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Das Schweigen hat ein Ende

Ein Hiwatari hält sein Wort
von

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Update

Die schweren, dunklen Vorhänge waren weitestgehend zugezogen und so erkannte Yuriy beim Eintreten in seine und Bryans Wohnung im ersten Moment sehr wenig. Die Luft in der 2.5-Zimmer-Wohnung war stickig und aus der Küche trat der verdorbene Geruch von gekippten Essensresten an seine Nase. Wenn er richtig rechnete, und das war nach den letzten Geschehnissen nun doch relativ schwierig, war er die letzten 2 bis 3 Tage nicht mehr in der Bude gewesen.

 

Wie schnell so eine Wohnung verkümmern konnte!

 

Okay, als Bryan und er von der Notaufnahme über Kais verheerenden Unfall informiert worden waren, hatten sie alles stehen und liegen gelassen. Nicht das sie immer in solchen Verhältnissen hausten – das auf keinen Fall. Trotzdem konnte er wohl behaupten, dass er selbst bedeutend reinlicher war als Bryan, zumindest was die Ordnung in der Wohnung anging.

 

Bedächtig streifte er die schwere, gefütterte Winterjacke von seinen Schultern und klopfte den letzten Schnee von ihr ab bevor er sie an den Türknauf hing und über den kurzen Gang ins angrenzende Wohnzimmer trat. In selbigem Augenblick zog eine kräftige Biese durch die angrenzende Häuserschlucht und drückte sich mit voller Wucht gegen die Fensterfront des Wohnzimmers, wodurch die Fensterrahmen unter dem hohen Druck leise knarrten. Eine Tatsache beruhigte ihn vorneweg – es war warm in der Wohnung. Die Heizung schien, bis anhin, noch einwandfrei zu funktionieren.

 

Leisen Schrittes liess er den Wohnbereich hinter sich und betrat das angrenzende, geräumige Schlafzimmer mit breitem Doppelbett und grosszügigem Ankleidebereich. Auch hier war es dunkel und da wo die wenigen Lichtstrahlen zwischen den Vorhängen hindurchblitzten, tanzte der Staub.

 

Bryan bewegte sich keinen Millimeter, auch als Yuriy an das Doppelbett herantrat und sich auf die hohe Bettkante direkt neben ihm niederliess. Der Hüne war fix und fertig. Nach der schlaflosen ersten Nacht und seinem späteren Zusammenbruch in Kais Krankenzimmer, hatte Yuriy ihn in einem Anflug von wachsender Sorge nach hause geschickt – auch wenn er dies ungern zugab. Er hatte die Hoffnung, dass Bryan sich zuhause besser von der Bluttransfusion erholen könnte. Jetzt wo er ihn hier aber so liegen sah, kamen ihm berechtige Zweifel.
 

Ganz vorsichtig fuhr er mit seiner Hand durch das blasse, struppige Haar des anderen und erstmals seit seiner Ankunft bewegte sich Bryan, wenn auch nur marginal.

 

«Na.» meinte Yuriy leise und mit ungeahnter Wärme in der Stimme.

 

Bryan seinerseits hatte sein linkes Auge einen kleinen Spalt breit geöffnet und wirkte in seiner aktuellen Situation, als wäre er unfähig sich zu orientieren.

 

Yuriys Hand fuhr von Bryans hellem Haarschopf über dessen Ohr, streifte dabei seine leicht stoppelige Wange und zeichnete anschliessend einmal sanft die Kontur seines markanten Kinns nach. Dies entlockte Bryan ein leichtes Schmunzeln gefolgt von einem tiefen Seufzer. Behutsam beugte Yuriy sich zum Hünen hinunter und drückte ihm einen leichten Kuss auf die Schläfe.
 

«Bis auf Max sind jetzt alle da. Es ist es ruhig geblieben und Kais Gesundheitszustand scheint stabil zu sein.» informierte er den angeschlagenen Russen mit sanfter Stimme ehe er sich wieder aufrichtete.

 

«Gut.» antwortete Bryan dankend und mit kratziger Stimme, während er die viel zu seltenen Streicheleinheiten seitens Yuriy genoss.

 

Wie Bryan den Weg bis in ihre gemeinsame Wohnung, in diesem Zustand, überhaupt gefunden hatte war Yuriy ein Rätsel. Es war idiotisch gewesen, den grossen Kerl einfach so ziehen zu lassen, vor allem nachdem er sich Minuten zuvor beinahe auf dem Klinikboden übergeben hatte. Nur manchmal schämte sich Yuriy für seine aufbrausende Art und die darauffolgende Ignoranz – heute war so ein Tag.

 

Bryans Schmunzeln wurde bei den Worten Yuriys ein kleinwenig breiter. Es raschelte unter der Decke und hervor kam seine linke Hand, welche er beschwichtigend auf den Oberschenkel des Rothaarigen legte.

 

«Vielleicht solltest auch du dich mal für ein paar Stunden schlafen legen – für deine Verhältnisse bist du heute wirklich selten sentimental.» Yuriy indes schüttelte verständnislos den Kopf, was Bryan ein belustigtes Schnauben entlockte.

 

«Spass beiseite. Danke Yuriy – kein Ding.»

 

Ganz vorsichtig drehte Bryan sich von der Seitenlage auf den Rücken, streckte seine Gliedmassen kurz aber intensiv und setzte sich langsam in eine aufrechte Position, um auf gleicher Höhe mit Yuriy zu sein. Kurz nur schwieg der Hüne, so als suche er nach Worten.

 

«Weisst du, meistens wissen wir es ja, wenn Kai sich wiedermal in irgendeine Scheisse reingeritten hat und oftmals wissen wir dann auch, mit wem er sich angelegt hat. Aber diesmal …» Bryan brach jäh ab und schaute nachdenklich zur hohen Zimmerdecke hinauf.

 

«Würde es um die Abtei gehen, dann hätte er uns doch sicherlich involviert, meinst du nicht? Und darüberhinaus waren wir uns doch sowieso alle einig, als wir sagten dass wir die Vergangenheit endlich ruhen lassen wollten – auch wenn sie uns nach Ians plötzlichem Suizid vor einem Jahr wieder von neuem beschäftigt hat.»

 

Es war still im Zimmer. Yuriy hatte schlichtweg keine Antworten auf Bryans indirekte Fragen. Auch für ihn war die aktuelle Lage die reinste Blackbox. Er konnte keine Parallelen feststellen, sah kein eindeutiges Motiv – und das obwohl ein Psychopath wie Boris Balkov wahrscheinlich gar keines brauchte um einen von ihnen umzulegen. Und das, obwohl der Kerl doch alles hatte was er wollte. Es erschien ihm so … surreal. Ja, surreal traf es wohl am ehesten.

 

«Ich hoffe Kai wacht bald auf.» 

 

«Das hoffe ich auch.»

 

Kurz trafen sich ihre Blicke. Sie sahen sich an, als versuchten sie sich gegenseitig Mut und Zuversicht zuzusprechen und in ihrer aktuellen Zweisamkeit fühlte sich dies aufrichtig und bekräftigend an. Yuriy griff daraufhin in seine Hosentasche, nahm eine handelsübliche Medikamentenverpackung hervor und überprüfte sie kurz, ehe er sie in die Hände des Hünen drückte.
 

«Die nimmst du ab heute. Ist ein Eisen-Boost für deine Anämie. Hiromi hat sie für dich mitgegeben. Ich soll dir eine gute Besserung wünschen. Sie dankt dir für dein selbstloses Handeln.»

 

«Wie geht es ihr?» erwiderte Bryan ohne Umschweife, denn Blick von der Verpackung in seinen Händen wieder zurück auf Yuriy gerichtet.

 

«Wie wohl.»

 

Bryan seufzte. Dumme Frage. Wie würde er sich wohl fühlen, wenn Yuriy im Krankenhaus läge?

 

Yuriy hatte seine Worte knapp gewählt und sie hatten einen bitteren Beigeschmack. Kurz nur dachte er an den chaotischen Moment vor dem Krankenzimmer zurück, als Hiromi in ihrem Schock, ihrer Wut und erfasst von abgrundtiefer Trauer innerhalb von wenigen Minuten alles an ihm ausgelassen hatte. Sie war nicht sie selbst gewesen und er verstand ihr Verhalten – verdammt gut sogar. Und doch schmerzte es ihn, ihr nicht mehr Halt gegeben zu haben, als das es für ihn möglich gewesen war.
 

«Bestell ihr liebe Grüsse von mir.» war das einzige was Bryan daraufhin erwiderte und Yuriy nickte bejahend.

 

«Gehst du gleich wieder, oder bleibst du heute hier?»

 

«Schön wär’s. Ich muss zurück und weiterhin die Stellung halten. Takao ist mir eine grosse Stütze und das ist nicht nur dummes Geschwätz. Der Typ ist erwachsen geworden.»
 

«Zumindest einer von uns.» meinte Bryan mit amüsiertem Gesichtsausdruck und legte die Eisentabletten bei Seite. «Ich komme nach sobald ich wieder gehen kann, ohne wie ein Betrunkener zu torkeln. Gib mir 1, maximal 2 Tage – das muss reichen.»

 

Yuriy nickte zustimmend und erhob sich wieder willen von der Bettkante. Zum Abschied beugte er sich ein letztes Mal zu Bryan hinunter und küsste ihn mit ungeahnter Zärtlichkeit.

 

«Pass auf dich auf und melde dich wenn du was brauchst. Ansonsten sehen wir uns im Krankenhaus wieder.»

 

Bryan nickte, liess sich zurück in die Matratze sinken und verzog sich wieder unter die warme Daunendecke, während er Yuriy beim Verlassen des Zimmers mit den Augen folgte.

 

«Und vor dass ich’s vergesse: Vergiss diesmal nicht was zu Essen, du Dummkopf.» Der Schalk in Yuriys Stimme war unüberhörbar, die keck hochgezogenen Mundwinkel unübersehbar. Mit einem letzten, koketten Schulterblick fing er Bryans müden aber amüsierten Blick und verschwand daraufhin aus dem Türrahmen.
 

«Ich dich auch, Yuriy. Ich dich auch.»



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Mohnfriemel
2021-10-08T01:52:15+00:00 08.10.2021 03:52
Hallo, ich melde mich zum ersten Mal zu Wort und bin gerade so happy dass es endlich weiter geht q.q

Das ist mit Abstand meine Liebste Fanfiction mit Kai auch wenn er einen echt miesen Start hatte x)

Ich liebe deinen Schreibstil denn er ist für mich sehr angenehm zu lesen und ich hoffe es geht bald wieder weiter :3 ich weiß schon gar nicht mehr wie oft ich hierher gestolpert bin nur um nach einem neuen Kapitel Ausschau zu halten.

Auf bald in freudiger Erwartung des nächsten Spannenden Abschnittes ❤️
Antwort von:  lulubluelau
25.09.2022 22:00
Liebe Mohnfriemel

Ich habe mich mega über deinen Kommi gefreut und möchte mich ganz ganz herzlich für deine total aufmerksamen und so positiven Worte bedanken. 😊 Es freut mich wirklich sehr, dass die Fanfiction dir so viel Spass beim Lesen bereitet und ich fühle mich richtig geschmeichelt zu wissen, dass sie zu deinen Liebsten gehört!

Es tut mir an gleicher Stelle total leid, dass du beinahe ein Jahr (!) warten musstest, aber ab heute ist endlich wieder ein neues Kapitel «live» und ich bin schon richtig gespannt, ob dir die Fortsetzung gefällt. 😊

Ich wünsche dir ganz viel Freude beim Lesen und freue mich von dir zu hören!

Liebe Grüsse,
Lulu


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