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My bloody Soulmate

von

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Alles, was sie benötigte, war ein präziser Schuss. Gut platziert über der Schwachstelle eines jeden Lebewesens – Dem Herzen. Es gab kein Wesen, das dies überleben würde. Mit ihrer handgefertigten Waffe zielte sie auf die Stelle, das vor Angst verzogene Gesicht ihres Gegenübers brachte ihr Herz zum schneller schlagen. Sie wartete nicht lang und drückte ab. Blut beschmutzte ihre Hände, aber das war nicht das erste Mal, dass dies der Fall war. Sie war es gewohnt zu töten. Es war Teil ihrer Rache. Denn irgendwann war sie nah genug an ihm dran. Irgendwann hatte sie seine Lakaien ausgemerzt und wäre bereit, ihrem Anführer gegenüber zu treten und ihre Rache zu bekommen.
 

Die ersten zwei Monate zogen sich dahin. Der Unterricht lief normal ab und es gab gelegentlich Gruppenarbeiten in manchen Fächern, bei welchen es sich die Lehrer zum Spaß machten, die Rassen untereinander zu mischen. Aber immerhin befand ich mich noch in der Gnade eines unsichtbaren Schutzgeistes und wurde noch nicht mit Mister 'Mein Ego ist zu groß für dieses Gelände' zusammen gesteckt. Im Allgemeinen sahen wir uns nicht einmal mit unseren Hinterteilen an, wenn wir uns begegneten. Von einem Gespräch ganz zu schweigen. Er erhob sich selber recht schnell zur Glucke der Klasse und man sah ihn oft im Mittelpunkt. Was sollte man aber auch anderes erwarten.

Was mich anging – Ich hatte mich für den Kurs eingeschrieben und wartete noch immer auf eine Antwort. Es hieß, dass die Schüler des ersten Jahrganges mindestens drei Monate warten müssten, nachdem sie eine Anmeldung abgegeben hatten. Gelegentlich besuchte uns der Bruder der Mückenfreundin von Kira und versuchte, mit mir ein Gespräch anzufangen und mir zu vergewissern, dass sie mich auf keinen Fall übergehen würden. Mit einem leisen Seufzen hatte ich mich schlicht bedankt und wieder meiner Arbeit zugewandt. Es war nicht so, dass ich nicht mit den anderen redete. Kira musste mich auch unbedingt darauf hinweisen, dass ich die Vampirin mit ihrem Namen angesprochen hatte. Ich vermied es an sich eigentlich, aber in letzter Zeit fiel auch mir auf, dass ich mich etwas mehr mit Neva unterhielt. Na gut, im Gegensatz zu manch anderen konnte man mit ihr noch reden.

Was in dieser Schule tatsächlich groß geschrieben wurde, war diese 'Zusammenarbeit'. Man wollte uns hier unbedingt eintrichtern, mit den Vampiren zurecht zu kommen, genauso auch umgekehrt. In den höheren Klassenstufen konnte man eine Auffälligkeit beobachten – Die beiden Rassen hingen recht nah beieinander, meistens hatten die Menschen, die sich sehr stark in der Nähe von Vampiren aufhielten, diesen schwarzen Kristall. Also musste es da irgendeinen Zusammenhang geben.

Ich hatte mir vorgenommen, mir nicht allzu sehr Gedanken darüber zu machen. Es war zwar nicht einfach, aber es gelang mir dennoch, mich mit meinem Schriftstück abzulenken. Ein paar Kapitel mehr konnte ich meiner Geschichte nun hinzufügen und hatte diese auch online gestellt. Die ersten Kommentare waren von meinen Freunden zuhause. An den ersten Wochenenden hatte ich kaum Zeit gefunden, etwas mit ihnen zu unternehmen und das hielten sie mir vor. Aber ich fand es wichtiger, das Gelände abzugehen und mir dabei die Gebäude einzuprägen, denn der Campus bestand nicht nur aus Wohnzimmern und Schulgebäude. Es gab noch Sporthalle und -platz, ein Gebäude für Freizeitaktivitäten und eine Schwimmhalle. Logisch, wenn man bedachte, dass in unmittelbarer Nähe nicht mehr als ein Wald war. Und in einem See wollte ich sicher nicht schwimmen gehen.

Während unserer ersten Woche zeigte man uns noch viel von der Schule. Die verschiedenen Stockwerke waren unter den Jahrgängen aufgeteilt und Klassen wurden vom finanziellen Stand her gemischt. Das hieß: Es gab Fünf Stockwerke, jeweils eins für jeden Jahrgang. Das wiederrum bedeutete, dass man für fünf Jahre an dieser Schule gefangen war. Außer man vermasselte es in Hinsicht von erbrachter Leistung oder dem eigenen Verhalten. Oder die Eltern nahmen einen wieder von der Schule, weil man ein verzogenes und verwöhntes Kind war und mit dem Leben nicht zurechtkam. Und ganz ehrlich – Diese Schule hatte eigentlich alles und man brauchte sich nicht über Kleinigkeiten zu beschweren. Ich wusste zwar nicht, wie es in der unteren Schicht aussah, aber auch den Schülern schien es nicht allzu schlecht zu gehen. So schlimm konnte es also nicht sein.

Was die Klassen betraf, so hatte jede davon einen Mischmasch aus ärmeren und wohlhabenderen Leuten. Ein paar von den Verwöhnten hielten sich natürlich für etwas Besseres und redeten nicht mit den Ärmeren. Die meisten in der Jahrgangstufe über uns hatten diese Art abgelegt und erzählten, dass man so in dieser Schule nicht weiterkam. Sie waren in mehr als nur eine Falle getappt, als sie versuchten, ihre Probleme allein zu bewältigen. Das bezog sich auch auf die Zusammenarbeit mit der anderen Rasse – Leider. Momentan war noch keiner darauf aus, große Freundschaften zu schließen. Jeder versuchte, beim anderen Geschlecht einen guten Eindruck zu machen, ohne darauf zu achten, ob derjenige einem in den nächsten Sekunden am Hals hängen könnte.

Während der ganzen Vorstellungsgeschichte erzählte man uns auch von der Schulwebsite, auf welche man nur als eingetragener Schüler zugreifen konnte. Dafür brauchte man Daten, mit welchen man sich einloggte um auf alles zuzugreifen. Und lasst mich euch eines sagen – Dort gab es alles. Ohne Probleme konnten wir auf unsere Stundenpläne zugreifen und jegliche Änderungen mitbekommen. Vertretungen und Ausfall wurden separat vermerkt und übersichtlich gelistet. Auf einer anderen, dazugehörigen Seite befand sich eine Liste mit den Namen der Lehrer, einem Bild und deren Zuständigkeitsbereich. Die blonde Frau von meinem ersten Tag an der Schule war unter 'Spezialstunden' vermerkt. Ihr Name lautete Cécilia Legrand, sie war Organisatorin und Sprecherin für die Schule. Alles, was an die Direktoren ging, bekam auch sie mit und anscheinend war es ihre Entscheidung, ob es überhaupt weiter geleitet werden würde. Am häufigsten traf man sie im Sekretariat an, manchmal auch in der Mensa, wo sie sich vor allem mit denen aus dem letzten Jahr unterhielt.
 

Wären die Vampire nicht, könnte man meinen, das hier sei eine ganz normale Schule. Mit dem Unterschied, dass man nicht mit einem festen Alter hier her kam. Entweder entschieden die Eltern oder man selber, wenn man alt genug war. Deswegen sah Yakeno auch drei Jahre älter aus als Neva, er war es nämlich tatsächlich. Während ihre Eltern entschieden, dass die Rothaarige bereits mit 17, so wie auch Kira, an diese Akademie gehen sollte, war es bei ihrem Bruder so, dass er erst mit 19 dieses Gelände betreten hatte. Er war halt nicht gerade der Schnellste, wie mir auffiel. Manchmal, wenn er uns in den Pausen Gesellschaft leistete, schweifte sein Blick ab und er schien in eine ganz andere Welt einzutauchen. Neva musste ihn dann in die Realität zurückholen. Es wunderte mich, wie er überhaupt noch hier war, wenn er im Unterricht genauso weg trat. Diese Angewohnheit machte ihn aber zu einem umso besseren Schriftsteller. Er hatte uns im Laufe des Gesprächs seinen Benutzernamen auf der Webseite genannt, auf welcher auch ich meine Werke hoch lud. Und neugierig wie ich war, konnte ich mir das natürlich nicht entgehen lassen.

"Eines muss man ihm lassen", meinte ich eines Abends eher zu mir selber, doch Kira lauschte mit, während sie gerade ihre Haare nach der Dusche trocknete. "Er hat einen interessanten Schreibstil. Man könnte fast meinen, er schreibt, wenn er in dieser Trance ist"

"Vielleicht ist er währenddessen nicht abwesend, sondern nimmt nur alles anders wahr?" Ihre Aussage gab mir einen wichtigen Denkanstoß und ich blickte zu der kleinen Brünetten. Das könnte sein. Man könnte es als eine Art Kraft oder Fähigkeit von ihm ansehen. Ob jeder Vampir etwas Derartiges besaß? Eine gute Frage, die mich zum Nachdenken brachte. Es würde einigen von ihnen die Beutejagd einfacher machen. Daran zu denken jagte mir einen Schauer über den Rücken. Natürlich mussten diese Monster noch irgendwas haben. Sie durften ja nicht einfach nur perfekt sein, nein. Mutter Natur spielte Bitch und gab ihnen auch noch übernatürliche Fähigkeiten. Fuck my life.
 

Neuer Tag, neues Glück. So sagt man doch eigentlich. Manche Tage waren für mich eher unglücklich, aber ich machte das Beste daraus. Hätte ich gewusst, dass mich der Horror meines Alltags erwarten würde, wäre ich im Bett geblieben und hätte mich krankschreiben lassen.

Der Unterricht verlief recht normal. 'Lebenskunde' war eines der Fächer in dem wir das eine oder andere über den anderen lernten. Menschen lernten über Vampire und umgedreht. In diesem Fach war es in den letzten zwei Monaten vermehrt zu Zweier- oder Gruppenarbeiten gekommen, immerhin war das angestrebte Ziel ein harmonisches Miteinander Leben und Arbeiten. Meinetwegen hätte man mich mit jedem Vampir der Klasse zusammenstecken können. Es waren ja nicht einmal genügend anwesend, um auf jeden Menschen einen Vampir zu zählen. Bislang hatte ich immer Glück gehabt und musste mit jemanden von meiner Rasse arbeiten. Diesmal aber musste mir das Schicksal so richtig in den Arsch treten.

Der Lehrer rief die Namen derer hintereinander auf, welche zusammen arbeiten mussten. Kira hatte Glück und bekam Neva – Was für ein Zufall, ich würde ja glatt behaupten, da mangelt es jemandem an Kreativität beim Schreiben -, während ich die Arschkarte schlechthin zog.

"Miss Amand. Mister Lecrune", rief der Lehrer auf und die Welt um mich herum blieb stehen und mir wich jegliche Farbe aus dem Gesicht. Scheiße. Verdammt. Besagter Vampir sah auch nicht begeistert drein, als er mich ansah. Eher konnte man ein 'Ist das euer verdammter Ernst?' rauslesen. Verzweifelt legte ich meine Brille ab und kniff mir in den Nasenrücken. Das konnte einfach nicht wahr sein. Das durfte einfach nicht sein. Die Teams fanden langsam zueinander. Mit einem leisen 'Viel Glück' stand Kira auf und setzte sich zu Neva, um ihre Arbeit zu beginnen. Der Idiot fand sich bald neben mir ein, ausnahmsweise ohne einen Ton des Spotts von sich zu geben. Klasse, ich konnte mich kein bisschen aus unsere Aufgabe konzentrieren. Verwirrt blätterte ich in unserem Buch und versuchte, mich daran zu erinnern, was wir eigentlich tun sollten.

"Unsere Aufgabe ist es, die Vor- und Nachteile des Zusammenlebens aufzuschreiben, Trottel", meldete sich der Vampir zu Wort und entriss mir das Buch, um die richtige Seite aufzuschlagen. Zischend blickte ich ihn an und verengte die Augen, entschloss mich aber dazu, mich einfach der Arbeit zu widmen, ohne ihm großartig viel Aufmerksamkeit zu schenken. Ohne es abzusprechen übernahm er die Vor- und ich die Nachteile. Es ging mir leichter von der Hand, diese aufzulisten und aufzuzählen. Zu meiner Überraschung arbeitete er ebenfalls recht gewissenhaft und ohne sich großartig ablenken zu lassen. Meine Neugierde verfluchte ich jedoch jedes Mal, wenn ich einen Blick auf ihn warf. Wenn er nicht gerade ein Arschloch sein musste und mir auf die Nerven ging, sondern ernst auf seine Notizen starrte und arbeitete, kam er einem schon ganz sympathisch vor für einen Blutsauger. Das lag wohl daran, dass er seine Klappe einfach nicht aufmachte. Sobald er das nämlich tat, strotzte er nur so von Idiotie und Ego bis zur Decke.

Was mir vorher nie aufgefallen war – zum einen, weil es mich nicht interessierte und zum anderen, weil ich ihm nie wirklich so nah war, ohne dass wir uns gegenseitig ankeiften -, war der kleine Ohrring in seinem rechten Ohr. Es sah aus wie eine kleine schwarze Feder und er stellte sicher, dass man diese auch sehen konnte, denn jedes Mal, wenn eine Strähne davor fiel, strich er sich diese sofort wieder hinters Ohr.

"Mach doch ein Foto, hält länger", sagte er zu mir gewandt und grinste mich hämisch an. Er hatte mich ertappt, ganz große Sache. Und da ließ er auch wieder den Macker raushängen.

"Eher zerstör ich meine Kamera, anstatt sie für ein Foto von dir zu misshandeln. Im Gegensatz zu dir empfinde ich Mitleid"

"Du willst gar nicht wissen, wie Leid du mir manchmal tust. Du versuchst hier die Starke zu mimen aber ich merke, dass du gerade zitterst"

"Ich zittere gar nicht!", widersprach ich lautstark und lenkte ungewollt die Aufmerksamkeit der Klasse auf mich. Mit einem Räuspern mischte sich unser Lehrer ein.

"Amand, wenn Sie das Bedürfnis haben, zu schreien, dann tun Sie das bitte während der Pause. Ansonsten müsste ich Sie meines Unterrichts verweisen"

"Verzeihung ...", entschuldigte ich mich kleinlaut und senkte den Kopf. Die Peinlichkeit machte schnell der Wut wieder Platz, als ich Lecrune neben mir kichern hörte.

"Wende dich deiner Arbeit zu, anstatt wie ein kleines Mädchen in deinen nicht vorhandenen Bart zu kichern, Blutsauger"

"Wärst du nicht so zickig, könnte ich dir zeigen, dass ich auch ganz andere Dinge sauge"

Vor Scham und Wut gleichzeitig rot im Gesicht holte ich mit meiner flachen Hand aus und fuhr mit dieser mit gewaltiger Kraft über die Wange dieses Kerles, ohne weiter darüber nachzudenken. Perplex hielt er sich die Wange und starrte mich an, während ich meine Sachen packte, mich entschuldigte und den Raum verließ. Das ließ ich nicht mit mir machen! Angepisst ging ich die Treppe runter und verließ das Gebäude. Um meine Arbeit fortzusetzen, beschloss ich, mich im Vorgarten auf eine der Bänke zu setzen und meine Notizen zu vervollständigen. Wirklich konzentrieren konnte ich mich dabei nicht mehr, diese Unverschämtheit blieb einfach zu stark in meinem Kopf hängen. Und ich wusste jetzt schon, dass es das nächste Kapitel meiner Geschichte beeinflussen würde.
 

Als es zur Pause läutete begab ich mich zurück zum Klassenzimmer. Kurz vor der Tür wurde ich von unserem Lehrer abgefangen und nach einer Erklärung für mein Verhalten gefragt.

"Ich hätte nicht gedacht, dass eine derartig respektlose Dame in Ihnen steckt, Amand.", tat er seine Enttäuschung über mich kund, bevor er mich überhaupt erklären ließ. Seufzend entschuldigte ich mich, versuchte dann aber auch, meinen Standpunkt zu erklären. Man nickte mir nur zu, verstand mich wohl auch bis zu einem gewissen Punkt, jedoch konnte man auch nach der Erklärung mein Verhalten nicht gut heißen. Da es das erste Mal war, dass ich so auffiel, beließ mein Lehrer es dabei und wünschte mir eine schöne Pause. Ich bedankte mich und betrat das Klassenzimmer. Ohne mich umzusehen lief ich auf meinen Platz zu, erleichtert, Kira dort wieder vorzufinden und mich nicht mit dem Arschloch an Persönlichkeit auseinander setzen zu müssen.

"Geht's dir gut?", fragte Neva kurz nachdem sie sich umgedreht und ihre Arme auf unseren Tisch gelegt hatte. Ich war mit nicht ganz sicher, ob ihre Sorge ernst gemeint oder nur geheuchelt war, aber ich ließ mich einfach mitreißen und redete mit ihr. Sie war mir um einiges lieber als dieser Idiot.

"Wie man's nimmt. Das war mir grad einfach zu viel", erklärte ich. Als nächstes meldete sich die neugierige Kira zu Wort.

"Was ist eigentlich passiert? Ich weiß, dass ihr euch gegenseitig gerne mit Worten angreift, sobald ihr auch nur einen Tonwechsel habt, aber ich hätte nicht gedacht, dass du ihn schlägst!"

"Sag wir es so: Ich begebe mich sicherlich nicht auf ein vulgäres Niveau herunter, welches sich unter der Gürtellinie befindet .... wortwörtlich" Die beiden Mädchen verstanden, worauf ich hinaus wollte. Die Vampirin erklärte mir, dass es Gerüchte gab, dass Lecrune schon öfter dabei erwischt wurde, wie er auf eine sehr direkte Art und Weise mit anderen Mädchen flirtete. Es war wohl eher die Tatsache, dass es an mich gerichtet war, was die beiden überraschte.

"Jedenfalls", versuchte die Brünette nun abzulenken und lächelte uns an. "Wie weit bist du mit dem neuesten Kapitel?"

"Zwei Seiten stehen. Der Rest kommt vielleicht heute Abend, sonst am Wochenende. Willst du schon lesen?" Kira schüttelte den Kopf. Sie gehörte zu der Sorte, die lieber wartete und alles las, anstatt nur kleine Bruchstücke der Geschichte vorgelegt zu bekommen. Das gefiel mir, sie war auch geduldig, anders als manch andere Leute in meiner Leserschaft, darunter auch Neva. Für mich war es ziemlich überraschend, wie menschlich sich die Vampirin verhielt. Wüsste ich es nicht besser – und gäbe es nicht das kleine Symbol an der Armbinde – würde ich fast behaupten, sie wäre ein einfacher Mensch.

Die große Pause verlief eigentlich wie jede andere. Gerade, als die meisten von uns sich auf den Weg zur Mensa machen wollten, betrat Miss Legrand unseren Klassenraum und rief alle zur Ruhe auf.

"'erge'ört, liebe Mitschüler!" Damit machte sie auf sich aufmerksam und stellte sich vor die Leinwand, auf welche der Unterrichtsstoff projiziert wurde. "Die nächste Stunde findet für euch Erstklässler im 'auptsaal statt. Es gibt noch einiges zu besprechen und zu erklären. Das wichtigste möchten wir 'eute mit euch ab'aken. Bitte findet euch nach der Pause im Saal ein. Es wird keine zweite Möglichkeit geben, die Informationen, die euch dort gegeben werden, zu er'alten."

Sie bedankte sich für unsere Aufmerksamkeit und verschwand ebenso schnell wie sie erschienen war. Verwirrt sahen wir uns gegenseitig an. Also gab es an der Schule tatsächlich noch einige Geheimnisse, in die wir nicht eingeweiht wurden. Neva war die einzige, die sich unserer Verwirrtheit nicht anschloss.

"Weißt du, worum es dabei geht?", fragte Kira nach. Die Rothaarige nickte ihr zu, verlor jedoch kein Wort darüber.

"Dank Yakeno. Eigentlich dürfte ich darüber noch nicht Bescheid wissen" Sie zuckte mit den Schultern und legte den Kopf schief. Etwas, was man außerhalb des Saales nicht mehr erfahren würde. Zum einen weckte es meine Neugierde, zum anderen aber hatte ich das Gefühl, dass ich es bereuen würde.
 

Kurz vor Ende der Pause fanden sich die Schüler allesamt im Saal ein, mich eingeschlossen. Ich wurde zwar dieses üble Gefühl nicht los, aber ich wollte einfach wissen, worüber sie uns noch aufklären wollten. Jeder von uns fand seinen Platz, wo er stehen konnte, ohne jemand anderen auf die Füße zu treten. Die Vampirin hatte sich am Eingang von uns getrennt, da sie zu den Vampiren ging, während wir uns den Menschen anschlossen. Es kam mir so vor, als wäre die ganze Angelegenheit mit der Vermischung der Rassen in den höheren keine große Sache mehr. Bei uns hatten alle den Stock noch zu tief in ihrem Hinterteil, als dass sie sich irgendetwas zutrauen würden.

Kurz nach dem Läuten der Klingel betrat die blonde Dame die Bühne und rief alle zur Ruhe auf. Diesmal war sie alleine und ohne die Direktoren im Rücken anwesend. Sie ließ ihren Blick über die Schüler schweifen und räusperte sich, bevor sie zu sprechen begann.

"Anscheinend sind wir fast vollständig. Mir wurde berichtet, dass nicht alle anwesend sind, aber das soll nicht unser Problem sein. Ich bitte jeden von euch, dass das, was wir 'eute 'ier besprechen, nicht diesen Saal und erstrecht nicht das Schulgelände verlassen wird."

Kurz blickte ich zu Kira. Es dauerte nicht lange, da erwiderte sie meinen Blick und schluckte schwer. Handelte es sich bei dieser Angelegenheit um etwas Illegales? Ich konnte es mir nicht wirklich vorstellen, aber wieso sollte es denn sonst ein solches Geheimnis sein?

"Auf unserer Schule gibt es ein ge'eimes System. Außer'alb dieser Mauern kennt es kein Mensch und kein Vampir, da es sich auf unsere Schule beschränkt." Sie atmete tief ein und passte ihre Haltung an. "Zusammen mit den Gründern dieser Schule, unserer Direktoren, 'aben wir ein System ins Leben gerufen, welches nicht nur den Zusammenhalt stärken, sondern auch die Vampire ein wenig unterstützen soll. Es 'andelt sich 'ierbei um eine Art Dienerschaft. Ein Vampir ist in der Lage, einen Menschen anzufragen, ob dieser dazu bereit wäre, freiwillig sein Blut darzubieten. Das wichtige Wort ist 'ierbei 'freiwillig'. Keinem Vampir ist es erlaubt, einen Menschen derartig zu erpressen, dass sich dieser gezwungen fühlt, die Dienerschaft anzunehmen" Erneut holte die Frau Luft, während mir jegliche Farbe aus dem Gesicht wich. Eine Dienerschaft? Was sollte das denn jetzt bitte? Wir sollen diesen Blutsaugern unser Blut anbieten? Freiwillig? Das ich nicht lache!

"Es ist ein Angebot, von dem beide Seiten profitieren, vor allem die finanziell instabileren unter euch. Solltet ihr euch dazu entscheiden, die Dienerschaft anzunehmen, wird ein Teil eurer Studiengebühr von der Familie des Vampirs bezahlt. Immerhin bietet ihr etwas an, was ein Teil von euch ist – ein sehr wichtiger Teil. Seht es als eine Art Entschädigung an." Sie schloss für eine kurze Zeit die Augen, um sich zu sammeln und weiterreden zu können.

"Es gibt einen bestimmten Begriff für diejenigen, die diese Dienerschaft annehmen. Die Mädchen unter euch würden als 'Bluts-Maid' bekannt werden, die Jungen als 'Bluts-Diener'. Außer'alb dieser Mauern hat dieser Titel jedoch keine Bedeutung. Es ist eine Art Test, den wir 'ier durchführen und dabei ist es sehr wichtig, dass ihr bedenkt, dass dies alles auf freiwilliger Basis geschieht. Niemand ist dazu gezwungen, die Bitte des Vampires anzunehmen. Umgekehrt ist die Bittstellung und Ablehnung ebenso möglich."

Mit einem ernsten Blick, jedoch auch einem freundlichen Lächeln sah sie auf uns hinab. "Diejenigen von euch, die diesen Titel annehmen und einem Vampir dienen, werden von mir speziell unterrichtet. Es gibt vieles, was ihr als Diener oder Maid wissen müsst, da manche von euch euren zugehörigen Herren oder eure zugehörige Dame auch nach der Schule begleitet. Dies ist nicht selten vorgekommen, jedoch müsst ihr wissen, was euch in diesem Leben erwartet. Dies erfahrt ihr nicht im Rahmen des normalen Unterrichts. Im Gegenzug dazu wird das Fach 'Lebenskunde' von eurem Stundenplan gestrichen." Nun klatschte die Frau in die Hände und wippte kurz auf und ab. Man sah ihr die Aufregung an, neue Schüler unter ihre Fittiche zu nehmen. Die Erklärung ging weiter, denn anscheinend wurden in diesem Unterricht alle Jahrgänge miteinander vermischt. Ich schaltete nach der Hälfte ab und fasste mir an den Kopf, von den Schmerzen überwältigt, welche sich darin bildeten. Eine Dienerschaft, in welcher ein Mensch freiwillig sein Blut einem Vampir darbot. Wie sollte das ablaufen? Gab es pro Vampir mehr als nur einen Mensch? Dinge, über die ich mir den Kopf nicht zerbrechen sollte, schwirrten durch meine Gedanken. Verdammt nochmal!
 

Als die Stunde endete, hatte ich das Gefühl, als hätte ich Tage dort gestanden. Mir tat alles weh – am meisten mein Kopf. Ich konnte mir das ganze einfach nicht vorstellen. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie etwas Derartiges funktionieren sollte, ohne dass man mit Schwächeanfällen in den Unterricht kommt! Verzweifelt lehnte ich mich draußen an eine Wand und atmete tief durch. Aus meiner Tasche holte ich eine Trinkflasche und nahm einen Schluck, hoffte, dass meine Kopfschmerzen daher kamen, dass in diesem Saal extrem schlechte Luft war. Kira war bereits in unser Zimmer zurückgegangen und Neva war ich nicht noch einmal begegnet, nachdem die Versammlung aufgelöst wurde. Ich hatte also einen Moment für mich und konnte meinen Kopf klar bekommen.

Kaum hatte ich mich wieder genug gesammelt und wollte ebenfalls auf mein Zimmer zurückkehren, kam mir der Vampir entgegen, den man ständig an Lecrune's Seite sah. Sein Name wurde bislang noch nicht genannt, er schien mir eine eher unauffällige Gestalt zu sein, ein Schoßhündchen, das nicht viel zu sagen hatte.

"Wynne, Caleb will dich sprechen", sprach er mich an.

"Ach ja? Richte ihm aus, dass er mich mal am Arsch lecken kann. Soll er selber herkommen, wenn er was von mir will" Nicht, dass ich ihm irgendwelche Beachtung schenken würde, vor allem nach der Aktion heute. Mein Gegenüber fuhr sich einmal durch die Haare und grummelte genervt vor sich hin.

"Seit wann sind Menschen so kompliziert", murmelte er leise, dennoch verständlich. Ah, ich hatte es wohl mit jemandem zu tun, der nicht besonders viel Wert auf das legte, was uns hier beigebracht wurde. Jetzt, wo ich so darüber nachdachte, fiel mir auch ein, dass er so gut wie nie mit Menschen kommunizierte. Er war wie ich – Nur ein Vampir. Wieso also hatte er die Aufgabe angenommen, nach mir zu suchen?

"Hör zu, Amand. Ich habe keine Lust, lange mit dir zu diskutieren, also kommst du jetzt mit, bevor ich dich zwingen muss", drohte er mir und verschränkte die Arme mit einem eiskalten Blick.

"Mich zwingen?", wiederholte ich spöttisch und konnte mir ein Lachen nur leicht verkneifen. "Das würde ich nur zu gerne sehen!" Jeder andere würde davon absehen, einen Vampir herauszufordern. Und ich sprang der Gefahr fast wortwörtlich in die Arme.

"Du miese kleine Hu-"

"Ah ah, Louis. Das wird nicht nötig sein" Und da mischte er sich wieder ein, Mister 'Ich bin so wichtig, man sollte den roten Teppich vor mir ausrollen'. "Du bist eine sture Göre, weißt du das?"

"Du bist ein unausstehlicher Mistkerl, weißt du das?", gab ich nur zurück und diesmal war ich es, die die Arme verschränkte.

"Au, das hat gesessen", jammerte er theatralisch und fasste sich ans Herz. Als ob er eins hätte. "Jedenfalls bin ich wegen einem ganz gewissen Grund hier, Amand"

"Und der wäre, neben dem Grund, mir meinen Tag mit deiner Anwesenheit zu vermiesen? Nicht, dass ich es vermeiden könnte, da wir ja leider in eine Klasse gehen"

Er lachte leise und steckte seine Hände in die Taschen seiner Jacke.

"Ich will, dass du meine Bluts-Maid wirst"

Und da dachte ich, mein Tag könnte nicht beschissener werden.



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