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Yes, No, Maybe

No matter what happens, I will always honestly, truly, completely love you.
von

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Chapter 2: Shared Childhood

Chapter 2: Shared Childhood

 

Siebzehn Jahre zuvor:

 

Sie lernten sich ein einem warmen Frühlingstag Ende März kennen.

 

„Hey, was liest du da?“

Chiaki zuckte erschrocken zusammen, als er aus dem Nichts die verspielte Stimme eines jungen Mädchens vernahm. Überrascht schaute der Siebenjährige von seinem Buch auf, um ein braunhaariges Mädchen, ungefähr seines Alters, vor sich stehen zu sehen. Sie hatte große, braune, neugierig blickende Augen und ihre langen, braunen Haare waren mit einer großen Schleife verziert. Sie trug ein rosarotes Kleid mit Blumenmuster und weiße Strumpfhosen. An ihrem Hals konnte er eine silberne Kette mit einem kleinen, hübschen Engel als Anhänger erkennen.

Unbewusst weiteten sich seine haselnussbraunen Augen und er starrte sie mit offenem Mund sowie geröteten Wangen an. Sie war hübsch…und süß!

„U-Uhm…“, brachte er hervor, sichtlich verwirrt darüber, von wo das Mädchen plötzlich herkam.

Chiaki drehte sich kurz nach hinten um und sah einige Meter entfernt eine Gruppe von Erwachsene, die sich auf dem Terrassentisch zu Kaffee und Kuchen zusammensetzten. Seine Eltern sowie ein großer Mann mit kurzem, blond-braunem Haar und eine schöne Frau mit derselben Haarfarbe wie das Mädchen – ihre Eltern.

Ach ja…! In dem Moment fiel dem Jungen ein, dass seine Eltern am Morgen davon sprachen alte Freunde zum Essen einzuladen, die vor kurzem nach Momokuri zurückgezogen waren und sogar im Haus auf der anderen Straßenseite wohnten. Dass sie eine gleichaltrige Tochter hatten, hatte seine Eltern auch erwähnt.

„Sie sind erst seit wenigen Tagen hier und die Kleine hatte noch keine Chance gehabt Freunde zu finden. Sei so lieb und freunde dich mit ihr an, okay Chiaki?“, hatte seine Mutter Sayuri gesagt, wobei er nur mit halbem Ohr zugehört hatte und geistesabwesend nickte. Vielmehr hatte er sich in dem Moment auf sein Schokopudding konzentriert.

Während seine Eltern sich für den Besuch vorbereiteten, hatte Chiaki sich in den Garten zu seinem großen Lieblingsbaum zurückgezogen, um sein Buch zu lesen.

Der Grundschüler war nach einer gewissen Zeit so in sein Buch vertieft, dass er nicht mitbekam, wie es an der Haustür klingelte, seine Eltern erfreut ihre Gäste empfinden und sie sich auf der Terrasse versammelten.

Er drehte sich wieder zu dem Mädchen vor ihm um, die ihn weiterhin neugierig anblickte. Dann fiel Chiaki auch wieder ein, dass sie ihm eine Frage gestellt hatte.

„Ehm-… ‚Die Geschichten von Sindbad dem Seefahrer‘.“, sagte er und hielt ihr das Buchcover hoch, damit sie den Titel sehen konnte. Es war sein Lieblingsbuch, welches seine Mutter ihm zum Geburtstag geschenkt hatte.

„Sindbad? Ah! Von dem habe ich den Film gesehen!“, sagte das Mädchen mit einem Lachen und setzte sich prompt neben ihm hin. „Macht es dir was aus, wenn ich hier sitze?“, fragte sie und lehnte sich an den Baumstamm zurück.

Chiaki schüttelte den Kopf, die untere Gesichtshälfte hinter sein Buch versteckt, die Wangen noch roter als vorher. Anschließend schaute er ihr fasziniert zu, wie sie neben sich ein paar Blumen pflückte und einen kleinen Blumenkranz bastelte.

„Mein Name ist übrigens Maron!“, stellte sie sich vor und blickte ihn lächelnd an, während ihre kleinen Hände weiter an der Blumenkreation arbeiteten. Ihr Lächeln hatte etwas Ansteckendes an sich. Chiaki’s Mundwinkel zogen sich automatisch nach oben.

„Ich bin Chiaki.“, sagte er.

Hinter sich hörten die Kinder ihre Eltern gut gelaunt Lachen und sich ausgelassen unterhalten. Beide warfen kurz einen Blick auf die Erwachsene und drehten sich mit einem Kichern wieder um.

„Wusstest du, dass dein Papa und mein Papa sich von der Schule kennen?“, fragte Maron und beugte sich leicht zu Chiaki nach vorne. Beide saßen so nah nebeneinander, dass sich ihre Schultern und Arme berührten. Ihr Sitznachbar schaute sie mit großen Augen an und schüttelte den Kopf.

„Echt?“, brachte er entgegen. „Mir hatte man nur gesagt, dass deine Eltern alte Freunde von meinen wären.“

„Seeehr alte Freunde.“, kicherte sie.

„Also, deine Familie ist zurück nach Japan gezogen?“, fragte Chiaki neugierig.

Maron nickte als Antwort mit dem Kopf.

„Mama und Papa gingen hier zur Schule und so, sind aber im Ausland arbeiten gegangen nachdem ich auf die Welt kam.“, erklärte sie. „Mich haben sie immer überall mitgenommen.“

„Wow!“ Er hatte mittlerweile sein Buch zugeklappt und ließ es auf sein Schoß ruhen. Seine Aufmerksamkeit war jetzt komplett auf seine Sitznachbarin gerichtet.

„Ja! Wir waren sehr viel Reisen gewesen.“, zuckte sie mit den Schultern.

„Das ist ziemlich cool!“, rief Chiaki erstaunt aus. Maron schaute leicht traurig zu ihren Blumen herunter.

„Naja… Keine Freunde haben zu können ist nicht so cool.“, murmelte sie. Erschrocken schaute der Blauhaarige sie an. „Wir waren so viel unterwegs, dass ich mir nie richtige Freunde machen konnte.“, erklärte sie, „Ich war auch noch nie auf einer Schule. Bisher wurde ich von einem Privatlehrer unterrichtet.“

„Oh…“ Chiaki schaute unsicher sowie mitfühlend an. Der Junge konnte sich sowas nicht vorstellen.

Maron zuckte mit den Schultern. „Das heißt aber nicht, dass ich allein war. Mama und Papa waren immer für mich da!“, versuchte sie die Stimmung wieder zu heben.

„Aber jetzt bleibt deine Familie hier, richtig?“, fragte er mit einem hoffnungsvollen Lächeln.

Daraufhin grinste die Braunhaarige wieder.

„Ja!“, nickte sie enthusiastisch. „Mama und Papa haben beschlossen wieder hier zu wohnen und zu arbeiten. Und ich kann hier zur Schule gehen! Darauf freue ich mich!“

„Bestimmt gehen wir dann zusammen zur Schule. Vielleicht kommst du sogar in meine Klasse rein!“, grinste Chiaki sie an.

„Das wäre super! Dann hätte ich schon einen Freund, wenn ich neu in die Schule komme!“, lachte Maron glücklich. Bei dem Wort „Freund“ lief Chiaki rosa an und rieb sich peinlich berührt den Nacken.

Im nächsten Moment wurden Beide von ihren Müttern zu Essen gerufen.

Nach zwei Stunden war es schließlich Zeit für die Kusakabes zu gehen.

„Da wir jetzt Nachbarn sind, darf ich dich wieder besuchen kommen?“, fragte Maron schüchtern, die Hände hinter ihrem Rücken versteckt. Überrascht weiteten sich Chiaki’s Augen etwas und er blinzelte sie einige Male an. „I-Ich kenne hier noch niemand und da dachte ich...ehm….“

„Klar!“, unterbrach er sie mit einem selbstverständlichen Lächeln. „Du kannst jederzeit zu uns kommen, wann immer du Lust hast!“

„Wirklich?“

„Ja! Sowas machen Freunde!“

Glücklich strahlte sie ihren Gegenüber an. „Okay! Dasselbe gilt dann auch für dich! Dass du jederzeit zu uns kommen darfst!“

„Okay!“, nickte Chiaki.

„Übrigens, der ist für dich!“, sagte Maron und legte ihrem neuen Freund den Blumenkranz auf den Kopf. „Es steht dir!“, kicherte sie.

Verlegen bedankte er sich und richtete sich die Krone gerade, die etwas schief auf sein Kopf hing. Sein Gesicht war über beide Ohren rosa angelaufen.

Unterdessen beobachteten die Erwachsene ihre Kinder und tauschten sich untereinander Blicke aus.

„Na, da haben sich Zwei gefunden!“, merkte Korron Kusakabe an und grinste breit.

„Was willst du damit andeuten, Schatz?“, fragte Takumi seine Frau und zog skeptisch eine Augenbraue hoch.

„Nichts.“, zuckte sie mit verspielter Ignoranz die Schultern und kicherte. Sayuri flüsterte ihr etwas ins Ohr, worauf beide Frauen zu lachen anfingen.

„Also, Takumi, mein lieber Freund.“, mischte sich Kaiki ein und legte dem Architekten einen Arm über die Schulter, „Du warst schon immer wie ein Bruder für mich. Und nun stehen die Chancen nicht schlecht, dass wir irgendwann wirklich eine Familie werden.“, sagte er neckend, worauf Takumi leicht das Gesicht verzog.

Ihm gefielen diese Anspielungen gar nicht.

Doch als er seine Tochter herzhaft lachend mit dem Sohn seines besten Freundes sah, bildete sich ein Lächeln auf seine Lippen. Zufrieden mit der Tatsache seine Maron glücklich zu sehen.

 

Zwei Wochen waren seit der ersten Begegnung von Chiaki und Maron vergangen.

Seitdem war das Mädchen nahezu jeden Tag bei den Nagoya's zu Besuch, sobald Chiaki von der Schule nach Hause kam, während ihre Eltern alle Formalitäten für ihr neues, sesshaftes Leben in Momokuri erledigten. So konnte auch arrangiert werden, dass Maron in dieselbe Grundschule ging wie Chiaki.

Sie freute sich besonders auf ihren ersten Schultag, war gleichzeitig aber auch nervös darüber. Was ist wenn ihre Klassenkameraden sie nicht mochten? Oder wenn sie nicht schlau genug für die Schule war?

„Keine Angst. Wenn du Hilfe brauchst, bin ich bei dir.“, hatte Chiaki ihr gesagt, als er sie und ihrer Mutter zur Schule begleitete. Der Gedanke, dass sie nicht komplett allein war, munterte sie auf.

Geduldig wartete das Mädchen vor der Tür des Lehrerzimmers bis ihre Mutter mit der Lehrerin fertig geredet hat. Schließlich ging die Schiebetür wieder auf, beide Frauen kamen raus und Korron verabschiedete sich von ihrer Tochter.

„Macht’s gut, mein Schatz. Du wirst es garantiert hier mögen.“, sagte sie und gab Maron ein Küsschen auf die Stirn. „Papa und ich schaffen es wahrscheinlich nicht dich abzuholen, aber du kannst ja mit Chiaki nach Hause gehen, okay?“

Maron nickte einige Male mit dem Kopf. „Mach dir keine Sorgen, Mama. Ich komme schon klar! Außerdem habe ich meinen Glücksengel Fin bei mir.“, sagte sie mit einem breiten Lächeln und deutete auf ihre silberne Halskette, die ihre Mutter ihr zum Geburtstag geschenkt hatte. Das Mädchen war so von dem Engel begeistert, dass sie ihr auch einen Namen gegeben hatte. Seitdem trug sie die Kette überall und zu jeder Situation und nahm sie nie wieder ab. „Fin passt auf mich auf!“

„Okay. Viel Spaß, mein Schatz.“ Mit einer letzten Umarmung ging die Journalistin schließlich.

„Ich bin ab heute deine Klassenlehrerin, Frau Yamamori. Wir beide gehen jetzt zusammen in deine Klasse, ja?“, sagte die junge Lehrerin mit einem netten Lächeln und bot dem Mädchen ihre Hand an. Schüchtern nickte Maron und nahm die Hand dankend an. „Keine Angst, die anderen Kinder sind ganz lieb und du wirst dich super mit ihnen verstehen.“, sagte Frau Yamamori sanft, als sie die Nervosität des Mädchens bemerkte.

Wieder nickte Maron und folgte der Lehrerin schließlich.

Keine fünf Minuten später stand sie in einem Zimmer voller gleichaltriger Jungen und Mädchen, die sie neugierig anstarrten. Zu ihrer Freude fand sie Chiaki unter den Gesichtern, der ihr ein Lächeln schenkte und ihr unauffällig zuwinkte. Seine Banknachbarin mit langem türkisem Haar bemerkte dies jedoch und schaute mit ihren Kulleraugen skeptisch zwischen ihm und Maron hin und her.

„Also, Kinder. Das ist Maron Kusakabe. Sie ist mit ihrer Familie erst vor kurzem hierher gezogen. Bitte nimmt sie herzlich auf.“, wurde sie der Klasse von Frau Yamamori vorgestellt.

Anschließend zeigte die Lehrerin Maron ihren Platz. Eine Bankreihe vor Chiaki, schräg gegenüber von ihm. Mit einem Lächeln in seine Richtung setzte sie sich hin.

Der blauhaarige Junge grinste breit.

Seine Sitznachbarin verengte ihre Augen missbilligend.
 

***

Nach drei Monaten hatte Maron sich gut in allem eingelebt. Sie und Chiaki liefen jeden Tag gemeinsam zur Schule und auch wieder nach Hause zurück. Aber auch in ihrer Freizeit waren die Kinder so gut wie unzertrennlich. Mittlerweile wunderte es die Eltern nicht mehr, wenn einer von Beiden unangekündigt im Haus des anderen zu Besuch war.

Dank Chiaki konnte sich Maron auch in der Schule gut einleben und hatte sogar einige neue Freunde kennenlernen können.

Nur bei einer Klassenkameradin traf sie permanent auf Eis. Nämlich Chiaki’s Banknachbarin Yashiro Sazanka.

„Habe ich irgendwas falsch gemacht?“, fragte Maron ihn einmal auf dem Weg nach Hause. „Ich glaube, Yashiro mag mich nicht besonders.“

„Ach was, die ist schon immer etwas komisch zu anderen Mädchen.“, winkte Chiaki ihre Sorgen ab.

Seine Freundin nickte verstehend und warf ihre Bedenken beiseite.

Kurz vor den Sommerferien geschah es jedoch.

Es war die Pause nach dem Sportunterricht und Maron holte ihre Silberkette aus ihrer Tasche hervor, die sie gezwungener Maßen abnehmen musste, nachdem man ihr erklärt hatte weshalb man Schmuck beim Sport ablegen musste.

Gerade als sie es rausholte, wurde es ihr urplötzlich aus der Hand gerissen.

„Hey!!“, rief Maron entsetzt und streckte ihre Hand nach Yashiro aus. Diese stellte sich vor dem offenen Fenster hin und hielt das Schmuckstück in die Höhe.

„Das ist eine komische Fee.“, sagte sie herablassend.

„Das ist ein Engel!“, sagte Maron aufgebracht und versuchte springend nach ihrem Eigentum zu greifen, doch Yashiro war zu ihrem Pech einige Zentimeter größer als sie selbst. Die anderen Klassenkameraden schauten nur zu, keiner traute sich einzugreifen.

Bis auf Chiaki, der soeben von der Toilette kam und erschrocken die Szene vor sich registrierte.

„Lass sie in Ruhe, Yashiro!“, rief er wütend, die Hände zu Fäusten geballt und ging stampfend auf die Mädchen zu.

„Wieso machst du das überhaupt?!“, fragte Maron, Tränen standen ihr in den Augen.

„Weil ich dich nicht mag!“, gab Yashiro offen zu.

„Gib mir einfach meine Kette wieder!!“

„Du willst sie wiederhaben?!“ Das türkishaarige Mädchen funkelte ihre Klassenkameradin grimmig an. „Dann hol sie dir doch zurück!!“

Plötzlich warf Yashiro die Kette aus dem Fenster raus. Schockiert liefen Maron und Chiaki ans Fenster ran, um zu sehen, dass die Kette in den Schwimmpool der Schule rein fiel.

Bevor irgendwer reagieren konnte, rannte Chiaki schon aus dem Klassenzimmer raus. Wie angewurzelt stand Maron noch am Fenster und sah wie er zum Pool sprintete und ins Wasser rein sprang.

In dem Moment riss sie sich von ihrer Schockstarre und rannte ebenfalls raus.

Vor dem Pool angekommen, sah sie Chiaki schon aus dem Wasser steigen.

„Chiaki!!“, rief sie und lief auf ihn zu.

Er nahm ihre Hand und legte behutsam ihre Kette in die Handfläche rein.

Mit großen Augen und offenen Mund starrte Maron Chiaki an.

Ehe einer von ihnen was sagen konnte, hörten sie die aufgewühlte Stimme ihrer Lehrerin, die die Beiden und Yashiro ins Büro der Direktorin schickte.

Da warteten die Kinder mit der Direktorin und Frau Yamamori auf ihre Eltern.

Chiaki’s Eltern waren mehr als fassungslos ihren Sohn pitschnass, umwickelt in drei Handtüchern, zu sehen.

Nach einigen Diskussionen gab Yashiro kleinlaut zu, den Streit angefangen zu haben, worauf ihre Eltern sich bei den Kusakabes und Nagoyas respektvoll entschuldigten. Diese nahmen die Entschuldigung an und hakten das Thema für sich ab.

 

Chiaki hatte sich dank seiner leichtsinnigen Heldentat direkt eine schwere Erkältung eingefangen, weshalb er die nächsten drei Tage nicht mehr zur Schule kam. Maron plagte ein schlechtes Gewissen. Sie traute sich auch nicht ihn besuchen zu kommen.

Es war Freitag und die Sommerferien hatten offiziell angefangen.

Mit gesenktem Kopf ging Maron nach Hause. Eine Stimme ließ sie aufhorchen.

„Maron!“

Es war Chiaki’s Mutter die vor der Haustür stand und das Mädchen zu sich winkte. Zögernd ging sie auf Sayuri zu.

„Wie geht es dir, Kleine? Jetzt haben die Sommerferien begonnen, nicht? Ist bestimmt aufregend.“, sprach die Frau sanft auf sie ein, hockte sich vor ihr hin.

Mit gesenkten Augen nickte Maron, traute sich nicht aufzublicken, die Hände hinter dem Rücken versteckt.

Sayuri blickte sie immer noch mit einem sanften Lächeln an.

„Chiaki fragt die ganze Zeit nach dir und wundert sich, wieso du nicht vorbei kommst.“, sagte sie.

„Er wird wieder gesund, oder?“, fragte Maron niedergeschlagen.

„Natürlich. Mit viel Schlaf und Ruhe ist er bald wieder auf die Beine.“, versicherte ihr Sayuri und strich ihr liebevoll über den Kopf. „Komm, geh hoch und sag ihm Hallo. Da würde er sich freuen.“, sagte sie und deutete mit dem Kopf ins Haus rein.

Die Grundschülerin tat wie ihr geheißen, ging rein und stieg die Treppen zu Chiaki’s Zimmer hoch. Sayuri schaute ihr mit einem Lächeln hinterher. Sie mochte das Mädchen wie als wäre sie ihre eigene Tochter.

Mit Herzklopfen stand Maron vor seinem Zimmer, atmete tief durch und klopfte.

Ein unverständlicher Laut war von der anderen Seite zu hören.

Langsam öffnete sie die Tür und ging rein.

Chiaki lag seitlich in seinem Bett eingedeckt und setzte sich überrascht auf, als er Maron sah.

„Oh. Ich wusste gar nicht, dass du hier bist.“, sagte er, die Stimme leicht heiser, das Gesicht rot vom Fieber.

„Ehm… Deine Mama hat gesagt, ich soll reinkommen.“, gestand sie, die Augen auf den Teppichboden geheftet.

„Ach so.“, sagte Chiaki schulterzuckend und fügte grinsend hinzu, „Ich bin froh dich zu sehen!“ Glücklich lachte er Maron an. Sie schaute ihn mit einem unschlüssigen Blick an und setzte sich neben seinem Bett auf den Boden.

„Wieso hast du das gemacht?“, fragte Maron ihn. Chiaki verstand sofort, was sie meinte.

„Ist doch klar. Yashiro war gemein zu dir und ich wollte dir helfen.“, antwortete er ihr voller Offensichtlichkeit.

„Du bist aber wegen mir krank! Ich hätte in den Pool springen sollen. Schließlich gehört die Kette mir und da hätte ich sie holen müssen!“, sagte sie voller Selbstvorwürfe und presste die Lippen zusammen, um nicht loszuweinen.

„Red doch kein Blödsinn!“, wendete er empört ein und schaute sie ernst an. „Du bist meine beste Freundin. Und besten Freunden hilft man!“ Maron brauchte einige Momente, um die Worte zu verarbeiten. Sie schluckte schwer und schaute gerührt zu Boden.

„…Danke, Chiaki. Ich bin froh, dich als meinen besten Freund zu haben.“, sagte sie schließlich.

Plötzlich fing sie an zu weinen. Chiaki blickte sie offenen Mund erschrocken an.

„W-Wieso weinst du? Tut dir was weh? Habe ich was Gemeines gesagt?!“, fragte er panisch.

Maron schüttelte den Kopf und wischte sich die Tränen mit dem Ärmel weg.

„I-I-Ich hatte Angst gehabt…“

„Wovor?“

„D-Dass du wegen der Erkältung b-böse auf mich wärst u-und… dass du n-nicht mehr mit mir b-befreundet sein willst.“, stammelte sie schluchzend und blickte zu Chiaki auf, der sie entgeistert anschaute.

„Du redest wirklich Blödsinn.“, sagte er nach einer Weile und schüttelte den Kopf.

Anschließend hielt er ihr den kleinen Finger hoch.

„Guck. Hiermit versprechen wir uns, dass wir für immer und ewig Freunde bleiben. Egal was passiert. Indianerehrenwort?“ Chiaki lächelte sie warm an.

Maron blinzelte stark, starrte ihn und seinen Finger an. Dann hob sie ihren Finger und verhakte ihn mit seinen.

„Indianerehrenwort. Freunde für immer.“, sagte sie und lächelte erleichtert.

Chiaki nickte und wollte wieder etwas sagen, fing jedoch im nächsten Moment an stark zu husten. Entkräftet legte er sich wieder hin und zog die Decke hoch.

„Oh… Ich denke, du solltest gehen, Maron.“, hörten die Kinder Sayuri sagen, die mit einem Hustensanft in Chiaki’s Zimmer reinkam. „Nicht das du dich noch erkältest.“

Das Mädchen nickte zaghaft und schaute ihren Freund besorgt an. Sayuri bemerkte ihren Blick. „Keine Sorge. So eine Erkältung ist nächste Woche wieder weg.“, sagte sie sanft und strich Maron übers Haar.

Wieder nickte sie, diesmal mit einem hoffnungsvolleren Gesichtsausruck. Mit einem „Gute Besserung!“ verabschiedete Maron sich von ihrem besten Freund und ging nach Hause.

 

Es dauerte wirklich nicht lange bis Chiaki wieder gesund war und die beiden Freunde ihre Ferien gemeinsam verbrachten.

Nach dem Vorfall wurde Yashiro von ihren Eltern über die Sommerferien letztlich in eine andere Schule versetzt. Eventuell zog die Familie Sazanka nach einer gewissen Zeit aus beruflichen Gründen sogar in eine andere Stadt.

Doch das hinterfragte niemand mehr.
 

***

Die Monate vergingen und der Alltag nahm seinen gewohnten Lauf.

An einem trüben Wintertag im Januar, verlief der Tag allerdings nicht wie jeder andere.

Mitten im Japanisch-Unterricht kam die Direktorin unerwartet rein und bat Chiaki -samt seinen Sachen- raus.

Dieser packte gehorsam seinen Rucksack und verließ das Klassenzimmer. Maron schaute ihn besorgt hinterher. Er warf ihr kurz, bevor er den Raum verließ, einen letzten Blick zu.

Chiaki wusste nicht, was ihn erwartete. Hatte er irgendwas verbrochen? Oder waren seine Noten zu schlecht?

Noch überraschter war er, als er seinen Vater im Korridor stehen sah. Seine Augen starrten gedankenverloren in die Leere, bis er seinen Sohn erblickte. Seufzend fuhr er sich eine Hand über das Gesicht.

„Habe ich irgendwas falsch gemacht?“, fragte Chiaki ihn.

Kaiki nahm tief Luft und hockte sich zu ihm herunter. Mit einem herzzerreißenden Gesichtsausdruck schaute er ihn an.

„Chiaki… Deine Mutter ist wieder im Krankenhaus.“, sagte er mit monotoner Stimme.

Der Junge blinzelte seinen Vater einige Male mit großen Augen an.

Er wusste, dass seine Mutter in letzter Zeit oft ins Krankenhaus musste und alle paar Male auch wieder entlassen wurde. Er wusste auch, dass sie eine schwere Krankheit hatte und sie viele Medikamente nehmen musste.

„Sie wird doch wieder gesund?“, fragte er seinen Vater verängstigt. Dieser zögerte, machte den Mund auf und schloss ihn wieder, kämpfte sichtlich mit sich selbst.

„Ich…weiß es nicht, meine Junge.“, antwortete ihm Kaiki schließlich und nahm seinen Sohn in seine Arme. Dessen Augen weiteten sich erschrocken und ein eiskalter Schauer jagte ihm über den Rücken.

Zusammen gingen sie ins Krankenhaus.

 

Die nächsten Tage wurde Chiaki von der Schule entschuldigt. Maron machte sich Sorgen um ihn und seiner Familie. Ihre Eltern hatten sie über die Umstände aufgeklärt. Innerlich hoffte sie, dass sich alles doch noch zum Guten wendete.

Als sie eines Tages nach Hause kam, war die Stimmung bedrückend. Es war totenstill im Haus.

Takumi stand mit einem ausdruckslosen Gesicht am Fenster. Korron saß auf dem Sofa, ihr hübsches Gesicht war tränenverschmiert.

Bevor Maron es merkte, rannten auch ihr schon die Tränen das Gesicht herunter.

 

Sie sah Chiaki zu Sayuri’s Beerdigung am nächsten Tag wieder.

Am Nachmittag, während die Erwachsenen und die Gäste sich im Wohnbereich sich befanden, fand Maron ihn in seinem Zimmer wieder.

Graue Wolken bedeckten draußen den Himmel, spiegelten die Gemütszustände aller im Haus wider.

Chiaki saß auf seinem Bett und starrte in die Leere. Maron ging auf ihn zu.

„Willst du allein sein?“, fragte sie ihn zaghaft.

Wortlos schüttelte Chiaki den Kopf.

Ohne weiteren Fragen setzte sie sich hin.

Schweigend saßen sie nebeneinander.

„Gestern war sie noch da… und nun ist sie einfach weg…“, durchbrach Chiaki plötzlich die Stille, schniefte ein paar Male, versuchte sich die anbahnenden Tränen wegzublinzeln. Den ganzen Tag schon, zwang er sich nicht zu weinen. Maron schaute ihn traurig an und rückte näher an ihn ran.

„Ich bin mir sicher, deine Mama ist im Himmel und passt als Engel auf dich und dein Papa auf.“, sagte sie mit einem leichten Lächeln und nahm Chiaki in die Arme.

Er nickte, und erwiderte die Umarmung.

„Danke, dass ich dich habe.“, murmelte er, lehnte seinen Kopf an ihre Schulter an und weinte stumm.

Auch Maron rollten wieder Tränen die Wangen herunter.

Für eine Weile verharrten die Beide in Position und weinten zusammen.

Währenddessen durchbrachen draußen einige Sonnenstrahlen die dicke Wolkendecke und erhellten den Tag.

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  KagomeKizu
2020-06-22T19:09:05+00:00 22.06.2020 21:09
Was für ein schönes aber auch trauriges Kapitel...
Schade das Chiaki seine Mutter verloren hat, aber ich denke Maron wird ihm eine große Hilfe/Stütze sein.

Glg Kago


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