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Playlist of our Life

von

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I. We found love - Rihanna

I. We found love in a hopeless place

 

„Er ist so anstrengend!“ 

„Ja, aber du weißt doch… er ist Waise, er hat halt keinen mehr, der ihm Manieren beibringen kann..“ 

„Das rechtfertigt sein Verhalten nicht! Wir können nicht immer nachsichtig mit ihm sein! Der Tod seiner Eltern liegt bereits zwei Monate zurück! Das ist genug Zeit, um zu trauern und sich wieder wie ein funktionierender Mensch zu verhalten! Wir können ihm nicht immer eine Extrawurst geben, wo soll das noch hinführen?!“ 

 

Felias ging weiter. Er hätte niemals vor der Tür stehen bleiben dürfen. Aber es war so verlockend gewesen…. zu wissen, was seine Lehrer über ihn dachten. Menschen, die ihm auf seinem weiteren Lebensweg helfen sollten, sogenannte „Vertrauenslehrer“, zu denen er kommen konnte falls er zu Hause niemanden hatte mit denen er reden konnte.

Er hatte mal gesehen, wie die eine laute Blondine aus seinem Mathekurs, die ständig mit zwei Tonnen Make-up durch die Schule schritt, völlig aufgelöst und mit roten Augen in dieses Zimmer der Vertrauenslehrer gegangen war. Laut dem Geflüster und dem Getratsche der Mitschüler war sie schwanger und konnte es ihren Eltern unmöglich sagen. 

 

Luxusprobleme, dachte sich Felias verächtlich, wenigstens hast du noch welche, denen du es sagen kannst.

 

Er ging weiter zu seinem Schließfach und schmiss alle seine Lehrbücher sorglos rein. Wozu sollte er sie mitschleppen? Er wusste doch ganz genau, dass er sowieso keine Hausaufgaben machen würde geschweige denn ein Buch aufschlagen um zu lernen. 

 

Er wuschelte sich durch seine blau gefärbten Haare und machte sich auf dem Heimweg. 

 

Im Bus sah er viele seiner Mitschüler, doch keiner setzte sich neben ihn. Stattdessen bevorzugten sie zu stehen. Für Felias war es in Ordnung, er hatte es ohnehin nicht anders erwartet. Seit der ersten Woche als die Schule für ihn wieder angefangen hatte, hatte keiner mehr den Versuch gemacht, sich ihm zu nähern und er wollte es ihnen nicht übel nehmen, da er es verstand. Wären die Rollen vertauscht gewesen, hätte er den schlecht gelaunten Neuling, der nie lächelte und andere nur dumm anmachte, auch nicht angesprochen. Er wünschte nur, die Anderen hätten sich mehr Mühe gegeben, ihn kennenzulernen. 

 

Die Einzige, die gerade freundlich zu ihm war und ihn anscheinend auch nicht aktiv mied, war die Schülersprecherin und Cheerleaderin Alissa. 

 

Felias seufzte. Wäre der ganze Mist mit seinen Eltern nicht passiert, hätte er wahrscheinlich versucht sie rumzukriegen, obwohl sie einen Freund hatte. 

Denn auch wenn seine Mitschüler es sich selbst in ihren kühnsten Träumen nicht ausmalen könnten, er war nicht immer so kalt und abweisend gewesen, wie er es gerade war. 

 

An seiner alten Schule war er sowohl bei seinen Mitschülern als auch bei den Lehrern superbeliebt gewesen. Er hatte nicht immer die besten Noten, aber er war charmant und hatte immer ein Lächeln auf den Lippen. 

 

Dann kamen die Sommerferien dieses Jahr, in denen sich all dies änderte. Es war einer dieser großen Familienausflüge gewesen, auf denen seine Eltern und seine Verwandten durch einen Unfall ums Leben kamen. 

Allein die Tatsache, dass er und seine zwei Jahre jüngere Schwester bereits zum Strand vorgegangen waren, retteten die Beiden vor dem gleichen Schicksal. 

Aber dieses Wissen verbesserte ihren Zustand nicht. Der junge Verstand der Geschwister kamen damit nicht klar, es spielte mit ihnen das „Was wäre wenn“ Spiel immer wieder bis die Beiden nicht mehr wussten, ob es wirklich so gut gewesen war, an diesem Tag extra früh aufgestanden zu sein, damit sie sich gemeinsam den Sonnenaufgang am Strand anschauen konnten. 

 

Der Urlaub kam dadurch zu einem rapiden Ende, gefolgt von der Frage, was nun aus ihnen werden würde. 

 

Unglücklicherweise gab es in ihrer kleinen Heimatstadt kein Kinderheim, weshalb sie kurzerhand in die nächste Stadt dafür ziehen mussten. 

Die Entfernung war eigentlich nicht sehr groß, aber für einen 16-jährigen Jungen und einem 14-jährigen Mädchen ohne Geld waren die zwei Stunden mit dem Auto, vier mit dem Zug, eine zu große Distanz. 

 

Der Teenager sah zu, wie sich seine Mitschüler zum Abschied winkten und stieg wenig später an der nächsten Station selbst aus. 

Von der Haltestelle bis zum Kinderheim war es nur ein zehn minütlicher Weg, der locker auf die Hälfte gekürzt werden konnte, wenn man verschlafen hatte. 

Das Heim war in einem hellen gelb angestrichen. Es sah freundlich und einladend aus, doch das änderte nichts an Felias’ Gemütszustand, wenn er daran dachte, dass er fortan hier leben musste. 

 

„Hallo Felias“, begrüßte Katrin, eine Bezugsperson hier, ihn gleich am Eingang. Er grummelte etwas unverständliches zurück, doch das schreckte sie nicht ab. Sie hatte lange genug im Heim gearbeitet, um zu wissen, dass nicht alle diese große Veränderung mit Leichtigkeit verarbeiten konnten. „Du solltest deine Schwester aufsuchen. Sie hatte vorhin schrecklich geweint, weil die Jungen sie schon wieder geärgert haben.“  

 

Dieser Satz ließ Felias’ Schritte schneller werden. Er schaute kurz in ihr gemeinsames Zimmer, nur um zu sehen, dass sie sich nicht darin aufhielt. Daraufhin schmiss er sein Rucksack sorglos rein und durchsuchte als nächstes die Aufenthaltsräume ab. 

 

Er wusste, dass Charlotte hier Probleme hatte. Sie war sehr jungenhaft und konnte mit den männlichen Promis, die aktuell die Herzen aller Teenies zum Schmelzen brachten, nichts anfangen und zog es vor, draußen Fußball zu spielen statt sich die Haare zu flechten. 

 

An ihrer alten Schule hatte sie ähnlich wie er viele Freunde gehabt. Sie hing aufgrund ihrer Interessen öfter mit den Jungen ab, aber trotzdem hatte sie einige Freundinnen. 

 

Für sie war der Umzug ins Heim noch schwerer. Zuerst versuchte sie optimistisch zu sein, doch die ihr bis dahin unbekannte Abneigung der Jungen war schwer zu ertragen. 

Plötzlich durfte sie nicht mehr mit Fußball spielen, weil sie ein Mädchen war und Mädchen bekanntlich eklig sind. Diese spielten zwar anfangs mit ihr, aber als sich herausstellte, dass sie weder an Make-up noch an den neuesten Tratsch interessiert war, ging die wachsende Wurzel der Freundschaft schneller ein als man schauen konnte.

 

Das Geschwisterpärchen hatte nur sich selbst und auch vor dem Umzug war Charlotte die Prinzessin in seinem Leben gewesen. 

 

„Charlie!“, rief Felias’ nach ihr als er sie draußen im Hof erblickte. Sie hockte allein in seinem Pullover vor dem großen Eichenbaum. Sein Blick glitt von ihren roten Augen und den noch immer leicht feuchten Wangen zu dem Kerl neben ihr. Er raste vor Wut. 

 

„Hey!“, brüllte er, „Lass sie in Ruhe!“ 

 

Schnell packte er ihn am Kragen, doch Charlottes Stimme ließ ihn innehalten. 

 

„Halt Feli, er hat mir nichts getan!“ 

 

Seine Hand um den Kragen des Anderen lockerte sich. 

 

„Er hat gesehen, dass ich weine und mich getröstet!“ 

 

Leicht peinlich berührt ließ Felias den armen Kerl los und entschuldigte sich augenblicklich. 

 

„Hey Alter, tut mir Leid. Als ich ankam, hat mir Katrin gesagt, dass die Schweine Charlie zum Weinen gebracht haben und als ich euch Beiden da gesehen habe, ist da wohl was bei mir durchgebrannt.“ 

 

Glücklicherweise sah sein Gegenüber kein Fünkchen wütend aus. Erst jetzt fiel Felias auf, dass er sich vorhin nicht gewehrt und auch sonst kein Ton von sich gegeben hatte. 

 

„Kein Problem.“, antwortete dieser nur monoton.

 

„Und ehm, danke, dass du Charlie getröstet hast. Das hat noch keiner hier bisher gemacht.“, nuschelte Felias weiter in das unangenehme Schweigen des Anderen. Dieser nickte nur. 

 

„Öhm.. ja. Ich bin Felias nebenbei.“

 

„Matthew.“ 

 

Da sie sich anscheinend nichts zu sagen hatten, murmelte er ein „bis später und danke noch mal“, nahm Charlotte an der Hand und ging mit ihr in ihr Zimmer. 

 

Wenig später begegneten sie sich wieder beim Abendessen. Matthew fiel Felias auf, weil der Schwarzkopf ganz allein an einem Tisch im Essensraum saß. Auf Charlottes Vorschlag, sich zu ihm zu setzen, seufzte er, gehorchte jedoch ohne Widerwillen. Wahrscheinlich hätte er es auch ohne ihr Zutun getan. 

 

Die Stimmung war zu allererst genauso unangenehm wie sie es vorher im Hof auch schon gewesen war, doch spätestens nach der zweiten Kartoffel hatte sie sich in das komplette Gegenteil verwandelt.

Nach dem Nachtisch fragte Felias ihn sogar, ob er später nicht in ihr Zimmer kommen wollte, was Charlotte in helle Aufregung versetzte. 

 

An diesem Abend hatten die Beiden so viel gelacht wie schon lange nicht mehr und als Charlies Kopf bereits schlafend in dem Schoß ihres großen Bruders ruhte, redeten die beiden Jungen weiter bis in den frühen Morgen. 

 

Felias lernte, dass Matthew ein halbes Jahr älter als er war. Zwar hatte er auch seine Eltern verloren, aber nicht bei einem Unfall im Urlaub, sondern während er sich im Fußballcamp befand. Die Menschen, die er danach traf, dachten, er wäre aufgrund der Ermordung seiner Mutter und seines Vaters still und in sich gekehrt geworden, doch sie verstanden nicht, dass er auch schon vorher schweigsam war und nicht sehr viel mit den Gleichaltrigen anfangen konnte, wenn sie sich nicht gerade auf dem Sportplatz befanden. 

Der Raubmord lag bereits sechs Jahre zurück; Matthew vermisste sie kaum noch. Im Gegensatz zu den beiden Geschwistern hatte er eine engere Bindung zu seinem Hausmädchen als zu seinen Eltern. 

 

Je mehr sie redeten, desto mehr erkannte Felias, dass sie und ihre Probleme genauso verschieden wie gleich waren: 

 

Menschen verstanden nicht, dass der Unfall keinerlei Schuld an Matthews Distanziertheit trug während Felias das Problem hatte, dass die meisten nicht erkannten, dass er nicht immer so drauf war, wie er sich zur Zeit benahm. 

 

Falls die Geschwister von nun an das Heim etwas lieber mochten als vorher, lieber heim kamen als vorher und mit leichterem Schritt liefen, so würde keiner von den Beiden abstreiten, dass das ganz allein an Matthew lag. 

 

Manchmal erinnerte sich Felias daran, wie er auf seiner alten Schule von einigen, wenigen Neider als männliche Schlampe bezeichnet wurde, weil er monatlich seine Freundin wechselte. Dann argumentierte er oft, dass er eigentlich nur auf der Suche nach der Liebe seines Lebens war, denn - so haben seine Eltern es ihm beigebracht - die Liebe sei das wichtigste im Leben. 

Wie konnte er sich sicher sein, dass es nicht eine von ihnen war, wenn er keine eine Chance gab? Die meisten seiner Freundinnen waren Spiegel seiner eigenen Persönlichkeit: aufgeweckt, abenteuerlustig, risikofreudig, sportlich, charmant. 

 

Niemals im Leben hätte er gedacht, dass er die sogenannte Liebe seines Lebens in einem introvertierten Jungen im Heim finden würde. 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  susel212
2015-11-03T05:39:31+00:00 03.11.2015 06:39
Das ist von schön geschrieben


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