich zu Chiaki um und nickte. „Gerne.“, lächelte sie.

Mit den Worten stand Chiaki mit der Box in der Hand auf und beide begaben sich zur Cafeteria.

An einem Tisch nahmen sie gegenüber voneinander Platz und hatten sich noch jeweils eine Tasse Tee und Kaffee geholt.

„Schmeckt wie immer super.“, sagte Chiaki nach ein paar Bissen.

„Danke.“ Maron lächelte peinlich berührt und nahm ein Gemüsestück in den Mund.

„Hast du die letzten Tage eigentlich was von Ya-shi-ro gehört?“, fragte sie ihn nach einigen Minuten. Den Namen zog sie bewusst lang.

Chiaki stoppte sich kurz beim Kauen und zog stutzig die Augenbrauen zusammen.

„Wieso betonst du es so komisch?“

„Wieso betone ich was komisch?“ Maron blickte ihm unschuldig an.

Seufzend rollte Chiaki mit den Augen.

„Ab und an. Wir reden kurz, führen Smalltalk und dann geht sie wieder.“, beantwortete er ihre Frage.

„Ach so.“

„Wieso fragst du?“

„Nur so.“, entgegnete Maron in einem gleichgültigen Ton.

Chiaki hob eine Augenbraue. „Hast du Angst, dass sie mich wieder aus fragt?“

Sie lachte kurz auf. „Und du das nicht mitbekommst? Vielleicht!“ Sie stoppte sich kurz und zeigte mit ihren Stäbchen auf ihn. „Es sei denn, Shinji und Natsuki tauchen wieder wie aus dem Nichts auf und crashen alles.“

Ein belustigtes Grinsen huschte ihm über die Lippen und er fuhr sich eine Hand über die Augen.

Zwei Wochen waren seit dem einen Abend vergangen. Yashiro hatte -wie versprochen- ein offizielles Statement über die ganzen Schlagzeilen gegeben und Dank diversen rechtlichen Maßnahmen, hielten die Medien sich von ihr fern.

„Keine Sorge. Sie hat mich einige Male gefragt, ob ich mit ihr Essen will, oder so, aber ich habe immer abgelehnt.“

Maron nickte zufrieden.

„Übrigens…“, begann Chiaki zu sagen und wechselte damit das Thema, „Du weißt doch, dass mein Vater jedes Jahr eine Wohltätigkeitsveranstaltung plant, um Spenden für krebskranke Kinder zu sammeln.“

„Mhm. Ist dieses Jahr was Besonderes geplant?“

Chiaki nickte. „Ein Ball.“, offenbarte er.

„Ein Ball?“ Maron blinzelte er erstaunt an. „Mit schicken Smokings, wunderschönen Ballkleidern, Live-Musik und Tanzen?“

„Ja. Es wird eine geschlossene Veranstaltung werden, wo alle möglichen Persönlichkeiten eingeladen sind. Vom Bürgermeister bis zum Botschafter. Größtenteils auch alle nennenswerten Doktoren und Geschäftsleute des Landes. Soweit ich weiß, ist dieses Schauspielerpaar von diesem Romeo und Julia Stück auch da.“

„Wow!“

„Du und deine Eltern - ihr seid auch eingeladen.“

„Cool!“, grinste Maron begeistert, „Wo findet der Ball statt? Hier im Krankenhaus?“

„Nein.“, lachte Chiaki, „Für den Abend wird der große Saal in der Stadthalle gemietet.“

„Aaah. Okay.“ Sie sah kurz auf ihre fertige Bento-Box herab und dann wieder zu ihm auf. „Muss man mit Begleitung kommen?“

„Ist jedem selbst überlassen.“, zuckte er mit den Schultern.

„Dann, ehm…“ Maron strich sich unsicher eine Strähne hinters Ohr. „Wir beide… uhm, können doch zusammen hingehen…oder?“, fragte sie zögerlich.

Chiaki sah sie mit großen Augen an.

„Du und ich?“

„J-J-Ja…“ Verlegen sah Maron weg. „W-Wäre schließlich doof zu so einem schönen Anlass alleine aufzutauchen!“

Kurz musste ihr bester Freund auflachen. „Wäre mir eine Ehre.“ Er schenkte ihr ein warmes Lächeln.

Maron konnte sich ebenfalls ein Lächeln nicht verkneifen.

„Wann genau ist der Ball eigentlich?“, fragte sie.

„Nächsten Sonntag.“, antwortete er.

„Schon?!“, platzte es aus Maron erschrocken raus.

Chiaki sah sie irritiert an. „... Ist das ein Problem?“

Ihr Gesichtsausdruck verdunkelte sich. Innerlich fluchend hielt sie sich die Hand vor der Stirn.

„Ich bin mit ein paar Kollegen die gesamte nächste Woche in Tokyo für die Fashion Week und werde darüber schreiben und berichten.“, erklärte Maron resigniert.

„Und du bist von Montag bis Sonntag dort?“

„Ja…Am Montag danach geht es wieder nach Momokuri zurück.“

„Oh.“ Chiaki nickte verstehen und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.

Enttäuschung spiegelte sich in ihren Augen wider.

„Nun… Da kann man wohl nichts machen. Du hast schließlich deinen Job zu machen.“, seufzte Chiaki akzeptierend und lächelte sie ermutigend an, „Außerdem wolltest du doch schon immer die Fashion Week hautnah erleben.“

Maron nickte.

„Daher wünsche ich dir auch viel Spaß im Voraus in Tokyo.“, sagte er. „Schreib mir auf jeden Fall wie es dir dort gefällt!“

Ein kleines Lächeln bildete sich auf ihren Lippen. „Danke. Werde ich machen. Dir auch viel Spaß im Voraus auf dem Ball. Allein.“

Chiaki schmunzelte. „Danke. Bestimmt wird mein Vater mich hundert Leuten vorstellen wollen und man wird mir das Ohr abquatschen.“

Daraufhin musste die Braunhaarige amüsiert lachen.
 

***

Die Tage vergingen und Chiaki half seinem Vater den Ball bis ins kleinste Detail zu planen und alles auf die Beine zu stellen.

Gerade liefen Vater und Sohn durch die Korridore und gingen die letzten Einzelheiten für den morgigen Abend durch, als ihnen Yashiro mit ihrer Großmutter Hisae entgegen kam.

„Hallo Chiaki!“, begrüßte das Model ihn breit grinsend. „Dr. Nagoya.“, streckte sie Kaiki die Hand aus, die er freundlich annahm.

„Ach, stimmt! Sie werden heute entlassen.“, sagte Chiaki an ihre Großmutter gewandt. „Da wünsche ich Ihnen eine gute Heimfahrt.“

„Danke.“, lachte die ältere Dame.

„Ich wünsche Ihnen auch alles Gute.“, meldete sich Kaiki zu Wort. „Oh, und ich freue mich morgen deine Eltern wiederzusehen.“, sagte er an Yashiro gewandte

Überrascht blickte Chiaki seinen Vater an. Er konnte sich nicht erinnern, dass die Sazanka’s unter den eingeladenen Gästen waren. Natürlich waren es auch eine Menge Namen auf der Gästeliste und er konnte sich nicht alle darauf merken.

Yashiro machte ein verwundertes Gesicht. „Meine Eltern sind ab Montag bis Ende des Monats auf Geschäftsreise in Singapur.“

Kaiki blicke nun verwirrt drein. „Oh? Ich dachte, sie kommen zur morgigen Veranstaltung.“

Plötzlich tauchte Kagura auf und steuerte auf seinem Chef zu. „Kaiki-sama. Die Sazanka Group hat soeben angerufen und für morgen abgesagt.“, sprach er leise.

Kaiki fasste sich die Stirn. „Habe ich eben auch schon erfahren, Kagura. Trotzdem danke.“

Kagura nickte und ging wieder. Vorher sah er Yashiro noch für ein paar lange Sekunden an, was sie jedoch nicht bemerkte.

Chiaki zog stumm eine Augenbraue hoch. Wenn er sich nicht irrte, war der Krankenhaussekretär im Gesicht rosarot angelaufen.

„Darf ich fragen, um was für eine Veranstaltung es sich handelt?“, erkundigte Yashiro sich interessiert.

„Ein Wohltätigkeitsball.“, antwortete Kaiki.

„Ein Ball?“ Yashiro’s Augen begannen zu strahlen. „Ich liebe Bälle! Und ich liebe Wohltätigkeit!“ Chiaki bezweifelte, ob sie sich wirklich für Wohltätigkeit interessierte.

„Meine liebe Yashiro kann doch im Namen der Familie hingehen.“, schlug Hisae plötzlich vor.

„Genau! Ich kann unser Familienunternehmens vertreten.“

„Oh, uhm, klar wieso nicht.“, stimmte Kaiki leicht perplex zu.

„Super!“ Sie wandte sich an Chiaki, „Ich wette, dir würde ein Smoking super stehen! Brauchst du eine Begleitung?“

„Uhm… Brauchen - Nein. Und-“

„Da können wir doch zusammen hingehen!“

„Uhm…“

„Ach, wie schön!“, warf Hisae ein, „Zu wissen, dass meine Yashiro in sicheren Händen ist, beruhigt mein altes Herz.“

Chiaki presste sich zögernd die Lippen zusammen.

Etwas hilfesuchend schaute er zu seinem Vater. Dieser rieb sich leicht seufzend den Nacken, eher er sagte: „Sei so gut, Sohn.“

Seufzend gab Chiaki sich schließlich geschlagen. „Ich hole dich ab und begleite dich dahin, okay?“

Yashiro klatschte überglücklich in ihre Hände. „Ich freu mich schon auf unseren Tanz.“, zwinkerte sie ihm zu.

Chiaki sagte darauf nichts und lächelte nur.

Anschließend verabschiedeten Yashiro und ihre Großmutter sich von den Nagoyas und verschwanden hinter der Ecke.

„Ich hätte mir eher gewünscht, dass du mich aus der Situation rausredest.“, murrte Chiaki leise.

„Ja, ich weiß. Ich weiß, dass du nichts von Yashiro willst.“, entgegnete Kaiki, „Aber ihre Familie gehört neben der Minazuki Group zu unseren größten Sponsoren. Ihre Eltern haben zwar abgesagt, aber ich weiß, dass sie im Voraus eine riesige Summe gespendet haben.“ Er seufzte und sah seinen Sohn an „Wie dem auch sei! Sieh das nicht als Date oder sowas an, sondern als nette Geste, um unsere Dankbarkeit zu zeigen.“

„Eine nette Geste?“

„Ja. Und um ihrer Großmutter einen kleinen Gefallen zu tun.“

„Klar. Einer netten alten Dame sollte man nichts abschlagen.“, entgegnete Chiaki trocken und rollte mit den Augen.

Kaiki klopfte ihm väterlich auf die Schulter und gemeinsam gingen sie durch die Gänge weiter.

 

Maron saß in ihrem Hotelzimmer vor dem Laptop und scrollte gelangweilt durch ihre Facebook-Seite durch.

Bei einem Eintrag hielt sie inne und ihre Augenbrauen zogen sich skeptisch zusammen.

„Habe das perfekte Ballkleid für den morgigen Abend gefunden.:D“, schrieb Yashiro in ihrer Statusleiste.

Morgen ist der Wohltätigkeitsball…, ging es Maron durch den Kopf. Ist sie etwa-…

Auf einmal klingelte ihr Handy und unterbrach ihre Gedankengänge.

Ein Blick aufs Display und ihre Mundwinkel zogen sich automatisch nach oben.

„Hi Chiaki.“

„Hey.“, kam es am anderen Ende zurück.

„Es überrascht mich etwas, dass du anrufst.“

„Ich kann auch wieder auflegen-“

„Nein! N-Nicht auflegen!“

Ein amüsiertes Lachen war zu hören und Maron musste ebenfalls auflachen.

„Ich wollte einfach nur mit dir reden.“, hörte sie Chiaki sagen. Ihr Herz machte einen Sprung. „Wie geht's dir so?“

„Ganz gut. Alles bestens. Und dir?“

„Auch. Wie ist die Fashion Week?“

„Ganz cool. Ich habe dir ja ein paar Fotos geschickt.“

„Ja, hast du.”

„Models und Fotografen überall. Designer mit verrückten Laufsteg-Kreationen. Morgen ist die letzte Show und danach ist unser Team sogar auf einer After-Show-Party eingeladen worden.“

„Wow! Das ist richtig cool.“

„Ja. Wie laufen eigentlich die Vorbereitungen für den Ball?“

„Ganz gut…Mein Vater und ich hatten heute noch einige Feinheiten geklärt, aber ansonsten ist alles bereit für den morgigen Abend.“

„Hört sich super an.“ Maron seufzte leicht. „Ich wünschte, ich wäre dabei.“

„Ja, ich auch….“, seufzte Chiaki und hielt kurz inne, „Hör mal, Maron…“

„Hmm?“

„Ich will dir nichts vorenthalten…Und am Ende wirst du es irgendwann noch von selbst herausfinden und wütend sein.“

„Wütend? Auf was…?“

Chiaki zögerte am anderen Ende für einige Sekunden. „Ich werde Yashiro zum Ball begleiten.“

Maron brauchte einige Momente um die Worte zu registrieren.

„...Was?!“, rief sie entsetzt aus.

„D-Das ist kein Date, oder ähnliches-“, versuchte er zu erläutern.

„Was soll das sonst sein?!“

„Eine nette Geste, wie mein Vater es nennt…“

„Eine nette Geste?!“, entgegnete Maron ungläubig sowie irritiert.

„Lass mich das kurz erklären: Ihre Familie ist dem Krankenhaus eine große finanzielle Unterstützung und dass ich Yashiro zum Ball begleite ist nur eine harmlose Gegenleistung als Dankeschön! Und-“

Doch Maron hörte nicht mehr zu. „Ich lege jetzt auf.“

„Mo-Moment-“ Doch ehe Chiaki noch was erwidern konnte, war die Leitung beendet.

Mies gelaunt warf Maron ihr Handy aufs Bett, stand auf und sah aus dem Fenster raus. Sie hatte den Tokyo Tower perfekt im Blick, der rot aufleuchtete im Dunkeln.

Eine Weile starrte sie mit einem ausdruckslosen Gesicht nach draußen bis ihre Kollegin Mikoto das Zimmer betrat und Maron sich wieder vor dem Laptop hinsetzte.
 

***

„Bringen wir es hinter uns.“, sprach Chiaki mit genervter Stimme, als er Yashiro von zu Hause abholte und neben ihr auf der Fahrerseite einstieg.

Sie trug ein enganliegendes, schwarzes Ballkleid mit Glitzerapplikationen im Brustbereich. Die langen Haare hatte sie sich hochstecken lassen.

Er selbst trug einen schwarzen, maßgeschneiderten Smoking mit weißem Hemd und schwarzer Fliege. Seine Haare hatte er dem Anlass entsprechend ordentlich nach hinten gestylt.

„Wofür die schlechte Laune?“, fragte sie belustigt. „Heute ist doch ein schöner Abend.“

Chiaki seufzte und schwieg.

Nachdem Telefonat mit Maron ließ ihn das schlechte Gewissen nicht los. Die letzten vierundzwanzig Stunden hatte er ihr zig Nachrichten hinterlassen, die zwar als „gelesen“ markiert wurden, jedoch unbeantwortet blieben.

Chiaki konnte verstehen, wenn sie sauer war. Er wäre es auch, wenn die Situation umgekehrt wäre. Am liebsten würde er in Tokyo bei ihr sein, als an diesem Ball teilzunehmen. Mit Yashiro.

Nach zehn Minuten Fahrt waren sie in der Stadthalle angekommen.

Gemeinsam traten sie ein und Chiaki konnte schon die Musik im Hintergrund hören. Beide begaben sich zum großen Ballsaal, in der schon eine Menge Leute anwesend waren.

Alle Männer trugen wie er selbst schwarze Abendanzüge mit schwarzen oder weißen Fliegen. Die Frauen trugen vorwiegend elegante Abendkleider in dunklen Farben. Selten sah er mal eine Dame, die sich farblich von der Menge abhob. Darunter gehörte auch Maron’s Mutter, Korron, die ein lachsfarbenes Kleid an hatte. Sie und Takumi standen Arm in Arm beieinander und führten Smalltalk mit einigen Gästen.

Es wurde an jeder Ecke sich ausgelassen unterhalten und gelacht.

Ebenso war eine Bühne im hinteren Bereich des Raumes zu sehen, auf der eine Live-Band Jazz spielte sowie eine große Tanzfläche, auf der ein paar Leute sich schon herzlich amüsierten und herumwirbelten.

An einer Wand waren Tische aneinandergereiht, die ein köstliches Büffet anboten sowie eine offene Bar aufwies. Tische und Stühle waren im Saal verteilt, an denen man hinsetzten konnte.

„Chiaki!“, der Angesprochene drehte sich zur Stimme seines Vaters um, der mit einem professionellen Lächeln auf ihn und Yashiro zukam. „Freut mich zu sehen, dass mein Sohn dich sicher hierher begleitet hat.“

„Ganz der Gentleman.“, grinste das Model. Chiaki verdrehte innerlich seine Augen. Sein Vater warf ihm einen verständnisvollen Blick zu.

„Kommt.“ Kaiki machte eine einladende Geste zum Büffet. „Essen und Trinken wir erstmal was.“

Beide nickten zustimmend, belegten ihre Teller und folgten dem Chefarzt zu einer der Tische, auf den schon ein paar Gäste saßen.

„Chiaki, das ist Dr. Kanou und Dr. Anzai aus Hokkaido.“, sagte Kaiki, nachdem sein Sohn und Yashiro Platz nahmen.

„Freut mich Sie kennenzulernen.“, begrüßte Chiaki die Männern und ihren Ehefrauen höflich.

„Es ist ebenfalls eine Freude Sie kennenzulernen. Ihr Vater hat uns schon einiges über Sie erzählt. Ich muss sagen, Sie haben eine bezaubernde Begleitung.“, sagte Dr. Anzai anerkennend. Yashiro grinste bei dem Kompliment still in sich hinein.

Wenige Minuten später war Chiaki in angeregte Gespräche mit seinem Vater und den Doktoren vertieft. Es wurde über die neuesten medizinischen Forschungsmethoden diskutiert. Unterdessen unterhielt Yashiro sich mit den Frauen über die Designer ihrer Kleider.

„Sie und der junge Herr Nagoya geben ein hübsches Paar ab.“, merkte einer der Frauen an.

„Danke.“, lachte Yashiro verlegen.

„Wir sind kein Paar.“, entgegnete Chiaki zur selben Zeit. Yashiro’s grüne Augen verhärteten sich für eine Millisekunde und ihr Lächeln löste sich etwas.

Die Frau blickte leicht verwirrt zwischen den beiden hin und her.

Kaiki räusperte sich kurz. „Miss Sazanka ist eine Freundin der Familie.“, erklärte er in einem sachlichen Ton.

Nickend wurde die Aussage zur Kenntnis genommen. Die Gespräche wurden anschließend wieder fortgesetzt.

 

Nach etwa einer Stunde war Chiaki an keiner Unterhaltungen mehr beteiligt und er sah sich leicht gelangweilt im Raum um.

Plötzlich blieben seine Augen am Eingang hängen.

Mit einem Mal war alles um ihn herum wie vergessen. Die Musik verschwamm im Hintergrund und seine Mitmenschen nahm er gar nicht mehr wahr.

All seine Sinne fokussierten sich nur noch auf die wunderschöne junge Frau, die wie in Zeitlupe soeben den Saal betrat.

Maron trug ein auffällig rotes, schulterfreies Kleid mit Bardot-Ausschnitt, welches bis zum Boden reichte und ihre schlanke Figur zur Geltung brachte. Ihre langen Beine lugten beim Laufen durch den Schlitz hervor. Passend zu dem Kleid und ihrer Silberkette trug sie High Heels in metallischem Silber.[x]

Ihre kinnlangen Haare waren zu sanften Wellen gelockt. Kleine Strähnen wurden sachte zusammen geflochten und nach hinten fixiert.

Dunkler Lidschatten und Eyeliner betonten ihre braunen Augen. Die Lippen waren verführerisch rot geschminkt.

Chiaki musste schwer schlucken.

Maron war schon immer atemberaubend schön.

Doch so verführerisch und elegant wie heute hatte er sie noch nie gesehen!

Allein wie sie den Saal betrat: anmutig, selbstbewusst und stolz wie eine Göttin. Und dennoch strahlte sie zur selben Zeit eine Sanftheit wie die eines Engels aus.

„Ist das Maron?“, hörte er seinen Vater fragen. Seine Stimme riss ihn wieder ins Hier und Jetzt zurück.

Bei der Erwähnung des Namens schnellte Yashiro ihren Kopf in Richtung Tür.

„Muss sie nicht in Tokyo bei der Fashion Week sein?“ Die grünen Augen musterten die Braunhaarige missbilligend.

„Dachte ich auch…“, murmelte Chiaki und beobachtete, wie Maron von ihren Eltern mit einer Umarmung empfangen wurde und mit ihnen zum Buffet ging.

Er stand auf, drängelte sich durch die Menschenmenge, bis er schließlich vor seiner Schönheit in Rot stand.

Ihre Eltern unterhielten sich einige Metern entfernt wieder mit irgendwelchen Gästen.

„Maron.“

Die Angesprochene drehte sich zu ihm um.

Chiaki stockte fast der Atem.

Von nahem sah sie noch umwerfender aus, als von weitem. Sein Gesicht lief rot an.

Für einen Moment wusste Chiaki nicht, was er sagen sollte.

„Ehm… W-Was machst du hier?“, war schließlich das Erste, was ihm in den Sinn kam. „Ernsthaft, Chiaki? Kein ‚Hey! Ich freu mich, dich zu sehen‘?“, entgegnete sie mit einem koketten Grinsen. Sie hielt einen mit Obst belegten Teller in der Hand und schnappte sich vom Besteckkasten eine Gabel.

„D-Doch…! Ich bin mehr als froh dich zu sehen.“ Chiaki fuhr sich kurz über den Nacken. „Ich...dachte nur, du wärst noch im Tokyo…?“

„Vor drei Stunden war ich noch in Tokyo.“ Maron schmunzelte und aß ein Mangostück. „Ich bin bis zur letzten Show geblieben, habe dann die After-Show-Party sausen lassen, bin in den erstbesten Express-Zug nach Momokuri eingestiegen und habe mich zu Hause fertig gemacht. Dann habe ich ein Taxi geholt und bin jetzt hier.“ Sie grinste ihn frech an. „Ich muss sagen, die Express-Züge hier sind wirklich krass schnell… Wow!“

„W-Wow…“, brachte Chiaki ebenso erstaunt entgegen.

„Maron!“

Yashiro stand mit beiden Händen an den Hüften vor ihnen und lächelte breit. Das Lächeln erreichte jedoch nicht ihre Augen. „Eine Überraschung dich hier zu sehen!“

„Ich wollte auf keinen Fall den Ball verpassen.“, zwinkerte die Braunhaarige ihr zu.

Das Model nickte und musterte Maron von oben bis unten. „Hübsches Kleid.“

„Danke.“

Stirnrunzelnd verzog Yashiro das Gesicht. Womöglich hatte sie ein Kompliment zu ihrem Kleid erwartet, welches jedoch nicht kam.

„Rot ist eine ziemlich auffällige Farbe.“, sagte sie leicht abfällig.

„So bin ich leichter unter der Menge zu finden!“, entgegnete Maron verspielt. „Und bringe ein wenig Farbe hier rein. All die dunklen Farben machen einen noch depressiv.“

„Schwarz ist aber ein Klassiker und hat Eleganz.“

„Macht trotzdem depressiv.“

Yashiro warf ihr einen stechenden Blick zu und wandte sich an Chiaki.

„Chiaki, wollen wir tanzen?“

Maron verdrehte ihre Augen, während sie weiter aß.

„Ich bleibe lieber bei Maron.“, erwiderte Chiaki bestimmt.

„Ach komm!“, warf Yashiro ein und schmiegte sich an seinen Arm an. „Ein einziger Tanz.“

„Ich sagte ‚Nein‘, Yashiro.“

Chiaki seufzte entnervt auf und entfernte seinen Arm von ihrem Griff.

Maron wirkte auf einmal etwas nervös, ihre Augen schweifen in alle Richtungen und sie biss sich beschämt auf die Unterlippe.

„Es ist mehr als unhöflich einer Dame den Tanz zu verweigern, Chiaki.“, sagte Yashiro und versuchte ruhig zu klingen. „Als mein Date auf diesem Ball, habe ich diesen Tanz verdient!“

„Wisst ihr was? Mir wird das hier zu blöd.“, mischte Maron sich ein und stellte genervt ihren Teller ab, „Einige Leute starren schon. Am besten gewährst du ihr den einen Tanz, sonst hängt sie noch den ganzen Abend an deinem Rockzipfel, Chiaki. Ich gehe raus, frische Luft schnappen.“

„Du bist doch erst gekommen.“, kam es von Chiaki irritiert.

„Mir ist es zu stickig hier drin.“ Damit griff Maron sich ein Sektglas von einem vorbeilaufenden Kellner und ging mit schnellen Schritten aus dem Saal.

„Maron, warte!“ Chiaki wollte seiner besten Freundin hinterherlaufen, doch Yashiro hielt ihn am Ärmel fest.

„Chiaki-“

Der Blauhaarige drehte sich zu ihr um und stieß scharf Luft aus.

„Hör zu! Ich habe gesagt, dass ich dich zum Ball begleite. Ich habe gesagt, dass ich dich abhole und hierher eskortiere. Von Tanzen und alles drum und dran war nie die Rede.“, platzte es aus ihm heraus. „Außerdem ist das hier kein Date!“

Yashiro riss empört den Mund auf.

„Würdest du mich jetzt bitte loslassen?“, fragte Chiaki so ruhig wie möglich.

Doch Yashiro dachte nicht daran ihn loszulassen. Ihre Augen wurden schmaler und ihre Lippen pressten sich zu einem dünnen Strich zusammen.

„Warum Maron?“, brachte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, „Schon damals! Kaum war sie da, drehte sich alles nur noch um sie! Warum immer sie?!“

Chiaki nahm tief Luft und sah sie direkt an.

„Weil ich niemand anderes will. Weil es für mich niemand anderes gibt. Weil ich Maron liebe. Schon damals. Und jetzt auch. Daran wird sich nichts ändern, Yashiro.“

Sprachlos starrte sie ihn an. Ihr Griff lockerte sich und er riss seinen Arm von ihr los.

„Wenn du mich entschuldigst…“ Damit lief Chiaki durch die Menschenmenge Richtung Tür.

Vage bekam er mit das Yashiro ihm folgen wollte, jedoch fast das Gleichgewicht verlor und von Kagura aufgefangen wurde.

Doch das war ihm egal.

Das einzige was für ihn zählte war Maron.
 

***

Maron stand auf dem Dach des Gebäudes, lehnte sich am Geländer an und nippte an ihrem Sektglas.

Gedankenverloren blickte sie über die hell leuchtende Stadt herab. Eine erfrischende Brise wehte vorbei.

Verdammt, was mache ich nur…?, dachte sie sich frustriert und seufzte.

Eigentlich wollte sie nicht abhauen und Chiaki mit Yashiro alleine lassen. Schließlich war sie extra deswegen zum Ball geeilt.

In der Sekunde, als Chiaki ihr sagte, dass er Yashiro begleiten würde, war für Maron der Entschluss gefallen, dass sie nach Momokuri zurück musste.

Die gesamte Fahrt über ließ sie es sich durch den Kopf gehen, wie sie Yashiro am besten die Meinung sagen könnte.

Maron wollte ihr deutlich machen, dass sie keine Chance bei Chiaki haben wird.

Dass Chiaki sie liebte.

Sie wollte, dass er den Abend mit ihr verbrachte.

Sie wollte, dass er mit ihr tanzte.

Doch als Maron die verstohlenen Blicke einiger Gäste bemerkte, hatte sie einen inneren Rückzieher gemacht.

Nun stand sie alleine auf dem Dach und verfluchte sich für ihren feigen Dickkopf.

Maron nahm einen Schluck von ihrem Sektglas.

„Hast du mir nicht versprochen keinen Tropfen Alkohol mehr anzufassen?“, hörte sie Chiaki fragen. Ohne zu ihm rüber zuschauen, wusste sie dass er belustigt schmunzelte.

Maron ignorierte seine Frage und nahm einen weiteren Schluck von ihrem Getränk.

„Wie war der Tanz mit Ya-shi-ro?“, entgegnete sie spitz.

Chiaki kicherte leise. „Es gab keinen.“, sagte er anschließend.

Sie warf ihm einen kurzen, prüfenden Blick zu und sah wieder auf die Stadt.

„Aha.“

Langsam ging Chiaki auf sie zu, zog sich sein Jackett aus und legte es Maron über die Schulter. Leise bedankte sie sich.

„Woher wusstest du, dass ich hier oben bin?“

„Ist das eine ernst gemeinte Frage?“ Chiaki steckte seine Hände in die Hosentaschen und lehnte sich mit dem Rücken am Geländer an, „Ich kenne dich, Maron. Du flüchtest dich gerne auf irgendwelche Dächer, um nachzudenken.“

Sie seufzte. „Man hat hier oben immer seine Ruhe.“, merkte sie an.

„Ja…“, stimmte er ihr zu. Für einige Augenblicke war es still zwischen den beiden, bis Chiaki die Stille durchbrach: „Ich habe vorhin ehrlich gesagt erwartet, dass du Yashiro die Stirn bieten würdest.“

„Habe ich auch erwartet…“, gab Maron zu, „Allerdings wollte ich keine Szene machen und uns vor dem ganzen Saal in Verlegenheit bringen. Wahrscheinlich hätte Madame am Ende einen peinlichen Aufstand gemacht und das wollte ich irgendwie vermeiden.“

Er nickte anerkennend und sah Maron neugierig an.

„Was?“, fragte sie irritiert, als sie seinen Blick bemerkte.

„Bist du eifersüchtig?“, fragte er schließlich.

Maron zögerte für einen Augenblick, ehe sie sagte: „... Ja.“

„Echt?“ Chiaki versuchte sich ein Grinsen zu verkneifen. Vergeblich.

„Grins nicht so…!“, murrte sie augenrollend.

„Ich finde es nur süß, dass du eifersüchtig auf Yashiro bist. Und das wegen mir.“

„Schön, dass es dich amüsiert…“

Eine Weile standen beide wieder schweigend da und blickten in die Ferne. Wieder wehte eine kühle Brise vorbei.

„Wie du ihren immer Namen betonst... Erinnert mich an die Zeit zurück, wie du immer Ma-yu-ri sagtest.“, kam es von Chiaki leicht belustigt und äffte teilweise ihre Stimme nach.

Maron hob zur Anmerkung einen Finger.

„Du musst zugeben, dass Mayuri der Albtraum einer High School Freundin war. Du hättest nie was mit ihr anfangen dürfen!“

Daraufhin musste ihr bester Freund kurz auflachen. „Also ist Yashiro für dich gleichgestellt wie Mayuri?“

„Vielleicht…?“, kurz hielt sie inne. „So und so hätte sie dich nicht verdient.“, fügte sie kleinlaut hinzu. Maron drehte sich zu Chiaki um. „Überhaupt…! All die Frauen, die du mal gedatet hast… Sie haben dich alle nicht verdient.“, gestand sie und sah ihm eindringlich in die Augen. Er erwiderte ihren Blick.

Einige Sekunden vergingen und keiner wagte es den Blickkontakt zu unterbrechen.

„Wen hätte ich den verdient?“, fragte er ruhig, die Stimme tief und rau.

Maron presste sich zögernd ihre Lippen zusammen und sah nach unten.

Geduldig und erwartungsvoll sah er sie an. Die braunen Augen sanft und liebevoll auf Maron gerichtet.

In dem Moment, als sie wieder zu ihm aufsah und was sagen wollte, öffnete sich abrupt die Tür. Beide zuckten erschrocken zusammen.

„Oh…“ Kaiki blickte überrascht von Chiaki und dann zu Maron. „Uhm…, störe ich irgendwie?“, fragte er vorsichtig.

„Ehm...Nein! Nein, nein,…Nein.“, wendete Maron kopfschüttelnd ein und verschränkte ihre Arme vor die Brust.

„Okayyy… Ihr wart für eine Weile nicht zu sehen und ich habe mir ein wenig Sorgen gemacht.“ Beschämt rieb Kaiki sich den Nacken. „Aber da ich sehe, dass ihr beiden hier oben seid, ist alles gut. Also...uhm, tut einfach so als wäre ich nicht da gewesen! Macht einfach da weiter, wo ihr aufgehört habt.“

Chiaki sah zu Maron, die verlegen zu Boden blickte und wandte sich seufzend an seinen Vater.

„Wir kommen mit runter.“
 

Zurück im Ballsaal mischte Kaiki sich wieder unter die Gäste.

Maron hatte Chiaki sein Jackett wiedergegeben und nun standen beide unbeholfen an der Wand und beobachteten die Leute.

Auf der Tanzfläche sahen sie, wie Yashiro mit Kagura tanzte und herzlich mit ihm lachte. Dass ihre alten Klassenkameraden zurück waren, bekam das Model nicht mit.

„Hat sie jetzt doch einen Tanzpartner gefunden.“, kommentierte die Braunhaarige. „Und sie scheinen sich blendend zu verstehen.“

„Ich glaube, mein Vater hatte mal etwas erwähnt, dass Kagura ein Auge auf sie geworfen hat.“, sagte Chiaki. „Ich dachte immer, er hat das als Scherz gemeint.“

Maron zuckte mit den Schultern. Ein kleines, befriedigendes Lächeln bildete sich auf ihren Lippen.

Mit der Minute sammelten sich mehr und mehr Paar auf der Tanzfläche an. Maron konnte auch ihre Eltern darunter entdecken.

Sie blickte zu Chiaki auf und biss sich unsicher auf die Unterlippe.

„Hättest du was dagegen, ob wir uns der Mehrheit auf der Tanzfläche anschließen…?“, fragte sie, die Wangen rosaroten gefärbt.

Chiaki sah sie mit hochgezogener Augenbraue an. „Bittest du mich gerade, um einen Tanz?“, grinste er.

„N-Nein!“, stritt sie ab, ihr Gesicht wurde um eine Nuance noch röter, „Ich sagte nur, dass wir uns der Mehrheit anschließen können. Nicht dass ich mit dir spezifisch auf die Tanzfläche will.“

Chiaki ließ von seinem Grinsen nicht los.

„Gibt es jemand Besonderen im Raum mit dem du tanzen möchtest?“

„... Ja.“

„Steht dieser jemand direkt neben dir und nervt dich mit Fragen?“

„V-Vielleicht…“

Chiaki kicherte, stellte sich vor Maron hin, machte eine theatralische Verbeugung und hielt ihr eine Hand entgegen. „Erweisen Sie mir den Tanz, Miss?“

Maron musste herzlich auflachen. Sie legte ihre Hand in seine und machte einen verspielten Knicks. „Ja! Sehr gerne, mein Herr.“

Gemeinsam begaben sie sich zur Tanzfläche. Maron legte ihre freie Hand auf seine Schulter und sah ihm in die Augen. Chiaki umfasste ihre Taille und zog sie etwas näher zu sich. Auch seine Wangen waren leicht gerötet.

„Mal sehen, ob sich die Kurse für Standardtänze bei Frau Pakkyaramao bezahlbar gemacht haben.“, wisperte Maron und schmunzelte.

„Wenn ich mich richtig erinnere, gehörte ich von den Jungs zu den Besten.“, konterte Chiaki souverän.

Anschließend folgten sie dem Rhythmus der Musik und begannen zu tanzen.

„Ich erinnere mich.“, lächelte Maron nach einigen Takten verspielt, „Von allen warst du mein Lieblingstanzpartner. Wir hatten zu Hause immer zusammen geübt. Wir übten und tanzten stundenlang bis jeder Schritt passte.“

„Wenn man für jeden Schrittfehler nicht ständig eine Flöte ins Ohr gepfiffen bekommen will…!“, verdrehte Chiaki die Augen und lachte bei den Erinnerungen kurz auf. „Den Kurs hatte ich damals nur mitgemacht, weil du sagtest ‚Damit wir für unseren Hochzeitstanz vorbereitet sind‘.“

Oder für andere Anlässe wie diesen hier.“, merkte sie an.

„Ich habe nur die Worte ‚unseren Hochzeitstanz‘ gehört.“

Maron lachte leise in sich hinein.

Auch wenn ihre gemeinsamen Tanzstunden ein paar Jahre her waren, so wussten beide noch genau wie sie sich zu bewegen haben.

Ein paar Male wirbelten sie umher, bis Chiaki sie fragte:

„Was hältst du eigentlich von meinem Anzug?“

Maron ließ ihre Augen hoch und runter wandern, betrachtete ihn von Kopf bis Fuß. Sein Smoking saß ihm perfekt. Sie erkannte sofort, dass es maßgeschneidert war. Seine schlanke, muskulöse Statur kam ideal zur Geltung.

Sie mochte es, ihn in Anzügen zu sehen. Sogar mehr – sie liebte es.

Maron spürte, wie ihre Wangen wieder rot wurden.

„Ein schöner, moderner Smoking.“, entgegnete sie in einem gespielt neutralen Ton und lächelte.

„Mehr nicht?“

„Die Fliege passt zu dir.“

„Sag doch einfach, dass ich gut darin aussehe.“

„Ich sehe dich nicht zum ersten Mal in einem Anzug, Chiaki.“, grinste Maron ihn an.

„Ein Smoking gehört zur Edelklasse der Anzüge.“, grinste er zurück, „Und wenn ich eitel sein darf, muss ich zugeben, dass ich sehr, sehr gut darin aussehe.“

„Ja, in der Tat. Wie James Bond.“

„Besser als James Bond.“

Sie kicherte. „Heißer als James Bond.“, sagte sie in einem ehrlichen Unterton.

Beide lachten leise.

Chiaki sah Maron an und musterte für einen Moment ihr Gesicht.

„Ich habe dir noch gar nicht gesagt, wie unglaublich schön du aussiehst.“ Liebevoll lächelte er sie an. „Wie du durch die Tür kam und den Saal betrats… Wow. Einfach nur…Wow!“

Maron lächelte peinlich berührt. „Danke.“, entgegnete sie sanft.

Früher hatte sie solchen Komplimente von ihm mit einem augenrollen akzeptiert. Heute machten sie sie glücklich und ließen ihr Herz höher schlagen.

 

Wortlos tanzten sie anschließend weiter. Ihre Beine bewegten sich wie von selbst zu der Musik.

Irgendwann waren alle anderen Paare um sie herum vergessen und sie sahen nur noch sich. Ihre Blicke ließen nicht voneinander los.

Die Musik verebbte und die Band wechselte zu einem langsameren, weicheren Stil über.

Sie stoppten sich kurz und Maron sah sich verunsichert um.

Alle Paare auf der Tanzfläche rückten näher zueinander ran. Die Frauen schlangen ihre Arme um die Nacken ihrer Männer und diese ließen ihre Hände an den Hüften ihrer Partnerinnen ruhen. Stirn an Stirn wurden die Köpfe aneinander angelehnt.

Chiaki sah sie fragend an, suchte mit seinem Blick den ihrer. Sie stand bewegungslos vor ihm, nicht wissend, ob sie bleiben oder die Tanzfläche verlassen sollten.

Bevor Maron es realisierte, schlang er seine Arme um sie und zog sie an sich heran. Etwas unbeholfen stützte sie ihr Kinn an seine Schulter ab. Es war zwar nicht das erste Mal, dass sie sich so nah waren, doch die Situation und die Umstände machten alles anders.

Wie zum Beispiel die Herzklopfen in ihrer Brust.

Oder das elektrisierende Kribbeln auf ihrer Haut.

Maron spürte, wie er scharf Luft einzog. Seine warmen Hände ruhten unter ihren Schulterblättern.

Sie drehte ihren Kopf, sodass sie seinen kräftigen Herzschlag unter seine harte Brust hören konnte.

Schließlich reichte Maron ihre Arme hoch und schlang sie um seinen Nacken. Ihre Finger fanden sich automatisch in seinen Haaren am Nacken wieder. Im Rhythmus strichen sie sanft durch die blauen Strähnen hindurch.

Gleichzeitig spürte sie, wie Chiaki mit den Fingerspitzen ihren Rücken auf und ab strich.

Eine Gänsehaut überkam sie.

Sie sah zu ihm auf.

Seine Augen blickten sie eindringlichen an. Jegliche Gefühle, die er für sie empfand, konnte sie in ihnen ablesen.

Sie musterte seine markanten Wangenknochen und Kieferpartien.

Ihre Augen wanderten zu seinen Lippen herab.

Das Verlangen sie zu küssen, überkam sie plötzlich.

Überrascht von sich selbst, vergrub Maron ihr Gesicht in seine Brust.

Ihre Wangen glühten.

Seine Hände wanderten ihren Rücken zu ihrer Taille herab und umfasst sachte ihre Hüfte.

Wieder eine elektrisierende Gänsehaut.

Unwillkürlich musste Maron an die Redewendung denken, wenn Leute sagten, dass sie Schmetterlinge im Bauch haben. Sie wusste nur allzu gut, was damit gemeint war: dieses unbehagliche, flatternde Gefühl tief in der Bauchgegend.

Nur spürte Maron es überall.

Sie spürte Schmetterlinge auf ihrer gesamten Haut, die ihr immer wieder ein Schaudern durch den ganzen Körper bereiteten.

Etwas, was sie vorher noch nie so intensiv empfunden hatte.

Wieder sah sie zu Chiaki hoch und seine rechte Hand hob sich, fuhr liebevoll durch ihre Haare und über ihren Nacken.

Ihr fiel auf, dass sie aufgehört haben zu tanzen. Beide standen inmitten der Menschen auf der Tanzfläche und rührten sich nicht.

„Maron.“, wisperte er. Die Stimme tief und rau, was Maron einen angenehmen Schauer bereitete. „Ich habe dir auf dem Dach eine Frage gestellt...“, sprach Chiaki leise. „Du wolltest mir eine Antwort geben.“

Nervös presste Maron sich ihre roten Lippen zusammen.

„V-Vergiss es…“, murmelte sie leise und sah verlegen zur Seite.

In dem Moment spürte sie, wie Chiaki den Druck seiner Hand um ihrer Taille leicht erhöhte und sie noch näher an sich drückte. Kaum merklich schüttelte er den Kopf, ohne den Blick von ihr loszulassen. Vereinzelte Strähnen seiner blauen Haare fielen ihm ins Gesicht runter und Maron konnte den angenehmen Duft seines Parfüms vernehmen.

„Wirst du mir irgendwann eine Antwort geben?“, flüsterte er und sah ihr tief in die Augen.

Maron musste schlucken. Ihr Gesicht wurde heiß und ihr Herz klopfte schneller.

Nach einigen Sekunden brachte sie ein Nicken zustande.

„Ja… werde ich.“, versprach sie ihm leise.

Im nächsten Moment beugte Chiaki sich zu ihr nach vorne. Maron’s Herz schlug ihr bis in den Hals und sie hielt gespannt den Atem an. Sachte legte er seine Lippen auf ihre Wange. Kaum hörbar schnappte sie nach Luft.

Ihre Haut begann wie Feuer zu brennen.

„Lass mich nicht zu lange warten.“, flüsterte er ihr anschließend ins Ohr.

Sie nickte. „Okay…“

Chiaki’s braune Augen trafen auf ihre und ein sanftes Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. Maron konnte nicht anders und lächelte zurück.

„Komm. Lass uns was zu trinken holen.“, schlug Chiaki vor.

„Ja.“, stimmte Maron ihm zu.

Langsam lösten sie sich voneinander und verließen die Tanzfläche. Nur ihre Hände blieben noch miteinander verbunden.

 

Chapter 18: Not Afraid Anymore

Chapter 18: Not Afraid Anymore

 

„Sorry, dass ich so spät bin!“

Es war Freitagnachmittag und Maron betrat soeben die große Sporthalle im Momokuri-Sport-Center, in der sich all ihre Freunde versammelt haben und ging direkt auf Natsuki zu. Beide gaben sich eine Umarmung zur Begrüßung.

„Das Spiel hat noch nicht angefangen. Bist also noch pünktlich.“, zwinkerte die Grünhaarige ihr zu.

Maron nickte erleichtert und sah sich um.

Chiaki und Shinji standen in Sportklamotten bekleidet mit ihren alten Kameraden aus der Schulbasketballmannschaft zusammen auf dem Basketballfeld. Jedes Jahr veranstaltete der Basketballclub ein Treffen, in die ehemaligen Clubmitglieder in Teams gegeneinander spielten. Aus Spaß hatten die Jungs noch Yamato dazu geholt, der ohne Probleme aufgenommen wurde und mit Miyako einige Meter abseits stand. Sie redeten miteinander, während er sich streckte und dehnte.

Auf der Tribüne saßen schon ein paar Leute zum Zuschauen.

Natsuki und Maron mischten sich unter den Zuschauern und setzten sich hin. Für Miyako hielten sie einen Platz frei, sodass Maron am Ende zwischen ihren Freundinnen saß.

Shinji stupste Chiaki kurz am Oberarm an, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen und nickte mit dem Kopf in Richtung der Mädels. Der Blauhaarige drehte sich um und seine Augen trafen direkt auf Maron’s.

Sofort schlug ihr Herz ein paar Schläge höher und ihre Wangen röteten sich.

Chiaki grinste erfreut und winkte ihr zu. Sie winkte schüchtern zurück.

Kurz darauf flüsterte Shinji seinem Freund etwas zu, worauf Chiaki eine irritierte Grimasse verzog. Der Dunkelhaarige legte ihm einen Arm um die Schultern und raufte ihm die Haare. Chiaki versuchte sich aus dem Griff zu befreien und nach einigen verspielten Raufereien fingen beide herzlich an zu lachen.

„Die beiden sind auch ein Herz und eine Seele.“, kommentierte Natsuki mit einem amüsierten Grinsen.

„Ja…Sind sie…“, antwortete Maron geistesabwesend, ohne ihren Blick von Chiaki loszulassen.

Zur selben Zeit ertönte ein Pfiff und das Spiel fing an. Miyako gesellte sich unterdessen zu den Mädels dazu. Sie und Maron umarmten sich zur Begrüßung.

Die ersten paar Minuten feuerten Natsuki und Miyako die Jungs eifrig an. Nach wenigen Momenten bemerkten beide allerdings, wie ruhig und in sich gekehrt Maron war.

„Alles okay?“, fragte Miyako ihre Kollegin.

Kurz sah Maron sie an und ließ ihren Blick wieder auf’s Spiel wandern. „Ja, alles gut.“

Natsuki sah besorgt zu ihr rüber. „Du siehst aber so nachdenklich aus.“

„Es ist wirklich alles gut…!“, versicherte Maron ihnen. Kurz hielt sie inne und seufzte anschließend. „Eigentlich…“

„Eigentlich?“, fragten Miyako und Natsuki gleichzeitig.

Eine Weile sagte Maron nichts mehr und die anderen beiden tauschten sich stumme, vielsagende Blicke aus.

„Hat es irgendwas mit Chiaki zu tun?“, durchbrach Natsuki schließlich das Schweigen unter ihnen und lächelte wohl wissend.

Überrascht schnellte Maron ihren Kopf in ihre Richtung und machte erschrocken große Augen. Gleichzeitig wurde sie bis über beide Ohren rot im Gesicht.

„W-Woher-“

„Wir sehen doch, wie du ihn in letzter Zeit anstarrst!“, fiel Miyako ihr augenrollend ins Wort.

Maron vergrub vor Verlegenheit ihr Gesicht in beide Hände. „Ist das so offensichtlich…?“

Als Antwort kicherten ihre Freundinnen zur Bestätigung.

„Allein, wie eifersüchtig du auch auf diese Yashiro letztens warst…“, merkte Miyako zusätzlich an. „Vor uns kannst du nichts verleugnen, Süße!“

Mit noch röteren Wangen sah Maron wieder auf und strich sich die Haare aus dem Gesicht.

„I-Ich weiß nicht, was das zwischen uns ist…“, begann sie zu sagen, „Und seit einiger Zeit gehen alle möglichen Gefühle in mir durch. Gefühle, die ich bei keinem anderen Mann so intensiv empfunden habe, wie bei Chiaki… Mein Herz rast. Ich bin aufgeregt und glücklich zugleich, wenn ich bei ihm bin oder an ihn denke. Und-“

„Oh mein Gott, dich hat es sowas von erwischt!“, unterbrach Miyako sie grinsend.

„…K-Kann man so sagen.“, gestand die Braunhaarige zögerlich. Schwer seufzend setzte Maron ihren Ellenbogen auf die Knie ab und legte das Kinn in die Handfläche. „Ich-…Ach- Keine Ahnung… Ich denke, die Gefühle waren schon immer irgendwo da gewesen. Bloß wollte ich die mir all die Jahre nie wirklich eingestehen…“

„Wieso nicht?“, fragte Natsuki, „War der Gedanke, dich in deinen besten Freund zu verlieben, so suspekt für dich?“

Maron zuckte mit den Schultern. Sie richtete sich auf ihrem Sitz etwas gerade und sah auf ihre Hände herab. „Ich schätze, ich hatte Angst gehabt….“

Ihre Freundinnen sahen sie fragend an.

„Ich…hatte Angst…Habe immer noch Angst.“, sprach sie nach einigen Sekunden weiter. Ihre Hände fingen an nervös an ihrem Pullover herumzuzupfen. „Ich- Ich habe Angst ihn für immer zu verlieren….“, offenbarte sie. Maron hielt kurz inne, nahm tief Luft und seufzte schwer auf. „Denn Liebende machen irgendwann Schluss und gehen getrennte Wege. Aber Freunde…Freunde bleiben. Wenn Chiaki und ich befreundet bleiben, dann werden wir uns auch nicht trennen… Als Freunde bleiben wir für immer zusammen.“ Mit jedem Satz wurde sie etwas leiser und sah betrübt zu Boden.

Natsuki und Miyako machen bei dem Geständnis große Augen.

„Aber du willst aber doch gar nicht, dass es nur bei Freundschaft zwischen euch bleibt. Man sieht doch, dass du mehr willst.“, redete Miyako sanft auf ihre Kollegin ein. „Ich denke, ich kann deine Angst verstehen…“, sprach die Dunkelhaarige seufzend weiter, „Aber ich bin positiv, dass es zwischen dir und Chiaki funktionieren wird!“

„...Und was wenn nicht??“, warf Maron kritisch ein, „Was ist, wenn wir als Paar nicht so funktionieren, wie wir es uns vorstellen? Ich will nicht unsere Freundschaft riskieren.“

„Schon mal darüber nachgedacht, dass ihr beide vielleicht füreinander bestimmt seid?“, fragte Natsuki.

Mit großen Augen sah Maron sie irritiert an. „Füreinander bestimmt?“

„Ja! Ich meine, wenn ein Fremder euch sieht, dann würde er automatisch denken, dass ihr ein Paar seid!“

„Oder ein Ehepaar!“, fügte Miyako scherzhaft hinzu.

„...E-Echt?“, fragte Maron perplex.

Ihre Kollegin fasste sich stöhnend die Stirn. „Ja, Maron! Du magst das vielleicht noch nicht realisiert haben, aber wie ihr euch manchmal benimmt, geht schon weit über Freundschaft hinaus!“

„W-Was soll das heißen?? Ich meine, wir küssen uns nicht, oder ähnliches-“

„Nein, aber diese Ausstrahlung, die ihr beide zusammen habt und wie vertraut ihr miteinander seid…! Wenn du und Chiaki zusammen seid…“, sprach Miyako weiter, „Dann ist es wie, als wärt ihr in eurer eigenen Welt. Ihr versteht euch ohne Worte und kennt einander in und auswendig, weshalb ihr einfach perfekt zueinander passt! Daher sind wir uns sicher, dass eine Beziehung zwischen euch nicht zum Scheitern verurteilt wird. Wohl eher das Gegenteil!!“

Maron blickte sie mit geweiteten Augen sprachlos an.

„Wenn das Universum will, dass zwei Menschen zusammen gehören… Dann wird es auch alles Mögliche unternehmen, damit diese Zwei zusammenkommen.“, meldete Natsuki sich wieder zu Wort, „Außerdem kannst du nicht wissen, ob es zwischen euch klappt oder nicht, wenn du es nicht erst versucht hast! Du kannst nicht für immer im ‚vielleicht‘ leben.“ Sie lächelte Maron aufrichtig an. „Und du weißt doch, dass Chiaki dich von ganzem Herzen liebt. Er würde nichts tun, um dir wehzutun. Eher würde er alles stehen und liegen lassen und alles daran setzen, um dich glücklich zu sehen.“

Maron nickte einmal, seufzte kurz und ließ sich die Worte einige Augenblicke durch den Kopf gehen.

Nachdenklich sah sie auf das Spiel herab, wobei ihre Augen nur auf Chiaki gerichtet waren. Gerade stand er nicht weit entfernt von der Zuschauertribüne. Wie als würde er ihre Blicke auf sich bemerken, drehte Chiaki sich in Maron’s Richtung um und lächelte ihr schief zu.

Ihr Herz machte einen Sprung.

Einige endlose Sekunden sahen beide sich an bis Chiaki den Blickkontakt abbrechen musste, um sich auf das Spiel zu konzentrieren.

Währenddessen spielten in Maron tausende Erinnerungen vor ihrem inneren Auge ab:

Erinnerungen von einer Kindheit voller Wärme und Sonnenschein.

Wie sie sich an einem warmen, sonnigen Frühlingstag kennenlernten. Wie sie in den Sommerferien am Strand spielten, das Wasser in sanften Wellen auf und ab rauschte. Wie sie zusammen nach Muscheln suchten und Chiaki ihr immer die schönsten und größten aufbewahrte. Wie er sie vorsichtig Huckepack trug und zu seinem Vater brachte, nachdem sie sich an einer Glasscherbe im Sand geschnitten hatte. Wie er ihre Hand hielt und ihr beistand, während sein Vater die Wunde zu nähte.

Sie erinnerte sich an einen Moment, als sie sechzehn war und mit ihm am Strand saß: der Täger ihres Badeanzuges rutschte ihr die Schulter herunter und sie erinnerte sich daran, wie er scharf Luft einzog und schnell weg sah.

Wie konnte ich es all die Jahre nicht sehen?, dachte sie sich. Was er für sie empfand. Was sie für ihn empfand.

Sie dachte an die letzten Monate zurück. Als Chiaki ihr seine Liebe gestand und sie seitdem nicht aufhören konnte - nicht aufhören wollte, an diesem einen Tag zu denken.

Weil ich ihn liebe…, ging es ihr durch den Kopf, schloss für einen Moment die Augen und hielt sich die Hände vor der Brust.

Sie hatte sich unwiderruflich in ihren besten Freund verliebt.

Und sie wünschte sich nichts sehnlicher, als für den Rest ihres Lebens bei ihm zu sein.

„Ich denke, ihr habt recht...“, sagte Maron schließlich und öffnete ihre Augen. Ein kleines, verliebtes Lächeln bildete sich auf ihren Lippen. „Ich kann nicht für immer im ‚vielleicht‘ leben!“

Ihre Freundinnen fingen an breit zu grinsen.

Im nächsten Moment hielt die Braunhaarige eine Hand vor das Gesicht und lachte verlegen auf. „Ich, eh, habe euch noch gar nicht von dem Ball erzählt…“, kam es von ihr kleinlaut.

Natsuki und Miyako machten neugierige Gesichtsausdrücke. „Was für ein Ball??“, fragten sie wie aus einem Mund.

„Das Nagoya-Krankenhaus hatte letzte Woche ein Wohltätigkeitsball veranstaltet.“, erklärte Maron knapp.

Begeistert schnappten die anderen hörbar nach Luft.

„Haben du und Chiaki zusammen getanzt??“, fragte Natsuki eifrig.

„Ja, haben wir.“ Maron wurde bei den Erinnerungen von dem Tanz wieder rot im Gesicht. Ihre Freundinnen mussten sich ein euphorisches Quietschen verkneifen.

„Oh mein Gott, wie romantisch!“, erwiderte Miyako.

„Auf jeden Fall…ehm, wäre ich fast davor gewesen, ihm irgendwie meine Gefühle zu gestehen.“, erzählte Maron weiter, „Aber dann habe ich einen Rückzieher gemacht und nun habe ich ihm versprochen, dass ich ihn nicht so lange warten lasse.“

Leichte Verwirrung spiegelten sich in den Gesichter der anderen wider.

„Und…Wo ist jetzt das Problem?“, fragte Miyako mit hochgezogener Augenbraue. „Sag ihm, wie du für ihn empfindest!“

„I-Ich weiß nicht, wie ich es ihm am besten sagen kann...“

„Man sagt es einfach! Drei Worte. Bestehend aus zwölf Buchstaben. Punkt.“

Maron schnaubte augenrollend auf. „Wieso tue ich mich dann so schwer ihm diese drei Worte zu sagen?“, murmelte sie, die Stimme mit leichtem Sarkasmus gezeichnet.

„Womöglich fehlt dir die passende Atmosphäre?“, entgegnete Natsuki. „Bestimmt fällt es dir einfacher, wenn ihr unter euch seid. Auf einem romantischen Dinner, oder so.“

Verunsichert von dem Vorschlag sah Maron runter. „… D-Dafür müsste ich Chiaki nach einem Date fragen.“

„JA!!“, riefen ihren Freundinnen ihr ins Ohr. Etwas erschrocken zuckte Maron zusammen.

„Wenn du das eine schaffst, dann schaffst du das andere auch!“, sagte Miyako in einem ermutigenden Ton.

Natsuki nickte bekräftigend. „Spring über deinen Schatten, Maron!“

Seufzend dachte Maron über die Ratschläge der beiden nach. Nach einigen Momenten nickte sie bestimmt und schenkte ihren Freundinnen ein dankbares Lächeln.

„Ich versuch es.“, sagte sie mit Entschlossenheit in der Stimme. „Danke Leute!“

Daraufhin wurde die junge Frau von beiden Seiten stürmisch umarmt.

Schließlich verbrachten die Drei die restlichen zehn Minuten damit den Jungs beim Spielen zuzuschauen und anzufeuern.
 

Nachdem das Spiel vorbei war, verließen die sechs Freunde zusammen das Sport-Center. Vorher hatten Chiaki, Yamato und Shinji geduscht und sich umgezogen, während die Mädels am Ausgang auf sie gewartet hatten.

„Schade, dass eure Mannschaft verloren hat!“, sagte Natsuki an die Jungs gerichtet, „Aber ihr könnt trotzdem stolz auf euch sein.“

„Ach was! Hauptsache wir hatten Spaß!“, winkte Shinji unbekümmert ab.

„Habt ihr Mädels uns eigentlich richtig zugeschaut?“, fragte Yamato und rieb sich den Kopf.

„Klar! Natürlich haben wir!“, antwortete Miyako ihm.

„Naja… so wie ich es mitbekam, habt ihr die meiste Zeit eure Köpfe zusammengesteckt und wart in eurer eigenen Frauenwelt vertieft.“, schmunzelte ihr Freund.

„Und dadurch dass unser feiner Chefredakteur so auf euch Mädels fixiert war, hatte er die meisten Bälle an den Kopf bekommen!“, merkte Shinji schadenfroh lachend an.

Miyako und Natsuki konnten sich ein Lachen ebenfalls nicht verkneifen. „Echt? Wie viele?“, fragte die Lilahaarige.

„Nur fünf! Und du würdest das wissen, wenn du aufgepasst hättest!“, sagte Yamato mit gespielten Vorwurf.

„Darf man fragen, worüber ihr Hübschen überhaupt geredet habt?“, erkundigte sich Shinji neugierig.

„Wichtige Frauengespräche! Top Secret!“, zwinkerte Natsuki ihm geheimnisvoll zu.

Unterdessen liefen Maron und Chiaki einige Schritte hinter den beiden Paaren her, die Hände in ihre Jackentaschen vergraben.

„Sorry, dass wir das Spiel nicht so ganz mitverfolgt haben.“, sagte Maron mit einem entschuldigenden Lächeln.

Chiaki kicherte belustigt. „Ich persönlich nehme es euch nicht übel. So spannend ist so ein Spiel auch nicht.“ Er wandte sich lächelnd zu ihr. „Mir reichte es, dass du kommen konntest.“

Verlegen presste sie sich die Lippen zusammen und sah zu Boden.

Für einen Augenblick nahm Maron tief Luft, rang ein letztes Mal mit sich selbst bis sie schließlich fragte: „Ha-Hast du morgen nach der Arbeit Pläne?“

„Nein.“, schüttelte er den Kopf, „Wieso? Habt ihr Mädels irgendwas geplant?“

„Ehm…Nein. I-Ich möchte dich fragen, ob wir beide zusammen Essen gehen wollen?“

Abrupt blieb Chiaki stehen. „Essen gehen? Wir beide zusammen? Uhm... Wie ein Date?“ Er sah sie mit großen Augen perplex an. Maron blieb ebenfalls stehen und sah zu ihm auf. Unterdessen liefen ihre Freunde ungestört weiter.

„Nicht ‚wie ein Date‘… sondern ein Date! E-Ein richtiges. Du und ich.“, stellte sie klar, die Wangen rosarot gefärbt.

Für einen kleinen Moment war er etwas sprachlos und starrte Maron mit halboffenen Mund an. Schnell fasste Chiaki sich jedoch wieder und nickte einige Male eifrig.

„K-Klar! N-Natürlich!“, stammelte er. Auch seine Wangen waren rot angelaufen, was jedoch nicht mehr von den sportlichen Anstrengungen kam. „I-Ich hole dich von der Arbeit ab!“

„O-Okay. Ehm... Um das Restaurant kümmere ich mich.“

„Okay.“, stimmte Chiaki zu. Ein riesiges Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. „Ich freu mich auf morgen Abend.“

„I-Ich mich auch.“, lächelte Maron schüchtern zurück.
 

***

 

Am nächsten Abend, fünf Minuten vor 18 Uhr stand Chiaki vor der Momokuri News Redaktion und wartete auf seine Verabredung.

Er trug eine schwarze Jeans mit weiß-gestreiftem Hemd, einer grauen Strickjacke und dazu das passende schwarze Jackett.

Nervös spielte er mit einer roten Rose in seiner Hand herum. Tief atmete er ein und wieder aus, um seine Nervosität runterzuschrauben.

Beruhig dich!, mahnte er sich selbst, Das ist nur ein Date…Mit Maron!

Chiaki wusste selbst nicht, wieso er heute so aufgeregt war.

Sie hatten sich schon öfters zu zweit allein getroffen. Allerdings wurden diese Treffen nie als „Date“ bezeichnet. Noch dazu gingen sie (romantisch) Essen!

Ein letztes Mal atmete er tief durch, als sich schließlich die Tür öffnete und Maron rauskam.

Unter ihrem schwarzen Mantel trug sie einen weißen Oversize-Pullover mit dunkelgrauen Skinny-Jeans und schwarzen Stiefel.

Automatisch zogen sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln nach oben.

„Hey!“

„Hi!“, begrüßte sie ihn lächelnd zurück und blieb etwas unbeholfen vor ihm stehen. „Du siehst gut aus.“

„Und du siehst bezaubernd aus.”, entgegnete Chiaki, die Wangen leicht gerötet.

Peinlich berührt strich Maron sich eine Strähne hinter das Ohr. „Danke.“, und zeigte anschließend auf die Blume in seiner Hand, „Die ist für mich?“

„Oh...ja!“ Etwas verlegen schenkte Chiaki ihr die Rose. „Uhm…Eigentlich wollte ich ein Bouquet holen, aber das wäre wohl zu viel gewesen. Und normalerweise hole ich keine Blumen auf Dates, aber da es bei dir was Besonderes ist-“

Der junge Arzt unterbrach seinen Redefluss als Maron beruhigend eine Hand über den Arm strich und seine Hand in ihre nahm.

„Es ist perfekt.“, sagte sie mit einem warmen, glücklichen Lächeln. „Vielen Dank.“

Erleichtert und aufgeregt zugleich musste Chiaki auflachen. Maron stimmte leise in sein Lachen mit ein. Auch in ihrer Stimme war Nervosität herauszuhören.

„Also, wo geht’s jetzt hin?“, fragte er und blickte sie neugierig an.

„Lass dich überraschen.“, grinste sie.

Mit den Worten gingen sie los.
 

„Verkehrte Rollen.“, schmunzelte Chiaki, nachdem er sich im Restaurant umgeschaut hatte. Es war ein vornehmes Fünf-Sterne Restaurant mit modernen Kronleuchtern an den Decken, hochwertigem Ambiente und einem großen Aquarium in der Mitte des Raumes.

„Was meinst du mit ‚verkehrte Rollen‘?“, fragte Maron verwundert und sah von ihrer Karte auf.

„Normalerweise sucht sich der Mann die mega-schicken Restaurants aus, um die Frau zu beeindrucken.“, merkte er an. „Nicht umgekehrt.“

„Wir leben in einer modernen Welt, in der die Frau den Mann auch beeindrucken darf.“, entgegnete sie augenrollend.

„Ist zwar schön und gut, aber hast du dir mal die Preise hier angesehen?“ Chiaki zeigte auf die Karte und sein amüsierter Gesichtsausdruck bekam einen ernsten Touch. „Willst du in naher Zukunft eine Niere spenden gehen?“, fragte er mit hochgezogener Augenbraue.

„Mach dir darüber keine Gedanken.“, winkte sie sorglos ab.

„Ich kann dich sowas nicht bezahlen lassen.“

Wieder rollte Maron mit den Augen. „Doch! Ich habe dich zu diesem Date eingeladen und ich werde auch bezahlen.“

„Und ich will dich nicht bei unserem ersten Date bezahlen lassen.“, beharrte er. „Das zerstört meinen Ruf als Gentleman.“

Seufzend fasste Maron sich kurz die Stirn und griff nach seiner Hand auf dem Tisch.

„Kompromiss: Wir teilen uns die Rechnung.“

Chiaki grinste bei dem Vorschlag zustimmend. „Okay. Ich zahle dein Essen und du meinen.“, erwiderte er augenzwinkernd.

Nun musste Maron kurz auflachen. „Okay!“, nickte sie.

Ein freundlich aussehender Kellner -ein grauhaariger Mann Ende fünfzig- kam vorbei und nahm die Bestellungen der beiden auf.

„Warst du eigentlich schon mal hier?“, fragte Chiaki interessiert.

Sein Gegenüber schüttelte den Kopf. „Meine Eltern waren zu ihrem Hochzeitstag hier. Habe von ihnen gehört, dass es hier gut sein soll…“

Überrascht zog der Blauhaarige beide Brauen hoch. „Hast du ihnen von heute Abend erzählt?“

Wieder schüttelte Maron den Kopf und strich sich mit einem verunsicherten Lachen durch die Haare. „Ich habe ihnen gesagt, dass ich mit Freunden unterwegs sein werde.“, sagte sie.

„Echt?“

„Ja… Ich- eh, wollte für mich erstmal sehen, wie sich der heutige Abend entwickelt. Wie sich das mit uns entwickelt…“

Chiaki lächelte verständnisvoll. „Und wie findest du, entwickelt sich alles so?“ Noch immer hielt er ihre Hand auf der Tischoberfläche. Keiner von beiden hatte auch ein Bedürfnis loszulassen.

„Ganz gut.“, antwortete Maron ihm mit einem warmen Lächeln. „Mehr als gut sogar.“

„Da bin ich froh!“, schmunzelte er, „Ich habe meinem Vater auch nichts gesagt.“, gestand Chiaki. „Der hätte eine riesige Sache daraus gemacht und ich bin schon nervös genug deswegen.“

„Mh-Hmm.“ Maron nickte verstehend, „Ich bin auch ziemlich nervös… Obwohl das ziemlich absurd ist! Nur weil wir den Abend heute als Date bezeichnen.“, verdrehte sie lachend ihre braunen Augen.

„Geht mir genauso. Weshalb wir uns dazu bringen sollen, den Abend einfach zu genießen und uns selbst zu sein.“ Sanft lächelte Chiaki sie an und strich ihr sachte mit dem Daumen über den Handrücken.

Maron erwiderte das Lächeln zustimmend. „Da hast du Recht.“

Im nächsten Augenblick kam der Kellner mit ihren Getränken und Gerichten.

Zusätzlich bekamen sie noch jeweils ein Glas Champagner, die aufs Haus gingen, wie der Herr sagte und ihnen belustigt zu lächelte.

Dankend nahmen Maron und Chiaki den Champagner an, hoben ihre Gläser und stießen an.

Nach einer gewissen Zeit war jegliche Nervosität über das Date verflogen und den ganzen Abend lang wurde sich über alle möglichen Themen unterhalten, gelacht und sich prächtig amüsiert.
 

***

 

Nach dem Essen beschlossen beide noch im naheliegenden Park spazieren zu gehen. Hand in Hand liefen sie nebeneinander her. Es war eine wolkenreiche Nacht, in der ab und an der Mond zum Vorschein kam.

„Oh! Sieht das hübsch aus!“, sagte Maron nach einer Weile und deutete mit dem Finger auf einen Aussichtspavillon, welches an einem See anlag.

Es war ein offenes, überdachtes Bauwerk, bestehend aus Holz mit einem achteckigen Grundriss. Das Dach und die Säulen waren mit weiß leuchtenden Lichterketten  geschmückt und erhellten wie Sternenlicht die Dunkelheit.

„Sehr romantisch.“, schmunzelte Chiaki. „Wollen wir uns dort hinse-“ Ehe er sich versah, zog sie ihn schon in Richtung des Pavillons.

Während er sich auf einer der Holzbänken hinsetzte, stand Maron in der Mitte des Pavillons und betrachtete mit großen Augen ihre hell leuchtende Umgebung. Ein riesiges, fasziniertes Lächeln bildete auf ihrem hübschen Gesicht.

Chiaki beobachtete sie dabei und lächelte verliebt.

„Es ist wirklich wunderschön hier!“, rief sie begeistert aus, als sie neben ihm Platz nahm und auf dem See blickte. Im Wasser spiegelte sich das Licht der Lichterketten und des Mondes wider.

„So wunderschön wie du.“, entgegnete Chiaki offen und ehrlich. Er konnte seinen Blick nicht von ihr abwenden.

Maron wandte sich mit geweiteten Augen zu ihm und wurde rot im Gesicht.

„Ich… ehm, schulde dir ja noch eine Antwort.“, sagte sie und biss sich verlegen auf die Unterlippe.

Chiaki zog leicht überrascht eine Braue hoch. „...Du schuldest mir nichts.“, sagte er in einem ruhigen Ton.

„Doch!“, warf Maron bestimmt ein und sah ihn ernst an. „Du hast mir letztens eine Frage gestellt und ich habe dir versprochen dich nicht warten zu lassen.“

Seufzend fuhr er sich durch die Haare. „Ich wollte dich aber nicht unter Druck setzen…“

„Tust du nicht!“, versicherte sie ihm, nahm seine Hand in ihrer und lächelte nervös. „Ich- eh, bin bereit dir eine Antwort zu geben…!“

„Okay.“, willigte er nach minimalen Zögern schließlich ein. „Ich werde dir zuhören.“

„Ich… Ich habe dir gesagt, dass keine der Frauen, die du gedatet hast, dich verdient hat.“, setzte Maron an.

„Ja. Und ich habe dich gefragt, wen ich verdient hätte.“

Für einen Moment sah sie nachdenklich zur Seite und sah wieder zu Chiaki auf.

„Du… verdienst jemand, der dich mit jedem einzelnen Herzschlag liebt. Jemand, der ununterbrochen an dich denkt, sich jeden Tag -jede Minute- fragt, was du gerade machst, wo du bist und ob es dir gut geht. Du verdienst jemand, der dich mit Respekt behandelt, der jeden einzelnen Aspekt von dir liebt. Du verdienst jemand, der dich glücklich macht… Freudensprüngen-glücklich.“ Sie hielt inne und lachte mit Tränen in den Augen kurz auf. „Jemand, der vor langer Zeit die Chance hätte nutzen sollen, um mit dir zusammen zu sein, anstatt sich davor zu fürchten es zu versuchen…Aus Angst dich zu verlieren oder die Freundschaft zu gefährden.“

Sie nahm ein letztes Mal tief Luft, blinzelte sich die Tränen weg und sah ihm in die Augen. Ein warmes Lächeln haftete auf seinen Lippen.

„Ich… habe keine Angst mehr. Ich fürchte mich nicht davor es zu versuchen.“ Sie rückte näher zu ihm heran und ihre Finger verschränkten sich in seine. Er drückte ihre Hand sanft.

„Ich liebe dich, Chiaki…“, wisperte sie und lächelte aus vollem Herzen. „Ich liebe dich…Und ich möchte, dass wir für immer zusammen bleiben.“ Kleine Tränen entkamen ihren Augen und rollten ihr das Gesicht herunter. Sie konnte es selbst nicht glauben, dass sie es ihm endlich gesagt hat.

Im nächsten Moment beugte Chiaki sich leicht zu ihr nach vorne und wischte ihr mit der freien Hand die Tränen weg.

„Was auch immer passiert...“, sagte er, die Stimme leise und rau, „Wir werden immer Maron und Chiaki sein. Wir werden immer füreinander da sein werden.“ Er strich ihr ein paar Strähnen aus dem Gesicht und umfasste behutsam ihre Wange.

Sie nickte schwach. „Versprochen?“

„Versprochen.“

Und bevor Maron es realisieren konnte, trafen ihre Lippen auf seine.

Sie wusste nicht, was zuerst geschah: ob sie sich zu ihm vorgebeugt hatte oder ob er sie zu sich herangezogen hat. Womöglich beides.

Eine elektrisierende Hitze durchfuhr mit einem Mal ihre Körper und sie bekamen das Gefühl, als würden ihre Herzen vor Glück explodierten.

Es war ein kurzer, zarter und dennoch gefühlvoller Kuss.

Als sie sich voneinander lösten und lächelten sich wortlos an. Jegliche Gefühle und Liebe, die sie füreinander empfanden, konnten sie in ihren Augen ablesen.

Zur selben Zeit ging in der Ferne plötzlich ein Feuerwerk los.

Verblüfft blickten die beide zu dem Lichtspektakel vor ihnen auf und fingen in der nächsten Sekunde an herzlich zu lachen.

„Was für ein Timing.“, entgegnete Chiaki.

„Wahrscheinlich ist dort irgendein Fest.“, schmunzelte Maron.

Gleichgültig zuckte er mit der Schulter, wandte sich wieder zu ihr und grinste überglücklich.

„Ich liebe dich auch, Maron…“, hauchte Chiaki ihr zu, „Mehr als alles andere auf der Welt.“ Er strich ihr mit beiden Händen zärtlich durch die Haare und zog sie für einen weiteren Kuss zu sich heran. Sie küsste ihn liebevoll zurück, genoss die Wärme seiner Lippen. Ihre Hände reichten nach oben und umfasste sanft sein Gesicht.

Nach einer Weile saß das Paar eng umschlungen beieinander und sah sich das Feuerwerk bis zum Ende an.
 

 
 

I know it sounds crazy

That you'd be my baby.

But you mean that much to me.

'Cause nothing compares when

We're lighter than air and

We don't wanna come back down.

But I don't wanna ruin what we have

Love is so unpredictable.

But it's the risk that I'm taking,

Hoping, praying

You'd fall in love with your best friend

[Jason Chen – Best Friend]

 

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Nach 18 Kapiteln (und 18 Jahren Freundschaft) hat auch sie endlich die drei magischen Worte über die Lippen gebracht xD

 

Kleine Vorankündigung: noch zwei Kapitel und dann ist YNM vorbei :(

Hoffe ihr bleibt bis zum Ende dabei :3

Chapter 19: Joyous Surprises

Chapter 19: Joyous Surprises

 

„Bist du soweit?“, hörte Chiaki seinen Vater fragen.

Er stand im Bad und machte sich die Haare, während sein alter Herr sich am Türrahmen anlehnte und geduldig auf ihn wartete.

„Gleich.“, antwortete der Jüngere, strich sich durch ein paar Strähnen und wusch sich anschließend die Hände.

Kaiki nahm das nickend zur Kenntnis. Beide waren bei den Kusakabes zum Abendessen eingeladen.

Am Abend zuvor hatten Chiaki und Maron ihr erstes Date gehabt. Nachdem er sie nach Hause gebracht hatte, übernachtete Chiaki direkt bei seinem Vater.

Gedanklich ließ er sich die gestrigen Ereignisse nochmal durch den Kopf gehen. Angefangen von dem Restaurantbesuch bis hin zum Spaziergang im Park. Er dachte an Maron’s Liebeserklärung -wie sie ihm sagte, dass sie ihn liebt-, an das Feuerwerk sowie an ihren ersten gemeinsamen Kuss.

Bei den Gedanken an ihre weichen Lippen, wurde ihm heiß.

Das Gefühl sie zu küssen, war einfach unbeschreiblich. Für nichts auf der Welt würde er dieses Gefühl eintauschen wollen.

Verlegen biss er sich auf die Lippe.

Auch wenn es ein paar Stunden her waren, so vermisste er ihre Küsse jetzt schon.

„Ist irgendwas Besonderes passiert?“

Die Stimme seines Vaters riss Chiaki wieder in die Gegenwart zurück.

„Hm?“, drehte er sich mit einem verwirrten Gesichtsausdruck zu ihm um, nahm ein Handtuch raus und trocknete seine Hände ab.

„Du hast so ein verdächtiges Grinsen im Gesicht.“, erklärte Kaiki, den Finger auf seinen Sohn gedeutet.

„Oh.“ Chiaki strich sich beschämt über das leicht gerötete Gesicht. Er hatte nicht mitbekommen, dass er vor sich hin gegrinst hatte. „Es ist nichts!“, verneinte er, „Ich freu mich nur aufs Essen. Habe schon einen Bärenhunger.“

Kaiki legte skeptisch den Kopf schief. „Sicher, dass da nicht mehr dahinter steckt?“, hakte er nach.

„Ja.“, versicherte sein Sohn ihm und setzte ein Lächeln auf.

Kaiki zog nicht überzeugt eine Augenbraue hoch. „Hmm… Und ich dachte, es hätte irgendwas mit Maron zu tun.“, wendete er ein.

Chiaki rieb sich seufzend den Hinterkopf. „Nun, was Maron angeht…“

Eigentlich wollte er seinem Vater über sein Date mit Maron berichten und sagen, dass sie jetzt ein Paar waren. Am liebsten hätte er es auch der ganzen Welt hinausposaunen.

Doch er und Maron hatten sich letztlich geeinigt bis zum Essen zu warten, um ihren Eltern die Neuigkeit zu überbringen.

Und um sich nebenbei noch einen kleinen Scherz zu erlauben.

„Ich habe Maron aufgegeben.“, sagte Chiaki mit ruhiger Stimme, steckte die Hände in die Hosentasche und zuckte mit gespielter Akzeptanz mit den Schultern.

Überrascht Kaiki blinzelte ihn mit großen Augen an.

„Wieso das??“

„Sie empfindet für mich nicht mehr als nur Freundschaft.”

Verwirrung zeichnete sich in Kaiki’s Gesicht ab.

„Ha? Letztens sagtest du mir noch, du wüsstest dass sie dich liebt und wartest darauf, dass sie deine Gefühle richtig erwidert??“

Chiaki ging aus dem Bad raus, lief dabei an seinem Vater vorbei und schüttelte betreten den Kopf. „Da habe ich mich getäuscht! War wohl nur irgendwelches Wunschdenken, was ich mir aus Verzweiflung eingeredet habe.“

„Aber auf dem Ball schien es wie, als wärt ihr euch näher gekommen??“

„Mehr als zwei beste Freunde, die miteinander tanzten und scherzten, war da nicht!“ Schwer seufzend strich Chiaki sich durch die Haare. „Bevor du auf dem Dach aufgetaucht bist, hatte sie mir nochmal klar gemacht, dass sie meine Gefühle nicht erwidern kann.“

„Oh. Okay… Verstehe.“ Kaiki nickte einmal und legte den Kopf kurz in den Nacken. „Schade. Ich hatte mich schon für dich gefreut.“, sagte er. Enttäuschung war in seiner Stimme rauszuhören.

Chiaki musste sich zusammenreißen, um nicht laut loszulachen.

 

Zur selben Zeit bereitete Maron mit ihrer Mutter das Abendessen vor. Gut gelaunt summte sie vor sich hin und rührte ein letztes Mal an der Suppe, bevor sie den Herd herunterdrehte.

„Du scheinst wohl gestern einen schönen Abend mit deinen Freunden gehabt zu haben.“, merkte Korron an und beäugte ihre Tochter neugierig.

Maron nickte. „Es gab gestern auch ein Feuerwerk zu sehen.“, sagte sie und warf einen prüfenden Blick auf den Reis.

Korron schmunzelte. „Tatsächlich? Das ist schön zu hören.“

Wieder nickte die Jüngere. Für einige Sekunden sagten beide nichts mehr, doch Maron spürte wie ihre Mutter sie mit ihren Blicken durchbohrte.

„Was? Habe ich was im Gesicht?“, fragte sie irritiert.

Kichernd schüttelte Korron den Kopf. „Ich würde dich gern was fragen.“

„Schieß los.“

Korron ging auf Maron zu, stellte sich neben sie hin und lehnte sich mit dem Rücken an der Arbeitsplatte an, die Arme vor der Brust verschränkt.

„Sag mal…“, setzte sie an, den Blick eindringlich auf ihre Tochter geheftet, „Was denkst du darüber, es mit Chiaki mal zu versuchen?“

Maron drehte sich abrupt zu ihrer Mutter um. „W-Was??“, brachte sie entgegen, die Augen überraschend geweitet, der Mund halboffen.  

„Was ich sagen will ist, ob du es nicht mal versuchen solltest mit ihm auszugehen.“, sprach Korron in einem sachlichen Ton weiter, „Wenn eine Beziehung nicht funktioniert, dann könnt ihr trotzdem noch Freunde bleiben.“

Daraufhin drehte Maron sich gespielt verunsichert weg.

„W-Wie kommst du plötzlich darauf?“, fragte sie.  

„Naja… Auf dem Ball habt ihr so harmonisch zusammen ausgesehen. Und so glücklich, wie bei Chiaki, habe ich dich bei keinem deiner Ex-Freunde gesehen.“

Maron biss sich kurz auf die Lippe.

„Was ist, wenn ich für ihn nicht mehr als nur Freundschaft empfinde?“, fragte sie mit tonloser Stimme. „Auf dem Ball-…“ Sie hielt inne und stieß einen kleinen Seufzer aus. „Alle waren am Tanzen, die Stimmung war großartig…aber mehr war da zwischen uns nicht.“

Seufzend rieb sich Korron die Schläfe. „Hör zu, Schatz. Ich verlange von dir nicht, dass du ihn heiratest und ihr morgen mit kleinen Enkelkindern ankommt. Aber wie wäre es mit einem einzelnen Date? Einfach um zu sehen, wie es läuft-“

„Das wird nicht nötig sein.“, schüttelte Maron bestimmt den Kopf. „Chiaki und ich sind und bleiben beste Freunde.“, fügte sie ernst hinzu.

„Bist du dir hundertprozentig sicher?“

„Ja! Chiaki hat es letztendlich auch akzeptiert.“

Korron sah ihre Tochter mit einem unschlüssigen Gesichtsausdruck an. Diese schaute kurz zu ihr rüber und begann anschließend das Geschirr aus den Schränken zu holen und das Essen auf die Teller zu verteilen.

Nach einer Weile seufzte Maron leise auf. „Ich habe gelogen.“, gestand sie.

Perplex zog Korron eine Augenbraue hoch. „Gelogen?“

„Ja. Ich war gestern nicht mit Freunden unterwegs, sondern auf ein Date.“

Ihrer Mutter machte ein erstauntes Gesicht.

Im selben Moment kam Takumi in die Küche rein, um sich was zu trinken zu holen. „Worüber redet ihr beide denn?“, erkundigte er sich.

„Unsere Tochter war gestern auf einem geheimen Date.“, antwortete Korron ihm.

Mit hochgezogenen Augenbrauen wandte der Architekt sich an seine Tochter.

„Ein Date? Mit wem denn? Chiaki?“

„Nein. Chiaki und ich sind nur Freunde.“, rollte Maron beharrend mit den Augen und versuchte sich ein verräterisches Grinsen zu verkneifen. „Ich hatte ein Date mit meinem neuen Freund!“

„Okay…?“ Takumi runzelte die Stirn. „Ist es was Ernstes?“

„Sehr ernst sogar.“, nickte Maron bejahend, „Ich liebe ihn.“

„Oha.“

„Seit einer Weile war da etwas zwischen uns und vor kurzem ist mir erst klar geworden, wie wichtig er mir ist.“

„Stellst du uns den Glücklichen demnächst mal vor?“, fragte Korron.

„Eigentlich… Habt ihr ihn schon kennengelernt.“, grinste Maron ihre Eltern an.

Diese tauschten sich verwirrte Blicke aus. „Echt?“, fragten sie gleichzeitig. Keiner von beiden konnte sich entsinnen, dass Maron ihnen in letzter Zeit jemand neues vorgestellt hatte.

Während ihre Eltern grübelten, wandte Maron ihnen den Rücken zu und lachte stumm in sich hinein.

Im nächsten Moment klingelte es an der Tür.

„Oh. Das müssen Kaiki und Chiaki sein.“, sagte ihr Vater und verschwand aus der Küche.

Korron ging ebenfalls und brachte gleichzeitig das Essen mit raus.

Sie vernahm Stimmen, die sich dem Essbereich näherten. Maron’s Herz begann schon zu flattern, als sie Chiaki’s Stimme heraushörte.

Ein verliebtes Lächeln bildete sich auf ihren Lippen.

Sie atmete tief durch, nahm Geschirr und Besteck in ihre Hand und verließ damit die Küche.

 

„Hallo!“, begrüßte sie Kaiki und stellte die Sachen auf dem Tisch ab.

Dieser begrüßte sie erfreut zurück und unterhielt sich weiter mit ihren Eltern.

Während Maron den Tisch deckte, stellte sich Chiaki neben sie und beugte sich etwas zu ihr herunter. „Bekomme ich keine Begrüßung?“, fragte er leise.

Auf seinem Gesicht haftete ein belustigtes Grinsen.

Schmunzelnd zog Maron eine Augenbraue hoch, warf einen schnellen Seitenblick zu ihren Eltern rüber und sah wieder zu ihm hoch.

„Doch.“, sagte sie und lehnte sich zu ihrem Freund nach vorne, um ihm einen Wangenkuss zu geben. Chiaki wandte seinen Kopf in letzter Sekunde jedoch so um, dass ihre Lippen auf seine trafen.

Mit einem Schlag verstummten die Stimmen ihrer Eltern.

Schnell löste Maron den Kuss und sah leicht beschämt zu ihnen rüber. Drei entgeistert blickende Augenpaare starrten sie und Chiaki an.

„Ich wusste, dass da irgendwas faul war!“, platzte es aus Kaiki heraus und zeigte mit dem Finger auf das junge Paar. „Von wegen nur Freunde. Ihr wolltet uns verarschen, oder?“

Sein Sohn lachte zur Bestätigung amüsiert auf, legte einen Arm um Maron und zog sie an sich heran. Diese versteckte vor Verlegenheit ihr gerötetes Gesicht hinter hervor gehaltener Hand.

„Du hast mir aber aufs Wort geglaubt.“, sagte Chiaki kichernd an seinen Vater gerichtet.

„Bitte sagt uns, dass ihr uns nicht doppelt verarscht.“, bat Korron hoffnungsvoll.

„Das ist kein Scherz.“, antwortete Maron mit einem riesigen Lächeln. „Darf ich vorstellen: Mein neuer Freund.“, verkündete sie und schlang glücklich ihre Arme um Chiaki. Er drückte ihr einen Kuss auf die Haare.

Korron schnappte begeistert nach Luft.

„Na endlich!!“ Kaiki umarmte das Paar und insbesondere seine Schwiegertochter in spe stürmisch.

„Erdrück sie nicht!“, mahnte Chiaki ihn.

„Du meine Güte, ich freu mich so für euch!“, kam es von Korron verzückt.

Nur Takumi blickte immer noch sprachlos drein.

Maron sah zu ihrem Vater und biss sich verlegen auf die Unterlippe. „Papa...Sag doch was.“

Es dauerte ein paar Sekunden bis Takumi auf seine Tochter zuging und sie umarmte.

„Ich kann mir keinen besseren Kerl an deiner Seite vorstellen als ihn.“, sagte er, wandte sich auch an Chiaki und legte ihm väterlich eine Hand auf die Schulter.

„Ich werde sie gut behandeln.“, versprach Chiaki ihm.

„Ich weiß.“ Takumi schenkte ihm ein anerkennendes Lächeln.

Korron schmunzelte. „Du hörst dich an, als würdest du ihm schon deinen Segen für die Zukunft geben, Liebling.“

„Wenn wir schon dabei sind: Wann ist die Hochzeit?“, fragte Kaiki voller Übermut.

Chiaki schlug sich mit der Handfläche auf die Stirn.

„W-Wir sind noch keine vierundzwanzig Stunden zusammen!“, kam es von Maron perplex, die Wangen noch roter angelaufen.

„Und? Im Vergleich zu meist anderen Paaren, kennt ihr euch schon länger!“, entgegnete Kaiki unbeschwert. „Wozu noch warten?“

„Wir leben noch nicht mal zusammen!“, merkte Chiaki an.

„Ich besitze ein leerstehendes Penthouse am anderen Ende der Stadt! Da könnt ihr gerne einziehen.“, sagte Kaiki. „Und das meine ich ernst!“

„Lass gut sein, Vater!“

„In meinen Augen seid ihr beide schon verheiratet.“, lachte Korron. „Erinnert ihr euch? Als ihr zehn wart, habt ihr schon geheiratet!“

„N-Nein, i-ich erinnere mich nicht.“, stammelte Maron.

„Ich habe noch ein Video davon! Das war richtig putzig! Dein alter Pandabär hat euch vermählt.“, sprach ihre Mutter vergnügt weiter.

„Können wir mit dem Essen anfangen?“, fragte Chiaki, um das Thema wechseln zu wollen.

„Natürlich, aber nach dem Essen sollen wir uns alle zusammen hinsetzen und euer erstes Hochzeitsvideo anschauen!“, grinste sein Vater. „Ich freu mich schon bald das zweite zu drehen!“

Gemeinsam stöhnte das junge Paar entnervt auf.
 

***

***

Die Zeit verging und es dauerte nicht lange bis Maron und Chiaki schon den nächsten Schritt gewagten und zusammenzogen.

Allerdings nicht in das Penthouse, was Kaiki ihnen anbot. Sondern in ein eigenes, neues Apartment -eine 130 Quadratmeter große Maisonette-Wohnung-, welches Chiaki für Maron als Geburtstagsgeschenk gemietet hatte.

Er wollte jede freie Minuten mit ihr verbringen. Jeden Morgen neben sie aufwachen. Und jeden Abend neben ihr wieder einzuschlafen.

Maron war mehr als überrascht von dem derart großen Geschenk gewesen, doch nach minimalen Zögern willigte sie ein mit ihm zusammenzuziehen.

Sie genossen ihre Zweisamkeit und lebten glücklich miteinander zusammen. Ebenso unternahmen das Paar auch viel mit ihren Familien und Freunden.

Perfekter konnte das Glück nicht sein…Doch seit einer Weile ging Chiaki eine Sache durch den Kopf, über die er sich noch unsicher fühlte.

 

Es war Sonntagnachmittag, der siebenundzwanzigste Oktober.

Ein angenehmer Herbsttag mit leichtem Wind.

Chiaki stand vor dem städtischen Friedhof und wartete auf seinen Vater.

Es dauert auch nicht lange bis er seinen alten Herrn mit einem Strauß Lilien in der Hand erblickte.

„Hm? Ich dachte, Maron wollte mitkommen?“, fragte Kaiki leicht verwundert.

„Nein. Sie wollte uns diese Familienzeit gönnen, hatte sie gesagt.“, schüttelte Chiaki den Kopf und vergrub die Hände in die Jackentaschen.

Kaiki nickte verstehend. „Obwohl sie doch auch zur Familie gehört…“, erwiderte er seufzend.

Beide begaben sich zu Sayuri Nagoya’s Grabstein.

„Alles Gute zum Geburtstag, meine Liebe...“, sprach Kaiki leise, kniete sich vor dem Grabstein hin und ersetzte die alten, vertrockneten Blumen in der davorstehenden Vase mit den neuen. Ebenso wischte er das Laub auf der Oberfläche beiseite. Danach setzte er sich wieder auf.

Chiaki blickte mit einem melancholischen Lächeln auf das Grab herab.

Eine Weile standen beide schweigend da, jeder in seinen eigenen Gedanken und Erinnerungen an Sayuri versunken.

„Deine Mutter hätte sich riesig für euch gefreut.“, durchbrach Kaiki die Stille zwischen ihnen, ohne den Blick vom Grab abzuwenden. „Sie hatte Maron geliebt wie als wäre sie ihre eigene Tochter.“

„Ja, ich weiß…“, brachte Chiaki seufzend entgegen.

„Sayuri war immer glücklich darüber, wenn du und Maron ihr im Haushalt ausgeholfen habt, wenn sie es nicht mehr konnte.“, sprach sein Vater in Erinnerungen schwelgend weiter, „Sie hatte mir damals auch mal gesagt, dass Maron die ideale Ehefrau für dich wäre. Dass sie hofft, dass du sie eines Tages zur Frau nimmst.“

Erstaunt weiteten sich Chiaki’s Augen. „Das hat Mutter gesagt?“

Kaiki drehte sich nickend zu ihm um und lächelte traurig.

„Ich hatte letztens einen Traum…Es ist eine Weile her seit ich das letzte Mal von deiner Mutter geträumt habe.“

„... Was geschah in dem Traum?“

„Sie ging mit Maron Brautkleider suchen und organisierte mit Leidenschaft eure Hochzeit.“

Chiaki musste schlucken. „Wow…“, war das einzige was er hervorbrachte.

Ein kurzes, betrübtes Lachen entkam seinem Vater, der sich schnell über die Augen strich und sich eine kleine Träne wegwischte. Anschließend schaute Kaiki zum Himmel auf.

„Nun denn… Es ist schon spät.“, sagte er und sah Chiaki mit einem Lächeln an, „Wir sollten langsam gehen. Du solltest deine Freundin nicht alleine zu Hause warten lassen.“, fügte er augenzwinkernd hinzu.

Der Jüngere nickte, den Blick nachdenklich in die Ferne gerichtet.

Gerade als sie den Friedhof verließen und Kaiki sich von seinem Sohn verabschieden wollte, fiel Chiaki ihm ins Wort:

„Ich- ehm…“ Er zögerte für einen Moment und strich unbeholfen durch die Haare. „Ich…eh, komme mit dir kurz mit.“, meinte er schließlich zu sagen. „Und, uhm, hättest du was dagegen wenn wir Takumi und Korron einen Besuch abstatten?“

„Nein, hätte ich nicht.“ Kaiki neigte fragend den Kopf. „Was willst du denn bei ihnen?“

Es dauerte ein paar wenige Sekunden bis Chiaki ihm antwortete. Ein entschlossener Blick spiegelte sich in seinen braunen Augen wider.

„Ich hätte mit euch etwas zu bereden.“, sagte er mit einem geheimnisvollen Lächeln.
 

***

Vier Wochen später:

 

„Lass uns heute in den Freizeitpark gehen.“

Maron drehte sich mit einem verwunderten Gesichtsausdruck zu ihrem Freund um.

„Wir waren doch letztens zu deinem Geburtstag erst im Freizeitpark. Und soweit ich weiß, gibt’s keine neuen Attraktionen. Wieso willst du denn nochmal dorthin?“, fragte sie und wandte sich wieder ihrem Spiegel zu. Gerade war sie dabei sich die Haare zu bürsten, die in der Zwischenzeit bis über die Schulter nachgewachsen waren.

„Wieso nicht?“, zuckte Chiaki grinsend mit den Schultern. „Du liebst den Park genauso wie ich. Außerdem waren wir bisher immer in der Gruppe da gewesen. Ich würde gerne mal mit dir alleine dort hingehen.“, umarmte er sie von hinten.

Dies schien Maron überzeugt zu haben. „Okay, gehen wir!“, stimmte sie breit lächelnd zu.

Freudestrahlend drückte Chiaki ihr einen Kuss auf die Wange. „Super!“

Kurz darauf zogen beide sich um und machten sich auf dem Weg.

 

Im Freizeitpark angekommen amüsierte das Paar sich ausgiebig.

Sie nutzten jeden Spielstand und jede einzelne Attraktion aus (bis auf das Geisterhaus). Ebenso wurden viele Fotos gemacht. Besonders Maron hatte immer wieder Spaß daran, ihren Freund an unbeobachteten Momenten abzulichten, was er mit einem belustigten Augenrollen hinnahm.

Die Stunden vergingen und der Park begann in seinen Lichtern bunt zu leuchten.

Als letzte Attraktion blieb nur noch das Riesenrad übrig, was Chiaki unbedingt für den Schluss aufbewahren wollte.

„Das Beste kommt immer zum Schluss.“, zwinkerte er Maron zu, die amüsiert auflachen musste.

Sie stiegen in die Kabine ein und setzten sich zusammen auf eine Bank hin. Auch wenn eine Riesenradfahrt für Maron nichts Neues war, so blickte sie dennoch immer wieder begeistert aus den Kabinenscheiben raus, wenn es in die Höhe ging.

Nicht nur hatte man einen wunderbaren Ausblick auf den Park oder die Stadt; man konnte bis zum Strand, den Hafen sowie das Meer hinaussehen.

„Das Beste kommt wirklich immer zum Schluss. So eine Aussicht ist einfach wundervoll.”, schwärmte sie. Liebevoll sah Maron zu ihrem Freund auf und küsste ihn kurz auf die Lippen. „Der Tag heute war einfach wundervoll.“ Zufrieden grinsend lehnte sie sich an seine Schulter an.

„Da bin ich froh.“, lächelte Chiaki erleichtert und drückte sanft ihre Hand, die er die ganze Zeit über hielt.

Für zehn lange Sekunden sagte niemand mehr was. Maron blickte verträumt nach draußen, während Chiaki sie ansah.

„Maron.“, sagte er leise, die Stimme warm und gefühlvoll.

„Hmm?“ Die Angesprochene richtete ihre Aufmerksamkeit auf ihn und sah zu ihm auf. Zögerlich biss ihr Freund sich auf die Lippe. Letztlich nahm er tief Luft und sprach weiter: „Ich habe nicht ohne Grund dich darum gebeten, den Tag heute mit mir hier zu verbringen.“

Leicht irritiert zog Maron ihre Augenbrauen zusammen. „Nicht ohne Grund?“, wiederholte sie verwirrt.

Plötzlich ließ Chiaki von ihrer Hand los und holte etwas aus seiner Jackentasche hervor.

Eine kleine, silberne Box.

Er öffnete die Box und ein silberner Ring mit einem großen, schönen Diamanten kam zum Vorschein.

Im nächsten Moment rutschte er von der Bank herunter und kniete sich vor sie hin.

Maron schnappte hörbar nach Luft. Sie hielt sich beide Hände vor den Mund und sah ihn mit schockiert großen Augen an.

Unterdessen hatte ihre Kabine den höchsten Punkt erreicht.

„Ich weiß, dass wir offiziell noch nicht lange zusammen sind.“, begann Chiaki zu sagen, „Aber seit ich zurückdenken kann, liebe ich dich. Seit dem Tag, an der wir uns damals kennenlernten liebe ich dich. Und mit jedem vergangenen Tag, verstärkten sich meine Gefühle für dich. Bis zum jetzigen Zeitpunkt. Gestern liebte ich dich. Heute liebe ich dich mehr denn je. Und morgen werde ich dich sogar noch mehr lieben als heute.“

Maron’s Herz schlug so schnell, wie der Flügelschlag eines Kolibris. Chiaki schaute ihr mit Liebe und Hoffnung in die Augen.  

„Maron… Mein Leben wäre ohne dich an meiner Seite nicht komplett. Daher frage ich dich...“ Er nahm den Ring aus der Box und hielt ihn ihr entgegen. „Willst du mich heiraten?“, wisperte er.

Maron nickte einmal, zweimal, sogar dreimal. „Ja! JA!“, sagte sie ohne zu zögern und schluchzte. Tränen hatten sich in ihren Augen gesammelt und liefen ungehemmt herunter. „Natürlich will ich!“

Chiaki strahlte sie mit einem überglücklichen Lächeln an. Er setzte sich wieder hoch und steckte ihr den Ring an den Finger.

Schluchzend warf sie sich in seine Arme und beide küssten sich liebevoll.

 

„Er ist wirklich wunderschön.“, sagte Maron voller Ehrfurcht, während sie den Ring an ihrem Finger betrachtete. Das Paar fuhr gerade den Aufzug zu ihrem Apartment hoch.

Noch immer konnte sie nicht glauben, dass Antrag wirklich geschehen war.

„Hoffentlich ist das kein Traum!“, sprach sie weiter, eher zu sich selbst als zu Chiaki.

Er gab ihr einen sanften Kuss auf die Stirn.

„Du träumst nicht.“, lächelte er. „Der Ring hatte übrigens meiner Mutter gehört.“

Überrascht sah sie ihn an. „W-Wirklich?“

„Ja. Zuvor hatte er meinem Großvater väterlicherseits gehört und er hatte damit um die Hand meiner Großmutter angehalten. Auf jeden Fall hatte mein Vater ihn mir gegeben, nachdem er erfahren hatte, dass ich vorhatte dir einen Antrag zu machen.”

Wieder sah Maron auf ihren Ring herab. Behutsam hielt sie sich die Hände vor die Brust, der Verlobungsring hinter ihrer anderen Hand versteckt, wie als wolle sie den Ring beschützten.

„Ich werde gut darauf Acht geben.“, sagte sie und küsste Chiaki zärtlich.

Ihre Wangen röteten sich und sie bekam ein riesiges Lächeln auf ihren Lippen.

Sie war verlobt! Und das nicht nur mit irgendjemanden - Sondern mit Chiaki Nagoya!

Ihr bester Freund.

Ihr Geliebter.

Der Mann, den sie über alles und von ganzem Herzen liebte.

Ihr Herz fühlte sich an, als würde es in tausend fröhliche Einzelteile zerspringen.

Die Fahrstuhltür öffnete sich und beide gingen raus.

„Ich kann es kaum erwarten allen davon zu erzählen!“, rief sie aus und lief fröhlich Richtung Haustür. „Meinen Eltern, unseren Freunden… der ganzen Welt!“

Ihr Verlobter nickte und kicherte amüsiert in sich hinein.

Das Paar betrat ihre gemeinsame Wohnung.

Als Maron ins Wohnzimmer ging und das Licht an machte-

„Herzlichen Glückwunsch!!!“, riefen ihr mehrere Stimmen entgegen. Es regnete von allen Seiten Konfetti.

Erschrocken zuckte Maron zusammen und wich etwas zurück. Sie brauchte einen Moment, um zu registrieren, was soeben vor sich ging.

Ihre Eltern, Kaiki sowie auch ihre engsten Freunde -Natsuki, Shinji, Miyako und Yamato- standen im Wohnzimmer. Alles war mit roten und weißen Ballons sowie Girlanden dekoriert. Essen und Getränke standen auf den Tresen der offenen Küche. Auf dem Wohnzimmertisch befand sich sogar eine schöne zweistöckige Torte mit der Aufschrift „She said YES!“.

Verwirrung wie auch großes Erstaunen waren in ihren Gesichtsausdruck abzulesen.

„W-W-Was zum-“, brachte sie fassungslos entgegen. Ein Arm legte sich um ihre Taille.

„Zur Feier unserer Verlobung.“, grinste Chiaki.

„Eine Überraschungsverlobungsfeier!“, kam es von Natsuki augenzwinkernd, die mit einem Glas Champagner auf ihre Freundin zuging und sie umarmte. Dann warf sie einen erstaunten Blick auf ihre Hand. „Wow!! Der Ring ist ja unglaublich schön! Du musst uns unbedingt erzählen, wo und wie er dich gefragt hat!“

Maron starrte völlig entgeistert in die Runde. „I-Ihr wusstet alle von dem Antrag??“

„Deine Mutter und ich wussten es mit Kaiki zusammen als Erstes, da Chiaki letztens zu uns kam und nach unserer Erlaubnis gefragt hatte.“, antwortete Takumi ihr zuerst. „Und wie ich dir schon mal sagte: Ich könnte mir keinen besseren Mann an deiner Seite vorstellen als ihn.” Er schenkte dem Paar ein stolzes, zufriedenes Lächeln.

„Uns hatte Chiaki erst vor kurzem in seine Pläne eingeweiht.“, setzte Shinji grinsend fort. „Übrigens, ich habe dich noch nie so nervös erlebt!“, lachte er in Chiaki’s Richtung. „Auf jeden Fall hatte er uns für die Wohnung einen Ersatzschlüssel gegeben und in innerhalb von wenigen Stunden sollten wir alle diese Party aufstellen, nachdem er dich aus der Wohnung gelockt hat.“

Maron hielt sich beide Hände vor das Gesicht und fing vor Freude an zu lachen und weinen. „Oh mein Gott…!“ Beschämt versteckte sie sich in Chiaki’s Brust, der sie freudig in seine Arme nahm.

„Hör gefälligst auf mich zum Weinen zu bringen…!“, nuschelte sie in sein Hemd rein.

Sorry.“, lächelte er entschuldigend und strich ihr zärtlich über den Kopf.

Nach wenigen Minuten hatte Maron sich von ihrem Schock erholt und es wurde auf das frisch verlobte Paar angestoßen.  
 

***

Es wurde bis spät in die Nacht gefeiert.

Ab einer bestimmten Uhrzeit war es allerdings soweit, dass ihre Gäste sich nach und nach verabschiedeten und sich auf dem Heimweg machten.

Dennoch konnte Maron sich nichts Schöneres als den heutigen Tag vorstellen.

Es war ein Tag voller Überraschungen und die Glücksgefühle rauschten ihr wie Adrenalin noch durch den Körper.

„Ich kann immer noch nicht glauben, dass du das alles geplant hast.“ Sie und Chiaki lagen hellwach und eng umschlungen im Bett. An Schlaf war gerade gar nicht zu denken.

Er bewegte seinen Arm unter sie und küsste sie auf den Kopf.  

„Ich bin froh, dass du ‚Ja‘ gesagt hast.“, entgegnete er, „Es wäre sonst peinlich gewesen, allen mitzuteilen, dass sie die Deko abhängen müssen.“

„Wäre auch schade um den Kuchen gewesen!“, neckte sie ihn. Maron sah mit einem warmen Lächeln zu ihm auf. „Du überraschst mich immer und immer wieder.“, sagte sie und gab ihm einen Kuss auf die Wange, „Du und dein verdammtes Poker-Face.“

Chiaki lachte, hob sachte ihr Kinn an und küsste sie zärtlich. „Ich liebe es dich lächeln zu sehen, mein Engel.“, flüsterte er. Maron kicherte kurz auf, ehe sie ihn weiter küsste. Ihre Hände fanden sich in seinen Haaren wieder.

Ihre Küsse wurden mit den Momenten leidenschaftlicher, intensiver und fordernder.

Maron spürte, wie Chiaki sein Gewicht verlagerte und sie auf die Matratze drückte. Seine Lippen bewegten sich heiß auf ihren, ließen ihr Körper zu flüssiges Feuer werden.   

Eine Hand wanderte unter ihrem Shirt, schob den Stoff Zentimeter für Zentimeter hoch. Seine Fingerspitzen strichen wie Seide über ihre Haut, verursachten ihr einen angenehmen Schauer darauf. Maron unterbrach den Kuss und keuchte kurz auf.

Chiaki zog ihr das Shirt über den Kopf. Für einen Moment hielt er inne und betrachtete sie; die Augen verdunkelten sich vor Verlangen.

Maron setzte sich auf, um auch ihm das T-Shirt auszuziehen. Ihre Hände glitten über seine trainierte Brust entlang bis runter zur Gürtellinie.

Er beugte sich wieder zu ihr nach vorne und küsste voller Leidenschaft. Sie schlang ihre Arme um ihn und ließ sich rücklings auf die Kissen fallen.

Seine Lippen streiften liebevoll ihre Wange, wanderten ihren Hals herab und verwöhnten sie an ihrer empfindlichsten Stelle an der Halsbeuge. Wieder musste sie genüsslich aufkeuchen.

Gleichzeitig spürte sie seine Hände sanft über ihren nackten Oberkörper wandern.

Er ließ von ihrem Hals und ihrem Nacken ab und begann Küsse auf ihren Schultern, ihren Brüsten, ihrem Bauch bis zu ihren Hüften zu verteilen. Ihr ganzer Körper schauderte.

„…Chiaki-“, wisperte sie atemlos.  

Der Angesprochene kam sich wieder zu ihr hoch und küsste sie auf den Mund. Eine Hand ruhte am Bund ihres Slips.  

Maron ließ ihre Hände über seinen Körper sowie unter seiner Boxershorts wandern. Ohne sich voneinander zu lösen, entledigten beide sich ihre restlichen Kleidungsstücke.

„Du bist so wunderschön.“, wisperte Chiaki inmitten der Küsse. Seine Hände fuhren ihren gesamten Körper entlang.

Er küsste und berührte sie überall. Besonders an Stellen, an der er sie aus dem Verstand brachte.

„Chiaki…“, stöhnte Maron erregt auf.

Sie legte ihre Beine um seine Hüfte, um ihn so nah wie möglich zu haben.

Im nächsten Moment spürte sie ihn in sich. Während sie sich ihrer Leidenschaft hingaben, ließen seine Augen nicht von ihren los.

Nach einer Weile lag Maron eingerollt in Chiaki’s Arme, atemlos. Den Kopf an seine Brust gebetet.

Das schwache Licht der Morgensonne brach hinter den Vorhängen durch die Fensterscheiben.

Eine Hand spielte sanft mit ihren Haaren, einzelne Strähnen strichen durch seine Finger.

„Ich liebe dich, mein Engel.“, sprach er leise.

Maron schloss ihre Augen, lauschte den regelmäßigen Schlägen seines Herzens, als sie ihm sagte: „Ich liebe dich auch. Für immer.“

 

Chapter 20: Yes, always! [Final]

Chapter 20: Yes, always! [Final]

 

Die Monate vergingen, ein weiteres Jahr ging um und der Tag der Hochzeit war angebrochen.

Es war ein perfekter Sommertag zum Heiraten. Mit warmen Temperaturen und wolkenfreiem Himmel.

Die Sonne strahlte durch die Kirchenfenster herein und erhellte den Innenraum in seinem Licht. Überall waren wunderschöne Blumen in verschiedenen Weißtönen sowie weiße Tülltücher zu sehen. Ein langer, roter Teppich war über den Mittelgang bis zum Altar ausgerollt.

Im Minutentakt traten mehr und mehr Leute in die Kirche ein und nahmen auf den Sitzbänken Platz. Dem Anlass entsprechend wurden schicke Anzüge oder Kleider getragen.

Es war eine kleine, überschaubare Hochzeit mit den engsten Freunden, Verwandten und Kollegen.

Vereinzelt liefen ein paar Kellner und Kellnerinnen in weißen Hemden und schwarz Krawatten durch die Gänge vorbei und boten den Gästen Erfrischungen wie Champagner, Orangensaft oder Mineralwasser an.

Chiaki stand mit Shinji und Yamato etwas abseits vom Altar. Alle drei trugen elegante, schwarze Anzüge mit weißen Hemden, schwarzer Fliege und einer weißen Lilie, die ihnen im linken, oberen Knopf angesteckt wurde.

Nervös atmete der Bräutigam tief durch und strich ein letztes Mal über den Anzug. In wenigen Minuten würde er die Liebe seines Lebens heiraten. Die Frau, die er seit Kindheitstagen an liebt. Er konnte es nach all der Zeit immer noch nicht fassen!

Die Nacht, als er ihr den Antrag gemacht und sie ohne zu Zögern „Ja“ gesagt hatte – ihm kam alles immer noch so vor, als wäre es gestern gewesen.

Seit dem gestrigen Abend hatte er Maron nicht mehr gesehen, entsprechend der Tradition, dass der Bräutigam die Braut bis zur Hochzeit nicht mehr sehen darf.

Aufgeregt lief der 26-jährige unruhig ein paar Schritte auf und ab.

„Soll ich dir ein Glas Champagner holen, Kumpel?“, schmunzelte Shinji. „Um die Nerven zu beruhigen.“

Verneinend lehnte Chiaki kopfschüttelnd ab. „Alles gut.“

„Heute ist der große Tag!“, grinste Yamato.

„Japp!“

„Alter, entspann dich! Du bist noch nervöser, als damals zum Antrag.“, grinste Shinji belustigt. „Keine Sorge, sie wird dich schon nicht vor dem Altar stehen lassen.“

Chiaki rollte genervt mit den Augen.

„Wenn du eines Tages heiratest, dann wirst du schon verstehen, wie ich mich gerade fühle.“

„Wird so bald noch nicht passieren!“

„Hey, es geht gleich los. Unsere Mädels sind jetzt auch da.“, merkte Yamato an und nickte mit dem Kopf Richtung Altar.

Natsuki und Miyako kamen soeben rein und stellten sich seitlich links vor dem Altar auf. Sie trugen pastelrosane Brautjungfernkleider aus Spitze im Vokuhila-Stil, die vorne kurz und hinten bodenlang waren. In ihren Händen hatten beide jeweils einen kleinen Strauß, bestehend aus unterschiedlichen weißen und rosafarbenen Blumen.

Auch der Pastor, ein weißhaariger Herr mittleren Alters mit großer Brille und einem sympathischen Gesichtsausdruck, war bereits eingetroffen.

Sowie die Hochzeitsband.

„Okay, dann wir gehen auch mal in Position.“, grinste Shinji, „Denk daran: die drei magischen Worte heißen hier ‚Ja, ich will‘!“, zwinkerte er Chiaki zu. Dieser lächelte nur augenrollend.

Allmählich trafen die letzten Gäste ein.

Kaiki unterhielt sich noch mit einem befreundeten Fotografen, der die ganze Hochzeit festhalten sollte und ging anschließend auf seinen Sohn kurz zu, bevor er sich hinsetzte.

„Ich wünschte, deine Mutter wäre hier.“, seufzte er leise und legte ihm eine Hand auf die Schulter.

„Sie ist hier.“, entgegnete Chiaki mit einem aufrichtigen Lächeln.

Daraufhin lachte sein Vater gerührt auf und umarmte ihn kurz. „Ich bin stolz auf dich, mein Junge.“

Damit begab er sich schließlich zu den Sitzbänken und setzte sich in die ersten Reihe neben Kagura (der in Begleitung von Yashiro kam) hin. Auf der anderen Bankreihe saß auch schon Korron -ebenfalls in der vordersten Reihe- und hielt ihrem Mann den Platz frei. Sie lächelte den Nagoyas erfreut zu.

Die Band begann eine instrumentale Version von Ed Sheerans „Give me Love“ zu spielen.

Gespannt blickten alle in Richtung der Türen und warteten darauf, dass die Braut eintraf.

 

Maron stand mit ihrem Vater vor den verschlossenen Türen und atmete nervös ein und aus.

Die inzwischen 27-jährige trug ein langes, schulterfreies, weißes Kleid mit Spitzen-Verzierungen im A-Linien-Stil. [X]

Ihre langen, braunen Haare trug sie in sanften Wellen offen. Auf ihrem Kopf befand sich als Accessoire eine hübsche, dünne Blumenkrone.

Das Make-Up war natürlich und dezent. Die Augen wurden mit rosé-goldenem Lidschatten und dünnen Eyeliner-Strichen zur Geltung gebracht. Die Lippen waren in einem zarten Rosarot geschminkt.

In ihrer linken Hand hielt sie einen Strauß mit weißen Rosen fest.

„Du bist zu einer so bezaubernden Frau herangewachsen.“, sprach Takumi, als er seine Tochter ansah. „Ich kann nicht glauben, dass mein kleines Mädchen jetzt heiratet.“

„Ich werde immer dein kleines Mädchen bleiben.“, schmunzelte sie.

Leise lachte er auf. „Wie fühlst du dich?“, fragte Takumi fürsorglich. „Bereit?“

„Bereit.“, antwortete sie ihrem Vater selbstsicher, richtete sich gerade und hakte ihren rechten Arm bei ihm ein.

Lächelnd blickte er auf Maron herab. Stolz war ihn seinen Augen abzulesen.

Im nächsten Moment öffneten sich die Türen und der Weg zum Altar breitete sich vor ihnen aus.

Gleichzeitig drehten sich alle Gäste zu der Braut um und standen auf. Zig Handys und Kameras wurden gezückt.

Langsam schritten Vater und Tochter schließlich los.

Sie liefen an viele vertraute Gesichter vorbei, doch Maron sah nur einen.

Ein strahlendes Lächeln bildete sich auf ihren Lippen. Die schönen braunen Augen glänzten vor Glück.

Auch auf Chiaki’s Gesicht war ein überglückliches Grinsen zu sehen. Freudetränen blitzten in seinen Augen auf, die er sich verlegen wegblinzelte.

Als Maron und ihr Vater schließlich den Altar erreichten, gab sie ihren Strauß an Natsuki ab, die mit Miyako und den Trauzeugen zusammen über beide Ohren grinsten.

Chiaki streckte ihr seine Hand aus. Takumi drückte seiner Tochter einen Kuss auf die Wange, ehe er ihre Hand nahm und sie in die seines Schwiegersohnes legte. Anschließend gesellte er sich neben seine Frau, die sich ihre Tränen wegschniefte.

Die Band spielten ihre letzten Klänge, ehe sie verstummte.

 

„Hi.“, flüsterte Maron, lächelte aufgeregt und nahm seine andere Hand in ihre.

„Hi.“, lächelte Chiaki. Automatisch strich er ihr mit dem Daumen beruhigend über den Handrücken und sah ihr in die Augen.

„Du siehst wunderschön aus.“, hauchte er, konnte seinen Blick nicht von ihr abwenden.

Schon in der Sekunde, als die Türen sich öffneten und seine Braut zum Vorschein kam, wäre ihm fast der Atem stehen geblieben. Sie sah in ihrem Hochzeitskleid noch schöner aus, als er es sich je erträumen konnte.

Mein Engel…, ging es ihm durch den Kopf, als sie wie in Zeitlupe auf ihn zuschritt. Und er würde mit diesem Engel den Bund des Lebens schließen.

„Danke.“, kam es Maron freudestrahlend zurück. „Du siehst auch gut aus.“

Im nächsten Augenblick bat der Pastor alle Gäste sich wieder hinzusetzen.

Stille breitete sich im Raum aus, als er weitersprach:

„Meine Damen und Herren, ich heiße Sie herzlich willkommen! Es ist mir eine Ehre die Hochzeit zwischen Chiaki Nagoya und Maron Kusakabe zu führen.“ Ein sympathisches Lächeln huschte ihm über die Lippen. „Auch wenn ich die beiden nicht persönlich kenne, weiß ich, dass sie gut zusammenpassen.“ Ein kurzes, amüsiertes Lachen brach unter den Gästen aus.

„Und woher weiß ich das? Nun – wegen Ihnen! Wegen Ihnen allen hier! Wenn ich mir Sie – die Freunde und Familie, der beiden ansehe und die Freude in all ihren Gesichtern; wenn ich sehe, wie sehr Sie sich für die beiden freuen – verrät mir das schon alles was zählt! Es verrät mir, dass es diese zwei Menschen verdienen, zusammen zu sein. Sie verdienen es glücklich zu sein und gemeinsam ein langes und erfülltes Leben zu führen.“

Während der Pastor sprach, blickten das Brautpaar einander an, lächelten und verloren sich in den Augen des Partners.

„Ihr habt Euch entschieden, den Bund der Ehe zu schließen und Euren weiteren Lebensweg gemeinsam zu gehen.“, hörten sie den Pastor schließlich sagen, „Darum frage ich Dich, Chiaki, willst du Maron lieben und achten in guten wie in schlechten Zeiten und sie so annehmen, wie sie ist, wie sie geworden ist und wie sie sein wird? Dann antworte mit ‚Ja‘.“

„Ja, ich will.“, sagte Chiaki klar und deutlich mit einem Lächeln.

Der Pastor wandte sich an Maron und auch sie sagte, „Ja, ich will.“, mit erstickter Stimme und lachte verlegen auf. Tränen liefen ihr das Gesicht herunter.

Schließlich kam der Moment, in der sie sich die Ehegelübde gegenseitig aufsagen sollten.

„Maron…“, begann Chiaki zu sagen, „Egal, wie sehr sich die Welt um mich herum verändert hat – Es gab immer ein Aspekt in meinem Leben, was konstant geblieben ist: und das bist du. Als meine beste Freundin. Als meine Partnerin. Als die Liebe meines Lebens. Und ich verspreche dir für den Rest unseres gemeinsamen Lebens, dass ich dich schätzen werde, dich lieben werde, dich zum Lachen zu bringe, dich glücklich machen werde… Ich verspreche dir, der beste Ehemann zu sein, der ich sein kann und eines Tages der beste Vater unserer Kinder.“ Er stoppte sich kurz und lachte freudvoll auf. „Ich liebe dich und mit jedem weiteren Tag, der vergeht, liebe ich dich mehr und mehr. Bis zu meinem Lebensende. Ich liebe dich, mein Engel.“

Maron schluckte schwer und sah peinlich berührt runter. Noch mehr Tränen entkamen ihren Augen, die sie sich schnell wegstrich. Anschließend sagte sie ihr Gelübde auf:

„Uhm… Als kleines Mädchen hatte ich mir immer eine Märchenhochzeit mit einem Prinzen vorgestellt. Und wie jedes kleine Mädchen, wartete ich darauf, dass eines Tages dieser Prinz auftauchen und mein Leben verändern würde. Und lange habe ich nicht gemerkt, dass mein Prinz mein Leben lang über da war.“ Sie schluchzte und schenkte Chiaki ein warmes, freudestrahlendes Lächeln, welches er erwiderte. „Du bist immer für mich da gewesen. Und mit dir an meiner Seite, da fühle ich mich als könnte ich jede Herausforderung meistern. Deine Liebe gibt mir Kraft und dieselbe Kraft möchte ich auch dir geben. Ich verspreche dir, für dich da zu sein, so wie du für mich immer da bist. Ich bin so dankbar, dich in mein Leben zu haben und den Rest meines Lebens mit dir zu verbringen. Danke, dass du mein bester Freund bist. Mein Seelenverwandter. Mein Ehemann. Und der zukünftiger Vater unserer Kinder.“, schloss sie verlegen lachend ab. „Ich liebe dich. Vom ganzen Herzen.“

„Wundervoll.“, meldete der Pastor sich wieder zu Wort, „Nun die Ringe.“

Shinji übergab dem Paar die Trauringe und flüsterte ihnen noch etwas zu, was beide zum Lachen brachten.

Kaiki strahlte voller Freude und Takumi strich Korron fürsorglich über den Rücken, die noch lauter schniefte und sich mit einem Taschentuch über die Augen wischte.

Nachdem Maron und Chiaki sich gegenseitig die Ringe angesteckt haben, konnte der Pastor sich auch ein zufriedenes Grinsen nicht verkneifen. „Hiermit erkläre ich Euch zu Mann und Frau. Ihr dürft Euch endlich küssen!“

Dies ließ das Paar sich nicht zweimal sagen.

Chiaki legte seine Arme um Maron und küsste sie innig. Sie erwiderte den Kuss gefühlvoll und schlang ihre Arme um seinen Nacken.

Ein jubelnder Applaus ging los.

 

Der Übergang von der Kirche zur Party-Location verlief reibungslos.

Auch der gemietete Hotelsaal war überall mit unzähligen weißen Blumen geschmückt.

Als Maron und Chiaki eintraten, wurden sie von allen Seiten von ihren Gästen begrüßt und beglückwünscht. Beim gemeinsamen Essen wurde auf das frisch getraute Brautpaar angestoßen und es wurden viele Reden seitens der Gäste gehalten. Danach wurde die riesige, fünfstöckige Torte angeschnitten.

Als der Brautstrauß geworfen wurde stritten sich Miyako und Natsuki fast um ihn, wobei er letztlich in Yashiro’s Hände fiel. Chiaki konnte vernehmen, dass sowohl Shinji als auch Yamato erleichtert aufatmeten, während Kagura tomatenrot anlief und von seinem Vater vergnügt angegrinst wurde.

Schließlich kam der Hochzeitstanz.

Chiaki führt Maron auf die Tanzfläche und sie begannen ihren ersten gemeinsamen Tanz als Ehepaar. Unzählige Handykameras waren auf die beiden gerichtet, doch sie blendeten alles um sich herum aus und sahen nur noch sich.

Nach zwei Minuten wechselte der DJ die Musik und die Tanzfläche füllte sich. Die Stimmung war ausgesprochen gut und es wurde ausgelassen gefeiert.

Nachdem Maron mit ihrem Vater, Schwiegervater und Freunden getanzt hatte, fand sie sich nach einiger Zeit in Chiaki’s Armen wieder.

„Genießen Sie die Feier, Mrs. Nagoya?“, grinste er.

Sie lachte. „Sehr sogar. Und mit Ihnen am meisten, verehrter Gatte.“, erwiderte sie und legte ihre Arme um seinen Nacken.

Chiaki strahlte seine Ehefrau glücklich an.

„Wollen wir auf dem Balkon kurz frische Luft schnappen?“, fragte Maron, nachdem das Lied zu Ende ging. Er nickte zustimmend.

Es war eine warme Sommernacht mit einem sternenklaren Himmel.

Maron stellte sich vor das Geländer, während Chiaki sie von hinten in seine Arme schloss. Entspannt lehnte sie sich an seine Brust an. Er drückte ihr einen Kuss auf den Kopf.

„Ich liebe dich, mein Engel.“, wisperte er ihr ins Ohr. „Du glaubst gar nicht, wie glücklich du mich machst.“

Lächelnd drehte sie sich in seinen Armen um, sodass ihre Augen direkt auf seine trafen. Sie stellte sich auf Zehenspitzen und küsste ihren Ehemann gefühlvoll.

„Es gibt da etwas, was ich dir geben wollte.“, sagte sie schließlich. „Im Sinne von einem Hochzeitsgeschenk.“

Chiaki zog fragend eine Augenbraue hoch. „Ein Hochzeitsgeschenk?“

„Ja.“ Maron löste sich aus der Umarmung, griff in ihre Tasche des Kleides und holte eine kleine handflächengroße Box heraus. Sie war mehr als froh, dass dieses Kleid Taschen für die Hände hatte. Seit Stunden trug sie dieses Geschenk mit sich herum, welches sie vor der Trauung heimlich eingesteckt hatte.

„Bitte akzeptiere dieses Geschenk – Es ist das wertvollste, was ich dir geben will und ich hoffe, es macht dich genauso glücklich wie mich.“, sagte sie, als sie ihm eine kleine Box entgegenhielt, die Wangen rot gefärbt.

„Egal was du mir schenkst, ich werde es lieben.“, entgegnete er sanft und nahm ihr die kleine Box ab. Ihr Lächeln wurde bei den Worten noch breiter.

Neugierig nahm er den Deckel ab.

Wie eingefroren hielt Chiaki inne, als er den Inhalt erblickte. Sprachlos stand er für einige lange Sekunden da bis er mit zitternder Hand reingriff. Und ein Ultraschallbild herausholte.

„Ich bin im zweiten Monat schwanger!“, rief Maron emotional aus, worauf er sie innig umarmte und küsste.

„Wir bekommen ein Kind…“, flüsterte Chiaki mit erstickter Stimme, Freudentränen entkamen seinen Augen. „I-Ich werde Vater…!“

„Ja…!“ Maron strich ihm liebevoll über den Rücken. Auch sie weinte vor Glück. „Wir werden Eltern…!“

„Ich liebe dich so sehr! Dich und-“ Er legte vorsichtig eine Hand auf ihren noch-flachen Bauch. „Unser gemeinsames Baby.“

„Ich liebe euch auch…!“, schluchzte sie.  

Eine gefühlte Ewigkeit verharrten beide in ihrer Umarmung.

Irgendwann kehrten sie zur Party zurück. Chiaki schnappte sich ein Mikrophone und tippten kurz drauf, um die Aufmerksamkeit ihrer Gäste zu bekommen.

„Maron und ich - Wir hätten da etwas zu verkünden.“, sagte er mit einem riesigen Grinsen.

Gespannt warteten alle darauf, worum es sich bei der Verkündung handeln konnte.

Ein paar letzte Blicke wurden unter dem Paar ausgetauscht, ehe Maron wortlos -mit einem glücklichen Gesichtsausdruck- das Ultraschallbild in die Höhe hielt.

In der nächsten Sekunde wurden sie wieder mit Glückwünschen und Umarmungen überschüttet.

Für beide war das der schönste Hochzeitstag, den sie sich vorstellen konnten.
 

***

***

13 Jahre später:

 

„Sayuri! Bist du soweit? Alle warten schon!“

Maron stand am Türrahmen des Bades angelehnt, an sah ihrer dreizehnjährigen Tochter dabei zu, wie sie sich ihre langen Haare zu einem Zopf band.

„Ich bin doch schon fertig.“, rollte das Mädchen mit den Augen, richtete ein letztes Mal ihr Sommerkleid und kam aus dem Bad raus.

Maron strich ihr kurz über die Haare und gemeinsam gingen sie ins Wohnzimmer, wo die anderen bereits auf sie warteten.

Chiaki unterhielt sich mit Sayuri’s besten Freund Yuuki, ein schwarzhaariger Junge, den sie seit dem Kindergarten kennt und im selben Wohnkomplex wohnte. Um die beiden herum rannten die achtjährigen Zwillinge Shinya und Shiho -Junge und Mädchen- durch das Zimmer und jagten sich gegenseitig. Ab und an fing Chiaki eine von beiden auf und kitzelte ihnen auf den Bauch. Maron kicherte vergnügt.

„Sind die Damen endlich fertig?“, schmunzelte Chiaki und setzte sich auf. „Dann fahren wir los!“

„Also-…Seid ihr euch sicher, dass ich uneingeladen kommen darf?“, fragte Yuuki unsicher. Eine verlegene Röte war in seinen Wangen zu erkennen, als er einen Blick auf Sayuri warf.

„Klar!“, winkte Maron unbeschwert ab. „Da brauchst du dir keine Sorgen machen. Je mehr kommen, desto besser!“

Die Familie war zu einer Grillparty von Shinji und Natsuki eingeladen, anlässlich ihres zehnten Hochzeitstages.

Sayuri hatte ihre Eltern gefragt, ob sie Yuuki noch dazu holen darf, da die Freunde ihrer Eltern keine gleichaltrigen Kinder hatten.

„Ich habe Natsuki letztens gefragt und sie sagte ‚Kein Problem‘.“, warf Sayuri lächelnd ein.

Yuuki nahm das nickend zur Kenntnis und folgte den Nagoyas schließlich ins Auto.

Die ganze Fahrt über alberten und lachten die beiden Teenagers mit den Zwillingen auf den Rücksitzen herum. Maron beobachtete die Kinder mit einem amüsierten Gesichtsausdruck vom Rückspiegel aus. Sayuri liebte ihre kleinen Geschwister und Yuuki mochte die Zwillinge, wie als wären sie seine eigenen Geschwister. Sie passten auch gemeinsam auf die Kleinen auf, wenn Maron und Chiaki an manchen Abenden später nach Hause kamen.

Bei den Narukamis angekommen, wurden alle herzlich begrüßt. Auch die Minazukis waren unter den Gästen schon anwesend.

Die Zwillinge schlossen sich direkt den anderen Kindern im Hof an.

„Ich dachte, unsere kleine Sayuri würde eine Freundin mitnehmen und nicht ihren Freund!“, grinste Shinji verschmitzt.

Sayuri und Yuuki sahen sich kurz an und blickten dann zu dem Älteren auf.

„Wir sind nur Freunde!!“, sagten beide mit einem irritierten Gesichtsausdruck.

Shinji hielt sich mit gespielter Dramatik den Kopf. „Gott… Geht das schon wieder los!“, stöhnte er auf.

Die beiden Teenagers verstanden nicht, was er mit der Aussage meinte und blickten noch irritierte drein als vorher.

Maron und Chiaki lachten belustigt in sich hinein und gesellten sich zu den anderen Gästen.

 

Nach einer gewissen Zeit traf die Braunhaarige ihre Tochter in der Küche wieder, während sie sich mit Natsuki und Miyako unterhielt.

Leicht genervt seufzte Sayuri auf und stellte ihren Teller in der Spüle ab.

„Wieso fragt mich jeder, ob Yuuki mein Freund ist?!“, platzte es aus ihr heraus.

Die drei Frauen blickten sie mit großen Augen erstaunt an.

„Wenn ich zuerst antworten darf-“, meldete Miyako sich frech grinsend zu Wort, „Ihr seht süß zusammen aus.“

Sayuri verzog eine Grimasse. „Wir sind nur Freunde.“, beharrte sie.

„Hast du einen Freund, Sayuri-chan?“, kam es von Natsuki neugierig.

Die Wangen des Teenagers röteten sich. „Eh...Nein?“

„Oooh, aber es gibt jemand den du magst!“, stellte die Grünhaarige fest.

Sayuri wurde noch roter und blickte verlegen weg.

Maron räusperte sich kurz und gab ihren Freundinnen ein Zeichen, dass sie mit ihrer Tochter für einen Moment alleine sprechen will.

Nachdem die beiden Frauen weg waren, schnaubte Sayuri laut auf. „Wieso checkt das keiner? Yuuki und ich - wir sind seit einer halben Ewigkeit befreundet. Wäre doch total schräg, wenn ich mit meinem besten Freund ausgehen würde!“

„... Wäre es wirklich so schlimm?“, fragte Maron in einem sanften Ton.

Unsicher biss die dreizehnjährige sich auf die Unterlippe,

„Ja? ….Nein? ... Vielleicht?“ Sayuri blickte hilfesuchend zu ihrer Mutter auf. „Ich weiß es nicht!“ Maron lächelte leicht.

Seufzend blickte ihre Tochter aus dem Fenster und sah zu, wie Yuuki den Männern beim Grillen half.

„…Kann man sich in seinen besten Freund verlieben, ohne dass die Freundschaft in Gefahr gerät?“

Maron folgte ihrem Blick. „Ich habe mich in meinen besten Freund verliebt.“, antwortete sie ihr, „Und ihn geheiratet!“, fügte sie stolz hinzu und lächelte verliebt in Chiaki’s Richtung. „Und nach all dem ist dein Vater nach wie vor mein bester Freund, wie er vor 30 Jahren war.“

Große, braune Augen blickten überrascht in ihre.

Die Worte ihrer Mutter gaben Sayuri zu nachdenken. Mütterlich strich Maron ihr über die Haare. „Komm, gehen wir wieder raus. Sonst wundern sich alle wo wir bleiben.“

Die Party ging somit weiter und die Stimmung wurde immer ausgelassener.

Irgendwann wurde die Musik lauter aufgedreht und eine kleine Tanzfläche hatte sich auf dem Hof gebildet.

Während Maron sich mit Chiaki und ein paar anderen unterhielten, sah sie wie Sayuri und Yuuki miteinander tanzten. Unauffällig beobachtete sie die beiden.

„Mama, was heißt ‚seelenverwandt‘?“, hatte Sayuri sie vor Jahren mal gefragt, als sie in eines ihrer Bücher auf das Wort stieß.

„Hm… Ein Seelenverwandter ist jemand, der dir immer zur Seite steht, egal was passiert. Jemand bei dem du dich nicht verstellen brauchst und bei dem du dich sofort wohl fühlst, egal wie schlecht es dir ging.“, hatte Maron ihr nach kurzer Überlegung geantwortet.

„Ohh…Also sowas wie dein bester Freund, richtig?“

„Ja, genau!“

Ein Lächeln bildete sich auf Maron’s Gesicht.

Sie wandte ihren Blick wieder um und sah zu Chiaki -ihrem besten Freund, Ehemann und Seelenverwandten- auf.

Er erwiderte ihr Lächeln liebevoll und hielt ihr eine Hand entgegen.

„Wollen wir tanzen?“, fragte er.

Sie legte ihre Hand in seine.

„Ja!“

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, meine Lieben….!

Ich kann nicht glauben, dass YNM hiermit zu Ende ist… :(
(Ich hoffe, das letzte Kapitel hat euch gefallen!)

Einen großen Dank an alle, die von Anfang bis Ende dabei waren! <3
Danke an die, die die Story kommentiert, favorisiert und empfohlen haben! <3
Und ebenso auch einen großen Dank an die, die zukünftig hier reinlesen und das letzte Kapitel erreicht haben. :D <3

Wünsche allen ein schönes Wochenende! <3

Liebe Grüße
mairio Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (61)
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Von:  KagomeKizu
2021-01-23T20:13:36+00:00 23.01.2021 21:13
Ein sehr schöner Abschluss des letzten Kapitels und dieser Story. 🥰
Hat mir sehr gut gefallen.

Glg Kago
Antwort von:  mairio
23.01.2021 21:22
Danke fürs Lesen!

LG
Von:  KagomeKizu
2021-01-04T22:59:49+00:00 04.01.2021 23:59
Ach was für ein schönes Kapitel... für immer... 😍
Von:  KagomeKizu
2020-08-05T19:34:20+00:00 05.08.2020 21:34
An so einer Stelle mit dem Kapitel aufzuhören ist ja gemein, aber gut das es jetzt noch weitergeht. ;D

Bin mal gespannt was Maron Hijiri antwortet.
Glg Kago
Von:  KagomeKizu
2020-07-18T17:55:19+00:00 18.07.2020 19:55
Endlich ist es raus... Bin mal gespannt wie es jetzt weitergehen wird und wie Hijiri das aufnehmen wird?

Glg Kago
Von:  KagomeKizu
2020-07-18T15:57:20+00:00 18.07.2020 17:57
Genial!
Erst das „Doppel Date“ am selben Tisch, die Beziehungstipps, dann die Meeresfrüchte 🦞 und der Arme Shinji hat auch noch was abbekommen. ;D

Glg Kago
Von:  KagomeKizu
2020-07-18T14:19:12+00:00 18.07.2020 16:19
Das Kapitel war mal wieder Spitze.
Das beide Eltern ihre Kinder durchschaut haben war ja irgendwie zu ahnen. :)
Der letzte Satz bzw. Gedanke von Takumi war echt mega. ;D
Bin schon auf das erste Gespräch der beiden gespannt.

Glg Kago
Von:  KagomeKizu
2020-06-22T19:09:05+00:00 22.06.2020 21:09
Was für ein schönes aber auch trauriges Kapitel...
Schade das Chiaki seine Mutter verloren hat, aber ich denke Maron wird ihm eine große Hilfe/Stütze sein.

Glg Kago
Von:  KagomeKizu
2020-06-21T09:52:21+00:00 21.06.2020 11:52
Was Maron Chiaki wohl sagen wollte?! 😁
Oder was sich Chiaki wohl erhoffte von ihr zu hören?

Glg Kago
Antwort von:  mairio
21.06.2020 13:02
hallo :)

schön dich auch hier in der story zu sehen und hoffe, dass du viel spaß beim lesen haben wirst :)

LG !
Von:  Koraja
2019-03-19T13:56:28+00:00 19.03.2019 14:56
boah was sind die beiden fies!!!
Den armen Kaiki so zu ärgern! Aber das ist die Strafe, dafür dass er auf dem Dach dazwischen gefunkt hat! xD

aber irgendwie schade, dass ihr kleines Spiel schon so schnell aufgefallen ist. Das wäre bestimmt sehr lustig geworden, wie die Eltern "panisch" eine Krisensitzung einberufen, was da nun schon wieder schief gelaufen ist, (ok, ich drücke mich sehr übertrieben aus!) und die beiden lachen sich innerlich tot.

Das ist so typisch Kaiki! Zumindest so wie ich ihn mir immer vorstelle. Direkt mit der Tür ins Haus fallen und nach Hochzeit (und Enkelchen) fragen xD
Ich kriege grade herzchenaugen! Eine Pandabär-Hochzeit! Wie geil ist das denn bitte???

uff! Wie kannst du kurz danach von Chiakis Mutter schreiben? Jetzt tun die beiden mir wieder so leid und ich muss heulen!

Muahaha tja Hijrir! So geht ein Heiratsantrag! Und da kann man eben auch schon mal die Party vorbereiten, im Wissen, dass sie Ja sagen wird. mauahaha
beim Rest verschlägt es mir gatt die Sprache! So schön!
Ich kann nur noch mit einem zufriedenen Grinsen hier sitzen.

Und das mit dem Baby ging ja schneller als erwartet! Aber man soll doch vor dem 3. Monat noch nichts sagen! Da kann doch leider immer noch so viel passieren =(

Aber Sayuri ist mit 13 und Dates schon früh dabei, was? XD


und ich bin jetzt traurig, dass die Geschichte zu ende ist! =( Die war soooo schön!!!!

Naja, ich freu mich dafür umso mehr darauf, dass hoffentlich bald ein neues Kapitel bei deiner anderen FF wieder erscheint.
Und auch wenn die dritte FF aktuell pausiert... ich werde sie trotzdem lesen und auch wenn ich noch nicht weiß, worum es eigentlich geht, sie ist bestimmt auch toll und ich werde hoffen, dass auch diese FF irgendwann fortgesetzt wird.
Antwort von:  mairio
19.03.2019 15:05
Danke vielmals fürs lesen! :) <3

Zurzeit habe ich bei der einen Fanfic ne Blockade... aber hoffentlich vergeht die bald.

und würde mich natürlich freuen, wenn dir die pausierte Fanfic gefällt wenn du sie liest :) (wann die fortgesetzt wird steht in den sternen.... :/ beendet wird es auf jeden fall)
Antwort von:  Koraja
19.03.2019 15:18
ich drücke die Daumen! das mit den Blockaden kenne ich sehr gut.
Deshalb schreibe ich selber auch eigentlich nicht. ich habe zwar einige angefangene Sachen (teilweise bis zu 15 Jahre alt) aber da ich dann irgendwann nicht mehr weiter wusste/keine Lust mehr hatte, hat das auch nie wer gesehen. Wobei das vermutlich bei manchen Sachen auch eindeutig besser ist, so im Nachhinein betrachtet xD
Von:  Koraja
2019-03-19T13:02:25+00:00 19.03.2019 14:02
Morgen! *grummel gähn*
aua! Mini-Migräne! Egal... ich muss weiterlesen!

Dass Kaiki ihn nun auch noch in so eine Situation bringt! Böser Kaiki! Erst ihn mit Yashiro auf den Ball zwingen!!
Und dann auch noch im entscheidenden Moment später dazwischenfunken!!!! ARGH!!!!

*hust* immer noch nicht wirklich 100 % zusammen, aber schon wieder von Hochzeitstanz sprechen! jaja! xD

hmpf hmpf hmpf!! Die Tanzszene war richtig schön geschrieben! aber hmpf. hmpf hmpf.... ich grummel hier trotzdem grade rum...
Schnell, das nächste Kapitel lesen!!! du Folterknecht! XP

hach ja! da musste ich mir am Ende von Kapitel 18 doch glatt ein kleines Tränchen wegblinzeln!
War es eigentich zufall mit den 18 Jahren und 18 Kapiteln? oder hattest du das von Anfang an geplant? xD

Gibt diesmal nicht ganz so viele Kommentar. Die Kapitel waren wie immer super, aber mein Schädel brummt so dermaßen... ich darf mich nicht zu viel bewegen! = auch nicht vor Freude/Ärger ausrasten beim Lesen xD

Antwort von:  mairio
19.03.2019 14:09
war ein lustiger zufall mit den Kapitelzahl und den Jahren xD

*dir Kopfschmerztablette geb*
lass dir Zeit beim lesen xD :)))


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