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Schöne heile Welt

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Schöne heile Welt

KAPITEL 1

Schöne heile Welt
 

Es war ein Tag, wie er im Bilderbuch stehen sollte: Die Sonne schien. Die Vögel zwitscherten. Die Natur blühte. Alles war gut gelaunt und fröhlich.

'Warum also muss ich heute zur Schule gehen?', dachte Duo missmutig, während er allein im Klassenzimmer saß. Er war zu früh da (was bei ihm eigentlich so gut wie nie vorkommt), denn Hilde hatte ihn schon um 5 Uhr aus dem Haus gezerrt, damit sie am ersten Schultag des neuen Schuljahres auch ja nicht zu spät kommen würden. Und jetzt war Hilde mit ihren Freundinnen plauschen und Duo saß allein im Klassenzimmer. Allein. Verlassen. Und zu Tode gelangweilt. Er vergrub den Kopf in seinen Händen und versank in Selbstmitleid. Er hatte viel gekämpft und mit seinen Freunden viel durchlitten. Gerade jetzt, wo halbwegs Frieden zwischen den Kolonien und der Erde herrschte, hatte er auf etwas Entspannung und Freizeit - ja, vor allem auf viel Freizeit - gehofft. Er hatte echt null Bock jetzt in diesem Raum seine Schulzeit abzubüffel. Warum auch?

"Ja, warum auch?", sprach er laut aus, schnappte sich seine Schultasche und machte sich auf den Weg in Richtung Tür mit dem festen Entschluss, diesen Raum nicht mehr zu seinen Lebzeiten zu betreten.

Als er gerade hinaus wollte, kamen ihm Quatre und Chang entgegen. Duos miese Stimmung schlug von einem Moment auf den anderen in eine von Freude überquellende Hyperaktivität über.

"Quatre! Chang! Wo wart ihr so lange? Ich warte schon die ganze Zeit! Man, ich freu mich total euch wiederzusehen! Was habt ihr in letzter Zeit so getrieben? Wie geht es eigentlich deinen Schwestern Quatre? Habt ihr Trowa nicht dabei? Hat einer von euch eigentlich eine Ahnung, ob Heero hier auch mal auftauchen wird, oder hat der große Krieger sich vom normalen Leben eines Schülers bereits verabschiedet? Habt ihr Hilde gesehen? Sie ist auch schon da, aber sie..."

Changs strenger Blick brachte ihn wieder auf den Boden zurück. Duo lächelte entschuldigend und Quatre konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Zu dritt setzen sie sich nun in den nicht mehr so leeren Klassenraum. Während Chang nur wenig Interesse zeigte, sich Duos Neugierde auszuliefern, beantwortete Quatre bereitwillig von Duos Fragen.

Nach einigen Minuten trudelten dann die nächsten Schüler ein, welche schon recht verwundert waren, dass Duo, Chang und Quatre bereits so früh in der Schule waren. Von Quatre war man im allgemeinen zwar ein vorbildliches Verhalten gewöhnt, aber dass nun auch Duo und Chang zu Strebern mutieren würden, das machte den meisten doch etwas Angst.

Duo grinste jeden von ihnen unverschämt lange an.

"Es hat sich doch gelohnt, so früh in die Schule zu kommen. Allein, um deren verdutzte Gesichter zu sehen. Oder?" Es war Hilde, die diese Frage stellte und sich nun zu dem Trio gesellte. Duo sah sie bockig an und schmollte dann. Auf Hildes fragenden Blick erwiderte Quatre nur: "Tja, du darfst ein kleines Kind doch nicht so lange allein lassen, Hilde." Alle lachten. Es war ein befreiendes Lachen, unbeschwert, als ob sie nie etwas anderes als normale Kinder mit einem normalen Leben gewesen wären. Der Krieg und die Kämpfe waren vergessen ... oder jedenfalls wollte man sie vergessen.

Sie unterhielten sich noch eine Weile über ihre Ferien und was sie sonst alle so getrieben hatten in letzter Zeit, bis Quatre endlich 5 Minuten vor Unterrichtsbeginn bemerkte: "Also langsam könnten Heero und Trowa auch mal kommen." - "Ich weiß nicht so recht, aber Relena wollte eigentlich auch kommen. Sie hat zwar immer noch viel mit der Politik zu tun, da sie immer noch offiziell als Botschafterin fungiert, aber sie hatte doch den Wunsch geäußert, wenigstens ihre Ausbildung beenden zu wollen." Dabei sah sie nachdenklich zur Tür.

Duo grinste gemein: "Ausbildung beenden ... so'n Quatsch! Sie hofft doch bloß, dass sie hier wieder Zeit mit ihrem Heero verbringen kann, hihihi." Zuerst sahen ihn die anderen entsetzt an, doch dann lachten auch sie los.

"Was ist denn so lustig? Vielleicht darf ich mitlachen?"

Duo schreckte auf. Da stand Relena plötzlich hinter ihm. Wieviel hatte sie mitgehört? Ihm blieb das Lachen im Halse stecken. Jetzt war guter Rat teuer. Quatre half ihm aus dieser peinlichen Situation heraus: "Wir haben uns nur an alte Zeiten erinnert. Schön, dass du auch kommst, Relena!"

Er lächelt höflich, während Relenas Blick schon wieder durch die Klasse schweifte.

Hilde bemerkte dies, wie sie auch Duos wiederkehrendes Grinsen bemerkte. Sie stieß ihn derb mit dem Fuß an - ein eindeutiges Zeichen, welches ihm zeigte, dass er sich jeden weiteren Kommentar verkneifen sollte. Doch Duo konnte dem Drang einfach nicht widerstehen.

"Du brauchst dich gar nicht so sehnsüchtig umzuschauen, Heero ist nicht da. Wer weiß, vielleicht wird ja gar nicht mehr zur Schule kommen?"

Relena sah ihn mit einem Blick an, welcher eine Mischung aus leicht aufkommender Panik und totaler Ich-könnte-dich-dafür-umbringen-Wut war. Noch bevor sie darauf regieren konnte, klingelte es jedoch zum Unterricht. Die beiden Mädchen setzten sich widerwillig auf ihre eigenen Plätze, während Quatre sich brav in eine optimale Lernstellung begab und Duo seinen Kopf derb auf die Bank aufknallen ließ. "Jetzt geht der Terror wieder los", ließ er nur noch vernehmen, als der Lehrer den Raum betrat. Chang tat nichts dergleichen, sondern sah auch weiterhin unbeteiligt aus dem Fenster. Er hatte anscheinend wirklich vor, seine bewährte Außenseiterrolle in der Klasse wieder einzunehmen.

Der Unterricht bestand wie gewohnt zu Schuljahresbeginn aus sinnlosen Belehrungen, Höflichkeitsfloskeln und Verhaltensregeln ... mit anderen Worten: Der Lehrer redete und keiner hörte zu. Duo, Hilde und Relena schrieben sich Briefchen.

Quatre, welcher krampfhaft versuchte, den Ausführungen des Lehrers trotz der Unruhe in der Klasse zu folgen, bemerkte plötzlich einen leicht angespannten Ausdruck auf Changs Gesicht. Er starrte jetzt regelrecht zum Fenster hinaus. Als auch Quatre sich leicht vorbeugte, um einen Blick erhaschen zu können, sah er auch warum: Da kam nämlich Heero mit einem Wahnsinns-Sprint zur Schule gestürmt. Doch auch wenn dies ungewöhnlich genug war, so war das doch nicht der Grund für Quatres und Changs Verwunderung.

Erstaunt waren sie über das blonde Mädchen, welches er hinter sich herzog. Quatre konnte die beiden zwar nur kurz sehen, doch er erkannte auf den ersten Blick, dass sie recht hübsch sein musste. Entgeistert versuchte er sich wieder halbwegs auf den Lehrer zu konzentrieren, als Duo ihn flüsternd ansprach: "Hey, Quatre! Was'n los?" Quatre sah ihn nur einen Moment lang an, dann antwortete er: "Heero kommt gerade..." Mehr brachte er nicht raus. Kein Wort über die mysteriöse Fremde. Was vielleicht auch besser war, denn Duo hätte sich sicherlich wieder eine eigene idiotische Geschichte zusammengesponnen.

"Cool", sagte dieser. "Hey, Relena, hör mal, dein..."

Weiter kam er nicht, da die Tür des Klassenzimmers ohne Anzuklopfen abrupt aufgerissen wurde. Ein atemloser Heero stand da und sah den verdutzten Lehrer grimmig an. "'tschuldigung", brachte er schließlich heraus und setzte sich ohne ein weiteres Wort auf seinen angestammten Platz. Duo musste sich echt zusammenreißen, damit er nicht laut loslachte. Der Lehrer seufzte nur hoffnungslos. "Tja, schön zu sehen, dass wieder alles beim Alten ist." Er wusste, wie sinnlos es war, Heero Yuy zur Verantwortung ziehen zu wollen. Irgendwie schien er gehofft zu haben, dass Heero wohl überhaupt nicht mehr kommt.

Duo grinste seinen Freund frech von der Seite an. Er freute sich echt tierisch, ihn wiederzusehen. Vor allem, weil Heero nicht irgendwie verletzt war: Da waren keine gebrochenen Knochen, geprellte Rippen oder sonstige blaue Flecken.

Relena drehte sich um und lächelte Heero von tiefstem Herzen an. Jeder andere Junge wäre bei diesem Lächeln dahingeschmolzen, doch Heero tat nicht dergleichen.

"Und? Schöne Ferien gehabt, Heero?", fragte Duo. Ein "Hn!" war die einzige Antwort, die er von Heero auf alle Fragen in dieser Stunde erhielt.

Relena lächelte noch immer. Es war alles wie früher. Bloß ohne Krieg. Bloß ohne Kampf. Es war eine schöne heile Welt, dachte sie sich.

Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als dass es für immer so bleiben würde.

Doch wie uns die Geschichte lehrt, wissen wir, dass es keine 'schöne heile Welt'gibt.

Es gibt immer etwas, das diese Welt zerstört.

Und dieses Etwas steckte dann zu Beginn der anbrechenden Pause seinen hübschen blonden Kopf durch die Tür herein.

Eindringling (?)

KAPITEL 2

Eindringling (?)
 

Relena bemerkte sie zuerst. Sie war ein junges Mädchen, wahrscheinlich aus den unteren Klassen, aber sie hatte sie noch nie zuvor gesehen. Wer war sie?

Relena wurde misstrauisch. Heero und die anderen waren gerade in eine heftige Diskussion vertieft, an der sich auch Chang beteiligte. Sie hatten die Blonde noch nicht bemerkt.

Ganz im Gegensatz zu den meisten anderen Jungen in der Klasse, welche nun neugierig den Kopf nach der unbekannten Schönheit renkten.

Diese stand etwas unsicher immer noch im Türrahmen. Der Lehrer war für die Pause zu einer privaten Besprechung abberufen worden, dennoch traute sie sich nicht so recht hinein. Sie trug ihre langen blonden Haare offen, so dass sie einen interessanten Kontrast zu ihren vollkommen schwarzen Klamotten darstellten. Ihre Augen, welche von ihrem Pony fast vollkommen verdeckt wurden, schweiften suchend durch die Klasse, bis sie sich schließlich auf Heero Yuy fest hafteten. Sie machte aber immer noch keine Anstalten den Raum zu betreten oder Heero auch irgendwie nur ein Zeichen ihrer Anwesenheit zu geben. Sie stand einfach nur da und wartete ängstlich und nervös, während sie von allen angegafft wurde, was ihr sichtlich unangenehm war.

Relena hatte jede ihrer Bewegungen verfolgt. Sie kochte innerlich, was sie sich doch eigentlich gar nicht erklären konnte. Sie kannte dieses Mädchen nicht. Sie wusste nichts über sie und sah sie doch eigentlich zum ersten Mal. Als zukünftige Diplomatin war es ihre Pflicht, möglichst vorurteilsfrei jeder Person gegenüber zu stehen. Doch sie konnte sich nicht gegen ihre aufkommenden Gefühle wehren. Ihre Instinkte verrieten ihr, diesem Mädchen nicht zu trauen. Sie war wie ein Eindringling in Relenas Augen. Ja, ein Eindringling. Ein Eindringling in ihr Territorium. Dieses Mädchen gehörte hier nicht hin. Da war sich Relena sicher. Sie hatte ein ungutes Gefühl.

Chang bemerkte Relenas gedankliche Abwesenheit und folgte ihrem Blick, so dass auch er die blonde Schönheit sah.

Seine Reaktion fiel aber bei weitem anders aus als die von Relena. "Hey, Heero, ist das nicht die, mit der du auch zur Schule gekommen bist?", rief er laut und etwas überrascht aus.

Quatre drehte sich ruckartig um und war ebenfalls überrascht. Jedoch wohl eher, weil dieses Mädchen aus der Nähe betrachtet noch hübscher aussah als aus der Entfernung.

Während Hilde nun auch neugierig die Fremde beäugte, funkelte Relena Heero böse an. '...mit ihr zur Schule gekommen?', ging es ihr durch den Kopf. 'Was zum Teufel hat Heero mit DER zu schaffen?'

Heero lehnte sich in aller Seelenruhe nach hinten, beugte seinen Kopf, so dass auch er die Kleine in der Tür sehen konnte und sah sie fragend an.

Duo war der einzige, der nichts sehen konnte, weil ihm alle anderen den Blick versperrten. Er verrenkte sich in alle Richtungen, konnte jedoch keinen Blick erhaschen. "Jetzt reicht's mir aber! Ich will auch was sehen!", sagte er lautstark und stand mit einem solchen Schwung von seinem Stuhl auf, dass dieser nach hinten wegflog. Als er die blonde Gestalt am anderen Ende des Zimmers erblickte, wurde er jedoch ganz still. Eine unbemerkte Röte stieg in sein Gesicht und Duo hatte echt alle Mühe, seine Fassung zu bewahren. Und dann sah er wieder nichts mehr, denn Heero war aufgestanden und versperrte ihm nun wieder die Sicht. Duo schreckte aus einem tranceartigen Zustand auf und suchte verzweifelt nach irgendeinem coolen Spruch, den er jetzt loslassen könnte.

Als das Mädchen in der Tür Anstalten machte zu gehen, sagte Heero: "Entschuldigt mich mal kurz!" und begab sich dann in ihre Richtung. Alle sahen ihm fassungslos hinterher. Relena war zutiefst schockiert und irgendeiner Reaktion unfähig.

Das Mädchen sah Heero aus großen Augen an, als dieser sie sanft an der Schulter packte und mit sich um die Ecke zog. Die anderen starrten ihm immer noch ungläubig hinterher.

Chang war derjenige, welcher überraschender Weise als erster die herrschende Stille durchbrach. "Ich will sehen, was da los ist!", brachte er heraus und huschte dann in Richtung Tür.

Duo wusste nicht was ihn mehr überraschte: Heeros Beziehung zu einem so hübschen Mädchen oder Changs unbeherrschte Neugier. "Das ist doch der Hammer! Da hat sich unser kaltblütiger Heero über die Ferien doch eine nette kleine Liebschaft angelacht...." Er wollte eigentlich noch ein 'Hach, hat der's gut' hinzufügen, doch Relena machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Der letzte Kommentar hatte ihr den Rest gegeben und ihr Geduldsfaden war nun endgültig gerissen. Entschlossen folgte sie Chang zur Tür, wo die beiden sich auf die Lauer legten und vorsichtig um die Ecke lugten. Noch bevor sie sich versehen konnten, standen bzw. hockten auch Duo, Hilde und Quatre neben ihnen.

"Wir wollen doch auch wissen, was da vorgeht", brachte Quatre entschuldigend hervor.

Heero stand am Ende des Ganges und redete mit der Unbekannten. Er stand mit dem Rücken zu den anderen und verdeckte so leicht die Gestalt des Mädchens, doch sie war es. Eifersucht funkelte in Relenas Augen auf. Hilde, welche Angst hatte, dass Relena die Nerven verlieren und einen Aufstand machen würde, fasste sie leicht am Arm und machte "Pssst!", um sie zur Ruhe zu rufen.

Sie konnten leider nicht hören, worüber die beiden sprachen. Nur ein leises Flüstern drang bis zu ihnen herüber.

Und dann geschah es: Die Kleine lächelte Heero lieblich an. Und als ob das noch nicht genug wäre, konnte Relena genau erkennen, wie Heero, als er sich leicht drehte, zurück lächelte. Heero hatte ein Mädchen angelächelt. Ganz freiwillig. Und dieses Lächeln kam von Herzen. Sein ganzes Gesicht strahlte eine derartige Sympathie für dieses fremde Mädchen aus, dass es Relena das Herz brach.

"Ich muss mal aufs Klo", brachte sie mühsam hervor und stand dann geräuschvoll auf und ging für Heero und seine neue Freundin klar sichtbar davon. Das Mädchen sah ihr fragend hinterher und auch Heero sah besorgt in ihre Richtung, doch das entging Relena. Duo hatte keine Worte mehr. Er sah ihr sprachlos hinterher.

"Ich geh ihr mal nach", rief Hilde besorgt und war auch schon in Relenas Richtung verschwunden.

Das blonde Mädchen erblickte nun Duo, Quatre und Chang, welche sich wohl zu weit aus ihrer Lauscherecke herausgewagt hatten. Die drei fühlten sich auf frischer Tat ertappt und lächelten sie nur verlegen an. Von Heero traf die drei ein böser Blick, als die Kleine sich von ihm zu verabschieden schien. Sie stellte sich kurz auf die Zehenspitzen und gab Heero einen Kuss auf die Wange, worauf sie anschließend mit einem leicht fliegenden Schritt in einem Seitengang verschwand.

"Gott sie Dank, dass Relena DAS nicht gesehen hat, sonst würde hier sehr schnell ein weiterer Weltkrieg toben", flüsterte Duo leise.

Heero stand noch eine Weile da und sah dem Mädchen glücklich hinterher. Er lächelte wieder. Dann wurde er aber schlagartig ernst und begab sich zurück ins Klassenzimmer, ohne an seine drei neugierigen Freunde auch nur ein einziges Wort zu richten.

Als es zum Unterricht klingelte, waren Hilde und Relena immer noch nicht wieder da. Heero, Duo, Quatre und Chang wechselten kein Wort.

"Er hat sie angelächelt", brachte Relena unter Zähneknirschen hervor. Sie lehnte im Damenklo an einer Seitenwand und starrte ins Leere. Hilde stand ein Stück von ihr entfernt und sah sie mitfühlend an. Sie wagte es nicht, irgendwas zu sagen, aus Angst, Relenas Wut nur noch zu schüren.

"Angelächelt", wiederholt sie tonlos. Dann verhärteten sich ihre sonst so zarten Gesichtszüge und ohne Vorwarnung drehte sie sich plötzlich um und schlug mit voller Wucht gegen die Wand. Hilde zuckte zusammen, da der Schlag so heftig war, dass die Kacheln davon wackelten.

"Angelächelt", wiederholte sie wieder. Dann trat sie gegen die Wand. Immer und immer wieder.

"Als ich ihn heute angelächelt habe, hat er nicht mal eine Miene verzogen! Und SIE lächelt er an!!!!!", brach es schließlich aus ihr heraus. Sie stieß sich von der Wand ab und lief nun aufgebracht vor den Waschbecken auf und ab.

'Wie ein verletztes Raubtier', dachte Hilde ängstlich. Sie hatte Relena noch nie so wütend erlebt.

"Wer ist sie? Warum benimmt er sich zu ihr so herzlich? Wir kennen ihn schon so lange und zu keinem von uns, war er je so freundlich!" 'Zu mir jedenfalls nicht' ... das war es doch, was Relena sagen wollte. Hilde sah sie nur mitleidig an.

Relena lehnte sich wieder an eine Wand und sank zu Boden. Sie vergrub den Kopf zwischen ihren Armen, um ihre Verletzbarkeit vor Hilde zu verbergen. Sie war doch stark. Sie durfte jetzt nicht weinen. Sie zog doch nur voreilige Schlüsse. Von so etwas darf sie sich nicht beeinflussen lasse. Sie darf sich nicht aus der Fassung bringen lassen. Nein, nicht sie. Sie war doch Relena. Relena Peacecraft!

"Relena!" Hildes sanfte Stimme drang zu ihr durch. "Wir sollten jetzt in den Unterricht zurückkehren."

Relena stand auf und sah Hilde aus festen und selbstsicheren Augen an.

"Ja, du hast recht. Lass uns gehen!" Ein erzwungenes Lächeln sollte ihre Aussage untermauern.

Sie bereute ihren kurzen Zusammenbruch von eben und wollte ihrer Freundin daher um so mehr ihre eigentliche Stärke zeigen. Sie war doch Relena Peacecraft. So etwas würde sie nicht zu Fall bringen. Sie würde auch mit dieser Situation fertig werden. Sie würde kämpfen! Kämpfen um Heero!

Relena vs. "Etwas Blondes"

KAPITEL 3

Relena vs. "Etwas Blondes"
 

Den Rest des Tages sprachen Relena und Heero kein Wort mehr miteinander. Im Unterricht war es leicht, einander zu ignorieren. In den Pausen flüchtete Relena immer mit irgendeiner Ausrede aus dem Klassenraum : "Ich muss zu meinem Schließfach." - "Ich will mir was zu essen holen." - "Ich will mir was zu trinken holen." - "Ich muss noch jemanden anrufen." usw. In Wirklichkeit streifte sie durch das Schulhaus und lugte in jeden Klassenraum, um so die mysteriöse unbekannte Rivalin auszumachen. So war sie es gewohnt. Es war wie in der Kriegsführung : Kenne deinen Feind! Und Relena kannte sie, die sie doch eindeutig als ihren Feind oder immerhin als ihre Rivalin ansah, doch gar nicht.

Wichtig war es erst mal, ihren Namen herauszufinden, ihr Alter und ihre Klasse ... leider war Relena in allen drei Punkten erfolglos. Die mysteriöse Unbekannte blieb bis zum Ende des Tages mysteriös und unbekannt. Vielleicht hätte sie Hilde oder Duo oder sonst wen um Hilfe bitten sollen, aber es war ihr peinlich, derart eifersüchtige und zickige Gefühle zu haben. Sie wollte sich so nicht vor ihren Kameraden präsentieren.

Hilde und Quatre kümmerten sich um Schuldinge, Heero hingegen verbrachte die Pausen wie immer schweigend. Und Chang tat es ihm gleich - Duo vermutete schon, dass eine seltsame Krankheit (Schweigeritis genannt) die Runde machte, denn er war derjenige, der am meisten unter dieser kühlen und distanzierten Atmosphäre zu leiden hatte. Der arme geschwätzige Kerl musste sich dann wohl oder übel mit den übrigen "niederen Normalzivilisten" unterhalten, wobei diese Unterhaltungen meist aus gemeinen beleidigenden Witzeleien von Duos Seiten und unterdrückter Wut auf Seiten der Angesprochenen bestanden.

So ziemlich jeder der Freunde war froh, als dieser erste Schultag endlich zu Ende war. Heero, Duo, Quatre und Chang versammelten sich vor dem Schulgebäude, weil Duo noch auf Hilde warten wollte.

Wieder sagte keiner ein Wort. Duo versuchte verzweifelt einen Impfstoff gegen die Schweigeritis zu entwickeln.

"Hey, Trowa war ja heute gar nicht da...."

Keine Reaktion.

Chang sah in die Ferne, Quatre auf den Boden und Heero irgendwohin.

"Was meint ihr? Ob er immer noch beim Zirkus ist?"

Wieder keine Reaktion.

"Ich würde es ihm zutrauen..."

Kein Kommentar.

Nicht mal ein "Hn" von Heero war zu vernehmen.

"Ja, ich finde euch alle auch sehr gesprächig heute! Es ist wirklich immer wieder ein Vergnügen mit euch zu reden!"

Keine Reaktion.

Nur Quatre scharrte betreten mit dem Fuß auf dem Boden.

Duo wurde langsam aber sicher ärgerlich.

"Oh, ja, das hat mir die ganzen Ferien lang soooooo gefehlt...."

Sarkasmus - Duos letzte Zuflucht.

Er atmete erleichtert auf, als Hilde und Relena kamen. Dann konnten sie ja endlich alle nach Hause gehen..

Hilde kam zu den anderen und begann mit etwas Small-Talk-Geplänkel; Duo war schon froh, dass überhaupt jemand mit ihm redete, denn Relena schien sich auch mit Schweigeritis angesteckt zu haben. Jedenfalls stand sie etwas entfernt von den anderen und starrte auf die Straßenkreuzung. Von seinem Standpunkt aus konnte Duo natürlich nicht erkennen, auf wen Relena da eigentlich starrte, als sie plötzlich sagte: "Geht schon mal allein nach Hause! Ich hab noch was dringendes zu erledigen."

Mit diesen Worten verschwand sie auch schon in Richtung Kreuzung. Niemand von ihnen hatte das junge blonde Mädchen gesehen, das die ganze Zeit versuchte, sich dort vor Relenas bösen Blicken zu verstecken.

Nach einigen Minuten entschlossen sich dann Duo und Hilde nach Hause zu gehen. Chang und Quatre folgten ihnen wortlos, nur Heero wurde etwas nervös. Schließlich folgte auch er ihnen.

Als sie an der Kreuzung waren, trat die blonde Schönheit aus der ersten Pause auf Heero zu. Duo, Quatre und Chang wurden ungewollt rot und starrten sie wie die Affenmenschen an.

"Wo warst du? Ich hab auf dich gewartet?", fragte Heero leise mit einer Mischung aus Besorgnis und Vorwurf.

"Entschuldige, bitte", antwortete die Angesprochene mit einer sanften und überirdisch klingenden Stimme. Duo und Quatre waren hin und weg.

"Ich ....ich habe mich mit ein paar .... Klassen ... ja, Klassenkameraden getroffen ... und .... und wir .... naja, sie wollten mir die Umgebung zeigen ... ich ...ich geh dann später allein nach Hause ... Tschüss!", brachte sie hastig und stockend heraus und verschwand dann so schnell, wie sie gekommen war. Heero war misstrauisch. Sie blickten ihr sprachlos hinterher. Für Duos Geschmack waren alle heute ein wenig zu oft sprachlos. Er fand als erster seine Worte wieder und nutzte diesen Vorteil natürlich, um irgendeinen dämlichen Kommentar loszulassen.

"Was denn? Kein Küsschen auf das Wängelein?", fragte er neckisch.

Ein drohender Blick von Heero war die einzige Antwort, die er erhielt.

'Tja', dachte sich Duo,'schön, dass die Kommunikation zwischen Heero und mir wenigstens wie immer klappt.'

Lächelnd folgte er Heero, welcher nach Hause ging und auch die anderen brachen auf, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt.

Die Blonde sah ihnen von der gegenüberliegenden Straßenseite hinterher, ohne von ihnen bemerkt zu werden. Als alle verschwunden waren, drehte sie sich um und sagte ernst:

"Sie sind jetzt weg. Was willst du also?"

Sie blickte Relena fest in die Augen, welche den Blick erwiderte.

Relena hatte die Kleine schon von weitem entdeckt und sie abgefangen, bevor sie mit Heero reden konnte. Sie hatte ihrer Rivalin unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass sie mit ihr reden wollte. Allein. Unter vier Augen. Und zwar sofort.

Nun standen sich die beiden Mädchen gegenüber und betrachteten sich feindselig.

Relena bereitete sich geistig auf die kommende Auseinandersetzung vor.

"Du weißt, wer ich bin?", fragte sie überlegen und versuchte die Kleine einzuschüchtern.

"Nein. Ist das denn von Bedeutung?", erwiderte diese herablassend.

Relena brauchte einen Moment, um sich zu sammeln und sich nicht sofort wutentbrannt auf dieses kleines arrogante Ding zu stürzen, wie ein hungriger Säbelzahntiger.

"Ich bin Relena Peacecraft. Die rechtmäßige Erbin des Königreiches Peacecraft und Diplomatin im äußeren Dienst!" Na also, wenn das jetzt keinen Eindruck bei der schinden würde, dann...

"Und? Schön für dich! Was willst du von mir?"

Relena sah sie nur einen Moment lang total baff an.

Diese Respektlosigkeit war ja wohl nicht zu ertragen! Na gut, Relena war bereit, in die Vollen zu gehen.

"Ich wollte mal mit dir 'reden'." Sie ließ eine eindrucksvolle Pause. "Über Heero."

Die Blonde zeigte keine Reaktion darauf. Sie blickte Relena fest und bereit zum Gegenangriff an. Beide waren jetzt auf Konfrontationskurs.

"Du scheinst dich ja sehr gut mit ihm zu verstehen." Relena begann um sie herumzuschleichen, wie ein Raubtier um ihre Beute. Dabei sah sie sich die Kleine von oben bis unten an. Relena wollte ihr einen Eindruck von Überlegenheit vermitteln, von Autorität.

Ein Lächeln huschte über das Gesicht der Blonden und sie erwiderte heimtückisch: "So? Scheint es?"

Relena fuhr fort: "Ja, ich meine ... hey, wieviele Mädchen lächelt Heero denn schon an?Wo habt ihr euch denn kennengelernt?"

"Auf der medizinischen Station einer Randkolonie", war die knappe Antwort.

Relena bereitete ihre nächste Frage vor, als die Kleine sagte:

"Ich weiß ja nicht, was du dagegen hast, wenn Heero lächelt, aber ich habe heute wirklich noch einiges vor. Wenn du also mit deinem Verhör zu einem baldigen Ende kommen würdest, Relena Peacecraft, rechtliche Erbin des Königreiches Peacecraft und Diplomatin im äußeren Dienst, dann wäre ich dir wirklich zutiefst zu Dank verpflichtet!"

Relena war einfach nur verblüfft und total entrüstet über das Ausmaß dieser Ironie. Herausfordernd traf sie der Blick dieses kleinen blonden Miststücks. Noch nie hatte sie jemand derart gereizt. Sie war einen Moment lang sprachlos und suchte krampfhaft nach den richtigen Worten, um ihrem Gegenüber diese Frechheit heimzuzahlen. Sehr schnell hatte Relena begriffen, dass jedes falsche Wort dieser Fremden nur einen weiteren Angriffspunkt ermöglichen würde.

Und so war es auch, denn diese Denkpause nutzte die Kleine wieder schamlos aus und erwiderte selbstsicher:

"Was? Kommt nichts mehr? Gut, dann gehe ich jetzt. War echt nett mit dir zu plaudern!"

Und mit diesen Worten nahm sie ihre Tasche vom Boden und ging um Relena herum.

Diese fasste sich aber blitzartig und packte ihre Rivalin stark am Arm und hielt sie so zurück. Sie war unheimlich schwach. Relena hätte wohl keine Schwierigkeiten gehabt, sie sofort zu Boden zu werfen, aber sie begnügte sich damit, sie vorerst nur mal festzuhalten.

"Lass mich sofort los!", fauchte sie Relena dennoch gefährlich an.

"Oder was?", erwiderte diese. "Willst du mich dann beißen?"

Mit einem heftigen Ruck befreite sie sich aus Relenas Griff und baute sich dann in einiger Entfernung vor ihr auf.

"Fein ... dann setzen wir unsere Unterhaltung halt fort ... ach, darf ich Sie eigentlich duzen, oder soll ich sie mit Eure Hochwohlgeboren oder Eure Majestät anreden?"

Der Hohn und die Verachtung in ihrer Stimme brachten Relena noch mehr zum Kochen.

"Du kleines Miststück. Achte mal besser auf deinen Ton, denn ich möchte dir wirklich nicht raten, mich zum Feind zu haben!" Obwohl sie doch schon längst wusste, dass es dazu schon zu spät war. Die beiden waren bereits Feinde. Und mitten in einem erbitterten Kampf.

"Wo waren wir also stehen geblieben", setzte Relena ihr Verhör fort und gewann langsam ihre Selbstsicherheit und Stärke wieder. "Ihr habt euch also auf der Krankenstation einer Randkolonie getroffen. Und wie? War Heero mal wieder verletzt und als du ihn so leidend und gequält auf seinem Krankenbett gesehen hast, hat es wohl gefunkt?"

Aus Relenas Stimme sprach ihre Eifersucht, aber auch ihre Verletzlichkeit drang durch.

Die Blonde blickte Relena plötzlich verwundert und überrascht an.

"Oder hast du armes kleines Ding Probleme gehabt, weil dich irgendein böser wilder Typ bedroht hat und der gute Heero war dein Retter in der Not, welcher sich nach geglückter Rettungsaktion als der Prinz deines Lebens herausgestellt hat?"

Die Augen der Kleinen weiteten sich immer mehr. Sie starrte Relena nur noch verdutzt an.

"Oder halt ... vielleicht war dein Vater irgendein berühmter Wissenschaftler, der mit Heero geschäftlich zu tun hatte und ihr habt euch durch die Arbeit kennengelernt ... oder ... vielleicht hast auch DU Heero das Leben gerettet und er..."

Relena hätte in ihren Ausführungen einer Vielleicht - war - es - so - oder - so -Welt ewig weiterfahren können, doch ihre angebliche Rivalin unterbrach sie unhöflich.

"Halt mal! Halt! Hol mal tief Luft! Und vielleicht klärst du mich dann mal auf, wovon du redest! Was bitte schön, glaubst du denn, was zwischen mir und Heero läuft?"

Sie klangt ungläubig und sah Relena erwartungsvoll an, welche nun etwas unsicher wurde.

"Hä?", brachte sie nur heraus. Dann riss sie sich zusammen. "Versuch dich jetzt bloß nicht herauszureden! Ihr kommt zusammen zur Schule, er ist so scheiß freundlich zu dir und lächelt dich an und... und... naja, jeder Blinde sieht doch, dass da was zwischen euch läuft!"

Relena war echt aufgebracht. Ihre Verzweiflung begann langsam die Oberhand zu gewinnen. Ganz im Gegensatz zu ihrem Gegenüber.

"Dass was zwischen uns läuft? Was?", fragte sie. Und dann kam die Erleuchtung. "Du glaubst, dass Heero und ich ein PAAR sind?"

'Die will mich mit aller Gewalt lächerlich machen', dachte Relena. Sie stand fassungslos da. Unfähig ihre mühsam vorbereiteten Argumente auszusprechen.

"Hör mal, ich...", begann sie eingeschüchtert.

"Dass ICH Heero liebe und ER mich?", fragte die Blonde fast lachend.

Relena senkte den Blick. Sie war den Tränen nahe und konnte diese mies kleine Intrigantin nicht länger ansehen. Wie durch einen Nebel drang plötzlich deren sanfte und mitfühlende Stimme zu Relena.

"Du liebst ihn, oder?"

Das war die Frage.

Oder?

Gab es denn ein Oder?

Relena blickte auf und sah in ein Gesicht von Ruhe und Vertrauen. Es war überhaupt nicht mehr die kleine herablassende und sarkastische Schlampe, für die sie die Kleine gerade noch gehalten hatte.

Relena versuchte ein letztes Mal sich zu verteidigen:

"Jetzt hör mal zu! Ich liebe ihn nicht! Ich bin nur eine gute Freundin, die sich Sorgen um ihn macht! Bilde dir bloß nicht ein, dass du einfach so daher kommen kannst und mir mit ....du ... du...., du kleine miese ..... ich werde dich .... ich werde .... Bilde dir bloß nichts darauf ein, du..."

Naja, eine Verteidigung war das nicht gerade, aber es war das Beste, was Relena in diesem Moment geistiger und emotionaler Verwirrung herausbringen konnte.

"Mein Name ist Tamara."

Relena sah sie fragend an. "Was?"

Die Blonde kam ganz ruhig auf Relena zu, baute sich vor ihr auf, sah ihr in die Augen und schüttelte ihr dann die Hand.

"Tamara Yuy"

Sie lächelte, genauso wie sie Heero angelächelt hatte.

Und dann ging sie.

Relena war einen Moment fassungslos, da sie nicht begriff, was das eben war. Sie war nah daran sich wieder aufzuregen und schrie Tamara hinterher: "Hey, was fällt dir ein! Komm sofort zurück!!!!!! Tamara Y...."

Klick! Soeben hatte die eingegangene Information ihres Sinnesorgans, welches im Fachgebrauch auch oft "Ohr" geschimpft wird, über ihre Nervenbahnen Relenas Gehirn erreicht, wo diese Information in einem doch recht langsamen Tempo dann verarbeitet wurde.

"Yuy", flüsterte Relena. Die kleine hatte doch tatsächlich Yuy gesagt. Tamara Yuy.

"Warte!", schrie Relena panisch, "bist du etwa..." Sie wagte es nicht, weiter zu sprechen.

Tamara rief ihr im Weggehen noch freundlich hinterher: "Bis bald, Relena Peacecraft, rechtliche Erbin des Königreichs Peacecraft und Diplomatin im äußeren Dienst! Man sieht sich!"

Relena stand einfach nur da. Unfähig irgend etwas zu tun. Sie stand einfach nur da und sah Tamara ungläubig hinterher.

"Tamara Yuy .... bist du etwa ..... seine Schwester?"

Schöne heile Welt - Die Zweite

KAPITEL 4

Schöne heile Welt - Die Zweite
 

"Oh, Gott ... wenn dieser Tag so wird wie der gestrige, dann geb ich mir die Kugel", jammerte Duo am Morgen des nächsten Tages.

"Reiß dich zusammen und hör auf rumzuheulen", mahnte ihn Hilde streng und sah sich im Klassenraum um. Es würde jeden Moment zum Unterricht klingeln. Chang und Heero saßen lustlos auf ihren Plätzen, während Quatre geschäftig seine Schulsachen ordnete. Sie sprachen kaum.

Nur Relena fehlte noch.

Und Trowa.

"Also, was mit Trowa ist, weiß ich nicht, aber ... ich glaube nicht, dass Relena heute noch kommt", meinte Hilde schließlich.

"Glaubst du, sie ist so sauer auf Heero?", fragte Duo.

"Ich weiß nicht, ob sie überhaupt noch mal wieder kommen wird", sagte sie nachdenklich. Duo sah sie ernst an (was echt selten vorkommt): "Meinst du, das ist das Ende?"

Unter Freunden war schon längst klar geworden, dass sich zwischen Heero und Relena eine Beziehung der ganz besonderen Art entwickelt hatte, aber etwas "Festes" stand bisher nicht fest und es wäre schade, wenn das alles nun zerbrechen würde.

Das Stundenklingeln unterbrach ihre Unterhaltung. Der Unterricht begann quälend langweilig. Mathematik. Intergral- und Differentialrechnung. Als ob moderne Rechner das nicht von alleine könnten. Duo hatte echt null Bock, sich wie Quatre auf den Unterricht zu konzentrieren und heckte gerade irgendeinen gemeinen Scherz aus, als es an der Tür klopfte.

Der Lehrer unterbrach für einen Augenblick seine 'hochinteressanten' Ausführungen (sehr zu Quatres Leidwesen und Duos Freude) und begab sich zur Tür. Er war es gewohnt, dass sein Unterricht ständig unterbrochen wurde, schließlich hatte er ja 5 Gundam Piloten in der Klasse gehabt. Er tuschelte etwas mit dem Störenfried und ließ dann Relena Peacecraft in die Klasse. Sie strahlte über das ganze Gesicht, hatte leicht gerötete Wangen und huschte geräuschlos an ihren Platz, wo sie schnell einige Sachen auspackte.

Bevor sie jedoch ihre Aufmerksamkeit - jedenfalls einen Teil davon - auf den Unterricht richtete, drehte sie sich nach hinten um und lächelte Heero herzlich an.

"Guten Morgen", grüßte sie ihn glücklich.

"Hn", war die gewohnte Antwort, was Relenas Glücksgefühl nur zu verstärken schien.

Duo, der das alles mit angesehen und gehört hatte, kapierte gar nichts mehr. Quatre und Chang schienen auch verwirrt zu sein, aber sie versuchten sich nichts anmerken zu lassen.

"Hey, Hilde!", flüsterte Duo, "ich hab ja schon mal was von 'Vergeben und Vergessen' und von 'Liebe deinen Feind' gehört, aber WAS IST HIER LOS?"

"Was weiß ich?", zischte Hilde verärgert, "Warte gefälligst bis zur Pause!"

"Hey, die Pause ist erst in ..."

"Möchten sie etwas produktives zum Unterricht beitragen, Mister Maxwell?", traf die scharfe Stimme des Lehrers Duo plötzlich wie ein Blitz.

"Ah, hähähähäh", grinste dieser zurück, "ich hab gerade nur bemerkt, wie hochinteressant doch die höhere Mathematik ist, wenn ich an all diese niedlichen Integrationszeichen und Intervallsymbole denke." Duo grinste unverschämt unter dem Lachen seiner Mitschüler.

Der Lehrer fühlte sich blamiert. Er brannte regelrecht darauf, Duo diese Frechheit heimzuzahlen.

"Gut, Mister Maxwell, dann seinen sie doch so freundlich und zeichnen mir einige dieser 'niedlichen Integrationszeichen und Intervallsymbole' auf ein geeinzeltes Blatt, welches ich dann entsprechend ihren Leistungen bewerten kann!"

Die Klasse lachte wieder, nur Duo grinste jetzt nicht mehr.

Einige Minuten lang versuchte er dann auch wirklich, sich auf die Aufgaben zu konzentrieren. Jedenfalls so lange, bis Quatre ihm den Brief gab.

Quatre, welcher in der letzten Reihe neben Duo auf Trowas Platz saß, hatte Relenas Freude bemerkt und vermutete dahinter einige aufklärende Ergebnisse in Sachen 'Kampf gegen die blonde Schönheit'. Daher hatte er, ganz entgegen seinen strebermäßigen Gewohnheiten, ein kleines Zettelchen an Relena geschrieben, welches Duo erst Heero und dieser dann Relena weiterreichen sollte.

Doch als Duo den sorgsam gefalteten Papierbatzen mit der zierlichen Aufschrift "AN RELENA" in den Händen hielt, übermannte ihn (wieder mal) seine Neugier und er begann leise, so dass Quatre es nicht mitbekommen sollte, den Zettel zu entfalten.

'So'n, Mist', dachte er dabei, 'Quatre, was faltest du diese Briefchen auch immer so komliziert! Die kriegt ja keiner mehr auf ... das ist doch ...'

"Autsch", durchzuckte es Duo plötzlich.

Quatre hatte sein kleines Lunzmanöver bemerkt und Duo böse mit dem Sift in die Hand gestochen.

Duo sah Quatre mitleidig an, doch da ihm von diesem lediglich ein mahnender Blick entgegen kam, begnügte sich Duo damit, seine 'verletzte' Hand zu pusten und den halbgeöffneten Brief an Heero weiterzureichen. Dieser verdrehte zwar die Augen, reichte den Fetzen jedoch ohne weitere Widerworte an den Empfänger weiter.

Als Relena ihn gelesen hatte, drehte sie sich nur kurz nach Quatre um, lächelte und begann dann den Brief zu beantworten.

Minuten qualvollen Wartens vergingen.

Dann traf die Antwort ein.

Heero hielt hinter seinem Stuhl den gefalteten Zettel hoch. Duo sah ihn. Und er sah auch ganz deutlich die fette rote Schrift, mit welcher Relena ihre Rückantwort verziert hatte:

"AN QUATRE" und darunter stand:

"WAG ES NICHT; DUO MAXWELL; ODER DU WIRST ES BEREUEN!"

Duo nahm unbemerkt das Briefchen von Heero und ließ es unter seinem Heft verschwinden.

'Sie droht mir. Wie süß!', dachte er hinterhältig.

Quatre war gerade mit hochkomplizierten Aufgaben beschäftigt - zu kompliziert für Duos Geschmack - so dass er nicht auf seinen neugierigen Banknachbarn achtete.

Duo nutzte dies aus und lehnte sich mit dem Stuhl weit zurück, so dass er sich nicht mehr in Quatres Blickfeld befand und während er so unauffällig kippelte, zog er schnell das Briefchen hervor und öffnete es (diesmal aber schneller, denn Relena schien nicht über Quatres Faltkünste zu verfügen).

Genüsslich zog er sich den Inhalt rein:

"Du weißt doch etwas, Relena! Wer ist das blonde Mädchen von gestern?", hatte Quatre geschrieben.

'Aha!', dachte Duo, 'darum geht es! Das will ich auch wissen!'

Relenas Antwort:

"Du bist ein Schnellmerker, Quatre. Halt dich fest! Sie ist ..."

Quatre war ganz in seine Aufgaben vertieft und bemerkte gar nicht Duos Spionagetätigkeit, als er plötzlich von einem schrecklichen Gepolter neben sich aufgeschreckt wurde, gefolgt von einem kräftigen "AUUUUUUUUUUTTTTSSSSSCCCHHHH! Verfluchte Sch....".

Duo war umgefallen und ziemlich derb auf dem Boden gelandet - samt seinem Stuhl. Tja, beim Abfangen solch brisanter Nachrichten sollte man halt nicht kippeln.

Während Duo sich seinen schmerzenden Schädel hielt und sich langsam wieder aufrappelte, schnappte sich Quatre den Brief, welchen er sofort erblickte, und las Relenas Antwort.

"...Schwester!!!!!!!"

Das war das Wort, bis zu dem Duo gekommen war und das eine solche Schockreaktion bei ihm ausgelöst hatte.

Schwester.

Quatre hatte nun auch Probleme sich auf seinem Stuhl zu halten. Er und Duo sahen sich fragend an.

Schester?

Relena drehte sich wieder um und lächelte geimnisvoll.

Auch Heero hatte sich umgedreht. Aber er lächelte nicht. Genausowenig, wie der Lehrer, welcher nun nach Duos Aufzeichnungen verlangte, welche - ehrlich gesagt - bei weitem nicht so umfangreich waren, wie sie es hätten sein sollen.

Der Rest der Stunde war für Duo und Quatre eine Qual. Sie saßen auf ihren Stühlen wie auf Kohlenzangen. Der Lehrer hatte sie nun nach diesen Vorfällen wachsam im Auge, so dass irgendeine Art von Kommunikation unmöglich war. Sie warteten nur noch sehnsüchtig auf das erlösende Stundenklingeln.

Duo sah ständig auf die Uhr, bis er dann seinen innerlichen Countdown auslöste:

'59, 58, 57, 56, 55, 54, 53, 52, ..., 10, 9, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1, Zero!'

DDDDDDRRRRRRRRRRIIIIIIINNNNNNNNNGGGGGGGGGGGGGGGGGGGGGGG!!!!!!!!!!!

Es war weniger wie ein Schulläuten, eher wie ein Startschuss; denn kaum war der Ton verklungen kam es wie Schüsse auf Relena zu:

"Was soll das denn heißen?" - "Woher weißt du das?" - "Ist das sicher?" - "Das ist doch eigentlich gar nicht möglich!" Duo und Quatre redeten wild durcheinander, bis Hilde endlich eingriff und beide zur Seite zerrte, wo sie sich einigermaßen beruhigten.

Relena drehte sich währenddessen in aller Ruhe zu Heero um und fragte:

"Warum hast du mir denn nicht erzählt, dass du eine Schwester hast?"

Totenstille.

Heero sah sie überrascht an. Woher wusste sie das?

Chang fielen vor Überraschung fast die Augen aus dem Gesicht und auch Hilde gab eine recht seltsame Mimik zum besten. Und dann kamen wieder die Schüsse:

"SCHWESTER?" - "Woher denn so plötzlich?" - "Doch nicht etwa die kleine Blonde von gestern, oder?" - "Aber vor 2 Monaten hattest du doch noch keine?" - "Wo hast du die denn so schnell her? Wachsen solche Schwestern denn irgendwo auf Bäumen? Ich will auch so eine!" (Von wem dieser idiotische Kommentar wohl kam?)

Alles redete wirr durcheinander ... bis sie endlich einsahen, dass Heero überhaupt nicht gewillt war, auch nur eine dieser Fragen zu beantworten. Seine Stimmung wurde immer mieser und er blickte Relena grimmig an.

Diese sagte freundlich: "Ihr Name ist Tamara Yuy! Sie und Heero haben sich durch Zufall auf einer Krankenstation auf einer Randkolonie getroffen, wo der zuständige Arzt eine gewisse genetische Identität feststellte, was darauf schließen ließ, dass Tamara Heeros Schwester ist!" Sie lächelte.

Heero lächelte nicht.

"Es ist mir etwas peinlich", fuhr sie fort, "ich hatte sie mir gestern nach der Schule zur Seite genommen und mich mit ihr mal ausgesprochen und im ersten Moment war ich natürlich auch total weg, aber heute morgen dann habe ich mich nochmal mit ihr getroffen und da hat sie mich dann etwas ins Bild gerückt!"

Alle hatten sich um Relena versammelt, als Heero wütend, aber leise fragte:

"Was fällt dir eigentlich ein, sie zur Seite zu nehmen und hinter meinem Rücken..."

"TAMARA!", rief Relena plötzlich laut aus. Sie schien Heeros drohenden Wutanfall völlig zu ignorieren.

Alle drehten sich zur Tür und sahen dort die kleine Blonde von gestern, Tamara.

Relena lachte, sprang auf und rannte wie ein kleines Kind zur Tür, wo sie das schüchterne Mädchen an den Händen packte und ins Klassenzimmer zerrte.

"Komm, ich stelle dir Heeros Freunde vor!"

Widerwillig ließ sich Tamara wegzerren, denn ihr war die Situation etwas peinlich. Relena anscheinend aber nicht.

"Darf ich vorstellen: Das ist Hilde Schbeiker!" Hilde lächelte und verbeugte sich höflich. "Das ist Chang Wufei!" Chang sah Tamara nur aus großen Augen an. "Das sind Quatre Raberba Winner und Duo Maxwell!" Beide hatten alle Mühe nicht wie reife Tomaten auszusehen. "Und das ist ... naja, das sieht wie ein Heero kurz vor einer atomaren Kernexplosion aus!" Heero schien echt gleich zu explodieren. "Darf ich vorstellen: Das ist Tamara Yuy, Heeros Schwester, die er uns wohl vorenthalten wollte!" Dieser leichte Vorwurf in Relenas Stimme war wohl nicht zu überhören.

Tamara verbeugte sich ebenfalls höflich und lächelte die seltsame Runde etwas verlegen an.

"Freut mich, euch kennen zu lernen", ließ sie ihre melodische Stimme erklingen.

"Wow, dass Heero eine Schwester haben soll ...", Hilde war etwas sprachlos.

"Wundern würde es mich nicht", ließ Quatre vernehmen. "Immerhin kannte Heero seine Eltern nicht. Und eine gewisse Ähnlichkeit zwischen euch beiden ist ja nun nicht zu verleugnen!"

Tatsächlich sahen sich Heero und Tamara aus der Nähe betrachtet recht ähnlich.

Diese rümpfte jedoch verspielt die Nase, zog die Augenbrauen zusammen und fragte mit gespieltem Ernst: "War das jetzt eine Beleidigung?"

Die Gruppe lachte auf. Damit war das Eis vorerst gebrochen.

"WAS SOLL DAS EIGENTLICH? TAMARA!", rief nur Heero aufgebracht aus.

"Was soll was?", kam die prompte Frage zurück. "Habe ich etwa nicht das Recht, deine Freunde kennenzulernen?"

"Du hättest mich vorwarnen können! Statt dessen kommst du einfach so mir nichts dir nichts hier hereingeschneit und machst einen auf vertraut mit Relena!"

Relena genoss diese Eifersucht in Heeros Stimme sichtlich. Doch Tamara lächelte ihn nur verführerisch an und fragte herausfordernd:

"Hey, du willst mir jetzt doch nicht etwa eine Szene machen, oder, Bruderherzchen?"

Also das war Heero echt peinlich. Während sich nun alle über das "Bruderherzchen" amüsierten, versuchte Heero krampfhaft seine Fassung zu bewahren und seine peinliche Röte zu verbergen.

"Sieh zu, dass du abhaust!", rief er Tamara eingeschnappt zu, welche spielerisch hinter Hilde Schutz suchte. "Dein Unterricht fängt bald an und es macht einen schlechten Eindruck, wenn du zu spät kommst! Also zieh endlich Leine!" Heero war unhöflich. Und laut.

Aber Tamara lächelte nur, verschränkte die Arme hinter ihrem Rücken und hüpfte leichtfüßig zur Tür. "Na, wenn du mich unbedingt loswerden willst? Ich geh ja schon!"

"Ja! Und wag es bloß nicht noch mal hier aufzutauchen!", rief er seiner verschwindenen Schwester noch hinterher.

"Keine Sorge", meldete sich nun auch endlich Duo zu Wort. "In der nächsten Pause kommen WIR dich besuchen! BYE!!!"

Heero sah Duo entgeistert an. Alle schienen ihm in den Rücken zu fallen. Er hatte die Situation nicht mehr unter Kontrolle.

Tamara winkte nochmal, bevor sie endgültig den Raum verließ, begleitet von den sehnsüchtigen Blicken der restlichen männlichen Belegschaft dieses Klassenraums, die Heeros Clique ernsthaft um diese Ehre beneideten, Tamara kennen zu dürfen.

"Also, du warst echt unhöflich, Heero!", schalt ihn Relena.

"Halt den Mund!", fauchte dieser zurück. "Möchte echt wissen, was du mit Tamara zu schaffen hast, immerhin..."

"Immerhin ist sie ein nettes Mädchen, in dem ich eine potentielle Freundin sehe und die ich gerne näher kennenlernen würde", schnitt ihm Relena das Wort ab.

Heero wollte gerade etwas erwidern, als der Lehrer begleitet vom erneuten Unterrichtsklingeln den Raum betrat.

Flüsternd raunte Heero Relena zu: "Das geht dich nichts an!"

Relena lächelte überlegen zurück. "Wir werden sehen!"

"Hn!"

Duo betrachtete die beiden lächelnd. Zufrieden lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück und murmelte leise: "Die Nachrichtenstationen haben die große Ehre, ihnen die freudige Nachricht zu verkünden, dass die gefürchtete Schweigeritis soeben bis auf weiteres besiegt wurde!"

Zu spät bemerkte die verständnislosen Blicke von Quatre und Chang.

Letzterer ließ den Kommentar vernehmen: "Hör mal, Duo! Ich hab da von so'n paar Ärzten auf L4 gehört, die sollen sich auf solche Fälle wie dich spezialisiert haben. Ehrlich mal, die können dir vielleicht helfen .... ich glaube, man nennt sie dort 'Klappsdoktoren'!"

"Hahaha", erschallte nun Duos verächtliches Lachen. Es erschallte wohl etwas zu laut, denn auch der Lehrer wollte nun den Grund für Duos erneute Heiterkeit erfahren.

Relena lächelte glücklich.

Sie war dankbar, dass ihre kleine schöne heile Welt nicht zerbrochen ist.

Schweigeritis ist besiegt worden.

Bis auf weiteres jedenfalls.

Auf zu Trowa!

KAPITEL 5

Auf zu Trowa!
 

"Bist du mir jetzt böse?"

Stille.

"Du bist mir böse!"

Keine Reaktion.

"Jetzt komm schon! Was muss ich tun, damit du wieder mit mir redest?"

Keine Antwort.

"HHHHHEEEEEERRRRROOOOOO!!!!!!!"

Heero blieb stehen und drehte sich nun um, sah Tamara streng an. Er konnte einfach nicht anders, wenn sie diesen nängernden Ton draufhatte.

Und dann sah sie ihn auch noch mit diesen treuen Hundeaugen an!

Da konnte Heero einfach nicht widerstehen. Er seufzte tief, ließ den Kopf hängen und ging weiter.

Tamara verstand das Zeichen, holte Heero schnell ein und hängte sich an seinen linken Arm.

Die Sonne stand schon sehr tief und es begann zu dämmern, als die beiden nach Hause gingen.

"Du hast mich wie einen Idioten vorgeführt!", sagte Heero nachtragend.

"Hab ich nicht!", kam es schmollend zurück. "Das hast du selbst."

Sie lächelte Heero so lange an bis er nicht anders konnte und wegsah, um sein eigenes Lächeln zu verbergen.

"Du hast sehr nette Freunde, Heero", begann Tamara wieder.

"Ja, Tam", antwortete Heero nachdenklich. "Aber hast du denn keine eigenen? Äh ... also, nicht dass du nicht auch mit meinen Kumpels befreundet sein kannst, aber ..."

Tamara sah betreten auf den Boden. Sie lächelte nicht mehr.

"Wie verstehst du dich mit den Leuten in deiner neuen Klasse?", fragte Heero behutsam.

Tamara ließ seinen Arm los und trottete nun lustlos neben ihm her.

"Gar nicht", kam es trotzig zurück. "Ich kann die Typen nicht ab! Ich meine ... ich weiß nicht, woran es liegt, aber ich komme mit denen nicht klar. Wir streiten uns nicht oder so, und sie sind auch alle nett zu mir, aber ... die sind irgendwie überhaupt nicht auf meiner Wellenlänge! Ich kann mit ihnen über nichts reden. Die Mädels quatschen nur über Make- up oder zerreißen sich die Mäuler über irgendwelche Musiker oder heiße Schultypen und die Jungs ... die kannst'e gleich abhaken, die versuchen dauernd nur, mir unter den Rock zu gucken ... diese elenden Kinder!" Tamara verzog das Gesicht.

Heero grinste in sich rein: 'Hähä, na warte mal, bis du Duo so richtig kennen lernst.'

"Ich bin einfach viel lieber mit Relena und den anderen zusammen."

Sie sah Heero eindringlich an.

"Ich mag sie wirklich. Ich weiß, ich kenne sie noch nicht so lange wie du, aber ich kann mit ihr diskutieren und philosophieren, sie sagt mir ihre Meinung und heuchelt nicht. So sind auch Quatre und die anderen. Sie haben mir in der Pause das Schulhaus gezeigt und es war echt lustig. Schade, dass du nicht dabei warst."

Heero sah in die Ferne. Er dachte nach. Tamara wusste zwar, dass er im Krieg gekämpft hatte, aber mehr hatte er ihr darüber auch nicht erzählt. Ob sie wusste, dass Relena, Hilde, Quatre, Duo und Chang auch in diese Sache verwickelt waren? Wusste sie denn, in was für eine eingeschworene Gesellschaft sie sich da hineindrängte?

"Ach ja, und wir haben uns alle zum Wochenende verabredet!", erwähnte sie ganz nebenbei.

Heero horchte auf und erwiderte leicht verärgert: "Schön für euch."

"Ich hab gesagt, dass du auch mitkommst!"

"WAS?" Heero sah sie mit geweiteten und empörten Augen an. Tamara grinste wieder.

"Wir gehen in den Zirkus!"- "Hä?" Heero konnte es nicht fassen.

"Wir wollen Trowa mal besuchen. Er war ja nicht in der Schule. Hihi ... die waren ganz schön überrascht, dass ich Trowa schon kenne, deshalb ... hey, Heero, hörst du mir zu? Warte! HEERO!"

Doch da nützte alles schreien nichts mehr. Heero lief stur geradeaus und hatte sich vorgenommen kein Wort mehr mit Tamara zu wechseln.

Seit nicht mal zwei Monaten wohnte sie bei ihm als seine nächste Verwandte und bisher ging alles gut. Ja, das Leben war schön mit ihr! Und kaum lernt sie Relena und die restlichen Piloten kennen, beginnt sie sein Leben vorherzubestimmen und ihn ohne sein Wissen zu verplanen. Es wäre ihm lieber gewesen, wenn ihn vorher jemand gefragt hätte.

'Na dann, auf zu Trowa!',dachte Heero missmutig.
 

"Wo bleiben die denn?", maulte Duo nun schon am frühen Morgen herum.

Die Sonne schien, das Wetter war herrlich, es war Wochenende ... und er hatte nun schon zum 15. Mal bei Heero und Tamara geklingelt. Er, Hilde, Relena, Quatre und Chang wollten die beiden abholen und sich bei der Gelegenheit auch gleich mal Heeros neue Bude ansehen. Er und seine Schwester wohnten in einem kleinen Einfamilienhaus. Tamara hatte die Wohnung aufgetrieben und zu einem Spottpreis von ihren Ersparnissen erstanden. Heero wusste nicht, wie sie das angestellt hatte, und es war ihm irgendwie auch egal, denn die beiden brauchten eine Bleibe auf der Erde, die nicht so weit von der Schule weg war, da Tamara leicht reisekrank wurde. Das Häuschen lag abgeschieden und still und war - sehr zu Relenas Missfallen - nicht besonders gut gepflegt. Anscheinend waren Heero und Tamara beide kleine Schlamper. Aber drinnen sah es vielleicht besser aus ... wenn man in das Haus ja mal reinkäme!!!!! Duo klingelte nun schon zum 16. Mal! (Ja, er zählte mit!)

"TAAAAAMAAAAAARAAAAAAAAA!!!!!!!", ertönte plötzlich Heeros schlechtgelaunte Stimme von drinnen.

"Verdammt noch mal! Jetzt mach endlich die beschissene Tür auf!!!!"

Duo und die anderen sahen verdutzt auf das Haus. Wäre die Tür nicht abgeschlossen gewesen, dann hätte er sich ja schon längst selbst zum Hereinkommen eingeladen, aber im neuen Haus seines Freundes gleich beim ersten Besuch die Tür einzutreten schickte sich einfach nicht.

"Uuuaahhhhhhh", ertönte es nun aus dem zweiten Stock. "Ich will nicht", konnte man Tamara aus dem zweiten Stock meckern hören. "Es sind DEINE Freunde! Mach DU doch auf!"

Eine Weile Stille. Dann erdröhnte wieder Heeros Stimme: "Es sind jetzt auch DEINE Freunde!"

Keine Antwort.

"Du kannst doch nicht den ganzen Tag lang pennen!!!!!"

Tamara gab sich wirklich alle Mühe, Heero zu ignorieren. "Du wirst schon sehen, wie ich das kann! Ich hab keinen Bock mehr! Die sollen weggehen!!!!!"

Also jetzt war Duo absolut baff. Tamara schien ein echter Morgenmuffel zu sein.

"So 'ne Kacke", begann Heero wieder zu fluchen. "DU HAST SIE EINGELADEN! DU HAST DIE VERDAMMTE TÜR ABGESCHLOSSEN! ALSO SCHWING ENDLICH DEINEN FAULEN HINTERN AUS DEN FEDERN UND MACH AUF!!!"

"Au, Mann. Heero scheint heute aber auch nicht gut drauf zu sein", murmelte Hilde leise.

Irgendwas im Haus polterte ganz laut und fiel zu Boden, jemand schien die Treppe runter zu kommen - zu stampfen wäre der passendere Ausdruck - und Duo wollte gerade zum 17. Mal klingeln, als gewaltsam von innen am Schloss gerüttelt wurde und dann mit einem gewaltigen Schwung die Tür aufgerissen wurde. Und da stand Tamara. Im Pyjama. Ohne Hausschuhe. Und mit einer echt miesen Stinklaune.

Duo starrte ihr direkt ins Gesicht. Oder besser gesagt: in den großzügigen Ausschnitt ihres Pyjamas.

Tamaras scharfen Augen entging dies natürlich nicht und ihr bisher schon miesgelauntes Gesicht wurde (neben einer leichten Errötung) noch viel missmutiger. Genauso schwungvoll wie sie die Tür aufgerissen hatte, schlug sie sie nun nämlich auch wieder zu. Und zwar genau in Duos Gesicht!

"Autsch", jaulte er auf, fiel zurück und hielt sich seine schmerzende Nase.

Hilde ging eiskalt an ihm vorbei, öffnete die Tür wieder und ging ins Haus. Auch Relena und die beiden anderen Jungen beachteten Duo nicht weiter und traten ein.

Das Haus sah von innen wirklich sehr gemütlich aus und wenn auch nicht vorbildlich, so war es doch recht gut gepflegt. Relena war sichtlich erstaunt.

Duo kam nun zur Tür hereingeschlichen, erblickte Tamara, wie sie noch immer im Pyjama am Treppenaufgang zum zweiten Stock stand und maulte sie voll: "Ich wette, du hast mir die Nase gebrochen!" - "Oh, armes Baby! Soll ich schnell einen Arzt für dein Aua rufen?", kam es frech zurück.

'Mensch, Tamara kann echt fies sein', dachte Duo und knurrte sie unmerklich an.

Quatre hatte in der Zwischenzeit Heero in der Küche erblickt, welche nur durch einen kleinen Tresen vom Wohnzimmer getrennt war. "Hey, Heero ...", begann er freundlich, wurde aber gleich von ihm unterbrochen: "Lass mich! Bin gleich soweit!Gnnnhhhh!"

Chang riss sich widerwillig von Tamaras Anblick los und lugte nun auch in die Küche: Da saß Heero auf dem Fußboden und hantierte mit allerhand Werkzeug herum, um eine Mikrowelle zu reparieren. Es sah echt kompliziert aus. "Was is'n da passiert?", fragte Chang.

"Hn", stieß Heero aus. "Mademoiselle hat wieder mal ihre Wieviel - kann - ich - gleichzeitig - in - eine - Mikrowelle - schieben - Spielchen gespielt! Das war zuviel für das Mistding! Und wag es jetzt ja nicht zu lachen, Duo", rief er ins Wohnzimmer, "denn es ist gar nicht lustig, die ganze Nacht an dem Ding rumzuwerkeln!"

"Seltsam", bemerkte Duo nur, "du kannst einen Gundam mit minimalem Werkzeugeinsatz in Null Komma Nichts reparieren, aber eine einfache Mikrowelle kriegst du nicht hin?" Er lachte.

Tamara stutzte einen Moment, dann rief sie in die Küche: "Lass jetzt die doofe Mikrowelle, Heero, wir wollen los!" - "Ach, plötzlich?", kam es böse zurück. "Willst du etwa im Pyjama zum Zirkus?" Heero sah über den Tresen nach Tamara, was sich als ein Fehler erwies, denn kaum hatte er seinen Kopf vorgeschoben, als auch schon ein Sofakissen im vollen Flug voll dagegenprallte. Tamara, die hinterhältige Werferin, ergriff schnell die Flucht und verschwand in ihrem Zimmer im zweiten Stock. Quatre nahm Heero das Kissen aus der Hand und brachte es ins Wohnzimmer zurück, während Relena und Chang ihm wieder auf die Beine halfen und Hilde die nun wohl unreparabel beschädigte Mikrowelle auf den Küchentisch stellte.

"Wow, ist Tamara jeden Morgen so drauf?", fragte Relena.

"Nein, normaler Weise ... noch schlechter", brummte Heero. "Ihr kennt sie einfach noch nicht richtig! Sie hat voll die Macken!"

"Na, wenn wir dich aushalten Heero", ließ sich Duo vernehmen, "dann werden wir es wohl auch mit ihr aufnehmen können, oder nicht?" Heero sah ihn nur genervt an.

"HEERO", erschallte es aus dem zweiten Stock, "weißt du, wo ich meinen schwarzen Minirock hingetan hab?"

"Minirock?", horchten Duo, Quatre und Chang auf. Hilde und Relena schüttelten nur den Kopf.

"Was weiß ich, wo du deinen Kram wieder hingeschlumpert hast! Zieh was anderes an!", schrie Heero zurück.

"Kommuniziert ihr immer so? Durch geschlossene Türen hindurch, meine ich", fragte Hilde vorsichtig. Die beiden schrien sich echt den ganzen Morgen lang nur an. Heero sah sie fragend an, als es wieder von oben kam: "Aber ich wollte ihn doch heute unbedingt anziehen? Was soll ich denn jetzt machen?"

"Ist mir egal!", schrie Heero zurück. "Du hast noch drei Minuten, dann gehen wir ohne dich!"

"NEIN!" Einige Momente Stille.

"Noch 2 Minuten!", rief Heero drohend.

"Warte, ich beeil mich ja!" Oben begann es zu poltern.

"Noch eine Minute!"

"Gleich ... autsch, verd..."Das Poltern nahm zu.

"Das war's! Wir gehen!", sagte Heero bestimmt und stand auf.

"Hey, die Minute ist noch niemals vorbei, du mieser Betrüger, du ..." Und mit diesen Worten kam Tamara aus ihrem Zimmer gestolpert, wie immer in schwarz, mit einem schicken schwarzen Faltenrock und einer leichten Überziehjacke. Sie hüpfte die Treppe hinunter und versuchte sich dabei krampfhaft ihre Stiefel anzuziehen. "Wir können los!", brachte sie hektisch und atemlos hervor.

Chang und Quatre starrten sie an, denn Tamara sah wieder mal hinreißend aus. Duo hingegen setzte sein Pokerface auf. Er hatte zwei Tage lang Zeit gehabt, sich an sie zu gewöhnen und seine Sprachlosigkeit und Röte bei ihrem Erscheinen unter Kontrolle zu bringen.

Die Gruppe brach unter Gelächter und starkem Radau zum Zirkus auf. Hätten Tamara und Heero Nachbarn gehabt, so hätten sich diese bestimmt über den Krach am frühen Morgen beschwert.

Na dann, auf zum Zirkus! Und: Auf zu Trowa!

Zirkus! Zirkus!

KAPITEL 6

Zirkus! Zirkus!
 

Die Tribünen waren schon fast voll. Zu der heutigen Vorstellung kamen ziemlich viele Leute.

Trowa stand am Eingang der Manege und beobachtete, von einem schweren Vorhang verdeckt, die einströmende Masse. Er trug sein Kostüm noch nicht, da die Show erst in einer Viertelstunde beginnen würde. Er genoss die Atmosphäre. Er fühlte sich ausgeglichen und ruhig ... jedenfalls so lange, bis er den Radau an der Eintrittskasse hörte. Dort ging es plötzlich ziemlich laut zu, so dass Trowa seinen Beobachterposten verließ und sich im Schatten entlang zum Ort des Geschehens schlich.

Schon aus einiger Entfernung konnte er dann Duos aufgebrachte Stimme hören: "Ich seh's ja gar nicht ein! Warum ich?" - "Warum nicht?", antwortete eine helle Stimme frech, die Trowa als die von Tamara identifizierte. Sie war also hier. Und zwar zusammen mit Duo, Heero, Quatre, Chang, Hilde und Relena. Tamara hatte also schon die ganze Truppe kennengelernt.

"Jetzt stell dich nicht so an, Duo!", pfiff Hilde ihn an.

"Nein! Warum? Warum kann nicht jeder für sich selbst bezahlen?", fragte Duo störrisch.

"Weil Quatre allen ein Eis ausgegeben hat, Chang die Schießbude bezahlt hat, Hilde die Lostrommel und Relena die Zuckerwatte und Heero lädt uns nachher zu einem Hamburger ein! Also wirst DU uns den Eintritt bezahlen!", ließ sich Tamara wieder vernehmen. Die Gruppe stand in der Schlange zum Eintritt und diskutierte derart lautstark, dass sich alle nach ihnen umdrehten. Trowa musste lächeln. Tamara hat so diese Art, alle Leute zur Rage zu bringen und dabei immer so ein Theater zu veranstalten, als wenn sie allein auf der Welt wäre.

"Aber der blöde Eintritt ist das teuerste! Wieso haben die hier die Preise so angezogen? Was gibt es denn hier plötzlich so Tolles zu sehen?", meckerte Duo los.

"Ich darf doch bitten, junger Mann!", ermahnte der Kassierer Duo streng. Bald waren sie an der Reihe zu bezahlen und ihr Geldmittelproblem war noch nicht geklärt.

"Wieso bezahlst du denn nicht?", flüsterte Duo nun leise zu Tamara hinüber. "Du hast auch noch nichts ausgegeben!"

"Weil ich hier für ... für die gute Laune sorge!" Duo zog die Augenbrauen hoch. Das klang nicht sehr überzeugend. "Weil ich ... weil ...", Tamara geriet ins Stocken. Duo fühlte sich als Sieger und lächelte überlegen, während Quatre und Relena am liebsten im Boden versunken wären. Das war ja alles so peinlich! Heero und Chang schien die ganze Sache nichts anzugehen; Hilde hingegen fand diese Streiterei sehr amüsant und mischte kräftig mit.

"Weil DU älter bist!", fauchte Tamara schleißlich. "DU bist der Mann und musst der Frau was ausgeben, also halt dich gefälligst an die Regeln der Höflichkeit und BEZAHLE!" Hilde grinste.

"Gib's doch zu! Du bist pleite! Ich wette, du könntest nicht mal deinen eigenen Eintritt bezahlen!", stichelte Duo.

"Wieviele Personen?", fragte der Kassierer nun ungeduldig, der der ganzen Streiterei bereits nervös zugehört hatte.

"7 Personen", antwortete Tamara schnell, "und dieser Herr hier wünscht zu bezahlen!" Mit diesen Worten schob sie Duo vor und schlängelte sich an ihm vorbei auf die Zuschauerplätze. Duo sah ihr sprachlos hinterher.

"Weißt du", flüsterte ihm Hilde neckisch ins Ohr, "Tamara wird mir immer sympathischer!" Und damit schoben sich nun auch Hilde, Relena, Chang und Heero an Duo vorbei.

Dieser war einem Nervenzusammenbruch nahe, denn in Wirklichkeit war ER pleite!

"Ist schon gut, Duo", hörte er da die sanfte Stimme von Quatre hinter sich. Als er sich umdrehte, sah er nur noch, wie der Kassierer Quatre dankbar zulächelte und dieser mit den Eintrittskarten auf Duo zukam.

"Aber ... hey, Quatre ... ich .. ich hätte das schon gemacht...", stockte Duo, dem ehrlich ein Stein vom Herzen fiel. 'Quatre, mein Retter', dachte Duo noch dankbar.

Quatre lächelte nur und die beiden setzten sich auf die Tribüne - Quatre, Relena, Hilde, Chang und Heero ganz geschickt zwischen Tamara und Duo, damit die beiden nicht stritten.

Nach wenigen Minuten des Wartens begann dann auch die Vorstellung. Der Direktor des Zirkus' begrüßte die Zuschauer und dann erheiterten auch schon die ersten Clowns das Publikum.

"Hey", flüsterte Duo leise zu Hilde, "kannst du Trowa erkennen unter all den komischen Gestalten da vorne? Die sehen für mich alle irgendwie ... naja ... gleich krass aus."

"Pst!", machte Hilde nur. Doch da beugte sich Chang vor und sagte: "Hast du Tomaten auf den Augen, Duo? Es ist natürlich der Clown mit der roten fetten Nase!"

"Der, mit diesen geschmacklosen Schlabberhosen?"

"Nein, der doch nicht!"

"Warum? Der hat auch eine fette rote Nase."

"Ja, aber wohl eher eine kleine Säufernase", kicherte Relena.

"Es ist der mit der blauen Beulenhose und dem gelben Zylinder."

"Was?", mischte sich Quatre nun ein. "Ich war fest überzeugt, dass Trowa der große mit der schwarz - weißen Schminke und dem Babykostüm ist ..."

"Meinst du etwa wirklich, Trowa würde so tief sinken?", fragte Duo ungläubig.

Quatre zuckte nur mit den Schultern.

"Warten wir einfach, bis Catherine kommt. Sie wird bestimmt auf Trowa schießen und dann wissen wir ja, wie sein neues Kostüm aussieht."

Tamara und Heero kicherten nur heimlich. Die beiden wussten natürlich längst, welche dieser Gestalten Trowa war, aber das behielten sie lieber für sich.

Die Vorstellung war an sich ein großer Erfolg. Besonders begeistert war die Gruppe von den Seilakrobaten und dem Feuerspucker. Relena durfte sich sogar von einem dieser superstarken Muskelmänner hochstemmen lassen. Während Quatre und Chang über diese Kraft nur staunen konnten, bemerkte Duo nur abfällig: "Pah, sowas hättest du doch auch noch geschafft, oder Heero?"

"Hn"

"Relena Leichtgewicht", hänselte Tamara ein bißchen, bis sie Heeros strafender Blick traf und sie schnell ihre Aufmerksamkeit wieder der Manege zuwandte.

Auch das Publikum schien sich sehr gut zu amüsieren. Es gab Popcorn und was zu Trinken, Hilde war froh, dass Duo nicht durch irgendwelche peinlichen Zwischenrufe oder sonstige Gesten die Aufmerksamkeit erregte, Relena war glücklich, neben Heero sitzen zu dürfen, sie lachten viel und amüsierten sich königlich ... aber keine Catherine ... und kein Trowa.

Und dann ging die Vorstellung ihrem Ende zu. Der Zirkusdirektor verwies nochmal auf die Extras und die Sonderangebote auf dem herrschenden Rummel und dann verließen auch schon die ersten ungeduldigen Zuschauer ihre Plätze.

"Ich weiß nicht, vielleicht hab ich ja geschlafen, aber ... Vermisst ihr hier nicht auch irgendwas? Oder irgendjemanden?", fragte Duo.

Quatre war ratlos. Doch Heero und Tamara standen nur auf und gingen - jedoch nicht in Richtung Ausgang.

"Na, kommt schon!", rief ihnen Tamara fröhlich zu. "Wir gehen Trowa besuchen!"

Die anderen folgten ihnen zögernd. Anscheinend hatten Tamara und Heero schon öfters in den Ferien den Zirkus besucht.

Sie gelangten in die Abstellräume, ohne dass sie von irgendjemandem bemerkt wurden, der sie hätte rausschmeißen können. Duo sah sich mit großen Augen um: Was da so alles rumstand? Riesige Kisten mit allerlei Zauberkrimskrams, Kartons mit doppeltem Boden, Reifen, Speere usw.

Vielleicht hätte er lieber mehr etwas hinsehen sollen, wohin er geht, denn noch bevor ihn jemand von seinen Freunden hätte aufhalten können, war Duo auch schon mit vollem Karacho in den netten Muskelmann aus der Vorstellung reingerannt. "Ups", entfleuchte es ihm.

"Ups", machte der Riese. Von nahem sah er eigentlich gar nicht nett und noch viel bedrohlicher aus als in der Manege. "Sag mir jetzt nicht, dass du dich verlaufen hast, du Zwerg!"

Zwerg? Okay, der Typ hatte jetzt echt den Falschen angepöbelt. Duo war zwar wirklich kleiner und bestimmt auch um vieles schwächer als der Kerl, aber das war für ihn noch nie ein Grund gewesen, einer netten Klopperei aus dem Weg zu gehen.

"Hab ich mich verhört? Hör mal, du verhätscheltes Riesenbaby! Ich hab's wenigstens nicht nötig mein Geld damit zu verdienen, dass ich irgendwelche wildfremden Tanten durch die Gegend stemme!"

"Hey!", rief Relena empört aus. Sie fühlte sich angesprochen.

"Hey!", rief der Muskelmann wütend. Er fühlte sich beleidigt.

"Hey!", sagte da eine ruhige Stimme aus dem Hintergrund. Trowa fühlte sich zum Eingreifen genötigt.

"HEY! TROWA!", rief Tamara in einem Flötenton voller Entzücken aus und warf sich der Gestalt im Hintergrund auch schon voller Elan an den Hals. "Hey, Trowa! Ich freu mich, dich wiederzusehen! Die Vorstellung war spitze, du warst einfach toll!"

Der Riese sah Trowa verwundert an, welcher nun aus dem Schatten trat und in gelassenem Ton sagte: "Schon gut, Victor. Das sind Freunde von mir, ich werde mich um sie kümmern!"

Der Typ sah Duo ein letztes Mal zweifelnd an und trollte sich dann langsam, jedoch nicht ohne Trowa vorher ins Ohr zu flüstern: "Seltsame Freunde hast du da!"

Tamara, die Trowa noch immer um den Hals hing und dies gehört hatte, musste leicht kichern.

"Die Vorstellung war wirklich gelungen, Trowa. Mein Kompliment!", sagte Quatre.

Schadenfroh rief Tamara dazwischen: "Sie haben dich nicht erkannt, Trowa! Die ganze Zeit haben sie nach Catherine Ausschau gehalten, aber als sie nicht aufgetreten ist, hatten sie keinen Plan, wer du warst!" Sie lächelte Trowa an; Quatre und Chang sahen dem sehnsüchtig zu. Beide hätten wer weiß was gegeben, um jetzt mit Trowa tauschen zu können.

"Hey, welcher von den Clowns warst du denn nun, Trowa?", fragte Hilde schließlich.

"Gar keiner", antwortete dieser kurz und befreite sich sanft aus Tamaras Umarmung. "Ich war der 'Zirkusdirektor'!"

"Was?", stieß Duo überrascht aus.

"Habt ihr es denn wirklich nicht bemerkt? Der war nicht echt. Es war nur eine Maske, aber von den Zuschauertribünen konnte man es wahrscheinlich wirklich nicht sehen."

"Tja, und dein schauspielerisches Talent hat dann ja auch die restlichen Zweifel beseitigt!", meinte Tamara.

"Hähäm ...", räusperte sich Duo, "Hör auf zu schleimen, Tam!"

Ein vernichtender Blick traf ihn, doch noch bevor Tamara etwas Schnippisches erwidern konnte, fragte Relena: "Wieso hast du den Zirkusdirektor gespielt? Warum hat der die Rolle nicht selbst übernommen?"

"Weil er zur Zeit nicht da ist - und in dem Sinne war es ja noch nicht mal gespielt, denn zur Zeit bin ich hier wirklich der Zirkusdirektor!"

Alle sahen Trowa verdutzt an.

"Er und Catherine sind in die Randkolonien geflogen, um da einige wichtige Geschäfte zu erledigen. Deshalb ist Catherine auch nicht da. Der Direktor hat mir die Verantwortung für die Zeit seiner Abwesenheit übergeben, somit verkleide ich mich für die Vorstellungen immer, damit die Zuschauer sich nicht wundern. Bis er wieder da ist, habe ich hier also alle Fäden in der Hand."

"Ah, verstehe", bemerkte Quatre, "deswegen bist du wohl auch nicht zur Schule gekommen, oder?"

Trowa nickte. "Aber wenn der Dicke wieder da ist, dann wirst du doch in die Schule kommen, oder?", fragte ihn Tamara unschuldig.

"Klar, wie könnte ich mir diesen Spaß denn entgehen lassen", antwortete Trowa.

"Wow, Trowa! Du hast in den Ferien ja richtig gelernt, sarkastisch zu sein!", stichelte Duo. "Das hast du dir bestimmt von Tamara abgeguckt! Wie lange kennt ihr euch eigentlich schon?"

"Heero hat Tamara, als sie auf der Erde angekommen war, zum Vergnügen in den Zirkus eingeladen. Da haben wir uns kennengelernt. Danach kamen die beiden mich ab und zu besuchen."

"Mich hat Heero in den Ferien kein einziges Mal besucht", grummelte Relena leise. "Nicht mal angerufen ..."

"Cool. Während wir also in der Schule schmoren, lässt du es dir hier gut gehen, was Trowa?", fragte Duo neidisch.

"Es ist harte Arbeit", meinte Trowa ernst.

"Ja, klar", erwiderte Duo nur wenig überzeugt, "erzähl das deinem komischen Muskelpaket von vorhin. Hey, Quatre, warum hattest du keine von deinen Magunac - Kriegern dabei? Die hätten den doch locker vermöbeln können!"

Quatre lächelte verlegen. "Hey, also weißt du ... die haben zur Zeit anderes zu tun. Es ist doch recht friedlich, und da kann ich schon auf mich selbst aufpassen!"

"Na, aber praktisch wären die schon!", bemerkte Hilde träumerisch. "Die könnten die Einkäufe schleppen, bei den Schießbuden heftig abräumen und bei den Eintrittspreisen bekämen wir immer Gruppenrabatt ..."

Quatre sah sie verständnislos an. Wieso hielten alle seine tapferen Magunac - Krieger eigentlich immer für irgenwelche Spielzeuge?

"Ich möchte ja nicht drängeln", mischte sich nun auch Chang ein, "aber die Vorstellung im 'Teufelskabinett' beginnt gleich, und wenn wir die verpassen, dann müssen wir 3 Stunden auf die nächste warten."

"Drei Stunden?", fragte Duo erschrocken. "Oh, nö! Dazu hab ich keinen Bock! Hey, Trowa, nimm's mir nicht übel, aber wir haben nun die Wahl zwischen einer schicken Unterhaltung mit dir und den grausig gruseligen Horrorgestalten des 'Teufelskabinett'... und ich für meinen Teil entscheide mich für den Schrecken!" Mit diesen Worten hatte er auch schon Kert gemacht und sich in Richtung Ausgang begeben.

"Wir kommen später nochmal vorbei, Trowa, okay?", rief Relena Trowa noch zu.

"Besser nicht", antwortete Trowa. "Nachher müssen wir noch Vorbereitungen für die morgige Show treffen, da werde ich zu beschäftigt sein. Aber keine Sorge, ich komme ja bald wieder zur Schule, da können wir uns dann aussprechen." Er lächelte seinen Freunden hinterher.

Heero klopfte Trowa freundschaftlich auf die Schulter und folgte dann den anderen. Von draußen konnte Trowa noch Duo hören: "Was meint ihr? Ob die uns in diesem Schreckensteil auch einige scheußliche OZ - Soldaten zeigen?" - Leise vernahm er auch Hildes Antwort: "Klar, vielleicht gibt es ja ein Wiedersehen mit Zechs und Treize!" - "Oh, Gott! Mir läuft es schon jetzt kalt den Rücken herunter! Halt mich fest, ich hab Angst!" Gelächter drang von draußen herein.

Tamara war die letzte die das Zelt verließ. Doch kurz bevor sie weg war, rief ihr Trowa noch düster hinterher: "Soll ich die anderen beiden von dir grüßen, Perth?"

Tamara blieb auf der Stelle stehen und drehte sich dann langsam zu Trowa um. Ihr Gesicht hatte einen drohenden, hinterhältigen Ausdruck. "Die anderen?", fragte sie mit gesenkter Stimme. "Welche anderen denn?"

"Das würde ich auch gern wissen!" Trowa blickte sie direkt an. Tamara erwidert seinen Blick eiskalt. Sie lächelte bösartig und begann wieder auf Trowa zurückzuschleichen.

"Was haben die hier zu suchen? Seit einigen Tagen streunern sie in der Gegend herum!", fragte er.

"Ist das denn verboten?" Tamara schien aber genau zu wissen, wovon Trowa sprach.

"Hör mir jetzt mal gut zu ...", begann Trowa, doch Tamara schleuderte ihn derb gegen die Wand und baute sich drohend vor ihm auf.

"Nein, Trowa! Du hörst MIR jetzt mal gut zu!" Sie kam ihm sehr nahe, so dass er ihren Atem in seinem Gesicht spüren konnte. Ihre Stimme war zu einem gefährlichen Flüstern herabgesunken. "Diese ganze Angelegenheit geht dich nichts mehr an! Du bist doch ausgestiegen. Schon vergessen? Du hast uns doch versprochen, still zu halten. Oder?" Sie sah ihn neckisch an. "Und wir haben dir doch versprochen, dafür brav zu sein. Oder?" Trowa drehte den Kopf weg, um nicht länger in ihre nun so kalten und berechnenden Augen sehen zu müssen. Sie nahm sein Kinn hart in ihre Hand und drehte seinen Kopf zurück, so dass er gezwungen war, ihr wieder direkt ins Gesicht zu sehen. "Oder?", fragte sie noch einmal. Dann ließ sie Trowa los und trat einige Schritte zurück. "Wir für unseren Teil werden unser Versprechen halten. Halte du auch deines!"

Das war eine eindeutige Drohung.

Trowa musste schlucken. Auf was hatte er sich da nur eingelassen?

Von draußen drangen Hildes Rufe nach innen. "Tamara, wo bleibst du denn?"

Tamara sah in Richtung des Ausganges. Dann sah sie Trowa wieder an. "Wir wollen doch nur ein normales Leben führen. Mit Familie und Freunden und so." Sie lächelte. "Du weißt also nichts, Trowa, wenn dich jemand fragen sollte. Gar nichts!" Sie drehte sich um und noch im Weggehen rief sie Trowa leise zu: "Ach, und Trowa!" Sie sah sich nocheinmal kurz um. "Den Namen 'Perth' solltest du mal ganz schnell vergessen! Für dich existiert er nicht mehr!" Dann verschwand sie.

Trowa brauchte einige Minuten, um seine innere Fassung wieder zu erlangen.

Auf was hatte er sich da nur eingelassen?

Angriff aus der Dunkelheit

KAPITEL 7

Angriff aus der Dunkelheit
 

"Also, ich fand der Tag war heute wirklich gelungen."

Es war bereits dunkel; Quatre und Duo brachten Heero und Tamara noch nach Hause. Chang war schon lange weg und Hilde wollte noch mit zu Relena. Duo hatte vor, bei Quatre zu übernachten - eigentlich mehr wegen der Gesellschaft von Quatres freundlichen Schwestern als aus irgendwelchen anderen Gründen.

Sie gingen eine nur spärlich beleuchtete Allee entlang. Es war ruhig und friedlich.

Tamara hatte sich an Heeros Arm gehängt und trottete neben ihm her. Sie schien recht müde zu sein.

"Ja, der Tag war heute echt schön", sagte sie glücklich.

"Ja, vor allem teuer!", ließ Duo vernehmen.

"Das musst DU gerade sagen! Du hast doch so gut wie gar kein Geld ausgegeben, alter Schmarotzer!", fauchte sie ihn an. Sie war plötzlich wieder hellwach.

"Fängst du damit schon wieder an!" Duo verleierte die Augen. So hübsch und niedlich Tamara auch sein konnte, so sehr nervtötend und ätzend konnte sie auch sein.

"Hört doch auf zu streiten", bat Quatre.

"Lass sie, Quatre", bemerkte Heero trocken. "Blöd und blöd gesellt sich gern!"

"Hey!", riefen Duo und Tamara wie aus einem Mund empört aus.

Heero grinste leicht, doch noch während sich Tamara eingeschnappt von seinem Arm löste, erstarrten seine Gesichtszüge zu einer eisernen Miene.

Heero hatte den Schatten bemerkt.

Der Schatten, der sich in den Büschen hinter einer der wenigen Laternen versteckte.

Der Schatten, der sie beobachtete und ihnen auflauerte.

Der Schatten, der sich ihnen nun unaufhaltsam näherte.

"RUNTER!", schrie Heero in einem hektischen Ton und zog die überraschte Tamara mit sich zu Boden. Gerade noch rechtzeitig! Der Schuss flog nur wenige Zentimeter über ihm hinweg. Das Geschoss schlug in der gegenüberliegenden Mauer ein, welche heftige Risse aufzeigte und nun ein riesiges Einschlagloch aufwies.

Quatre und Duo sprangen erschrocken zur Seite und gingen in Deckung, um die Lage zu peilen.

Was war das für eine Waffe? Der Angreifer befand sich immer noch im Schatten, er war nicht zu erkennen. Heero konnte ihn kaum ausmachen, denn der Schuss erfolgte fast lautlos und ohne irgendwelche Lichtblitze oder so. Er schnappte sich seine Schwester und zerrte sie so schnell wie möglich mit sich zu Quatre hinter einen Container. Gefolgt von den wiederholten Schüssen des unbekannten Angreifers duckten sich die drei hinter ihr provisorisches Versteck. Die Bäume und Laternen in ihrer Nähe wurden von den seltsamen Geschossen getroffen und auch der Container wurde arg zugerichtet. Lange würde er ihnen keinen Schutz mehr bieten können!

Heero zog seine Waffe heraus.

"Du hast eine Waffe dabei?", fragte Quatre schockiert.

Heero reagierte nicht, sondern konzentrierte sich auf seine Gegenwehr.

"Wir waren heute im Zirkus! WARUM HAST DU DA EINE WAFFE DABEI?" Quatre schrie fast.

"Halt die Klappe!", rief Heero ihm wütend zu. Er versuchte hinter dem nun schon halb zerstörten Container hervor zu lugen, um ebenfalls einen Schuss auf seinen Gegner abfeuern zu können, doch die ständigen Schüsse erlaubten ihm dies nicht, ohne selbst getroffen zu werden.

Duo hatte sich auf der gegenüberliegenden Seite der Allee irgendwo in Sicherheit gebracht.

Neben Heero krachte es von den einschlagenden Geschossen, welche danach ein zischendes Geräusch von sich gaben. Sie schienen nach dem Einschlag zu verdampfen. Wie war das möglich? Heero hatte noch nie etwas von so einer Waffe gehört. Aber er konnte sich nicht lange damit befassen, denn er befand sich in einer recht heiklen Situation: Er wurde von einem unbekannten Angreifer mit einer unbekannten Waffe angegriffen, sein Schutz würde nicht mehr lange halten und er musste mit einer Waffe gleich zwei Personen beschützen. Er machte sich Sorgen um Tamara, aber er hatte keine Zeit nach ihr zu sehen, da er sich hektisch nach einem anderen Versteck umsah.

"Verdammt!", fluchte Heero. "Geht dem Scheißkerl denn niemals die Munition aus?"

"Ah!", ertönte da ein panischer Aufschrei von Tamara, welcher in dem Radau eines einschlagenden Geschosses fast unterging. Der letzte Schuss hatte den Container an der Breitseite durchschlagen - und zwar nur wenige Zentimeter von Tamaras Kopf entfernt. Quatre reagierte blitzschnell, schnappte sich Tamaras Kopf und zog sie mit sich zu Boden. Die Geschosse prallten jetzt immer stärker gegen den Container, welcher durch die Wucht des Aufpralls jedesmal ein Stückchen weiter an eine Mauer gerückt wurde. Nicht nur, dass immer mehr Schüsse die Metallwand durchdrangen, nein!, jetzt waren sie auch noch in Gefahr von diesem Ding zerquetscht zu werden! Quatre schützte Tamara so gut er konnte.

Heero musste jetzt etwas unternehmen!

Er schob seinen Arm an der Seite des Containers vorbei und war gerade dabei abzudrücken, als ein Streifschuss ihm die Waffe aus der Hand schleuderte.

"Argh!", schrie er vor Schmerzen auf. Obwohl er nur gestreift wurde, war diese Berührung höllisch heiß und brannte wie verrückt. Doch Heero war Verletzungen gewohnt. Viel schlimmer war die schier unüberwindliche Entfernung, die nun zwischen ihm und seiner Waffe bestand. Diese lag fast einen Meter von ihm entfernt mitten im Schussfeld seines Angreifers.

Jetzt hatte Heero die Nase voll!

Ohne weiter über die Gefahren nachzudenken, sprang er hinter dem Container hervor, rollte zu seiner Waffe, ergriff sie mit seiner unverletzten Hand, zielte kurz und - hielt inne.

Heero saß da, die etwas ramponierte Waffe schussbereit auf den Angreifer im Dunkeln gerichtet.

Er hatte den Schuss gehört.

Den Schuss, der anders war, als die Schüsse des Unbekannten.

Ein Schuss, den er kannte.

Sogar sehr gut kannte.

Heero schielte zur gegenüberliegenden Straßenseite, wo er Duo vor einer Laterne sah.

Duo hatte ebenfalls seine Waffe dabei. Seine kleine, nette Lieblingswaffe. Er hatte sich noch nie von ihr trennen können.

Duo hatte geschossen. Und getroffen.

Während Heero, Quatre und Tamara den Angriffen ausgesetzt waren, schien der Typ Duo überhaupt nicht zu beachten, so dass dieser einen unvorsichtigen Augenblick seines Gegners nutzte und diesem die Waffe aus der Hand schoss. Oder dem, was eine Hand darstellen sollte. Denn obwohl der Angreifer noch immer im Schatten stand, so konnten Duo und Heero nun doch schon seine Umrisse erkenne, welche irgendwie unmenschlich wirkten. Er war größer und kompakter als ein Mensch, hatte riesige Klauen und anstelle der Augen glühten jetzt zwei gefährliche rote Punkte. Die Kreatur stand da und sah sich nach ihrer Waffe um, welche irgendwo in die umliegenden Büsche geschleudert wurde.

Heero warf einen kurzen Blick zu Duo hinüber, welcher entschlossen zurückgrinste.

Und dann eröffneten sie das Feuer!

Sie schossen. Wieder und wieder! Und jeder Schuss traf ihren Gegner. Metallische Klänge waren zu hören, die Kreatur taumelte rückwärts und stürzte schließlich.

Heero und Duo schossen weiter. Langsam näherten sie sich dem nun reglosen Ding unter weiteren Schusssalven.

Quatre lugte vorsichtig hinter dem Container hervor. Er konnte es einfach nicht fassen, dass Heero und auch Duo noch immer bewaffnet herumliefen. Er hatte gehofft, dass sie sich etwas entspannen würden und ein normales Leben führen würde. Aber das schien einfach unmöglich. Einmal Soldat - immer Soldat.

"Die sind doch voll paranoid", stieß er unter Zähneknirschen hervor. Doch eigentlich war er froh, dass beide bewaffnet waren und sich verteidigen konnten.

Dann sah er sich besorgt nach Tamara um. Sie lehnte noch immer sitzend hinter dem Container, ihre Haare fielen ihr so tief ins Gesicht, dass er nicht sehen konnte, ob sie weinte. Sie musste panische Angst haben.

"Quatre!", hörte er plötzlich Heeros Stimme. Er klang schrecklich schockiert und verwirrt.

"Bring sofort Tamara in Sicherheit!", schrie er.

Quatre verstand nicht recht. Der Gegner war doch entwaffnet und von unzähligen Schüssen getroffen wurden, warum also war Heero noch immer in einer derartigen Alarmbereitschaft? Quatre stand auf und sah in Richtung des Gegners - und dann erstarrte er.

Das Ding stand wieder.

Stand einfach nur da.

War von unzähligen Schüssen getroffen wurden.

War umgefallen.

Und einfach wieder aufgestanden.

Und dann ging das Ding einige Schritte vorwärts - direkt auf den Container und Heero zu.

"SOFORT HAB ICH GESAGT!", schrie Heero Quatre eindringlich an.

Diesmal reagierte Quatre, schnappte sich schnell Tamaras Hand und ergriff mit ihr die Flucht.

Die Kreatur sah den beiden Flüchtenden hinterher. Sie stand nun weniger im Schatten, so dass Heero auch den metallischen Glanz erkennen konnte. Entweder der Angreifer trug eine Art Schutzrüstung oder - oder es war eine Art Androide.

Was immer es war - es war durch Schüsse nicht zu zerstören, denn als Heero und Duo wiederholt auf das Ding schossen, konnten sie nun genau erkennen, wie ihre Schüsse an dem schwarzen glänzenden Metall abprallten, ohne einen Kratzer zu hinterlassen.

Die Kreatur sah noch immer Quatre und Tamara hinterher.

Quatre lief so schnell er konnte. Da vorne war eine Kurve! Wenn er die erreichen würde, wären sie in Sicherheit. Tamara wurde einfach willenlos hinter ihm hergezogen. Doch einmal, da blickte sie sich um - und sah die unbekannte Kreatur von weitem direkt an. Dann hatte Quatre auch schon das Ende einer Mauer erreicht und zog Tamara schnell mit sich dahinter. Doch er ließ ihr keine Verschnaufpause. Auch wenn das Ding nun keine Waffe mehr hatte - wer weiß, was es noch alles konnte? Was ist, wenn es ihnen folgen würde? Er rannte weiter. So weit weg wie möglich. Tamara blickte noch immer zurück. Dann sah sie kurz Quatre an, welcher vor ihr lief ... und dann ließ sie ihre Tasche fallen. Ihre kleine schwarze Handtasche, die sie den ganzen Tag mit sich herumgetragen hatte. Sie ließ sie fallen und beobachtete genau, wo sie hinfiel. Noch beim Wegrennen konnte sie ihre kleine schwarze Handtasche sehen, wie sie da im Gras unter einem hübschen Kirschbaum lag. Der einzige Kirschbaum hier in der Gegend. Dann bog Quatre in eine Seitenstraße ein und zog Tamara hinter sich her. Sie liefen immer weiter.

Heero und Duo hörten auf zu schießen. Duo, weil ihm die Munition ausgegangen war und Heero, weil er einsah, dass sie ihrem Gegner so nichts anhaben konnten.

Das metallische Ding stand einfach nur da. Dachte es etwa nach? Heero erkannte seltsame Schläuche und Drähte und auch Kampfvorrichtungen an der äußeren Hülle. Dieses Ding erinnerte stark an eine Mobile Suit ... aber Heero hatte noch nie so ein Modell gesehen. So klein. So fest. So undurchdringlich. Wie sollte er dieses Ding vernichten? Er dachte im Grunde nicht einen Moment darüber nach, warum sie eigentlich angegriffen wurden. Das war unwichtig. Seine Kampfinstinkte erwachten wieder zum Leben und übernahmen die Oberhand. Er wurde angegriffen. Warum und wieso war irrelevant! Sein einziges Ziel war es jetzt noch, seinen Gegner zu vernichten. Egal wie.

"Heero!", ruf Duo aus. Doch Heero hatte es schon längst gesehen.

Die Kreatur hatte sich umgedreht und machte sich daran, den selben Weg einzuschlagen, über den auch Quatre und Tamara geflüchtet waren.

Das würde Heero zu verhindern wissen.

Und dazu brauchte er keine Waffe.

Er warf sie weg und rannte wie ein Tiger auf das Ding zu und rammte es in vollem Lauf - was Heero wohl mehr Schmerzen bereitete, als dem Ding. Dennoch taumelte es und schlug mit einem Knie auf dem Boden auf.

Heero ignorierte seinen eigenen Schmerz und sah an, wie sich die stechenden roten Glühaugen seines Gegenübers auf ihn hefteten, als dessen Kopf plötzlich nach hinten gerissen wurde.

Duo war halt auch nicht untätig gewesen.

Heero hechtete nach vorn und ergriff wahllos einen der Schläuche, die die metallische Außenhaut durchzogen. Es war wohl genauso sinnlos auf das Ding einzuprügeln, wie auf es zu schießen, wenn sich Heero nicht beide Hände brechen wollte. Deshalb mussten sie irgendwie diese technischen Anlagen ausschalten. Er begann wahllos Drähte und Schläuche rauszuzerren. Duo erkannte, was Heero vorhatte und ging ihm dabei kräftig zur Hand. Jaja, irgendwelche Dinge zu demontieren, darin waren die beiden schon immer gut.

Doch anscheinend schien das dem Ding nicht so gut zu gefallen. Mit einer ruckartigen Bewegung schnellte es vor und ergriff Heero und Duo an den Hälsen. Beide röchelten verzweifelt. Heero zog aus seiner Schuhsohle ein Messer hervor und begann auf das Ungetüm einzustechen.

(Ein Messer in der Schuhsohle? Heero ist wirklich paranoid!)

Das Metallmonster wand sich, ohne jedoch Heero und Duo loszulassen. Beide wurden heftig durchgeschüttelt. Duo blieb fast du Luft weg, als Heero plötzlich einen Schlauch durchschnitt, aus dem eine seltsame gelbe Flüssigkeit zu tropfen begann, die sich ätzend in das schwarze Metall einfraß.

Die Kreatur stieß einen Schmerzensschrei aus, wie in weder Duo noch Heero jemals gehört hatten. Weder von irgendwelchen Tieren, noch von Menschen.

Das Ding wand sich unter seinen Schreien und schien keine Kontrolle mehr über seinen Körper zu haben. Zuerst warf es Heero mit voller Wucht gegen eine Laterne und dann schleuderte es Duo derart gegen eine alte Mauer, dass diese zusammenstürzte und den bewusstlosen Duo unter sich begrub.

Heero rappelte sich unter Schmerzen wieder auf. Seine Wunde am Arm brannte schrecklich, jeder Knochen seines Körpers tat ihm weh und er konnte jeden einzelnen Muskel spüren. Aber er würde nicht aufgeben.

Niemals.

"Oh, Gott! STOP! Ich hab meine Tasche verloren!"

Mit diesen Worten riss sich Tamara nach einer Weile von dem völlig erschöpften Quatre los und lief den Weg zurück, den sie gekommen waren.

"Was?", stieß dieser atemlos aus. "Bist du verrückt? Lass die Tasche! Du läufst dem Typen doch direkt in die Arme! Komm zurück!"

"Aber die Tasche ist wichtig! Ich habe sie bestimmt bei der Flucht verloren! Ich passe auf! Es muss sein, Quatre!"

Und schon war sie hinter einer Biegung verschwunden.

"Nein! Tamara! Komm zurück!", rief Quatre verzweifelt und rannte ihr hinterher.

Als er jedoch an der Biegung ankam, war Tamara schon verschwunden. Sie war einfach zu schnell. Woher nahm sie nur diese Energiereserven? Quatre war vom vielen Laufen völlig erschöpft, aber wenn Tamara etwas passieren würde, dann würde Heero ihn umbringen.

Er rannte so schnell er konnte den Weg zurück, den sie gekommen waren.

Er betete, dass Tamara ihre blöde Tasche recht schnell finden und dann bloß noch schneller zurückkommen würde.

Heero sah wütend unter seinen ihm ins Gesicht fallenden Haaren die wankende Gestalt auf der Straße an. Sie war verletzt. Die gelbe Flüssigkeit schien eine ätzende Wirkung zu haben. Das war seine Chance! Die Kreatur war abgelenkt und nun konnte er zuschlagen.

Er umklammerte sein Messer fest und stürzte sich lautlos auf seinen Gegner.

Doch dieser schien nicht so sehr verletzt zu sein, wie Heero gehofft hatte, denn gerade als er nah genug war, holte das Ding aus und traf Heero derart stark, dass er mit voller Wucht und Kopf voran an den nun schon halb zerstörten Container geschleudert wurde.

Und dann wurde alles schwarz.

Heero hatte das Bewusstsein verloren.

Als er wieder zu sich kam, schmerzte sein ganzer Körper noch schlimmer als zuvor. Heero brauchte einen Moment, um zu begreifen, wo er war und was passiert war, doch dann sprang er trotz seiner Schmerzen wie wild auf und sah sich alarmiert um.

Die Kreatur war verschwunden.

Er sah die Einschusslöcher, die zerstörte Gegend und auch einige Blutpfützen, welche wohl von ihm und Duo stammten. Er sah auch die eingestürzte Mauer, unter der sich nun etwas regte.

"Duo", flüsterte Heero und er sah sich ein letztes Mal um.

Da war nichts zu sehen.

Und auch nichts zu hören.

Das Ding war weg.

Einfach weg.

Spurlos.

Heero bewegte sich rückwärts langsam auf den eingestürzten Steinhaufen zu.

Er spähte noch immer in alle Richtungen, da er nicht noch einmal von einem Angriff überrascht werden wollte. Als er eine zuckende Hand aus dem Steinhaufen herauslugen sah, beeilte er sich, die Steine zur Seite zu hieven. Keuchend und Hustend kam ein völlig verdreckter Duo Maxwell zum Vorschein. Ein sehr schlecht gelaunter und fluchender Duo Maxwell.

"Verdammte, elende Scheiße", stieß er aus und hielt sich an Heero fest, welcher ihm aufhalf.

Duo sah echt schlimm aus. Ein großer Blutfleck auf seiner Hose zeigte, dass sein Bein wohl ziemlich stark getroffen wurde von den fallenden Steinen. Genau wie Heero lief ihm Blut aus einer Platzwunde am Kopf ins Gesicht und auch am Rücken schien Duo ziemlich starke Schmerzen zu haben.

Doch keiner der beiden war lebensbedrohlich verletzt worden.

Zum Glück.

"Wo ist dieses gottverdammte Scheißteil hin!", rief Duo unter Husten aus. Er rang noch immer nach Luft.

Heero ging mit ihm einige Schritte. "Es ist verschwunden. Einfach nur spurlos verschwunden."

Beide standen nun unter einer anscheinend defekten Laterne, die nur schwaches Licht verströmte. Duo wurde etwas ruhiger und sah eine Weile auf den Boden. Dann sagte er langsam:

"Nichts verschwindet spurlos, Heero."

Er hob seinen Kopf und sah nach oben.

"Nichts, hörst du?"

Heero folgte Duos Blick und dann sah er sie.

Die Gestalt, die leblos auf der Spitze des Laternenmastes hing.

Oder besser: dort aufgespießt war.

Eine Verstrebung der Laterne war herausgebogen und der unbekannte Angreifer damit durchbohrt worden. Die gelbe Flüssigkeit tropfte zäh auf den Boden und brannte dort böse Brandlöcher in die Straße.

Heero war sprachlos. Was war hier passiert, als er bewusstlos gewesen war?

Er sah kurz auf die Uhr. Das Glas war zwar zersprungen, aber sie ging noch. Er war doch nicht länger als 5 Minuten bewusstlos gewesen?

"Was meinst du, wer ...?", begann Duo, doch Heero unterbrach ihn barsch.

"Das ist völlig egal!" Er ließ Duo los, welcher ein wenig in sich zusammensackte und sich dann auf den Boden kniete. Heero lief zu einem nebenstehenden Baum und begann trotz seiner Schmerzen daran hinauf zu klettern. "Wichtig ist nur, dass wir jetzt die Möglichkeit haben, herauszufinden, wer oder was dieser Typ ist!"

Er hangelte sich schwerfällig an den Ästen entlang, bis er etwa in gleicher Höhe mit der Leiche war.

Doch als Heero den Körper berührte ... zerfiel er.

Heero konnte kaum glauben, was er da sah. Er hatte noch nicht einmal die Härte des Metalls gespürt, als der Körper zu zerbröckeln begann und die abgebrochenen Metallteile zu Boden fielen.

Duo, welcher direkt darunter saß und sich noch dunkel an die herabstürzenden Mauersteine und die folgenden Schmerzen erinnerte, hob schützend seine Arme, doch er spürte keinen Aufprall. Vorsichtig lugte er nach oben und sah mitten in einen Regen von schwarzem Staub, der von der Laterne kam. Die Kreatur hatte sich vollkommen pulverisiert.

"Vielleicht .. so eine Art ... von Selbstzerstörungsmechanismus ...", überlegte Heero laut, der noch immer völlig fassungslos auf einem Ast saß.

Duo war fast völlig von dem schwarzen Staub bedeckt, welcher anscheinend noch weiter zerfiel, bis er so klein war, dass man ihn mit dem normalen Auge nicht mehr erkennen konnte.

Duo sah Heero verschmitzt an: "Lass es dir bloß nicht einfallen, dir auch so einen Selbstzerstörungsmechanismus in deinen Gundam einbauen zu lassen!" Er grinste.

"Dir scheint es ja wieder besser zu gehen", murrte Heero und kletterte langsam herunter.

"Wir sollten zusehen, dass wir hier wegkommen, bevor irgendwelche Sicherheitskräfte auftauchen!"

"Ja", stimmte Duo zu. "Ich hab jetzt echt null Bock in irgendwelchen Verhörzimmern diesen Sicherheitsfutzies Geschichten von Duo - Hänsel und Heero - Gretel und der bösen, bösen schwarzen Metall- Hexe zu erzählen!"

Beide schleppten sich in die Dunkelheit davon.

"Ich bin nicht Gretel", konnte man noch leise Heeros trockene Stimme hören.

Zurück ließen sie ein Feld der Zerstörung, zwei nutzlose Waffen ... und eine unbekannte Waffe unbekannter Konstruktion irgendwo im Gebüsch.

"Ich hab sie!", rief Tamara Quatre schon von weitem zu, als sie ihn ankommen sah.

Er war total außer Atem.

"Verdammt! Tamara! Mach so was nicht noch mal mit mir!", er wäre jetzt vielleicht sauer geworden, wenn er dazu noch die Energie gehabt hätte.

Erschöpft lehnte sich Quatre an den hübschen Kirschbaum am Rand der Allee. Der einzige Kirschbaum in dieser Gegend. "Wo war denn deine Tasche?", fragte er. Er musste sich etwas ausruhen, denn noch weiterlaufen konnte er nicht.

"Sie lag weiter vorn, hinter einer Parkbank bei einem kleinen Pfirsichbaum ... Quatre ... es tut mir leid, aber ..."

"Lass sein!", wehrte er ab. "Hast du irgend etwas von Heero und Duo und ... naja, du weißt schon was, gehört?" Er sah sie hoffnungsvoll und ängstlich zugleich an.

Tamara erwidert traurig seinen Blick. Sie sah auf ihre Tasche. "Nein", antwortete sie leise.

"Dann müssen wir vielleicht davon ausgehen, dass ..." Als Quatre Tamaras ängstlichen Blick sah, wagte er es nicht, weiter zu sprechen.

"Ach, nichts", sagte er nur. "Schnell weg hier! Ich nehme dich erst mal mit nach L4, da bist du auf alle Fälle in Sicherheit und dann rufen wir bei Heero und Duo an. Komm jetzt ... Und lauf bloß nicht noch mal zurück!"

Und schon rannten beide wieder davon.

Vorbei an dem hübschen Kirschbaum.

Der Kirschbaum, der als einziger wußte, dass Tamara gelogen hatte.

Schon wieder gelogen hatte.

Und wieder lügen würde.

Freunde

KAPITEL 8

Freunde
 

TickTack

TickTack

Die Uhr im Gästesalon tickte unaufhörlich.

Tamara saß auf einem bequemen Sofa und hielt eine Tasse warmen Tee in ihrer Hand.

Sie hatte ja nicht gewusst, wie groß das Anwesen von Quatres Familie war. Sie blickte nachdenklich in ihren Tee, als wenn sie darin etwas anderes sehen würde, als die dunkle warme Flüssigkeit.

Quatre stand in einiger Entfernung und telefonierte.

Jedenfalls versuchte er es.

"Bei Duo geht auch niemand ran", sagte er dann niedergeschlagen, nachdem er den Hörer aufgelegt hatte. Er setzte sich neben Tamara auf die Couch und dachte nach. Seine Mutter und seine Schwestern schliefen, da es ja schon so spät war. Schon halb 3 Uhr nachts. Er hatte schon bei Heero angerufen, aber dort hatte niemand abgenommen.

Bei Duo waren die beiden also auch nicht. Hilde schien ebenfalls nicht da zu sein.

Vielleicht übernachtete sie bei Relena? Quatre war recht froh, dass sie nicht da war, denn er wollte sie nicht beunruhigen. Er machte sich überhaupt viele Gedanken über diesen mysteriösen Angriff. Warum? Jetzt so plötzlich und ohne Vorwarnung. Was erhoffte sich der Angreifer davon? War es ein Attentäter? Wenn ja, auf wen war er angesetzt? Doch noch mehr Gedanken machte er sich um Heero und Duo. Warum meldeten sich die beiden nicht?

'Heero wird sich bestimmt nicht kampflos ergeben haben', dachte Quatre, 'und auch Duo ist ein guter Kämpfer. Die beiden haben also gute Chancen, aber wenn sie dennoch ... ach, du liebe Güte!' Quatre verkrampfte sich plötzlich und begann nervös seine Hände durchzuringen. Er wurde rot, denn erst jetzt fiel es ihm auf: Er saß allein mit Tamara in einem Zimmer. Auf der selben Couch. Und ... naja ... die beiden saßen nicht gerade an den entgegengesetzten Enden der Couch. Und wenn Quatre es so recht betrachtete, dann saßen sie sogar recht nah beieinander. Zu nah, als dass er sich gegen die aufkommenden Gedanken und Gefühle wehren konnte.

"Ähm, Tamara ... ich", begann er stockend und leise. Tamara sah auf und blickte ihn fragend an. Quatre konnte ihr nicht ins Gesicht sehen. Er starrte stur auf den Tisch vor sich.

"Weißt du, ich wollte nur sagen ... ich meine ... du ...du bist ...naja, ich..."

DRIIIIING!!!!!!

Quatre und Tamara wurden durch das Klingeln des Telefons hochgeschreckt. Sie sahen sich erst verdutzt nach der Geräuschquelle um, doch als es ein zweites Mal klingelte, sprang Quatre auf und nahm ab. Tamara sah ihn eine Weile an, bis sich sein Gesichtsausdruck aufhellte und er sich erleichtert zu ihr umdrehte: "Es sind Heero und Duo!"

Tamara sprang nun ebenfalls auf und kam zum Telefon gelaufen, aber Quatre wusste geschickt zu verhindern, dass sie mithören konnte. Der Lautsprecher war defekt und das hätte ihm gerade noch gefehlt: Er und Tamara Kopf an Kopf, Wange an Wange beieinander am selben Hörer. Er hörte still zu, nickte ab und zu und verabschiedete sich dann. Tamara schien über dieses Gespräch etwas enttäuscht zu sein, da sie davon doch im Grunde gar nichts mitbekommen hatte. Als Quatre dann aufgelegt hatte, fragte sie besorgt: "Und? Wie geht es Heero?" - "Gut. Es geht beiden gut. Ich habe mit Trowa gesprochen. Heero und Duo sind in einem Krankenhaus." - "Ein Krankenhaus?", rief Tamara schockiert aus. "Ist Heero denn verletzt? Quatre, können wir nicht hinfliegen, ich ..." - "Warte!", unterbrach Quatre sie sanft. Er drückte Tamara vorsichtig auf die Couch zurück. "Hör zu, wir wollen dich da nicht noch weiter mit hineinziehen. Trowa hat mir die Lage geschildert und mir von Heero genaue Anweisungen übermittelt. Er möchte nicht, dass du auf die Erde kommst. Der unbekannte Angreifer wurde von jemand anderem, den weder Heero noch Duo gesehen haben, zur Strecke gebracht. Trowa wird sich später noch mal am Tatort umsehen und die Sache überprüfen, aber bis er nicht grünes Licht gegeben hat, möchte Heero nicht, dass du hinkommst. Verstehst du? Er hat es zwar nicht gesagt, aber er macht sich Sorgen um dich. Heero hat viele Prellungen und Schürfwunden, eine Platzwunde an der Stirn. Gefährlich sagen die Ärzte ist nur eine starke Verbrennung an seiner Hand, ansonsten geht es ihm gut. Duo hat es schlimmer erwischt. Er hat Splitter ins Bein bekommen und musste operiert werden, aber es sieht gut aus. Er hat ..." - "Wie lange soll ich denn noch auf L4 bleiben?", unterbrach Tamara ungeduldig. Es schien sie nicht sonderlich zu interessieren, wie es Duo ging.

"Trowa will die beiden dann im Zirkus verstecken, damit man ihnen keine unangenehmen Fragen stellt, aber er glaubt, dass Heero und Duo am Montag wieder zur Schule kommen ... also nur dieses Wochenende."

"Na gut, ich schätze mal, das werde ich überleben", lächelte Tamara Quatre an, so dass dieser fast seinen Kopf verlor und wieder rot wurde. Er erinnerte sich daran, was er Tamara sagen wollte, bevor Trowa angerufen hatte.

Und anscheinend erinnerte sich Tamara auch daran: "Was wolltest du vorhin denn sagen,Quatre?"

Er brachte es einfach nicht fertig, ihr zu sagen, dass es nichts war, oder sie zu belügen. Er musste mit ihr einfach mal darüber reden. Und dieser Moment war einfach ideal dazu.

"Weißt du, Tamara, du bist doch ... eigentlich ... recht hübsch ... und ... nein, also ... eigentlich bist du wunderschön! Und du hast so eine eigene Art, wie du die Menschen verzauberst und ..."

Tamara sah ihn fragend an, doch ihr Blick klärte sich nach und nach auf. Sie wusste, worauf Quatre hinauswollte. Er sah in ihre blauen Augen und bereute es, dass er davon begonnen hatte. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr.

"...ich meine, ich finde dich wirklich ... ich"

"Quaaaaaaaaaaatreeeeeeeee!", hörte er da eine zarte kleine Stimme hinter sich.

Eine seiner jüngeren Schwestern hatte sich von hinten an ihn herangeschlichen und zupfte ihm nun an seinen Haaren herum.

Tamara blickte sich um und sah das kleine blonde Mädchen im Nachthemd überrascht an.

"Warum bist du denn noch so spät wach?", fragte Quatre, der sich auf frischer Tat ertappt fühlte.

"Und warum bist du so rot?", kam es zurück.

Tamara lächelte. Quatre hingegen war es schlicht weg peinlich. Die Kleine hängte sich um Quatres Schultern und sah Tamara neugierig fragend an.

Quatre bemerkte dies und meinte: "Darf ich vorstellen: Das ist Tamara Yuy, die Schwester von Heero; sie bleibt über das Wochenende bei uns. Tamara, das ist meine Schwester Isabella!"

Tamara lächelte freundlich und gab Isabella die Hand. "Hallo, Isabella. Ich freue mich, dich kennen zu lernen."

"Hallo, Tante", erwiderte diese.

Quatre verzog das Gesicht und raunte seiner Schwester leise zu: "Tamara! Nicht Tante!"

"Is gut", sagte Isabella und dann an Tamara gewandt: "Soll ich dir mein Zimmer zeigen, Tante?"

Quatre zuckte wieder zusammen, doch Tamara lächelte freundlich, nahm Isabellas Hand und sagte freundlich: "Klar, ich freue mich darauf!"

Isabella zog sie zur Tür, doch im Weggehen drehte sich Tamara noch einmal zu Quatre um und sagte sanft: "Hey, Quatre! Lass uns Freunde sein, okay?"

Er sah ihr hinterher. "Gute Freunde!" Sie verschwand mit Isabella.

Quatre sah ihr noch lange hinterher.

Das war ein Korb.

Wenn ein Mädchen zu einem Jungen sagte, sie würden Freunde sein, dann war das ein Korb. Das wusste auch Quatre, der doch wohlbehütet aufgewachsen war. Aber er war nicht traurig darüber.

Nein! Er lächelte.

Er hatte Tamara tief in die Augen geblickt und diese Augen hatten alles gesagt, was es zu sagen gab. Er hatte darin gelesen, dass Tamara niemals auch nur annähernd die selben Gefühle für ihn aufbringen könnte, wie er für sie. Dass sie ihn niemals lieben könnte. Aber diese Augen sprachen auch von Treue, von Freundschaft und der Hoffnung auf eine schöne Zukunft.

Das hatte er in ihren Augen gelesen.

Quatre freute sich darauf, nochmals in diese Augen einer Freundin zu blicken.

Aber Quatre hatte auch etwas anderes in diesen Augen gesehen.

Etwas Trauriges.

Etwas, von dem ihm sein Gefühl sagte, dass er sich davor in Acht nehmen sollte.

Quatre verdrängte diese Gedanken.

Er mochte Tamara.

Er vertraute ihr, obwohl er sie doch erst seit ein paar Tagen kannte.

Tamara war jetzt eine Freundin.

Eine gute Freundin!

Problemschüler Nummer 2 und 3

KAPITEL 9

Problemschüler Nummer 2 und 3
 

Es war Montagmorgen.

Und was für ein Montagmorgen.

Die Gundam Piloten waren schon wieder früher als alle anderen in der Schule, bis auf Trowa jedenfalls, der noch immer im Zirkus den Boss spielte. Relena und Hilde waren auch noch nicht da.

Die Jungs diskutierten heftig über die Vorfälle des Wochenendes.

"Wir sollten der Sache auf den Grund gehen!", beharrte Chang.

"Das hat Trowa schon so gut wie möglich gemacht!", bemerkte Quatre.

Trowa Barton hatte sich am Sonntag noch mal am Ort des Geschehens umgesehen. Es wimmelte nur so von Sicherheitskräften und Reportern, doch Trowa wusste sich geschickt einzuschleichen.

Schließlich mussten die Müllmänner doch diesen Dreck mal wegräumen!

Und Trowa war - wie alles, was er machte - ein ausgezeichneter Müllmann.

Er hatte jedes Teil begutachtet, bevor es verfrachtet wurde, und auch den Gesprächen der Sicherheitsbeauftragten aufmerksam gelauscht. Die Presse vermutete den Anschlag einer jugendlichen Gang von Randalen, denen der derzeitige Frieden wohl nicht so ganz zu bekommen schien und die mit Gewalt für etwas Abwechslung sorgen wollten.

Trowa hatte sich auch nach Blutspuren, Kratzern und Überresten der gelben Flüssigkeit umgesehen, konnte aber nichts davon entdecken. Erst als er sich sicher war, dass weder Presse noch Beamte Hinweise auf die Beteiligung von Heero, Duo oder des Angreifers gefunden hatten, und dass der Fremde nicht wieder kommen würde, hatte er Entwarnung gegeben.

Heero und Duo, welcher eine Zeit lang nach der Operation auf Krücken laufen musste, hatten im Zirkus Unterschlupf gesucht, wobei Duo sich ständig von dem Muskeltypen verfolgt sah und regelrechte Paranoiaanfälle bekam.

"Du glaubst doch nicht etwa, dass ich hier rumsitze und Däumchen drehe!", schrie Chang nun aufgebracht aus.

"Du willst doch bloß wieder kämpfen!", bemerkte Duo schlecht gelaunt. Er saß auf seinem Stuhl und versuchte sein schmerzendes Bein zu ignorieren. Seine Krücken lehnten an der Wand.

Chang blickte empört auf Duo. Dann lief er vor Wut fast rot an.

"Ja, verdammt! ICH WILL KÄMPFEN!"

"Keine Angst, dass du diesem Ungetüm nicht auch unterliegen könntest?", stichelte Duo.

"BAKA!" Chang ließ sich beleidigt auf seinen Stuhl zurückfallen.

Aber er hatte Angst. Angst zu unterliegen.

"Wir haben aber leider keine weiteren Anhaltspunkte, wie wir in diesem Punkt weiter vorgehen sollten." Quatre ging die Sache sehr logisch und rational an. "Wir haben wohl keine andere Wahl, als auf einen weiteren Schritt unseres neuen Gegners zu warten."

"Oder UNSERER Gegner! Vielleicht ist es eine Organisation!", gab Duo zu bedenken. "Und wer weiß, ob sie noch mal zuschlagen? Oder ob sie sich dabei erwischen lassen? Oder ob ... wir es ... überleben?", Duo grinste herausfordernd in sich hinein.

Chang schielte wütend zu Duo hinüber und dachte sich nur: 'Wenn er jetzt irgendwelche Kommentare in Richtung Watashi- wa- shinigami loslässt, dann prügel ich ihn mit seinen eigenen Krücken zu Tode!'

Doch Duo grinste nur weiter vor sich hin.

"Das wissen wir nicht", sagte Quatre. "Auf jeden Fall sollten wir uns unauffällig verhalten und weiter zur Schule gehen und ..."

"Nein!", wurde er unsanft von Chang unterbrochen. "Wir sollten die Schule hinschmeißen und weiter nachforschen! Wir müssen uns vorbereiten! Wir müssen uns Waffen besorgen und ... ja ... GUNDAMS!"

Duo und Quatre blickten zweifelnd auf. Sie wussten doch nicht mal, mit wem sie es zu tun hatten und Chang wollte schon schwere Geschütze auffahren? Das war wohl etwas übereilt.

"Was sind Gundams?", fragte Tamara leise, die bisher nur still neben der Gruppe gesessen hatte.

Chang sah sie fragend an. Er verstand nicht recht. Erst nach einer Weile machte es klick, als er begriff, dass Heero Tamara noch nie etwas von seinem Dasein als Soldat erzählt hatte.

Doch da war es schon zu spät. Chang bemerkte Heeros drohenden Blick. Ein Blick, den er lange nicht mehr gesehen hatte.

Streng, drohend, gefährlich.

Tödlich.

"Ach, vergiss es!", sagte Quatre schnell und drehte sich von ihr weg.

"Aber ...", wollte Tamara nachhaken, aber Duo kam Chang zu Hilfe und lenkte das Gespräch geschickt ab.

"Was ich eigentlich viel verwunderlicher finde, ist dass Trowa seine Amnesie überwunden zu haben scheint."

Quatre sah ihn neugierig an und auch Chang horchte auf. Daran hatten sie gar nicht mehr gedacht.

"Ist es euch denn nicht aufgefallen? Er erinnert sich an alles ohne Gedächtnislücken und wenn der Direktor ihm die Verantwortung für den Zirkus übergeben hat, dann doch bestimmt nicht, wenn Trowa alle 5 Minuten vergisst, wer er eigentlich ist." Das leuchtete ein.

Tamara sah immer noch verdutzt aus der Wäsche.

"Amnesie?"

"Ja, Amnesie!" Duo hatte schon wieder diesen Kindergärtnerton eingeschlagen, mit dem er Tamara in den Wahnsinn treiben konnte. "Du weißt schon, so nennen die Fachleute diese Krankheit, bei der man von Zeit zu Zeit vergisst, wer man ist und was ... Hey! Lass meine Krücken stehen!!!!!!"

Tja, und da hatte er Tamara auch schon in den Wahnsinn getrieben. "VERDAMMT, ICH WEIß, WAS AMNESIE IST!!!", schrie sie wütend, während sie sich Duos Krücken geschnappt hatte und mit ihnen zum Schlag ausholte.

Quatre ging rechtzeitig dazwischen und hielt sie zurück. "Hey, nimm doch bitte ein wenig Rücksicht! Er ist doch verletzt!" Und damit nahm er ihr die Krücken behutsam aus der Hand und lehnte sie an Duos Tisch.

"Ja, er ist verletzt! Aber bloß im Kopfe!", fauchte Tamara bissig.

"Hey, wenn du Bock hast, dann kann ich dir gerne auch ...", doch Duo hielt rechtzeitig inne, als er wieder Heeros drohenden Blick sah; wie dieser gefährlich unter seinem Pony zu ihm heraufblickte. Es war wohl nicht sehr klug der Schwester von Heero zu drohen.

Duo beendete seinen Satz nicht, sondern lehnte sich statt dessen zurück und kreuzte die Arme vor der Brust. Er hatte es langsam satt, dass Tamara immer unter Heeros Schutz stand. Er konnte sich zwar mit ihr rumzoffen, aber wenn er erst richtig gemein werden wollte, da griff Heero immer ein. So konnte er Tamara nie eine auswischen.

"Ich wusste gar nicht, dass Trowa Amnesie hat? Er hatte nie irgendwelche Gedächtnisverluste in meiner Gegenwart", grübelte Tamara.

"Dann ist er wohl schon länger davon befreit. Aber ich habe eigentlich noch von keinem effektiven Heilmittel gegen Amnesie gehört", dachte Quatre laut nach.

Tamara sah Heero an. "Hat das vielleicht etwas mit den Pillen zu tun, die Trowa immer nimmt?"

Heero antwortete nicht.

"Hey, Heero ich hab dich was gefragt!", beharrte Tamara.

"Hn!" Heero drehte sich weg.

"Hör mir mit deinem 'Hn!'auf!", bellte sie nun los.

"Tja, du hast ihn halt schlecht erzogen, Tam! 'Ne Weile hat Heero halt brav den netten Bruder gemimt, aber nun bricht halt doch sein wahres Wesen aus!", grinste Duo sie böse an.

"Halt die Klappe!", fauchte Tamara kurz. "Heero!"

"Ja", schrie dieser endlich zurück. "Es sind die Pillen. Ein experimentelles Mittel, welches gegen wiederkehrende Amnesieanfälle auf L5 entwickelt wurde. Trowa nimmt an der Testreihe teil und jetzt LASS MICH!"

Tamara sah ihn entgeistert an. Dann stürzte sie sich auf ihn und zerzauste ihm das Haar. "Bruderherz! Wag es ja nicht noch mal in so einem bösen Ton mit mir zu reden, sonst werde ich dich ganz schrecklich vor allen anderen blamieren! Ich ..."

Plötzlich wurde sie auch schon straff nach hinten gezogen. Relena hatte sie am Kragen gepackt und sah ihr nun ins Gesicht.

Sie sagte streng: "Ich glaube nicht, dass du ihn noch schlimmer blamieren kannst."

Hilde stand hinter ihr und sah ebenfalls ziemlich sauer aus.

"Ich werde jetzt nicht fragen, wo ihr das Wochenende wart! Weder Duo noch du oder Heero wart zu Hause! Aber du solltest dich jetzt lieber mal schnell in deine eigene Klasse verziehen."

"Aber der Unterricht hat doch noch gar nicht angefangen ...", versuchte Tamara zu protestieren, doch Relena ging nicht darauf ein: "Heero, wir sollen alle auf den Hof kommen. Der Lehrer will uns die neuen Austauschschüler vorstellen."

Der Morgen war frisch und das Wetter so gut wie in den letzten Tagen.

Heero lehnte an einer Wand, während Relena mit Quatre auf einer Bank saß. Heero hatte ihm zwar aufgetragen, weder Relena noch Hilde was von dem mysteriösen Angriff zu erzählen, da deren neugierige Nasen das letzte waren, was er nun in dieser Angelegenheit sehen wollte und sie ihnen wohl auch nur wenig helfen könnten. Es war schon genug, dass Tamara bescheid wusste! Doch als Hilde die Verletzungen von Heero und vor allem von Duo gesehen hatte, hatte sie ihnen sofort wilde Schlägereien in Kneipen und sonstiges unterstellt. Das wollte Duo natürlich nicht auf sich sitzen lassen und da rutschte ihm die Wahrheit so ganz nebenbei heraus. (Das passiert ihm irgendwie öfters!) Quatre erzählte ihnen dann leise die wichtigsten Fakten. Heero verleierte nur noch die Augen. Er hatte sich vorgenommen die Sache allein zu klären.

Als der Lehrer kam, rief er die Schüler, welche sich nun alle vollständig versammelt hatten, zu sich und stellte ihnen die beiden jungen Leute vor, welche hinter ihn traten.

"Im Rahmen unseres Schüleraustauschprogrammes, um die Verhältnisse zwischen den Kolonien zu festigen, darf ich euch mit Elbie Mackenzie und Alan Thomas bekannt machen. Ich habe mir gedacht, um die Atmosphäre etwas aufzulockern, solltet ihr euch im Freien kennenlernen. Vielleicht solltet ihr zwei euch jetzt selbst mal vorstellen und danach zeigen wir euch kurz die Schule, was haltet ihr davon?", wandte der Lehrer sich an die Neuen. Er war von seiner kreativen Idee ganz begeistert.

"Also, wie bereits gesagt: Mein Name ist Elbie Mackenzie und ich komme von einer kleinen Asteroidengruppe in der Nähe von L4." Elbie machte den Anfang. Sie war ein junges und recht hübsches Mädchen, wenn auch nicht ganz so hübsch wie Tamara, was Quatre und Chang fanden. Elbie hatte wilde rote Haare, die in kurzen Locken ihr Gesicht umrahmten. Sie trug einen quietschgelben Pulli und eine enganliegende Lederhose. Im Allgemeinen wirkte sie sehr selbstsicher und schlagfertig, aber auch irgendwie sympathisch.

"Naja, was soll ich noch großartig über mich erzählen? Mal nachdenken ... meine Eltern betreiben eine kleine Handelsgesellschaft. Sie leiten verschiedene Betriebe, die Souvenire herstellen und organisieren deren Versandt zur Erde und den Kolonien. Da, wo ich bisher zur Schule gegangen ist, war es ziemlich öde, deshalb war ich super happy darüber, als ich dann erfuhr, dass ich auf der Erde zur Schule gehen könnte! Hier soll voll die Sau abgehen!" Elbie grinste vorfreudig. Die gesamte Klasse schmunzelte - ausgenommen Heero und Chang - denn Elbie hatte sich mit diesem "freien" Vortrag als eine von ihnen identifiziert.

Der Lehrer seufzte nur. "Die Sau soll hier abgehen? Na toll, noch so ein Problemschüler à la Duo Maxwell, jetzt sind es schon zwei von der Sorte ... warum immer ich?", murmelte er resigniert.

Auch der gutaussehende junge Mann neben Elbie konnte sich ein Lächeln nur schwer unterdrücken.

"Mein Name ist Alan Thomas. Ich komme von L3 und habe mich bei dem Schüleraustausch beworben, weil ..." Er warf einen Seitenblick zu Elbie und grinste dann unverschämt. "... naja, jedenfalls aus anderen Gründen als Elbie! Meine Eltern leiten eine kleine Privatdetektei. Wenn ihr also irgendwie unter paranoiden Verfolgunsängsten leiden solltet, dann könnt ihr euch ruhig an mich wenden: Für Freunde gibt's Rabatt!" Heero und Duo horchten auf.

"Na, jedenfalls hoffe ich, dass wir uns gut miteinander verstehen werden."

"Hey, der sieht doch verdammt gut aus, oder nicht?", flüsterte Hilde leise zu Relena hinüber, welche in Gedanken versunken nickte. Und Alan sah wirklich verdammt gut aus. Er war hochgewachsen, wohl größer als Heero, kräftig gebaut, aber auch nicht zu muskulös, dunkelhaarig und mysteriös. Dennoch waren seine Gesichtszüge freundlich und vertrauenerweckend.

Aber das alles interessierte Chang nicht.

"Ob der kämpfen kann?", flüsterte er hastig zu Duo hinüber.

"Keine Ahnung", maulte dieser, der es langsam satt hatte, auf seinen Krücken in der Gegend rumzustehen. "Vielleicht solltest du ihn fragen? Ich denke ..."

"Gut, ich frag ihn!"

"Was?", rief Duo erschrocken aus. "Aber doch nicht etwa jetzt gleich?"

"HEY, DU TYP! KANNST DU KÄMPFEN!", schrie Chang über den ganzen Pausenhof.

Alle drehten sich nach ihm um und starrten ihn entsetzt an. Duo stützte sich auf eine Krücke und verdeckte mit der freien Hand sein Gesicht, um den Blicken seiner Kameraden zu entgehen.

'Anscheinend doch jetzt gleich', dachte er peinlich berührt.

Doch Alan lächelte nur herausfordernd. "Klar!"

Chang staunte. Ein potentieller Gegner!

"Und wenn du willst, kann ich dir auch gleich zeigen, WIE ICH KÄMPFEN KANN!", rief Alan übermütig aus und machte Anstalten auf Chang loszurennen. Nur Elbie hielt ihn rechtzeitig zurück.

Chang seinerseits wurde von Quatre zurückgehalten, denn auch er war nun total scharf auf einen Kampf. Er war gespannt, wie gut der Neue wohl kämpfen könne. Klar, Chang machte sich nicht allzu große Hoffnungen auf einen ernsten Gegner, aber es würde mal wieder ein netter Zeitvertreib werden. Er hatte schon sich schon lange nicht mehr duelliert.

Der Lehrer trat nun entschieden zwischen Chang und Alan.

"Wagt es ja nicht euch HIER zu prügeln!", rief er streng.

"Schon klar", erwiderte Alan frech. "Dürfen wir mal kurz vor das Schultor gehen?"

'Na toll', dachte der Lehrer wieder resigniert. 'Problemschüler Nummer 3 ... Ich hasse mein Leben!'

"Ihr werdet euch gar nicht prügeln!", rief er entschlossen aus. Langsam hatte er die Faxen dicke! Er hatte sich ernsthaft vorgenommen, diesen Austauschschülern ihre Schule von der besten Seite zu präsentieren und sie zu vorbildlichen Studenten zu erziehen. Aber dazu hatten die beiden anscheinend nur wenig Lust. Die wollten doch nur Party oder Prügelei. Wie sie wollten! Er konnte auch anders!

"Und Mister Thomas! Wenn sie ein weiteres Mal den Drang verspüren sollten, ihrem Hormonüberschuss freien Lauf zu lassen, dann schwöre ich, fliegen sie schneller von dieser Schule als sie sehen können!" Alan beruhigte sich und sah betroffen auf den Boden.

"Und Mister Wufei!", wandte er sich an Chang.

"Nichts 'Mister Wufei'", kam es gereizt zurück. "Sie haben mir nichts zu befehlen! Sie müssen mir immer noch beweisen, dass sie meines Respektes würdig sind! Los, ich fordere sie ... mhpf ..."

"Hähä, was Chang damit meint", mischte sich Hilde ein, welche Chang den Mund zuhielt und ihn zu beruhigen versuchte, "ist, dass ein derartiger Vorfall nicht noch einmal vorkommen wird! Er ist sich sicher, dass er sich bestimmt gut mit Alan und auch mit Elbie vertragen wird!" Sie grinste verlegen und hatte dabei alle Mühe, Chang zum Schweigen zu bringen, der nicht mal mehr ein verzweifeltes "Baka" von sich geben konnte.

Der Lehrer grummelte wieder etwas Unverständliches in sich hinein, dann sagte er laut: "Fein. Das war's dann erst mal für heute! Die Schulbesichtigung fällt aus! Ihr könnt euch in den Pausen umsehen und nun: ALLES ZURÜCK IN DEN KLASSENRAUM! IN 5 MINUTEN WILL EUCH ALLE WIEDER IM RAUM HABEN! OHNE AUSNAHMEN!"

Duo sah ihn mitleidig an.

"Na, gut, eine Ausnahme", willigte der Lehrer ein, "Mister Maxwell, sie dürfen aufgrund ihrer Behinderung auch etwas später kommen!"

'Und ob ich später kommen werde', dachte Duo hinterhältig und begann demonstrativ langsam in Richtung der Eingangshalle zu humpeln.

Als Alan an ihm vorbeikam, flüsterte er ihm schnell zu: "Hey, bei dem habt ihr's jetzt echt verschissen!"

"Und?", fragte ihn Alan.

"Willkommen im Club!", grinste Duo zurück.

Alan grinste ebenfalls und sah zu, dass er schnell den Anschluss zu den anderen fand. Für ihn galt immerhin die In- 5- Minuten- seid- ihr- alle- im- Raum- Regel.

Duo hingegen ließ sich wirklich alle Zeit der Welt. So schaffte er es doch immerhin fast die gesamte Geschichtsstunde zu verpassen, was ja aber auch gar nichts damit zu tun hatte, dass er noch kleine Abstecher zum Getränkeautomaten und dem Männerklo veranstaltet hatte.

Die Anderen

KAPITEL 10

Die Anderen
 

In der ersten Pause wurden Elbie und Alan dann auch sofort vom Rest der Klasse umzingelt und nach allen Regeln der Kunst ausgequetscht. Tja, solche Verhörtaktiken wurden bisher bloß in OZ- Büros angewendet. Wie hatten sich die Zeiten doch geändert, dass nun sogar die Schüler an den Schulen zu derart radikalen Mitteln griffen.

Elbie und Alan gingen die vielen Fragen anscheinend ziemlich auf den Wecker. Sie sahen sich verzweifelt nach einer Fluchtmöglichkeit um.

Duo und Hilde saßen auf ihren Plätzen: Duo, weil er sich nicht wieder mit Krücken durch die Gegend schleppen wollte, und Hilde, weil sie Duo nicht allein da einsam sitzen lassen wollte, denn Heero, Relena, Quatre und Chang hatten den Klassenraum verlassen, um weiter mit Tamara zu beratschlagen.

"Hey", drehte sich Hilde plötzlich zu Duo um, "ist dir schon mal aufgefallen, dass Quatre und Tamara DAS GANZE WOCHENENDE zusammen verbracht haben? Und ich finde, sie verstehen sich jetzt noch viel besser als vorher! Ob da was zwischen ihnen läuft?"

Duo starrte gerade aus. Also diesen Gedanken musste er erst einmal verkraften.

Heero, Tamara und die anderen standen am Ende eines leeren Ganges und diskutierten.

Naja, eigentlich diskutierten Relena, Quatre und Chang. Die beiden Geschwister hielten sich geschickt zurück.

Heeros Entschluss stand fest. Er würde sich auf keine weiteren Diskussionen mit Relena einlassen. Er würde das Problem bei nächster Gelegenheit allein klären.

Tamara seufzte leicht und sah den Gang entlang, als sich ihr Blick plötzlich aufklärte.

Heero, welcher dies bemerkt hatte, folgte ihren Augen und sah Elbie und Alan den Gang entlang kommen, die sich wohl irgendwie aus dem Raum geschlichen hatten.

"Ruhe!", raunte er schnell Relena und Quatre zu, als Tamara überrascht ausrief:

"ELBIE? ALAN? Das ist ja eine Überraschung! Was macht ihr denn hier?"

Mit diesen Worten lief Tamara auf ihre alten Freunde zu und fiel ihnen in die Arme. Weder Elbie noch Alan konnten ihr auf ihre Fragen antworten, da sie krampfhaft in Tamaras Umarmung nach Luft rangen. Schließlich konnte sich Elbie doch daraus befreien und überließ Alan ganz allein Tamaras Knuddelorgie.

"Hey, Tamara", sagte sie atemlos. "Du gehst jetzt auch auf diese Schule? Wie denn das? Du hast doch an dem Austauschprogramm gar nicht teilgenommen?"

Tamara blickte auf und antwortete: "Nein, denn ich fand die alte Schule eigentlich ganz okay. Aber ich bin doch umgezogen! Ich wohne jetzt hier auf der Erde bei meinem Bruder!"

"Dein Bruder?", fragte Alan.

Tamara ließ nun auch endlich ihn los und lächelte zu Heero hinüber.

"Darf ich vorstellen? Mein Bruder Heero, seine Freunde Quatre und Chang und Relena! Elbie, Alan und ich sind alte Freunde!"

Heero und die anderen sahen noch immer verdutzt auf Elbie und Alan. Tamara schien aber auch wirklich jeden zu kennen!

"Wo ... Woher kennt ihr euch denn?", brachte Relena schließlich heraus.

"Ach, Tammy und ich sind auf die gleiche Schule gegangen, bevor ich hierher wechselte. Und Alans Eltern haben mal einen Auftrag für meinen Vater ausgeführt, und ... naja, so haben wir uns kennengelernt. Als ich mich dann für das Austauschprogramm vorbereiten musste, hab ich dich dann total aus den Augen verloren, Tammy! Ich hatte schon Angst, ich würde dich nicht wiederfinden!", erklärte Elbie.

"Darum brauchst du dir sicher keine Sorgen machen, Elbie. Ihr zwei würdet euch wohl auch in den entlegensten Winkeln der Galaxis finden", lachte Alan.

"Das Schicksal scheint euch da wohl wieder zusammengeführt zu haben", bemerkte Quatre. "Das ist schön. Ich freue mich für euch!"

Tamara lächelte Quatre glücklich an.

"Du glaubst an das Schicksal?", fragte Elbie Quatre interessiert. "Ich glaube nämlich ..."

Elbie konnte leider nicht ausreden, denn das Stundenklingeln überraschte alle ziemlich unvorbereitet. Tamara schreckte hoch und rief verzweifelt: "Nein! Ich muss doch zurück in meinen Klassenraum! Mist, warum kann ich denn nicht in die gleiche Klasse gehen, wie ihr?"

"Weil du einfach zu spät geboren wurdest, du Pechvogel!", rief ihr Elbie noch zu, welche sich auch schnell auf den Weg zurück in die Klasse machte.

"Na, warte!", drohte Tamara. "Noch ein paar gute Noten und ich werde einen Antrag auf Vorversetzung stellen! Und dann komme ich auch in eure Klassenstufe! Bäh!" Und schon war sie die Treppen hinaufgesprungen und davongehuscht.

"Uah", schauerte Alan, "sie in unserer Klassenstufe! Welch grausige Vorstellung!"

Quatre und Chang waren schon vorgelaufen, die anderen folgten ihnen. Sie kamen zwar schon so oder so zu spät zum Unterricht, aber sie wollten den Lehrer nicht noch mehr reizen.

Bevor sie den Unterricht betrat, drehte sich Relena noch einmal in die Richtung um, in die Tamara verschwunden war. Sie konnte es nicht beschreiben, aber es war wieder da.

Dieses Gefühl, welches sich tief in ihrer Magengegend einnistete und für eine innere Unruhe in ihr sorgte.

Dieses Gefühl, das ihr sagte, dass etwas nicht stimmen würde.

Dass ihre schöne, heile Welt aus irgendeinem Grund wieder dabei war zu zerbrechen.

Sie hatten gerade Computertechnik.

In dem Fach war Duo einfach spitze.

Dennoch langweilte er sich. Quatre hatte ihm nur kurz auf einem Zettelchen geschrieben, was sich draußen auf dem Flur ereignet hatte, und hatte sich dann wieder auf den Unterricht konzentriert.

Duo hatte niemanden, mit dem er quatschen konnte, denn alle waren mit ihren Aufgaben beschäftigt oder sie wollten sich einfach nicht mit ihm unterhalten. Vielleicht sollte er es wagen, und eine kleine Zänkerei mit dem Lehrer anfangen?

Duo überlegte gerade, wie er ihn wohl ganz gerissen auf die Palme bringen könnte, als es an der Tür klopfte.

Der Lehrer unterbrach (wieder mal) seine Ausführungen und ging nachsehen.

Duo streckte sich, um auch etwas sehen zu können, aber sein schmerzendes Bein machte seiner Neugier einen Strich durch die Rechnung. Seufzend lehnte er sich zurück und wartete ab.

Er staunte jedoch nicht schlecht, als plötzlich Trowa in die Klasse kam. Trowa Barton.

Anscheinend waren Catherine und der Zirkusdirektor wieder zurückgekommen, so dass Trowa wieder die Schule besuchen konnte - oder musste, je nachdem.

Trowa war gerade dabei, auf seinen alten, bisher leeren Platz zu gehen, welchen Quatre schon vor einigen Tagen wieder geräumt hatte, als er die Neuen in der Klasse bemerkte.

Er ging direkt an Elbie vorbei und sah ihr mitten ins Gesicht. Sie war es! Sie war es tatsächlich! Trowa war schockiert, aber er ließ es sich nicht anmerken.

Ja, er kannte die beiden Neuen.

Elbie Mackenzie und Alan Thomas. Das, so glaubte er, müssten zur Zeit ihre Namen sein.

Ihre Anwesenheit beunruhigte ihn.

Er war ganz in Gedanken versunken, als der Lehrer ihn ansprach: "Name und derzeitige Adresse, bitte!"

"Was?", Trowa wurde aus seinen Gedanken hochgeschreckt.

"Nur für die Vollständigkeit der Klassenliste ... hähä ... also: Name und Adresse, bitte!", doch im Hinterköpfchen dachte sich der Lehrer: 'Oh, nein! Es geht schon wieder los! Er hat bestimmt wieder eine Gedächtnislücke und weiß wieder mal nicht wer er ist und was er hier macht! Verdammt! Wenn er mir wieder mit der Ich- weiß- zwar- nicht- wer- ich- bin- aber- Sie- können- mich- Trowa- nennen- Masche dumm kommt, dann weise ich den Jungen in die nächstbeste Psychiatrie ein! Und da kann mir Heero mit so vielen Morddrohungen kommen, wie er will!'

Doch zu seiner Überraschung antwortete Trowa, nachdem er sich schnell wieder gefasst hatte: "Trowa Barton. Derzeit sesshaft beim Zirkus, die Adresse finden sie in den Ortsverzeichnissen."

Damit setzte sich Trowa und schien wieder der typisch unauffällige Schüler von eh und je zu sein. Doch seine Blicke waren unbemerkt auf Elbie und Alan gerichtet.

Was hatten die hier zu suchen?

Irgendwann schließlich schrieb Trowa entgegen seiner Gewohnheiten einen Brief an Duo. Wenn ihm jemand etwas über die Neuen erzählen konnte, dann bestimmt der neugierige Duo, der seine Nase doch in alles, was auch nur annähernd nach Schwierigkeiten roch, hineinsteckte.

Duo seinerseits war hoch erfreut über diese plötzliche Kommunikationsbereitschaft.

Er wusste zwar nicht, was in den Ferien so alles passiert war und warum sich alle so verändert hatten, aber er fand seine Freunde so viel angenehmer: Heero war nicht mehr so schweigsam und verbissen, er scherzte und lachte auch mal von Zeit zu Zeit, Trowa hatte keine Amnesie mehr und wollte Zettelchen schreiben, Quatre war nicht mehr so versteift und Chang hatte seine Abneigung gegen Frauen auf ein akzeptables Mindestmaß herabgeschraubt. Duo verbrachte also den Rest der Stunde damit, Trowa brieflich über die neuen Mitschüler aufzuklären, wobei er die wiederholten Ermahnungen des Lehrers geschickt zu ignorieren wusste.

So geschickt, dass er zu Stundenende noch ein paar Extrahausaufgaben aufgebrummt bekam, die er aber sowieso nicht zu machen gedachte.

Aber Trowa blieb misstrauisch.

"Was haben sie hier zu suchen?"

Der Unterricht war schon lange vorbei und die meisten Schüler waren schon längst nach Hause gegangen, doch Trowa war es gelungen, Tamara in einem unbeobachteten Augenblick in eine Ecke zu zerren und sie dort zur Rede zu stellen.

"Also? Was haben sie hier zu suchen?", fragte er sie noch mal.

"Ich weiß nicht, was du meinst, Trowa!" Tamara stellte sich dumm.

"Oh doch! Das weißt du ganz genau!"

Er beugte sich zu ihr herunter und flüsterte ihr ins Ohr: "Ich meine die Anderen! Warum sind sie hier?"

Tamara lächelte ihn vielsagend an.

"Erst schnüffeln sie beim Zirkus rum und nun tauchen sie auch noch in der Schule auf! Sag mir nicht, dass das ein Zufall ist! Denn alle Zufälle, die mit dir zu tun haben, sind doch im Grunde nur geschickt vertuschte Operationspläne, oder?" Trowa sah sie aus seinen sonst so ruhigen und besonnenen Augen herausfordernd an.

Sie waren immer noch in der Schule. Tamara konnte hier nicht so ausrasten, wie im Zirkus, ohne das Risiko einzugehen, dass jemand vorbeikommen und sie bemerken würde.

Statt dessen sah sie ihn nur traurig an und fragte: "Was ist daran so falsch?"

Trowa sagte nichts.

"Warum ... ist es denn verboten, dass sie auf die gleiche Schule gehen?"

Trowa antwortete nicht.

"Versteh doch! Es ist vorbei! Wir wollen weder dir hinterher spionieren, noch irgendeine andere Aktion planen! Wir wollen nur unser eigenes Leben führen! Ich möchte dieses Leben mit meinem Bruder und meinen neuen Freunden genießen, aber auch meine alten Freunde sollen daran teilhaben ... deshalb freue ich mich auch so sehr, dass Elbie und Alan hier sind! Du solltest diese Sache vergessen., Trowa!"

Sie sah ihm tief in die Augen.

"Bitte!" Ihre Stimme war fast ein Flüstern.

Trowa erwiderte noch immer nichts, sondern ging nun einfach stumm an ihr vorbei. Er trat auf den leeren Schulgang hinaus und ging ein paar Schritte nach links.

Als er hörte, dass Tamaras Schritte sich in die andere Richtung entfernten, drehte er sich noch einmal um und rief ihr hinterher, nachdem er sicher war, dass niemand da war, der ihn sonst noch hören konnte: "Ich habe eine eurer Waffen gefunden!"

Tamara blieb abrupt stehen und sah zurück zu Trowa.

"Was?"

Er sah sie ruhig an.

"Du weißt schon, was ich meine. Das weißt du doch immer!", antwortete er.

"Wo?" Tamaras Stimme war kalt, emotionslos und furchtbar ernst.

Trowa senkte die Stimme und sah sie von unten her bedrohlich an:

"Am Tatort!"

Tamara erschauerte.

"Es war SEINE Waffe!"

Wut schwang in Trowas Stimme mit.

Sie starrte ihn immer noch unverwandt an.

Er konnte Tamara ansehen, dass dieser Schlag sie getroffen hatte.

Damit war die Diskussion für Trowa beendet.

Er drehte sich einfach um und ging leise davon.

Tamara stand noch eine Weile allein auf dem Flur und dachte nach.

Dann verhärteten sich ihre Gesichtszüge und sie ging entschlossen in Richtung der Ausgänge. Heero und Quatre wollten in einem Cafè in der Nähe auf sie warten.

Aber vorher hatte sie noch etwas zu erledigen.

"Hallo, ihr Anderen!", sagte Tamara in einem ironischen Ton.

Elbie und Alan, die sich gerade auf dem Weg zu einem Shuttle befanden, drehten sich überrascht um.

"Hallo, ihr anderen, die ihr so verdächtig im Zirkus herumschleicht!"

Alan sah sie fragend und empört zugleich an.

"...und euch auch noch erwischen lasst!"

Tamara war ziemlich sauer.

"Wer hat uns bemerkt?", fragte Elbie hart.

"Trowa!" Tamara sah sie streng an.

"Ich habe auch was von deinem kleinen Prügelanfall heute früh mitbekommen, Alan!"

Alan nahm Haltung an und sah Tamara direkt in die Augen.

"Die ganze Schule weiß davon! Lenk nicht unnötige Aufmerksamkeit auf euch! Lass gefälligst die Finger von Wufei! Ich möchte keine weiteren Zwischenfälle, klar?", herrschte sie ihn an.

"Ja, Sir", antwortete Alan.

Tamara drehte sich weg.

"Behaltet Trowa im Auge! Er wird weiter herumschnüffeln und euch dicht auf den Fersen bleiben, also verhaltet euch möglichst unauffällig!"

Wenn Tamara so mit Elbie und Alan sprach, hatte sie etwas Diktatorisches, Befehlendes an sich.

Sie entfernte sich einige Schritte und auch Elbie und Alan setzten ihren Weg in die entgegengesetzte Richtung fort, als Tamara ihnen, ohne sich umzudrehen, noch zurief:

"Er hatte eine unserer Waffen!"

Elbie und Alan drehten sich beide schockiert um.

"Wer?", rief Elbie aufgebracht aus.

"Doch nicht etwa der Angreifer von Samstagnacht?", rief Alan besorgt.

"Trowa hat sie gefunden", erwähnte Tamara, als sie sich zu ihnen wieder hindrehte.

"Verdammt, wenn er damit zur Polizei ...", begann Alan.

"Wird er nicht", unterbrach Tamara ihn schnell.

"Aber", überlegte Elbie, "dann hat sich die Waffe doch gar nicht selbst zerstört. Das bedeutet doch nur, dass ...", sie stockte.

"Genau! Der Angreifer WOLLTE, dass man die Waffe findet!", beendete Tamara ihren Satz.

Elbie sah sie mit aufflammender Panik an.

Tamara lächelte schmerzvoll: "Da will uns wohl jemand etwas anhängen!"

"Soll ich der Sache auf den Grund gehen?", fragte Elbie beunruhigt.

"Nein", lehnte Tamara ab. "Ihr verhaltet euch vollkommen unauffällig! Ich selbst werde dem Fall nachgehen! Trowa hat euch zu sehr ins Auge gefasst!"

"Aber dich doch auch", wagte Alan es, einen zaghaften Einspruch einzubringen.

"Ja, ... schon", meinte Tamara.

Dann lächelte sie. Sie lächelte so, wie sie es immer tat. Ein Lächeln von Herzen.

"Aber im Gegensatz zu euch, habe ich Heero!"

In ihr Lächeln mischte sich kurz ein hässlicher bösartiger Wesenszug, doch er verschwand so schnell wieder, wie er gekommen war, und Tamara rannte leichtfüßig wie ein kleines Mädchen zum Treffpunkt mit ihrem großen Bruder.

Elbie und Alan sahen ihr besorgt hinterher.

Prügelkumpanen

KAPITEL 11

Prügelkumpanen
 

"Meinst du dieser Heero ist wirklich ihr Bruder?"

Alan träumte vor sich hin.

Elbie hatte eigentlich auch keine Antwort auf ihre Frage erwartet. Sie hatte nicht damit gerechnet auf der neuen Schule gleich auf so viele Probleme zu stoßen: Trowa, der jeden ihrer Schritte überwachen wird; der unbekannte Angreifer, der eine ihrer Waffen benutzte; Tamara, die keine weiteren Fehler dulden würde und Alan, der schon wieder dabei war, sich jede Menge Feinde in Zivil zu schaffen.

"Hey, Elbie", sprach Alan sie plötzlich an. Sie schreckte kurz hoch und sah ihm dann in sein verschmitzt grinsendes Gesicht.

"Wie wär's? Du gehst schon mal vor und ich komme dann später nach, ja? Ich will hier noch .. naja, was überprüfen! Okay?"

Elbie zog verächtlich die Augenbrauen hoch: "Alan, du bist ein guter Kämpfer, aber ein echt mieser Lügner! Rutsch doch mal ein wenig zur Seite!"

Und damit schob sie ihn auch schon derb nach links, so dass sie freie Sicht auf die vor ihnen liegende Straße hatte. Tja, und wen sah sie da wohl?

Chang Wufei, wie er ungeduldig an der Kreuzung wartete.

Elbie konnte eins und eins hervorragend zusammenzählen. Sie sah Alan vorwurfsvoll an.

"Verstehst du DAS etwa unter 'Lass die Finger von Wufei!'? Also meiner Rechnung nach ergibt ein Wufei und ein Thomas zusammenaddiert eine deftige Prügelei, genau so wie Tamara sie uns verboten hat!"

"Hey", konterte Alan empört. "Das ist keine Prügelei, sondern ein ..."

"... ein Duell. Ich weiß!" Elbie klang gelangweilt. "Tja, dann wünsche ich dir mal noch weiterhin viel Spaß auf deiner Suche nach einem würdigen Gegner!"

Sie beschleunigte ihren Schritt und ging schnell an Chang vorbei, welcher sie feindlich anblitzte.

Alan wartete eine Weile, bis Elbie verschwunden war, dann schlenderte auch er zu Chang Wufei hin.

Er war ihr dankbar. Sie war nett und sie akzeptierte ihn so, wie er war. Schon oft hatte sie für seinen Blödsinn den Kopf hingehalten und sie tat es immer wieder. Die gute alte Elbie.

Aber nun freute sich Alan erst mal auf sein Duell mit Wufei. Er warf seine Schultasche achtlos auf den Boden, zog seine Jacke aus und krempelte sich die Ärmel hoch.

Chang sagte kein Wort, aber er trat auf die Mitte der Straße hinaus und nahm Kampfposition ein.

Alan folgte ihm wortlos und postierte sich auf der Chang gegenüberliegenden Seite.

Beide fixierten sich einen Moment und schätzten die Stärke ihres Gegners ein - und sie unterschätzten sich beide gewaltig.

Chang war der Erste, der angriff. Es war ein Kampf ohne Waffen.

Wufei schnellte vor, holte mit der rechten Faust aus und zielte in Alans Gesicht, mit der Absicht seinen Gegner mit diesem Angriff niederzuschmettern.

Doch Alan konterte überraschender Weise extrem gut: Er ergriff mit seiner linken Hand Changs Gelenk und schleuderte ihn mit voller Wucht hinter sich.

Dies war eine unerwartete Reaktion. Chang hatte seine Herausforderung eigentlich mehr aus Interesse ausgesprochen. Mit einem Gegner, der wirklich die höheren Kampfkünste beherrschte, hatte er nicht gerechnet. Doch seine Instinkte übernahmen nun die Oberhand. Chang hörte auf zu denken. Wie ein Raubtier drehte er sich in der Luft und rollte sich bei der Landung so geschickt ab, dass er sofort wieder kampfbereit auf seinen Beinen stand.

Nun war es Alan, welcher überrascht auf Chang blickte. Dann grinste er ihn fröhlich an.

Er hatte anscheinend einen würdigen Gegner gefunden. Nun würde er nicht mehr so zimperlich mit ihm umgehen.

Der zweite Angriff kam von Alan: Blitzschnell täuschte er links an, ließ sich aber rechtzeitig fallen, so dass er mit dem rechten Bein einen derben Schlag nach Changs Knie ausführte. Dieser bemerkte die Finte jedoch rechtzeitig und sprang aus dem Stand derart hoch in die Luft, dass Alans Tritte nur die Luft unter ihm zerteilten. Als Chang wieder aufkam, versuchte er seine Faust wieder mit voller Wucht in Alans ungeschütztes Gesicht zu rammen. Dieser jedoch hatte seine Hand schnell genug erhoben, um diesen Schlag nur wenige Zentimeter von sich entfernt abzuhalten. Er funkelte Chang kampfesfreudig an.

"Hey, ich brauche mein hübsches Gesicht noch für all die tollen Mädels an eurer Schule!", grinste er unverschämt.

Chang verzog verachtend das Gesicht. Ein Macho! "Dann solltest du dich lieber mal rechtzeitig von deiner Fratze verabschieden! Ich verspreche dir, dass du dich morgen früh selbst nicht mehr im Spiegel erkennen wirst!", stieß er amüsiert aus.

Er sprang zurück und nahm erneut Anlauf. Alan erwartete, dass nun wieder ein Schlag in Gesicht oder Brustregion kommen würde und bereitete sich dementsprechend auf den Angriff vor, doch Chang täuschte die Schläge nur an und rammte Alan im entscheidenden Moment sein Knie mit voller Wucht in die Magengegend.

Alan keuchte kurz, holte aus und verpasste Chang dafür einen rechten Kinnhaken.

Beide entfernten sich einige Meter voneinander, holten etwas Luft und ließen ihre ersten Wunden schmerzen. Dieses Duell begann richtig Spaß zu machen.

Die Sonne stand schon sehr tief. Das letzte Shuttle an diesem Abend würde in nur wenigen Minuten abheben und Alan war immer noch nicht da.

Elbie sah nervös auf die Uhr.

Sie war noch nicht allein nach Hause geflogen. Sie wusste doch ganz genau, dass niemand auf sie warten würde. Aber dafür wartete sie auf Alan.

Aber noch länger konnte sie nicht hier bleiben, denn sie würde sonst auf der Erde übernachten müssen, und wenn Tamara davon Wind bekommen würde, dann kämen sie und Alan in echte Probleme.

Noch 5 Minuten.

Dann müsste sie wirklich losgehen.

Elbie saß da und beobachtete den Sonnenuntergang. Es war ein wirklich schöner Sonnenuntergang.

Solche Momente machten sie immer schrecklich depressiv.

Warum nur? Warum hatte sie kein Leben, so wie die anderen Menschen hier auf der Erde? Nur, weil sie an einem anderen Ort geboren worden war? An einem Ort, der so weit entfernt lag, dass ...

Das war's! Wenn sie jetzt nicht gehen würde, dann käme sie zu spät.

Schweren Herzens stand Elbie auf, seufzte tief und wollte gerade losgehen, als sie den Schatten hinter sich bemerkte.

Sie drehte sich schnell um und sah Alan. Einen verletzten und schlimm zugerichteten Alan.

"Hey, keine Sorgen ... ah ... Chang sieht auch nicht viel besser aus!", er grinste.

Alan konnte doch auch wirklich in jeder Situation grinsen!

"Noch auffälliger ging's wohl nicht, oder? Tamara müsste doch blind sein, um morgen diese Wunden zu übersehen!" Aber Elbie war nicht wirklich böse, sie war eher besorgt.

Alan hatte ein böse angeschwollenes Auge und hinkte stark. Seine Kleider waren dreckig und zerrissen und aus seiner aufgesprungenen Lippe quoll rotes Blut. Seine zahlreichen Schürfwunden und blauen Flecke brauchte sie dabei gar nicht mehr zu beachten.

"Hey, Elbie! Ich bin mir sicher, du kriegst das hin!" Er lächelte sie hoffnungsvoll an.

Elbie legte seinen Arm um ihre Schulter und half ihm beim Gehen. Sie mussten sich beeilen, um das Shuttle noch zu erreichen.

Als sie davongingen, fragte sie so nebenbei: "Und? Wer hat denn gewonnen?"

"Keiner", antwortete Alan leise.

"Was?", rief Elbie erstaunt und enttäuscht zugleich aus. "Ihr prügelt euch hier das Blut aus dem Körper und dann hat noch nicht mal einer von euch gewonnen? Wozu habt ihr denn dann gekämpft? Ich dachte immer, der Sinn eines Kampfes ist es, ihn zu gewinnen!"

"Hach, Elbie", seufzte Alan, "du bist ein echt helles Köpfchen, aber von Kämpfen und Ehre hast du keine Ahnung!"

Elbie grummelte vor sich hin: "Und was hatte die Aktion denn dann für 'nen Sinn? Ich kann deswegen echte Probleme kriegen und ich will wenigstens wissen, wofür!"

"Für meine Ehre?", grinste er sie wieder an.

"Chang ist ein echt starker Gegner und ein fairer Kämpfer. Es war total lustig!"

"Lustig?", Elbie konnte diese Gefühle einfach nicht nachvollziehen.

"Ja! Wir hätten noch ewig weiterkämpfen können, aber Chang hatte sich noch mit seinen Freunden verabredet und musste dann los, deshalb haben wir es bei einem Unentschieden belassen! Aber wir wollen uns am Freitag zum Training treffen!"

"Training?" Besorgnis schwang in Elbies Stimme mit.

"Aber keine Angst! Da stehen nur Trockenübungen auf dem Plan. Also nichts mit Wunden und Verletzungen und so. Ich kann noch viel von Chang lernen, er hat 'ne echt irre Kampftechnik drauf! Er hat mir auch versprochen, dass er mir den Umgang mit einem Schwert beibringt! Ich wollte schon immer mal lernen, wie man mit einem Schwert kämpft!" Alan begeisterte sich immer mehr.

"Ja, ja", seufzte Elbie da nur noch, "ich freue mich sehr, dass ihr so gute Freunde geworden seid!"

Alan wurde still und wiederholte leise Elbies Worte: "... Freunde ..."

Dann lächelte er traurig: "Ja, wir sind wohl Freunde geworden ..."

Elbie verzog das Gesicht zu einer Grimasse: "Ja, und was für Freunde! Prügelkumpanen seid ihr!"

Der Beginn des Zerfalls

KAPITEL 12

Der Beginn des Zerfalls
 

"Ach, du Scheiße! Chang! Wie siehst du denn aus?"

Duo wäre fast von seinen Krücken gefallen, als er am nächsten Schultagmorgen Chang im Klassenraum sah. Und Wufei sah echt übel aus: Er hatte eine verbundene Platzwunde am Kopf und eine angeschwollene Oberlippe.

"Du wurdest doch nicht etwa auch von diesem unbekannten Angreifer zusammengeschlagen?", machte sich Hilde Sorgen.

"Pah!", ging Chang sie an. "So 'ne blöde Idee! Dann wäre ich heute doch bestimmt nicht in die Schule gekommen!"

"Genau, Hilde", machte sich Duo nun über seine beleidigte Mitbewohnerin lustig. "Wie kommst du nur auf so eine dumme Idee! Dann wäre Chang doch jetzt bestimmt auf einem einsamen Rachefeldzug, um der Gerechtigkeit genüge zu tun."

Wufei blitzte Duo gefährlich an.

"Er sagt, dass er mit einem neuem Trainingspartner einen kleinen Nahkampf ausgetragen hat, aber er will uns einfach nicht verraten, wer das ist", berichtete Quatre.

"Gib's doch zu, Chang!", mischte sich nun auch Tamara ein, welche neben ihrem schweigsamen Bruder saß. "Du hast dich doch bestimmt mit Alan geprügelt, oder?" Sie gaffte ihn neugierig an.

"Onna no baka", zischte Chang zwischen den Zähnen hindurch.

"Woher weißt du denn davon, Tam?", fragte Quatre sie überrascht.

"Mensch, Quatre! Die ganze Schule redet doch schon darüber! Sag schon, Chang, habt ihr euch geprügelt?", nervte sie weiter. "Mir kannst du es doch verraten!"

"Jaja, Tamara Yuy, die alte Klatschtante! Diese Seite kennen wir von dir ja noch gar nicht!", begann Duo zu sticheln, als er sich auf seinen Platz setzte.

"Jaja, Duo Maxwell, der ewige Versager und Nichtskönner!" Tamara grinste ihn überlegen an, doch Duo machte nur ein fragendes Gesicht, weil er anscheinend nicht verstand, wovon sie sprach.

"Das beweist jedenfalls diese Note," Tamara hielt einige Zettel, die auf Duos Platz lagen hoch, "die dir der Lehrer auf deine Ausarbeitungen am ersten Schultag gegeben hat!"

Duo blieb fast der Atem weg. So ein Mist! Da hatte dieses kleine Miststück doch tatsächlich seine Arbeit in die Griffel bekommen.

"Her damit, alte Kleptomanin!", rief er aus und versuchte ihr die Zettel wegzunehmen. Doch Tamara entwischte ihm geschickt und reichte die Note in der ganzen Gruppe rum.

"Was? Mensch, Duo! Diese Note hatte ich echt nicht von dir erwartet!", rief Quatre aus.

"Was denn?", fragte Duo. "Ist sie so gut?"

"Na, rate doch mal!", neckte Tamara ihn weiter. "Es ist eine wunderschöne runde Zahl ohne irgendwelche Ecken!"

Duo überlegte einen Augenblick ... Es war keine 1 ... und keine 4 ... aber auch keine 3 oder 2 oder 5, denn die hatten ja alle eine Ecke ... blieb nur noch eine Note übrig ...

"Bäh, ich will gar nicht mehr wissen, was ich hab!" Duo sank auf seiner Bank zusammen und begann vor sich hin zu vegetieren. Alle sahen ihn einen Moment lang schweigend an.

"Wer ist denn hier gestorben?", erklang von hinten Elbies Stimme.

Tamara blickte sich um und rief fröhlich: "Duo! Er wird dieses Jahr ganz bestimmt in Mathematik durchfallen!" - "Halt doch mal deine dämliche Klappe!", kam es von dort scharf zurück.

"Oh, bei euch herrscht ja 'ne tolle Stimmung", beschwerte sich nun auch Alan.

Als Tamara ihn erblickte, stutzte sie jedoch. Sie hatte wirklich angenommen, dass er und Chang sich geprügelt hatten, doch Alan sah überhaupt nicht danach aus. Er glänzte wie eh und je, keine Schrammen oder sonstiges. Das hatte sie nicht erwartet. Er grinste unverschämt zu ihr und Hilde hinüber.

Auch die anderen Mitschüler, die schon im Klassenraum waren, sahen zu Alan und Elbie hinüber. Sie schienen enttäuscht zu sein, dass die beiden sich mit Tamara und Heeros Clique unterhielten, denn wenn sie erst zu denen Anschluss gefunden hätten, dann würde es schwierig sein, Kontakte zu Alan oder Elbie zu knüpfen. Man konnte zwar mit Heero und den anderen auskommen, aber sie sonderten sich doch immer ab und beachteten die anderen, die nicht zu ihrer Gruppe gehörten, gar nicht. Als wenn Heero und Kumpanen etwas Besseres, etwas Höheres wären. Sie waren irgendwie für die Normalsterblichen in der Klasse nicht erreichbar.

So war es auch mit Tamara. Sie war zwar immer zu allen freundlich, doch wenn jemand sie ansprechen wollte, dann tauchte immer Heero aus irgendeiner Ecke auf und weg war Tamara. Und nun sahen sie, wie auch Elbie und Alan sich mehr und mehr dieser Gruppe anschließen wollten.

"Du scheinst hier ja öfters abzuhängen, Tammy", meinte Alan und setzte sich auf seinen Platz neben Relena.

"Irgendwas dagegen?", schmollte diese nun.

"Ja!", kam es aus Duos Ecke.

"Ja!", kam es aus Heeros Ecke.

"Ja!", kam es aus Relenas Ecke.

Letzteres erstaunte Tamara. Sie sah Relena geschockt und verletzt an. Ein Ausdruck, als wenn sie jeden Moment losheulen wollte, trat in ihr Gesicht, doch Relena lächelte entschuldigend und sagte:

"Nur ein Scherz!"

Alan schielte vorsichtig zu Chang hin, grinste ihn kurz an und fragte dann mit gespieltem Erstaunen: "Hey, was ist denn mit dir passiert?"

Chang antwortete nicht.

"Ach, der sieht fast immer so aus!", bemerkte Duo beiläufig.

Wieder traf ihn ein böser Blick von der Seite.

Relena hatte keine Lust mehr, sich die ganze Zeit entweder über Changs Zustand oder Duos miese Noten zu unterhalten. Sie hatte bemerkt, dass Heero seit einigen Tagen wieder so still und schweigsam war und auch jetzt saß er beteiligungslos auf seinem Platz.

"Wisst ihr schon, was die Schulleitung beschlossen hat?", fragte sie schließlich.

Alle hielten für einen Moment inne und sahen Relena an. Sie hatte wirklich ein Händchen dafür, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

"Zur Eröffnung der neuen Sporthalle, die noch fertiggestellt werden soll, wollen sie einen Ball für die Schüler und die Lehrerschaft veranstalten!"

"Wow, 'ne Party hier an unserer sonst so öden Schule?", fragte Duo aufgeregt.

Relena verzog das Gesicht. "Äh, nicht ganz Duo. Es ist ein Ball!"

"Sag ich doch, 'ne Party!" Duo sah sie verwirrt an.

"Das ist aber keine Party", beharrte Relena.

"Duo", versuchte Quatre es ihm zu erklären, "ein Ball ist schon eine Art Party, bloß ... etwas formeller!"

"Quatre, ich fürchte ich weiß, was ein Ball ist", sagte Duo niedergeschlagen.

"Ja", mischte sich Tamara ein, "ein kleines rundes Ding mit dem man fein spielen kann!"

Duo ignorierte sie: "Es ist eine Party, bloß ohne Spaß!"

"Und ohne Alkohol", stimmte Alan zu.

Relena war etwas enttäuscht über diese Reaktion: "Nun mal nicht so abweisend! Das wird bestimmt toll! Stellt euch vor, wir können uns dann alle abends so richtig in einem festlichen Look treffen und tanzen und ..."

"Laaaaaaangweilig!", unterbrach Duo sie.

Doch Quatre war von Relenas Neuigkeit ganz begeistert: "Ich finde das großartig! Die Atmosphäre bei so einer festlichen Veranstaltung hat immer so etwas wunderschön glänzendes, etwas so ewiges!"

Tamara war bisher eigentlich von diesem Ball auch nicht so begeistert, aber als Quatre sich so sehr dafür ereiferte, entflammte auch in ihr die Vorfreude auf dieses Ereignis.

"Du meinst, wir müssen da in so richtig schicken Klamotten ankommen?", fragte sie neugierig.

Duo verleierte die Augen.

"Ja! Dann können wir vorher noch mal richtig einkaufen gehen!", stimmte nun auch Hilde in den Jubelchor mit ein.

Duo sah sie schockiert an. Jetzt wollte da auch Hilde hin! Na, toll! Das würde bedeuten, dass sie auch ihn da hinschleppen würde. Na, spitze! Klasse! Genial! Los, jauchzet und frohlocket, wir gehen auf einen stinklangweiligen Snobby- Ball!

"So ein Ball ist im Grunde aber eigentlich gar nichts schlechtes", bemerkte nun zu aller Überraschung auch Alan.

"Was? Und sowas höre ich von DIR?", fragte Tamara ungläubig.

"Nein, ehrlich jetzt", verteidigte er sich. "Das ist cool. Man kann sich ganz fein benehmen und so tun, als ob man jemand wäre. Man zieht seine schicken Klamotten an, das Feeling ist übelst genial ... ach, und die Weiber sehen dann in ihren schmucken Fetzen eigentlich noch schärfer aus, als sonst!"

Tamara, Elbie, Relena und Hilde ließen den Kopf hängen. Da war also der Haken! Er war wieder mal bloß auf die Mädels scharf. Aber Duo horchte auf.

"Zu so einem Ball taucht man doch nicht ohne Partnerin auf!", fuhr Alan fort. "Vorher wird nämlich übelst gekuppelt, man muss zusehen, dass man sich die besten Weiber gleich zu Beginn krallt, damit sie dir nicht ein anderer wegschnappt. Es entstehen die schrägsten Pärchen und wenn die nach dem Ball immer noch zusammen sind, dann halten diese Beziehungen meist ein Leben lang!" Alan sah ernst in die Runde, doch ihm schien niemand so recht Glauben zu schenken.

"Alter Traumtänzer", bemerkte Elbie, welche doch unmerklich rot geworden war.

"Also abgemacht! Wir werden alle zu diesem Ball gehen!", beschloss Relena.

Die Mädchen und Alan stimmten ihr ohne zu zögern zu, Duo sah noch immer recht verwirrt aus, schloss sich ihnen aber dennoch an, Chang muffelte vor sich hin. Von Trowa und Heero kam keine Reaktion.

Beide waren in ihre eigenen Gedanken verstrickt.

Wenige Minuten vor Strundenbeginn ging Tamara in ihren eigenen Klassenraum. Doch noch bevor sie die Klasse verlassen hatte, streifte sie Elbie leicht an der Schulter und flüsterte ihr kaum hörbar zu: "Das war wirklich gute Arbeit, wie du Alan wieder schultauglich gemacht hast!" Elbie sh erschrocken auf und wurde bleich. Tamara aber grinste nur: "Ein echtes Super- Schutzfeld hast du da um ihn generiert. Ich selbst hätte es fast nicht bemerkt, dass das nicht sein wahres Äußeres ist. Bin stolz auf dich! Aber in Zukunft: Haltet euch bitte an meine Befehle!" Sie klopfte Elbie auf die Schulter und huschte dann aus dem Klassenraum. Elbie sah ihr bis zum Stundenklingeln sprachlos nach und dann seufzte sie erleichtert auf. Vor Tamara konnte man halt nichts verbergen.
 

Relena saß noch ziemlich lange noch der Schule in einem Klassenraum und traf Vorbereitungen für den Schulball. Es war zwar noch über einen Monat bis dahin, doch da sie die Schülersprecherin ihrer Klassenstufe war, trug sie die Verantwortung für die gesamte Organisation. Sie hatte sich vorgenommen, mit Heero zu diesem Ball zu gehen. Sie war schon lange nicht mehr mit ihm aus gewesen. Und allein deshalb, musste dieses Fest ein Erfolg werden. Sie hatte bereits verschiedene Gesellschaften angerufen, welche für die Verpflegung und die Ausstattung des Raumes sorgen sollten. Hilde, Tamara und Elbie hatten ihr versprochen, ihr dann später auch noch zu helfen. Und Heero und seine Freunde mussten ihr versprechen, dass sie dort erscheinen und sich anständig benehmen würden. Relena freute sich darauf. Sie überlegte, ob sie Heero höflich einladen oder lieber abwarten sollte, bis er den ersten Schritt tat ... obwohl: Da könnte sie wahrscheinlich ewig warten. Sie entschied sich für ersteres. Während sie so in Gedanken schwelgte, liefen auf dem Fernseher, welcher sich in dem Klassenraum befand, soeben die Tagesnachrichten. Relena verfolgte sie immer mit großem Interesse, doch da sich zur Zeit nur wenig in der Politik tat, konnte sie sich beruhigt ihrem Schülerleben widmen. Plötzlich jedoch schreckte sie auf. Sie erblickte im Fernsehen ein bekanntes Gesicht. "... keine Gefahr besteht", schnappte sie den letzten Teil des Satzes auf. Es war die Stimme von Lucrezia Noin gewesen. Relena war sich nicht ganz sicher, aber sie war jetzt mit voller Aufmerksamkeit auf den Bericht konzentriert, welcher gerade einige Randkolonien zeigte. Im Hintergrund hörte sie noch immer die Stimme von Noin. Sie war es ganz bestimmt!!! "Die Regierung möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass sie die Situation unter Kontrollen hat. Die Piraten, welche von der Bevölkerung der äußeren Kolonien als die 'Black Dragons' bezeichnet werden, haben bisher nur wenige Frachter in den Randgebieten angegriffen. Es gab keine direkten Drohungen und Ankündigungen, jedoch wurden bei den Überfällen auch keinerlei Personen verletzt oder getötet. Wir haben unsere besten Agenten auf die Spur dieser Kriminellen angesetzt. Das Gerücht, dass die 'Black Dragons' ein Überbleibsel der OZ- Regierung sind, müssen wir strikt zurückweisen. Es sind lediglich gut organisierte Aktivisten, welche sich auf Kosten anderer bereichern wollen. Wir werden die entsprechenden Schritte einleiten, um die Kolonisten und deren Eigentum zu schützen. Danke." Und schon wurde über einen anderen Vorfall berichtet. In letzter Zeit waren die kleinkriminellen Gruppen ziemlich aktiv geworden. Doch Relena machte sich Sorgen. Was hatte Lucrezia da zu suchen? Hatte sie sich mit Zechs denn nicht zurückgezogen, um friedlich als Terraformer zu leben? Warum war sie zurückgekehrt? Und vor allem: Warum wusste sie nichts davon? Was auch dahinter stecken würde: Noin hatte ihre Vorsätze anscheinend aufgegeben und war wegen diesen Piraten in den Kriegsdienst zurückgekehrt. Sie ahnte, dass etwas Übles auf sie zukommen würde. Schon seit längerer Zeit hatte sie dieses Gefühl, doch als sie den Namen 'Black Dragons' gehört hatte, war sie sich zum ersten Mal sicher. Ihnen drohte eine ungewisse Zukunft. Schnell wandte sie sich wieder ihren Planungen zu. Sie wollte wenigstens noch dieses Fest friedlich verbringen. Sie wollte nichts von neuen Problemen wissen. Sie wollte nichts von irgendwelchen Piraten hören, mit denen sich Noin herumschlagen musste oder auch wollte. Doch sie spürte es ganz genau: Ihre Schöne Heile Welt begann wieder zu zerbrechen. Doch diesmal, würde sie niemand retten können. Sie spürte es tief in ihrem Inneren. Relena wusste es. Es war der Beginn vom Verfall. Der Beginn vom Verfall ihrer Schönen Heilen Welt.

Tamara hatte auch die Nachrichten gesehen. Sie saß auf dem Dachboden ihres Hauses mit Heero, in ihrem eigenen kleinen Zimmer, und sah dabei die Nachrichten. Sie sah den selben Bericht wie Relena. Auch sie spürte das drohende Unheil. Doch sie kannte die Ursachen. Sie lächelte. Dann schaltete sie ihren Computer ein und begann, einige wichtige Befehle einzugeben und an getarnte Adressen zu schicken.

Nur Sekunden später erwachte er nach langer Zeit zum Leben. Seit vielen Jahren hatte er geschlafen, da seine Herrin ihn nicht benötigt hatte. Doch nun wurde er reaktiviert. Er würde sich mit Energie aufladen und wieder zu Kräften kommen. Er würde kampfbereit sein. Er würde wieder töten können.

Teiwaz war erwacht.

Die ultimative Vernichtungswaffe.

Lovestories (Woche 1)

KAPITEL 13

Quatre Raberba Winner: Lovestories (Woche 1)
 

Tagebuchaufzeichnungen: Montag

Montag - der Beginn einer Woche. Einer Woche voller Schulstress und neuer Herausforderungen. Normaler Weise begehen die meisten Schüler diesen Tag mit einer eher schwermütigen und missgelaunten Stimmung, doch dieser Montag war anders. Die Atmosphäre war gespannt und geladen. Alle schienen aufgeregt zu sein und erwartungsvoll. Der Grund dafür war der Aushang, welcher den Schulball in einigen Wochen ankündigte. Relena hatte dieses Plakat wirklich sehr kunstvoll entworfen. Zu meiner und wohl auch zu ihrer Überraschung gab es viele positive Resonanzen auf dieses bevorstehende Ereignis. Natürlich musste ich doch hin und wieder das Murren vereinzelter Stimmen wahrnehmen, welche einen Ball für eine "idiotische und sinnlose" Idee hielten, doch ich glaube, ihnen fehlt einfach nur der Sinn für das Schöne und Edle! Denn die meisten Schüler schlossen sich doch meiner Meinung an, dass dieser Ball eine Möglichkeit wäre, das Beste, das in den Schülern dieser Schule steckt, hervor zu holen. Ich habe Relena meine finanzielle und auch organisatorische Hilfe angeboten, welche sie natürlich dankbar annahm. Ich glaube, dass ich geeignet bin, um einen angemessenen Programmplan zu erstellen. Hilde hat mir zwar eindringlich davon abgeraten, dabei auf besondere Wünsche von Duo Maxwell einzugehen, doch ich bin der Meinung, dass ich ihn als einen Vertreter der weniger an Kultur interessierten Schülerschaft dennoch anhören sollte. Womöglich kann ich dank seiner Hilfe einige auflockernde Ideen und Elemente einbringen. Hach, dieser Ball wird einfach wunderbar werden! Ich stelle mir die Schüler und Lehrer in weiten Kleidern und schicken Smokings vor, wie sie sich im Takte eines ruhigen Walzers in einer reizend geschmückten neuen Sporthalle drehen. Natürlich, ein Festsaal wäre ein geeigneterer Platz für ein solches Ereignis, aber ich denke, dass es wunderschön werden wird.
 

Tagebuchaufzeichnungen: Dienstag

Ich werde mit Tamara zu dem Ball gehen! Diese Entscheidung habe ich heute getroffen. Es verwirrt mich etwas und verunsichert mich, aber da sie nun eine gute Freundin von mir ist, war ich ihr das einfach schuldig. Es kam so: Am zweiten Tag nach der offiziellen Vorankündigung des Festes war fast die gesamte Schule in Aufruhr, da nun, ganz wie Alan voraus gesagt hatte, Pärchen sich zu formieren begannen. Jungen aller Klassen waren wie von Sinnen den ganzen Tag durch das Schulhaus gerannt, um dann den Mädchen hinterher zu stieren und sich eine recht hübsche Partnerin aus zu gucken. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass auch ich mich von diesem tollkühnen Wahn habe mitreißen lassen. Duo, welcher nun keine Krücken mehr, sondern nur noch einen losen Druckverband tragen muss, zerrte mich in jeder Pause durch die Gänge und wir schielten den Damen der höheren Klassen hinterher. Ich glaube, Duo wollte auch eine Liste aller in Frage kommenden Partnerinnen anfertigen, doch als er bei über 20 Personen angelangt war, gab er es wohl auf. Die Mädchen unserer Schule schrieben den ganzen Tag lang Liebesbriefe an die Herren ihres Herzens, doch auch einige Jungen steckten den Mädchen heimlich Zettelchen zu. Bei einem unserer Rundgänge erblickte ich dann auch Tamara. Sie hatte sich den ganzen Tag noch nicht bei uns blicken lassen - ich hatte mir schon Sorgen gemacht, warum, doch ich sollte bald eine Erklärung finden. Tamara war - so hatte ich das schon immer empfunden - eine wunderschöne und charmante junge Frau, welche einfühlsam aber auch witzig und gegebenenfalls auch ernst und selbstsicher war. Sie war schon immer ein Mädchen, in das man sich einfach verlieben musste. Wie es aussah, teilten nämlich auch viele andere männliche Mitglieder unserer Schule meine Meinung, denn Tamara wurde in jeder freien Minute von Mitschülern, aber auch von Jungen aus anderen Klassen belagert. Die Angebote, sie möge doch einen von ihnen auf den Schulball begleiten, überhäuften sie regelrecht. Als sie mich erblickte, sah sie nur Hilfe suchend zu mir herüber. All diese Anträge waren ihr sichtlich unangenehm. Sie tat mir leid, doch da Duo sie unbedingt so leiden lassen wollte, konnte ich ihr nicht helfen. Es war wohl falsch, mich von ihm wegziehen zu lassen. Ich hätte Tam helfen sollen. Aber ich machte mir auch Gedanken, warum Heero sie nicht vor diesen Kerlen schützte, denn bisher hatte er immer darauf geachtet, dass niemand seiner Schwester zu nahe käme. Aber in letzter Zeit hat er sich immer mehr zurückgezogen. Ich mache mir ehrlich gesagt Sorgen um ihn. Als ich ihn das erste Mal mit Tamara sah, da hatte ich geglaubt, er würde nun auch endlich ein normales Schülerleben führen. Doch das ändert sich nun anscheinend wieder. Keiner von uns wagt, es laut aus zu sprechen, aber er stellt wahrscheinlich seine eigenen Nachforschungen in dieser Sache mit dem unbekannten Angreifer an. Auch Trowa scheint sich sehr für diese Sache zu interessieren, denn er hat heute wieder einige Stunden im Unterricht gefehlt. Ich hoffe nur, dass diese Angelegenheit bald bereinigt sein wird, so dass wir wenigstens den Schulball genießen können. Relena wird wohl mit Heero hingehen. Ich selbst hatte eigentlich vor, Elbie darauf anzusprechen, aber ich habe wohl das Gefühl, dass sie es vorziehen würde, mit Alan dorthin zu gehen. Tja, ich scheine eben kein Glück bei den Frauen zu haben. Nach der Schule hat mich Tamara dann frei heraus gefragt, ob ich mit ihr zum Ball gehen würde. Das kam recht überraschend und war daher auch sehr verwunderlich für mich, hatte sie mir doch eindeutig zu verstehen gegeben, dass wir nur Freunde seien. Sie erklärte mir dann aber doch recht bald, dass sie keinerlei Interesse hätte, mit einem dieser "Querschläger", wie sie ihre neuen Verehrer alle bezeichnete, zu dem Ball zu gehen. Um den vielen Anträgen und Anmachen zu entgehen, wollte sie einen festen Tanzpartner, so dass sie endlich ihre Ruhe hätte. Das war bestimmt nicht die feine Art, denn vielleicht hätte sie ja wirklich jemanden kennengelernt, in den sie sich verlieben könnte - oder ich hätte ein Mädchen treffen können, das mir nicht gleich eine Abfuhr gibt, aber ich kann Tamara einfach keinen Wunsch abschlagen. Dafür empfinde ich einfach noch zuviel für sie.
 

Tagebuchaufzeichnungen: Mittwoch

Die Aufregungen des letzten Tages haben sich heute etwas gelegt. Einige interessante Pärchen haben sich auch gebildet, so werden zum Beispiel Alex und Jill aus den Parallelklassen zusammen gehen. Eine solche Verbindung hätte wohl keiner erwartet. Aber leider haben sich innerhalb unseres engeren Freundeskreises noch keine weiteren Paarbildungen ergeben. Wie erwartet, möchte Hilde Duo zu dem Ball abschleppen. Obwohl er doch alle in Frage kommenden Partnerinnen genau begutachtet hatte, so willigte er doch nur zu erleichtert ein, sie zu begleiten. Meiner Meinung nach gibt Duo sich nur immer so draufgängerisch und cool, wohl um Alan und andere zu beeindrucken, in Wirklichkeit ist er aber bestimmt sehr sensibel und schüchtern. Ihm war wohl auch der Rummel, der jetzt um dieses Fest gemacht wird, zu groß, und wie auch Tamara ist er bestimmt froh, einen Partner für diesen Ball zu haben, auch wenn dieser Partner bestimmt nicht die große Liebe ist, denn ich glaube, dass ihn und Hilde nur eine tiefe Freundschaft verbindet. Mich hingegen trafen heute unzählige drohende Blicke. Tamara hatte heute all ihren Verehrern eindeutig zu verstehen gegeben, dass ich ihre feste Ballbegleitung sei und sie keinerlei Interesse an weiteren Bekanntschaften hätte. Ich weiß nicht, was sie noch alles erzählt hat, aber mit der Entscheidung, sie dahin zu begleiten, habe ich mir anscheinend viele Feinde an meiner Schule gemacht. Aber ich meine, es nicht bereuen zu müssen. Relena wartet noch immer darauf, dass Heero sie einlädt, doch der ist noch immer mit anderem beschäftigt. Aber auch sie selbst ist in den letzten Tagen gedanklich oft abwesend. Ob Elbie und Alan nun zusammen zu dem Ball gehen ist auch noch nicht klar. Ich nehme an, dass Trowa mit Catherine dort erscheinen will. Sie ist nun ja wieder da, aber ich weiß eigentlich noch immer nicht so recht, was sie und der Direktor des Zirkus in den Randkolonien eigentlich gemacht haben. Der einzige, der noch nicht mal eine Aussicht auf eine Tanzpartnerin hat, ist wohl Chang. Aber das scheint ihn auch nur wenig zu kümmern. Vielleicht sollte er seine Frauen feindliche Einstellung mal langsam ändern.
 

Tagebuchaufzeichnungen: Donnerstag

Heute hat sich eigentlich nichts Wichtiges ereignet. Relena hat den ganzen Tag in der Schule gefehlt. Wir haben dann nachgefragt und man hat uns nur geantwortet, dass sie ein Fortbildungsseminar für diplomatische Problemfälle in Rassenkonflikten der vergangenen Jahrhunderte besuche. Heero zeigte nur wenig Interesse dafür. Trowa hat auch den ganzen Tag gefehlt. Duo musste heute also den Alleinunterhalter machen, was im Grunde ja nichts Neues ist. Alan hatte angedeutet, dass er nun ebenfalls eine Tanzpartnerin für den Ball hätte, aber er wollte einfach nicht verraten, wer es denn nun wäre. Chang war heute allerdings etwas lebendiger als sonst. Seine Wunden waren halbwegs verheilt, aber er freute sich anscheinend nur auf Freitag, an dem er seine erste Trainingsstunde mit seinem neuen Trainingspartner hatte. Ich werde ihn begleiten und bei dem Training zusehen, es wird wohl sehr interessant werden.

Nachtrag: Tamara hat heute bei unserem Sportunterricht zugesehen. Als ich in Basketball auf die Ersatzbank musste, habe ich sie gefragt, warum sie denn nicht am Sportunterricht der Mädchen teilnehme. Tamara hat mir da zum ersten Mal erzählt, dass sie überhaupt keinen Sport betreiben darf. Es wurde ihr von den Ärzten verboten. Sie leidet an einer bisher nur spärlich erforschten Krankheit, welche bei übermäßiger sportlicher Anstrengung und Verletzungen zum Tod führen kann. Ich war zuerst ziemlich schockiert, da ich über diese Tatsache nichts wusste und Tamara auch nie als einen derart kränkelnden Menschen ansah. Es überraschte mich auch, denn sie war sportlich sehr gut in Form. Als wir vor dem unbekannten Angreifer fliehen mussten, lief sie zum Beispiel ohne Mühen schneller als ich, obwohl ich doch aktiven Sport betreibe. Mir wurde heute klar, dass ich noch vieles nicht über Tamara weiß.
 

Tagebuchaufzeichnungen: Freitag

Ich weiß nicht, was auf dem Seminar, welches Relena besucht hatte, vorgefallen war, doch heute war sie nervös und sie hatte es sehr eilig, als wenn sie alle Dinge so schnell wie möglich erledigen wollte. Bei der nächstbesten Gelegenheit sprach sie Heero auf den kommenden Schulball an und forderte ihn auf, sie zu begleiten. Heero schien davon nur wenig begeistert zu sein und so versuchte er sich irgendwie um eine Antwort herum zu winden, denn ein "Nein" würde Relena auf keinen Fall akzeptieren. Heero war sogar soweit gegangen, dass er ihr seit langer Zeit wieder drohte, sie zu töten, wenn sie ihn weiter nerven würde. Die Diskussion zog sich eine Weile hin und endete schließlich damit, dass Relena - wie von Anfang an eigentlich geplant - einfach festlegte, dass sie und Heero zu dem Ball gehen würden. Heero wollte davon aber sichtlich wenig wissen. Hilde hat uns heute offenbart, dass sie nächste Woche in ein Austauschlager nach Europa fliegen würde. Sie hatte sich in einem Partnerinternat unserer Schule für einige technische Kurse angemeldet und würde Sonntagabend losfliegen. Duo war einfach nur für den Rest des Tages niedergeschmettert - verständlich, da er nun für seine Probleme, den Haushalt und die Sauberkeit seiner Wohnung betreffend und von seiner Nahrungsmittelversorgung ganz zu schweigen, keinen Ausweg mehr sah. Doch Duo war schon immer glänzend darin gewesen, sich in ausweglosen Situationen zu helfen zu wissen, und so hat er sich einfach kurz entschlossen dafür entschieden, sich für die Zeit von Hildes Abwesenheit bei mir einzuquartieren. Relena war auch niedergeschlagen, da Hilde ihr doch noch mit den Vorbereitungen für den Ball helfen wollte. Sie entschieden, dass wir uns alle am Sonntag treffen und um die Vorbereitungen gemeinsam kümmern würden. Duo plante auch ganz spontan eine Abschiedsparty für Hilde ein - aber nur eine kleine, da sie ja nach einer Woche wieder kommen würde. Der absolute Höhepunkt des Tages war jedoch Changs Kampftraining. Tamara, Elbie und ich hatten uns als Zuschauer auf den Tribünen der Sporthalle in der Innenstadt plaziert, welche Chang gelegentlich für sein Training mietete. Zu meiner Überraschung stellte sich heraus, dass Changs mysteriöser Trainingspartner Alan Thomas war! Die beiden hatten sich also doch geprügelt - pardon! duelliert. Tamara und Elbie grinsten aber nur, da sie anscheinend schon länger darüber Bescheid wussten. Niemand hatte es natürlich für nötig gehalten, mich über diese Sache aufzuklären. Das Training an sich war dann einfach nur atemberaubend. Wir kamen aus dem Staunen kaum noch heraus, denn Chang und Alan waren wirklich ebenbürtige Gegner. Beim Trockentraining übten sie bestimmte Grundelemente ein, welche sie in einem darauffolgenden Trainingskampf demonstrierten. Ich habe schon viele Kämpfe gesehen, aber was Alan und Chang mir da boten, verschlug mir dennoch die Sprache. Nächste Woche werde ich wahrscheinlich wieder zusehen.
 

Tagebucheintragungen: Samstag

Ich habe mir diesen Tag heute extra freigehalten, um mal wieder etwas Zeit mit der Familie zu verbringen. Da wir am Sonntag gemeinsam feiern wollten und Duo die gesamte nächste Woche hier verbringen wollte, war ich es den meinen einfach schuldig, ihnen wenigstens heute einen Teil meiner Aufmerksamkeit zu widmen. Ich habe mit meinen jüngeren Schwestern den gesamten Vormittag lang gespielt und nachmittags dann, nach einem erholsamen Mittagessen mit der ganzen Familie, waren wir zusammen spazieren. Das Wetter war einfach wunderschön und alles war so friedlich und herrlich ruhig. Ich fühlte mich an diesem Tag so unendlich frei wie schon lange nicht mehr!

Nachtrag: Ich habe schon lange nichts mehr von den Magunacs gehört. Gerüchten zu Folge, sollen sie sich derzeit in heftige Auseinandersetzungen mit dieser Piratentruppe, den Black Dragons, verwickelt haben. In den Nachrichten wurde schon oft über die berichtet.
 

Tagebucheintragungen: Sonntag

Schon sehr früh sind wir heute morgen alle zusammen zu Relenas Anwesen aufgebrochen. Sie hatte dem Großteil des Personals freigegeben, so dass wir fast das ganze Haus ungestört nutzen konnten. Wir hatten auf Tamaras Bitten auch Elbie und Alan eingeladen, uns zu helfen und dann mit zu feiern. Duo wollte natürlich gleich zu Beginn loslegen, doch die Arbeit kam zuerst. Wie sich zeigte, war es doch noch jede Menge Arbeit, die erledigt werden musste. Wir saßen bis etwa vier Uhr Nachmittag an den Festsaalvorbereitungen. Zwischendurch ließen wir immer den Fernseher laufen, da Relena darauf bestanden hatte, die Nachrichten zu verfolgen. Als wir mit dem formellen Teil endlich fertig waren, drehte Duo die Stereoanlage im Haus so laut wie nur möglich auf - und das war wirklich SEHR laut - und wir begannen zu feiern. Schon bald aber mussten wir den Ton leiser stellen, da sich erstens die Nachbarn schon beschwerten und zweitens wir unser eigenes Wort nicht mehr verstanden. Gegen Abend entschlossen wir uns dann, uns selbst etwas zu Essen zu machen. Duo hielt sich freiwillig von dieser Aufgabe zurück, da er der Meinung war, dass er ja niemanden vergiften wollte. Was mich aber überraschte, war dass auch Tamara wirklich keinerlei Talent zum Kochen hatte! Sie konnte nicht mal richtig Kartoffeln schälen oder Eier öffnen, geschweige denn ein Essen zubereiten. Kein Wunder, warum es bei Yuy's nur Essen aus der Mikrowelle gab. Beim Saubermachen und Abwaschen nach dem Essen stellte sie sich dann genauso trottelig an. Sie hatte echt absolut keine Ahnung von Hausarbeit. Das war für Duo natürlich ein Grund, heftig über sie her zu ziehen. Er hatte schon lange gemerkt, dass Heero seine Schwester nicht mehr so stark in Schutz nahm und er nutzte diese Tatsache, so oft er nur konnte, schamlos aus. Er witzelte, dass Tamara in der Schule bisher überall die Beste war und anscheinend alles konnte, aber dass sie wohl nicht in der Lage war, die Arbeiten einer normalen Hausfrau zu erledigen. Tam bockte am Anfang nur ein bisschen, doch als Duo mit seinen Sticheleien fortfuhr, begann sie sich zu wehren und die beiden gerieten in einen echt heftigen Streit. Elbie und Hilde gelang es nur mit Mühe, die beiden wieder zur Ruhe zu bewegen. Danach unterhielten wir uns über alles mögliche: über die Schule, den Ball, aber auch über die derzeitige Politik. Relena, unsere Expertin auf diesem Gebiet, schwieg sich dabei allerdings aus. Als ich einmal von der Toilette wiederkam, warf ich nur einen kurzen Blick in ihr Zimmer. Wir hatten bisher eigentlich im Wohnzimmer gesessen und ich wollte wirklich nicht schnüffeln, aber die Tür zu ihrem Zimmer stand nun Mal offen. Relena saß in der Mitte des Raumes und redete leise. Ich blieb nur kurz stehen - ich wollte wirklich nicht lauschen - und sah, dass sie zu einem Teddybären sprach. Ich wusste, dass Relena früher oft derartige Selbstgespräche geführt hatte, aber mir war nicht klar, dass sie das nun wieder tat. Ich drehte schnell um und schlich leise davon. Ich hatte nichts gehört, nichts konkretes jedenfalls und ich wollte ja auch wirklich nicht lauschen, aber es beunruhigte mich schon stark, dass Relena wieder diese Selbstgespräche führte. Es deutete doch bloß daraufhin, dass sie schlimme Probleme hatte, über die sie mit niemandem reden konnte. Ich wollte über diese Sache erst noch etwas nachdenken, deshalb erzählte ich auch niemandem davon. Kurz bevor Hilde dann los musste, um ihren Flug nicht zu verpassen, kam dann plötzlich ein ganz alter Walzer im Radio. Duo war schockiert und wollte schon umschalten, aber wir sahen es eher als eine Vorbereitung auf den Ball. Daher forderte ich Tamara zum Tanzen auf, doch zu meiner Verwunderung schlug sie die Einladung ängstlich zurück. Sie meinte, sie fühle sich nicht so wohl und ihr sei etwas schwindelig. Ich bot an, sie nach Hause zu bringen, aber sie meinte, dass es nicht so schlimm sei. Sie wollte bloß nicht tanzen. Daher beschritt ich dann mit Elbie die Tanzfläche. Sie tanzte wirklich hervorragend! Sie war zwar etwas versteift, aber sie bewegte sich sehr graziös. Hilde tanzte mit Duo, doch sie und Elbie schielten immer wieder von ihren Tanzpartnern weg hinüber zu Alan, welcher mit Relena tanzte. Ja, denn auch Heero hatte sich gesträubt mit Relena zu tanzen. Aus Trotz hatte sie daher Alan aufgefordert, welcher überrascht zugesagt hatte. Trowa und Chang mussten sich da aber auch schon verabschieden, da sie sonst ihre Fähren nicht mehr bekommen hätten. Auch Hilde verabschiedete sich nun von allen. Duo versprach, jeden Tag mit ihr zu telefonieren und sie über alles am Laufenden zu halten. Relena und Heero trennten sich ohne ein weiteres Wort. Da bahnte sich wirklich Ärger an.

Lovestories (Woche 2)

KAPITEL 14

Duo Maswell: Lovestories (Woche 2)
 

Montag 18:30 Uhr

DRINGDRING

Duo: "Hier bei Winners! Mit wem darf ich sie verbinden?"

Hilde: "Ich weiß nicht so recht. Gerüchten zu Folge soll sich da so ein Schmarotzer bei den Winners eingenistet haben! Könnten sie mir den vielleicht an den Apparat holen, Herr Buttler?" :>

Duo: "Hey! Hilde! Du hast mal wieder die große Klappe wie eh und je!" ''

Hilde: "Schon klar! Der Meister spricht!" *g* ^_^

Duo: "Ich freu mich von dir zu hören! Wie geht es dir denn so?" (geflüstert) "Nicht das mich das irgendwie interessieren würde, aber der Höflichkeit halber!"

Hilde: "Haha, aber hier ist es voll cool! Ich will am liebsten nie wieder weg!"

Duo: "Sagst du das jetzt, weil dir jemand zuhört und du mal schön schleimen willst, oder ist es dort wirklich so toll?"

Hilde: "Mensch, ich kann mir vorstellen, dass du es kaum glauben kannst, dass jemandem sich auf einer Schule echt wohlfühlen kann, aber es ist so!"

Duo: " ..." °o°

Hilde: "Die Leute hier sind sehr nett. Ich verstehe mich mit den Mädchen in meinem Zimmer besonders gut! Sie kommen ebenfalls aus anderen Ländern, aber sie sind für ein ganzes Jahr hier. Die Kurse sind sehr interessant und abends dürfen wir dann immer etwas feiern ..."

Duo: "Feiern!" *neidisch werd und auch dort hin will*

Hilde: :< "Hey, nicht so feiern! Wir veranstalten hier nicht irgendwelche wilden Orgien, oder was du dir auch immer so vorstellst!!! Dazu fehlen zu erst Mal der Alkohl und dann noch die Jungs!"

Duo: "Was? Da gibt's keine Jungs?" *voll schockiert*

Hilde: *überrascht* "Nein. Weißt du das denn nicht? Es ist ein Mädcheninternat! Hier besuchen nur Mädchen die Klassen 6 bis 12. Warte mal, das sind so in etwa ..." *nachdenk* "...ja, so an die 500 Mann ... äh .. Frau müssten das dann sein!"

Duo: *noch neidischer werd* °_° "..." *nun unbedingt Hilde besuchen will*

Hilde: "Aber obwohl es hier so schön ist, hab ich doch schon ein bisschen Heimweh!"

Duo: *aufhorch* "Vermisst du mich?"

Hilde: "Mir fehlen Relena und Quatre ..."

Duo: *ungeduldig werd* "Vermisst du mich?"

Hilde: "Mir fehlen auch Elbie und Alan ..." *verträumt*

Duo: *mit den Nerven am Ende* "Und ich?"

Hilde: *Duo ignorier* "Wie geht es denn allen?"

Duo: *eingeschnappt* "Gut!" -_-

Hilde: "Streiten denn Relena und Heero immer noch?"

Duo: "Naja, das Streiten setzt doch eigentlich voraus, dass man überhaupt miteinander redet, was bei den beiden ja nun nicht gerade der Fall ist."

Hilde: "Es tut mir nur leid, dass ich nicht da bin, um Relena aufzumuntern ..."

Duo: "Ihr Weiber mit eurem Tratsch ..."

Hilde: °'o'° "Hey! Wer von uns tratscht denn am meisten?"

Duo: "..." *sich nicht angesprochen fühl*

Hilde: "Ich werde dann wohl nachher mal bei Relena anrufen. Hey, meldest du dich morgen bei mir? Meine Nummer hier hast du ja ..."

Duo: "Was? Willst du schon auflegen? Du hast doch kaum was erzählt!"

Hilde: "Hey ... *flüster* ... mich gucken hier schon alle böse an, weil ich zu lange quatsche! Ich bin hier doch nicht die einzige, die telefonieren will! Wie erträgt Quarte dich eigentlich die ganze Zeit?"

Duo: "Tja, das frag ich mich auch ... ich versuche ihn immer zu reizen, aber der Junge ist einfach die Ruhe in Person ..."

Hilde: "Ja, ich bewundere ihn auch! Bis morgen dann!"

Duo: "Ja, machs gut!" *aufleg*

Dienstag 21:14 Uhr

DRINGLING

Hilde: "Ja, hier Schbeiker ..."

Duo: *mit verstellter Stimme* "Guten Tag, wehrtes Fräulein! Ich darf ihnen gratulieren! Sie haben eine einwöchige Reise in ein Internierungslager für junge Soldaten gewonnen!"

Hilde: *müde* "Haha, Duo!" -_-°

Duo: "Ich hab dich doch nicht etwa geweckt, oder?" *g*

Hilde: "Nein, geschlafen hab ich noch nicht, aber ich hab viel gelernt, morgen schreiben wir nämlich einen wichtigen Prüfungstest ..." *gähn*

Duo: "Wie langweilig, bei uns hier geht es nämlich absolut heiß her ..."

Hilde: *wach werd* "Hä? Was läuft denn?"

Duo: "Naja, die Fronten zwischen Relena und Heero sind heute ziemlich derb aneinander geraten ... ich schätze mal, da herrscht jetzt offiziell Krieg ..."

Hilde: "Verdammt! Was hat Heero denn nun wieder angestellt?"

Duo: *empört* "Heero? Frag nicht, was Heero gemacht hat, sondern was Relena wieder für 'nen Bockmist veranstaltet hat! Warum nimmst du sie immer in Schutz?"

Hilde: *eingeschnappt* "Was war denn nun los?"

Duo: "Relena war ziemlich sauer, weil ... ach, was weiß ich warum .. vielleicht, weil Heero über ihre Einladung zum Ball nicht so begeistert war oder weil er am Sonntag nicht mit ihr tanzen wollte ... na, jedenfalls hat sie heute Alan aufgefordert, dass er mit ihr zum Ball gehen soll ... und zwar direkt vor Heeros Augen!"

Hilde: '_'° "..."

Duo: "Heero hat zwar so getan, als würde es ihn nichts angehen, aber ich glaube schon, dass er sich das zu Herzen nimmt! Alan war ganz schön verwirrt, denn er hatte ja angeblich schon eine Partnerin, mit der er zum Ball gehen wollte ..."

Hilde: *weinerlich* "Ja, mich!" *schnief*

Duo: "Ja und da ..." *stock* "WAAAAAAAAASSSS? Du hast mich doch überredet zu dieser Scheißveranstaltung mit dir hinzugehen!!!" *voll entsetzt und verletzt*

Hilde: "Ich wollte es dir bei passender Gelegenheit noch sagen ... ich meine ... ich konnte doch Alan diesen Wunsch nicht abschlagen ... und ich dachte, dass du gerne mal mit einem Mädchen deiner Wahl da aufgetaucht wärst ... und naja, ich finde Alan ja auch ganz nett ..."

Duo: "Tja, aber er geht jetzt jedenfalls mit Relena hin! Er hat nämlich zugesagt, nachdem sie ihn etwas bedrängt hatte ... ihm scheint ja wirklich nicht SO viel an dir zu liegen, wenn Relena ihn dir so leicht ausspannen konnte!"

Hilde: *verletzt* "Du bist gemein, Duo!"

Heero: *aus dem Hintergrund schallend* "Jetzt frag schon, Duo!"

Duo: *zu Heero* "Warte doch mal ab!"

Hilde: "Was will Heero denn?"

Heero: *ungeduldig und wütend* "Frag endlich!!!"

Duo: *zu Heero* "Ist ja schon gut!" *zu Hilde* "Er lässt fragen, ob du wohl gewillt wärst, ihn auf den Ball zu begleiten?"

Hilde: °_° "..."

Hilde: "Hab ich mich verhört?"

Duo: "Komm schon ... *schmoll* ... mit mir wolltest du ja eh nicht hingehen ..."

Hilde: "Ich weiß aber nicht so recht .. wegen Relena meine ich ..."

Duo: "Mensch, sieh das als deine persönliche Rache an! Rache ist nichts Böses, es ist etwas Feines! Sie hat dir deinen Freund ausgespannt und du spannst ihr nun ihren aus!"

Hilde: *rot werd* "Nein, warte mal! Alan ist doch nicht mein Freund! Du verstehst da etwas vollkommen falsch, Duo, es ist nämlich so, dass ..."

Duo: "Jaja, alles kapiert! Ich sag dann Heero, dass alles klar geht! Da wird er sich vielleicht freuen! Morgen rufst du an!"

Klick *aufgelegt *

Hilde: *_*° "Ich hasse dich, Duo ..."

Mittwoch17.56 Uhr

DRINGDRING

Isabella: "Ja, hallo?"

Hilde: °_° *verunsichert* "Äh ... ja, hallo ... ähm .. ist Duo da? Ich bin doch hier bei Winners, oder?"

Isabella: "Ja. Duo hat aber jetzt keine Zeit!"

Duo: *aus dem Hintergrund kommend* "Hey!!!So haben wir aber nicht gewettet, Kleine! Ich hab dir doch gesagt, dass das für mich ist! Los, gib jetzt den Hörer her!"

Isabella: *Poltern* "Nein!!!" *nänger*

Duo: "Hey, Hilde! ... *außer Atem* ...Du rufst aber auch jeden Tag früher an! *zu Isabella* ...Verzieh dich endlich!"

Hilde: "Äh, also wenn du beschäftigt bist ..."

Duo: "Nein, nein, nein ... ich musste mich nur gerade etwas mit Quatres kleiner Schwester Isabella beschäftigen ... Menno, ich dachte immer, dass ich nerven würde, aber von der kann ich echt noch was lernen! Von wegen erholsame Ferien bei Quatre und seinen bezaubernden Schwestern ..." -_-

Hilde: "Und der ganze Aufstand bloß, weil du zu faul bist, dich mal eine Woche um den Haushalt zu kümmern ..." *vorwurfsvoll*

Duo: "Ähm, hör mal Hilde ... du müsstest da mal eine Kleinigkeit für mich erledigen ..." *ernst*

Hilde: *erstaunt* "Worum geht es denn?"

Duo: "In der Nähe deines Mädcheninternats befindet sich doch die Verwaltungszentrale dieser Medienfirma ... du weißt, was ich meine, oder?"

Hilde: "Ja, Multimedia Technologies ... ich glaube doch, dass die mit der derzeitigen Regierung einen Vertrag haben und ... *flüster* ... Gerüchte besagen, dass diese Firma im Grunde nur ein verdeckter Zweig des Geheimdienstes ist ..."

Duo: "Ja, so etwas in dieser Richtung habe ich auch schon mitgekriegt ... Heero und Trowa stellen Nachforschungen in der Angelegenheit mit dem unbekannten Angreifer an. Von offizieller Seite sind bisher keine weiteren Vorfälle dieser Art gemeldet worden, aber Trowa scheint da einer heißen Sache auf der Spur zu sein. Er hat uns seine Ergebnisse jedoch noch nicht mitgeteilt ..."

Hilde: "Und Heeros Nachforschungen?"

Duo: "Machst du Witze? Ich sprech Heero jetzt bestimmt nicht darauf an! Er ist zur Zeit unausstehlich, die Sache mit Relena macht ihm noch zu schaffen ... ich weiß nicht in wie fern Quatre und Chang sich in die Nachforschungen eingeklickt haben, aber ich finde, es ist an der Zeit, dass ich selbst auch zu einigen Informationen gelange! Du musst versuchen möglichst unauffällig in das Zentralgebäude reinzukommen und dort so viele Hinweise wie möglich zu sammeln!"

Hilde: "Ich habe morgen Nachmittag etwas Freigang, da werde ich versuchen, mich da einzuschleichen. Aber wenn Multimedia Technologies wirklich mit der Regierung zusammenarbeitet, dann ist das Gebäude doch bestimmt total abgesichert ... es wird nicht leicht werden ..."

Duo: "Geh kein Risiko ein!"

Hilde: "Aber ich doch nicht!"^_^

Isabella: "DUOOOOO!!!!!KOMMM SPIIIIEEEEEELEEEEEN!!!!!"

Duo: *zusammenzuck* "Das Mädchen treibt mich noch in den Wahnsinn! Bitte, Hilde, komm schnell wieder heim!!!"

Hilde: "Erst Sonntag, bis dahin kannst du ruhig etwas leiden!!! Du hast es verdient!" *fbg*

Duo: "Bist du fies! ...-_-..."

Hilde: *verlegen* "Öhm ... Hast du denn schon eine Partnerin für den Ball gefunden?"

Duo: "Ich geh nicht zu dem scheiß Ball!"

Hilde: "Aber du hast Relena versprochen, zu kommen!"

Duo: "Der Ball wird ätzend! Viel Spaß auch noch, wenn du mit Heero hingehst. Er ist derart mies drauf, dass er sogar zu Tamara abweisend und gemein ist."

Hilde: -_-° "Oh, Gott ... die Ärmste ..."

Duo: "Ach, was ... sie war zwar den ganzen Tag heute so komisch ... aber das geschieht ihr Recht!"

Hilde: "Jetzt bist du aber fies ..." -_-°

Isabella: "DDDDDUUUUUUUUUUOOOOOOOOOOOOOOOO!!!!!!!!!!!!!"

Duo: "Ist ja gut! Bis morgen, Hilde! Ruf mich an, wenn du was erreicht hast, okay?" *aufleg*

Donnerstag 19:00 Uhr

DRINDRING

Duo: "Hilde?"

Hilde: "Ja, ich bin's!"

Duo: "Und? Kannst du frei reden?"

Hilde: "Was soll ich frei reden können? Ich hab eh nichts zu sagen!"

Duo: "Du bist nicht durchgekommen, oder?"

Hilde: "Ich hab die Besichtigung in dem Mistladen mitgemacht, aber in die wirklich wichtigen Bereiche hab ich keinen Einblick bekommen ..."

Duo: "Mist! Aber da kann man halt nichts machen ...*seufz*"

Hilde: "Hey, du wirst doch wohl nicht so schnell aufgeben, oder?"*verschmitzt*

Duo:*aufhorch* "Du hast einen Plan?"

Hilde:*stolz* "Jep!!! Ich hatte heute ja genug Zeit mich umzusehen und einen Weg zu finden, wie ich die Sicherheitsbestimmungen umgehen kann!"

Duo: "Cool! Hilde, du bist die Beste! Du hast was gut bei mir!"

Hilde: "Das sowieso! Hör zu, ich brauche dazu aber deine Hilfe!"

Duo: "Bin ganz Ohr! Wen soll ich umbringen?"

Hilde: "Oh ... Heero von mir aus, dann muss ich nicht mit dem Miesmuffel zum Ball ... aber nein, im ernst mal: Morgen um genau Viertel nach drei will ich wieder an der komischen Führung teilnehmen, aber diesmal verkleidet, weil es ja auffällt, wenn die gleiche Person zweimal hintereinander die gleiche Führung mitmacht. Ich werde mich dann unter dem Vorwand, die Toilette besuchen zu wollen, von der Gruppe lösen und mich in die gesicherten Bereiche schleichen. Dort sind aber vor allen Eingängen bewaffnete Einheiten postiert und in den nicht besetzten Büros sind die Alarmanlagen aktiviert ... du musst also kurz vor drei einen Virus in das System einschleusen, wie du das machst, ist mir egal, aber sorge dafür, dass die ganzen Systeme zusammenbrechen! Damit hätte ich dann wenigstens Zugang zu den Büros, da auch die elektronischen Schlösser ausfallen ....

Duo:*besorgt* "Ja, klar ... das krieg ich schon irgendwie hin ... aber was ist mit den Wachen?"

Hilde: "Tja, da darfst du dann auch zum Zuge kommen und ... naja, du darfst richtig fies sein!"

Duo: *freufreu*

Hilde: "Um genau halb vier dann darfst du dich beim Sicherheitsdienst telefonisch melden und den Herrschaften mitteilen, dass du eine Bombe im Gebäude platziert hast!"

Duo: "Was? Ich darf Bombemterrorist spielen? Cool! Das ist ja fetzig!*in Fantasien schwelg* ...*g*.....oh, ja, dann bricht ne Panik aus und in dem entstehenden Tumult kannst du dann ruhig alles durchsuchen .. du bist ein Genie, Hilde!"

Hilde:*g* "Ich weiß! Ich habe dir Pläne des Gebäudes gemailt, damit du die Leutchen mal schön rumscheuchen kannst! Aber halte sie möglichst von den rot gekennzeichneten Flächen fern, da will ich nämlich rumstöbern und ich hab null Bock, da den Sicherheitsfutzies über den Weg zu laufen!"

Duo: "Hach, absolut genial! Dieser Tag ist einfach perfekt!"*voll zufrieden*

Hilde: "Wenn ich es nicht bessr wüsste, dann würde ich vermuten, dass du heut jemandem mal wieder eins ausgewischt hast ... bevorzugt Tamara, oder?"

Duo:*loslach* "Oh, Hilde, du kennst mich einfach zu gut!!! Soll ich dir mal was verraten? Madame war die ganzen letzten Tage mies drauf! Und soll ich dir mal verraten warum? SIE KANN NICHT TANZEN!!!!!!hahahahahahahahahahahahahahah"

Hilde:*überrascht* "Was? Echt jetzt?"

Duo: "Ja, sie, die doch eigentlich immer alles kann! Bestnoten in der Schule, bei allen beliebt ... blablabla ... erst kann sie nicht kochen, dann nicht putzen und jetzt noch nichtmal tanzen!!!"

Hilde: "Du kannst doch auch nichts davon!"-_-

Duo: "Hey, tanzen kann ich! Die kleine Hexe hat jetzt nur übelsten Schiss das Quatre zu gestehen und aus Verzweiflung hat sie sogar MICH, den großen Duo Maxwell, gebeten, ihr zu helfen!!!!"

Hilde: "Oh, Gott, die Ärmste! Sie muss echt verzweifelt sein!"

Duo: "Ja, aber mal sehen, wie lange ich sie leiden lasse ..."

Hilde: "Hey, sei nicht so fies zu ihr! Ich warne dich, Duo! Sie ist eine Freundin!"

Duo: "Blablabla! Viel Glück morgen! Bye!" KLICK

FREITAG 20:00 Uhr

DRINGDRING

Duo: "Hilde! Hilde, bist du das?"

Hilde: *erschöpft* "Ja, ich bins."

Duo: *erleichtert* "Mensch, ich hab mir schon Sorgen gemacht! Ich versuche die ganze Zeit dich zu erreichen ... was war denn los?"

Hilde: "Ach, frag nicht! Ich hatte Probleme aus dem Gebäude wieder rauszukommen und musste mich da erst mal Stunden lang verstecken, bevor ich mich der letzten Führung heimlich anschließen und aus dem Gebäude schleichen konnte ... ich bin total knülle ..."

Duo: "Danke, Hilde! Wenn du wieder nach Hause kommst, dann lad ich dich ganz fett zum Essen ein! Hast du was gefunden?"

Hilde: *traurig smile* "Mir wär's lieber, wenn du mich von dem Abend mit Heero erlöst ... Aber du hattest mal wieder den richtigen Riecher!"

Duo: "Sag schon, was hast du rausgekriegt!"

Hilde: "Bist du wahnsinnig? Ich werd das jetzt bestimmt nicht an einem öffentlichen Telefon erläutern! ...*geflüstert* Seit der Bombendrohung heute wimmelt der ganze Bezirk nur so von Sicherheitskräften; die schnüffeln überall rum ... aber ich kann dir verraten ... *nervös umschau* ...diese Piraten, diese Black Dragons ... das sind mehr als nur Piraten. Multimedia Technologies hatte detaillierte Akten über die und der gesamte Regierungsapparat scheint an diesen Typen interessiert zu sein ... die fahren zur Zeit alle Geschütze auf, um die zu erwischen ..."

Duo: "Mit wenig Erfolg, wie's aussieht ... hier lief vorhin ein Bericht im Fernsehen. Die Piraten haben wieder eine der äußeren Randkolonien überfallen. Noch bevor die ersten Regierungstruppen dort waren, waren die Black Dragons aber auch schon wieder verschwunden."

Hilde: "Genau das ist es ja! Weißt du, was die eigentlich stehlen? Hochgeheime Akten und wissenschaftliche Daten, sie manipulieren Nahrungsmittelvorräte und Waffen und machen nebenbei die Stationen, die sie überfallen derart betriebsuntüchtig, dass nach einem Einsatz der Black Dragons das gesamte Gebiet unbewohnbar ist ..."

Duo: "Mit anderen Worten vergraulen sie die Kolonisten aus den äußeren Regionen ... aber ich frage mich, was streng geheime Regierungsakten in den äußeren Kolonien zu suchen haben ..."

Hilde: "Das ist die Frage, denn offiziell sind das alles friedliche und unpolitische Terraforming- Außenstationen. Von dem gestohlenen Warengut ist bisher auch nichts auf dem Schwarzmarkt aufgetaucht ... man fragt sich also auch, was die mit ihrer Beute anfangen und für wen die arbeiten."

Duo: "Wenn die Regierung da mit drin hängt, dann müsste Relena auch schon Wind von der Sache bekommen haben ... Langsam beginnt das Spaß zu machen!*g* Und der Öffentlichkeit versucht man aufzutischen, dass es nur ein paar randalierende Piraten sind ... typisch Politik."

Hilde: *laut* Und wie geht es denn nun Tante Hannelore? Sie soll sich nicht zu viele Sorgen um mich machen! hähä ..." *zu vorbeiziehendem Schutztrupp hinschiel*

Duo: °_° "... Also ... Tante Hannelore ...hahaha ... die hat sich das Genick gebrochen und liegt nun im Koma ...hihi ...und grüß mal die Wachleute von mir, okay?" *sich ins Fäustchen lach*

Hilde: "Das werd ich ganz bestimmt nicht tun! Ich bring dir dann die restlichen Daten mit, wenn ich am Sonntagabend wieder komme ... wie geht es denn so?

Duo: "Naja, recht beschissen ... die sind alle total mies drauf. Aber mir wird jetzt auch einiges klarer. Relena lässt Heero zur Zeit links liegen, entweder weil sie sich zu stark mit diesen Piraten beschäftigt, oder ..."

Hilde: "...oder weil sie einfach noch stinksauer auf ihn ist ... au, Mann ... die beiden sind doch ein krasses Pärchen! Ich schätze, ich brauch dann mal gar nicht fragen, wie es Heero geht ... was ist mit Tamara? Ich hoffe, du ärgerst sie nicht so sehr?"

Duo: *unschuldig tu* "Hey, aber ich doch nicht!"

Hilde: "Was ist nun? Wirst du ihr Tanzunterricht geben? Das wird bestimmt witzig!"

Duo: "Ja, ich hab mich erweichen lassen ... beim Sport hat sie heute wieder zugeglotzt ... wusstest du, dass sie kein Sport mitmachen darf wegen irgendwelcher gesundheitlicher Schäden?"

Hilde: '_° "Hä?"

Duo: "Ja, hat mir Quatre zugesteckt ... der scheint sich ja ganz gut mit ihr zu verstehen, na, jedenfalls hat sie noch'n bissl gebettelt, während die anderen weitergespielt haben und ..."

Hilde: "Weitergespielt? Oh, lass mich raten, du hast mal wieder gefoult und durftest dann den Rest der Stunde nicht mitspielen, oder" *gemein grins*

Duo: -_- *schmoll* "Jedenfalls hab ich dann endlich zugesagt, denn ihr Gejammer war ja wohl nicht mehr zu ertragen! Bei Relena, Elbie oder dir tanzen zu lernen hätte wenig Sinn, da ihr einerseits kaum Zeit habt, wegen dem Ball, und andererseits muss sie lernen, mit einem männlichen Partner zu tanzen. Quatre will sie auf keinen Fall fragen, weil ihr das einfach zu peinlich ist, und ich darf es ihm auch nicht verraten ... mal überlegen, ich könnte sie damit bestimmt noch eine Weile erpressen! ... na, jedenfalls kann sie auch nicht Alan oder Chang fragen ... Chang sowieso nicht, wie ich seine Zuneigung zum anderen Geschlecht so einschätze ... aber die beiden trainieren schon die ganze Woche für ihren regelmäßigen Fight Freitagabend ... apropos ... ich wollte da heut eigentlich mal zusehen, aber ich hab den ganzen Abend am Telefon auf einen Anruf von dir gewartet ... naja, Tamara wollte eigentlich zuerst Trowa fragen, aber irgendwie ist der zur Zeit nicht so ganz gut auf sie zu sprechen ... außerdem ist er auch so gut wie nie da, er schnüffelt wahrscheinlich wieder in irgendwelchen Firmen rum ... als letzten Ausweg wollte sie dann ihr geliebtes Bruderherz fragen, aber Tam hat erzählt, dass er sie sowas von angeschnauzt hat, obwohl sie ihm noch nicht mal von ihrer eigentlichen Bitte berichtet hatte ..."

Hilde: "Sowas ... dass Heero zu seiner eigenen Schwester so unfreundlich ist, hätte ich nicht gedacht ... er muss echt mies drauf sein ... Verdammt, dass alle jetzt so zerstritten sind, passt mir gar nicht ... wir müssen uns was einfallen lassen, damit sie sich wieder besser verstehen ..."

Duo: "Mach dir da mal nicht so große Sorgen, Hilde! Die finden sich bestimmt alle wieder ein ... Genieß nur mal deine letzten Tage dort, zu Hause wartet nämlich eine 1 Woche lang nicht mehr geputzte Wohnung auf dich!!!*g*

Hilde: "Du faule Socke! Wie kann Quatre dich eigentlich nur ertragen?"

Duo: "Genauso wie du mich erträgst! Ich bin einfach zu liebenswert, mich mögen einfach alle!"

Hilde: "Duo, was bitte schön, hast du denn heute wieder geschluckt?"

Duo: "Nichts für ungut, Hilde, aber ich will dann mal Schluss machen. Wenn ich mich noch beeile, dann kann ich das 20: 30 Uhr Shuttle noch erreichen und zur Erde fliegen ... Chang und Alan wollten heute ziemlich lange trainieren ..."

Hilde. "Na gut, ich will dann mal auch langsam ins Bett gehen."

Duo: "Was, schon so früh?"

Hilde: "Ja, morgen will ich ausgeschlafen sein, denn wir wollen das ganze Wochenende durchfeiern ... die Hälfte der Lehrkräfte wird morgen schon in Urlaub fahren und da die Austauschschüler erst am Sonntag die Heimreise antreten, können wir morgen mal so richtig die Sau rauslassen ..."

Duo: "Au, weia ... eine Weiberparty ... was werdet ihr denn da so unanständiges machen? Ihr werdet euren Barbies die Haare kämmen und Ken die Hosen ausziehen oder so was ...?"

Hilde: "Die Herren von der Universität in der Vorstadt wollen vorbeikommen und für Stimmung sorgen ...hihihi"

Duo: *total verblüfft* "Warte mal, ihr wollt da jetzt wirklich so richtig die Sau rauslassen? Hey, wenn ich .. warte ... warte ... *blätter* Hier! Um 22 Uhr fliegt ein Shuttle in eure Region und wenn ich mir dann ein Taxi nehme ... ich könnte es schaffen gegen 8 Uhr morgen früh bei euch zu sein ..."

Hilde: "Wag es nicht!!!"

Duo: "Hey! Du bist nicht die einzige, die sich amüsieren darf!!!"

Hilde: "Du kannst dich auch amüsieren! Und zwar beim Tanzunterricht mit Tamara!!!" *bg*

Duo: *grummel* "Du bist fies ..."

Hilde: "Wennn ich fies bin, dann verliere ich ganz zufällig beim Heimflug alle Datendiscs ...hihi"

Duo: "Sagte ich fies? Ich meinte natürlich, dass du supernett, intelligent und gütig bist ... habe ich wunderhübsch schon mal erwähnt?"

Hilde: "Sieh mal an ... aber genug geschleimt für heute, du verpasst sonst dein Shuttle!"

Duo: "Ja, bis morgen! Ich ruf dich dann an!"

Hilde: "Ja, machs gut ... und erzähl mir, wie das Training war ..."

KLICK
 

SAMSTAG 23: 30 Uhr

DRINGDRINGLING

Hilde: *ungeduldig* "Jetzt nimm schon ab, du elender ..."

DRINGDRINGLING

Duo: *verschlafen* "Maxwell ... *gähn* ... wer stört so spät?"

Hilde: *gereizt* "Oh, na, wenn ich störe, dann leg ich doch besser gleich wieder auf!"

Duo: *wach* "Hilde! Nein, nein, warte, bitte! Oh, Mist, ich hab vergessen anzurufen!"

Hilde: "Ach, dass dir das auch noch einfällt! Ich hab Quatre aus dem Bett geklingelt, welcher mir dann total schlaftrunken erzählt hast, dass du schon wieder nach L2 zurückgekehrt wärst! Du hieltest es wohl nicht für nötig, mir das mitzuteilen, oder? Dann hätte ich Quatre nicht erst wecken müssen ... Was denkst du dir eigentlich?"

Duo: "Es tut mir leid! Ich hab das total verschwitzt ... es ist nur so ..."

Tamara: *aus dem Hintergrund* "Ist das Hilde am Telefon?"

Duo: *missmutig* "Nein, und jetzt verzieh dich!"

Tamara: *in den Telefonhörer schreiend* "Hey, Hilde! Wie geht's? Du musst schnell wieder heim kommen, eure Wohnung sieht grauenhaft aus ... das ...Aua ..."

Duo: *Tamara mit Fuß zur Seite schiebend* " Hau ab! Am Ende krieg ich noch Ärger mit Heero ..."

Hilde: *verdutzt* "Das war doch jetzt Tamara, oder?"

Duo: "Ja, sie ist endlich weg ... so ein Mist wir sind voll eingepennt ..."

Hilde: *schockiert* "Eingepennt? Du und Tamara? Nachts um halb 12 ... irgendwie ... kommt das total unerwartet ... ich meine, Tamara und Quatre würde ich ja verstehen, aber ihr zwei ..."

Duo: "Hä? Wovon laberst du da? Wir haben uns heute wegen dem scheiß Tanzen getroffen ..."

Hilde: "Ach, so ... äh, na dann vergiss, was ich gesagt habe ... warum seid ihr denn eingeschlafen?"

Duo: "Ach, frag nicht! Das ist so eine leidvolle Angelegenheit, der Tanzen beizubringen! Sie hat überhaupt kein Taktgefühl ... Gott, dauernd ist sie mir auf die Zehen gelatscht ... naja, ich bin natürlich aus Rache zurückgelatscht und als uns dann übelst die Füße weh taten, haben wir uns vor die Glotze gehauen, nur so zum Verschnaufen, und sind wohl eingepennt ... Kacke!"

Hilde: "Das kann ich mir bei Tamara eigentlich gar nicht vorstellen. Sie spielt doch Klavier und ist auch sonst sehr musikalisch und dann so was ..."

Duo: "Ich bin auch nur jetzt schon heim, weil wir nicht bei Quatre üben konnten, er hätte Wind davon bekommen ... *seufz* ... Ich bin total müde ... das wird schwierig, ihr in einer Woche alles nötige beizubringen, du musst mir helfen, Hilde!"

Hilde: "Klar ... ich werd's jedenfalls versuchen. Hat sie sich denn so blöd angestellt?"

Duo: "Nein, noch blöder als blöd ... aber gegen Ende hat sie's dann wohl etwas gerafft ... Ich hab ihr gesagt, dass man Tanzen mit Kämpfen vergleichen kann, weil man da auch die Bewegungen seines Gegenübers beobachten und sich ihnen anpassen muss. Das scheint sie gerafft zu haben, denn danach ging's einigermaßen ... obwohl ... was versteht Tamara eigentlich vom Kämpfen?"

Hilde: *g* "Apropos Kämpfen! Wie war's gestern?"

Duo: "Voll genial! Ich sag dir, mit Alan und Chang werd ich mich wohl bestimmt nicht im Zweikampf anlegen! Nächsten Freitag kommst du mit, Hilde! Aber ich werde jetzt auch etwas mehr trainieren ... auf das Level von Chang und Alan werd ich wohl nie gelangen, aber man kommt sich so verdammt mickrig neben den beiden vor!"

Hilde: "Tja, vielleicht, weil du halt ein alter Mickerling bist?"

Duo: "Haha ... Quatre war auch da. Weißt du, was er mir erzählt hat? Zu den Magunacs hat er seit langem keinen Kontakt mehr, weil Gerüchte besagen, dass sie sich mit den Black Dragons rumschlagen müssen ..."

Hilde: "WAS? Das würde ja bedeuten ..."

Duo: "Genau. Dass die Black Dragons auch auf der Erde operieren! Ich hab Quatre geraten, dass er an der Sache dranbleiben und mich bitte darüber informieren soll ..."

Hilde: "Mist ... Ich muss auflegen, Duo! Hol mich morgen um 20 Uhr am Bahnhof ab! Hörst du?"

Duo: "Ja, klar ... vergess ich schon nicht ... *nachdenk* ... Hey! Jetzt kapier ich das endlich! Du hast am Anfang geglaubt, dass Tamara und ich ... du hast geglaubt, dass wir ..." *fassungslos*

Hilde: *peinlich* "Ähähäh .. ich leg dann mal auf, Bye!" KLICK

Lovestories (Woche 3)

KAPITEL 15

Relena Peacecraft: Lovestories (Woche 3)
 

"Noch 7 Tage bis zum Ball", murmelte Relena, als sie endlich allein in ihrem Zimmer war. Hilde, Tamara und Elbie waren gerade erst gegangen, nachdem sie sich mit den letzten Vorbereitungen zu dem großen Ereignis befasst hatten.

"Nur noch 7 Tage ..."

In Gedanken versunken blickte sie sich nun traurig in ihrem großen Zimmer um. Es war von Sonnenstrahlen überströmt, welche durch die weit geöffneten Fenster einströmten. Die Welt schien in den letzten Tagen aufzublühen, das Wetter war herrlich und die Menschen einfach nur glücklich. Die meisten jedenfalls, denn Relena war es ganz und gar nicht.

Die Sonne konnte in ihr großes leeres Zimmer scheinen, so lange sie wollte, doch Relena fühlte sich einfach nur allein und verlassen. Und obwohl sie sich in letzter Zeit oft mit ihren Freundinnen traf, so wusste sie doch, dass sich zwischen ihnen eine unüberwindliche, unsichtbare Barriere aufgebaut hatte.

Sie konnten halt doch nicht über alles reden.

Hatten Geheimnisse voreinander.

Ihr Blick fiel auf den kleinen Teddybären, welcher achtlos auf dem Bett herumkullerte. Sie hob ihn behutsam auf und sah ihm lange in die Augen, als ob sie darin all ihre Wünsche und Sehnsüchte erkennen könnte. Dann lächelte sie traurig und presste das Stofftier behutsam an ihre Brust.

"Du bist der einzige, der mich versteht", flüsterte sie ihm leise zu.

Sie setzte sich und blickte aus dem Fenster. Doch sie sah nicht in den Garten oder auf die Landschaft oder auf den Himmel - nein, Relena blickte in die Ferne, in ein anderes Land, eine andere Zeit.

"Weißt du", begann sie mit ihrem kleinen Freund zu sprechen, "am Anfang wollte ich einfach nur, dass dieser Ball ein Erfolg wird! Dass ich mich mit meinen Freunden amüsieren könnte und wir unser Leben geniesen." Ein verbittertes Lächeln huschte über ihr hübsches Gesicht. "Tja, irgendwer scheint da etwas dagegen zu haben! Wenn in dieser Welt irgendetwas passiert ... warum ... warum müssen wir immer davon betroffen sein?", fragte sie verzweifelt und blickte dem Teddy Hilfe suchend in die Augen. "Die anderen tun zwar so, als würde es sie kaum etwas angehen, aber ich bin doch nicht blöd! Ich merke, wie sie sich in diese Sache reinsteigern ... Trowa ist die letzte Woche kaum zur Schule gekommen, weil er nur Informationen nach diesem unbekannten Angreifer hinterherjagt. Er hat zwar gesagt, dass er im Zirkus zu tun hatte, aber ich habe nachgefragt ... da war er nicht ... Auch Quatre und Duo haben begonnen Nachforschungen anzustellen, das ist Hilde so rausgerutscht ... und Heero ..." Relena hielt für einen Moment inne und starrte auf den Boden, während sie den Teddy immer stärker an sich presste. Schließlich ließ sie sich kraftlos auf ihr Bett fallen, wo sie sich wie ein kleines Kind zusammenrollte. "Heero ist ein Kapitel für sich ...", meinte sie tonlos. "Gerade für ihn hatte ich gehofft, dass es Frieden geben würde. Er hat doch bisher nur gekämpft und getötet ... und das sein ganzes Leben lang ... er sollte doch lernen, wie es ist, einfach nur zu leben ... und glücklich zu sein ... ohne Gewalt ..." Relena begann zu weinen. "Aber es ist ja auch meine Schuld", schluchzte sie. "Heero ist nun mal so ... warum versuche ich nur ständig, ihn zu ändern? Vielleicht ... vielleicht ... ich hätte ihn nicht so sehr bedrängen sollen ... und dann das mit Alan ... verdammt! Warum hab ich das nur gemacht? Heero wird es sich bestimmt nicht anders überlegen ... Es macht alles einfach keinen Sinn mehr ... ich will nicht mehr ... wir setzen uns seit 2 Wochen täglich zusammen und planen dieses dämliche Fest ... und am Ende streite ich mich nur mit den Menschen, mit denen ich feiern wollte ... Es ist nicht fair! Warum kommen alle mit ihren Problemen nur immer zu uns ... warum müssen wir diese Welt aufrichten ... warum ... warum?"

Unter leisen Tränen schlief Relena ein, wohl wissend, dass sie die Antwort auf ihre Frage kannte.

Sie waren diejenigen, die es konnten.

Diejenigen, die den Mut aufbringen würden, für den Frieden zu kämpfen.

Immer und immer wieder.

Damit ihre Welt einmal - irgendwann in ferner Zukunft - friedlich, schön und heil wäre.
 

"Verdammt, nur noch 6 Tage!", rief Relena aufgebracht, als sie in ihr Zimmer stürmte. Sie war nicht mehr depressiv und resigniert wie am vorigen Tag, heute war sie hektisch und aufgekratzt. In aller Eile packte sie einige Sachen in ihre Tasche ein.

Während sie wie ein Wirbelwind durch ihr Zimmer fegte, warf sie ihrem Teddy einen flüchtigen Blick zu, wie er so auf einem Stuhl neben dem Bett saß.

"Nun sie mich schon nicht so vorwurfsvoll an!", scherzte sie. "Ich habe es heute wirklich eilig. Duo übernachtet heute bei Quatre und da wollen wir, also ich meine Tamara, Elbie und mich, heute bei Hilde übernachten. Wir haben wirklich noch so viel zu tun! Stell dir vor, die Firma, die sich um das Essen kümmern sollte, hat doch tatsächlich unsere Bestellung abgewiesen! Wo sollen wir auf die Schnelle jetzt jemanden auftreiben, der das übernimmt? So ein Mist, und von den Jungs ist auch keine Hilfe zu erwarten! Am Anfang hieß es noch, dass sie uns tatkräftig unter die Arme greifen wollten. Von wegen!"

Relena hielt kurz inne und setzte sich neben ihren kleinen kuscheligen Kumpan auf das Bett.

In einem ruhigeren Ton fuhr sie fort: "Aber ich verstehe sie ja ... Sie stellen ihre Nachforschungen an, weil sie sich Sorgen machen ... Naja, bis auf Chang ... der trainiert nur die ganze Zeit, ohne auch nur an etwas anderes zu denken!"

Lachend stand sie auf und begann wieder wild im Zimmer herumzuwühlen.

"Wo hab ich nur ... meinen Schlafanzug hin ... weißt du aber, was der Hammer ist? Heero will doch tatsächlich mit Hilde zu dem Ball gehen! Als ich das heute erfahren habe, hab ich doch fast gedacht, ich krieg 'nen Herzinfarkt! Unfassbar ... ich wette, dass hat er nur getan, um mich eifersüchtig zu machen! Haha, so weit ist er also schon!" Relena grinste in sich hinein, dann hockte sie sich vor ihren Teddybären auf den Boden und blickte ihm in seine Knopfaugen. "Ich glaube doch, dass Heero schon etwas an mir und seinen anderen Freunden liegt. Er weiß nur nicht so genau, wie er sich ausdrücken soll ... bei dieser Sorte Mann muss man halt sehr behutsam vorgehen." Sie stand wieder auf und schnappte sich schnell ihre Tasche. Auf dem Weg zur Tür rief sie dem kleinen Kuscheltier noch zu: "Aber heute bekomm ich meine Infos in Sachen Liebe ja aus erster Hand! Hilde, als Heeros Tanzpartnerin, und Tamara, als seine Schwester, werden mir da eine große Hilfe sein! Na, warte! Die quetsch ich heute erstmal aus!" Lachend verschwand Relena aus ihrem Zimmer.

Nach einigen Minuten vollkommener Stille jedoch kam sie zurück. Leise trat sie ein und stand einfach nur da. Dann sagte sie: "Weißt du, heute wird einer der letzten Abende sein, an denen ich Zeit für meine Freunde finden werde. Morgen ... morgen wollen sie doch die Besprechung abhalten ... Noin will mich abholen ... da braut sich etwas zusammen, denn selbst mir werden noch immer wichtige Informationen verschwiegen ... nach dem Ball ... ich werde mich dann wohl wieder ganz der Politik widmen ... irgendwer muss ja aufpassen, dass die Generäle uns nicht noch einen Krieg anzetteln ... selbst wenn es nur gegen Piraten ist ... und auch wenn ich noch ziemlich jung bin ... aber ich schaffe das schon!"

Sie blickte ihren Gesprächspartner traurig lächelnd an. Und als ob sie einen Vorwand bräuchte und sich entschuldigen müsste, meinte sie: "Ich hatte meinen Schlafanzug vergessen ... bin schon weg."

Mit diesen Worten verschwand sie aus dem Zimmer und ließ den Teddybären allein zurück.
 

"Noch 5 Tage, nur noch 5 Tage! Wir schaffen es niemals bis dahin!" Wieder einmal huschte Relena aufgeregt durch ihr Zimmer auf der Suche nach allem möglichen. "Mist, ich muss mich echt beeilen. Noin wird bald vorbeikommen und sie wird bestimmt nicht lange warten wollen. Wo hab ich nur ... Was meinst du, ob mein Bruder heute auch kommt?", fragte sie wieder ihren Teddy, obwohl sie doch genau wusste, dass er ihr nicht antworten konnte. Aber es war schon gut, überhaupt mit jemandem zu reden.

"Oh, du willst bestimmt wissen, wie es gestern war!" Relena wurde etwas ruhiger und nahm sich die Zeit, um ihrem Kuscheltier von der gestrigen Nacht zu berichten. "Es war wirklich lustig! Wir haben leider nur recht wenig geschafft, was die Organisation des Festes betrifft, aber Tamara meint, dass Quatre sich um das Essen kümmern würde. Sie scheint sich wirklich gut mit ihm zu verstehen, aber irgendwie ... naja, ich kann mir die beiden gar nicht so richtig zusammen vorstellen. Aber sie meinte, dass Heero wirklich down wäre ... es ist zwar ziemlich gemein, aber irgendwie freut es mich. Nicht, dass es ihm schlecht geht, nein, das freut mich nicht, sondern dass er sich auch Gedanken um mich macht! Das ist doch toll! Und Hilde wäre auch jeder Zeit bereit, mit mir den Tanzpartner zu wechseln ... Heero scheint ihr nicht so ganz geheuer zu sein, aber ich schätze mal, sie hat es mehr auf Alan abgesehen! Der Typ ist aber auch der übelste Frauenschwarm geworden! Sein Spind quillt jeden Tag nur so über vor lauter Liebesbriefen und Einladungen zu dem Ball, obwohl doch schon die ganze Schule weiß, dass er bereits eine Partnerin hat ... mh ... auch Elbie scheint sich total in ihn verknallt zu haben. Tamara meinte, sie würde wohl schon länger Gefallen an ihm finden, aber sie hätte Angst, ihre Freundschaft zu ihm dadurch kaputt zu machen. Das ist echt schwierig, denn eigentlich würde ich ja recht gerne kuppeln, doch mit wem? Alan mit Hilde oder Alan mit Elbie? Das ist echt kompliziert, wenn zwei gute Freundinnen auf den gleichen Typen stehen ... Ich glaub, ich halt mich da lieber raus, denn Alan scheint auch nur sein Kampftraining mit Chang zu interessieren ... die beiden sind schon total fanatisch!" Mit einem Ruck sprang zum Fenster und sah hinaus. "Mh ... Lucrezia ist noch nicht da, da hab ich also noch etwas Zeit ... ob ich nochmal bei Quatre anrufen soll, um zu fragen, ob das mit dem Essen klar geht? Oh, verdammt ... ich hätte es doch schon gerne, dass die Sache zwischen mir und Heero ins Reine kommt, bevor der Ball beginnt ... ich hab mich aber auch blöd verhalten in letzter Zeit ... ich ..." Ein aufdringliches Hupen von draußen unterbrach Relena in ihren Ausführungen. Sie stürzte hastig zum Fenster hin, winkte dort schnell und lief dann zu ihrer Tasche und anschließend zur Tür.

"So, das war's dann erst mal. Noin ist da. Ich hab eigentlich überhaupt keine Lust, mich jetzt mit diesen Typen von Media Technologies zu treffen ... *seufz* ...naja, was soll's? Vielleicht ist mein Bruder ja dabei? Noin hat gemeint, er würde auch mal von den äußeren Kolonien herkommen ... weißt du, schon seit einiger Zeit ist er den Verteidigungstruppen beigetreten, die gegen diese Piraten kämpfen. Seine Terraformingstation wurde von denen doch überfallen ... hoffentlich sehe ich ihn heute mal."

Mit einem erwartungsvollen Lächeln verschwand Relena aus dem Zimmer, als von draußen gerade weitere ungeduldige Hupenklänge ertönten.
 

"Noch 4 Tage." Erschöpft sank Relena auf ihrem Bett zusammen und vergrub ihren Kopf in den Kissen. "Nur noch 4 Tage und dann steigt der Ball. Nur noch 4 Tage und dann ... dann werd ich von meinem Schülerdasein wohl erst Mal Abschied nehmen müssen."

Sie klang müde und am Ende ihrer Kräfte. Unter einigen Anstrengungen nahm sie ihren Teddy zu sich und setzte ihn vor sich hin.

"Die Verhandlungen waren der Horror! Mein Bruder war nicht da und die Typen von Media Technologies haben wahrscheinlich ein Sicherheitsleck. Ha, die von der Militärabteilung hätten am liebsten gleich das Kriegsrecht verhängt und alle Verdächtigen abgeknallt ... zum Glück war auch Dorothy da. Früher hätte ich mich über ihr Dasein bestimmt nicht so gefreut, aber heute war sie wirklich meine einzige Hilfe! Dank ihr konnten wir noch eine Gnadenfrist herausschlagen. Aber mehr darf ich darüber leider nicht erzählen, denn das ist alles streng geheim und wer weiß: Vielleicht werden wir abgehört? Oder du bist ein Spion der Black Dragons und versuchst mich auszuhorchen?" Mit einem müden Lächeln hob sie ihr Kuscheltier hoch und blickte es an.

"Aber ich schätze mal, ich kann dir vertrauen. Wenn nicht dir, wem dann?"

Sie nahm den Plüschbär in die Arme und rollte sich auf die Seite.

"Nach dem Ball, werde ich wieder aktiv in die Politik einsteigen. Bis dahin versucht Dorothy die Leute etwas zu beruhigen, denn die haben bereits ein immenses Waffen- und Truppenaufgebot angesammelt. Die Überfälle dieser Piraten sind bei weitem schlimmer, als sie in der Presse dargestellt werden. Die gehen geplant, koordiniert und skrupellos vor ... jeder ihrer bisherigen Angriffe war ein empfindlicher Schlag gegen die Autorität der derzeitigen Regierung. Das Problem ist, dass wir nicht einmal genau wissen, wo wir diese Miskerle finden ... wir haben kaum Anhaltspunkte ... das sind echte Profies ... Media Technologies kriegt jetzt aber mächtig die Hucke voll, denn es gab da einen Virus im System und eine Bombendrohung und die glauben, dass da jemand in dieser Zeit Daten von dort gestohlen hat. Es war bestimmt nur ein dummer Zufall, das Hilde sich genau in diesem Zeitraum in der Nähe der Hauptzentrale befunden hat ... und Dorothy hat sich bestimmt verguckt, als sie meinte, Trowa in der Uniform eines Verteidigungsdienstmitarbeiters gesehen zu haben ... und Quatres und Duos Aktivitäten in den Magunac- Corps, die auf der Erde nach versteckten BlackDragon- Basen suchen sollen, haben bestimmt auch nichts mit der derzeitigen politischen Situation zu tun ..." Relena lächelte ironisch. "Tja, so sind sie halt ... unsere Gundam- Piloten ..."

Sie schloss ihre Augen und begann langsam einzuschlafen. Schon im Halbschlaf murmelte sie leise: "Ich hoffe nur, Hilde erzählt mir morgen, was heute so alles los war ... ich hoffe nur, dass es allen gut geht ... denn sie sollten ... diese Zeit geniesen ... es wird Krieg geben ..."

Unruhig drehte sie sich auf die andere Seite.

"Krieg ... sobald wir sie gefunden haben ... die Black Dragons ... und Manaz ..."
 

"Noch 3 Tage", murmelte Relena leise.

"3 Tage nur noch."

Sie setzte sich traurig auf ihr Bett und nahm ihren Teddybären in die Hand.

"Am Montag steigt dann der große Ball. Die Vorbereitungen sind soweit alle erledigt ... aber ... ich hab einfach keine Lust zu feiern. Mir ist eher zum heulen zumute." Sie presste ihr Gesicht in den flauschigen Bauch ihres Freundes, als eine ihr nur zu gut bekannte Stimme sie hochriss:

"Du redest also wirklich mit deinen Kuscheltieren?"

Relena schrak auf und erblickte Tamara in der Tür.

Was machte sie hier? Wie war sie herein gekommen?

Benommen saß Relena einfach nur da, während Tamara langsam in ihr Zimmer hineingeschlichen kam. "Quatre hatte mir mal erzählt, dass du früher sehr einsam gewesen bist und dich daher mit ihnen unterhalten hast. Vor kurzem aber hat er gesehen, wie du es wieder getan hast und da hat er sich natürlich Sorgen um dich gemacht." Sie setzte sich neben Relena und sah auf ihren Teddy.

"Bist du denn wieder einsam, Relena?", fragte sie mit ihrer typisch sanften Stimme.

Relena antwortete nicht. Sie blickte nur starr gerade aus. Wie sie das hasste! Tamara hatte diese Angewohnheit, sofort den wunden Punkt von Menschen zu treffen und sie derart in Verlegenheit zu bringen, dass Relena immer die Worte fehlten, um Tamara etwas entgegen setzen zu können.

"Relena?", fragte Tamara nochmals nach.

"Wie bist du hier herein gekommen?", war die kalte Antwort.

Tamara sah sie mit großen Augen an.

"Na, durch die Tür! Wie denn sonst?"

Sie lächelte, stand auf und nahm Relena den Teddy weg. Dann begann sie durch das ganze Zimmer zu tänzeln, indem sie den Bären vor sich ausgestreckt hielt und ihm in die Augen sah.

"Das ist ein wirklich niedliches Kuscheltier! Ich weiß nicht, aber wenn ich einsam wäre und Probleme hätte, dann würde ich mich wohl auch am ehesten ihm anvertrauen!" Sie lächelte Relena an.

"Du verstehst es nicht", kam es müde vom Bett her.

"Nein, ich verstehe es wirklich nicht", antwortete Tamara. "Ich bin einfach nicht in deiner Position, um das zu verstehen. Ich verstehe auch nicht, warum Heero und seine Freunde sich nun überall reinhängen, warum ihr nicht mehr miteinander darüber redet ... ich würde es ja kapieren, dass ihr nicht mit mir darüber sprechen wollt, denn ich bin ja in gewisser Weise eine Außenstehende ... aber ..." Sie sah Relena verzweifelt und mitleidig an.

"Ich weiß auch nicht, wie es gekommen ist. Und gerade das macht es ja so schlimm, deswegen bin ich ja so traurig." Relena senkte den Kopf, so dass ihre Haare ihr Gesicht verdeckten.

"Weißt du, was ich glaube?", fragte Tamara, als sie sich wieder zu Relena setzte. "Ich glaube ihr wollt euch so gegenseitig schützen. Die Ereignisse des letzten Jahres haben euch zusammen geführt und nun will keiner von euch den anderen wieder mit derartigen Dingen belasten ... also nimmt jeder diese Last auf sich allein. Aber irgendwie klappt es nicht so ganz, oder?"

"Nein", antwortete Relena mit einem Lächeln.

"Hör mal", begann Tamara wieder, "wenn du Probleme hast, dann rede doch mit Heero oder den anderen. Dein Bär hier ist zwar superniedlich und bestimmt auch verschwiegen, denn die Wahrscheinlichkeit, dass er ein Spion deiner Gegner ist, ist doch sehr gering, oder Mister Teddybär?" Dabei hielt sie das Kuscheltier verspielt in die Höhe und unterzog es einem strengem Blick. "Aber ... ich glaube doch nicht, dass Mister Teddybär hier deine Probleme lösen kann oder dir Ratschläge erteilt ... dich aufbaut ... oder dir Mut macht ... okay, Heero kann das sicher auch nicht so gut, aber er kann dich verstehen. Ich glaube doch, dass du meinem Bruder und seinen Freunden vertrauen kannst. Sprich mit ihm!"

Sie blickte Relena tief in die Augen. "Und außerdem", Tamara gab Relena ihren Bären zurück und stand auf, "ist mein Bruder ja auch superniedlich, oder?"

Während Relena errötend noch immer auf ihrem Bett saß, hopste Tamara in Richtung Tür, als sie sich plötzlich umdrehte und den heranfliegenden Teddybären gerade noch rechtzeitig abfangen konnte, bevor er eine Bruchlandung in ihrem Gesicht gemacht hätte.

Relena, welche ihn geworfen hatte, sagte: "Mister Teddybär ist ein wirklich guter Zuhörer! Behalt ihn, aber wenn du Probleme hast, dann kommst du zu mir, klar?"

So, wie sie das sagte, hatte sie etwas von einer Mutter. Tamara lächelte, blickte dankbar auf den Bären und wollte gerade wieder gehen, als ihr plötzlich einfiel, weswegen sie gekommen war:

"Das hätte ich ja total vergessen! Ich wollte dir doch sagen, dass wir doch morgen um 8 Uhr früh abholen kommen! Also sei dann bitte bereit!"

Relena war ziemlich verdutzt.

"Abholen? Äh ... ja ... aber wozu eigentlich?", brachte sie stotternd heraus.

Tamara sah sie an.

"Na, zum Camping, hab ich das etwa nicht gesagt? Ich Dussel! Hilde und Elbie haben für die ganze Clique über dieses Wochenende einen Campingausflug organisiert, damit sich alle wieder vertragen und wir uns ausgesöhnt bei dem Ball treffen! Stell dir vor, wir und die Boys mitten in der Wildnis, da gibt es dann keine Ausflüchte mehr! Glaub mir, das wird uns allen gut tun! Also, dann bis morgen! Bye!" Und schon war sie aus der Tür verschwunden.

Zurück blieb eine fassungslose auf dem Bett sitzende Relena.

"Ich hasse euch dafür", brachte sie noch heraus.

Dann legte sie sich hin und starrte zur Decke hinauf.

Und lächelte.

Sie wusste nicht, was es war.

Immer in Tamaras Gegenwart hatte sie ein seltsames Gefühl.

Aber sie war ihr unheimlich dankbar.

Und sie mochte sie.

Obwohl sie ahnte, dass ihre heile Welt am Zerbrechen war.

Obwohl sie tief in ihrem Unterbewusstsein fürchtete, dass Tamara der Grund dafür war.

Sie mochte sie trotzdem.

Freitagabend

KAPITEL 16

Freitagabend
 

"AUUUUUHHHHHHH", ertönte es gequält aus der gemeinsamen Wohnung von Duo und Hilde. Letztere, welche bereits einen schicken Herbstmantel und eine fesche Mütze trug, steckte nochmal den Kopf zur Tür herein und fragte zweifelnd: "Kann ich euch wirklich allein lassen?"

Tamara blickte sie unschuldig an, während Duo verzweifelt versuchte seine schmerzenden Füße zu kühlen.

"Ja, Hilde! Wir kommen schon klar, geh ruhig!", antwortete Tam gutherzig.

"Nein, Hilde! Bleib da!", maulte Duo wie ein kleines Kind. "Du kannst mich doch nicht mit dieser Psychophatin allein lassen?"

Hilde sah ihn verzweifelt und Tamara sah ihn wütend an.

"Verdammt noch mal, Duo! Hilde war die ganze letzte Woche so lieb und hat jeden Tag mit mir geübt, weil ich bei dir ja absolut nichts lernen konnte! Ich möchte nicht, dass sie wegen mir auf ihr Vergnügen verzichtet!"

Duo blickte sie finster an. "Na, toll! Und was ist mit meinem Vergnügen? Hä? Ich hätte mir den Kampf heute auch gerne angesehen! Immerhin wollen Chang und Alan heute zum ersten Mal fechten ... menno ... wenn ich daran denke, dass ich den Abend heute wieder mit dir vergeuden muss ... bäh!"

Nun war es Tamara, welche Duo finster anblickte.

Hilde grinste jedoch in sich hinein und meinte: "Ich muss aber Tamara zustimmen! Ich darf mir heute mal etwas Egoismus erlauben und daher wünsche ich euch noch viel Spaß! Ich werde ihn jedenfalls haben!" Und schon viel die Tür hinter Hilde ins Schloss und zurück blieben ein deprimierter Duo und eine beleidigte Tamara, die beide auf Teufel komm raus nichts miteinander anzufangen wussten.

Minuten vergingen und es breitete sich eine unangenehme Stille aus, die keiner von beiden durchbrechen wollte.

Tamara starrte an die Decke und Duo auf den Boden.

Weitere Minuten vergingen, bis Duo endlich maulte: "Bah, wenn ich heute wirklich wieder mit dir tanzen muss, dann muss ich mir noch mehr Eispacks für meine armen Füße holen!"

Mit diesen Worten stand er auf und trottete in die Küche.

Tam sah ihm hinterher und zog eine Schnute: "Jetzt hab dich mal nicht so wie ein Kind!"

"Jaja, du hast leicht reden!", schallte es aus der Küche zurück. "Dir hat ja auch niemand eine bis zum Rand volle Porzellanschüssel mit Fleischsuppe auf die Füße fallen lassen."

Tamara vergrub den Kopf in ihren Händen und antwortete reumütig: "Ich hab doch schon gesagt, dass es mir leid tut! Wie oft soll ich mich denn noch entschuldigen?"

"So oft, bis du es ehrlich meinst!" Duo kam aus der Küche heraus, blieb in der Zwischentür zum Wohnzimmer stehen und blickte von dort vorwurfsvoll auf das blonde Mädchen auf seiner Couch.

"Ich weiß nämlich ganz genau," fuhr Duo fort, "dass es dir bloß leid tut, Hildes Lieblingsschüssel kaputt gemacht zu haben!"

Tamara blickte ihn schuldvoll an. "Ja, und um die Fleischsuppe tut es mir leid."

Duo blickte sie erst entsetzt an, dann grinste er und fragte: "Echt jetzt? Hilde ist 'ne gute Köchin aber ihre Fleischsuppe schmeckt einfach nur zum Kotzen! Also meinst du das wirklich?"

Auch Tamara begann hinterhältig zu schmunzeln. "Ne, denn im Grunde bin ich Vegetarierin!"

"Ehrlich jetzt?" Duo war überrascht. Im Grunde hatte er Tamara doch eigentlich wirklich noch nie Fleisch essen sehen ... er wusste - genau wie die anderen - eigentlich gar nichts über dieses Mädchen.

"Misses Geheimnisvoll! Was verbirgst du denn noch so alles vor uns uns?", fragte er schnippisch. Duo war sich aber gar nicht klar darüber, wie sehr er Tamara mit dieser Frage zugesetzt hatte. Er knallte sich in einen Sessel vor dem Fernseher und sah somit gar nicht, wie sie in einem Schock ähnlichen Zustand ins Leere starrte. Nach einer Weile antwortete Tamara leise: "Als ob ich irgendetwas von euch wüsste! Ihr erzählt doch auch nie etwas über eure Vergangenheit!"

Duo sah sie mit großen Augen überrascht an. So verletzt wie grade hatte er Tamara noch nie gesehen. Er fühlte sich irgendwie mies, obwohl er doch nicht mal genau wusste, weswegen sie jetzt so depressiv war, doch er hielt es für angebracht, dass Thema zu wechseln.

"Hast du denn Relena gefragt? Wird sie morgen mitkommen?"

"Jep", antwortete Tamara schwungvoll nach einer 180° Wende. Sie war wieder fröhlich und Energie geladen wie eh und je.

Und Duo war wieder fies wie eh und je.

"Äh, hast du sie auch wirklich gefragt und auch auf eine Antwort gewartet oder hast du einfach nur "Wir holen dich morgen ab!" mitten in den Raum geschrien und hast dann 'nen Abgang gemacht und die sprachlose Relena einfach so stehen lassen?" Duo sah sie herausfordernd an.

Tamara verkrampfte sich, erinnerte sich an ihr Gespräch mit Relena und stotterte errötend vor sich hin: "Äh ... also ... naja, also ... also so war das ja nicht ... ich meine ..."

"Was?", brach es lachend aus Duo heraus. "Du hast es tatsächlich so gemacht!!!!Ich fass es nicht!!!Hahahaha, wie beschränkt bist du eigentlich, du Dussel?" Duo konnte sich vor Lachen kaum noch auf seinem Sessel halten.

Tamara verkrampfte sich immer mehr und begann gegen ihre aufkommende Wut anzukämpfen. Sie bereute es bereits, Hilde gehen gelassen zu haben, denn einen ganzen Abend allein mit Duo Maxwell würde sie wohl nicht überstehen.
 

"Abend, Leute!", rief Hilde fröhlich, als sie die Halle betrat.

Es war eine altmodische Sporthalle mit Parkettfußboden und einer kleinen Holztribüne für Zuschauer. Auf dieser saßen bereits Trowa, Quatre und Elbie. Und auch Chang. Hilde stutzte einen Moment, warum auch Chang auf der Tribüne saß und sich nicht warm machte, doch dann ging sie erst einmal auf die Gruppe zu. Enttäuscht fiel ihr auf, dass auch Alan noch fehlte.

"Hey, wie geht's euch?", fragte Hilde.

Elbie blickte hoffnungsvoll zu ihr auf. Sie kam sich in dieser Männerclique irgendwie fehl am Platze vor und war daher unheimlich dankbar für Hildes Erscheinen. Aber sie traute sich nicht, Hildes Frage zu beantworten.

"Mensch, bei euch ist ja eine echt tolle Stimmung!", gab Hilde mit einigem Missfallen zu bemerken. Sie hatte sich auf diesen Abend heute echt gefreut und ist dafür sogar das Risiko eingegangen Duo und Tamara allein zu lassen - auch auf die Gefahr hin, dass die beiden sich fetzen würden, bis die Wohnung einem Schlachtfeld glich - einem Schlachtfeld nach einem Kampf zwischen Zechs und Heero, welcher (wohl bemerkt) mit einer Selbstzerstörung von Heeros Gundam endete.

Trowa starrte in die Mitte der Turnhalle und ließ sich nicht dazu herab, Hilde einer Antwort zu würdigen, Chang stand auf den Sitzen und starrte verbissen an die Wand, während Elbie zusammengekauert dasaß und ihren Rucksack fest umklammert hielt.

Nur Quatre, welcher sich im Aufenthaltsraum der Turnhalle einen Tee aufgebrüht hatte (er schaffte es irgendwie immer und in jeder Situation zu einer Tasse Tee zu kommen ... ja, so etwas nennt man einen wahren Überlebenskünstler), blickte traurig zu Hilde hoch und meinte höflich: "Guten Abend, Hilde! Der Kampf heute scheint leider auszufallen!"

Nach einem kurzem Seitenblick zu Chang, welcher unmerklich mit den Zähnen zu knirschen begonnen hatte, entschied sich Quatre jedoch dafür, keine weitere Erläuterung dieses Zustandes von sich zu geben, um nicht unnötig Changs Wut anzuheizen. Hilde schien dies jedoch zu entgehen, denn sie wollte nun natürlich einen genauen Grund erfahren und so strapazierte sie Changs Nerven immer weiter: "WAS? Und warum bitte schön??? Warum habe ich mich am Freitagabend um 21 Uhr aus dem Haus begeben, diesen weiten Weg auf mich genommen und mich von 'zig Typen am Bahnhof dumm anmachen lassen? Nur um hier herzukommen und festzustellen, dass alles umsonst war?" Ihre Stimme hatte einen aufgebrachten und keischenden Ton, welcher einen ähnlichen Effekt hatte wie ein quietschendes Kreidestück an der Tafel. Hilde war die Kreide und Chang die Tafel ... und die Tafel war gerade wieder dabei sich mächtig aufzuregen.

"VERDAMMT NOCH MAL, GLAUBST DU ETWA, ICH FREUE MICH DARÜBER?", herrschte er Hilde derart unsanft an, dass sie eingeschüchtert zurückschreckte. "WAS DENKT IHR FRAUEN EUCH EIGENTLICH? MEINST DU ETWA, DAS .... MHPF .... MPFFFFHHH .... BAKA. ... MHPF..."

Heero, welcher sich plötzlich von hinten unbemerkt angeschlichen hatte, war rechtzeitig dazwischen gegangen und hielt nun mit Trowas Hilfe den aufgebrachten Chang zurück, welcher sich zwar verzweifelt zu wehren versuchte, aber doch unterlegen war. Als Elbie sah, dass Trowa und Heero den heute so impulsiven Chang beruhigen konnten, kehrte ihr Selbstvertrauen zurück und sie sagte zu Hilde:

"Alan lässt sich entschuldigen, er hatte heute etwas ganz wichtiges vor, er musste seinen Eltern heute in der Dedektei aushelfen, weil die Sekretärin krank ist, und da ... naja, er hat mich her geschickt, damit ich Chang absage. Es tut mir echt leid, denn ich weiß ja, dass ihr alle deswegen hergekommen seid." Sie ließ den Kopf hängen und blickte verlegen zu Chang hinüber, welcher sich beleidigt auf die Sitze fallen gelassen hatte.

"Na toll", ließ nun auch Heero vernehmen. "Ich wollte eigentlich auch mal sehen, was hier immer so abgeht, aber wenn das heute so ist, dann geh ich wieder."

Noch bevor jemand was sagen konnte, hatte Heero kehrt gemacht und war auch schon wieder verschwunden. Alle starrten ihm sprachlos hinterher.

"Was war das denn jetzt für ein Auftritt?", fragte Elbie verdutzt.

"Oh, Gott! Wenn ich mir vorstelle, dass ich mit DEM auf den Ball gehen muss!", gab Hilde resigniert von sich und sank auf einem Sitz zusammen. Quatre und Elbie lächelten sie bemitleidend an, von Chang und Trowa kam gar keine Reaktion.

Doch dann huschte ein vielsagendes Lächeln über Elbies Gesicht und sie flüsterte Hilde hinter vorgehaltener Hand leise zu: "Abwarten! Ich schätze mal, dass sich morgen noch einiges ändern wird! Vor allem weil wir es so einrichten werden, dass sich Relena und Heero EIN Zelt teilen werden! HIHI ... du solltest dich vielleicht besser schon mal nach einem Ersatztanzpartner umsehen!"

Hilde errötete ein wenig und konnte sich ein Lächeln kaum verkneifen.

Ja, morgen würde sich noch einiges ändern. Aber was war nun mit heute?

"Hört mal her!", rief Hilde laut aus und stellte sich so, dass die andern sie alle sehen konnten.

"Ich möchte jetzt noch nicht wieder nach Hause und nur weil heute kein Training stattfindet, müssen wir doch nicht unbedingt keinen Spaß haben, oder? Wir können uns auch so amüsieren!"

Während Elbie und Quatre diese Idee einfach nur "wunderschön" fanden, warf Chang Hilde vernichtende Blicke zu und murmelte ein wütendes "Onna no baka" in seinen imaginären Bart. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn sich alle verzogen hätten und er in Ruhe Trübsal blasen könnte.

Doch Hilde passte das wohl gar nicht in den Kram.

"Hör mal, Chang!", fuhr sie fort. "Du musst doch nicht unbedingt mit Alan kämpfen, oder? Wie wärs, wenn du mal mit ... ja, mit Trowa trainierst?"

Chang riss die Augen auf und starrte zu Trowa hin, welcher es sich auf seinem Sitz bequem gemacht hatte und an die Decke starrte. Chang begann zu zweifeln. Auch die anderen blickten erwartungsvoll zu Trowa hin, welcher jedoch keine Anstalten machte, sich zu dem Vorschlag zu äußern. Als er bemerkte, dass alle auch weiterhin zu ihm hin sahen und auf eine Antwort warteten, schloss er die Augen und meinte in einem ruhigen Ton: "Ich hab heute vergessen meine Pillen zu schlucken und sinne gerade darüber nach, wer ich bin, was ich hier mache und ... und ... naja ... und so weiter." Damit schien das Thema für ihn abgeschlossen zu sein. Changs Blick verdüsterte sich.

'Na toll', dachte er. 'Warum muss Trowa gerade jetzt witzig werden?'

Quatre wollte gerade ansetzen, um einen weiteren Schluck aus seiner Tasse zu nehmen, wobei er vergnügt über Trowas letzten Kommentar in sich hineinlächelte.

"Na gut", meinte Hilde, welche aus dem Konzept gebracht war. Aber sie hatte sich einen Notfallplan zurecht gelegt: "Dann trainier doch mit Quatre!"

Quatres Lächeln erstarrte im nächsten Augenblick und er prustete erschrocken los, wobei die Hälfte seines schönen Tees über den Rand der Tasse auf die Sitze der Zuschauertribüne entfleuchte. Traurig blickte er der warmen Flüssigkeit hinterher ... das war doch sein Lieblingstee: eine Vanille - Himbeer- Kirsche- Mischung! Doch er konnte nicht lange den Verlust dieser Köstlichkeit betrauern, denn schon blad musste er sich selbst bemitleiden, als er durch einen verschreckten Seitenblick bemerkte, wie Chang ihn musterte.

"Naja", murrte dieser. "Er ist zwar bestimmt nicht ein so starker Gegener wie Alan, aber er wird's auch tun! Ich geh mich umziehen! In 5 Minuten bist du trainingsbereit in der Halle!", rief Chang in einem Ton aus, welcher keinen Widerspruch zuließ und marschierte ab.

Quatre hob kläglich seinen Finger, was wie eine Meldung aussah, um ein Gegenargument zu bringen, doch durch Hildes und Elbies strenge Blicke ermahnt, ließ er diesen entmutigt wieder sinken und schleppte sich nun auch in Richtung der Umkleidekabine.

"Das wird noch lustig! Nachher können wir ja auch noch ein wenig trainieren, oder Elbie?", grinste Hilde nun fröhlich ihre Freundin an. Sie würde sich an diesem Abend ihren Spaß nicht nehmen lassen.
 

"Das ist nicht dein ernst?"

Gelächter drang aus der Wohnung. Duo und Tamara hatten es doch tasächlich geschafft, eine ganze Stunde miteinander auszukommen, ohne sich gegenseitig zu beleidigen oder sich zu drohen. Sie waren gerade dabei sich Witze zu erzählen und sich die Mäuler über die Idioten aus den Parallelklassen zu zerreißen.

"Das ist noch gar nichts!", kam es schallend von Duo. "Du hättest heute im Geschichtsunterricht dabei sein sollen!" Bei dem Gedanken an diese Unterrichtsstunde lachte er vergnügt in sich hinein.

"Tut mir ja schrecklich leid, dass ich nicht in eure Klasse gehe. Aber was war denn los?", fragte Tamara erwartungsvoll, welche schon den gesamten Abend lang an einer Limonade rumnippte.

"Naja, also am Beginn der Stunde, da wurde Elbie irgendwie ganz schrecklich übel", begann Duo zu erzählen.

Tamara sah ihn entsetzt an: "Und was bitte schön ist daran lustig?"

"Nein, nein, jetzt mach mal keinen Terror, Kleine!", wehrte Duo heftig ab. Tamara blickte ihn schräg an. Sie mochte es gar nicht, wenn Duo sie "Kleine" nannte, aber sie wollte jetzt keinen Streit heraufbeschwören, schließlich war der Abend noch nicht vorbei.

"Du brauchst dir keine Sorgen um Elbie zu machen, es ging ihr dann gleich wieder besser ... was weiß ich, was war, sie hatte vielleicht ihre Tage bekommen oder so was. Bin ich denn Arzt?"

Tamara sah Duo immer noch schmollend an. "Naja, wie üblich hat sich der gute Quatre bereit erklärt, auf den ach so wertvollen Unterricht zu verzichten, um die arme Elbie ins Krankenzimmer zu bringen. Nichts ungewöhnliches bisher, oder? Aber der Lehrer meinte, dass Quatre in letzter Zeit schon zu oft beim Unterricht gefehlt hätte, und ..."

"Er hat gefehlt?", wurde Duo von Tamara unterbrochen.

Er blickte auf, dachte kurz nach und als ihm der wahre Grund einfiel, warum Quatre gefehlt hatte, suchte er schnell nach einer Ausrede: "Äh, ja, du weißt doch, dass Quatre sich etwas nebenbei um das Familienunternehmen kümmert. Er will das ja immerhin mal übernehmen und wegen diesen komischen Überfällen in letzter Zeit hatte er da noch einiges zu erledigen, verstehst du?"

Und das war ja noch nicht mal vollständig gelogen! Tamara nickte und wollte nun weiterhören.

"Na, jedenfalls wollte der Lehrere strikt nicht, dass Quatre Elbie raus bringt und da hat er sich doch tatsächlich mit Quatre rumgezofft!" Tamaras Augen weiteten sich ungläubig und sie sah Duo überrascht an.

"Ja, glaubs ruhig! Ganze 3 Minuten lang haben sie rumdiskutiert, warum Quatre wohl nicht seinen Pflichten als Gentleman nachkommen dürfe, als der Lehrer die Diskussion abrupt beendete mit den Worten ..." Duo stand auf und gab eine verblüffend realistische Imitation seines Geschichtslehrers zum Besten (was er wohl öfters zu machen schien): "Schluss jetzt, Mister Winner! Sie werden den Unterricht nicht verlassen! Mister Wufei, bitte begleiten sie Miss Mackenzie ins Krankenzimmer!"

Tamara kippte fast vom Sofa: "Chang? Er wollte, dass gerade CHANG sie hinbringt? Du verarschst mich doch, oder?"

Duo grinste wie ein kleines Kind und brachte mit unterdrücktem Lachen hervor: "Nein, ehrlich mal! Er wollte allen ernstes, dass Chang sie hinbringt! Wir waren alle total perplex und dann haben die beiden, also der Lehrer und Chang, weitere 4 Minuten lang rumdiskutiert, warum Elbie wohl nicht allein dahin gehen könne und warum gerade Chang so eine unwürdige Aufgabe übernehmen sollte. Der hielt das natürlich übelst für unfair, aber du kennst ja das alte Lied über Chang und die Gerechtigkeit schon! Elbie saß die ganze Zeit nur da und wurde immer blasser. Am Ende ging's beim Lehrer nur noch: 'Mister Wufei! Gehen sie einfach!' und naja, Wufei in einer seiner nachgiebigen Phasen hat Elbie so am Armzipfel gepackt und sie aus dem Raum gezerrt!"

Durch Duos schauspielerische Mimik und Gestik konnte sich Tamara vor Lachen kaum noch auf den Beinen halten. Sie hockte auf dem Boden und hatte alle Mühe, nicht ihre Limo umzukippen.

"Warte, warte", rief Duo aus. "Das Beste kommt ja noch! Kaum war Chang aus dem Raum, da wartete der Lehrer noch ein paar Sekunden und dann meinte er vor Freude starhlend: "Puh! Etwas besseres konnte mir gar nicht passieren! Werte Schüler, lasst uns die Abwesenheit von Mister Wufei bitte, bitte ganz schnell nutzen und nun die weibliche Emanzipationsbewegung im 20. Jahrhundert behandeln! Wenn wir uns beeilen, schaffen wir den Stoff sogar, bevor er wieder zurück ist!"

Das wars! Tamara lag grölend auf dem Boden und die Limo umgekippt neben ihr ... ui, der Teppich nahm auch sogleich eine lustige Färbung an, aber das kümmerte eigentlich niemanden (naja, bis auf Hilde, als sie dann heimkam).

Duo sah auf die lachende Tamara hinab und musste lächeln. Im Grunde war er doch eigentlich recht gerne mit ihr zusammen, auch wenn sie meistens nur stritten.

Irgendwie wurde er nachdenklich. Was vielleicht auch gut war, denn so fiel ihm endlich mal ein, warum er hier eigentlich mit der Schwester von Heero dasaß und sich Witze erzählte: Sie wollten tanzen üben!

"Ach, du Scheiße! Wenn wir nicht bald hinmachen und das Tanzbein schwingen, dann wirst du dich am Montag mit Quatre ganz gewaltig blamieren!"
 

Es war bereits dunkel und aus dem benachbarten Wald konnte man die Insekten zirpen und summen hören. Einige Vögel flatterten umher, doch ansonsten war es totenstill.

Relena war es noch nie aufgefallen, wie gespenstisch die Wohngegend von Heero und Tamara nachts doch sein konnte.

Ihr war kalt und sie fror, dennoch zögerte sie zu klingeln.

Es brannte kein Licht im Haus, vielleicht schliefen die beiden ja schon?

Oder sie waren nicht zu Hause?

Relena mummelte sich noch weiter in ihre flauschige Jacke ein und schlich etwas um das Haus rum.

Sie kam jedoch nicht weit, da das Gestrüpp an den Seiten zu undurchdringlich war für sie.

Jedenfalls bei Nacht.

Und außerdem wusste Relena auch nicht, ob Heero das Grundstück vermint hatte.

Sie kehrte also wieder vor das Haus zurück und blickte ängstlich auf die Tür.

Langsam streckte sie die Hand zum Klingelknopf aus, zog sie jedoch gleich wieder zurück.

Irgendwie war es doch dämlich, was sie hier machte.

Warum auch?

Sie konnte doch eigentlich auch morgen mit Heero reden?

Warum ist sie denn jetzt hierher gekommen?

Nachts?

Allein?

Und in dieser Kälte?

Sie klingelte.

Das war doch idiotisch.

Sie wartete einige qualvolle Momente lang ungeduldig.

Aber nichts regte sich im Haus.

'Nicht zu Hause', dachte Relena entmutigt und trat etwas zurück.
 

"Das ist ja so unfair!", bemerkte Trowa trocken.

"Oh, Gott, er tut mir ja so leid!", bemerkte Hilde.

"Nein", brüllte Elbie los. "Richtig so! Los, mach ihn fertig, Quatre! Genau so! Du hast ihn! JA!!!!!"

Die drei blickten voller Begeisterung auf die Turnhalle hinab, in welcher Quatre Chang gerade im Schwitzkasten hatte. Zu Beginn des Trainings hatte es ja wenigstens noch annähernd nach Training ausgesehen, denn Chang hatte einige nette Tricks demonstriert ... an Quatre wohlbemerkt. Doch irgendwann hatte auch dieser keine Lust mehr gehabt als Changs Sandsack vor den Damen - und vor Trowa - dazustehen und begann sich zu wehren ... auf seine ganz eigene Weise. Chang konnte in dieser Gegenwehr weder einen Stil noch irgendeine Logik sehen und Quatre hatte diese Verwirrung geschickt genutzt und Chang so gepackt, dass dieser nun kläglich zappelte und verzweifelt rumfluchte, ohne dass Quatre jedoch locker ließ. Niemand hätte erwartet, dass der sonst so sanfte Quatra auch so hart zupacken konnte. Was Chang aber die ganze Zeit wohl am meisten zu schaffen machte, war dass Quatre sich immer ununterbrochen bei ihm entschuldigte: "Es tut mir leid, Chang! Ich möchte dir wirklich nicht weh tun! Bitte sei mir nicht böse, ja? Entschuldige, bitte!" und doch verfestigte er seinen Griff nur.

Die anderen schwankten immer zwischen Mitleid für Chang, Verwunderung über Quatre und einem totalen Ablachen über diese Situation, als Hilde plötzlich sagte: "Entschuldigt mich mal kurz, aber ich muss mal aufs Kloh!"

"Was, jetzt? Keine Angst, dass du was verpasst?", fragte Elbie verständnislos.

"Ach, was", wehrte Hilde ab. "Ich wette, Quatre hat Chang noch immer im Schwitzkasten, wenn ich wiederkomme!"

Hilde war gerade dabei wegzugehen, als Elbie sich umdrehte und dabei Trowa erblickte.

Trowa, der sie ernst und finster anblickte.

Elbie lief es kalt den Rücken runter und hastig sprang sie auf Hilde zu: "Hey, warte, Hilde! Ich komme mit!"

Diese sah sie nur kurz böse an und meinte dann: "Keine Angst, Elbie! Aber ich werde die Toiletten auch schon alleine finden!" Und schon war sie verschwunden.

Elbie kam sich unsicher vor. Sie setzte sich eingeschüchtert ein paar Reihen weiter unten von Trowa entfernt hin und begann die Sekunden zu zählen, bis Hilde wiederkam. Sie wollte auf keinen Fall mit Trowa allein sein. Ja, sie hatte regelrecht Angst vor ihm!

Sie spürte, wie sich seine durchdringenden Blicke in ihren Rücken bohrten und als sie hinter sich hörte, wie er aufstand, begann sie innerlich zu beten, dass er auch nur auf die Toilette wollte. Doch Elbie war noch nie ein Gott gläubiger Mensch gewesen und dementsprechend hatte Gott ihre Gebete auch nicht erhört.

"Wo ist er wirklich?", hörte sie die sanfte Stimme von Trowa plötzlich neben sich. Er war zu ihr heruntergekommen und saß nun dicht neben ihr. Viel zu dicht für Elbies Geschmack.

'Das ist ja wieder mal toll!', dachte sie sich. 'Von Tamara hält er sich fern, aber die alte Elbie ... ja, mit der kann man ja alles machen! So ein Mist, jetzt nimmt er mich durch die Mangel!'

"Ich weiß nicht, was du meinst", antwortete sie ihm - jedoch nur wenig überzeugend.

"Komm schon", meinte Trowa, welcher sich zurücklehnte und seine Arme auf den Lehnen der Sitze ausbreitete. Elbie schrumpfte immer mehr. Bei Trowas Stimme zuckte sie jedes Mal wieder zusammen.

"Müssen wir denn dieses Spielchen immer wieder spielen?", fragte er kalt. Er wusste, dass Elbie mit der Zeit klein bei geben würde. "Die Geschichte von Alan, der seinen armen Eltern helfen muss, ist doch erstunken und erlogen! Mit mir kannst du doch ehrlich sein? Ist er bei einem Einsatz? Warum bist du denn nicht dabei? Bist du etwa ... nicht qualifiziert genug?"

Elbie starrte verbissen hinunter in die Halle, wo Chang sich noch immer in Quatres Griff quälte. Sie hatte sich fest vorgenommen, nichts zu verraten.

"Wieso machst du da eigentlich noch mit? Bisher hat es dir doch nichts als Ärger eingebracht? Du weißt, dass du zu besserem fähig bist, Elbie ... du bist doch nicht dumm, oder?"

Trowa hatte sich zu ihr vorgebeugt und flüsterte ihr nun ins Ohr.

"Die Sache, die ihr hier zur Zeit abzieht, ist zu heiß! Das müsste dir doch mittlerweile klar sein! Und lange wird das nicht mehr gut gehen!" Er klang sehr eindringlich und drohend.

Elbie schluckte und erwiderte dann mit zitternder Stimme: "Was willst du eigentlich, Barton?"

Trowa senkte den Blick und sah Elbie von unten her an.

"Ihr seid nicht die einzigen, die hier mitmischen ... ich möchte wissen, wer die dritte Partei ist! Du weißt schon, die, die den Angreifer geschickt hat ..."

Elbie drehte ihren Kopf, nahm all ihren Mut zusammen und sah Trowa direkt in die Augen. Seine klaren und unglaublich kalten Augen. Es hatte sie schon immer gewundert, wie er derart professionell vorgehen konnte.

Sie lächlte ironisch: "Du würdest noch immer gut zu uns passen, Barton! Aber du weißt, vor welcher Entscheidung ich nun stehe: entweder machst du mich jetzt fertig ... oder Manaz tut es, weil ich gesungen hab ... und ehrlich mal ... wurdest du schon mal von Manaz bestraft? Ich noch nie, aber ich habe Leute getroffen, die es wurden ... und glaub mir," sie senkte ihre Stimme zu einem vielsagenden Flüstern, "du bist nichts gegen Manaz!"

Trowa erwiderte noch immer ihren Blick, doch dann sah er ein, dass Elbies Angst vor Manaz größer war, als die vor ihm. Sein Blick verhärtete sich und Elbie bekam regelrechte Panik, als er seinen Arm um sie legte und einen Gesichtsausdruck annahm, der ihr zeigte, dass er ihr gleich etwas antun werde, doch in diesem Moment hörte sie die Tür am anderen Ende des Ganges und erleichtert schoss es ihr durch den Kopf, dass das wohl Hilde wäre - ihre Rettung.

Trowa nahm unverzüglich seinen Arm zurück, stand auf und blickte hinunter in die Halle. Chang war es soeben gelungen, Quatre ein Bein zu stellen und sich so aus seiner Umklammerung zu befreien. Atemlos stand er da und war bereit, sich auf seinen Gegner zu stürzen, als Trowa rief: "Hey, Quatre! Ich hab grade mein Gedächtnis wieder gefunden, also lass uns tauschen! Ich könnte auch mal wieder etwas Übung gebrauchen!" Trowa lächelte hinunter und Quatre gab dieses Lächeln erleichtert zurück. Chang blickte düster Quatre hinterher, welcher sich nun zu den Umkleideräumen begab.

Während Hilde sich nun wieder zu Elbie gesellte, war Trowa dabei, über die Sitze nach vorn in die Halle zu steigen, als er sich noch mal kurz umdrehte, lächelte und leise zu Elbie rief: "Wenn du solche Angst hast, warum folgst du Manaz dann noch?"

Elbie blickte ihm wie in Trance hinterher.

"Hey, Elbie! Ich fass es nicht, ich hab tatsächlich das große Finale des Ich - halt - dich - versuch - doch - wegzulaufen - Spiels verpasst! Wie wärs? Wollen wir unten auch etwas rumturnen?" Hilde wartete jedoch erst gar keine Antwort ab, sondern zerrte Elbie gleich in Richtung der Damenumkleide.

Noch beim Weggehen blickte Elbie in die Halle hinunter, in welcher nun Trowa und Chang zu trainieren begannen, was schon mehr nach etwas aussah.

"Weil wir Freunde sind", murmelte sie leise.
 

Nach schier endlosen Minuten ging Relena nun wieder die kleine Treppe, welche zum Haus führte, hinunter. Sie hatte nicht noch einmal geklingelt. Es war ja eh niemand zu Hause.

Langsam entfernte sie sich von dem Haus.

Sie hatte Heero nicht bemerkt, welcher sie hinter einem Busch versteckt beobachtet hatte.

Er war nach dem ins Wasser gefallenen Training gleich wieder nach Hause gefahren, doch als er eine Gestalt vor seiner Haustür erblickt hatte, war er erst einmal in Deckung gegangen.

Schnell hatte er erkannt, dass es Relena war, dennoch kam er nicht heraus.

Relena sollte nicht wissen, dass er da war.

Sie sollte nicht wissen, dass er sie beobachtete.

Als sie etwas weiter weg war, kam Heero aus dem Gestrüpp heraus und sah ihr hinterher.

Relena hatte sich nicht noch einmal umgedreht.

Heero blickte ihr hinterher, bis sie weg war.

Dann stand er noch eine Weile vor dem Haus und dachte nach.

Tamara hatte ihm gezeigt, wie man einfach nur da ist und denkt und die Umwelt auf sich wirken lässt.

Genau das machte Heero jetzt.

Er war einfach nur da.

Dachte nach.

Und ließ die Dunkelheit und die Einsamkeit auf sich wirken.
 

Sanfte Klänge tönten gegen 11 Uhr abends aus der Wohnung. Die Nachbarn waren so etwas gar nicht gewohnt, da sie doch wussten, dass Duo meist nur laute und absolut chaotische Musik hörte. Sie waren dankbar, mal zu so später Stunde nur durch die Klänge eines klassischen Walzers oder so aus dem Schlaf geweckt zu werden.

In der Wohnung waren der Tisch, die Couch und der Fernseher provisorisch zur Seite gerückt worden, um einen großen freien Platz in der Mitte zu schaffen. Dort drehten sich nun Duo und Tamara im Takt der Musik.

Die beiden bildeten ein krasses Pärchen: beide absolut in schwarz, beide in ihre Gedanken versunken, beide tanzend. Tamara trug ihre Haare mit einer Spange hinten zusammen, so dass ihr nur fordere Strähnen ins Gesicht fielen.

"Du tanzt wirklich toll", bemerkte Duo plötzlich.

Tam blickte erschrocken zu ihm auf und sah wie er errötete.

"Ähm, ich meine", Duo geriet ins Stocken, " du tanzt jedenfalls besser als vor einer Woche! Du bist mir bisher jedenfalls noch nicht einmal auf die Füße gelatscht!" Er versuchte seine anfängliche Bemerkung zu überspielen, während Tamara schnell den Kopf senkte, damit Duo nicht bemerkte, wie viel ihr dieses Kompliment bedeutete.

Von überallher bekam sie doch immer nur Komplimente: wie hübsch sie sei, wie nett, wie intelligent usw. ... nur nicht von Duo ... er sagte ihr immer nur, wie nutzlos sie im Grunde doch sei und wie tollpatschig. Sie war stolz darauf, dass er sie mal für etwas lobte. Auch wenn ihr klar war, dass er im Grunde nur sich selbst lobte, weil er es ihr ja immerhin beigebracht hatte. Zusammen mit Hilde jedenfalls.

Tamara versuchte diese Gedanken loszuwerden, doch dafür drängelten sich ihr weitaus unangenehmere auf: Ihr wurde nämlich zum ersten Mal so richtig bewusst, dass sie mit Duo allein war.

Sie waren allein und tanzten.

Sie konnte seinen Atem auf ihren Haaren spüren, seine Wärme und sie glaubte sogar sein Herz pochen zu hören, so nah waren sie aneinander.

Ihr war das schrecklich unangenehm. Sie spürte, wie sie rot wurde und wie ein Gefühl der Wärme und Geborgenheit in ihr aufstieg. Sie versuchte sich heftigst dagegen zu wehren, doch irgendwann gab sie es auf. Sie schloss einfach die Augen und tanzte weiter, wobei sie jeden Blickkontakt zu ihrem Tanzpartner vermied.

Sie bemerkte nicht, wie auch Duo in Gedanken vertieft war und verträumt auf sie hinabsah.

Eine Weile lang tanzten sie so, als plötzlich das schrille Klingeln des Telefons sie aufschreckte. Beide blickten hoch und sahen sich an. Sahen sich direkt in die Augen. Und erstarrten.

Tamara blickte ihm in an und war schockiert über so viel Offenheit und Gutherzigkeit, die sie in seinen Augen erblickte.

Duo blickte in ihre und wurde traurig über soviel Verschwiegenheit und Einsamkeit, die ihm da entgegenstrahlte, auch wenn Tamara dies zu verbergen suchte. In diesem Moment erkannte er, dass sie nicht das war, für das sie sich ausgab. Duo konnte diesen Gedanken nur noch nicht ganz richtig einordnen.

"Willst du denn nicht rangehen?", fragte Tamara ihn schließlich.

Duo blickte sie noch immer gefesselt an. Damit diese Situation nicht allzu peinlich für ihn endete, musste er sich schnell etwas einfallen lassen und so kam langsam aber sicher sein Verstand wieder zum Laufen. Er entschied sich, etwas von seinem natürlichen Charme zu versprühen, den er bei Heeros Schwester sonst nie anwandte.

"Äh, nein, eigentlich nicht!" Und dabei lächlte er entschuldigend, so wie er es immer tat.

Tamara war einen Moment lang verdutzt, doch dann erwiderte sie sein Lächeln von Herzen, so dass Duo glaubte in eine andere Welt gezogen zu werden.

"Spinner", und mit diesem Wort stieß sie Duo sanft von sich weg in Richtung Telefon.

Noch während Duo dabei war den Hörer abzunehmen, wurde ihm klar, dass Tamara ihn noch nie so angelächelt hatte.

Und ihm wurde auch klar, dass er womöglich sonstwas geben würde, um dieses Lächeln noch einmal sehen zu dürfen.

Tamara war ganz froh darüber, dass Duo erst mal kurz weg war, denn so konnte sie sich erst mal etwas abkühlen, was eigentlich recht schwierig war, denn alles in dieser Wohnung erinnerte sie an Duo und somit an die Situation von eben. Sie setzte sich auf die Couch und vergrub den Kopf in ihren Händen. Einen kühlen Kopf! Sie musste einen kühlen Kopf bekommen!

Nach einigen Minuten blickte sie auf und sah auf dem Tisch eine kleine Kette liegen. Die war ihr vorher noch gar nicht aufgefallen. Sie nahm das simple Schmuckstück in die Hand und betrachtete es näher. Der Anhänger war ein zierliches Silberkreuz. Tam wusste, dass es keine von Hildes Ketten war. Sie fragte sich, ob sie denn Duo gehörte. War er etwa religiös gebunden?

Im Nebenzimmer legte Duo gerade den Hörer auf. Es war Quatre gewesen, welcher von der Sporthalle angerufen hatte. Er hatte ihm erzählt, dass das Training mit Alan ausgefallen war, aber dass er dafür mit Chang geübt hätte und dass nun Trowa mit Chang und Elbie mit Hilde trainieren würden. Ja, Duo war darüber zwar überrascht, aber auch Hilde und Elbie, welche beide zwar kaum etwas vom Kampfsport verstanden, hatten sich etwas von Chang beibringen lassen und Elbie schien ja ganz schön kräftig zu sein. Quatre hatte sogar einen beifälligen Kommentar abgelassen, dass Elbie und Chang ein schönes Paar ergeben würden, doch Duo konnte sich nicht darüber lustig machen, da er krampfhaft nach einer Ausrede suchte, warum er nicht zu dem Training kommen konnte. Er konnte Quatre doch nicht erzählen, dass er mit Tamara tanzen üben würde. Also lenkte Duo, dem es unangenehm war zu lügen, das Thema geschickt um, indem er Quatre nach seinen Ermittlungen befragte. Darüber wollte der jedoch nicht am Telefon sprechen und so vereinbarten die beiden, sich morgen früh vor dem Camping- Ausflug noch zu treffen. Quatre kündigte noch an, dass Hilde sich soeben auf den Heimweg gemacht hätte und wohl bald zu Hause ankommen würde und dann verabschiedeten sich die beiden auch schon wieder telefonisch voneinader.

So fröhlich und frech Duo am Telefon auch gewesen war, so ernst und in Gedanken versunken war er plötzlich wieder, sobald er den Hörer aufgelegt hatte. Er starrte vor sich an die Wand und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Nach einigen Minuten ging er in das Wohnzimmer zurück, doch er blieb, als er Tamara auf der Couch erblickte, im Türrahmen stehen und beobachtete sie. Er konnte nicht erkennen, was sie in der Hand hielt, doch er wünschte sich im Moment nichts mehr, als das dieser Augenblick ewig sein würde. Und dass Tamara jetzt bloß nichts sagen würde, dann kam wieder die Gefahr auf, dass sich die beiden streiten würden.

"Glaubst du an Gott, Duo?", fragte Tamara ihn plötzlich nachdenklich.

Duo hatte gar nicht bemerkt, dass sie wusste, dass er wieder da war. Er kam in das Wohnzimmer hinein und erkannte nun endlich auch, dass Tamara seine Kreuz- Kette in der Hand hielt.

"Oh", machte er. "Weißt du, nein, im Grunde nicht." Er wollte ihr jetzt nicht irgendwas von Shinigami oder so erzählen. "Jedenfalls nicht an diesen Gott."

Er ging langsam zu ihr hin und nahm ihr die Kette sacht aus der Hand.

"Warum trägst du dann so etwas?", fragte Tamara unschuldig. Sie hatte sich anscheinend Gedanken darüber gemacht.

Duo öffnete den Verschluss der Kette und hängte sie sich wieder um den Hals.

"Es ist ... wie eine Art Erinnerung für mich", antwortete er ihr.

"Und du? Glaubst du an Gott?" Er blickte sie an, doch Tamara starrte ins Leere.

"Ich weiß nicht, woran ich glaube", antwortete sie leise.

Duo zog die Augenbrauen hoch. Er hatte da wohl in einem heiklen Thema rumgestochert. Schon das zweite Mal an diesem Abend. Plötzlich lächelte er.

"Weißt du eigentlich, dass du ein ein einziges riesiges Geheimnis bist?", fragte er sie.

Tamara blickte erschrocken auf und sah Duo fragend an.

"Ja, ich meine", versuchte sich zu erklären, "du bist so wiederspüchlich. Irgendwie kannst du total fies und spitz sein und irgendwie auch total nett und feinfühlig. Vor allem aber schaffst du es, Freundschaften zu schließen, ohne viel von dir preis zu geben."

Schon wieder. Da war er wieder, dieser Vorwurf, dass sie nichts über ihre Vergangenheit erzählen würde. Heero war so lieb gewesen und hatte niemals nach ihrem bisheren Leben gefragt, warum also wollte Duo plötzlich etwas über sie wissen. Tamara wurde langsam wütend und auch traurig zugleich.

"Woher hast du denn diese Kette, Duo?", fragte sie, ohne auf seine Aussage von eben einzugehen.

Duo verzog schmerzlich das Gesicht und blickte zur Seite: "Ich rede nicht gern darüber."

"Ich auch nicht!", sagte Tamara entschieden und stand energisch auf. Sie blickte Duo herausfordernd an und als dieser erschrocken zurückwich, meinte sie: "Ich weiß nicht, was du mit diesem Kreuz verbindest, aber es muss wahrscheinlich ein schmerzliches Ereignis deiner Vergangenheit sein. Etwas, woran du nicht gern von anderen erinnert werden möchtest. Auch ich will meine Vergangenheit gern vergangen sein lassen und den Schmerz vergessen, okay? Ich halte es für sinnlos, allen gleich meine Daseinsstory auf den Hals zu binden!" Da war er wieder, dieser miese Unterton, den Duo so an Tamara hasste. Erst jetzt wurde ihm klar, dass er zur Selbstverteidigung diente.

"Ich lebe für das hier und jetzt und nicht für das damals!", meinte Tamara selbstsicher.

Sie und Duo sahen sich an. Er wusste nicht, was er ihr darauf erwidern sollte. Sie kam ihm so verletzlich vor. Duo wollte ihr helfen. Irgendwie. Aber wie sollte er das anstellen, wenn er doch nichts über sie wusste?

"Was verbirgst du eigentlich?", fragte er sie leise.

Tamaras Blick veränderte sich nicht. Sie sah Duo auch weiterhin in die Augen, als wenn sie darin nach etwas suchen würde.

Und dann kam Hilde nach Hause. Duo hörte, wie sich die Tür öffnete und wurde somit aus seinen Gedanken hochgeschreckt. Er war überrascht, dass Hilde schon so früh da war, doch noch bevor er etwas sagen konnte, hatte Tamara alle ihre Sachen zusammengepackt und war auch schon aus dem Raum. Als sie an Hilde vorbeikam, sagte sie nur schnell: "Ich muss los. Heero fragt sich sicher schon, wo ich bin. Bye!" Und schon war sie weg.

Hilde sah ihr verwirrt hinterher, dann kam sie ins Wohnzimmer und fragte wütend und vorwurfsvoll: "Okay, Duo! Was hast du wieder gemacht, dass sie so drauf ist?"

Duo stand in der Mitte des Wohnzimmers und starrte auf den Boden. Dann sah er hoch und blickte Hilde finster an. Ohne ein weiteres Wort ging er an ihr vorbei und schloss sich in seinem Zimmer ein. Jetzt verstand Hilde echt die Welt nicht mehr. Noch einen Moment starrte sie Duo hinterher, dann realisierte sie erst richtig das Chaos, das in der Wohnung herrschte ... und den fetten klebrigen Limonadenfleck im Teppich.
 

Spät am Abend klingelte bei Relena das Telefon. Als auch nach dem 5 Klingelton niemand den Hörer abnahm, schaltete sich ein altmodischer Anrufbeantworter ein. Die Stimme, die darauf sprach, war die von Millardo Peacecraft, Relenas Bruder. "Ich muss mit dir reden, Relena! Bitte melde dich so schnell wie möglich bei Noin!" Die Nachricht war kurz und prägnant. Und dennoch vergaß Relena am nächsten Morgen, den Anrufbeantworter abzuhören.

Chaoten- Camping

KAPITEL 17

Chaoten - Camping
 

Die Wälder Nordamerikas erstreckten sich über Kilometer hinweg.

Gewaltige Bäume ragten in die Höhe umgeben von unberührter Natur und herrschaftsvoller Stille.

Bis jetzt jedenfalls.

"Ich hasse diesen Wald!", erscholl es plötzlich von irgendwoher aus der Tiefe der Natur.

"Wie bin ich nur auf eine derartige Schnapsidee gekommen?"

"Mach mal keine Hektik! Wir finden schon wieder zu den anderen!"

Es war Quatres Stimme, welche beruhigend geantwortet hatte.

"Na und? Glaubst du etwa, die wissen, wo wir jetzt sind? Wir haben uns alle verlaufen!" Elbie war absolut panisch. "Es war einfach nur eine echte Schnapsidee hierher zu kommen."

Depressiv und verzweifelt trottete sie vor der Gruppe her und maulte vor sich hin.

"Nein, eine Schnapsidee war es, sich zu trennen!", sagte Tamara in einem vorwurfsvollen Ton.

Elbie blickte schmollend zu ihr zurück, hatte jedoch keinen Bock irgend etwas darauf zu erwidern. Quatre schaute Hilfe suchend auf Relena, welche in Gedanken abwesend den Schluss der orientierungslosen 4- Mann- Gruppe darstellte - oder besser der 1- Mann- und- 3- Frau- Gruppe.

"Wir hätten Trowa mitnehmen sollen", bemerkte Quatre. "Er wollte einen Kompass mitbringen. Warum haben wir eigentlich keinen? Das ist doch ..."

"Ja, ja, ja! Ich weiß! Das ist unverantwortlich! Verdammt ...", Elbie war mit den Nerven am Ende. Sie machte sich selbst Vorwürfe, denn an ihr war es ja gewesen, diesen Trip zu planen. Doch anscheinend war sie damit überfordert. Während Hilde die Jungs abgeholt hatte, waren Tamara, Quatre und sie mit einem Privatjet von Quatre zu Relena geflogen, um sie abzuholen. Von ihrem Landeplatz aus wollten sie dann zum Treffpunkt mit den anderen laufen, doch nun irrten sie schon seit Stunden durch den schier unendlichen Wald. Und nicht, dass sie nur die andere Gruppe nicht fanden ... nein, den Landeplatz fanden sie auch nicht mehr.

"Wir werden hier alle elendig verrecken! Wir werden hier nie wieder rauskommen und hier verhungern, bis wir nur noch wie häutige Gerippe aussehen und dann werden sich die wilden Tiere auf uns stürzen. Mit ihren scharfen Krallen werden sie uns hungrig die Gedärme rausreißen, um dann..." Relena und Tamara sahen Elbie, welche sich in ihren Ausführungen nicht stören ließ, zweifelnd an. Das Mädchen hatte eine echt starke Fantasie.

Quatre holte währenddessen in aller Ruhe ein Handy aus seinem Rucksack.

Tamara, welche dies bemerkt hatte, lächelte ihn an. Auf Quatre konnte man sich verlassen. Er hätte nie daran gedacht, sich einfach so ohne vorherige Planung in die Wälder Canadas, deren Größe Elbie wohl gewaltig unterschätzt hatte, zu begeben und daher hatte er alles nötige dabei ... naja, bis auf einen Kompass, den hatte auch er vergessen.

Als die panische Elbie das rettende Mobiltelefon erblickte, stiegen ihre Hoffnungen wieder.

"Quatre! Unser Retter! Du bist ein Genie! Du wirst Hilfe holen und die werden uns dann finden! Wir sind gerettet!!!!" Sie machte Luftsprünge vor Freude und kam zu Quatre hingelaufen.

Doch dann hörte sie Signale von dem Gerät, welche ihr gar nicht gefielen.

"Ich bekommen hier keine Verbindung. Die Berge und die Wälder scheinen hier jegliche Funksignale abzuschirmen."

Elbie blickte Quatre entgeistert an, dann kehrte der Ausdruck der Hoffnungslosigkeit und Panik zurück in ihr niedliches Gesicht.

"Wir sind verloren!", heulte sie wieder los. Tamara verzog das Gesicht zu einer Grimasse, doch Elbie ließ sich nicht stören. "Wir werden verhungern und nachts werden dann die hungrigen Wölfe kommen und uns zerfleischen und dann fressen und ..."

Sie blickte plötzlich erschreckt zur Seite in ein Gebüsch, aus dem nun ein bedrohliches Knurren erklang. Auch die anderen drei sahen verängstigt hin. Sie waren vor Furcht wie gelähmt. Das Knurren wurde lauter und das Gebüsch begann zu rascheln.

Dort war etwas.

Eindeutig.

"Quatre", flüsterte Tamara mit angehaltener Luft. "Hast du ... hast du ... eine Waffe dabei?"

Nach der Sache mit dem unbekannten Angreifer ging keiner der Jungen mehr ohne eine Waffe aus dem Haus. Quatre nickte und bewegte langsam seine Hand zum Rucksack, wobei er jedoch mit verunsicherter Stimme aber dennoch laut und deutlich fragte: "Ist ... ist da wer?"

Das Knurren wurde lauter und tiefer ... und plötzlich kam etwas aus dem Gebüsch!

Es war dunkel, unheimlich und es war ... Duo Maxwell.

"Buh!", machte er mit verstellter Stimme. "Ich bin der böse Wolf und hier um euch zu fressen, hohoho!" Er kringelte sich fast vor lachen.

Elbie war einem Nervenzusammenbruch nahe und sackte auf dem Boden zusammen. Entgeistert blickte sie auf Duo, welcher nun nach hinten in das Gebüsch rief, aus dem er gekommen war: "Hey, ich hab Rotkäppchen gefunden! Hänsel und Gretel sind auch bei ihr und auch ... äh ... wer hat sich denn noch alles im Wald verlaufen?"

Quatre steckte erleichtert seine Waffe wieder weg und ging auf Duo zu. Tamara zeigte kaum eine Reaktion und half Elbie wieder beim Aufstehen, welche sich nun darüber aufregte, dass Duo sie als Rotkäppchen bezeichnete, nur weil sie so rote Haare hatte.

"Da seid ihr ja endlich!", rief Hilde erleichtert aus, als sie als erste aus dem Dunkel trat. "Ich dachte schon, wir werden euch gar nicht mehr wieder finden!"

"Oh, Hilde!", Elbie fiel ihr um den Hals. "Ich bin ja so froh, dich gefunden zu haben! Es war schrecklich. Wir haben den Kompass vergessen und sind dann umhergeirrt ..."

"Wir haben einen Kompass dabei", erwiderte Hilde, "aber wir haben uns trotzdem verlaufen. Wir sind auch ewig rumgelaufen und haben euch gesucht. Zum Glück haben wir uns endlich gefunden! Gut, dass wir uns auf dein Gespür verlassen konnten, Duo!" Sie lächelte ihn an, doch Duo achtete nicht auf sie: "Vielleicht Schneewittchen? Hat sich Schneewittchen im Wald verlaufen?"

Hilde blickte resignierend zu Tamara, welche nur noch mit dem Kopf schüttelte.

Nach einigen Minuten hatten sich auch Heero, Trowa, Chang und Thomas durch das Gebüsch gekämpft und standen missgelaunt vor dem Rest der Gruppe.

"Hier herrscht ja echt 'ne tolle Stimmung", bemerkte Elbie beifällig. Alle waren mit den Nerven ziemlich fertig, denn sie wussten noch immer nicht, wo sie waren und wie sie zu dem vorgesehenen Campingplatz kommen sollten.

"Aber irgendwie muss Schneewittchen doch zu den 7 Zwergen gekommen sein?", überlegte Duo.

Alle sahen ihn wie aus einer Irrenanstalt entflohen an.

"Okay, Hilde", fragte Tamara in einem trockenen Ton, "was hast du ihm heute früh in den Kaffee gemischt?"

Duo strafte sie mit einem bösen und schmollenden Seitenblick, aber Tam hängte sich nur sanft an Heeros Arm und zog ihn in irgendeine Richtung davon.

Während Duo den beiden noch nachsah, folgten Trowa und Chang wortlos.

"Ja", meinte Hilde, "wenn wir schon mal hier sind, dann sollten wir auch Spaß haben. Wir laufen jetzt einfach so lange, bis wir einen geeigneten Campingplatz finden."

Sie wollte gerade den anderen hinterherlaufen, als Relena besorgt fragte: "Und dann? Wie kommen wir denn morgen wieder nach Hause? Keiner weiß jetzt wo wir sind, oder?"

"Wenn wir es schaffen, aus dieser Senke herauszukommen", ließ sich Quatre vernehmen, "dann könnte ich vielleicht mit meinem Handy Kontakt bekommen und jemanden rufen. Mach dir nicht so viele Sorgen, Relena. Genieß den Ausflug!"

Sie rümpfte nur die Nase, umklammerte die Träger ihres Rucksackes und ging dann los. Sie sah auf Tamara und Heero vor sich und verfiel wieder in ihre trübsinnige Stimmung. Die beiden schienen sich wieder besser zu verstehen. Schön für sie. Aber Relena hatte irgendwie Angst davor, mit Heero allein zu reden. Und sie glaubte auch nicht, dass sie hier allein sein würden. Es waren einfach alle da.

Wortlos ging sie weiter.
 

Nach einigen weiteren Stunden des ziellosen Umherirrens kam die chaotische Gruppe auf eine kleine Lichtung am Fuße eines Berges.

"Ich hab noch immer keine Verbindung."

Quatre versuchte die ganze Zeit Rashid zu erreichen, doch ergebnislos.

"Ich will aber nicht noch weiter laufen!", maulte Tamara rum.

Sie löste sich von Heeros stützendem Arm und setzte sich auf einen Baumstamm am Rande der Lichtung.

"Du kannst nur meckern!", beschwerte sich Duo, welcher doch eigentlich auch keinen Bock mehr hatte, weiter zu laufen.

Tamara wollte gerade etwas darauf erwidern, als sich jedoch Quatre schlichtend einmischte: "Hey, beruhigt euch! Wir wollen doch jetzt nicht streiten!"

"Doch, wollen wir eigentlich schon", gab Duo kampflustig zurück.

Heero trat jedoch entschlossen zwischen Duo und Tamara und gab beiden durch einen scharfen Blick zu verstehen, dass diese Diskussion schon beendet sei.

Hilde lächelte unbemerkt. Sie freute sich, dass Duo und Tamara wieder wie eh und je waren. Nachdem Tamara gestern so schlagartig verschwunden war und Duo sich so ungewohnt kalt verhalten hatte, war sie nun wirklich erleichtert, dass das wahrscheinlich nur eine Laune gewesen war.

"Wir sollten das Lager aufschlagen", bemerkte Chang.

"Dazu hab ich aber auch keine Lust!", meckerte Tam wieder los.

Duo verleierte die Augen und wollte wieder einen bösen Kommentar abgeben, als Quatre sie beruhigte: "Du musst dein Zelt ja nicht alleine aufbauen."

Tam blickte ihn fragend an.

"Die Person, mit der du dir dein Zelt teilen wirst, wird dir dabei helfen, denn immerhin bewohnt ihr das Zelt ja dann gemeinsam."

Tamaras Augen weiteten sich. "Das Zelt TEILEN????" Sie war sichtlich außer sich. "Halt mal! Davon war nie die Rede! Ich dachte, du besorgst für jeden ein Zelt?"

"Hör mal", bemerkte Hilde. "Wie stellst du dir das denn vor? Weißt du, wie schwer wir dann hätten schleppen müssen? Wir sind doch alle schon fast erwachsen und keiner wird den anderen auffressen, auch wenn Duo manchmal so tut als ob. Eine Nacht werden wir schon miteinander aushalten. Wir haben 5 Zelte dabei."

"Gut!", ließ sich nun die wieder gut gelaunte Elbie vernehmen. "Dann legen wir jetzt die Zeltbelegung fest!"

"Was gibt es da festzulegen?", fragte Tam gereizt.

"Ich teile mir mit Elbie ein Zelt."

"Nein", antwortete diese entschlossen.

Tam blickte sie verwirrt und mit aufflammender Panik an. "Was?", fragte sie ungläubig.

"Es ist doch langweilig, wenn wir immer nur mit den Menschen, mit denen wir uns am besten verstehen, zusammen sind. Also werden wir die Zelte so aufteilen, dass ...", versuchte Hilde zu erklären, doch Tamara unterbrach sie unhöflich: "Dann eben mit Hilde!"

Hilde sah sie von unten herab böse an: "Du hast wohl nicht zugehört, Tam?"

"Mit Relena?", fragte Tamara bittend und hoffend. Doch Hildes entschlossener Blick verriet ihr, dass dieses Camping wirklich den Zweck haben sollte, zerstrittene Fronten zu klären. Tamara seufzte.

"Was gibt es denn eigentlich noch aufzuteilen?", fragte nun auch Chang gereizt. "Ihr scheint ja schon eure eigene Aufteilung gemacht zu haben! Das ist unfair!"

"Hey, mit der Ruhe!", versuchte Hilde ihn zu beruhigen. "Wir werden jetzt darüber diskutieren. Immerhin können wir auch niemanden zwingen ..."

"Das ist einfach nur dämlich und kindisch!", murrte Heero vor sich hin, während er begann, sein Zelt aufzubauen.

Hilde schmollte. Sie hatte es langsam satt, dass alle über dieses so mühsam organisierte Camping nur meckerten. "Heero sollte sich mit Relena ein Zelt teilen!", verkündete sie eingeschnappt. Heero und Relena blickten sie schockiert an. Dann zogen sich Heeros Augenbrauen immer weiter zusammen und er bekam diesen Blick, den er normaler Weise nur Relena zuwarf. Es war dieser Ich- werde- dich- töten- Blick. Er wollte gerade etwas entgegnen, als Elbie fragte: "Okay, einverstanden! Wer ist alles dafür?"

Zuerst schnellten die Arme von Hilde und Elbie in die Höhe. Zaghaft folgte der von Quatre, welcher aber durch Heeros drohenden Blick eingeschüchtert wieder nah dran war, seine Stimme zurückzuziehen. Doch er wurde von Alan und Duo ermutigt. Letzterer grinste gemein zu Heero hinüber. Schließlich hob auch - was Heero sehr überraschte - Tamara ihre Hand und lächelte fröhlich dabei. Nun fiel ihm auch seine eigene Schwester in den Rücken. Es waren also 6 Ja- Stimmen.

"Wer ist dagegen?", fragte Hilde der Fairness halber.

Heero war es nun eigentlich schon wieder egal. Doch zu aller Überraschung hob Relena ihre Hand. Es war ihr unangenehm, durch so einen billigen Trick wieder verkuppelt zu werden. Als Heero sie so sah, unterstützte er sie mit seiner Stimme. Mit einem letzten Hoffnungsschimmer blickten beide zu Chang und Trowa. Die drehten jedoch nur den Kopf weg und hakten dieses Spiel ab mit einem "Ich enthalte mich meiner Stimme". Chang fügte noch überlegen hinzu: "Ich werde mich bestimmt nicht bei diesem kindischen Spiel beteiligen!"

Es stand nun also 6 zu 2 mit 2 Enthaltungen. Die Sache war klar: Relena und Heero mussten sich ein Zelt teilen. Heero hockte sich wieder emotionslos hin und packte weiter sein Zelt aus.

"Gut,das wäre geklärt!", verkündete Hilde vor Freude strahlend. "Dann schlage ich vor, dass Alan und ich uns ein Zelt teilen!"

"Nein!" Relena hatte sofort Einspruch erhoben.

"Ja, Relena hat recht!", stimmte Elbie ihr zu. "Es ist nicht fair, dass du dann als einzige deinen Zeltpartner aussuchen darfst! Wer ist noch alles dagegen?"

Bis auf Hilde, Alan, Trowa und Chang hoben alle ihre Hand - ja, auch Heero. Die drei Jungs hatten sich ihrer Stimme enthalten. Hilde ließ den Kopf sinken. "Gut, dann eben ..."

"Nein, auch nicht mit Duo!", unterbrach Relena ihren Satz. "Ihr wohnt schon zusammen. Ich glaube, du solltest dir lieber ... mh ... ja, mit Chang ein Zelt teilen!"

"WAS?", riefen beide entsetzt aus.

"Naja, beide haben nicht viel miteinander zu tun und ein weiblicher Zeltpartner wäre für Chang sowieso was gutes. Ich bin dafür!", eröffnete Duo die Abstimmung.

Quatre, Relena, Elbie und Tamara stimmten auch dafür.

"Gegenstimmen!", schrie Chang aufgebracht und erhob als erster seine Hand. Hilde folgte ihm. Die anderen enthielten sich wieder ihrer Stimme.

"Hey, sich seiner Stimme zu enthalten ist feige! Los, stimmt gefälligst dagegen!", rief Chang den anderen zu.

Heero drehte sich kalt zu ihm um und meinte trocken: "Wolltest du bei diesem kindischen Spiel denn nicht vorhin noch nicht mitmachen?"

Chang wurde plötzlich ganz still.

"Okay! Der Vorschlag ist auch angenommen. Dann könnten ja Alan und ich ...", versuchte es Elbie, doch Hilde rief sofort dazwischen: "VERGISS ES! Jeder würde sich wohl gerne mit Alan das Zelt teilen. Deshalb sollten wir ihn mit Quatre zusammenstecken, denn die beiden haben recht selten Umgang und außerdem sind die beiden wohl diejenigen, mit denen keiner Zoff hat! Also: Alan und Quatre in ein Zelt!" Hilde ging eigentlich nur nach dem Wenn- ich- ihn- nicht- haben- kann- dann- keine- Prinzip vor, wobei Alan sich wohl wie ein Gott im Himmel vorkam, als die Mädels sich um ihn stritten.

Es wurde zwar etwas gemurrt, doch der Antrag wurde mit 6 Ja- Stimmen angenommen.

"Und mit wem teile ich dann?", fragte Elbie resigniert.

"Mit Trowa! Abstimmung!", rief Hilde.

Elbie lief es kalt über den Rücken. Jeder, jeder, bloß nicht Trowa! Das würde sie nicht überleben.

Hilde und Duo stimmten dafür. Heero und Quatre bauten schon an ihren Zelten rum, so dass sie an der Abstimmung nicht mehr teilnahmen. Chang schmollte wieder und enthielt sich seiner Stimme, doch auch Relena wollte da nicht mehr mitmischen. Es war ihr unangenehm ihre Freunde in so eine Situation reinzureiten. Elbie stimmte eindeutig dagegen. Alan, welcher ihre Abneigung gegen Trowa und auch den Grund dafür kannte, unterstützte sie. Es stand 2 gegen 2 und Tamara und Trowa mussten noch abstimmen. Trowa blickte eisig zu Elbie hinüber, lächelte dann gemein und stimmte mit Ja. Und zu Elbies Entsetzen stimmte Tam ihm zu. War es ihr denn nicht bewusst, wie gefährlich es war, Trowa mit ihr allein zu lassen. Elbie war völlig aufgelöst und verzweifelt und gerade als Hilde das Ergebnis verkünden wollte, startete sie einen letzten Versuch: "Hey, Hilde, hör mal! Das muss doch nicht sein! Alles, nur nicht Trowa! Er ist so ... unheimlich ..."

Hilde sah sie verständnislos an.

Elbie war klar, dass sie das nicht verstehen konnte. Dafür wusste Hilde einfach zu wenig.

"Ich meine, Trowa ist immer so still und du weißt doch, wie gerne ich mich unterhalte ... lass uns doch tauschen! Ich werde mir mit Chang und du dir mit Trowa ein Zelt teilen!" Sie blickte Hilde hoffnungsvoll an.

"Chang ist aber auch nicht gesprächiger als Trowa. Im Gegenteil, er wird dir die Nacht zur Hölle machen ... du solltest froh sein, dass du mit Trowa ..."

"Ich bin allergisch gegen sein Haarspray!", warf Elbie ein.

Hilde blickte sie mit großen Augen an.

"Ja, ich krieg da immer so ein Jucken im Gesicht ... das vertrag ich nicht so, diese Marke, die Trowa benutzt, die ..."

"Na, wenn du meinst, dass du es mit Chang aushalten kannst ... mir solls recht sein."

Während Elbie aus tiefstem Herzen aufatmete, verkündete Hilde laut:

"Okay, ein kleiner Wechsel: Ich werde mir mit Trowa und Chang sich mit Elbie das Zelt teilen!"

Der Vorschlag wurde mit eindeutiger Mehrheit angenommen, auch wenn Trowa sich nun wieder seiner Stimme enthielt. Doch dafür stimmte Chang diesmal dafür.

Tamara lächelte, denn sie hatte auf eine derartige Wendung gehofft. Nur um nicht zu sehr aufzufallen, hatte sie gegen Elbie gestimmt.

"Gut, dann wären die Zelte alle verteilt! Bauen wir schnell auf und machen uns dann was zu Essen!"

"Ja, ich hab nämlich schon gewaltigen Hunger", stimmte Elbie Hilde zu.

"Hey, wartet mal!", meldete sich Tam zu Wort. "Mit wem soll ich denn das Zelt teilen?"

Hilde blickte sie fragend an. "Es ist doch nur noch einer übrig!"

Tamara zuckte zusammen, drehte sich um und blickte direkt in das zu einer Grimasse verzogene Gesicht von Duo Maxwell. "Das ist doch wohl ein Scheiß- Witz, oder???", schrie sie los.

"Hilde, das kannst du mir nicht antun!", maulte Duo mit.

Beide waren einmal einer Meinung, und zwar dass sie auf keinen Fall ein Zelt zusammen bewohnen würden. Und ehrlich genommen war es auch ein ziemlich riskantes Unternehmen, denn die beiden hielten es kaum eine Stunde miteinander aus. Doch das war ja auch der Sinn dieses Campings: Dass die Menschen sich näher kamen. Hilde überhörte das Gemecker einfach und meldete:

"Okay, wer jetzt als letztes sein Zelt aufgebaut hat, der muss sich um das Essen und den Abwasch kümmern!" Und schon rannte sie zu Trowa und half mit, das Zelt auszupacken.

Tamara und Duo standen noch beide fassungslos da und starrten Hilde hinterher.

Als sie aber bemerkten, dass alle beschäftigt waren, stieg eine panische Angst in ihnen auf: die Angst, kochen zu müssen. Und so stürmten sie zu ihrem Zeltplatz und begannen chaotisch am Rucksack rumzuzerren.

"Nein! Nein! Lass das los, das ist falsch!", konnte man Duo rumschnauzen hören, worauf es trotzig zurückkam:

"Du hast ja absolut keine Ahnung!!!"

"Wer hat hier denn keine Ahnung? Ich bin ein Überlebenskünstler!"

"Wieso kriegst du dann nicht mal das Zelt aus dem Rucksack?"

"Weil du falsch daran rumzerrst!"

"Das ist kein Zerren! DAS ist ZERREN!"

"Arghhhh!"

Heero drehte mit einem wütenden Blick seinen Kopf in Richtung der Störenfriede und konnte gerade noch erkennen, wie Duo einen kleinen Abhang, welcher neben der Lichtung lag, hinunterpurzelte, begleitet von Tamaras hämischen Gelächter.

'Die kriegen das niemals hin!', dachte Heero resigniert und widmete sich wieder seinem Zelt, als sein Blick auf den von Relena traf. Sie hatte einen seltsamen Ausdruck in ihren Augen und beeilte sich, sich schnell mit etwas zu beschäftigen, nur um Heero nicht allzu lange ansehen zu müssen.

Es versprach ein wirklich lustiger Abend zu werden. (*Achtung! Ironie im Tiefflug*)
 

"Es ist alles Duos Schuld", gab Tam mürrisch von sich.

Eingewickelt in eine dicke Decke saß sie am Lagerfeuer und zitterte vor sich hin.

"Klar, alles ist Duos Schuld!", stimmte Duo ihr ironisch zu.

"Es ist aber auch deine Schuld!", beharrte Tamara.

"Es tut mir leid!", entschuldigte sich Quatre nun schon zum etwa 17. Mal (Duo zählte wieder mit ... er hatte ja auch nichts anderes zu tun ... - - ...)

"Du musst dich nicht entschuldigen, Quatre!", lächelte Tamara ihn an, wobei sie jedoch auch gleich wieder eingeschnappte Blicke zu Duo warf.

"Ja, Quatre, du musst dich nicht entschuldigen. Es ist ja alles Duos Schuld!", sprach Duo vor sich hin. Zum 18. Mal ertönte ein "Es tut mir leid!"aus Quatres Ecke. "Immerhin habe ich dir das Wasser über die Klamotten gekippt! Entschuldige bitte!" ... 19 ...

Quatre sah betreten auf den Boden.

"Das ist nicht so schlimm, Quatre!" Für ihn hatte Tamara immer ein Lächeln übrig. "Du wolltest uns doch nur mit dem Kochen helfen und das war sehr lieb von dir! Du kannst ja auch nichts für die Unordnung, die ein anderer gewisser jemand dort veranstaltet hat." Böser Blick zu Duo.

Dieser meinte vorwurfsvoll: "Also wirklich, Hilde! Schäm dich!"

"Hey!", kam es düster von dort zurück. Duo lenkte aber sogleich wieder ein: "Schon gut, schon gut. Es ist ja alles Duos Schuld!" Er grinste unverschämt vor sich hin.

"Wenn du mit dem Zelt nicht so ein Theater veranstaltet hättest", beschwerte sich Tam, "dann hätten wir uns nicht um das Essen kümmern müssen!"

Wie erwartet waren Duo und Tamara natürlich die letzten gewesen, die ihr Zelt aufgebaut hatten. Nachdem Tamara Duo an die 5 Mal den Abhang runtergeschubst hatte und dieser im Gegenzug das von ihr ausgepackte Zelt ins Gebüsch geworfen hatte, nachdem beide dann etwa eine Viertelstunde lang das Zelt gesucht hatten und dieses danach erst Mal gründlich reinigen mussten, da sich jede Menge Kleintier dort eingenistet hatte, und nachdem sie das Zelt dann noch trocknen mussten, weil die beiden auf die wahnsinnig blöde Idee gekommen waren, das Zelt doch einfach mit Wasser aus einem kleinen Tümpel auszuspülen (wobei das Zelt nun wie ein ganzes Feuchtbiotop stank), hatten sich Quatre und Alan erweichen lassen und den beiden geholfen, denn sonst hätten die noch im Freien übernachten müssen.

"Ich habe aber auch noch nie jemanden gesehen, der derart unfähig war, ein simples Zelt aufzubauen!" Elbie saß in der Nähe von Tamara und blickte sie mitleidig an.

"Oder derart unfähig, etwas zu Essen zu kochen!", beschwerte sich Relena, die lustlos mit einer Gabel in dem etwas rumstocherte, das ihr Abendessen darstellen sollte.

"Es ist alles ...", begann Tamara. - "... Duos Schuld!", beendete der Angesprochene den Satz. Er hatte sich fest vorgenommen, Tamara heute in den Wahnsinn zu treiben. Und er war seinem Ziel schon beachtlich nahe gekommen, denn nur noch Heero, welcher Tamara sanft zurückhielt, verhinderte noch eine Eskalation der Situation. Tamara und Duo konnten sich mal wieder nicht riechen. Wie eh und je.

Als sie sich widerwillig um das Abendessen kümmern mussten, drohte dies eine Katastrophe gewaltigen Ausmaßes zu werden, was eine brennende Decke, ein brennender Rucksack und ein (leicht) brennender Duo bewiesen. (Sein Zopf war nun 3 cm kürzer! Das würde er Tamara nie verzeihen ...) Chang hatte sich schon gefragt, wie viele Dinge die beiden noch anstecken würden bei dem Versuch, den kleinen Minigrill in Gang zu bringen. Als Relena dann nur knapp einer Stichflamme entgangen war, entschloss sich die ganze Gruppe lieber Bohnen aus der Dose warm zu machen. Leider war der Zeltplatz in der Zwischenzeit schon so verwüstet, dass Quatre über den herumliegenden Krimskrams gestolpert und Tamara mit kaltem Wasser übergossen hatte.

Nun saß sie bibbernd am Lagerfeuer, zusammen mit dem Rest der Gruppe, welche provisorisch das Chaos wieder beseitigt hatte.

Die Nacht war schon hereingebrochen und nur noch der romantische Schein des Lagerfeuers erhellte die Gesichter der Jugendlichen. Doch kaum jemandem war romantisch zumute.

Hilde saß für ihren Geschmack viel zu weit von Alan entfernt.

Elbie auch ... bloß saß für ihren Geschmack Hilde viel zu nah an ihm dran. Sie hatte mittler Weile schon bemerkt, dass sie in Hilde eine Konkurrentin sehen musste.

Chang hingegen fand, dass er viel zu nah an Hilde, Relena und Tamara und besonders zu nah an Elbie sitzen musste. Warum hatte man auch nur gerade ihn zwischen die Weiber gepflanzt?

Quatre fühlte sich noch immer elend und entschuldigte sich nun schon zum 20. Mal.

(Er war vielleicht auch nur so aufgekratzt, weil er schon seit Stunden einen akuten Tee- Entzug hatte ... eine echte Radikalkur! Duo hatte den Beutel mit dem Tee sicher nicht mit Absicht verloren ...)

Tamara saß zu nah an Duo und Duo zu nah an Tamara.

Trowa mühte sich qualvoll damit ab, einen Teig für das Abendessen zusammenzurühren.

Heero und Relena vermieden es, miteinander zu reden.
 

Nachdem alle eine Weile zusammen gesessen hatten, konnte Relena diese angespannte Stimmung schließlich nicht mehr ertragen und verzog sich in ihr Zelt. Für die anderen war dies auch der Anlass, endlich zu Bett zu gehen. Doch niemand hatte so wirklich Lust drauf, denn irgendwie war jeder mit einem Zeltpartner gestraft, der ihm so ziemlich nicht in den Kram passte - bis auf Quatre, der kam mit jedem zurecht, da die Welt doch so wunderschön war.

Bis zuletzt saßen Duo und Tamara am nun schon verlöschenden Lagerfeuer.

Beiden graute es vor der Übernachtung und mit offenem Widerwillen blickten sie sich an, bis sich Duo endlich erhob, tief seufzte und zum Zelt hinschlenderte.

Trotzig folgte ihm Tamara nach einer Weile.

Die Müdigkeit hatte gesiegt.

Das Feuer glimmte nur noch schwach in der Dunkelheit, welche den Zeltplatz der kleinen Chaos- Truppe umschlang. Die Laute von Insekten und Waldvögeln waren leise zu hören.

Durchbrochen wurde dies nur von Quatres lautem: "Gute Nacht, an alle!"

"Gute Nacht, Quatre!", kam es aus Tamaras Zelt zurück. "Schlaf gut!"

"Gute Nacht, Alan", konnte man Elbie plötzlich hören.

Und wie zu erwarten war, kam es auch bald von Hilde: "Gute Nacht, Alan!"

Dann war es eine Weile lang ruhig.

"Alan schläft schon", antwortete Quatre.

Aus den Zelten von Hilde und Elbie kam ein herzensschwerer Seufzer.

"Gute Nacht", meinte Relena.

"Gute Nacht, Relena", meinte Duo. Und dann meinte er noch: "Gute Nacht, Quatre!" und "Gute Nacht, Hilde!" und außerdem "Gute Nacht, Alan ... auch wenn du schon schläfst. Naja, dann hast du sicher eine gute Nacht." Doch damit noch nicht genug: "Gute Nacht, Elbie!", "Gute Nacht, Trowa! und "Gute Nacht, Heero!"

Auf letzteres folgte ein missgelaunt gegrunztes "Hn!"

Doch Duo schien nicht daran zu denken, schlafen zu wollen. Er setzte noch immer einen drauf: "Hab ich dir schon mal eine gute Nacht gewünscht, Quatre?"

"Ja, hast du!", rief dieser freundlich aus seinem Zelt zurück.

"Naja, egal. Dann wünsch ich dir eben jetzt süße Träume!"

"Das ist nett von dir, Duo", bedankte sich Quatre. "Schlaf gut."

"Gute ...", wollte Duo wieder ansetzen, als er unsanft von Tamara unterbrochen wurde: "Jetzt gib doch endlich mal Ruhe!"

Duo schmollte sofort: "Gut, dir wünsch ich keine gute Nacht, du alte ..."

"Halt die Klappe, Duo!", kam es schroff aus Heeros Ecke.

'Spitze', dachte sich Duo, 'die kleine Tam steht also wieder unter dem Schutz des großen Bruders.'

Doch das war noch kein Grund, auch wirklich Ruhe zu geben.

"Gute Nacht, Chang!", sagte Duo laut.

Es kam keine Reaktion.

"GUTE NACHT, CHANG!", wiederholte Duo noch lauter.

Wieder nichts.

"Schläft er schon, Elbie?"

"HALT ENDLICH DEINE BLÖDE FRESSE, MAXWELL!", kam es gereizt von Chang zurück.

Ruhe.

Schließlich kam aus Duos Zelt ein leises Wimmern: "Au, das war hart, Leute. Ich glaub, ich muss gleich heulen!"

Hilde kicherte.

Einige Minuten lang herrschte Stille.

Dann konnte man Tamara müde hören: "Wehe, du schnarchst, Maxwell!"

Duo grummelte nur vor sich hin.
 

Relena lag ganz still, doch schlafen konnte sie nicht.

Sie horchte auf die regelmäßigen Atemzüge von Heero, welcher mit dem Rücken zu ihr lag.

Ein. Aus. Ein. Aus.

Relena war traurig, denn bis jetzt hatte sie noch nicht die Möglichkeit gefunden, sich mit Heero auszusprechen.

Sie war doch sonst nicht so.

Wenn es ein Problem gab, dann wollte sie es so schnell wie möglich lösen.

Und normaler Weise war sie immer in der Lage gewesen, über ihre Probleme zu sprechen.

Aber dieses Mal war sie verklemmt.

Ein. Aus. Ein. Aus.

Sie konnte spüren, wie Heero neben ihr atmete.

Ein. Aus. Ein. Aus.

Es raschelte und Relena zuckte zusammen. Sie wagte es nicht, sich umzudrehen.

Als das Rascheln aufgehört hatte, horchte sie in die Stille, um wieder Heeros Atem hören zu können.

Doch sie hörte ihn nicht mehr.

"Relena", sagte er plötzlich leise.

Heero hatte sich aufgesetzt.

Innerlich zitternd richtete sich auch Relena auf und sah Heero im Dunkeln an.

Es war nicht viel Platz im Zelt und die beiden saßen so nah bei einander, dass Relena Heeros Augen in der Finsternis glänzen sah.

"Ja?", fragte sie flüsternd.

Sie konnte Heeros Verlegenheit spüren. Er konnte sich nicht so gut mit Worten ausdrücken.

Relena lächelte leicht.

Sie würde es Heero leichter machen.
 

Während Quatre und Alan in ihrem Zelt schon tief und fest schliefen (die beiden brauchten doch ihren Schönheitsschlaf), drehte sich Elbie in ihrem Schlafsack unruhig hin und her.

"Könntest du das bitte unterlassen?!", kam es gereizt und von einem unterdrückten Zähneknirschen begleitet von Chang.

"Kann ich nicht!", platzte es aus Elbie heraus.

Sie erschrak über diesen Ausbruch und duckte sich unmerklich aus Angst vor einem Wutausbruch von Chang.

Dieser drehte sich ruhig zu ihr um und fragte sie angesäuert: "Wie bitte?"

Elbie starrte ihn wie ein kleines Kind an.

"Ähhähäh ... ich ... äh ... kann nicht schlafen", antwortete sie entschuldigend.

Wufeis Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen, er starrte Elbie böse an und drehte sich schließlich wieder weg. "Onna no baka!", ließ er noch von sich vernehmen. "Ihr Frauen macht immer so einen Wind um ..."

"Was hast du eigentlich gegen Frauen?", fragte ihn Elbie mit gespielter Unschuld. Sie konnte wirklich nicht schlafen und war bereits so verzweifelt, dass sie bereit war, sich auf eine Unterhaltung mit Chang Wufei einzulassen. Sie wäre wirklich viel lieber mit Alan oder wenigstens mit Tamara in einem Zelt gewesen. Aber nein, sie hatte sich ja mit Chang eingelassen.

Naja, aber besser als Trowa.

Eine Weile lang blieb es still im Zelt.

Doch dann bequemte sich Chang zu antworten: "Im Grunde hab ich gar nichts gegen Frauen."

Elbie horchte auf. Sie hatte schon gar nicht mehr mit einer Antwort gerechnet.

"Aber du tust immer so, als würdest du alle Frauen hassen!"

Chang reagierte wieder nicht.

Doch Elbie hatte es geschafft, ein Gespräch ins Rollen zu bringen. So schnell würde sie jetzt nicht wieder Ruhe geben. "Das ist manchmal echt beleidigend und ungerecht."

BING!

Ungerecht.

Das war das Stichwort, mit dem man Changs Aufmerksamkeit gewinnen konnte.

Abrupt drehte er sich wieder zu Elbie: "Ungerecht??? Ich bin lediglich der Meinung, dass Schwache nicht kämpfen sollten und diese Meinung vertrete ich auch!"

Elbie konterte: "Aber Frauen sind doch nicht schwach! Jedenfalls nicht alle und außerdem gibt es verschiedene Arten von Kampf! Es gibt den körperlichen Kampf, den du und Alan ja so liebevoll praktizieren. Und dann gibt es noch den inneren Kampf! Den Kampf für seinen eigenen Seelenfrieden und um Selbstverwirklichung. Den Kampf, den wir täglich führen: gegen uns selbst und gegen unsere Umwelt, um unsere Individualität und unsere Meinung zu wahren. Jeder kämpft auf eine bestimmte Weise! Und vor allem Frauen führen diesen Kampf! Wir sind nicht so schwach, wie du uns vielleicht gerne hättest!" Ha, da hatte die gute Elbie wohl einmal einem von Tamaras feministischen Vorträgen gelauscht.

Chang sah sie verwundert an. Und noch etwas anderes mischte sich in seinen Blick.

Elbie hätte wirklich viel lieber mit Alan das Zelt geteilt.
 

Hilde hätte auch viel lieber mit Alan das Zelt geteilt.

Sie lag still neben Trowa und blickte in die Finsternis.

Er schien zu schlafen, denn seine Atemzüge erfolgten regelmäßig und ruhig.

Hilde drehte sich vorsichtig zu ihm um und erstarrte.

Trowa war wach.

Er war hellwach und blickt auf dem Rücken liegend nach oben an die Decke des Zeltes.

Hilde lief ein kalter Schauer über den Rücken.

Trowa brütete etwas aus.

Elbie hatte recht gehabt: er war unheimlich.

Sie hätte lieber mit Alan das Zelt geteilt.
 

Tamara hätte auch lieber mit Alan das Zelt geteilt.

Oder mit Heero.

Oder Quatre.

Oder mit irgendwem anders, nur nicht mit Duo.

Es war ihr derart unangenehm, dass sie die ganze Zeit nicht schlafen konnte.

Dabei war sie doch so müde. Nach stundenlangem Wandern, der Hektik mit dem Zelt und dann dem ungewollten Bad, war sie echt erschöpft. Doch vor allem auch mit den Nerven am Ende.

Sie hörte Duo neben sich atmen.

Er schlief noch nicht.

So etwas durfte Tamara einfach nicht passieren. Sie musste die Nerven behalten, sich unter Kontrolle haben, sie war doch ...

"Hey, Tam", kam es von Duo. "Schläfst du schon?"

Tamara verdrehte die Augen.

"Nein", knirschte sie vor sich hin.

"Du, Tam?", hakte Duo wieder nach. "Sag mal, hast du Angst vor ... naja ... Tierchen mit mehr als 2 Beinen?"

"Was laberst du denn wieder für 'ne Gülle?", fragte Tamara genervt.

"Naja, hast du Angst vor Spinnen?"

"Ich hasse die Viecher! Und nun lass mich in Ruhe." Für sie war das Thema nun abgeschlossen.

Für Duo aber nicht: "Das ist aber äußerst schade."

Er hatte diesen ironischen Ton drauf, der Tamara schaudern ließ.

"Ich hab hier nämlich ein besonders fettes und ekliges Exemplar der Gattung Langbeinikus Spinnikus ... du weißt schon, so eine widerliche mit so einem krassen Muster auf dem Rücken und Härchen an den Beinen."

'Er blöfft doch nur', dachte Tamara panisch.

Ruckartig drehte sie sich um, um Duo diese fiese Neckerei heimzuzahlen, als er ihr plötzlich dieses eklige Spinnenvieh mitten ins Gesicht warf.

Er hatte doch nicht geblöfft.
 

"KYYYYYAAAAAAAAHHHHHHHHHHHHHH!!!!!!!!!!!!!!!"

Tamaras gellender Schrei hallte über den ganzen Zeltplatz, gefolgt von Radau und einem lautem Chaos.

"Nimm sie weg! Nimm sie weg! Nimm sie weg von mir!", schrie sie immer wieder panisch.

Das Zelt von Tamara und Duo begann gefährlich zu wackeln.

"Hahaha, oh Mann, hahaha", Duo lachte wie noch nie in seinem Leben. "Hahaha, AU! Hör auf zu treten!"

"NIMM SIE WEG! KYAAAAAAAAAH!" Sie war entsetzt und begann wild um sich zu schlagen.

"Aua, hör auf, hahaha, hey, das Zelt! Pass auf, das ..."

Doch es war schon zu spät.

All die Mühen und das stundenlange Aufbauen des Zeltes ... und nun war es wieder in sich zusammen gebrochen. Nur noch die Gestalten von Duo und Tamara waren darunter sichtbar.

"Spitze", bemerkte Duo, welcher unter dem eingesackten Zelt hockte.

"Es war deine Schuld", bemerkte auch Tamara trocken, welche sich zu beruhigen begann. Vielleicht hatte sie die Spinne ja erschlagen, auch wenn ihr dieser Gedanke nur wenig gefiel.

"Klar, es ist ja alles meine Schuld", maulte Duo ironisch. Doch er war noch immer amüsiert.

"Hey, Duo ...", begann Tamara wieder mit zitternder Stimme.

"Okay", Duo ignorierte sie, " wo ist jetzt hier der Ausgang?"

Er begann im Dunkeln rumzuwühlen und nach dem Ausgang des Zeltes zu suchen.

"Duo?", Tamara klang wieder ängstlich.

"WAS?", Duo klang wieder leicht gereizt.

"Bitte, Duo, sag mir, dass du das an meinem Bein bist!"

"Hä? Ich bin nicht an deinem Bein! Ich schätze mal, das ist wieder die ..."

"KYAAAAAAAAAAHHHHHHHHHHH!", schrie Tamara sofort wieder los, noch bevor Duo das Wort ausgesprochen hatte. Dann begann sie wieder wild um sich zu treten. Zum Glück war das Zelt schon zusammengestürzt.

Als der Krach gerade auf seinem Höhepunkt angelangt war, kam Heero vor Wut brennend (stellt euch mal einen brennenden Heero vor!!!!° °) aus seinem Zelt gestürzt: "VERDAMMT NOCH MAL! JETZT GEBT ENDLICH RUHE!"

Seine Stimme war derart laut und grollend, dass sofort Stille herrschte auf dem Platz.

Nur ein paar mutige Insekten wagten es noch zu zirpen, aber das ließ Heero gerade noch so durchgehen.

Nach einigen Momenten steckten ein völlig zerzauster Duo und eine verschreckte Tamara den Kopf aus dem Zelt. "Aber Heero ...", begann Tam weinerlich.

"RUHE!", fauchte Heero böse und zog sich in sein Zelt zurück.

Tamara und Duo saßen fassungslos da.

"Oh", machte Duo verschmitzt, "er und Relena scheinen sich ja wieder prächtig zu verstehen." Er grinste unverschämt.

Tamara blickte auf den Boden und sah mit wieder aufkommender Paranoia, wie die besagt Spinne grade seelenruhig über das Zelt davonkrabbelte.

Sie wollte gerade wieder anfangen zu schreien, als Duo ihr noch rechtzeitig den Mund zuhielt und den Kopf schüttelte: "Nein, nein, Tammilein! Wir wollen doch unser Bruderherz nicht bei seinem Techtelmechtel stören, oder?"

Er ließ Tamara wieder los und beide sahen still der Spinne nach.

"Das Vieh war aber auch super eklig!", meinte Tam trocken.

"Ich hatte sie Annegret getauft", bemerkte Duo mit gespielter Trauer. "Eine Schande, dass wir uns schon wieder so früh trennen mussten. Wir hatten uns gerade erst kennen gelernt."

"Annegret?", fragte Tamara skeptisch.

"Hey, mecker nicht rum. Zuerst wollte ich sie nach dir benennen!"

Tam blickte ihn in der Finsternis böse an. "Ich hasse dich, Duo."

Er grinste sie an: "Das beruht auf Gegenseitigkeit."

Beide saßen so eine Weile in der Dunkelheit, bis Duo schließlich sagte:

"Wollen wir das Zelt wieder aufbauen?"

"Bist du doof?", fragte Tamara. "Wir haben das bei Tage schon nicht auf die Reihe gekriegt. Glaubst du ehrlich, in der Nacht wird es besser?"

Also saßen die beiden wieder im Dunkeln.

Und dann hörten sie es.

Ganz leise am Anfang, doch dann immer lauter und deutlicher.

Es war ein Flüstern.

Ein Lachen.

"Hey, hörst du das auch?", flüsterte Tamara zu Duo.

"Jep, bin ja nicht taub."

"Es kommt von dort drüben!"

Beide lunzten vorsichtig in die Richtung, aus der das Geräusch kam.

"Ist das nicht das Zelt von Elbie und Chang?", fragte Duo verwundert.

Er blickte Tam an und dann begannen beide den kleinen Hang hinunterzuschleichen und sich hinter einem kleinen Busch zu verstecken.

In dem Zelt von Chang und Elbie brannte in der Zwischenzeit wieder ein schwaches Licht, so als wenn jemand eine Taschenlampe unter der Bettdecke angemacht hätte.

Chang und Elbie schienen sich recht gut zu verstehen, denn sie unterhielten sich die ganze Zeit.

Duo war total verblüfft, dass Wufei mit einem Mädchen das Zelt teilen konnte und dies anscheinend auch noch genoss. Dieses Camping hatte anscheinend doch seinen Zweck erfüllt: Heero und Relena schienen sich wieder zu verstehen und auch Chang schien seine Abneigung dem anderen Geschlecht gegenüber zu überwinden. Duo hatte schon angefangen zu spekulieren, dass Chang in Wirklichkeit ... naja, ihr wisst schon was war.

Gerade wollte er sich umdrehen und einen Witz darüber ablassen, als ihm Tamaras ernstes Gesicht auffiel. Sie blickte verbissen über den Busch hinweg und lauschte angespannt den Gesprächsfetzen, die durch die Nacht hinüberdrangen. Duo verkniff sich jegliche Kommentare, denn so wie er Tamara im Augenblick sah, war sie keinesfalls zu Scherzen aufgelegt.

Er hatte diesen Blick bei ihr schon einmal gesehen.

Gestern.

Am Abend.

Ihm fiel wieder ein, wie seltsam sie sich verhalten hatte.

Duo schielte wieder zu ihr hinüber und sah im Halbschatten, wie sie die Stirn runzelte. Was hatte sie nur? Langsam schöpfte er Verdacht. Und er musste mit jemandem reden. Er musste herausfinden, ob nur ihm diese merkwürdige Seite an Tamara aufgefallen war.

"Wir müssen näher ran!", sagte sie plötzlich in einem bestimmten Ton.

Duo schreckte hoch und sah sie aus seinen Gedanken gerissen verwirrt an.

"Ich kann so nichts hören", bemerkte Tamara nur kurz und war schon dabei weiter nach vorne zu krabbeln, als Duo sie alarmiert zurückhielt.

"Bist du wahnsinnig?", fauchte er sie an. "Weißt du, was Chang machen wird, wenn er uns entdeckt, wie wir sein romantisches Stell- Dich- Ein belauschen?"

Tamara blickte ihn treudoof wie eine Kuh an. Das war die Tamara, die er kannte.

"Hey, mir wird er nichts tun. Ich bin doch nur eine schwache Frau!"

Die Duo bisher zu kennen glaubte.

Doch er spürte, dass keiner sie kannte.

Keiner.

"Ja! Aber mich wird er zum Duell herausfordern!" Duo war unbemerkt lauter geworden, doch weder er, noch Tamara achteten darauf, dass das Zelt ganz still geworden war. Chang und Elbie hatten etwas gehört und lauschten nun ebenfalls.
 

"Das ist mir doch so was von egal!"

Stille.

"Das war doch Tamaras Stimme, oder?", flüsterte Chang leise zu Elbie.

"Mach die Taschenlampe aus!", riet Tamara.

Nun saßen sie wieder im Dunkeln und hörten von draußen her die wütenden unterdrückten Streitgespräche von Duo und Tamara.

In Chang stieg immer mehr und mehr Wut auf. Elbie überlegte krampfhaft, wie sie ihn beruhigen konnte, als er plötzlich sagte: "Mir reichts! Die können was erleben!"

Er war gerade dabei, das Zelt zu verlassen, und Elbie wollte ihn gerade aufhalten, als sie plötzlich Tamara und Duo schreien hörten, gefolgt von dumpfen Poltergeräuschen, knickenden Ästen und raschelndem Gras. Und dieser Krach kam immer näher.

Und dann spürten Chang und Elbie den Aufprall.
 

Es wurde ein heilloses Durcheinander.

Alles schien sich zu drehen und dann war es ja auch noch so unheimlich dunkel.

Doch so plötzlich, wie dieses Chaos gekommen war, so plötzlich verschwand es auch wieder und alles war auf einmal still.

Dann richtete Chang sich auf.

Er starrte wütend in das grinsende und zerkratzte Gesicht von Duo Maxwell.

Tamara lag auf Elbie und beeilte sich, dieser wieder genügend Luft zum Atmen zu verschaffen.

"Äh hähäh, hallo Chang ... na, schöne Nacht heute, oder?",stammelte Duo vor sich hin.

Wufeis Augen schrumpften zu schmalen Schlitzen zusammen, aus denen er Duo gefährlich anblitzte. Das Zelt lag eingestürzt und zerwühlt neben den jungen Leuten.

"BAKA!", schrie Wufei aus vollem Halse und stürzte sich auf Duo.

Dieser stieß einen hohen Schrei von sich und versuchte sich verzweifelt gegen Chang zu wehren.

Das Gerangel währte aber nicht lange.

"ICH BRING EUCH ALLE UM!"

Die Jungs hielten inne und blickten erschrocken zu Heero, welcher schnaufend neben dem Schauplatz des Geschehens stand.

Relena blickte vorwurfsvoll aus ihrem Zelt heraus und auch in den Zelten der anderen waren die Lichter angegangen.

"Ups", machte Duo, welcher sich noch immer im Würgegriff von Chang befand. "Wir waren wohl etwas zu laut, oder?"

Chang drückte noch fester zu, während Tamara einwarf: "Heero! Es ist alles Duos Schuld!"

"Das funktioniert so nicht!", meldete sich Hilde zu Wort. Sie war durch den Lärm wach geworden, was ihr eigentlich auch ganz recht war. "Es war eine Schnapsidee, Tamara und Duo in das gleiche Zelt zu stecken. Mensch, das ist ein richtiges Chaoten- Camping."

Tamara und Duo, welcher sich mit Elbies Hilfe von Chang befreit hatte, nickten einstimmend.

"Wir müssen jetzt erst mal die Zelte wieder aufbauen", bemerkte Quatre, welcher ebenfalls aus dem Zelt gekrabbelt war. Die anderen waren aber auch wirklich laut gewesen.

"Ich werde dir dabei helfen, Duo!", bot der hilfsbereite Junge selbstlos an.

"Das ist lieb, Quatre", lächelte Tam ihn als Dank an. "Dann kannst du auch gleich mit ihm das Zelt für den Rest der Nacht teilen!" Bestimmt stand sie auf. Duo blickte ihr trotzig hinterher.

"Chang! Elbie!", rief Trowa nun sachte über den Platz. "Könnt ihr euer Zelt allein wieder aufbauen?"

Elbie erschauerte und wollte sich gerade überwinden zu antworten, als Chang ihr zuvorkam:

"Klar! Sind doch keine verblödeten Hirnies!"

Au! Das war ein Seitenhieb! Duo und Tamara fühlten sich arg angesprochen, denn immerhin waren sie die einzigen gewesen, die ihr Zelt nicht allein aufgebaut hatten.

Heero trottete zurück zu Relena und kroch müde wieder in seinen Schlafsack. Das Thema war für ihn beendet.

"Gut, Tamara! Dann kannst du mit zu mir ins Zelt kommen!", bot Trowa freundlich an.

Tamara jauchzte vor Glück, warf sich an Trowas Arm und lächelte ihn herzlich an. Zusammen gingen zu ins Zelt zurück, wobei Tamara Duo noch schadenfroh zuwinkte.

Dieser blickte ihr mit einem seltsamen Blick hinterher.

Auch Hilde blickte den beiden nach, doch dann machte es KLICK! Wenn Trowa sie nicht mehr im Zelt haben wollte - was Hilde nur ganz recht war - und Quatre nun bei Duo schlafen würde, dann bedeutete das ja, dass Alan nun ...

Ihr Gesicht hellte sich auf.

"Aber seid bitte leise", mahnte Quatre. "Alan schläft noch."

"Schon gut, ich bin mucksmäuschenstill!", rief Hilde ihnen mit geröteten Wangen zu und hüpfte zu ihrem neuen Zelt. Sie war jetzt im siebten Himmel.

Eine Weile noch sahen ihr Duo und Quatre mit verblüfftem Gesichtsausdruck hinterher, dann schüttelten sie die Köpfe und machten sich daran, das Zelt wieder hinzurichten.

Nach wenigen Minuten war die Sache dann geregelt, was für Duo der eindeutige Beweis war, dass das Misslingen der ersten Zelt- Aufbau- Versuche nur an Tamara gelegen hatte.
 

Während Heero, Relena, Chang und Elbie schon längst schliefen, blickte Hilde, welche noch immer nicht schlafen konnte, hinüber zu Alan. Sein Körper bewegte sich leise unter seinen Atemzügen auf und ab.

Hilde stützte sich auf einen Ellbogen auf und beobachtete ihn.

Er hatte etwas von einem kleinen Kind.

Ein kleines Kind, welches den ganzen Tag gespielt hatte und nun erschöpft war.

Bei diesem Gedanken musste sie unwillkürlich lächeln.

Sie rückte ihren Schlafsack zurecht und kuschelte sich vorsichtig näher an Alan heran.

Dann schlief auch sie ein.

Begleitet von den ruhigen Atemzügen des jungen Mannes neben ihr.

Sie ahnte nichts von dem, was gerade in seinem Kopf abging.

Sie ahnte nichts von Alans Träumen.

Den Träumen, die ihn Nacht für Nacht verfolgten.

Den Träumen, die ihm die Wahrheit verrieten.

Über die Welt.

Über seine Freunde.

Über sich selbst.
 

"Schläfst du schon, Quatre?"

Auch Duo schlief noch nicht.

Ein freundliches Grunzen von der anderen Seite war für Duo Antwort genug.

"Wir sollten mal über was reden!"

Duo starrte an die Decke des Zeltes.

Quatre! Er sollte mit Quatre über Tamara reden ...

"Was denn?", fragte Quatre verschlafen und blickte Duo aus halb geöffneten Augen an.

Duo erwidert den Blick.

"Über ..." Er hielt inne.

Er konnte mit ihm nicht darüber reden. Nicht mit ihm.

Quatre lag sehr viel an Tamara. Immerhin ging er mit ihr zusammen zum Ball. Und andere tuschelten, dass die beiden auch was miteinander hätten. Ein unangenehmes Gefühl stieg in Duo auf.

"Über ... naja ... über ..."

Er konnte seinen Verdacht nicht äußern. Nicht vor Quatre. Nicht vor irgend jemandem.

"Duo, wenn du einen Satz beginnst, dann solltest du ihn auch beenden!", meinte der nun schon etwas aufgewecktere Quatre, während er sich aufsetzte.

Duo fiel es wie Schuppen von den Augen: Alle mochten sie.

Sie war urplötzlich in ihr aller Leben getreten und war nun ein fester Bestandteil davon.

Und das fast von einem Tag auf den anderen.

Niemand war misstrauisch.

Es war Frieden.

Da musste man ja auch nicht misstrauisch sein.

"Über die Black Dragons!"

Doch Duo war misstrauisch.
 

Trowa war es auch.

Doch dieser hatte Beweise.

Beweise, mit denen er Tamara zur Mitarbeit zwingen konnte.

"Nun gut", flüsterte diese in der Dunkelheit zu ihm hinüber.

"Ich weiß, was du willst. Ich weiß, dass du die Risiken kennst und dass dich nichts davon abbringen kann. Du kennst auch noch die Regeln, oder?"

Trowa nickte unmerklich, doch Tamara wusste, dass er in ihrer kleinen Aufführung brav seine Rolle spielen würde.

"Dann ist alles klar."

Eine Weile lang herrschte Stille.

"Du bist dabei. Wir melden uns morgen bei dir."

Tamara war gerade dabei einzuschlafen, als Trowa noch mal leise flüsterte:

"Halte dich von den anderen fern! Hörst du?"

Tamara drehte den Rücken zu Trowa und starrte ausdruckslos an die Zeltwand.

"Wag es nicht, sie zu verletzen, Perth."

Perth- Manaz- Teiwaz

KAPITEL 18

Perth - Manaz - Teiwaz
 

Perth.
 

Tamara saß am Fenster und lächelte.
 

Manaz.
 

Sie erinnerte sich an den gestrigen Ausflug.

Den chaotischen Aufbruch.

Das Chaos beim Zelten.

Den Sicherheitsfutzie, der sie am nächsten Morgen aus den Zelten geworfen hatte, weil hier Zelten ja angeblich verboten war.

Wen interessierte das schon?

Er hatte irgendwas von Naturschutzgebiet geschwafelt und sie dann alle nach Hause gebracht.

Relena war das superpeinlich als angesehene Diplomatin von einem Polizeimenschen heim gebracht zu werden, doch den anderen ersparte er den Trip zum Gipfel des Berges.

Quatres Handy war halt doch Schrott.

Tamara lächelte.
 

Teiwaz.
 

Heero saß noch unten und geisterte durch das Internet.

Tamara hatte gemeint, sie würde schonmal zu Bett gehen, doch nun saß sie am geöffneten Fenster und sah sich den Sonnenuntergang an.
 

Perth.
 

Sie hatte sich noch nie den Sonnenuntergang angesehen.

Wie das gleißende Rot der Sonne hinter den Horizont tauchte und das verbleibende Blau des Himmels verschlang.
 

Manaz.
 

Ein eisiger Wind wehte durch das Fenster ins Zimmer, doch Tamara störte er nicht.
 

Teiwaz.
 

"Tam, schläfst du schon?", rief Heero leise durch die Tür.

Tamara blickte dumpf in seine Richtung, doch sie antwortete nicht.
 

Perth.
 

Die Klinke der Tür senkte sich.

Ein paar Mal.

Dann ging Heero wieder.

Tamara hatte abgeschlossen.
 

Manaz.
 

Es war besser, wenn Heero glaubte, dass sie schon schlafen würde.

Dann würde er sich nicht mehr so viele Gedanken machen.

Dann würde auch er endlich zu Bett gehen.

Morgen war immerhin das große Event!

Der Ball!

Morgen.
 

Teiwaz.
 

Tam sah flüchtig im Dämmerlicht auf den kleinen Wecker neben ihrem Bett.

Er zeigte 10 vor 21 Uhr.

Noch 25 Minuten.

Dann würde es losgehen.
 

Perth. Manaz. Teiwaz.
 

10 Minuten, um sich mit den anderen am Treffpunkt zu versammeln.

10 um sich selbst auf die Show vorzubereiten.

Es blieben ihr noch 5 Minuten übrig.
 

Perth. Manaz. Teiwaz.
 

Sie hasste es zu warten.
 

Perth. Manaz. Teiwaz. Perth. Manaz. Teiwaz. Perth. Manaz. T ...
 

Tamara schreckte hoch.

Sie hatte einen der drei Steine, mit denen sie die ganze Zeit nervös herumgespielt hatte, fallen lassen.

Er kullerte über den Boden und verursachte ein leises Poltern.

Schon wieder in Gedanken versunken hoffte Tamara, dass Heero es nicht gehört hätte.
 

Perth. Manaz. Perth. Manaz.
 

Perth Manaz.
 

Die beiden Steine, die sie noch in ihren Händen hielt.

Das war sie. Alles, was sie war.

Leise stand sie auf und schlich über den Boden.
 

Teiwaz.
 

Sie hob den verlorenen Stein auf und betrachtete nachdenklich die auf ihm dargestellte Rune.
 

Teiwaz.
 

Es war ein nach oben zeigender Pfeil.
 

Teiwaz.
 

Sie steckte die Rune zusammen mit den beiden anderen in einen kleinen roten Samtbeutel, in welchem noch andere Runen lagen.

Gebo.

Ansuz.

Dagaz.

Viele kleine Steine mit vielen interessanten Symbolen.

Und jeder hatte eine Bedeutung.

Eine Bedeutung für Tamara.

Sie schüttelte den Beutel vorsichtig durch und betrachtete dabei die letzten Strahlen der Sonne.

Sie war schon so lange auf der Erde und hatte sich noch nie die Zeit genommen, den Sonnenuntergang zu betrachten.

Sie nahm sich überhaupt nur wenig Zeit.

Zwar hatte sie Heero beigebracht, wie man einfach nur mal sein Dasein genießen konnte, doch sie selbst fand nie die Gelegenheit dazu.

So ist es.

Und so war es schon immer.

Selbst als Tamara noch jung war und noch nicht so hieß, hatte sie nie die Natur beachtet.

Nur einmal, bevor sie weggehen mussten, da lief sie durch den fremdartig anmutenden Wald.

Sie lief lange.

Und dann fand sie die Steine.

Viele weiße Steine.

Sie wusste damals noch nicht, woher diese Steine stammten, aber entsprechend einem alten Ritual ihrer Ziehmutter nahm sie sich 24 dieser Steine mit, aus denen sie sich Runen machte.

Als Erinnerung.

Denn sie würde nie mehr dahin zurückkehren können.
 

Tamara wurde traurig.

Wenn sie noch die Runen befragen wollte, dann müsste sie sich beeilen, denn die Sonne war schon fast untergegangen und sie lag nun schon eine halbe Minute hinter ihrem Zeitplan zurück.
 

Die genauen Regeln für diese Art der Weissagung kannte Tamara nicht.

Ihre Ziehmutter hatte nicht mehr die Zeit gehabt, sie ihr zu sagen, bevor sie ...

Aber das brauchte Tamara gar nicht!

Sie hatte schon immer nach ihren eigenen Regeln gespielt.
 

Sie zog den ersten Stein aus dem Beutel und legte ihn vor sich auf die Fensterbank.

Daneben den zweiten.

Und dann einen dritten.
 

Ernst blickte sie auf die gezogenen Runen hinab.

Die erste - ihr Sinnbild der Vergangenheit.

Perth.

Das Symbol für Geheimnis.
 

Die zweite - ihr Sinnbild der Gegenwart.

Manaz.

Das Symbol für das Selbst.
 

Tamara kannte auch die dritte Rune - ihr Sinnbild der Zukunft.

Teiwaz.

Das Symbol für Krieger- Energien.
 

Es waren die gleichen Steine, die sie vorhin in der Hand gehalten hatte.
 

Es waren die gleichen Steine, die sie immer aus dem Beutel zog.
 

Es war ihr Schicksal.
 

Denn es gab für sie keine schöne, heile Welt.

Krieger der Finsternis

KAPITEL 19

Krieger der Finsternis
 

"Es ist heute zu ruhig."

Noin lehnte an einem Kontrollpult und trank einen frisch aufgebrühten Kaffee. Er schmeckte leider nicht so, wie er schmecken sollte. Angewidert verzog sie das Gesicht und schielte zu Zechs hinüber.

Er war völlig in die vielen Monitore vor sich vertieft und achtete gar nicht auf sie.

Lucrezia runzelte die Stirn und zwang sich einen weiteren Schluck dieses schrecklichen Gebräus ab.

"Viel zu ruhig", wiederholte sie und stellte sich nun hinter ihn.

Auf den Monitoren war absolut nichts zu erkennen.

Dunkelheit und Schatten auf den Außengeländen.

Leere Gänge und einsame Räume auf den inneren Überwachungskameras.

Nur ab und zu einige Wachleute.

"Wir müssen nur noch diese Nacht durchstehen", gab schließlich Zechs von sich, ohne auch nur von den Bildschirmen aufzublicken. Wachsam überschaute er alle Aufnahmen.

Lucrezia nickte - nun ebenfalls auf die Videokameras konzentriert.

"Sie hat sich nicht bei dir gemeldet, oder?"

Er blickte sie kurz an. Sie wusste, dass sich die Frage auf Relena bezogen hatte.

Zechs hatte sie angerufen, um sie zu warnen, vor dem, was bald beginnen würde, doch Relena war nicht zu Hause gewesen. Und sie hatte auch noch nicht zurückgerufen. Bald genug würde sie es von selbst erfahren, doch ihr Bruder hatte sie davor bewahren wollen. Sie schüttelte leise den Kopf und starrte dann wieder auf die Bildschirme.

Lucrezia war es langsam leid, diese ewigen Überwachungsdienste bei Media Technologies.

Sie erinnerte sich an die Angriffe auf ihre Terraformingstation zurück ... wie alles in Trümmern lag, als sie zurückkehrte. Seitdem waren sie und Zechs wieder in den aktiven Militärdienst eingetreten. Und nun warteten sie.

Warteten, dass der Kriegszustand ausgerufen werden würde.

Morgen.

Morgen, um genau Viertel vor Mitternacht.

Die Entscheidung war mit Stimmenmehrheit angenommen worden.

Relena wusste noch nichts davon.

Man wollte es ihr nicht sagen.

Sie hätte die Entscheidung nur verzögert.

Ihre pazifistische Einstellung war in einer solchen Zeit nach Meinung der Generäle fehl am Platze.

Lucrezia drehte sich weg und schüttete ihren Kaffee in den Ausguss.

Und nun saßen sie Nacht für Nacht hier und unterstützten die Wachkräfte von Media Technologies.

Es war stinklangweilig.

"Nummer 7 ist weg", hörte sie Zechs trocken bemerken.

Sie blickte erschrocken zu ihm hinüber. Dann erkannte sie auch, dass auf dem Außenbildschirm, welcher mit einer kleinen 7 gekennzeichnet war, die Wache fehlte.

"Vielleicht hat sich der Wachmann nur etwas verspätet", vermutete sie.

Eigentlich sagte sie das nur, um Zechs zu beruhigen.

Diese Nacht war die gefährlichste. Es war die letzte Möglichkeit für die Piraten, in das Gebäude einzudringen. Was immer hier versteckt war, wenn sie es heute nicht bekommen würden, dann niemals.

"Ja, vielleicht", antwortete Zechs düster. "Vielleicht."

Er stützte sein Kinn auf seine Hände (ganz in alter Gendo- Ikari- Manier) und starrte finster auf die übrigen Bildschirme.

Und dann wurde alles dunkel.

Es war genau 17 Minuten nach 21 Uhr.
 

"STROMZUFUHR UNTERBROCHEN"

Die Stimme war durch einen Stimmverzerrer unkenntlich gemacht.

In der Dunkelheit konnte man schwach erkennen wie eine vermummte Gestalt geschmeidig aus einem Schacht herauskletterte und zu weiteren vier ganz in schwarz gekleideten maskierten Personen lief.

"DIE SYSTEME WERDEN BALD AUF NOTZUFUHR UMSCHALTEN"

Auch die Stimmen der anderen Gestalten waren verzerrt.

"WIR HABEN WENIGER ALS 3 MINUTEN"

Gemeinsam schlichen sie lautlos zu einer alten Mauer.

"WAS IST MIT DEN WACHEN?", fragte einer.

"6 BIS 9 WURDEN BESEITIGT"

"BESEITIGT?", fragte ein anderer. Auch wenn die Stimme nicht zu erkennen war, so schwang doch Besorgnis mit.

"NOCH 2 MINUTEN"

Er wurde einfach ignoriert.

"TREFFPUNKT IN DER LOBBY! LOS!"

Die Gestalten schwärmten aus.

Einer von ihnen drehte sich noch einmal zweifelnd um, doch dann verschwand auch er in der Dunkelheit der Nacht.

Es waren 5 gewesen.

5 dunkle Krieger.

5 Krieger der Finsternis, welche nun wie Raubkatzen ihre Beute einkreisten.

Ihre Beute.

Media Technologies.

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"6 und 8 sind auch verschwunden!" Noin klang nun alarmiert. Sie saß mit einem Kopfhörerset an den Konsolen des Überwachungsraumes und checkte die Wachen.

Der Notstrom war in dieser Abteilung über ein separates Aggregat zuerst wieder reaktiviert worden.

"9 fehlt auch" Sie drehte sich zu Zechs um, welcher ausdruckslos auf die Monitore starrte.

Noins Gesichtszüge verhärteten sich.

"Es sind die Black Dragons, nicht wahr?"

Zechs antwortete nicht.

Stattdessen nahm er einen Telefonhörer ab und mobilisierte seine Einsatztruppe.

"Wann wird der Notstrom für den Rest der Anlage eingeschaltet?", fragte er Noin, während sich die Verbindung aufbaute.

Noin wandte sich schnell ihren Instrumenten zu, überprüfte kurz einige Einstellungen und sagte dann: "Der Grund für den Ausfall der Standardgeneratoren ist noch unklar. Bisher sind nur die Lebenserhaltungs- und Überwachungssysteme versorgt worden. In ein bis zwei Minuten wird die gesamte Anlage wieder laufen können. Dann werden auch die Alarmanlagen und die Waffensysteme wieder einsatzbereit sein."

"Zu spät", bemerkte Zechs düster. "Sie sind bereits im Gebäude."

Noin folgte Zechs Blicken auf den Monitor Nummer 13.

Es war eine Innenkamera.

Und sie sah die Schatten.

Nur einen kurzen Moment lang.

Aber lang genug.

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"Lassen sie neue Wachposten an Ein- und Ausgängen postieren!"

Zechs Ton war militärisch und streng.

"Ja, Sir", kam es vom anderen Ende der Leitung.

"Ich will, dass hier niemand mehr rein oder raus kommt! Die Festnahme der Eindringlinge hat höchste Priorität! Schicken sie ihre Leute alle bewaffnet zu den Laboranlagen ... ich kenne die Anordnungen des Führungsrates, aber ohne militärische Einsatztruppen kann ich diese Leute nicht eleminieren. ... Ja ... Aber ab jetzt habe ich hier die Befehlsgewalt!"

"Zechs!", musste ihn Noin ermahnen. "Du kannst nicht einfach gegen die Regeln der Leitung von Media Technologies verstoßen! Sie haben unsere Hilfe nur akzeptiert unter der Voraussetzung, dass wir unsere militärischen Truppen von deren Zentralen fernhalten würden. Du kannst dich darüber nicht einfach hinwegsetzen. Noch nicht! Noch herrscht kein Kriegszustand!"

Zechs beugte sich zu ihr herab und sah ihr tief in die Augen: "Oh, doch! Es herrscht bereits Krieg und zwar seit dem Moment, da die Black Dragons die äußeren Kolonien attakiert haben!"

Noin wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte.

Zechs war in der letzten Zeit verbittert und deprimiert geworden.

Sie machte sich Sorgen um ihn.

"Ja ... woher?", Zechs war wieder in sein Telefonat vertieft und wandte sich von Noin ab.

"Wie?", fragte er schroff und begann die Kameras des Außengeländes auf bestimmte Punkte auszurichten.

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Am anderen Ende der Leitung musste Geround seinem Vorgesetzten Zechs Marquise Bericht erstatten.

"Sie sind an jeweils 4 Punkten in das Gelände eingedrungen, Sir. Eine systematische Lahmlegung der äußeren Sensoren, dann eine Komplettabschaltung der Stromzufuhr ... Ja, Sir ... in der Zeit bis zum Einschalten der Stromzufuhr sind sie dann eingedrungen ... einer ... einer ist wahrscheinlich durch den Personaleingang ... die Wachen wurden noch nicht gefunden, nein, Sir ... die Sensoren der Belüftungsschächte wurden zerstört, also vermuten wir auch ein Eindringen von dieser Seite, sowie durch die unterirdischen Kanalisationsanlagen und den Hintereingang ... ja, wir gehen bisher von 4 Eindringlingen aus ... sie haben es sehr geschickt angestellt, Sir ... sie haben sich geteilt und sind dann einzeln an verschiedenen Stellen eingedrungen ... Ich habe die Einheiten zu den Laboren geschickt, wir vermuten, dass die Eindringlinge sich dort sammeln werden ... nein, Sir, sie würden einen gravierenden Fehler eingehen, wenn sie sich in offiziellen Bereichen, wie der Kantine, den Empfangs- und Sitzungssälen oder der Lobby aufhalten würden, da diese Räume noch durch die routinemäßigen Alarmanlagen überwacht sind und sie zudem kaum Schutzmöglichkeiten haben. Wir sollten uns nicht auf die Reaktivierung der inneren Waffensysteme verlassen, Sir. Womöglich wurden die auch sabotiert. ... Ja, Sir, wir treffen uns dann vor den Hauptlaboren ... wir ... arghh ... Deckung! Alle Mann in Deckung!"

Zechs schrak auf: "Geround! Geround, was ist los?"

"Ein fünfter Mann! Es sind 5 Eindringlinge, Sir!" Seine Worte waren von Ohren betäubendem Lärm, dem Klirren von Glas, statischem Rauschen und dem Abfeuern verschiedener Waffen begleitet.

"Er kam soeben durch das Fenster ... zzsschhh .... hat uns völlig überrascht ...."

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"5", flüsterte Zechs abwesend. ... 5 ... Er schöpfte Verdacht.

Noin lief zu einem Schrank in der Nähe, entriegelte ihn und entnahm 2 Maschinengewehre der modernsten Art. Totale Neuheiten auf dem Gebiet der Waffenentwicklung, noch nicht einmal auf dem Schwarzmarkt erhältlich. Sie lud nach, entsicherte beide Waffen und reichte eine davon Zechs.

"...zsch ... knirsch ... der Typ ... es ist ... argh ... macht uns fertig ...."

Zechs nahm die Waffe und rief in den Hörer: "Halten sie durch, Geround, wir kommen ihnen zu Hilfe!" Dann wurde es immer stiller am anderen Ende der Leitung.

Geround hatte wahrscheinlich den Hörer nicht mehr in der Hand, denn Zechs konnte dessen Stimme nur noch sehr schwach am anderen Ende des Raumes hören. Und er hörte Schritte, welche über knirschendes Glas glitten. Zechs hielt den Atem an.

"... wer ...wer sind sie?", konnte er Geround unter heftigem Husten noch leise keuchen hören.

Er hörte auch, wie eine Waffe nachgeladen wurde.

Stille.

Und dann die mechanisch verzerrten Worte: "ICH BIN NIEMAND!"

Und dann ... einen letzten Schuss.

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Der Überwachungsraum im Südflügel des Zentralgebäudes von Media Technologies war vollkommen verwüstet. Dunkel, nur von ein paar glimmenden Lampen des Notstromes erleuchtet, stand eine Person in der Mitte des Zimmers. Das Fenster war zersprungen und unter den demolierten Möbeln und umgeworfenen Tischen lugten die reglosen Körper der Überwachungsmannschaft hervor.

Dann gingen einige Lichter wieder an.

Die Aggregate für die gesamte Anlange waren nun endlich aktiviert worden, doch in weiser Voraussicht hatten die Eindringlinge die Anlangen für Beleuchtung und Waffen größtenteils vollkommen zerstört.

In aller Ruhe ging die Person zu einem Schaltpult und fegte Glassplitter, Trümmer und eine leer gefeuerte Waffe zur Seite, betätigte einige Knöpfe und aktivierte das Mikrofon.

Dann nahm der Schattenkrieger seine Maske ab.

"Südliche Überwachungsstation eingenommen"

Nach einigen kurzen Momenten erschallte es aus dem Mikrofon:

"Nördliche Zentrale eingenommen."

Wieder einige Momente, dann:

"Okay, Leute! Gute Arbeit! Schnappt euch die Codes und dann ab in die Lobby, wir räumen dort schon mal das Ungeziefer weg"

Dann herrschte wieder Stille.

Die Sicherheitskräfte würden nicht erwarten, dass sich die Eindringlinge in der Lobby treffen würden.

Es war ein viel zu offenes Gelände.

Zu angreifbar.

Kein Schutz.

Doch die Eindringlinge hatten noch ein Ass im Ärmel.

Der junge Mann, welcher allein einen ganzen Raum voller augebildeter Wachleute überwältigt hatte, begab sich langsam zur Tür.

Er überblickte noch einmal die Verwüstung und das Chaos, welches er angerichtet hatte.

Und dann huschte ein Lächeln über sein Gesicht.

Über das Gesicht von Trowa Barton.

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"Nein, lasst jeweils zwei Wachen an den üblichen Stationen und den Rest schickt ihr dann zu den Laboren!"

Noin schrie die Instruktionen hektisch in ein kleines Handy, während sie sich beeilte, Zechs nicht aus den Augen zu verlieren. Er lief vor ihr in einem Wahnsinnstempo, so dass sie Probleme hatte, ihre Waffe im Anschlag zu behalten.

Doch plötzlich blieb Zechs stehen.

Auch Lucrezia hielt erschrocken inne.

Beide standen in einem gläsernen Durchgang zu den Laboreinrichtungen und blickten durch die Scheiben zurück auf das Hauptgebäude.

Sie hatten freie Sicht, direkt auf die Lobby.

Oder besser auf das, was in der Lobby ablief:

Drei ganz in schwarz vermummte Gestalten waren dort gerade dabei, die noch spärlich in der Lobby vorhandenen Wachposten nach Strich und Faden zu vermöbeln. Einer der uniformierten Wachposten feuerte eine ganze Salve auf die Eindringlinge ab, doch keine einzige Kugel traf. Die schwarzen Gestalten waren von einer Art Schutzschild umgeben, welches die Geschosse nur wenige Zentimeter vom Körper entfernt verdampfen ließ. Dann erwiderten die Eindringlinge das Feuer, mit Waffen welche einzigartig und bisher noch völlig unbekannt waren. Jedenfalls für Merquise und Noin. Einigen der Gundampiloten waren diese Waffen leider nur zu gut bekannt.

Ein weiterer Angreifer erschien von Süden her.

"Die Lobby", brachte Lucrezia tonlos hervor. Sie hatten alle ihre Leute zu den Laboren geschickt.

Die waren doch nicht etwa wirklich so verrückt genug, einen frontalen Angriff auf Media Technologies durch die Lobby zu starten? Sie konnte es nicht fassen.

Gerade sah sie, wie einer der Sicherheitsbeamten von einem der Eindringlinge von hinten erdrosselt wurde, als sich einer der letzten Beamten an den scheinbaren Anführer heranschlich und mit einem Metallstab, welchen er aus dem Gestell einer Tribüne herausgezogen hatte, dabei war auf ihn einzuschlagen. Hoffnung flammte in Noin auf. Wenn es ihren Leuten doch wenigstens gelingen würde einen von diesen Typen zu erledigen oder gar gefangen zu nehmen, so würden sie schon einen gewaltigen Schritt weiter sein. Doch ihre Hoffnungen wurden schon sehr bald zerschlagen.

Nicht nur, dass der Anführer sich rechtzeitig duckte und so dem Schlag auswich, nein!, nun kam noch ein weiterer Eindringling hinzu.

Einer, der ein Schwert bei sich hatte und anscheinend auch hervorragend damit umzugehen verstand: Schnell wie der Wind drehte er sich schwungvoll um seine eigene Achse und entwaffnete geschickt den um Längen unterlegenen Wachmann. Einige gezielte Schläge und Tritte, ein letzter Zug mit dem Schwert ... und der Wachmann lag in seinem eigenen Blut auf dem Boden der Lobby.

Nur noch die 5 Eindringlinge standen dort.

Zechs Merquise starrte entsetzt hinüber.

Er hatte den Stil des unbekannten Schwertkämpfers erkannt.

"Dieser Stil ... das war der von Wufei."

"WAS?", schreckte Noin aus ihrer Benommenheit auf. 5 war schon immer in ihren Augen eine unheilvolle Zahl gewesen. "Diese 5 ... du meinst doch nicht etwa, dass ... dass das da Chang Wufei und dass die anderen ..."

Doch Zechs hatte sich schon längst wieder abgewandt und war auf dem Weg hinunter in die Lobby, wobei er eilig über das Handy von Noin den anderen Bescheid gab.

"Schickt die Hälfte der Leute hinunter in die Lobby! Sichert vor allem die Wege von dort zum Labor! Oberste Vorsicht ... Noin ...", er wandte sich zu ihr um.

"Du glaubst, dass es die Jungs waren, oder?", fragte sie ihn besorgt. "Du glaubst, dass das da unten Wufei war?"

Zechs hielt einen kurzen Moment inne und besann sich.

"Zu groß", bemerkte er schroff. "Es war der gleiche Stil, aber der Kämpfer war größer als Wufei."

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Nach wenigen Minuten stürmten Zechs, Noin und die Hälfte der von ihnen anbeorderten Soldaten die Lobby von Media Technologies.

Sie war leer.

Die Eindringlinge waren schon lägst wieder verschwunden.

"Verdammt", fluchte einer der Soldaten.

Ein anderer, welcher einen der getöteten Wachmänner zur Seite drehte und ihn untersuchte, bemerkte düster: "So einfach werden die sich von uns nicht schnappen lassen."

"Oh, oh ... wie recht du hast, weißt du ja gar nicht ...", hörten sie plötzlich einen der Soldaten, welcher ängstlich von der Tribüne zurücktrat, unter welcher er ein seltsames Geräusch vernommen zu haben glaubte.

Es war ein Ticken gewesen.

Ein bedrohliches, metallisches und gnadenloses Ticken.

Tick.

Tack.

Tick.

Tack.

Und nun hatte er den Ursprung dieses penetranten Geräuschs gefunden.

Eine wunderschöne kleine Bombe.

Tick.

Noin und Zechs starrten schockiert zur Tribüne.

Tack.

Die Soldaten ließen Waffen und Ausrüstung fallen.

Tick.

Viele stürzten zur Tür.

Tack.

Einige wenige versuchten, die Bombe zu entschärfen.

Tick.

Zechs ahnte, dass es zwecklos war.

Ta .... BBBBBBOOOOOOOOOOOOOOOMMMMMMMMMMM!!!!!!!!!!!!!!!!

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Die Explosion erhellte die ganze Nacht.

Wie ein heller Lichtblitz breiteten sich die folgenden Flammen über die anschließenden Gebäude aus und loderten wie die Feuer der Hölle persönlich.

Als ob ein neuer Morgen beginnen würde.

Und auch wenn es das Ende von Media Technologies war, so war es doch ein Beginn.

Der Beginn eines verheerenden Krieges, wie ihn die Menschheit noch nicht gesehen hatte.

In der Ferne war das Heulen einer Sirene zu hören, die herannahenden Krankenwagen, obwohl doch kaum noch etwas zu retten war.

Die Zentrale von Media Technologies war vollkommen zerstört worden.

"IDIOTEN", drang die metallisch verzerrte Stimme eines der Angreifer durch die Nacht.

Zu fünft standen sie auf einer nahe gelegenen Hügelkuppe, welche doch in einer sicheren Entfernung zu den brennenden Gebäuden war ... weit genug weg, um nicht von den Flammen erfasst und nicht mit den dortigen Vorgängen in Zusammenhang gebracht zu werden.

"ES WAR NIEMALS ZIEL, DIE BEWEISE ZU ENTWENDEN"

Der angebliche Anführer der Gruppe nahm seine Gesichtsmaske ab und deaktivierte seinen Stimmverzerrer. "Die Beweise zu zerstören ... damit hätten sie nicht gerechnet, oder?"

Es war ein älterer Mann, Mitte dreißig bis Anfang vierzig, mit zurückgekämmten dunklen Haaren. Er blickte stolz zurück auf die brennenden Anlagen.

Hinter ihm nahm nun auch Trowa Barton seine Maske ab.

"Musste die Bombe sein?"

Seine Stimme klang ausdruckslos und gefühlskalt.

Eine andere, zartere Stimme antwortete ihm aus der Finsternis.

"Keine Zweifel! Keine Skrupel! Kein Mitleid!"

Es war die Stimme von Tamara Yui, welche da eisig durch die nur durch die Sirenen durchbrochene Stille drang. Von den Gebäuden her wurden die Rufe von Menschen und die Laute von löschendem Wasser her deutlich.

Trowa drehte sich um und blickte den anderen drei Eindringlingen ins Gesicht. Sie hatten nun alle ihre Masken abgenommen, um etwas frische Luft zu schnappen. Doch während Elbie und Alan Trowas Blicken auswichen, starrte Tamara ihn unverwandt an.

Sie war nicht länger die kleine, Hilfe bedürftige Schwester von Heero Yui.

Ihre Augen waren leer und kalt. Ihr Blick unnachgiebig. Ihre Miene ausdruckslos.

Es schauderte Trowa.

"Hey, beruhigt euch!", mischte sich der unbekannte Mann mit ein, welcher die Jugendlichen wieder zur Ruhe zu ermahnen suchte.

"Die Aktion lief wie geplant über die Bühne. Du wusstest doch, Barton, dass wir mit Opfern gerechnet haben?"

Trowa sah zu den brennenden Gebäuden und nickte unmerklich.

"Desweiteren wurden alle Beweise nun vernichtet und außerdem ..." Er zog eine kleine Datendiskette aus seinem Ärmel. "... außerdem haben wir die Daten über die Fundstellen."

"WAS?", rief Elbie überrascht aus.

Alan lachte vor sich hin. "War mir doch klar, Donnie, dass du in dem ganzen Laden da unten noch was anderes, als nur die Vernichtung der Beweise im Sinn hattest!"

Der mit Donnie angeredet lächelte seinen kleinen Stoßtrupp zufrieden an.

"Her damit!" Trowa streckte ernst die Hand aus und hatte einen Ton eingeschlagen, der keine Kompromisse zulassen würde.

"Hey! Wir senden dir eine Kopie zu ...", wollte Alan ihn abschütteln, doch Trowa blieb hartnäckig. Eine auf Donnie gerichtete Waffe bestärkte seine Entschlossenheit.

Dieser blickte kurz weg, dann sah er fragend zu Tamara: "Was meinst du?"

Sie schwieg nur.

Die Sirenen näherten sich. Doch nun waren es keine Löschfahrzeuge oder Krankenwagen mehr. Es waren Sicherheitsfahrzeuge und Militärwagen.

"Hey", meldete sich nun ängstlich Elbie zu Wort. "Ich will ja nicht hetzen, Leute, aber langsam sollten wir die Fliege machen!"

"Gib sie ihm!" Tamaras Stimme klang tonlos und dunkel.

Nur leise war sie zu hören, doch alle verstanden sie sehr gut. Trowa nahm sich ohne ein weiteres Wort die Disk. Alan, welchem das offensichtlich missfiel, schnappte Elbie bei der Hand und rannte mit ihr zum nahe gelegenen Waldgebiet, in welchem ihr Kampfgleiter gut verborgen war.

"Ich werde die Sicherheitsbeamten noch etwas ablenken, damit ihr entkommen könnt", sagte Donnie, währen er seine Maske wieder anzog.

"UND BARTON!", rief er mit seiner verzerrten Stimme noch einmal Trowa zu, welcher sich schon aufgemacht hatte, seinen eigenen Fluchtweg einzuschlagen. "DU WIRST DIR EINE KOPIE MACHEN UND UNS DAS ORIGINAL SO SCHNELL WIE MÖGLICH ZUSENDEN, KLAR?"

Und schon war Donnie auch schon verschwunden.

"Nein", bemerkte Tamara. "Schneller noch! Ich will die Daten haben!"

Sie schien sich alle Zeit der Welt zu nehmen und schlich auf Trowa zu.

"Ich will die Daten morgen haben. Egal, ob Original oder Kopie ... und du wirst sie uns geben, nicht wahr?"

Sie stand nun schon sehr nahe bei Trowa und blickte ihm gefährlich in die Augen. Mit Mühe hielt er ihrem Blick stand.

"Du wirst uns die Daten geben und du wirst zu niemandem ein Wort darüber sagen, nicht wahr?"

Sie lächelte hinterhältig.

"Du willst doch nicht wieder in dem süßen Mantel des Vergessens versinken?"

Sie hatte Trowa vollkommen in der Hand.

Wenn er nicht wieder zurück in einen von Amnesieanfällen geprägten Wahnsinn verfallen wollte, welcher in in den vergangenen Monaten bedroht hatte, so musste er nach den Regeln der Black Dragons spielen.

Tamara schickte sich zum Gehen an.

Als Trowa sie gerade noch so erkennen konnte und in der Ferne neue Explosionen hörte, murmelte er leise: "Egal wie du dich nennst. Egal wer du bist. Du bleibst doch immer Perth!"

Dann schüttelte er traurig lächelnd den Kopf und verschwand.

Er würde nicht mehr lange nach diesen Regeln spielen.

Auf was hatte er sich da nur eingelassen?

Viertel vor Zwölf - Der große Ball

KAPITEL 20

Viertel vor Zwölf - Der große Ball
 

Und endlich war es soweit.

Der Tag, auf den wohl alle schon so lange gewartet hatten.

Das Mega- Event, dem die ganze Schule entgegengefiebert hatte.

Der Schulball.

Relena war bereits Stunden vorher zusammen mit Quatre aufgetaucht und beide hatten sich um die letzten Vorbereitungen gekümmert. Es musste noch viel getan werden: Das Büfett war falsch angeordnet worden, die Nebenräume mussten nochmals durchstaubt werden und die Servietten waren nicht geliefert worden. Doch schließlich kamen auch die ersten Gäste und so verabschiedete sich Quatre vorerst, um Tamara abzuholen.

Relena blieb allein zurück und sah zu, wie die Menschen nun die neu eingeweihte Turnhalle füllten. Gerade als sie sich zu langweilen anfing, erblickte sie Duo, Hilde und Alan am Eingang.

Während Relena ein edles weißes Kleid mit zarten rosa Rüschen trug, war Hilde eher in einen sanften Blauton gekleidet. Sie trug ihre Haare mit einer hellen Spange zurückgelegt. Relena lächelte, als sie sie mit Alan zusammen sah. Bevor sie sich nach dem Camping getrennt hatten, war sie sich mit ihm noch klar geworden, dass er doch lieber mit einer Partnerin seiner eigenen Wahl zum Ball gehen sollte. Und dies war nun Hilde, welche übers ganze Gesicht strahlte.

Dies bedeutete zwangsläufig auch, dass Relena nun keinen Partner für den Ball hatte. Sie hatte sich zwar gut mit Heero aussprechen, doch weder sie noch er selbst hatten sich zu diesem Schritt überwinden können.

"Hallo, schön dass ihr schon da seid! Ihr gebt ein tolles Paar ab!", sagte sie zu Hilde und Alan.

Duo trug wie üblich schwarz und hielt sich geschickt abseits der Aufmerksamkeit, doch Relena erspähte ihn dennoch und fragte: "Mit wem bist du denn hier, Duo?"

Dieser zog eine Grimasse, sah Relena böse an und stapfte beleidigt von dannen. Über die Schulter gewandt maulte er noch: "Ja, ja, hackt nur alle drauf rum! Immer feste drauf, mit Duo kann man's ja machen!"

Hilde raunte Relena leise zu: "Pst! Du weißt doch, dass er ohne Begleitung hier ist."

Relena zog ein verständnisloses Gesicht.

"Warum denn das? Duo ist doch eigentlich recht ansehnlich; ich weiß, dass viele Mädchen an der Schule für ihn schwärmen. Er hätte also gute Chancen auf eine Tanzpartnerin, die hätten ihm bestimmt nicht abgesagt, also ..."

Hilde schüttelte nur den Kopf.

"Relena, du kennst Duo nicht so gut wie ich. Bei ihm muss man sehr gut unterscheiden, was Show und was wahre Gefühle sind. Wenn du mich fragst, dann hat er sich bestimmt ein feines Fräulein aus höheren Kreisen ausgeguckt, bei der er null Chancen hat. Und nun badet er in Selbstmitleid ... er ist nur mir zu Liebe mitgekommen." Dabei lächelte sie mitleidig und doch auch etwas schadenfroh.

"Mit wem bist du denn hier, Relena?", mischte sich nun auch Alan in das Gespräch mit ein, der einen reinen Weiberklatsch verhindern wollte.

Relena lächelte und sagte mit gespieltem Vorwurf: "Hey, du weißt doch ganz genau, dass ich allein hier bin!"

Alan erwiderte ihr Lächeln. "Aber eigentlich hättest du doch auch keine Probleme gehabt, auf die Schnelle noch einen Partner aufzutreiben."

Hilde begann Alan am Armzipfel auf die Tanzfläche zu zerren, auf der sich nun schon die ersten Paare drehten. Dabei sagte sie in melodramatischem Ton: "Hach, wenn du mich fragst, dann hat sie sich bestimmt in einen emotionslosen Kerl aus militärischen Kreisen mit einem leichten Hang zur Selbstzerstörung verguckt, der lieber allein zu Hause im Dunkeln sitzt, als sich seine Gefühle einzugestehen ..."

Noch während Relena ihr wehmütig nachlächelte, weil die Wahrheit in Hildes Worten tief in ihrem Herzen schmerzte, merkte sie, wie jemand hinter sie getreten war. Höflich drehte sie sich um und erstarrte mitten in der Bewegung.

Hinter ihr stand Heero Yui.

In Frack, mit Krawatte und Blumen in der Hand.

Das sah man auch nicht alle Tage und Relena war dementsprechend auch überrascht und sprachlos.

"Ich ... ich wollte dich eigentlich abholen ... aber ... du ... du warst schon weg ... wegen den Vorbereitungen, meine ich und so ...", stammelte Heero leise vor sich hin. Er war ziemlich verlegen und kam sich wohl auch sehr unwohl vor in seiner Haut, doch Relena errötete merklich und begann vor Freude zu strahlen, wie schon lange nicht mehr. Ihr Selbstbewusstsein kehrte zurück und mehr noch: sie war glücklich!

"Sind die für mich?", fragte sie leise und deutete auf die roten Rosen in Heeros Hand.

Doch noch bevor dieser ihr antworten konnte, kam Duo hinter ihm hervorgeschossen und schnappte sich die Blumen mit den Worten: "Nein, weißt du, Relena, die Blumen hat er natürlich für mich mitgebracht! Die hat er sicher extra für mich aus'm Garten gepflückt!"

Er gab den beiden einen derben Stupser in Richtung Tanzfläche, wobei er ihnen noch nachrief: "Nun macht euch schon ab und schwingt das Tanzbein!"

Verwirrt nahm Heero nun Relenas Hand und führte sie in die Mitte des Raumes.

Aus dem Hintergrund hörten sie noch Duos erboste Stimme: "Heero, du ungehobelter Holzklotz, du hättest wenigstens die elenden Dornen abschneiden können! Und solche Dinger wolltest du ehrlich Relena andrehen? Wolltest du sie damit umbringen, oder was ... also ehrlich ... hat mal wer ein Pflaster?" Und schon machte er sich auf den Weg, den nächstbesten Abfalleimer in einen entsprechenden Aufbewahrungsort für die verhängnisvollen Blumen umzuwandeln.

Auf dem Weg dahin traf er Elbie, welche einzeln am Rand der Tanzfläche stand.

"Hey, auch eins von den einsamen Herzen?", fragte er neckisch.

Elbie blickte schmollend zu ihm auf, dann rümpfte sie die Nase und erwiderte: "Quatsch, was denkst du denn von mir? Meine Begleitung ist nur mal eben etwas zu trinken holen gegangen."

Duo stellte sich neben sie. "Gut, dann wart ich eben bis er wieder da ist. Mit wem bist du denn hier?"

Er wusste ganz genau, dass Elbie nur so tat. Aber ihr war es einfach zu peinlich vor Duo einzugestehen, dass sie lieber allein auf diesen Ball gegangen war, als mit einem anderen als Alan.

"Ach, du ... ähm ... ich werd' mal nachsehen, wo er bleibt ...", stammelte sie und verschwand in einer kleinen Menschenmenge. Duo sah ihr grinsend nach, doch dann huschte ein wehleidiger Ausdruck über sein Gesicht. Er wusste ganz genau, wie sie sich fühlte. Er schaute auf den Strauß Rosen in seiner Hand und erinnerte sich, dass er die Dinger doch so schnell wie möglich loswerden wollte. Also drehte er sich ein paar Mal um die eigene Achse, bis er ein passendes Opfer gefunden hatte: Nah am Eingangstor stand ein Mitschüler aus der Parallelklasse. Ein weiteres einsames Herz, wie Duo ihn schon spöttisch bezeichnete. Mit gespielter Freundlichkeit sprach er ihn an und es gelang ihm doch tatsächlich, dem Kerl seinen Strauß Rosen anzudrehen, mit den Worten, er möge sie doch "seinem großen Schwarm schenken, da das Rosen der Liebe sind und das Mädchen, dem ein Junge sie schenkt, sich unsterblich in ihn verlieben wird." Er hatte das mal in einem dieser Shojo- Animes aufgeschnappt, die er sich immer zusammen mit Quatres jüngerer Schwester reinziehen musste, als er dort übernachtet hatte. Tja, und der arme Junge, den Duo so beschwatzt hatte, glaubte natürlich jedes einzelne Wort und rannte los seine Herzallerliebste zu suchen. (Nachdem er sich natürlich erst mal heftig an den Rosen geschnitten hatte.) Duo grinste nur gemein in sich hinein. Er würde sich schon irgendwie an diesem Abend amüsieren - auch wenn auf Kosten anderer.

Elbie hatte sich unterdessen geschickt vor Duo versteckt. Es würde schwierig werden, ihm den ganzen Abend aus dem Weg zu gehen.

Sie sah, wie Heero mit Relena tanzte.

Sie sah, wie Hilde mit Alan tanzte.

Wie gerne, wäre sie jetzt an ihrer Stelle.

Sie sah auch, wie Trowa mit Catherine tanzte.

Die beiden waren also auch schon hier.

"Elbie!", erschallte es da aus einer hinteren Ecke der Halle. Von dort kamen nun Tamara, Quatre und Chang heranspaziert. Damit wäre nun die ganze Clique anwesend.

"Tamara", freute sich Elbie. Sie fühlte sich gleich viel sicherer, wenn Tam in ihrer Nähe war.

"Wow, Tamara, du siehst hinreißend aus!", bewunderte Elbie sie. Tamara trug ein enganliegendes schwarzes Kleid mit einem gewagten Laufschlitz an der Seite.

"Ach, hör auf zu schleimen", scherzte Tam. Sie sah Elbie kurz mit einem einfühlsamen Blick an, welcher Elbie deutete, sie solle sich nicht so viele Gedanken wegen Alan machen. Doch gleich daraufhin lachte sie wieder von ganzem Herzen. Sie war heute bestens aufgelegt. "Hast du schon gesehen? Heero und Relena tanzen miteinander!", beugte sie sich zu Elbie vor.

Diese blickte wieder auf die Tanzfläche.

"Ich glaube, wir sollten es den beiden nachtun", bemerkte Quatre und streckte die Hand aus, um Tamara zum Tanzen aufzufordern. Diese erstrahlte übers ganze Gesicht und nahm stolz die Aufforderung an. Sie konnte ja nun tanzen, jetzt hatte sie keine Angst mehr davor.

Elbie sah nun auch diesem Pärchen hinterher. Wie sie begannen sich mit den anderen Paaren zu drehen. Rhythmisch zum Klang der Musik. Strahlende Augen von jungen Mädchen. Erwartungsvolle Mienen von jungen Männern. Das freche Grinsen von Duo Maxwell am anderen Ende des Saales.

Das freche Grinsen von Duo Maxwell?

Elbie schreckte merklich zusammen, als sie seinem Blick begegnete. Verstört suchten ihre Blicke einen Ausweg, doch sie konnte nur Chang entdecken, welchen Quatre und Tamara bei ihr gelassen hatten.

Naja, dann musste er halt hinhalten.

'Was tut man nicht alles, wenn man verzweifelt ist', dachte sich Elbie und ergriff Changs Hand.

"Tanz mit mir!", brachte sie hastig hervor. Sie war rot angelaufen, denn es war ihr schon etwas peinlich, doch bei weitem nicht so peinlich, wie Duo Rede und Antwort zu stehen.

"WAS?", keuchte Chang, welcher, verwirrt und geschockt wie er war, verzweifelt versuchte sich aus ihrem Griff zu befreien.

Doch Elbie ließ nicht locker.

"Bis du taub, oder was? Du sollst mit mir tanzen!"

Schlimmer konnte es ja nicht kommen.

Chang schaltete auf stur. Es war anscheinend doch ein Fehler gewesen, zu diesem Ball zu gehen.

"Nein, ich denk ja gar nicht dran! Wieso sollte ich denn ...", stammelte er, doch Elbie wusste, wie sie Chang dazu bewegen konnte.

"Was ist? Bist du etwa zu feige?", fragte sie herausfordernd. Wohl wissend, dass Chang darauf sehr gereizt reagieren konnte.

"Beweise, dass du ein Mann bist!" Und mit diesen Worten streckte sie ihm ihre Hand entgegen.

Changs Miene verwandelte sich von Schockiert über Wütend zu Schmollend.

So etwas konnte er sich nicht sagen lassen.

Nicht von einem Mädchen.

Nicht von Elbie.

Er ergriff unsanft ihre Hand und zerrte sie hinter sich her auf die Tanzfläche.

Naja, es sah eher tolpatschig als elegant aus, als die beiden tanzten, was wohl hauptsächlich daran lag, dass Elbie sich strikt weigerte, das Führen dem Manne zu überlassen. Der Tanz von Elbie und Chang sah eher wie ein Kampf um die Führungsrolle aus. Doch es genügte, um Duos Gesicht den Ausdruck einer Almkuh zu verleihen.

Auch Trowa und Catherine, wie auch Hilde und Alan wurden auf dieses seltsame Paar aufmerksam.

Sie lächelten in sich hinein, glücklich, dass dieser Ball bisher so wundervoll verlief.

Doch am glücklichsten war an diesem Tag auf jeden Fall Relena.

Schweigend tanzten sie und Heero, als wenn es nur diesen einen Moment für sie geben würde.

Keine traurige Vergangenheit.

Keine ungewisse Zukunft.

Keine Sorgen und kein Leid.

Nur die Musik und den Tanz.

Und sich selbst.

Sie fühlte Heeros Hand, wie sie sich um die ihre schloss.

Er war stark und dennoch auf seine Art sanft zu ihr.

"Relena ..."

Sie genoss es, sich an ihn zu schmiegen, und die Welt um sich herum zu vergessen.

"Relena ..."

Dieses Gefühl der Wärme und Geborgenheit, das sie jetzt empfand, wollte sie nie wieder hergeben.

"Relena!"

Sie hörte Heeros Stimme nur wie durch einen dichten Nebel.

Sie öffnete ihre Augen wieder, die sie geschlossen hatte aus Angst etwas zu sehen, das diesen Augenblick zerstören konnte.

Sie blickte zu Heero auf und ihr wurde wieder völlig klar, was sie für diesen Jungen eigentlich fühlte. Er war emotional verschlossen, oft kaltherzig und verbissen. Eben ein Soldat, ein Kämpfer. Und er war manchmal wahnsinnig kompliziert ... doch dann seine Augen. Sein jugendliches Gesicht. Relena konnte Seiten an ihm sehen, die für die meisten anderen Menschen verborgen blieben.

Heero war ein guter Mensch.

"Relena ... die letzten Wochen waren für uns beide ziemlich ... wie soll ich sagen ... ziemlich ..."

"Ich weiß", fiel sie ihm ins Wort. Die letzten Wochen waren eine Qual für sie gewesen und auch an Heero waren sie nicht spurlos vorbeigezogen. Sie wollte auch diese Zeit wieder vergessen, denn nun endlich hatte sie doch das, was sie sich immer erträumt hatte: eine schöne heile Welt.

Sie schmiegte sich wieder tanzend an ihren Partner.

Ein Nebel hüllte sich um sie.

Es war wieder dieser wohlige, friedliche Nebel, der sie vor allem schützte.

Sie und Heero.

"Ich möchte nicht, dass es noch mal so weit kommt, Relena", sagte Heero sanft.

Relena nickte kaum merklich. "Dann lassen wir es halt nicht mehr so weit kommen." Sie war irgendwie schläfrig geworden.

Heero sah auf sie hinab und drückte zärtlich sein Gesicht in ihr Haar.

"Nein, wir lassen es nie wieder so weit kommen", murmelte er leise. "Wir werden ab jetzt immer offen zu einander sein, nicht wahr?"

Relena antwortete nicht.

"Nicht wahr?", fragte Heero nochmals nach.

Ernst sah Relena nun zu ihm auf.

"Was willst du mir sagen, Heero?"

Er trat einen Schritt zurück, versteifte sich und war plötzlich wieder der abweisende Heero.

'Ich hab's vermasselt', schoss es ihm durch den Kopf. 'Dieser perfekte Moment und ich will mit ihr über die politische Lage reden ... ich bin ein Volltrottel ... ich sollte es aufgeben, so zu sein, wie ich nicht bin!'

"Ja", drang da eine sanfte Stimme zu ihm durch.

"Ja, vollkommen offen."

Relena lächelte und ihr Lächeln schien bis tief hinab in Heeros Herz.

"Ich habe in den letzten Wochen viel nachgeforscht. Du weißt schon, wegen dieser einen Sache ..."

Heero sah sich vorsichtig um. Er konnte belauscht werden, Feinde vermutete er hinter jeden Ecke. Doch er musste es jetzt einfach sagen. Er wollte doch offen und ehrlich zu ihr sein. Einfach so weiter diesen Abend mit ihr zu genießen mit dem Wissen, was er alles vor ihr verheimlichte, konnte er nicht. Ihr gerade erst wieder gewonnenes Vertrauen wollte er nicht gleich wieder verlieren.

"Ich habe zusammen mit Trowa etwas recherchiert und was wir herausgefunden haben ist ..."

Er sah in ihre wunderschönen Augen und stockte.

Diesen Blick hatte er schon lange nicht mehr gesehen.

"Du weißt, dass etwas heraufzieht, nicht wahr, Relena?"

Mit einer heftigen Bewegung krallte sich Relena an Heero fest und schmiegte sich wieder an ihn.

"Ja, ich weiß, dass meine Welt zerbricht", schluchzte sie leise.

Tamara, welche mit Quatre ganz in der Nähe tanzte (und sie tanzte gut, Quatre hatte nicht mal Verdacht geschöpft, dass dies das Resultat eines Duo-Maxwell-Tanz-Crasch-Kurses war), war schon seit einiger Zeit auf ihren Bruder und seine Tanzpartnerin aufmerksam geworden und achtete besorgt auf dieses Pärchen.

"Noin hat sich bei mir gemeldet. Es laufen Verhandlungen, Beratungen, alle sind in Alarmbereitschaft. Ich sollte noch meinen Bruder anrufen. Er wollte mir etwas Wichtiges sagen, wahrscheinlich nichts Gutes."

Sie schwieg einen Moment. Heero wartete geduldig, bis sie weitersprechen wollte.

"Ich habe nicht zurückgerufen. Ich wollte es nicht, nicht vor dem Ball!"

Hoffnungsvoll blickte sie zu Heero auf.

"Ich weiß, dass ihr euch auch Sorgen macht und dass ihr euch schon längst in die Ermittlungen eingeklinkt habt. Aber nicht heute!"

Ihre Stimme war fast am Absterben.

"Nicht heute, Heero! Dieser Abend ist alles was zwischen uns und einer weiteren Katastrophe steht, ich fühle das! Lass ihn nicht so schnell enden! Bitte nicht, Heero, bitte nicht!"

Heero lächelte sie verständnisvoll an: "Gut, reden wir nicht mehr darüber. Dieser Abend soll ..."

Er sah ihr wieder tief in die Augen.

"... dieser Abend soll ..."

Tamara sah mit einem Stirnrunzeln, wie sich Heero und Relena immer näher kamen.

"... dieser Abend soll ewig dauern."

Während Relena sich auf die Zehnspitzen stellte und Heero sich zu ihr hinabbeugte, kamen ihre Gesichter sich immer näher.

Tamara warf einen strengen und alarmierenden Blick zu Elbie hinüber, welche sie in dem ganzen Getümmel zusammen mit Chang ausgemacht hatte. Die beiden kämpften noch immer um die Führung. Mit einem Nicken deutete Tam in die Richtung von Heero und Relena.

Elbie verstand.

Relenas Herz pochte bis zum Hals.

Endlich würde sie Heero küssen können.

Sie konnte bereits seinen Atem auf ihrem Gesicht spüren, als plötzlich ein derber Stoß von hinten die gesamte Atmosphäre zerstörte. Relena prallte dumpf vor Heeros Brust und er konnte wohl nichts anderes mehr tun, als liebevoll Relenas Haarspangen zu küssen.

"Ups, sorry!", rief ihnen Elbie noch nach, welche mit Chang auch schon wieder wild und nicht wirklich im Takt von dannen tanzte.

Relena und Heero sahen den beiden entsetzt hinterher. Dann blickten sie sich an und erröteten.

In dem Augenblick setzte die Musik aus. Der Tanz war beendet und die ersten Pärchen verließen nun wieder die Tanzfläche. Es wurde das kalte Büfett eröffnet und eine wahre Schlacht begann.

Duo, welcher eigentlich als der berüchtigtste Büfett- Kämpfer galt, hielt sich jedoch noch immer abseits der Menge. Er hatte die Tanzfläche aufmerksam beobachtet und ihm war auch aufgefallen, dass sich alle prächtig amüsierten. Trowa war glücklich zusammen mit seiner Schwester, Hilde war bis über beide Ohren in Alan verliebt und zu allem Überfluss glaubte Duo auch, dass dieser ihre Gefühle erwiderte. Er mochte Alan eigentlich ganz gut leiden, aber Hilde bedeutete ihm doch sehr viel und er war sich nicht recht sicher, ob sie bei diesem Aufschneider in guten Händen wäre. Der Tanz von Chang und Elbie hatte ihn dann wohl doch wieder etwas erheitert, jedenfalls so lange, bis er Tamara gesehen hatte. Tamara mit Quatre. Die beiden gaben ein traumhaftes Paar ab: Sie elegant in schwarz und er edel in weiß, ein schöner Kontrast. Geschmeidig bewegten sie sich über die Tanzfläche. Eigentlich hätte Duo stolz auf sich sein können, denn im Grunde hatte er ihr so gut tanzen beigebracht (mit etwas Hilfe von Hilde), doch er erinnerte sich nur an die mühsamen Abende zusammen mit Heeros Schwester ... und wie sehr er die Zeit doch genossen hatte. Duo wurde traurig: er hatte keine Lust mehr sich an diesem Abend zu amüsieren.

Tamara sah einfach bezaubernd aus.

Unbemerkt hatte sich Duo in die dunkleren Teile der Halle verzogen.

Bezaubernd. Einfach nur wunderschön.

Duo lächelte ironisch.

Sie passte zu Quatre.

Gegen halb 11 Uhr abends war er dann vollkommen aus dem Saal verschwunden, doch alle waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass sich jemand wirklich darum gekümmert hätte.
 

"Was macht ihr denn hier?", fragte Catherine erstaunt, als sie und Trowa zusammen eine Umkleidekabine der Turnhalle betraten.

Elbie und Chang schraken beide auf. So wie Trowa und Catherine die beiden vorfanden, war es doch eine Situation, die stark missverstanden werden konnte.

Elbie und Chang.

Allein.

Allein in einer einsamen Kabine.

Beide liefen rot an und begannen zu stottern.

Trowas Miene war wie eh und je ausdruckslos, doch als Catherine spöttisch zu lachen begann, fühlte sich Chang genötigt seine Ehre als Mann wieder herzustellen und diese peinliche Situation aufzuklären.

"Das ist nicht, wie es scheint!", schrie er wütend los.

"Wie scheint es denn?", fragte Trowa gelassen und trat ein.

Elbie, die die Fassung schon wieder etwas zurückgewonnen hatte, drückte Chang zurück auf einen Sitz. Catherine erkannte da, dass sie dabei war, Changs Hand zu verarzten, welche tiefe Kratzer aufwies.

"Der Sanitätsraum war überfüllt, darum sind wir hierher gegangen", erklärte sie. Doch irgendwie war sie nicht richtig bei der Sache.

"Überfüllt?", fragte Trowas Schwester.

"Ja", maulte Chang, "das Büfett scheint nicht allen ganz gut bekommen zu sein und nun hocken die alle dort und kotzen die Eimer voll! Da drinne war ein Gestank, das glaubt ihr nicht. Wer nicht schon krank da rein kam, der wurde es sicherlich, wenn er drinnen war."

Elbie lächelte.

"Und was ist mit deiner Hand passiert?", fragte Trowa, den das aber nicht wirklich zu interessieren schien. Er nahm aus einem Schrank an der Wand den Mantel von Catherine und reichte ihn ihr.

Chang verzog derweil sein Gesicht. "Ts ... da war so ein Spinner auf dem Ball, der wollte Elbie unbedingt so ein abartiges Gesteck von Rosen andrehen ... nur dass da mehr Dornen als Rosen dran waren."

Da schaltete sich auch Elbie ein: "Ja, nur dass Chang es für seine Pflicht hielt, dieses an mich gerichtete Geschenk anzunehmen ... die Resultate seht ihr hier!" Dabei hielt sie demonstrativ Changs ramponierte Hand hoch.

"Das ist doch bloß, weil der Typ sie nicht hergeben wollte ..."

"Klar! Sie waren ja auch nicht für dich!"

"Wisst ihr was", lachte Catherine, während sie ihren Mantel anzog, "ihr hört euch an wie ein altes Ehepaar!" Sie lächelte und machte sich daran, Trowa zu folgen, welcher schon voraus gegangen war.

"Was? Ihr geht schon?", fragte Elbie und ließ Changs Hand derb auf den Tisch knallen.

"Ja", meinte Catherine traurig. "Trowa scheint auf etwas Wichtiges heute Abend zu warten, deswegen möchte er auch jetzt schon wieder zurück zum Zirkus."

Chang horchte auf.

"Naja, ich lass ihn mal lieber nicht warten."

Und mit diesen Worten war sie auch schon hinausgelaufen.

Elbie wollte sich gerade wieder Chang zuwenden, doch sie erschrak, als sie den Blick in seinem Gesicht sah. Er war unheimlich ernst und finster. Denn Chang kannte Trowa und wusste, dass dieser irgend etwas plante.

Plötzlich kam Catherine nochmals in das Zimmer gestürmt und rief mit einem vielsagenden Unterton: "Und euch beiden noch viel Spaß heute Abend!" Wobei sie ihnen noch ein letztes Mal zuzwinkerte.

Und so verließ sie Elbie und Chang, wie sie sie auch vorgefunden hatte: Peinlich berührt und mit hochrotem Kopf.
 

Auch Tamara hatte ein rotes Gesicht, doch wohl eher vor Anstrengung, denn als es ihr im Saal zu laut geworden war, hatte sie sich mühevoll einen Weg durch die Menge gebahnt und war auf das Dach der neuen Halle hinaufgestiegen. Sie verschnaufte einen Moment, als sie in die kühle Nacht hinaustrat, und atmete tief ein.

Die Luft war frisch und eine kühle Brise wehte ihr die Erschöpfung aus dem Gesicht.

An die Wand des Treppenhauses gelehnt, blickte sie nach oben in den klaren Sternenhimmel. Seit jeher liebte sie Nächte wie diese ... es waren Momente, in denen sie sich völlig frei fühlte.

Erst nach einigen Minuten bemerkte sie, dass sie nicht allein auf dem Dach war.

Noch jemand anderes hatte sich aus dem Ballsaal geflüchtet und stand nun an das Geländer gelehnt am Rand des Daches.

Auch wenn Tamara im Schein der Sterne und des Halbmondes nur die Silhouetten der Person erkennen konnte, so verrieten doch die männliche Statur und der Knie lange, geflochtene Zopf, um wen es sich da handelte.

"Sieh mal einer an", sagte Tamara im Heranschlendern. "Und dabei halten dich alle immer für den übelsten Partylöwen. Und was ist, wenn die Fete gerade so schön am Laufen ist?"

Duo drehte sich erschrocken um.

Tamara stand nun schon direkt neben ihm am Geländer.

"Da verziehst du dich klammheimlich aufs Dach!"

Sie blickte in die Ferne, an den Schulgebäuden vorbei und über den Wald, bis hin in die benachbarte Stadt, von der nur einige Lichter zu erkennen waren, wie kleine Diamanten in der Dunkelheit.

"Bin ja wohl nicht der Einzige, oder?", gab Duo von sich.

Tam blickte ihn unschuldig an und ließ dann ihre Gedanken schweifen.

"Es ist unten einfach zu laut geworden. Zu viele Leute", meinte sie abwesend.

"Und Quatre?", fragte Duo. Es sollte beiläufig klingen, doch er befürchtete, dass von Tamara nun Kommentare wie "Eifersüchtig?" oder "Nicht dein Problem!" kommen würden.

Doch sie lächelte nur verträumt.

"Ich kann ihn doch nicht den ganzen Abend an mich binden, oder?"

Duo horchte auf und sah sie an.

Tamara bemerkte dies und sagte: "Er tanzt nun mit einer anderen."

"Aber ...", stotterte Duo los, doch er konnte sich noch rechtzeitig abhalten, sie zu fragen, ob denn nun etwas zwischen ihr und Quatre laufen würde oder nicht.

Tamara blickte wieder still in die Nacht hinaus. Irgendwie hatte Duo das Gefühl, dass etwas nicht stimmen würde. Sie machte den Eindruck, als würde sie diese Nacht so genießen, als wenn es ihre letzte wäre. Ja, genau das war es. Er machte sich Sorgen um sie, denn sie wirkte melancholisch und doch ... in einer gewissen Weise so endgültig.

Die Glocke im alten Schulturm schlug gerade halb 12, als aus dem Saal wieder laute Musik erklang. Sie drang bis hinauf auf das Dach, so dass Duo und Tamara genau hören konnten, um welches Stück es sich handelte.

"Tanz mit mir", sagte da ganz unverhofft Tamara.

Mit so etwas hatte Duo nun wirklich nicht gerechnet. Verwirrt sah er sie an.

"Jetzt tu schon nicht so." Sie streckte ihm ihre Hand entgegen. "Hier oben an der frischen Luft lässt es sich viel besser tanzen als unten im stickigen Saal."

Wie in Trance ergriff er ihre Hand und zog Tamara zu sich.

Sie hatten schon oft zusammen getanzt, doch es war wohl noch nie so wie jetzt gewesen.

Duo rätselte die ganze Zeit, warum Tam sich plötzlich so benahm, doch gleichzeitig war er auch unendlich glücklich. Nach einer Weile interessierte das Warum und Wieso ihn auch nicht mehr, nur noch der Moment zählte. Die Tatsache, dass er mit Tamara tanzen konnte. Nicht, weil er es ihr versprochen hatte um ihr Tanzen beizubringen oder aus sonstwelchen Gründen, sondern einfach nur weil Tam ihn darum gebeten hatte. Weil sie es so wollte.

Er schloss seine Augen und atmete zufrieden den Duft ihrer Haare ein.

Wenn es doch nur immer so sein könnte.
 

Im Saal tanzten Heero und Relena.

Sie genossen ihre letzten glücklichen Momente ohne einen Gedanken an ihre ungewisse Zukunft.
 

In einer Kabine saßen Chang und Elbie.

Sie stritten sich.

Und doch fühlten sich beide behaglich und sicher.
 

In einem Auto saßen Catherine und Trowa.

Sie fuhren zum Zirkus zurück.

Trowa blickte nervös auf die Uhr.

Er war zu spät.
 

Es war 11 Uhr und 43 Minuten.
 

Vor der Tür der Sporthalle standen Hilde und Alan.

Sie wollten gerade wieder hinein gehen, um weiter zu tanzen.

Alan musterte nachdenklich den Himmel.
 

Am Büfett unterhielt sich Quatre gerade mit einem hübschen dunkelhaarigen Mädchen.

Er hatte sie erst heute getroffen.

Sie ging in die gleiche Klassenstufe, doch sie war ihm vorher noch nie aufgefallen.

Er wollte sie näher kennenlernen.
 

Auf dem Dach der Sporthalle tanzten abseits allen Trubels Duo und Tamara.
 

Es war nun Viertel vor Zwölf.
 

Und es begann.
 

Trowa hielt den Wagen an, sprang aufgeregt heraus und starrte in den Nachthimmel.

Doch er sah sich nicht den Glanz der Sterne oder den Mond an.

Was er erblickte, waren die düster schimmernden Körper von Kampfmaschinen.

Flugzeuge, Kampfgleiter, Mobile Suits.

Und sie alle hatten nur ein Ziel: Den Hauptstützpunkt der derzeitigen Erdregierung.
 

Durch die Stille der Nacht drangen plötzlich Geräusche, wie Duo sie immer zu verdrängen suchte.

Es waren Geräusche von Kampf, Krieg und Tod.

Erschrocken riss er sich aus seinen Träumereien und erkannte am Himmel etwa ein dutzend bewaffnete Mobile Suits, welche an Transportgleitern befestigt waren und geräuschvoll über den Schulgebäuden hinwegflogen.

Seine Augen weiteten sich vor Schreck: Es waren keine Kampfeinheiten der Erde oder der Kolonien.

Im schwachen Licht der Sterne konnte er das dunkle Banner der Black Dragons erkennen.

Ein schwarzer Drache in einem unterteilten Dreieck.

Unmerklich klammerte sich Tamara an ihn.

Sie blickte nicht hinauf in den Himmel.

Sie ignorierte den Lärm.

Sie wollte einfach nur weitertanzen.

Doch sie wusste, dass das nun vorbei war.
 

Mit einem Knall flog die Tür zum Treppenhaus auf und Chang stürzte auf das Dach hinaus, gefolgt von Heero und Quatre.

"Verdammt", fluchte Heero lauthals, als er die davonfliegenden Mobile Suits sah.

"Sie bringen es schon in den Nachrichten", meinte Chang Zähne knirschend. "Von überall her nähern sich Mobile Suits und Kampfgleiter der Piraten ... die scheinen echt so blöd zu sein und wollen den militärischen Stützpunkt der Regierung angreifen."

"Aber ...", begann Quatre, doch er wusste nicht direkt, was er eigentlich sagen wollte.

Alle waren wie gelähmt, als sie in der Ferne das beunruhigende Aufblitzen und wieder Verlischen von Lichtern sahen. Die Anzeichen eines heftigen Kampfes.

"Wir müssen los", sagte Heero verbissen und in einem Ton, der keinen Zweifel mehr zuließ.

Heero, der Soldat und gnadenlose Kämpfer, war wieder da.

Während er wieder zum Treppenhaus zurücklief, riss sich Duo von Tamara los und rannte zum Rand des Daches. Unten sah er vor dem Eingang zur Turnhalle in einem Getümmel von Schülern und Lehrern, die alle entsetzt den Mobile Suits nachsahen, unter anderem auch Hilde und Relena.

"Hilde!", rief er ihr hinunter.

Diese blickte nach einigem Suchen zu ihm auf und nickte. Sie hatte verstanden, dass es nun Zeit war, den Ball zu verlassen. Eilig lief sie an Relena vorbei, welche traurig in den nun wieder ruhigen Himmel sah. Sie war eine der ersten, die wieder in den Saal zurückkehrten. Flüchtig erblickte sie noch Elbie und Alan, welche sich in dem nun aufkommenden Tumult einen Weg zum Ausgang bahnten. Es sollte das letzte Mal sein, dass sie die beiden mit ihren eigenen Augen sah.

Doch nun musste sie telefonieren.

Es war Zeit ihren Bruder zurückzurufen.
 

"Tamara", rief Heero kalt, bevor er das Dach verließ.

Quatre und Chang rannten schon wieder an ihm vorbei und auch Duo, welcher noch ein letztes Mal zu Tamara hinsah, ging aufgewühlt davon.

"Lass dich von jemandem so schnell wie möglich nach Hause bringen."

Mit diesen Worten war auch Heero verschwunden.

Tamara stand allein und einsam auf dem nun leeren Dach des Schulgebäudes.

Sie starrte auf den Boden und ein trauriges Lächeln huschte über ihr Gesicht.

Sie murmelte leise vor sich hin.

"Viertel vor Zwölf ... es hat begonnen ... Willkommen zurück ... im Krieg!"

Eine Welt zerbricht

LETZTES KAPITEL

Eine Welt zerbricht
 

"Nein! Das ist doch nicht dein ernst!"

Tamara tobte. Sie war sichtlich aufgelöst und verzweifelt. Wie eine Furie fegte sie durch das gesamte Haus, immer ihrem Bruder hinterher.

Duo stand in der offenen Tür und machte ein betrübtes Gesicht. Er hatte beide Hände in den Hosentaschen.

So ganz in schwarz und noch dazu mit dem Gesichtsausdruck, wirkte er wie der Tod, der bei Yuis an die Haustür klopft.

Und so ähnlich war es ja auch.

Hilfe suchend sah Tamara ihn an, doch Duo wich ihrem Blick aus.

Sie hatte die ganze Nacht nicht geschlafen, da sie auf die Rückkehr ihres Bruders gehofft hatte. Erst gegen etwa fünf Uhr in der Frühe war er wiedergekommen.

Und wollte auch gleich wieder gehen.

"Das ist doch Selbstmord, Heero", schrie sie zu ihm hinauf.

Heero kam gerade die Treppe herunter. In einem kleinen Rucksack bei sich hatte er noch einige Sachen aus einer Abstellkammer geholt.

Tamara stellte sich ihm in den Weg, doch er schob sie derb beiseite und verschwand kurz in seinem Zimmer. Sie war müde und ausgelaugt, doch sie gab es nicht auf, Heero vor einem ihrer Meinung nach echt gravierenden Fehler zu bewahren.

"Das kannst du nicht machen, Heero", fing sie wieder an, als er aus seinem Zimmer herauskam. "Sag mir doch mal, was du dir davon erhoffst? Du hast doch keine Chance! Das ist Irrsinn!"

Heero ignorierte sie einfach.

Sein Entschluss stand fest. Die Formalitäten waren bereits erledigt. Er war wieder im Dienst. Und diesmal ganz offiziell.

Die Erdregierung, welche nun mit den Kolonien kooperierte, hatte ein gemeinsames Heer auf die Beine gestellt und Heero war einer der ersten gewesen, der rekrutiert wurde. "Das vereinte Heer zur Wiederherstellung des Friedens" wurden sie im Volk schon genannt, doch im Grunde war es nur eine gewaltige Streitmacht zur Bekämpfung der Piraten, welche zu Staatsfeinden und Terroristen erklärt worden waren. Die Regierungszentrale war ihrem Überraschungsangriff fast wehrlos ausgesetzt. Um Mitternacht wurde dann der Ausnahmezustand ausgerufen und ein Vertreter der Ministerien hatte den Krieg gegen die Black Dragons für eröffnet erklärt.

Von draußen her waren die ungeduldigen Hupklänge eines Kleinwagens zu hören.

Tamara schrak auf und sah zur Tür. Auch Duo blickte hinaus und hob kurz die Hand zum Zeichen, dass er und Heero bald kommen würden. Chang und Quatre warteten in einem kleinen Auto. Sie waren zusammen mit Duo gekommen, um Heero abzuholen. Auf einer großen Lichtung ganz in der Nähe von Heeros Bude war ein Transportshuttle gelandet, welches das Militär entsendet hatte, um die fünf Gundampiloten zu einem kolonialen Stützpunkt zu bringen, wo sie über ihre ersten Einsätze informiert werden sollten.

"Es geht nicht anders", sagte Duo leise ohne Tam dabei anzusehen. "Wir wussten alle, dass dieser Moment irgendwann kommen würde."

"ACH, JA?", schrie Tamara ihn laut an. Sie war gerade wieder dabei, ihre gesamte aufgestaute Wut auf Duo zu projizieren.

"Frieden ist leider nicht von Dauer", meinte Quatre, welcher nun auch zur Tür gekommen war.

Tam sah ihn enttäuscht an. Es war, als würde sich auch der letzte Mensch, auf den sie all ihre Hoffnungen gebaut hatte, gegen sie wenden. Quatre war doch auch Pazifist ... so wie Relena ... wenigstens von ihm hätte Tam eine friedliche Lösung erwartet.

"Wir werden aber dafür kämpfen, Tam, dass der Frieden eines Tages anhält", sprach er sie leise an. Quatre berührte sie an der Schulter und sah ihr direkt in ihr hübsches Gesicht. Es wirkte nun angespannt und am Ende seiner Kräfte. Doch in Tamaras Augen leuchtete etwas, das er nicht identifizieren konnte. Quatre ignorierte das einfach.

"Wir werden für eine Welt kämpfen, in welcher Menschen wie du oder Alan und Elbie und viele andere in Frieden leben könnt!"

Tamara war den Tränen nahe.

"Du kapierst doch gar nichts, Quatre!"

Mit diesen Worten riss sie sich von ihm los und schmiss sich in einen Sessel. Sie vergrub ihr Gesicht tief in ihren Händen und schluchzte nur noch leise vor sich hin.

Eine Weile lang sah Quatre sie verzweifelt an. Duo blickte hinaus zum Wagen - auch er musste sich stark zusammenreißen. Er hatte ein ungutes Gefühl.

"Kann losgehen", erklang da die kalte Stimme von Heero.

Er war mit Packen anscheinend fertig - eigentlich dauerte das bei ihm ja nie ziemlich lange, doch diesmal hatte er alle angesammelten Informationen über den damaligen Angreifer und seine eigenen folgenden Recherchen zusammengesucht und mitgenommen. Irgendwie hatte er so das Gefühl, dass ihm diese Daten noch nützlich sein könnten.

Grob warf er Quatre seine Reisetasche zu und verschwand noch mal kurz in seinem Zimmer.

"Leb wohl, Tamara", sagte Quatre traurig und küsste sie zum Abschied auf den Kopf.

Er hatte Tamara sehr lieb gewonnen. Sie war wie eine Schwester geworden und es schmerzte sehr, sie so zurückzulassen. Doch er wusste, dass es zu ihrer eigenen Sicherheit war.

Jedenfalls glaubte er das.

Stumm sah Duo dabei zu, wie Quatre an ihm vorbeiging und das Haus von Heero und Tamara für immer verließ. Hinter sich schloss er die Tür. Wahrscheinlich konnte er den Anblick von Tamara, wie sie verzweifelt im Haus saß und krampfhaft versuchte, die Menschen, die ihr lieb und teuer waren, vor dem Krieg zu bewahren, nicht ertragen.

Duo konnte das verstehen. Er war nun allein mit Tam im Wohnzimmer und hörte, wie Heero nebenan alle zurückgelassenen Beweismittel vernichtete. Typisch für ihn.

"Tu du doch wenigstens etwas dagegen!"

Duo sah auf.

Tamara hatte wieder etwas ihrer eigenen Selbstachtung zurückgewonnen. Und aufgeben würde sie wohl niemals.

"Du bist doch nicht dämlich, Duo!", schnauzte sie ihn an.

Dieser schrak etwas zurück und konnte einen verwirrten Gesichtsausdruck nicht unterdrücken.

"Auch wenn du manchmal so tust ...", sagte Tamara nun wieder etwas ruhiger beim Näherkommen.

"Dir ist doch klar, dass ihr nichts gegen diese Übermacht ausrichten könnt, oder?"

Tam hatte anscheinend die Nachrichten aufmerksam verfolgt. Die Black Dragons besaßen eine unerwartet große Kriegsstreitmacht - zu groß für eine normale Piratentruppe. Es würde ein harter Krieg werden.

"Warum mischt ihr euch da ein? Fünf Piloten mehr oder weniger, wen interessiert das schon? Es gibt doch wirklich andere Leute, die sich um so was kümmern ... Leute, die ... die darin einfach mehr Erfahrung haben!"

'Mehr Erfahrung', zuckte es Duo durch den Kopf. Er lächelte sarkastisch. Wenn Tamara doch wüsste, wieviel Erfahrung die fünf in Wirklichkeit schon hatten. Dann hätte auch sie einsehen müssen, dass sie die einzigen waren, die in diesem Krieg vielleicht wirklich etwas ausrichten könnten. Doch es war nicht der richtige Moment, ihr jetzt etwas über die düstere Vergangenheit ihrer Freunde zu erzählen, wobei Duo wirklich nicht wusste, wieviel ihr schon über die damaligen Geschehnisse zu Ohren gekommen war.

Er musste Tam jetzt klar machen, dass sie sich mit der Entscheidung ihres Bruders abfinden musste. Sie war doch sonst auch so stark und pfiffig ...

Duo riss sich zusammen und zwang sich ein typisches Grinsen ins Gesicht. Dann setzte er sein schwarzes Cap auf und beugte sich provokant zu Tam vor.

"So viel Tränen um einen räudigen Haufen wie uns?", fragte er charmant.

Tamara sah ihn einen Moment lang wie von Sinnen an, dann schaltete sie - wie erwartet - auf stur: "Ich heule gar nicht! Ich heule niemals!" Sie zog demonstrativ die Oberlippe hoch und trat zurück an die Wand, von wo sie Duo feindlich anfunkelte. Es war doch echt der Hammer, dass er in so einer Situation auch noch Witze machen konnte.

"Keine Sorge, Tam, Schätzchen!", sagte er, während er seine Mütze etwas weiter zurückschob.

Bei dem Wort "Schätzchen" zuckte Tamaras linke Augenbraue gereizt nach oben. Duo wollte es wohl wieder mal drauf ankommen lassen.

"Hör mal, Maxwell", wollte Tam ansetzen, doch Duo legte ihr unverschämt den Finger über die Lippen.

"Ts, ts, ts", machte er und schüttelte den Kopf. "So nicht, Blondie!"

Tamara stand kurz vor einem Ausraster, wie er noch nie dagewesen war. Sie ballte ihre zierliche Hand zur Faust, holte kurz aus und schlug dann mit aller Kraft auf Duo ein. Bei allen Streitigkeiten, allen Auseinandersetzungen, die sie je mit Duo gehabt hatte, noch nie hatte sie ihn geschlagen - jedenfalls nicht ernsthaft.

Doch Duo reagierte blitzartig und fing ihren Schlag mit der linken Hand ab.

Er konnte fühlen, wie Tamaras Kraft nachließ und sie sich nun hoffnungslos an die Wand lehnte.

"Du weißt doch, wie das Spiel läuft?", sagte Duo mit einem leichten Lächeln. "Ich ärger dich, du regst dich megamäßig auf und dann ist die Welt in Ordnung und alles ist beim Alten, oder?" Er sah sie mit traurigem Lächeln an.

Tam wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie blickte Duo einfach nur entmutigt an. In diesem Moment wurde ihr wohl klar, dass sie nichts mehr an dem Schicksal der fünf Jungen ändern konnte.

Genauso wenig, wie sie ihr eigenes Schicksal ändern konnte.

Wahrscheinlich sollte es wohl einfach so sein.

"Heute werde ich mich aber nicht mehr aufregen", sagte sie traurig. "Nicht heute ..."

Es klang wie ein Versprechen.

Duo konnte es fast nicht mehr ertragen, sie so zu sehen. Sonst war sie immer so lebensfroh, schlagfertig, optimistisch ... Das konnte doch nun nicht einfach alles weggeblasen sein?

Innerlich war im selbst zwar zum Heulen zumute, doch das durfte er ihr nicht zeigen. Er wollte sie mit einem bleibenden Eindruck hinterlassen. Und er wusste auch, wie er das anstellen konnte.

"Abwarten!", meinte er siegessicher.

Tam sah ihn verständnislos an.

Duo war nervös, aufgeregt, verunsichert ... doch er ließ sich das nicht anmerken.

Tam runzelte die Stirn.

"Ich hab einen Weg gefunden, dich zu ärgern, so wie ich es noch nie getan habe! Glaub mir, wenn dich das nicht auf die Palme bringt ..."

Heeros kleine Schwester lächelte Duo mitleidig an. Sie glaubte nicht, dass ihm das gelingen würde. Sie würde sich heute bestimmt nicht mehr ärgern ... nicht, wenn sie Abschied nehmen musste von den Jungen. Und sie wollte sich nicht im Streit von Duo trennen. Somit war sie fest entschlossen, auf keine seiner Sticheleien mehr einzugehen. Sie würde sein Spiel einfach nicht mitspielen ...

Doch für Duo war es kein Spiel mehr.

"Bereit für den ultimativen Schock?", fragte er ein letztes Mal, während das Lächeln auf seinen Lippen erstarb.

Tamara blickte ihn herausfordernd an.

'Egal, was kommt', dachte sie sich, 'Egal, was kommt: Ich bin auf alles vorbereitet!'

Und dann küsste Duo sie.

'Auf alles ... nur nicht auf das!'

Er hielt sie an den Handgelenken fest und presste sie mit seinem Körper gegen die Wand. Tamara riss die Augen auf in dem Moment, als Duos Lippen die ihrigen berührten.

Es war ihr erster Kuss.

Er schmeckte heiß und innig und doch war sich Tam dessen kaum bewusst, denn wie in einer Art Wachkoma war sie nicht in der Lage irgend etwas bewusst wahrzunehmen oder sich dagegen zu wehren. Wie von Sinnen konnte sie kaum erfassen, was eigentlich vorging.

Nur wage realisierte sie, wie Duos Zunge in ihren Mund eindrang. Ihr stockte das Herz, die Atmung setzte für einen Moment aus und eine kalte Lähmung ergriff ihren Körper, doch auch davon spürte sie nur kaum etwas.

Nach einem schier endlosen Moment löste er sich wieder langsam von ihr, schob sich das Cap tief ins Gesicht und flüsterte ihr leise ins Ohr: "See you in death."

Dann stieß er sich von ihr ab und sah zu, dass er Land bekam.

So schnell er konnte, lief er zur Tür und dann zum Wagen - aber auch nicht zu schnell, damit die anderen keinen Verdacht schöpften. Puterrot angelaufen stieg er dann auf den Beifahrersitz und schob sich seine Mütze so weit wie nur irgend möglich ins Gesicht.

'Ja', dachte er sich, 'das war ein echt gelungener Abgang.'

"Streit gehabt?", fragte ihn Quatre noch immer traurig.

Duo murmelte etwas Unverständliches vor sich hin, was Quatre jedoch als ein Ja deutete.

'Wenn der wüsste', dachte sich Duo im Stillen.
 

Im Haus stand Tamara noch immer gelähmt an die Wand gelehnt, doch langsam erwachte sie aus ihrer Starre und versuchte krampfhaft das Geschehene zu verarbeiten.

'Er hat mich geküsst', schoss es ihr durch den Kopf.

Mit den Nerven am Ende sank sie auf den Boden und vergrub das Gesicht in ihren Händen.

'Er hat mich tatsächlich geküsst! ... dieser Vollidiot ...'

Und zum ersten Mal in ihrem Leben weinte sie.

Nicht wegen Duo, nicht wegen Heero oder den anderen.

Sie weinte wegen dem, was kommen würde.

Sie weinte wegen der Zukunft.
 

Als Heero mit der "Reinigung" seines Zimmers fertig war, zog er sich eine leichte Jacke über (für sein kleines grünes Shirt war es heute wohl doch etwas zu frisch) und machte sich auf den Weg zum Wagen. Tam hockte noch immer regungslos an der Wand und Heero war es nur recht so, dass sie ihn zu ignorieren schien, denn er wollte sich nicht von ihr verabschieden. Er musste einfach gehen und wollte es ihr nicht noch schwerer machen.

Im letzten Augenblick, als Heero das Haus schon fast verlassen hatte, kam Tam jedoch wieder zur Besinnung. Schnell wischte sie sich die Spuren ihres nervlichen Zusammenbruches aus dem Gesicht und sprang ihm hinterher.

"Warte, Heero!", rief sie atemlos. Sie folgte ihm noch immer völlig aufgelöst bis auf die Veranda und blieb dort stehen.

Heero drehte sich auf dem Treppenabsatz zu ihr um.

Beide sagten kein Wort, sondern sahen sich nur an.

Heero las in den Augen seiner Schwester all die Dinge, die sie ihm hätte sagen wollen.

All ihre Verzweiflung, ihre Angst ...

Das und noch etwas ... es war wie eine abgrundlose Tiefe, deren Bedeutung er nicht kannte.

Dann endlich brach sie das Schweigen:

"Was ist, wenn wir uns nicht wiedersehen?"

Ihre Stimme war fast am Absterben.

Heero lächelte zuversichtlich, beugte sich zu ihr hoch und berührte sie an der Wange.

"Keine Sorge", meinte er sanft. "Ich werde nicht sterben. Das verspreche ich dir!"

Er versuchte zu lächeln, doch Tam kam ihm zuvor.

Sie blickte ihn an wie ein kleines Kind, dem man seinen Glauben an den Weihnachtsmann nicht nehmen wollte. Langsam und sehr traurig lächelte sie ihn an. Dies war der Moment, in dem sie endgültig aufgegeben hatte. Sie nahm ein letztes Mal seine Hand in die ihre und dann drehte sie sich um. Aus den Augenwinkeln heraus konnte sie die anderen noch am Auto sehen ... und dann verschwand sie wieder im Haus und schloss die Tür hinter sich.

Kein weiteres Wort des Abschieds.

Kein "Leb wohl" oder "Ich warte auf euch".

Einfach nur eine verschlossene Tür.

Heero stand noch eine Weile vor der Veranda und sah in Gedanken auf das Haus, doch dann atmete er tief ein und ging die letzten Schritte zum Wagen.
 

Das war er also ... der Abschied von seiner Welt.

Seine Welt ... die er sich in den letzten Monaten mit Mühe erbaut hatte.

Seine Welt ... die er nun verlassen musste.

Doch sie existierte noch ... er würde für seine eigene kleine Welt kämpfen ... er würde sie beschützen ... damit er eines Tages dahin zurückkehren konnte.
 

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"Ob es hier auch nette Stewardessen und Käsecracker gibt?"

Duo hatte einen Teil seines Humors wiedergefunden.

Chang sah ihn nur entnervt an und setzte sich an seinen hart umkämpften Fensterplatz.

Das Shuttle würde sie zu einer kleinen Raumstation in Erdnähe bringen. Jeden Moment sollte es losgehen.

Heero hatte die Piloten gebeten, beim Abflug noch mal über sein Haus zu fliegen.

Ein letztes Mal wollte er dieses Haus sehen, dass er nun als sein Zuhause bezeichnete.

Mit einem Ruck hob das Shuttle ab und während Duo für eine aufgelockerte (um nicht zu sagen "ausgelassene") Stimmung sorgte und den Trübsal der anderen vertrieb, sah Heero verträumt aus dem Fenster hinab auf sein kleines Anwesen.

Tamara hatte ihnen den Abschied wirklich nicht leicht gemacht.

Er hoffte, dass es ihr gut gehen würde.

Nein, eigentlich war er sich sicher ... sie war auf ihre eigene Art und Weise eine kleine Überlebenskünstlerin. Sie würde schon jemanden finden, der sie beschützt. Jedenfalls wünschte sich Heero das.

Duo lehnte sich über den Sitz vor ihm und erhaschte auch einen Blick aus dem Fenster.

Einen kurzen Moment lang wurde Duo ernst, was Heero stutzig machte. Doch das währte nicht lange: "Du hättest dich ruhig mal um diese Unkrautbüsche im Vorgarten kümmern können!"

Heero blickte ihn kalt an.

"Ehrlich mal", fuhr Duo fort, ohne diesem Blick auch nur die geringste Beachtung zu schenken. "Es sah ja schon immer total wüst aus, aber von hier oben sieht man erst mal richtig, WIE wüst das eigentlich ist. Da könnte sich jemand drin verlaufen und verhungern, bevor er den Ausgang gefunden hat aus diesem Mini- Horror- Wald!"

"Heero", drang die sanfte Stimme von Quatre herüber. "Es ist Zeit, loszulassen."

Heero nickte und zog die Rolladen an seinem Fenster herunter.

Enttäuscht setzte sich Duo wieder auf seinen Sitz.

"Ja, ignoriert mich ruhig weiter", maulte er rum.

"Omae o koruso", zischte Heero ihn an.

Ein breites Grinsen war die einzige Antwort die er erhielt, bevor Duo dann doch vorsichtshalber den Sitzplatz wechselte und es sich neben Trowa bequem machte

Plötzlich gab es einen dumpfen Ruck und ein Schlag dröhnte durch das gesamte Shuttle. Der Pilot hatte alle Mühe es unter Kontrolle zu behalten. Alle wurden einige Sekunden lang kräftig durchgeschüttelt, doch dann stabilisierte sich ihre Lage wieder.

"Was zum Teufel war das?", rief Heero aufgebracht.

Es hatte sich angefühlt, als wäre das Shuttle von einer Druckwelle erfasst worden.

"Oh, Gott!!!", entfuhr es Chang. Er saß geschockt auf seinem Sitz und starrte benommen aus seinem Fenster hinaus. Als auch Trowa hinaussah und sich sein Gesichtsausdruck von desinteressiert in stark beunruhigt wandelte, dämmerte Heero Böses.

Wie von Sinnen und in Zeitlupentempo griff er zu den Rolladen seines Bordfensters und ließ sie wieder hoch.

Und dann erstarrte er.

Duo, der neben ihm hinaussah, blieb das Herz stehen.

Heeros Welt war gerade zerbrochen.

Schwarze Rauchschwaden stiegen von der Stelle hoch, an der sich einst sein Haus befunden hatte.

Die gesamte Gegend im Umkreis von mehreren hundert Metern war wie weggebombt, Feuer züngelten in den wirren Überresten des einstigen Heimes.

Was war das gewesen?

Ein Angriff? - Nein, von Feinden war auch jetzt noch keine Spur, sagte Heeros innere Stimme.

Eine Bombe? - Warum?

Ein Unfall? - Nein ... Tamara wusste doch wie ...

TAMARA!!!

Heero realisierte in Bruchteilen von Sekunden, was da unten eigentlich geschehen war.

Tamara.

"Was ist, wenn wir uns nicht wiedersehen?", schossen ihm ihre Worte durch den Kopf.

Tamara war in dem Haus gewesen!!!

"ANHALTEN!", schrie Heero wie von Sinnen.

Am Ende des Abteils öffnete sich eine Tür und einige Soldaten traten ein.

"Bleiben sie ruhig, die Explosion hat auf uns keine Auswirkungen. Wir können ohne Probleme unseren Kurs fortsetzen", versuchte einer der Männer sie zu beruhigen, doch Heero war nicht zu beruhigen.

"HABEN SIE NICHT GEHÖRT?", schrie er die Männer an und machte Anstalten, zum Cockpit des Piloten vorzugehen. "SIE SOLLEN DAS VERDAMMTE SHUTTLE UMDREHEN!"

Rechtzeitig sprangen zwei Soldaten vor und hielten Heero zurück. Dieser begann sich verzweifelt zu wehren und nach ihnen zu schlagen.

"VERDAMMT! DAS WAR MEIN HAUS! ICH MUSS ZURÜCK!!!!"

Wie versteinert saß Duo auf seinem Platz und sah noch immer aus dem Fenster. Er hörte Heeros Stimme nur wie durch eine dichte Nebelwand, verzweifelt und panisch.

"Hören sie, die zuständigen Behörden werden sich darum kümmern! Aber sie haben jetzt eine andere Aufgabe ...", begann einer der Soldaten wieder, doch da Heero keine Anzeichen machte seinen Widerstand aufzugeben, holte er schnell einen kleinen Kasten aus dem Nebenraum, welchem er feine Betäubungsspritze entnahm.

Quatre und Chang sahen dem ganzen tatenlos zu, ersterer fast ohnmächtig in Angesicht der Tatsache, dass sie rein gar nichts daran ändern konnten, letzterer wütend. Sie waren zu fünft in diesem Shuttle und wurden von zig Wachsoldaten eskortiert. Zudem waren sie nun wieder dem Militär unterstellt und mussten Regeln befolgen ... und zudem ... war es wahrscheinlich eh schon zu spät ...

Weinend ließ sich Quatre in seinen Sitz fallen, während Heero die Spritze injiziert wurde.

Chang schlug aufgebracht mit der Faust gegen die Wand.

"Vielleicht ... lebt sie noch ...", keuchte Heero unter Schmerzen. Auch ihm kamen die Tränen. Er konnte es nicht wahrhaben. Er WOLLTE es nicht wahrhaben.

Die Soldaten setzten den nun bewusstlosen Jungen auf den Sitz neben Duo und schnallten ihn fest.

Es hatte keinen Sinn, Widerstand zu leisten.

"Da unten", murmelte Duo geistesabwesend, "lebt niemand mehr."

Eine solche Explosion konnte einfach niemand überleben.

Da stand kein Stein mehr auf dem anderen.

Aber warum?

Heero hatte das Haus schon lange verlassen ... wenn dieser Anschlag ihm gegolten hätte, dann wäre es ein reiner Fehlschlag gewesen.

WENN dieser Anschlag ihm gegolten hätte ...

WENN ...

Trowa runzelte die Stirn. Als einziger der Jungen hatte er noch die Nerven bewahrt und er traute der ganzen Sache nicht so recht.
 

Das war er also ... der Abschied von Heeros Welt.

Eine Welt ... die er sich in den letzten Monaten mit Mühe erbaut hatte.

Eine Welt ... die er nun verlassen musste.

Für immer.

Denn diese Welt existierte nicht mehr.

Heero würde nie wieder in dieses Haus und zu seiner geliebten Schwester zurückkehren.

Seine Welt war zerbrochen.

Das, wofür er nun noch kämpfen würde, war Vergeltung.

Trümmer

EPILOG

Trümmer
 

Allein.

Sie war nun wieder völlig allein.

Doch damit war nicht die gegenwärtige Abwesenheit von Personen gemeint.

Natürlich ... auch das traf zu, denn keine Menschenseele war weit und breit zu sehen, als Relena die Überreste des Hauses besichtigte.

Des Hauses, in dem Heero und seine Schwester gewohnt hatten.

Nun war dieses Haus zerstört.

Und sie war wieder allein.

Verlassen.

Da war niemand mehr, dem sie sich hätte anvertrauen können.

Traurig stieg Relena über einige Mauerreste und setzte sich etwa an dem Ort nieder, an dem sich einst das Wohnzimmer befunden hatte.

Heero und die anderen Piloten waren schon längst auf der Raumstation eingetroffen und in ihren militärischen Dienst eingewiesen worden. Jedenfalls vermutete Relena das ... Sie hatte eigentlich den Kontakt zu ihnen verloren und es gab gewisse Elemente in der Regierung, die ihre Beziehungen zu diesen fünf Soldaten am liebsten ganz unterbunden hätten.

Doch darum kümmerte sich Relena im Moment nicht.

Heero würde jetzt sowieso nicht mit ihr reden wollen.

Dünne Wolken zogen über den blauen Himmel dahin und Relena legte erschöpft ihren Kopf in den Nacken. Sie lächelte ironisch ... Das Wetter schien sich wieder über sie lustig zu machen. Strahlender Sonnenschein ... nichts wünschte sie sich sehnlichster, als dass es nun beginnen würde zu regnen.

Ja, es sollte in Strömen regnen.

Der Himmel sollte nicht lachen ... er sollte weinen.

Er sollte weinen, weil Relena es nicht konnte.

Sie konnte einfach nicht weinen um die Personen, die ihr nahe standen.

Um die Personen, die sie nun verloren hatte.

Tamara.

Sie versuchte jeden Gedanken an das schreckliche Ereignis zu verdrängen, doch es fiel ihr sehr schwer. Hier erinnerte einfach alles an sie.

Millardo.

Relena seufzte schwer.

Hätte sie ihn doch früher angerufen.

Vielleicht hätte sie ihn noch erreicht ... vielleicht wäre dann wenigstens er bei ihr?

Man hatte ihr von dem Vorfall bei Media Technologies berichtet ... auch von der Eplosion ... und vom vermeintlichen Tod ihres Bruders.

Eine Leiche war noch nicht gefunden worden, doch es war unwahrscheinlich ... ja, sogar schier unmöglich, dass diese Explosion jemand überlebt haben könnte.

Doch eine Leiche gab es nicht.

Genau wie bei Tam.

Noch keine Leiche.

Überhaupt war Relena, was die Untersuchungen über die Bombe in Heeros Haus anging, nicht besonders gut informiert. Man vermutete einen ferngesteuerten Sprengsatz, der in der Küche platziert worden war, doch genaueres wusste sie nicht. Es war nicht ihr Aufgabengebiet und sie war noch immer zu sehr in einem Schockzustand, als dass sie irgendeine Entscheidung treffen könnte.

Man hatte ihr eine Stelle im Ministerrat angeboten, auf dass ihre Präsenz dort der Bevölkerung eine Aussicht auf Frieden vermitteln würde, doch Relena hatte noch nicht zugestimmt.

Die Ereignisse hatten sich in der letzten Zeit viel zu sehr überschlagen.

Sie war hergekommen, um nachzudenken.

Um wieder zu sich zu finden.

Um ... zu reden ...

"Es ist nicht fair ...", sagte sie leise.

"Du hast mal gesagt, dass ich mit Heero reden sollte ... aber Heero ist nicht mehr da."

Ihre Stimme war dünn und zittrig.

"Er ist weggegangen ... und die anderen vier auch ... und Hilde ist auch weg ..."

Hilde war Duo auf die Raumstation gefolgt, wo sie sich um eine Stelle beim technischen Personal beworben hatte.

"... und ... und du ... du bist auch gegangen, Tam .. einfach so ... ohne dich zu verabschieden ..."

Dorothy, Elbie und Alan waren auch wie vom Erdboden verschwunden. Relena hatte versucht sie zu erreichen, doch in den Wirren des beginnenden Krieges war das sehr schwer.

"Und du hast doch noch meinen Teddy ... wahrscheinlich hast du ihn auch mitgenommen ..."

Sie begann planlos mit dem Schuh im Boden vor sich zu scharren.

"Mit wem ... soll ich denn nun reden, wenn ich Probleme hab?"

Unter einem Haufen grober Steine sah Relena etwas seltsam schimmern, fast phosphoreszieren.

"Ich ... hab ... nämlich Probleme, weißt du?", sagte sie, während sie aufstand und sich vor die Steine kniete. Relena machte sich dabei völlig dreckig, doch sie versuchte dennoch unter den Haufen zu greifen und herauszuziehen, was da ihre Aufmerksamkeit erregt hatte.

"Mit wem soll ich denn nun ...", doch sie war schon nicht mehr bei der Sache. Ihr ganzes Interesse schenkte sie nun den drei kleinen Steinen, welche sie zusammen mit etwas Asche und feinen Holzsplittern aus den Trümmern hervorgezogen hatte. Nachdem sie sie etwas abgeputzt hatte, konnte Relena auch feine Zeichen darauf erkennen.

Runen.

Perth.

Manaz.

Teiwaz.

Relena kannte weder ihre Namen, noch ihre Bedeutung. Aber sie fühlte sich besser.

Sie lächelte, schloss ihre Hand um den gefundenen Schatz und blickte zum Himmel auf.

Wahrscheinlich war es für sie so etwas wie eine Art Zeichen, denn sie lächelte.

Dankbar sah sie zu den Wolken hinauf und die Stärke und Entschlossenheit der wahren Relena Peacecraft traten zurück in ihr hübsches Gesicht.

"Danke", flüsterte sie in den Wind.

Ihr war klar, dass das, was sie in ihren Händen hielt, im Grunde Trümmer waren.

Trümmer ihrer schönen heilen Welt.

Ihre Welt ... auch sie war zerbrochen ... viele Welten waren es, die in den letzten Tagen zerstört worden waren ...

Doch Relena klammerte sich an die Runen, so wie sie sich an ihre Hoffnung klammerte.

Denn sie glaubte an ihre Hoffnung.

Und sie glaubte an ihre Zukunft.

Sie würde sich eine neue Welt erbauen.

Immer und immer wieder.

Eine Wellt für sich, ihre Freunde und alle anderen.

Und für Heero.

Dies war die Aufgabe, die ihr die drei kleinen Steine vermittelt hatten.

Sie hatte wieder ein Ziel vor Augen.

Doch was Relena in diesem Moment nicht wusste, war, wie beschwerlich und verlustreich der Weg zu diesem Ziel sein würde.
 

Perth.

Manaz.

Teiwaz.

Bald würden sie ihr wahres Gesicht zeigen.



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Kommentare zu dieser Fanfic (6)

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Von: abgemeldet
2004-12-07T11:57:15+00:00 07.12.2004 12:57
Ich find die Story echt voll cool! Sie gehört immer noch zu einer meiner LieblingsFFs! ^-^
Von:  Lorelei89
2004-11-26T11:32:50+00:00 26.11.2004 12:32
he bitte schreib dochn weiter ich will wissen wie es weiter geht ich warte schon 2 monate -.- *heul schnief*bBIITTTTEEEEEEEEE SCHREIB WEITERR ich wil wissen wies weiter geht bitte bitte bitte
lorlei89
Von:  Nostradamus_MB
2003-10-15T22:09:33+00:00 16.10.2003 00:09
Hey Leute, ich weiß echt nicht was ihr habt! Endlich gibt es hier mal eine erstklassige Story und dann ließt sie (außer mir) anscheinend keiner! Ist das normal?!?!?

Aber mal zurück zur Story, die letzten Kapitel fand ich sehr gut, man könnte sogar sagen "Kommerziel" (den sie sind so gut, das man sie ohne Probleme als Drehbuch für eine Forsetzung verkaufen könnte!!!).

Um einmal über die gasamte Geschichte zu reden:
Anfangs wirkt alles recht "08-15", was sich aber schon sehr schnell ändert. Das erste Anzeichen ist eigentlich Tamara. Nun gut, jetzt wird man sich denken "och wie nett, jetzt hat er eine schwester bekommen... NA UND?!", aber weit geirrt. Hier wurde es geschaft den Leser "hinter's Licht zu führen". Geschickt wendet sich der Ablauf und man erkennt schnell das hier mehr hinter steckt als nur eine "Schöne heile Welt"-Story. Ja der Name trügt, den hier geht es nicht um so eine Welt. Nein hier geht es darum wie eine solche Welt, wie sich die Charaktere gewüscht hatten, Stück für Stück und dann am Ende völlig zerbricht.

Was sagt uns das Ende? Vielleicht, das ein neuer, ein härterer Kampf beginnt? Oder vielleicht, das nun alle Karten auf den Tisch liegen und wir nur noch warten, bis sie einer aufdeckt!

DIE VORBEREITUNGEN SIND GETROFFEN! DAS LICHT IM SAAL ERLÖSCHT! GESPANNT WARTET MAN, DAS SICH DER VORHANG ÖFFNET...


Du hast meine volle Achtung, ich selbst weiß wie schwer es ist, eine gute und interessante Story-Line zu entwerfen, aber es ist dir gelungen. Das einzigste was für mich bleibt, ist auf die Fortsetzung zu warten.

nos / michel
Von:  Nostradamus_MB
2003-10-12T00:08:22+00:00 12.10.2003 02:08
ich einsamer leser... oh man, die anderen verpassen wirklich was... dies ist bis jetzt die beste gw-story die ich je gelesen hab. zwar hab ich schon gutde komödien gelesen und auch gute ernsthafte stories, aber diese hier hat eine ausgewogende mischung.

die letzten drei kapitel waren wieder sehr gut. "schön" (naja für duo halt nicht so schön) fand ich auch, das du seine vergangenheit einmal angespielt hast (zwar frage ich mich immer noch, wann "the god of death" aus der hölle zurückkehrt, aber... *fg*). der camping-ausflug ist auch sehr gut gelungen. etwas komisch fand ich kapitel 18, naja meistens find solche wiederholungen von namen, oder begriffen schon lästig... aber ich muss schon zugeben das es meistens sehr gut ist.
so, ich freu mich schon auf die nächsten kapitel!

nos / michel
Von:  Nostradamus_MB
2003-10-10T22:13:51+00:00 11.10.2003 00:13
tja, ich bin wohl dein einsamer leser ^^
oder die anderen trauen sich nicht, hier einen kommentar zu hinterlassen! >_<

jedenfalls wird die story von kapitel zu kapitel immer besser. das du den schreibstiel zwischendurch (zumindestens in den Lovestories) gewechselt hast, finde ich sehr gut. es dringt abwechlung in den lauf der geschichte und zeigt zugleich die sicht der anderen.

ich freue mich schon darauf weitere kapitel lesen zu dürfen.

nos / michel
Von:  Nostradamus_MB
2003-10-10T00:17:08+00:00 10.10.2003 02:17
Ah, ein wunder, eine der wenigen (für nicht shonen ai-fans) guten gw geschichten. zwar ein bissle occ, aber hey was soll's, sowas ist doch nicht schlimm.
der schreibstiel ist auch gut. die handlung ist spannend. und was noch viel wichtiger ist, ich weiß beim besten willen nicht wie's weiter gehen könnte (das macht es nur um so spannender!).
ich hoffe du wirst weiter geschreiben.

nos / michel


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