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Future for Future

Tatsuro Iwagami/Atsushi Sakurai
von

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Erleichtert atmete Tatsuro durch, als sich der Lehrer der letzten Stunde verabschiedete und er diese Stätte der sinnlosen Zeitverschwendung hinter sich lassen konnte.
 

Er musste sich jetzt unbedingt etwas zu Rauchen besorgen.
 

Mit schnellen Schritten durchquerte er die Gänge, vorbei an tuschelnden Mädchen und den kleinen Gruppen von Jungs, die so typisch waren für das Ausklingen eines Schultages.
 

Er beschloss, dass eine Abkürzung über den hinteren Hof des Komplexes ihm etwas Zeit sparen würde.
 

In seinem Verlangen nach seinen Ruhespendern bemerkte er gar nicht, wie eine der kleinen Truppen, an denen er gerade vorbeigezogen war, ihm nun folgte.
 

Das recht aggressive Vorbringen seines Namens ließ Tatsuro jedoch überrascht inne halten und sich umwenden.
 

Ein verdrießliches Seufzen rutschte ihm über die Lippen, als er Mihashi erkannte, gesäumt von drei weiteren Jungen, die ihm aber völlig unbekannt waren.
 

So wie es aussah, würde er noch eine Weile auf sein Nikotin verzichten müssen.
 

„Mihashi.“, brachte Tatsuro in sarkastischer Freundlichkeit hervor, „Was kann ich denn für dich und deine Freunde tun?“
 

„Gott Iwagami, ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich dich verabscheue.“, fing dieser nun an seine Anwesenheit zu erklären und trat dabei immer näher auf Tatsuro zu.
 

„Deine dämliche Arroganz regt mich schon so lange auf. Du glaubst wohl, dass du der Größte bist, was!?“
 

Ein prüfender Blick auf den Jungen, der ihm gerade so herzlich seine Gefühle mitgeteilt hatte und die Affen die ihn flankierten ließ Tatsuro abwägen, welche Option für ihn nun die Beste darstellen würde.
 

Vier gegen einen war keine Situation, die er nicht schon erlebt hätte. Doch wusste er auch noch, wie sich diese Auseinandersetzung für ihn gestaltet hatte. Zwar hatte er auch reichlich austeilen können, aber am Ende war er doch ziemlich zerschunden gewesen.
 

„Was ist? Bekommst du es etwa mit der Angst zu tun?“, höhnte Mihashi jetzt großspurig, was sein Gefolge dümmlich feixen ließ. „Ich dachte du wolltest mir etwas von deiner tollen Stärke demonstrieren, oder war das heute Morgen nur überhebliches Gerede?“
 

Die andere Möglichkeit wäre die einfachste, aber nicht gerade die ehrenhafteste.
 

Flucht.
 

Doch wenn er das täte, dann wäre er morgen das Gespött der ganzen Schule und das wäre in seiner jetzigen Lebensphase nicht gerade etwas, womit er überlegt würde umgehen können.
 

Also hieß es doch zum Angriff übergehen.
 

„Weißt du Mihashi, ich denke, dass du einfach nur ein kurzschwänziger Schisser bist und du mein Bedauern darüber verdient hast.“
 

Es war ein Leichtes für Tatsuro der heranfliegenden Faust auszuweichen, die auf sein Gesicht zielte.
 

Mit einem belustigten Lachen über diesen verunglückten Akt wich Tatsuro ein Stück zurück, nur um daraufhin nach vorn zu schnellen und seinem Angreifer nun einen gezielten Schlag in den Magen zu verpassen.
 

Unter gepeinigtem Japsen ging Mihashi in die Knie, worauf sich Tatsuro sogleich mit dem Rest dieser Schauspielgruppe konfrontiert sah.
 

Ein hitziger Austausch von Schlägen und Tritten folgte, denen sich Tatsuro nur mühsam erwehren konnte.
 

Doch er hielt stand.
 

Ein plötzliches Hindernis hinter ihm ließ ihn jedoch straucheln und noch im Fall konnte er erkennen, dass es Mihashi war, der ihm hinterrücks ein Bein gestellt hatte, was ihn nun ungeschickt zu Boden gehen ließ.
 

Tatsuro war nicht schnell genug, dass er dem ersten Tritt in seine Seite hätte ausweichen können, worauf er nur gequält aufkeuchen und sich zusammenkrümmen konnte.
 

Ein weiterer Tritt in seinen Rücken folgte und die Erkenntnis, dass er wohl verspielt hatte, als er plötzlich eine vertraute Stimme erkannte. Seine Peiniger ließen daraufhin von ihm ab und er konnte die Zeit nutzen, um wieder auf die Beine zu kommen. Leicht schwankte er noch, als es ihm gelungen war, doch hielt man ihn sichernd am Arm, was Tatsuro unweigerlich an gestern Abend erinnerte. Doch war es diesmal kein Unbekannter, der sich seiner annahm, sondern Satoshi mit seinem anscheinend nie vergehenden, breiten Grinsen im Gesicht.
 

„Alles OK bei dir?“, erkundigte er sich fürsorglich, was Tatsuro nur mit einem leichten Nicken bestätigen konnte.
 

„Was willst du Penner hier?! Diese Sache geht nur mich und Iwagami was an. Also halte dich gefälligst raus, verstanden!“ Tatsuro konnte deutlich die Unsicherheit in Mihashis Stimme vernehmen, was ihn nun ebenfalls zu einem leichten Grinsen animierte.
 

„Vier gegen einen ist keine Sache zwischen dir und mir Mihashi. Oder hast du einen zu derben Schlag auf den Kopf abbekommen, dass du das nicht mehr unterscheiden kannst?“
 

Der Zorn des Jungen vor ihm war nun deutlich zu greifen und Tatsuro wusste, dass dieser sich nicht einfach so zurückziehen würde. Zu groß war die Schmach, sein Ziel nicht erreicht zu haben.
 

Und gerade als Mihashi erneut auf ihn zustürmte, gefolgt von seinen Anhängseln, nahm er die Präsenz zweier weiterer Personen neben sich wahr, was zur Folge hatte, dass seine Gegner abrupt zum Stehen kamen und reichlich unentschlossen einander anblickten.
 

Und Tatsuro war nicht weniger überrascht, als er erkannte, wer sich hier auf seine Seite geschlagen hatte.
 

„Hiro?...Yaguchi?“
 

„Ich hatte dir doch gesagt, dass ich dich heute zu den Proben erwarte, aber wie ich sehe spielst du lieber mit Dreck, als dich zu deinen Pflichten zu bekennen.“
 

Diese Worte verwirrten Tatsuro noch etwas mehr, wusste er nicht wie er Yaguchis Hinweis richtig zu deuten hatte. Doch ließ ihn das heitere Glucksen, das er von Satoshi einfing annehmen, dass dieser sich gerade zu einer ironischen Bemerkung hatte hinreißen lassen und das nicht nur auf seine Kosten.
 

Und Mihashi schien dies ebenso zu sehen, was ihn kopflos über seinen Zorn abermals auf sie zustürzen ließ. Doch noch bevor er hätte etwas ausrichten können, rutschte er auf einer vereisten Stelle am Boden aus und landete ungraziös im Schnee zu ihren Füßen.
 

Dieser Akt brachte nun auch seine Vasallen zum schadenfrohen Lachen und ehe man sich versah, war Mihashi aufgesprungen und unter innigem Zetern auf und davon. Nun, da ihr Führer das Weite gesucht hatte, sah auch die Nachhut keinen Grund mehr, sich weiter hier herumzuärgern und verschwand nun ebenfalls ohne weiteres Aufsehen.
 

„Wirklich, nichts als Ärger hat man mit dir.“, ließ ihn Yaguchi noch wissen, bevor er sich umwandte und auf den Weg zu den Räumen machte, wo sie die Erlaubnis bekommen hatten ihrer Musik nachgehen zu können, ohne dass sich jemand davon gestört fühlte.
 

Unter einem leidlichen Zischen, das er einem Schmerzimpuls in seinem Rücken zu verdanken hatte, klopfte sich Tatsuro den mit Schmutz vermengten Schnee von seinen Sachen, die er morgen nicht mehr würde anziehen können.
 

Eine Hand auf seiner Schulter ließ ihn neben sich blicken, wo er noch immer Satoshi und Hiro vorfand, die ihn aufmunternd angrinsten.
 

„Ich glaube du hast jetzt in Masaaki einen Freund fürs Leben gefunden.“, witzelte Hiro, worauf Tatsuro fast automatisch ein belustigtes Schnaufen entkam.
 

Er und Yaguchi würden sicherlich nie mehr als Bandkollegen sein. Für alles andere waren sie einfach zu unterschiedlich in ihren Ansichten.
 

Aber was sollte es auch?
 

Die High School dauerte nicht ewig und was danach kam, stand noch in den Sternen. Vielleicht würde sich die Band auflösen, da jeder von ihnen seine Zeit in andere Dinge zu investieren hatte. Zumindest konnte er sich das bei den anderen dreien vorstellen.
 

Er wäre einfach nur froh, wenn er nie wieder eine Schule von innen sehen müsste.
 

Ein entferntes Räuspern ließ sie synchron in die Richtung blicken, in die Yaguchi gegangen war, nur um diesen in etwas Abstand stehend vorzufinden, wo dieser mit einer bedeutungsvollen Geste auf sein Handgelenk anzeigte, dass sie ihre Zeit noch für etwas anderes nutzen sollten.
 

„Der Meister ruft.“ Damit setzte sich auch Satoshi in Bewegung, dem Hiro schließlich folgte. Tatsuro stand noch einen Augenblick an Ort und Stelle und blickte den drei Jungen nach, von denen zwei gerade dazu übergingen eine Schneeballschlacht zu beginnen, was Yaguchi nur seinen Kopf schütteln ließ.
 

Und eigentlich, so dachte sich Tatsuro, war er schon irgendwo dankbar, dass sie ihn in ihrer Mitte duldeten, obwohl er solch einen schroffen Charakter darstellte.
 

Mit einem breiten Grinsen nahm er nun ebenfalls etwas von dem weißen Element in seine Hände und formte es sich zurecht, worauf er das runde Geschoß auf die kleine Gruppe vor sich niedergehen ließ.
 

„IWAGAMI, du Spinner!“, brüllte es ihm dann auch schon entgegen, was in Tatsuro den sentimentalen Gedanken aufkommen ließ, dass er Yaguchis Gemotze fast vermissen könnte, würden sich ihre Wege einmal wieder trennen.
 


 

*
 


 

„Jungs, ihr müsst schon im Takt bleiben. Satoshi du bist viel zu schnell. Und Hiro, versuch es mal eine Spur flüssiger.“ Tatsuro saß auf einem der Hocker in ihrem Proberaum und beobachtete die Fliege, die um den Abfalleimer in einer der Ecken des Raumes kreiste.
 

Was wohl ihr Interesse geweckt hatte?
 

Vielleicht der alte Cheeseburger? Oder das Onigiri, das er Satoshi vor ein paar Tagen aus der Hand klauen wollte. Und welches dann im hohen Bogen durch das Zimmer geflogen und nach seiner Landung mit reichlich unappetitlichen Schmutzpartikeln dekoriert war?
 

Seine Aufmerksamkeit legte sich wieder auf seine Kollegen, die sich gerade von Yaguchi erklären lassen durften, wie sie diesen langweiligen Oldie zu spielen hatten, den sie für ihren Auftritt nächste Woche einstudieren durften.
 

Es war ein besonderes Event, weswegen es auch zu einer ungewöhnlichen Zeit des Schuljahres stattfand.
 

Irgendein Jubiläum. Das Problem war nur, dass sie musikalische Vorgaben bekommen hatten.
 

Und es war so typisch für Yaguchi, das Ganze trotzdem mit diesem verfluchten Eifer anzunehmen. Sie waren kein Barber Shop Quartett und doch sollten sie nun diese Oldies zum Besten geben, die sie alle etwas überforderten, waren sie doch bei weitem Dynamischeres gewöhnt.
 

Auch wenn er zugeben musste, dass es ihm ein wenig imponierte, dass Yaguchi es hinbekommen hatte, einige der Songs auf ihre Instrumente umzuschreiben und dabei den original Sound dennoch beizubehalten.
 

Doch so wie es aussah würde er heute nicht mehr zu seinem Einsatz kommen, würden Hiro und Satoshi nicht doch noch Yaguchis Anforderungen genügen können.
 

„Uhhhh, ich brauch ne Pause!“, hörte er kurz darauf Satoshi murren, der schon im Begriff war sich erheben zu wollen, als er von Yaguchi zurückgehalten wurde.
 

„Eine Pause sollte man sich verdienen.“, bekam er auch sogleich als Antwort, was Satoshi nur noch inniger murren ließ, sich aber nicht weiter auflehnte.
 

Ein paar Minuten später ertönte erneut der Klang von Sukiyaki und tatsächlich hörte es sich schon wesentlich harmonischer an als noch Augenblicke zuvor.
 

„Ist zu ertragen.“, verkündete Yaguchi schließlich, was in seinem Falle schon so etwas wie ein Lob darstellen konnte. Mit einem Wink seiner Hand deutete er nun auch Tatsuro an, sich zu ihnen zu gesellen, worauf er sich gemächlich in Bewegung setzte.
 

„Ein wenig mehr Enthusiasmus, wenn ich bitten darf.“ Yaguchi hatte gut reden, für ihn war jedes Kinderlied einen riesen Einsatz wert, doch hielt sich bei ihm die Begeisterung über eine Schmonzette wie diese doch arg in Grenzen.
 

Nichtsdestotrotz nahm er das Mikro in seine Hände und auf ein Zeichen, dass er bereit wäre, versuchte man sich erneut.
 

Eine gute Stunde später und ziemlich genervt darüber, immer wieder denselben Song einspielen zu müssen, hatte auch Yaguchi Erbarmen und räumte ihnen großzügig eine Pause ein.
 

Satoshi kramte daraufhin in seiner Schultasche herum, bis er schließlich eine Flasche Cola und eine Schachtel Zigaretten hervorzog und sie auffordernd in die Runde hielt.
 

„Das kann ich echt gut gebrauchen.“, ließ Tatsuro verlauten, worauf er dankend eines der Tabakröllchen an sich nahm.
 

Hiro tat es ihm gleich und sogar Yaguchi ließ sich das Angebot nicht entgehen. Gemeinsam suchten sie sich ihren Weg in einen der Räume, der nur noch als Abstellkammer fungierte, ihnen aber als günstiges Versteck diente, ihrem Laster zu frönen.
 

Kühle Luft zog an ihnen vorbei, als Hiro das Fenster ein Stück weit öffnete, um zu verhindern, dass der Qualm sich nicht zu weit im Zimmer verteilte, damit aber jedem ein leichtes Frösteln bescherte.
 

„Was ist der nächste Song auf deiner Liste?“, hakte Satoshi nach einer Weile des Schweigens nach, worauf er fragend zu Yaguchi blickte, der gerade dabei war seine Zigarette auszudrücken.
 

„Hättest du die Set List gelesen, die ich ausgehändigt habe, wüsstest du es. Aber es war ja nicht anders zu erwarten.“, gab dieser etwas schnippisch zurück. „Der nächste Song ist Mata Au Hi Mate “, erklärte er dann doch noch großzügig, was zwei von drei Personen um ihn herum mit einem resignierten Seufzen quittierten.
 

„Oh, ich finde Ozaki-san ganz cool.“, kam es überraschenderweise aus Satoshis Mund, was selbst Yaguchi mit einem perplexen Starren zurück ließ.
 

„Was? Meine Mom steht auf ihn. Ich glaube sie kauft seit 15 Jahren immer das gleiche Shampoo, nur weil er mal Werbung dafür gemacht hat.“
 

„Warum müssen wir auch nur solche Softie-Songs spielen? Selbst in den 80ern gab es genug gute, rockige Songs.“
 

Yaguchi konnte sich einen skeptischen Gesichtsausdruck auf Hiros Feststellung nicht verbieten. „Und was genau schwebt dir da vor?“ Kurz überlegte Hiro auf Yaguchis Frage hin, bis sich seine Gesichtszüge schließlich aufhellten.
 

„Wie wäre es mit You wa Shock “, gab Hiro den Titel für diesen Song passend euphorisch vor, was Satoshi sofort zu einem energischen „ATATATATATATATATA!!!“, plus dazugehörige fliegende Fäuste übergehen ließ.
 

Tatsuro grinste belustigt über dieses Schauspiel. Auch wenn er Hokuto no Ken nur sporadisch gesehen hatte, so war dieser Song doch das unverkennbare Markenzeichen dafür geworden und irgendwie jedem bekannt.
 

„Und ich schätze, dass Iwagami beide Gesang-Parts übernehmen soll?“
 

Hach Miya war schon manchmal ein Spielverderber.
 

„Klar, das kriegt er schon hin. Er braucht nur so ne super Sonnenbrille und ne Kaltwelle, dann klappt das schon.“, fachte Hiro ihren Nonsens weiter an, was nun auch Satoshi überschwänglich auflachen ließ.
 

„Oh Gott die Mädels wären verrückt nach dir Tatsu.“, brachte er es im Hieven nach Luft noch hervor, was nun selbst Yaguchi ein schmales Lächeln entlockte.
 

„Echt, warum zwingt man uns dazu, unser Potenzial so einzuschränken? Wenn ich mich recht an diese Liste erinnere, ist ein weiterer Song Prussian-Blue no Shozou.“ Es war erneut Hiro, der sich zu Wort meldete, und Yaguchi damit ein etwas empörtes Schnaufen entlockte.
 

„Dieser Song ist ein Klassiker.“ Ah, da kam jetzt wohl doch der verkappte Fan in Yaguchi durch?
 

„Wäre da nicht eher Wine Red no Kokoro ein Klassiker, bezogen auf Anzen Chitai?“ Nun lag alle Aufmerksamkeit auf Tatsuro und seine Einwände.
 

„Du scheinst dich ja auszukennen.“, ereiferte sich Yaguchi auch schon und ging in so etwas wie ein zickiges Schmollen über. „Ich meine ja nur. Es war ihr erster großer Hit. Das weiß schließlich jeder.“ Selbst er.
 

„Wenn ihr euch derart sicher seid, so viel mehr drauf zu haben, dann lasst es doch die Verantwortlichen wissen. Nur dann ohne mich, denn wenn ich etwas weiß, dann dass wir uns mal nicht überschätzen sollten! Am Ende hättet ihr doch eh keinen Plan, was ihr spielen wollt.“
 

„Oh ich hätte da einige Ideen!“, warf Satoshi dazwischen. „Wie wäre es zum Beispiel mit Jesus von Luna Sea? Das Opening ist genau nach meinem Geschmack. Oder Rusty Nail ist auch nicht schlecht.“
 

Tatsuro musste etwas schmunzeln über die Euphorie, die Satoshi an den Tag legte.
 

„Ich mag ja Dejavu ganz gerne, das könnten wir mal versuchen.“, brachte er seinen Vorschlag mit ein, wofür Yaguchi aber nur ein Kopfschütteln erübrigen konnte.
 

„Übernehmt euch mal nicht.“, erklärte er seine Reaktion schließlich. „Was glaubt ihr denn, wie lange diese Bands gebraucht haben, bis sie diese Songs richtig beherrscht haben? Wir sind gerade mal am Anfang von Allem und können froh sein, wenn wir diese Softie-Songs ohne große Fehler rüberbringen. Um einen Song wie Jesus oder Dejavu spielen oder singen zu können, muss man schon etwas mehr Talent sein eigen nennen können, als es momentan der Realität entspricht.“
 

Das war wieder typisch für Yaguchi, ging es Tatsuro auf diese Predigt durch den Kopf. Wo andere einfach nur den Spaß an einer Sache sahen, gab es für ihn nur eiskalte Fakten. Yaguchi schien mit Leib und Seele der Musik verschrieben zu sein. Für ihn war es längst kein einfaches Hobby mehr, sondern eine sehr ernstzunehmende Beschäftigung, bei der er keinerlei Unordnung gutheißen mochte.
 

Und genau diese Einstellung war es, die Tatsuro selbst noch fehlte. Jedoch erforderlich wäre, wollte er in dieser Branche etwas für sich erreichen. Yaguchi mochte ein unglaublich anstrengender Typ sein, den er unter anderen schicksalhaften Umständen sicherlich nicht einmal realisiert hätte, selbst wenn sie in dieselbe Klasse gehen würden. Wäre Sato nicht eines Tages mit der Nachricht zu ihm gekommen, dass ihre Schulband einen neuen Sänger suchte, dann würde er Yaguchi überhaupt nicht kennen.
 

Ob dies nun Glück oder eine Strafe des Schicksals sein sollte, darüber galt es noch ausführlicher zu grübeln.
 

Doch für diesen, sie gerade umgebenden Augenblick, so musste sich Tatsuro zugestehen, fühlte er so etwas wie Bewunderung für den exzentrischen und etwas zu kurz geratenen Jungen, der scheinbar genau wusste, was er aus seinem Leben einmal würde machen wollen. Und wie er es anzustellen hatte, seine Ziele auch erreichen zu können.
 

Er hingegen hatte nur einen schmalen und unwegsamen Pfad vor sich liegen, und jeder falsche Schritt könnte sein Vorhaben zu Nichte machen, würde er nicht genau Acht geben.
 

Ein inniges Seufzen trat Tatsuro über diese Gedankengänge hin über die Lippen, was ihn auch spürbar seine Willenskraft zu entziehen wusste.
 

Was, wenn er einfach zu schwach sein würde?
 

Was, wenn er mit der Entscheidung der Musik zu folgen einen ungemein großen Fehler beging?
 

Er war kein Wunderkind, das mit ungeahnten Talenten überzeugen konnte und sich bei einer Niederlage einfach in einer anderen Nische behauptete.
 

Alles was er war, war nichts Besonderes.
 

Nichts, worauf er sicher aufbauen konnte.
 

Würde er etwas zu Stande bringen wollen, dann müsste er von ganz unten anfangen und er kannte sich gut genug um zu wissen, dass sein Stolz ein -Ganz unten- nur sehr schwer akzeptieren konnte.
 

Verdrießlich schüttelte Tatsuro seinen Kopf, der mit jedem Fakt zu dieser Sache nur noch mehr an Gewicht zuzunehmen schien.
 

„Alles in Ordnung?“, hörte er plötzlich jemanden an seiner Seite fragen und erkannte Hiro neben sich, der ihm eine Hand auf seine Schulter gelegt hatte und ihn mit so etwas wie Besorgnis in den Augen anschaute.
 

Es war nicht das erste Mal, dass Hiro ihm auf diese freundschaftliche Art und Weise nahe kam. Trotzdem umfing Tatsuro bei so etwas ständig dieses Gefühl einer drängenden Unruhe. Gleich einem Reflex zur Flucht.
 

Es war einfach zu selten geworden, dass ihm jemand solche Gesten entgegen brachte. Mal abgesehen von Sato, aber bei ihm war er es einfach gewöhnt, weil sie sich schon ewig kannten.
 

Doch auch wenn er sonst etwas grob behauen wirkte so wusste Tatsuro, dass es mehr als albern wirkte, wenn er bei solchen simplen Berührungen ständig Distanz suchen würde. Konnte man es auch schnell als eine Anfeindung deuten. Aber er hatte nichts gegen Hiro. Er war ein lockerer und umgänglicher Typ.
 

Also schluckte er diese seltsame Nervosität so gut es ging hinunter und brachte sogar ein schiefes Grinsen zu Stande, bevor er Hiro wissen ließ, dass er nur etwas zu tief in Gedanken versunken war.
 

„OK.“, nahm Hiro seine Erklärung an, bevor er sich wieder von ihm entfernte und sich, wie schon einige Minuten zuvor, an das leicht geöffnete Fenster stellte, um sich erneut eine Zigarette anzuzünden.
 

„ODER…“, hallte es plötzlich durch das winzige Zimmer, „wie wäre es, wenn wir was von Derulangche spielen würden? Ich weiß, dass du auf deren Sänger stehst Miya-kun.“, offenbarte Satoshi dieses Detail, was Yaguchi schlagartig rot werden ließ. „ Sie heißen D´erlanger! Und ich steh nicht auf den Sänger. Ich bewundere seine Bühnenpräsenz, nichts weiter.“, zischte dieser reichlich aufgestachelt, worauf sich die Diskussion zwischen Satoshi und Yaguchi noch etwas weiter zuspitzte.
 

Was jeden anderen, der diese beiden nicht kannte, wohl zu der Annahme bewegt hätte, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis sich die beiden nicht nur mit Worten niederzuringen versuchten.
 

Doch Tatsuro kannte diese Szene schon. Zu oft hatten er und auch Hiro mitverfolgen können, wie sich die beiden ein musikzentriertes Wortgefecht lieferten.
 

Bis schließlich einer von ihnen genervt das Handtuch warf und grummelnd mit einem, „Idiot“ oder „fanatischer Besserwisser“, das Ende dieses Zweikampfes einleitete.
 

Und diesmal war es Yaguchi, der schließlich entnervt die Hände gen Himmel streckte und folglich mit einer abwinkenden Geste Sato stehen ließ.
 

Tatsuro grinste leicht.
 

Egal wie unterschiedlich sie auch alle in ihrem Wesen sein mochten, so gab es dennoch eine Sache die sie alle zu verbinden wusste.
 

Musik.



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