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Alice im Wunderland - Die bescheuertste Interpretation ever

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Kapitel 14 - Königin und König

Dichter Nebel hing in der Luft, wie ein Schleier, der sich sanft über den demolierten Schauplatz legte – oder ein Vorhang, der langsam heruntergelassen wurde, um dem Publikum das Ende der Show zu verkünden. Nur gemächlich klärte sich die Sicht und gab den Blick auf den Empfangssaal frei, dessen Eingangsbereich zwar sichtlich unter dem Einbrechen der Hammer-Armee gelitten hatte, der aber ansonsten glücklicherweise nun wieder so aussah wie vorher. Keine Flammen. Kein abgerissenes Dach. Sie schienen die Apokalypse wie durch ein Wunder überlebt zu haben.
 

Farblose Tropfen lösten sich von dem schmelzenden Etwas, das Marilyn noch immer fest mit einer Hand umklammert hielt, und fielen zu Boden, wo bis vor wenigen Augenblicken die lodernde Präsenz des Dämons gewesen war. Des Dämons, der sich selbst 'Showmaster' genannt hatte. Jetzt war dort nichts mehr, nichts als eine Pfütze, die irgendjemand vermutlich sehr bald wegwischen würde, um auch den letzten Beweis des Grauens, das bis eben unter ihnen existiert hatte, endgültig zu beseitigen.
 

„Es ist vorbei“, flüsterte die Königin, ließ ihren Arm sinken, mit dem sie die böse Kreatur im letzten Augenblick zur Strecke gebracht hatte, und betrachtete ausdruckslos das Eiswasser, das sich auf den Fliesen inzwischen angesammelt hatte. „Er ist fort.“
 

„Ihr habt es geschafft, Majestät“, sagte Floyd nach einer Weile anerkennend. Marilyn sah ihn nicht an. Seine Augen waren starr auf die Pfütze gerichtet, bis er den Blick ein Stück hob und zu ihm sah. Alice beeilte sich, vom Boden aufzustehen, an dem das Monster ihn mit seinen scharfen Klauen festgenagelt hatte, und war dankbar, als Marilyn ihm hilfsbereit eine Hand reichte.
 

„Ihr habt... mir das Leben gerettet“, brachte er irgendwann nur zögerlich hervor. Das zu realisieren hatte einen Moment gedauert. Aber es stimmte – wäre Marilyn nicht gewesen, hätte dieses Ungeheuer ihn, um es mit dessen Worten auszudrücken, eliminiert. Wahrscheinlich war er dem Schicksal seiner Vorgängerin so knapp entgangen, wie es nur gerade möglich gewesen war.
 

„Selbstverständlich habe ich das. Es war meine Pflicht, das zu tun“, antwortete die Königin und fügte dann ganz leise hinzu: „Er hatte Alicia auf dem Gewissen“.
 

Alice erinnerte sich an das, was das Monster zuletzt in der Hitze des Gefechts zu ihm gesagt hatte. Er hatte es nur verschwommen mitbekommen, weil die Flammen trotz ihrer Falschheit seine Sinne getrübt hatten, aber jetzt, wo sie darüber sprachen, fiel es ihm wieder ein.
 

„Ja, das hatte er. Es war kein Selbstmord und auch kein Unfall“, sagte er und hatte beinahe das Gefühl, das Ende seines früheren Lebens noch einmal vor sich zu sehen. „Er war es, der sie von der Klippe gestoßen hat.“
 

„Das werde ich ihm nie verzeihen“, zischte Marilyn verächtlich, ehe er einige Sekunden lang schwieg und dann fragenden Blickes zur Seite sah. „Aber was meinte er wohl... mit 'hinterhergeschickt'? Was er zu dir gesagt hat, hat sich so angehört, als sei...“ Er überlegte kurz, bevor er seinen Satz beendete. „... Als sei er selbst nach seinem Mord an Alicia von jemandem dort hinuntergestoßen worden...“
 

„So hat es sich angehört, ja“, pflichtete Alice bei. „Er sprach von der Leere, mit der er eine Ewigkeit lang gestraft war...“
 

„Ich habe das Gefühl, wir werden niemals erfahren, was das alles eigentlich wirklich zu-“
 

„Eure Hoheit!“, wurde die Königin jäh unterbrochen, als die anderen, die sich während der Illusion in dem panischen Durcheinander verloren hatten, begleitet von einem aufgeregten Stimmengewirr auf sie zutraten. Ironischerweise war es ein wenig ungewohnt, plötzlich eine solche Menschenmasse vor sich zu sehen. Immerhin hatte die Anzahl an Bewohnern des Wunderlandes sich auf einen Schlag mehr als verdoppelt, seit die Frauen zurück waren – wenn nicht sogar verdreifacht. Es war schwer zu sagen, denn bei dem bunten Gedränge männlicher und weiblicher Freaks, die ihm zu einem großen Teil nicht einmal unbekannt schienen, konnte man sich nicht sonderlich gut aufs Zählen konzentrieren.
 

„Ist er verschwunden?“, fragte Wache Nummer Eins mit ernster Miene, während das weiße Kaninchen und der Märzhase, der glücklicherweise seine eigene Kleidung und nicht Fishs Kostüm trug, sich anscheinend desorientiert in der Halle umsahen. Fish musterte seine scheinbar neu hinzugekommenen Mitbürgerinnen, als stünde er vor einem der sieben Weltwunder, während diese selbst eindeutig überfordert mit ihrer derzeitigen Lage zu sein schienen.
 

„Was um alles in der Welt ist hier eigentlich passiert? Ich verstehe überhaupt nichts mehr!“, entrüstete sich eine von ihnen – eine junge Frau mit wilder blonder Mähne und einigen anderen Merkmalen, die darauf schließen ließen, dass sie wohl so etwas wie eine Löwin darstellen sollte. „Erst waren wir im Dunkeln eingeschlossen, dann... waren wir nicht mehr bei Sinnen, wenn ich das richtig verstehe... dann hat sich der Saal in die Hölle verwandelt... und jetzt ist plötzlich alles wieder so wie vorher?! Kann mich mal bitte jemand aufklären, was hier abgeht?“
 

„Er hat unseren schlimmsten Albtraum wahr werden lassen, so wie er es auch zuvor schon einzeln mit euch getan hat“, erklärte The Catman, der gemeinsam mit seinen drei Brüdern aus der Menge hervortrat. „Jeder von uns hat eine ganz persönliche Angst, der er sich stellen musste, als das Monster sie für euch augenscheinlich zum Leben erweckt hat. Aber der Anblick eines zerstörten, toten Wunderlandes... Das ist die Angst, die wir alle miteinander teilen.“
 

Sowohl bestürzte und schockierte als auch erleichterte oder gänzlich emotionslose Mienen gingen durch die Runde, und es machte den Anschein, als wolle jeder eigentlich noch etwas sagen, allerdings nicht wissend, wie er oder sie es ausdrücken sollte. Verständlich – schließlich hatte jeder für sich das reinste Verwirrspiel durchgemacht, und das über eine beträchtliche Zeit hinweg. Er, als der Auserwählte, hatte im Grunde am wenigsten von all dem mitbekommen, obwohl er beinahe das Gefühl hatte, genauso lang in die Rätsel und Mysterien dieser Welt verstrickt gewesen zu sein wie die anderen. Besonders eine Frage ließ ihm jetzt, da sein Verstand nicht mehr durch den Einfluss des Showmasters beeinträchtigt war, keine Ruhe.
 

„Ähem... Verzeiht, dass ich euer verstörtes Schweigen unterbreche, aber... es gibt da etwas, das mich wirklich brennend interessiert“, räusperte er sich verhalten, womit er jedoch sofort sämtliche Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hatte. Fast hätte er vergessen, dass er für die Damen ebenso ein Fremder war wie sie es für ihn waren – zumindest zum Teil. „Naja, also... Eure Hoheit...“, fuhr er an Marilyn gewandt fort, ein wenig unsicher, wie er seine Gedanken in vernünftige Worte fassen sollte. „Ich will Euch auf keinen Fall beleidigen, aber... ich muss zugeben, dass ich mir zwischenzeitlich leichte Sorgen um Euren Zustand gemacht habe. Das heißt... ich hielt Euch für-“
 

„Du willst wissen, wie ich auf einmal wieder hierhergelangen konnte, nachdem ich das Schloss verlassen hatte, richtig?“, beendete die Königin seine Frage für ihn.
 

„... Ja. Genau das würde ich gern wissen.“
 

Unglaublich. Erst jetzt, wo er sie wiedersah, wurde ihm bewusst, wie froh er darüber war, dass es ihr gut ging. Marilyn lächelte schmal.
 

„Ich hatte nie vor, mich von der Klippe zu stürzen. Aber er sollte denken, er sei mich losgeworden, weil ich die Hoffnung hatte, er würde dann vielleicht leichtsinniger werden. Offenbar hatte ich Recht“, sagte er ruhig, und Alice hätte sich selbst am liebsten dafür ausgelacht, dass er auch nur in Erwägung gezogen hatte, die Herzkönigin könne sich umgebracht haben. „Der Rest war, ehrlich gesagt, recht naheliegend. Im Schlossgarten habe ich eine Weile darüber nachgedacht, wie ich nun am besten sinnvoll vorgehen sollte, und da ich von dort draußen ohnehin nichts hätte ausrichten können, habe ich mich als Erstes zurück ins Schloss geschlichen – rückwärts durch den Notausgang. Ich hatte Glück, dass niemand meine Rückkehr bemerkte, da ausnahmslos jeder von euch – das Monster eingeschlossen – in diesem Moment zu sehr mit den Illusionen beschäftigt war. Als es mich jedoch beinahe entdeckt hätte, habe ich mich in der Küche versteckt, um mir dort irgendetwas einfallen zu lassen... bis die Räume sich plötzlich veränderten und mein schönes Schloss nur noch aus Schutt und Asche bestand. Alles stand in Flammen... Ich war wie gelähmt.“ Kurz warf er einen Blick neben sich auf Floyd, der es offenbar vorzog, in eine andere Richtung zu schauen, ehe Marilyn etwas zurückhaltender weitersprach. „Nun... Hätte Floyd mich nicht irgendwie gefunden und mich davon überzeugt, dass die Umgebung sich bloß in unserer Vorstellung verändert hat... und mich außerdem darüber informiert, dass du in akuter Gefahr schwebst, wenn ich nicht schnellstens etwas unternehme... Ich weiß nicht, wie es dann ausgegangen wäre.“
 

Überrascht sah Alice von Marilyn zu Floyd, die scheinbar beide für seine Rettung, nein, für die Rettung des gesamten Landes verantwortlich waren. Letzterer schien allerdings nur mäßig begeistert über die Bewunderung, die ihm nun galt.
 

„Sag mal...“, begann die Königin zögerlich, wieder an den General gerichtet. „Wie kommt es eigentlich, dass du von der Illusion gar nicht betroffen warst?“
 

Floyd schien sich zunehmend unwohler zu fühlen, je länger die Königin und ihre restlichen Untergebenen zu ihm sahen und auf eine Antwort warteten. Alice bezweifelte allmählich, dass sie überhaupt noch irgendeine Art von Antwort von ihm bekommen würden. Marilyn wandte sich seufzend zur Seite.
 

„Ich verstehe“, sagte er mit einem bitteren Unterton in seiner Stimme. „Du konntest die Illusion nicht wahrnehmen, stimmt's? Weil ein Wunderland in Trümmern für dich nun mal kein Albtraum ist. Mich würde es nicht einmal wundern, wenn der Untergang unserer Welt etwas wäre, das du dir manchmal herbeigesehnt hast...“
 

Schneller als er hätte reagieren können, hatte die Bewunderung, mit der die anderen Floyd bis eben betrachtet hatten, sich in blankes Entsetzen verwandelt, und Alice fühlte sich unweigerlich an dessen unangenehme Vergangenheit erinnert, als er sah, von welch vorwurfsvollen Blicken der General schlagartig umgeben war. Blicke, die mehr sagten als tausend Worte.
 

„Hört auf, ihn so böse anzuschauen!“, mischte er sich ein, bevor sie Floyd noch ernsthaft in Bedrängnis bringen konnten. „Seine Träume oder Albträume gehen weder euch noch mich etwas an. Tatsache ist, dass wir ohne ihn jetzt nicht mehr hier wären. Wir stehen alle in seiner Schuld!“
 

Zu spät. Eine Art allgemeines Unbehagen hatte sich in der Runde ausgebreitet. Niemand schien sich zu trauen, irgendetwas darauf zu erwidern – bis sich endlich einer aus der Menge in das Gespräch einbrachte, den er um ein Haar schon wieder vergessen hätte. Ziggy.
 

„Wer auch immer dafür gesorgt hat, dass hier Ruhe einkehrt“, sagte er ehrfürchtig an niemand Bestimmten gerichtet, „... Derjenige hat meinen Respekt. Ich bin nicht einmal im Entferntesten gegen die Macht dieser Bestie angekommen...“
 

Obwohl jeder der hier Anwesenden etwas darauf erwidern zu wollen schien, war es Marilyn, der als Erstes das Wort ergriff.
 

„Ich... erinnere mich an dich!“, murmelte er feststellend, während er ein paar Schritte auf seinen offenbar lange verschollenen Diener zutrat. „Ziemlich dunkel, aber ich erinnere mich... Du bist eines Tages plötzlich verschwunden und nie zurückgekommen. Aber hast du nicht... damals irgendwie anders ausgesehen? Es ist so lange her...“
 

„Wisst Ihr, Majestät“, begann Ziggy mit einem schwer zu deutenden Ausdruck in den Augen. „Ich habe tatsächlich einmal anders ausgesehen, und es ehrt mich, dass ihr das erkennt. Aber dass Ihr selbst der Auslöser dafür wart, dass ich mir eine neue Identität aufbauen und mich verstecken musste, scheint Euch nicht mehr besonders gegenwärtig zu sein, nicht wahr?“
 

„Verurteile nicht unsere Königin, Major Tom“, sagte The Demon in einem sanften Tonfall. Marilyn wirkte fast, als wisse er nicht einmal, worum es überhaupt ging. „Was sie damals, nach Alicias Tod, getan hat, wäre sicherlich unverzeihlich gewesen – hätte sie nicht unter dem ständigen Einfluss des Showmasters gestanden, so wie es auch dir wiederfahren ist, mein Freund. Seit seiner Wiederauferstehung aus der Leere hatte er sich Rache geschworen und hatte kein anderes Ziel, als uns ins Verderben zu stürzen und das Wunderland nach seinen eigenen Vorstellungen zu formen. Er war ein Geist. Es war ihm ein Leichtes, andere zu manipulieren und für seine Zwecke zu missbrauchen.“
 

„Das Schicksal unserer ersten Bevölkerung wird niemand jemals wiedergutmachen können“, ergänzte The Starchild ernst. „Aber nicht unsere Königin ist diejenige, der unser Unmut gelten sollte, sondern einzig und allein die schreckliche Kreatur, die sich einst in unsere friedliche Gemeinschaft geschlichen und nichts als Unruhe gestiftet hat. Es ist ein Segen, dass sie nun endlich ein für allemal unsere Welt verlassen hat.“
 

Dem schienen ausnahmsweise restlos alle zuzustimmen. Bloß Marilyn schien schwer mit sich zu hadern, als ihm bewusst wurde, was all diese Faktoren zusammengerechnet bedeuteten.
 

„Dann stimmt es also, was General Floyd unter dem Einfluss des Phantoms verkündet hat“, sagte er mehr zu sich selbst als zu einem der anderen. „Die Männer der ersten Bevölkerung... Ich habe sie alle der Reihe nach kaltblütig ermordet... Jede Nacht... Das waren keine bösen Träume. Ich habe das wirklich getan...!“
 

„Es ist nicht Eure Schuld, Majestät! Ihr hattet keine Kontrolle über Euer Handeln!“, unterbrach der General Marilyns Selbstzweifel rasch. „Glaubt mir, ich habe selbst erfahren, wie schwierig es ist, sich gegen etwas zu wehren, das man nicht einmal sehen kann und das derart düstere Intentionen hegt. Es ist nahezu unmöglich. Wir sollten... einfach froh sein, dass Dinge wie Krieg und Rache von jetzt an der Vergangenheit angehören.“
 

„... Dich habe ich am Leben gelassen“, erwiderte Marilyn zusammenhangslos, offenbar geistig noch immer mit seinen früheren Vergehen beschäftigt – was Alice voll und ganz nachvollziehen konnte. Selbst wenn man von einer fremden Macht angetrieben wurde, war es mit Sicherheit alles andere als leicht, Taten wie diese am Ende zu verantworten. Floyd lächelte schwach.
 

„Das habt Ihr“, sagte er leise. „Als Anführer der Armee war ich wohl unentbehrlich, egal, für welche Seite.“
 

„Das heißt...“, begann The Spaceman, während er die gesamte dort versammelte Gruppe beäugte und den Kopf schief legte, „... General Floyd und Major Tom, den wir nun als Ziggy Stardust wieder in unseren Reihen begrüßen dürfen, sind die letzten beiden Männer, die uns aus der ersten Bevölkerung noch geblieben sind.“
 

„Na, dann wisst ihr ja, was ihr mit den Frauen aus der ersten Bevölkerung jetzt zu tun habt“, kommentierte Alice ironisch an die besagten letzten beiden Männer gewandt, die ihn jedoch bloß irritiert ansahen, so als haben sie nicht den Hauch einer Ahnung, wovon er redete. Sein Fehler. Vermutlich war es in einer Welt wie dieser, in der die Bewohner aus dem Nichts oder von wer-weiß-wo stammten, ohnehin überflüssig, sich zu reproduzieren. „Wo wir schon beim Thema sind... Könnte mir jetzt mal jemand erklären, was es mit dieser ersten und zweiten Bevölkerung eigentlich auf sich hat? Ich frage mich das schon die ganze Zeit! Wer seid ihr wirklich, wo kommt ihr her und... was ist das Wunderland in Wahrheit für ein Ort? Ich denke, als Nachfolger eurer ehemaligen Königin habe ich ein Recht darauf, das zu erfahren, oder etwa nicht?“
 

„Ehrlich gesagt wüsste ich das auch gerne mal!“, meldete sich unerwartet der Hutmacher zu Wort, den das Ganze erstaunlicherweise genauso zu verwirren schien wie ihn selbst. „Eigentlich bin ich ja niemand, der sich groß darum schert, warum irgendwelche Umstände so sind, wie sie sind. Aber dass derart plötzlich eine solch beachtliche Menge an Frauen in unser Leben tritt, wo mein werter Genosse, die Haselmaus, und ich unseren lieben Mitbewohner, den Märzhasen, doch immer für... nun ja, etwas durcheinander hielten, weil er in einem angeblich frauenlosen Land unentwegt nach einer gewissen Mary suchte... Das macht selbst mich etwas stutzig.“
 

„Ich fürchte, da müssen wir etwas weiter ausholen“, konstatierte The Demon mit einer bittenden Geste in Richtung der Königin, die zunächst unschlüssig zu ihm herübersah. „Eure Hoheit, Ihr wart die erste Person, die das Licht unserer Welt erblickt hat! Würdet Ihr den Unwissenden unter uns wohl etwas Klarheit verschaffen?“
 

Marilyn wirkte glücklicherweise wieder ein wenig gefasster als zuvor, während er sich nachdenklich in der Menge umzublicken schien und seinen Blick dann aus irgendeinem Grund auf Charlie ruhen ließ. Bis gerade eben hatte Alice die Schlange nicht einmal bemerkt, allerdings wunderte ihn das kaum. Ihm war bereits seit Längerem aufgefallen, dass Charlie sich scheinbar bevorzugt im Hintergrund hielt.
 

„Nun, ich denke, es ist in der Tat angemessen, euch über eure Herkunft zu erleuchten“, entgegnete Marilyn an sein versammeltes Volk gewandt, jedoch immer wieder subtil zu seinem Haustier schielend. „Allerdings gibt es da etwas, das ich bisher vor euch allen verheimlicht habe. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, es euch zu sagen... auch wenn mein guter und treuer Gefährte Charlie mir immer verboten hat, ein Wort darüber zu verlieren, aus Angst, es könnte euer Verhältnis zu ihm und mir gravierend beeinflussen. Für meine Begriffe ist er einfach viel zu bescheiden. Was sagst du, Charlie? Erteilst du mir endlich die Erlaubnis, ihnen die Wahrheit zu sagen?“
 

„Wie könnte ichhh esss ihnen jetzzzzt noch verwehren...?“, seufzte Charlie, kroch ein Stück weit zu seinem Besitzer herüber und schaute zu ihm auf, mit einer seltsamen Vertrautheit in seinen leuchtenden Reptilienaugen. „Tut, wasss Ihr nicht lassssssen könnt.“
 

„Wovon redet ihr beiden?“, fragte einer der vier Brüder verdutzt. Alice war sich nicht sicher, welcher von ihnen es war; er selbst war zu sehr auf ihre Majestät und deren königliche Schlange fixiert, als Marilyn mit einem auf eine gewisse Weise stolzen Lächeln zu einer Antwort ansetzte.
 

„Charlie ist nicht, wie ihr bisher wahrscheinlich annahmt, bloß mein Haustier. Er ist wesentlich mehr als das. In Wirklichkeit ist er... mein Vater.“
 

Einen wahnsinnig absurden Moment lang war es vollkommen still, bis die Haselmaus das erwartungsvolle Schweigen mit ihrer üblichen nur so vor Trockenheit strotzenden Stimme durchbrach.
 

„Die Ähnlichkeit ist unverkennbar.“
 

„Wer is' die Mutter?“, fragte die Raupe mit einem Grinsen, das breiter nicht hätte sein können. Es war offensichtlich, dass die Reaktionen seiner Untertanen Marilyn überaus amüsierten, während Charlie die Königin mit einem Blick ansah, der fast danach ausgesehen hätte, als würde er in der nächsten Sekunde genervt den Kopf schütteln, hätte Alice nicht gewusst, dass Charlie ein viel zu ausgeglichenes Gemüt besaß, um schnell genervt zu sein.
 

„Er ist nicht direkt mein Vater“, erklärte Marilyn nun, was ihn kein bisschen überraschte – eine derartige Verwandschaft wäre selbst in einer Welt wie dieser zu wunderlich gewesen. Von Marilyns anschließender Erklärung hingegen konnte Alice sicherlich nicht behaupten, sie auch nur in irgendeiner Weise erwartet zu haben. „Viel eher ist er mein Schöpfer, der mich als ersten Menschen seiner mystischen Welt hinzufügte. Wenn man so will, könnte man sagen, er ist unser aller Vater, denn nur dank ihm ist es uns möglich, auf diesem Boden zu wandeln. Das Schloss, die Pflanzen, die Sonne... all das hat Charlie erschaffen.“
 

„Genug davon, Majessstät!“, zischte Charlie merklich verlegen dazwischen. „Wäre ichhhh nichhht von Natur ausss rot, wäre ichhh esss jetzzzt geworden...“
 

„Ach du große- Das bedeutet ja... Ich bin so ein Idiot!“
 

Marilyn trat irritiert zur Seite, als Alice ehrfürchtig auf dessen als Haustier getarnten Schöpfer zuschritt und sich mit einer tiefen Verbeugung vor ihm auf den Fliesen niederließ.
 

„Verzeih mir meine Unhöflichkeit! Bei der Andeutung, du seiest in Wirklichkeit keine Schlange, war doch tatsächlich mein erster Gedanke, du könntest etwas mit dem Phantom zu schaffen haben... Dabei hast du – habt Ihr – meinen Respekt nun wirklich mehr als verdient! Wie soll ich Euch jetzt nennen? 'Meister'?“
 

Sein Gegenüber starrte ihn bloß aus großen, überforderten Augen an und seufzte abermals.
 

„Danke, aber ichhh finde 'Chhharlie' eigentlichhh absssolut in Ordnung“, antwortete er, ehe er sich mit flüsternder Stimme wieder der Königin zuwandte. „Genau dessshalb, Majessstät, hättet Ihr esss für Euchhh behalten sssollen.“
 

„Moment“, hörte Alice den Weißen Ritter von irgendwo neben oder hinter sich in der Menge einwerfen. „Soll das heißen... Wir alle stammen ursprünglich... von Eurer Schlange Charlie ab? Verstehe ich das richtig?“
 

Ein angeregtes Gemurmel hatte begonnen, sich in der Gruppe zu entfalten. Im Grunde genommen war es seit der Rückkehr der Frauen die ganze Zeit über unruhig unter ihnen gewesen – was vollkommen nachvollziehbar war, schließlich hatten sie und die Männer sich vermutlich einiges zu erzählen –, doch nun hatte die Unruhe ein neues Maß angenommen. Es ging weit über das stetige Stimmengewirr hinaus, das den Saal während der Gerichtsverhandlung erfüllt hatte.
 

„Das ist nicht ganz korrekt“, gab Marilyn ungewohnt freundlich zur Antwort, wenn man bedachte, dass er seinen Gesprächspartner in der letzten Nacht noch hatte köpfen wollen. „Weder ihr aus der zweiten Bevölkerung, mein lieber Ritter, noch die erste Bevölkerung stammen von Charlie persönlich ab. Jedoch hätte die erste Bevölkerung sich gar nicht erst entwickeln können, hätte er das Wunderland nicht aus den Wunschvorstellungen der Menschen dort draußen kreiert. Vielleicht solltest du es selbst erklären, Charlie. Immerhin warst du als Einziger dabei!“
 

„Alsssso gut“, willigte er letztlich doch ein. „Aber lasssssst unsss doch dazzzu in den Garten gehen. Esss könnte etwasss länger dauern, all dasss ausssszzzuführen, und hier drin wird esss mir langsssam zzzu unbequem.“
 

Damit war jeder einverstanden, und so hatten sie sich kurz darauf alle gemeinsam in einem großflächigen Teil des Schlossgartens eingefunden, wo sie sich im Kreis angereiht entweder auf Stühlen oder auf der Wiese niedergelassen hatten, während Charlie seine beeindruckende Geschichte erzählte und dabei kein Detail ausließ. Obwohl es auf Dauer ein wenig anstrengend war, ihm zuzuhören – gerade bei Sätzen, die zu viele Zischlaute beinhalteten –, hätte Alice in diesem Augenblick nichts lieber getan, als seinen Erzählungen zu lauschen, jetzt da die Gefahr gebannt und die Bewohner des Wunderlandes sowohl wieder beisammen als auch in Sicherheit waren.
 

Es war schlichtweg unglaublich, was sie von Charlie erfuhren. Zumindest für ihn war es das; ob die anderen es als genauso faszinierend empfanden, konnte er natürlich nicht sagen. Offenbar war die Welt, aus der er gekommen war, bevor es ihn hierher verschlagen hatte – die 'Realität', wie er sie bis vor Kurzem noch genannt hätte –, bei Weitem nicht die Einzige ihrer Art. Wenn es stimmte, was Charlie erzählte, musste es unendlich viele solcher Welten geben, die parallel zueinander in verschiedenen Dimensionen, abgelegen vom Wunderland, existierten. Jede dieser Welten unterschied sich von den anderen, und wenn es nur eine winzige Kleinigkeit war. Keine von ihnen war exakt gleich – und somit gab es auch jeden von ihnen, die sie nun versammelt hier beieinander saßen, in vielfacher Ausführung dort draußen, keiner genau wie der andere. (Auf seine Frage hin, ob es also auch ihn selbst in unendlich vielen Variationen gäbe, von denen mindestens einer möglicherweise sogar niemals berühmt geworden war, hatte Marilyn grinsend geantwortet: „Davon kannst du ausgehen. Und mit Sicherheit gibt es sogar einige Universen, in denen du sesshaft und verheiratet bist!“) Charlie, der am Anfang, seiner eigenen Aussage nach, weder einen Namen noch eine körperliche Hülle besessen hatte, war, unbemerkt von den Menschen, in deren verschiedene Epochen und Dimensionen aufgebrochen, um Kraft aus den Fantasien der dort lebenden Wesen zu schöpfen. Aus dieser reinen Kraft war letztendlich das Wunderland und mit ihm der Herzkönig inmitten all der Paralleldimensionen entstanden, dem Charlie, als sein Werk zu seiner Zufriedenheit verrichtet war, einen Großteil seiner Macht übertragen hatte, bevor er sich dazu entschloss, in Form einer nahezu gewöhnlichen Schlange – von seiner Fähigkeit, zu sprechen, einmal abgesehen – als Bestandteil seiner eigens erschaffenen Welt weiterzuleben. Die Tatsache, dass er sich bei der Schöpfung dieser Welt hauptsächlich an bekannten Musikern orientiert hatte – woher er die Inspiration für das Aussehen des Königs genommen hatte, war schließlich offensichtlich – fand Alice besonders amüsant. Auch die anderen, die später aus dem sich selbstständig weiterentwickelnden Wunderland hervorgegangen waren und allgemein als 'Erste Bevölkerung' bezeichnet wurden, waren beinahe ausschließlich Teil der Fleisch gewordenen Gedanken seiner rockenden Kollegen. Was genau das über Charlie aussagte, war vielleicht fraglich, aber es machte ihn jedenfalls für Alice in jeglicher Hinsicht noch sympathischer.
 

Mit der zweiten Bevölkerung verhielt es sich hingegen wesentlich weniger legitim. Nachdem Alicia, die als Gegenstück des Herzkönigs – als Pikkönigin und Herrscherin der Nacht – kurz nach ihm zum Leben erwacht war, um gemeinsam mit ihm über den hellen und dunklen Bereich auf beiden Seiten des Spiegels zu regieren, geriet die mühsam aufrechterhaltene Ordnung des Landes irgendwann langsam aber sicher ins Wanken, als sie anfing, sich für die Dimensionen fernab ihrer eigenen Welt zu interessieren. Obwohl es ihnen strikt untersagt gewesen war, das Wunderland zu verlassen und jemanden von außerhalb hineinzuführen, überwog schließlich ihre Neugierde. Sie nutzte ihre dunkle Macht, um in die für sie so faszinierenden Paralleluniversen zu gelangen, die sie jedes Mal so lange unsicher machte, bis es ihr langweilig wurde, und sie schließlich aus jeder Welt, die sie besucht hatte, eine für sie besonders interessante Person mit nach Hause brachte – unter anderem scheinbar das weiße Kaninchen (welches nach seinem Leben als Sänger, Charlies Aussagen zufolge, mit rapider Geschwindigkeit seine neue Rolle im Wunderland eingenommen hatte), den Märzhasen, die beiden Wachen und einige der Frauen, die zuvor, wie es aussah, ebenfalls überwiegend Sängerinnen gewesen waren. Leider hatte sich unter diesen Personen wohl auch die niederträchtige Kreatur befunden, die Alicias Leben, getarnt als Mister Price, ein tragisches Ende verschafft hatte... was wiederum Marilyn, der ihren Tod zu diesem Zeitpunkt als durch ihren zu weit fortgeschrittenen Wahnsinn verursachten Selbstmord einstufte, dazu bewog, das Leben seiner Geliebten fortzuführen, im Versuch, sie zu ersetzen, und die Dinge zu tun, die auch sie zuvor getan hatte.
 

So kam es, dass er, der von nun an die Herzkönigin verkörperte, einen Neuanfang startete und damit begann, Menschen aus fremden Dimensionen zu entführen, so wie es auch die dunkle Königin so oft vollbracht hatte, um sich aus ihnen ein neues, ein besseres Volk aufzubauen – während der böse Geist der Kreatur, der inzwischen längst still und heimlich zurückgekehrt war, bereits, ohne dass es jemand ahnte, seine Finger im Spiel hatte und die schreckliche Trauer ihrer Hoheit zu seinem eigenen Vorteil nutzte...
 

„... Das ist aber eine komplizierte Geschichte. Ich glaube, ich hab's nicht verstanden“, hörte Alice den Schwarzen Ritter nach einer Weile schmollen. Selbstverständlich ließ die überhebliche Antwort des Weißen Ritters nicht lange auf sich warten.
 

„Immer muss man Euch alles zwei Mal erklären!“, höhnte dieser arrogant wie eh und je. „Die erste Bevölkerung setzte sich aus Fantasiefiguren zusammen, während die zweite Bevölkerung, zu der wir beide gehören, aus irgendwelchen wichtigen Leuten besteht, die in ihrer ursprünglichen Welt jetzt... fehlen? Ähm...“
 

„Seht Ihr, Frau Weiß? Ihr habt es auch nicht verstanden“, gab Ritter Schwarz scheinbar zufrieden zurück und lehnte sich, begleitet von einem glücklichen Seufzer, an Black Beauty, die neben ihm im Gras saß und ebenso glücklich zurückgrunzte. General Floyd, der mit verschränkten Armen auf der anderen Seite neben der Sau stand, tat auffallend unbeteiligt, doch Alice entgingen nicht die wehmütigen Blicke, die er dem Tier immer wieder zuwarf. Fast wirkte es, als hielte er sich gezwungenermaßen zurück, um das offensichtliche Glück der beiden Weggefährten nicht zu stören.
 

„Nun, wisssssst ihr...“, zischte Charlie, „... die Vermutung desss Weissssssen Rittersss issst nichhht einmal falschhh. Ihr wurdet ausss euren alten Welten herausssgeholt, habt eure ursssprünglichhhe Identität vergessssssen und ssseid, wie ihr ssseht, noch immer hier. Daher issst esss naheliegend, dassssss ihr dort, wo ihr herkamt, nun ja, ssseitdem fehlt. Ssselbssstverssständlichhh hat dasss in der einen oder anderen Dimensssion für einen riesssigen Ssskandal gesssorgt, aber wasss sssoll ichhh machen? Ichhh bin blossss eine gewöhnlichhhe Schhhlange!“
 

Marilyn, der Charlies penetrant auf ihm lastenden Blick registrierte, fuchtelte abwehrend mit den Armen vor sich herum.
 

„Ich weiß, ich weiß, es war falsch von mir, gegen die Verbote zu verstoßen...! Aber jetzt kann ich es nicht mehr rückgängig machen... Ich verspreche, es kommt nie wieder vor!“
 

„Gut zzzu wissssssen, Eure Hoheit“, erwiderte Charlie gespielt streng, ehe er sich wieder Marilyns Untergebenen zuwandte und unbeirrt weitersprach. „Dasss issst übrigensss auch der Grund, wessshalb manchhhe von euchhh – genauer gesssagt: der Hutmacher, die Hassselmausss und mein guter Freund Fishhh – nichhhtsss von den Frauen wusssssten. Alsss ihr hierher rekrutiert wurdet, waren diessse bedauerlichhherweissse bereitsss im Kerker der Kehrssseite eingesssperrt.“
 

„So ist das also“, murmelte der Hutmacher daraufhin feststellend. „Erstaunlich. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass ich einmal etwas anderes getan habe, als Hüte zu machen, Tee zu trinken und zu backen.“
 

„Es ist wahrlich alles ganz ausgesprochen erstaunlich, aber ich wäre dafür, die Vergangenheit nun ruhen zu lassen“, brachte Marilyn mit einem scheinbar leicht nervösen Lächeln hervor und lenkte so die Aufmerksamkeit seiner Untertanen wieder auf sich. „Wisst ihr was? Ich habe eine grandiose Idee! Wie wäre es, wenn wir zur Feier des Tages und unseres Sieges über das Böse heute Abend ein Fest in der Empfangshalle veranstalten würden? Bis dahin haben wir Zeit, noch etwas aufzuräumen und das Chaos weitestgehend zu beseitigen... Oh! Wir könnten Platz schaffen und die Halle als Ballsaal nutzen! Was haltet ihr davon?“
 

„Ich würde sagen, das ist der erste vernünftige Vorschlag, den ich heute höre!“, antwortete prompt eine der Damen – eine stämmigere Lady in einem weiten dunkelgrünen Glitzerkleid, aus deren Schulterblättern bunte, hinter ihrem Rücken zusammengefaltete Schmetterlingsflügel wuchsen –, bevor irgendein männlicher Vertreter der Truppe diesen Vorschlag überhaupt wirklich verarbeiten konnte, wie es aussah. Eine andere Dame, deren Kleidung und Haare über und über mit neonfarbenen Federn bedeckt waren, schloss sich ihr voller Euphorie und mit den Worten „Das klingt nicht nur 'vernünftig', das klingt oberaffentittengeil!“ an, woraufhin der größte Anteil an Frauen unter ihnen in einen schrillen Zustand der Freude verfiel, während ihre männlichen Mitbürger Marilyns Idee nachträglich mit einem mehr oder weniger optimistischen Nicken zustimmten. Typisch, dachte Alice. Manche Dinge, wie beispielsweise das kuriose Phänomen 'Männer und Frauen', änderten sich wohl nie, nicht einmal an einem verqueren Ort wie diesem.
 

Was soll's, sagte er sich, als er sah, wie glücklich die Ladies über die Planung des kommenden Abends schienen, und musste selbst lächeln. Nach allem, was sie nun durchgemacht hatten, hatten sie sich ein wenig Spaß redlich verdient – und zugegebenermaßen war die Aussicht auf einen fröhlichen Ausklang des Tages im Schloss, ohne dass irgendein rachsüchtiger, böser Geist dazwischenfunkte, tatsächlich nicht das Schlechteste.
 

„Also gut! So machen wir es!“, beschloss die Königin überschwänglich, erhob sich andächtig von ihrem Platz auf einem der Gartenstühle und strich ihr ohnehin makellos sitzendes Kleid glatt, ehe sie sich ein paar Schritte Richtung Schloss bewegte. „Heute Abend... Sagen wir, wenn die Sonne in diesem Bereich nicht mehr zu sehen ist und der Himmel langsam dunkel wird, treffen wir uns alle zusammen in der Empfangshalle, die ich mithilfe meiner treuen Höflinge bis dahin wieder etwas herrichten werde. Solange könnt ihr erst einmal gehen, wohin ihr wollt. Ruht euch aus! Ach, bis auf... einige von euch, die ich gern um den einen oder anderen kleinen Gefallen bitten würde. Ich habe da bereits gewisse Vorstellungen, wie ihr auf eure ganz persönliche Art zu der Vollkommenheit unserer Feier beitragen könnt!“
 

Alice wartete einen Moment ab, ob sein Name fiel, als Marilyn die betreffenden Personen sichtlich vorfreudig aufzählte und zu sich bat, um alles weitere mit ihnen zu besprechen. Anscheinend gehörte er jedoch ausnahmsweise nicht zu den ausgewählten Helfern, deren 'kleine Gefallen' das Fest perfektionieren sollten. Gewissermaßen war er froh darüber. Nach all dem Trubel war es wirklich erleichternd, einmal nicht dringend gebraucht zu werden. Er sah, wie die Königin sich, umgeben von Fish, dem Hutmacher und einigen anderen ihrer Diener, gemächlichen Schrittes zur Halle aufmachte und gedämpft mit ihnen sprach, während die übrigen Bewohner des Wunderlandes zurückblieben, sich zunächst unschlüssige Blicke zuwarfen und sich dann offenbar entweder dazu entschlossen, sich die Zeit am Hof zu vertreiben oder nach Hause zu gehen. General Floyd, der eigentlich zu den von Marilyn aufgerufenen Personen zählte, stand noch immer am selben Fleck, an dem auch der Schwarze Ritter und Black Beauty sich bis vor Kurzem aufgehalten hatten, schaute scheinbar unsicher zu ihm herüber und ging schließlich auf ihn zu, als der Platz zunehmend leerer wurde. Alice hoffte, dass er es ihm nicht übel nahm, wie viel von seiner Privatsphäre er kürzlich unfreiwilligerweise über ihn in Erfahrung gebracht hatte, und fragte sich im selben Moment, ob Floyd das Szenario mit Alicia in seinen Gedanken wohl genauso wahrgenommen hatte wie es bei ihm selbst im Kerker der Kehrseite der Fall gewesen war.
 

„Ähm... Alice, richtig?“, sagte er zögerlich, als sie sich nun unmittelbar gegenüberstanden. Tatsächlich war es, wenn er sich nicht täuschte, das erste Mal, dass der General ihn mit seinem Namen ansprach. „Eigentlich sollte ich dafür sorgen, dass die Hämmer meiner Armee, die noch immer besiegt im Eingang der Halle herumliegen, von dort verschwinden. Aber vorher... wollte ich mich bei dir bedanken.“
 

Ein wenig überrascht sah Alice ihn an, doch Floyd blickte bloß zur Seite, so wie er es auch in seinem Albtraum stetig getan hatte, in dem sie sich unter etwas anderen Umständen begegnet waren.
 

„Ich weiß... Ich war bisher nicht sonderlich freundlich zu dir. Ich schätze, das liegt daran, dass du mich von Anfang an zu sehr an... die dunkle Königin erinnert hast“, fuhr er mit leiser Stimme fort, was Alice in seiner Annahme nur bestätigte. „Aber du hast mich eines Besseren belehrt. Sowohl Alicia als auch du habt eine Chance verdient, von vorn anzufangen, stimmt's?“
 

„Ich denke, da haben Sie Recht. Jeder hat eine zweite Chance verdient... zumindest fast jeder“, antwortete Alice lächelnd, bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, dass auch er die Situation als etwas befremdlich empfand. „Aber sagen Sie... Eines würde ich gern von Ihnen wissen, wenn Sie mir die Frage gestatten: Wenn es wirklich stimmt, dass Sie als einziger Überlebender der ersten Bevölkerung, der die ganze Zeit über am Hof tätig war, alles mitbekommen haben... ist Ihnen da nie der Gedanke gekommen, die Herzkönigin darauf anzusprechen, was sie mit all den Frauen und mit den Männern Ihrer Generation angestellt hat? Es muss für Sie doch verdächtig gewirkt haben, als alle der Reihe nach verschwunden sind, oder nicht?“
 

„Auf jeden Fall hat es das!“, erwiderte Floyd sofort. „Es hat sogar höchst verdächtig gewirkt. Aber, so absurd das auch klingen mag, außer mir ist es niemandem aufgefallen. Wahrscheinlich weil meine werten Kollegen der zweiten Bevölkerung nicht von Natur aus auf ein Leben im Wunderland ausgelegt und unterbewusst alleine schon zu sehr damit beschäftigt sind, ihren eigenen Wahnsinn halbwegs im Griff zu behalten, als dass sie es bemerken könnten, wenn etwas um sie herum nicht so ist, wie es sein sollte. Und ich... ich wollte nicht derjenige sein, der das Handeln unserer Königin in Frage stellt oder ihr gar etwas Böses andichtet...“ Kurz sah Floyd ihn direkt an, bevor er scheinbar irgendeinen unbestimmten Punkt neben ihm fixierte. „Ich hatte alles dafür getan, meinen Rang als General von ihr zu erlangen, und wollte diesen nicht gleich wieder durch ein falsches Wort aufs Spiel setzen... verstehst du? Hätte sie mich gefeuert, wäre ich wieder zu dem geworden, was ich... vorher war...“
 

„Ich verstehe das sehr gut“, sagte Alice absolut ehrlich. Floyd schien ob dieser Worte auf eine Weise unheimlich gerührt zu sein, auch wenn er das nicht gänzlich offen zeigte – Alice war sich beinahe sicher, dass es ihn nicht kalt ließ. „Ich bin zwar erst seit gestern hier, und es gibt sicherlich einiges, das ich noch nicht über euch und eure Welt weiß... Aber manches ist hier, im Wunderland, ganz genauso wie dort, wo ich herkomme. Und falls ich tatsächlich bei euch bleiben sollte, verspreche ich, dass ich, wenn es sein muss, höchstpersönlich für eine Sache Sorge tragen werde, die, wenn Sie mich fragen, überall gleich sein sollte – für den Frieden. Sollte irgendeiner es dann noch wagen, den Frieden auf welche Art auch immer zu stören, kann er sich auf ein unangenehmes Zusammentreffen mit mir gefasst machen.“
 

Jetzt war Floyd derjenige, der aus ehrlichster Überzeugung lächelte und sogar, wenn auch etwas verhalten, lachte – bisher hatte Alice ihm nicht einmal zugetraut, das zu können.
 

„Ich bin sicher, niemand möchte ein solches Zusammentreffen erleben“, entgegnete der General für seine Verhältnisse heiter und schaute dann in die Richtung, in die Marilyn sich mit seinen Untergebenen verzogen hatte. „Übrigens... Falls du noch etwas mehr über uns und unsere Welt erfahren willst, jetzt wo du darüber nachdenkst, hierzubleiben... Frag doch mal den Narren, ob er dir das schlaue Buch, das er die ganze Zeit mit sich herumträgt, eine Weile lang überlässt!“
 

Es dauerte einen Moment, bis Alice begriff, von welchem Buch er redete. Jedoch fiel ihm schnell ein, dass es im Zusammenhang mit Fish nur eines geben konnte, das er meinte.
 

„Natürlich. Keine schlechte Idee. Immerhin steht mir dieses nette Büchlein sowieso zu, nach der sensationellen Show, die ich Fish und seinen lustigen Freunden dafür geboten habe.“
 

Floyd musterte ihn mit einem amüsanten Blick, der irgendetwas zwischen „Was zum Teufel soll das nun bedeuten?“ und „Ich will es eigentlich gar nicht wissen...“ ausdrückte. Dann beeilte er sich, die demolierte Empfangshalle aufzusuchen, und Alice folgte ihm, um einen kleinen Abstecher zu Marilyns Hofnarren zu unternehmen.
 


 

„Interessant“, sagte er zu sich selbst, als er über den Rand des Buches, das er in Händen hielt, hinwegsah, und war sich nicht einmal sicher, ob es sich auf den Inhalt des antiken Werkes oder auf das skurrile Schauspiel vor seinen Augen bezog. Seit einer Weile saß Alice nun schon hier, in der Nähe der Bodenklappe, die durch den Notausgang zum Keller führte, und versuchte zu lesen. Er hatte sich diese Stelle ausgesucht, weil es hier besonders viele Laternen gab, die bei Nacht die Umgebung beleuchteten. So hatte er, wenn es langsam dunkel wurde, immer noch genug Licht, um die in verschnörkelter Schrift gemalten Buchstaben erkennen zu können.
 

Allerdings gab es genügend andere Umstände, die ihn vom Lesen abhielten. Ein Großteil der anderen hatte den Hof zwar inzwischen verlassen, jedoch bei Weitem nicht alle. Und diejenigen, die beschlossen hatten, bis zum Abend im Schlossgarten zu verweilen, setzten scheinbar alles daran, ihn von seinem Vorhaben, sich ein wenig über die Geschichte des Wunderlandes zu informieren, abzubringen. Mit voller Absicht. Oder vielleicht auch nicht.
 

Natürlich war ihm bewusst gewesen, dass es nicht gerade ruhiger werden würde, wenn die zuvor isolierten Frauen sich nun auch noch unter das Volk mischten... aber dass sie offenbar nichts Besseres zu tun hatten, als schrill vor sich hinträllernd auf der Wiese hin und her zu laufen, nur um sich dann und wann kichernd hinzuhocken und ein paar Blumen zu pflücken, sich in einer Lautstärke, die beinahe kriminell war, mit den hier verbliebenen Männern zu unterhalten, und – je nachdem, welches Tier sie verkörperten – entweder unentwegt aggressiv-gröhlende Geräusche von sich zu geben, mehrere Runden im Kreis zu hoppeln oder sich inbrünstig im Gras zu wälzen, war nicht gerade sehr förderlich für seine Konzentration. Ab und an hatte er gehört, wie nacheinander ein paar der Damen auf ihn aufmerksam geworden waren und sich so etwas zugeflüstert hatten wie „Hey, wer ist eigentlich der wahnsinnig gutaussehende Typ dahinten?“ – möglicherweise war es auch ein etwas anderer Wortlaut gewesen –, was die bei ihnen stehenden Männer meist mit „Stör ihn jetzt nicht, er liest!“ beantwortet hatten. Im Prinzip sehr entgegenkommend von ihnen, fand Alice. Nur half es nicht sonderlich viel, bei einem derart wilden Haufen Freaks, der ohnehin das vorprogrammierte Chaos verhieß.
 

Aktuell war eine junge Brünette mit wölfischen Attributen wenige Meter von ihm entfernt damit beschäftigt, das aufgesprungene Ei, das einmal Humpty Dumpty gewesen war, in einem eben erst gegrabenen Erdloch zu verbuddeln. Keine Minute nachdem sie sich scheinbar zufrieden von dannen gemacht hatte, wurde besagtes Ei von einer Blondine mit Fuchs-Schwanz wieder ausgegraben, die, trotz ihres zierlichen Aussehens, außerordentlich beherzt in der Erde wühlte, ehe sie das Objekt wie ein gerade erlegtes Beutetier in den Mund nahm und auf allen Vieren davonstolzierte. Wenigstens war Humpty Dumpty nicht mehr imstande, sich in irgendeiner Form zu wehren. Dessen frappant nervtötendes Geschrei auch noch ertragen zu müssen, wäre wirklich etwas zu viel des Guten gewesen.
 

Alice richtete seinen Blick erneut auf die dicht beschriebenen Seiten vor sich, die Sätze noch einmal flüchtig überfliegend, bis er die Stelle wiedergefunden hatte, an der er hängengeblieben war.
 

»Mehrere Tage ist es inzwischen her, dass ich den letzten Eintrag verfasst habe. Ich weiß, dass meine Aufgabe eigentlich lautete, jeden Tag wenigstens ein paar Zeilen zu schreiben, aber wir alle hatten einen großen Verlust zu verarbeiten. Unsere Königin, Alicia, Herrscherin der Schatten und Gemahlin des Königs – sie hat uns verlassen. Für immer.

Niemand weiß, wie es sich zugetragen hat, aber jeder hat seine eigenen Spekulationen. Es wird gemunkelt, sie habe sich das Leben genommen, weil einige ihrer Untergebenen sich, aufgrund ihrer häufigen Regelverstöße, von ihr abgewandt hatten. Doch sollte ich dem Glauben schenken?

Jeden Morgen steht unser König an der Klippe, blickt in die Ferne, um die Sonne zu beobachten, und zieht sich erst dann in sein Schloss zurück, wenn er weiß, dass sie aufgegangen ist. Der alte Glanz ist aus seinen Augen verschwunden, doch wenn er die Sonne betrachtet, scheint ein winziger Hoffnungsschimmer in ihm aufzuflammen. Als ginge ein Teil ihrer Wärme auf ihn über. In jener Nacht – der Nacht ihres Todes – ließ die Sonne auf sich warten. Der König wartete stundenlang, bewegte sich nicht von der Stelle, tat nichts, als starr in den schwarzen Himmel zu schauen. An jenem Morgen hatte die Sonne ihn vergessen.

Ist es überhaupt noch richtig, ihn so zu nennen? Unseren K ö n i g ? Oder ist es am Ende falsch von mir, ihn als solchen zu bezeichnen?

Seit sie fort ist und er allein über das Wunderland regiert, scheint er immer mehr zu versuchen, ihre Rolle einzunehmen und fortan das Königspaar in sich selbst zu vereinen. Er trägt ihre Kleider. Er hat sie zur Hälfte rot eingefärbt und trägt sie mit Würde, doch ohne jegliche Emotionen in seinen Zügen. Nicht einmal mehr seinen Namen dürfen wir aussprechen, weil er nichts will als zu vergessen. Er ist vollkommen kalt geworden.

Nun fragen wir, meine Brüder und ich, uns: Wie wird es weitergehen? Was soll aus uns werden, jetzt, da er, der ehemalige Herzkönig, alles, was ihm lieb war, verloren hat? Jetzt, da er, der unsere Welt stets mit so viel Güte erfüllte, zu einer Königin des Schreckens heranwächst? Sollen wir warten und das Risiko eingehen, dass er mehr und mehr von seinem früheren Selbst verliert, mit jedem weiteren verstreichenden Tag? Oder sollen wir einschreiten, wir vier, die wir doch eigentlich nicht das Recht haben, uns in die Angelegenheiten unseres Schöpfers einzumischen? Zu meiner Schande muss ich gestehen... ich weiß es nicht...«
 

„Na? Macht es dem Auserwählten etwa Freude, in fremden Tagebüchern zu lesen?“
 

Aufgeschreckt durch die unerwartete Stimme hinter sich, drehte er sich um und fand sich plötzlich Auge in Auge mit dem Hochgewachsensten der KISS-Truppe wieder, der ihn jedoch bloß mit einem belustigten Grinsen ansah.
 

„Nun ja“, entgegnete Alice zögerlich. „Es ist eher so, dass ich der Ansicht bin, bisher noch nicht genug über das Wunderland zu wissen, um- Warte mal... Bist du vielleicht der eigentliche Besitzer dieses Tagebuches?“
 

The Demon setzte einen fragenden Blick auf.
 

„Darauf kommst du erst jetzt? Ich hatte gedacht, das sei offensichtlich!“, gab er übertrieben erstaunt zurück und zog dann mit den Worten „Ich habe übrigens ein Geschenk für dich!“ etwas Schwarzes hinter seinem Rücken hervor, das Alice erst definieren konnte, als sein Gegenüber es ihm vors Gesicht hielt. Ein Anzug, wie es aussah. Ordentlich zusammengefaltet und mit allem, was dazugehört.
 

„Das ist wirklich für mich? Hat die Königin dich geschickt, mir das zu bringen...?“
 

„Oh ja, das hat sie“, antwortete The Demon gut gelaunt und machte dann, besser als Alice es für möglich gehalten hätte, Marilyns Tonfall nach. „'Sei so gut und überreiche das Alice, wenn du ihn siehst! Sag ihm, er möge es bitte anziehen, damit er auf unserem Ball auch angemessen gekleidet ist. Ach, und richte ihm meine herzlichsten Grüße aus, hihi'. Das hat sie zu mir gesagt. Du solltest ihr Geschenk annehmen. Ich glaube, sie wollte sich für den Abend ebenfalls schick machen!“
 

„Tatsächlich?“ Warum nur hatte er schon wieder den knapp bekleideten Marilyn vor Augen, den er aus seiner alten Welt kannte? „Ähm... Apropos 'Königin'... Wenn dieses Tagebuch wirklich dir gehört, kannst du mir sicher auch eine Frage beantworten?“
 

„Aber gerne doch! Was möchtest du wissen?“
 

Alice dachte an die letzten paar Zeilen, die er eben gelesen und die ihn nun doch ein wenig verwirrt hatten.
 

„In einem der älteren Einträge hast du die Königin – oder den König, was auch immer – als euren 'Schöpfer' bezeichnet. Aber ich dachte, Charlie wäre derjenige, der diese Welt erschaffen hat...? Habe ich mal wieder irgendwas nicht mitgekriegt?“
 

„Ach, das meinst du!“, lachte The Demon sichtlich unterhalten. „Nein, nein, es stimmt wohl, dass Charlie die Grundlage für das alles gelegt hat. Aber es ist so, dass meine Brüder und ich nicht wie der Rest der ersten Bevölkerung vom Wunderland selbst geboren worden sind. Wir sind vor langer Zeit aus der magischen Verbindung zwischen Herzkönig und Pikkönigin hervorgegangen. Ihre reine Liebe zueinander hat uns sozusagen ins Leben gerufen, um sie auf ewig beschützen und den Frieden unserer Welt erhalten zu können. Zumindest haben sie uns das später so erklärt.“ Er kicherte wie ein kleiner Junge und fügte dann hinzu: „Wenn man so will, könnte man sagen, sie waren unsere Eltern.“
 

„... Eltern!“, brachte Alice in einem hoffentlich nicht allzu überforderten Tonfall hervor. „Das würde ja bedeuten, dass ich die Wiedergeburt eurer-“
 

„Ganz genau so ist es, Mami!“, strahlte The Demon ihn förmlich an. Alice wich aus Reflex zwei Schritte zurück.
 

„Große Güte“, murmelte er so beherrscht wie nur möglich. „Und ich habe gestern für diese verdammte Karte noch mit dir geflirtet...! Das ist zu viel für mich.“
 

„Oh, aber Auserwählter! Kein Grund zur Sorge! Alicia war nicht unsere biologische Mutter, falls du das denkst. Im Gegensatz zu der Welt, aus der du kommst, ist so etwas bei uns gar nicht möglich“, erklärte der Freak zu seiner Erleichterung, schien sich jedoch über seine etwas voreilige Reaktion zu amüsieren. „Außerdem hast du vor mir ohnehin nichts zu befürchten“, ergänzte er grinsend. „Ich bin in festen Händen.“
 

„In festen... Dann... Oh.“
 

„Ja, richtig. Es gibt überhaupt kein Problem. Und jetzt nimm schon den Anzug, oder willst du ihn etwa nicht? Er ist maßgefertigt!“, machte er ihn erneut auf die zusammengelegten Kleider aufmerksam, die er ihm noch immer entgegenstreckte.
 

„... Doch. Selbstverständlich“, antwortete Alice, die augenblicklich aufkommende Frage in seinem Kopf, wer das Teil denn seit seiner Ankunft für ihn maßgeschneidert haben sollte, ignorierend, und nahm sein Geschenk prüfenden Blickes an sich. Dann stach ihm das Buch in seiner anderen Hand wieder ins Auge und er bemerkte, wie dunkel es inzwischen bereits geworden war. Seit er sich hier hingesetzt hatte, musste eine ganze Weile vergangen sein. Die Laternen ringsherum hatten schon angefangen zu leuchten, wenn auch nur sehr schwach. Es sah aus, als schwebten hunderte winzige Glühwürmchen in den Gefäßen, die den Lampen, je später es wurde, nach und nach ihr Licht spendeten. „Die Zeit ist fast um“, sagte er geistesabwesend. „Das Buch...! Du willst es sicher zurück haben, oder?“
 

The Demon winkte ab.
 

„Am Ende des Tages hätte ich es gern für einen Moment wieder. Ansonsten bin ich sicher, dass es bei dir gut aufgehoben ist!“, erwiderte er lächelnd, wandte sich zum Gehen und rief ihm noch ein paar letzte Worte zu, bevor er verschwand: „Ich habe immerhin nicht umsonst dafür gesorgt, dass es in deiner Obhut landet!“ Danach war er weg, und Alice blieb allein im schummrigen Licht der frühen Dämmerung zurück. Kurz warf er einen nachdenklichen Blick in den Himmel, die Worte des Anderen noch einmal im Geiste wiederholend, als er die kühle Abendluft registrierte und nebenbei feststellte, dass einige seiner Mitmenschen scheinbar schon hineingegangen waren.
 

„Also gut“, sagte er schließlich leise zu sich selbst. „Vielleicht sollte ich mich dann auch langsam fertig machen.“
 


 

Die Stimmung in der Empfangshalle war überwältigend. Verglichen mit der festlichen und, trotz all der im Saal herumspringenden Verrückten, erhabenen Atmosphäre, die hier herrschte, war es draußen beinahe beschaulich zugegangen.
 

Obwohl der Eingangsbereich sichtlichen Schaden erlitten hatte – das Schlosstor war vollkommen zerstört worden, sodass man vom Garten aus nun direkt in das Gebäude schauen konnte –, hatten Marilyn und seine Diener es bewerkstelligt, dem Raum ein feierliches Aussehen zu verleihen, das einen förmlich dazu einlud, es sich gemütlich zu machen und den Abend in vollen Zügen zu genießen. Mehrere Tische standen aneinandergereiht und mit reichlich beeindruckenden Speisen verziert am Rand. Hin und wieder entdeckte er in dem Getümmel eine Maid, die, gekleidet in ein niedliches schwarzweißes Gewand und ausgerüstet mit einem Tablett, zwischen den ausgelassen miteinander plaudernden Leuten umherstreifte. Genauer gesagt waren es sogar drei Maids, wenn er sich nicht verzählt hatte. Von irgendwo weiter hinten im Saal ertönte Musik – die sanften Klänge einer Geige –, die er zwar im Augenblick nicht zuordnen konnte, jedoch für passend zum restlichen Ambiente empfand. Es waren durch und durch gute Voraussetzungen für eine vernünftige Party.
 

Nachdem er mit dem Lesen der Tagebuchseite, bei der er angelangt war, als The Demon ihn unterbrochen hatte, fertig geworden war, hatte er einen Grashalm von der Wiese gepflückt und in das Buch gesteckt, um sich die Stelle besser merken zu können. Weil er es als ziemlich unhöflich erachtete, das Buch unbeaufsichtigt liegen zu lassen, jetzt, da er wusste, dass sein eigentlicher Besitzer ihm diesbezüglich so viel Vertrauen entgegenbrachte, hatte er es kurzerhand mitgenommen und in einer recht großen Innentasche seines Anzuges verstaut, der ihm erfreulicherweise tatsächlich wie angegossen passte. Zwar hatte er einen Moment warten müssen, bevor er dazu gekommen war, sich umzuziehen, weil zu dem Zeitpunkt, zu dem er das Badezimmer betreten hatte, bereits drei Damen in ebendiesem damit beschäftigt gewesen waren, sich zu schminken und jeweils eine Zigarette zu rauchen – zwei von ihnen glaubte er, als Gina und Sunny erkannt zu haben, die Dritte hatte er noch nie zuvor gesehen –, doch danach waren sie so zuvorkommend gewesen, ihm den Raum zu überlassen, und hatten sich zügig von dort verzogen; nicht, ohne im Vorbeigehen kichernd miteinander zu tuscheln. Alice hatte nur die Wörter 'Auserwählter', 'Königin' und 'ultra-charmant' heraushören können. Auf wen genau sich Letzteres bezogen hatte, wusste er nicht, aber er vermutete, auf ihn.
 

Ultra-charmant wäre es auch, wenn irgendwer mir sagen würde, was ich jetzt tun soll, dachte er, das lange Herumstehen allmählich müde werdend, und blickte sich in der Menge nach einer halbwegs umgänglichen Person um, die er gegebenenfalls ansprechen könnte, wenn schon sonst nichts passierte. Allerdings verwarf er seinen Entschluss genauso schnell wie er ihn gefasst hatte, weil dieses Vorhaben in genau dem Augenblick unwichtig wurde, in dem er Marilyn, gehüllt in ein ausladendes, wahnsinnig schönes Ballkleid, auf sich zukommen sah. Es war nicht schwarz-rot, was ihm seltsamerweise sofort auffiel. Es war von oben bis unten in einem edlen Rot-Ton gehalten, der außerordentlich gut mit Marilyns Haarfarbe harmonierte.
 

„Alice!“, stieß die Königin beschwingt aus, als sie sich, offenbar fröhlich gestimmt, zu ihm gesellte und ihn somit aus seinen etwas zweifelhaften Gedanken riss. „Da bist du ja! Du siehst fantastisch aus!“
 

„Ich würde ja sagen 'Ich weiß'...“, entgegnete er gespielt abgeklärt, „... aber weil Ihr es seid, antworte ich mal mit einem geschmeichelten 'Vielen Dank'.“
 

Marilyn grinste breit, und er fragte sich, ob er da eben wirklich das Richtige gesagt hatte, beschloss jedoch, es einfach dabei zu belassen. Ihm hatte er es zu verdanken, dass er heute nicht zu einem Haufen Asche verarbeitet worden war und nun überhaupt hier, auf dem königlichen Ball, anwesend sein konnte. Da war es nur normal, ein wenig nervös zu sein, oder...?
 

„Warum gehen wir nicht erst einmal zum Buffet rüber? Da können wir uns weitaus besser unterhalten als hier!“, schlug Marilyn vor und wirkte dabei fast wie ein Geburtstagskind, das es nicht erwarten konnte, die Kerzen auszupusten und all die Dinge zu tun, die auf dem Programm standen. Nichtsdestotrotz klang sein Vorschlag nach einer guten Idee, denn das bedeutete auch, dass sie sich hinsetzen würden – und er hatte langsam aber sicher wirklich lange genug herumgestanden.
 

„Hört sich super an!“, antwortete er zufrieden und wandte sich in Richtung der aneinandergereihten Tische, vor denen auch einige Stühle sorgfältig nebeneinander platziert waren. Dann wandte er sich noch einmal Marilyn zu, der ihm bestätigend zunickte, ehe sie sich dem festlichen Bankett widmeten und auf zwei Stühlen, nicht weit von der Geigenmusik, Platz nahmen. Erst jetzt bemerkte Alice, dass es Fish war, der dort vorne, wie vor seinem kleinen Blumen-Publikum, auf der freien Fläche stand und mit geschlossenen Augen,völlig vertieft in seine eigene Melodie, das Instrument spielte. Einerseits hatte er von dem Narren nicht unbedingt erwartet, eine solch melancholische Seite an sich zu haben, aber andererseits überraschte es ihn aus irgendeinem Grund auch nicht sonderlich.
 

„Schön, nicht? Die Melodie, meine ich“, kommentierte Marilyn mit verträumtem Blick und winkte eine der Maids, die sich gerade zufällig in ihrer Nähe aufhielt, zu sich herüber. „Der Märzhase hätte eigentlich bei ihm stehen und ihn mit seiner Querflöte begleiten sollen, aber noch ist er nicht erschienen. Wahrscheinlich wurde er auf dem Weg hierher wieder einmal von einer bösen Eule oder einem tollwütigen Pinguin abgefangen... Kennen wir ja alles.“
 

„Ihr lasst Euch heute Abend von nichts mehr die Laune verderben, was?“, erwiderte Alice, gewissermaßen erleichtert darüber, die Königin einmal so ausgeglichen zu erleben. Marilyn lächelte bloß, bevor er die blonde Lady in dem hübschen Maidkleid freundlich in Empfang nahm, als sie mit ihrem Tablett und einem geübten Hüftschwung auf sie beide zustöckelte.
 

„Was darf es sein?“, fragte sie höflich und blickte zwei Mal strahlend zwischen ihnen hin und her.
 

„Punsch“, gab Marilyn zurück, mit einer ebenfalls fragenden Geste in seine Richtung, die Alice spontan mit einem Nicken beantwortete. „Zwei Gläser wären nett!“, beendete die Königin ihre Bestellung, was die Dame mit einer Verbeugung zur Kenntnis nahm, bevor Alice beobachten konnte, wie sie einige Meter weiter zum anderen Ende der Tischreihe lief, wo ein großes, offenbar mit Punsch gefülltes Gefäß stand, und zwei leere Gläser zückte.
 

„... Wenn die Getränke sowieso hier stehen, warum brauchen wir dann eine Kellnerin, die uns was bringt?“
 

„Gegenfrage“, sagte Marilyn amüsiert. „Warum sollen wir uns selbst etwas holen, wenn wir es uns auch von einer süßen Maid bringen lassen können?“
 

Alice lachte kaum merklich.
 

„Einleuchtend“, entgegnete er knapp, als die blonde Dame mit einem vollen Tablett zu ihnen zurückkehrte und die Gläser mit einer schwungvollen Bewegung vor ihnen abstellte. Wie sie es schaffte, dass trotzdem nichts überschwappte, war ihm ein Rätsel.
 

„Bittesehr!“, flötete sie sichtbar munter. „Darf es sonst noch etwas sein?“
 

„Nein, danke, im Moment nicht“, antwortete Marilyn für sich, wogegen auch er nichts einzuwenden hatte, und warf ihr einen semi-subtilen Blick hinterher, als sie hüftschwingend und mit klackernden Absätzen wieder davonzog. Alice schaute zur Seite, bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, dass der heutige Tag ihn wohl doch mehr mitgenommen hatte, als er es zugeben wollte. Er sah die Raupe nicht weit von seinem Platz über den Boden kriechen, leise vor sich hinjammernd, weil sie ihre Pfeife scheinbar nirgends finden konnte, und ein paar Schritte weiter Black Beauty, die wie ein Hund neben dem Schwarzen Ritter saß, brav darauf wartend, dass dieser ihr irgendwann den Befehl zum Aufstehen erteilte. Es war nichts Besonderes – schließlich hatte er während seiner Zeit am Hof schon weitaus wunderlichere Dinge zu Gesicht bekommen. Und doch wirkte all das auf ihn im Augenblick so surreal, dass es ihm beinahe so vorkam, als sei es bloß irgendeine Art von Einbildung. Er hätte nicht einmal wirklich erklären können, weshalb. Es war schlichtweg... zu viel, um der Realität zu entsprechen.
 

„Geht es dir gut?“, hörte er Marilyn plötzlich fragen, der sich scheinbar ein wenig besorgt zu ihm vorgelehnt hatte. „Du wirkst irgendwie... abwesend.“
 

„Nein, nein. Ist schon okay“, erwiderte Alice und zwang sich zu einem möglichst überzeugenden Lächeln. „Ich glaube, ich muss nur erst mal ein bisschen runterkommen. Nach allem, was heute passiert ist, bin ich etwas durcheinander... Die ganzen Albträume, diese Sache mit den Frauen... und dann die vielen neuen Informationen über Euch und Euer Land... Das ist nicht ganz so leicht zu verarbeiten, wisst Ihr?“
 

„Oh... das- Aber natürlich verstehe ich das“, sagte Marilyn in einem ungewohnt mitfühlenden Tonfall. „Ich bin mir ja selbst nicht sicher, was ich über all das denken soll. Die Frauen sind zwar wieder da, aber ob sie je wieder genauso sein werden wie früher, steht in den Sternen. Schließlich ist ihnen eine nicht unwesentliche Zeitspanne ihrer bisherigen Existenz entrissen worden, als sie gefangen gehalten wurden... Wahrscheinlich haben sie selbst noch nicht vollständig erfasst, was eigentlich mit ihnen und dem restlichen Volk geschehen ist.“ Er machte eine kurze Pause, während der er bloß apathisch zu Boden starrte, bevor er mit einem anderen Thema fortfuhr. „Sag mal, diese Albträume... Verstehe ich das richtig, dass jeder von euch durch den Fluch des Phantoms mit seiner eigenen größten Angst konfrontiert wurde und du dir die Halluzinationen der anderen als Einziger der Reihe nach ansehen konntest?“
 

„Ich habe mir das nicht ausgesucht, falls Ihr das denkt!“, stellte er rasch klar, damit die Königin ihn nicht für einen Spanner hielt, der sich gern in den Privatangelegenheiten seiner Mitmenschen herumtreibt. „Eigentlich wollte ich diese ganzen Albträume gar nicht kennen, aber ich hatte keine Wahl... Ja, es stimmt, dass ich sie mir angesehen habe. Und vergessen können werde ich sie so schnell wohl nicht.“
 

„Das kann ich mir vorstellen“, entgegnete Marilyn mit einer merkwürdigen Mischung aus Faszination und Mitleid, dann musterte er ihn scheinbar interessiert. „Was ich mich gerade frage, ist... Ich will nicht unverschämt sein, aber es gab doch sicher auch eine solche Illusion, die nur du wahrnehmen konntest, richtig? Dein eigener... persönlicher Albtraum?“
 

Und genau das hatte er vermeiden wollen.
 

„Ähm... ja, den gab es auch, richtig“, antwortete er zögerlich, in der Hoffnung, Marilyn würde nicht weiter nachhaken – was höchst unwahrscheinlich war, das wusste er selbst. Aber solange er nicht explizit danach gefragt wurde, brauchte er auch nicht weiter darauf einzugehen, nicht wahr?
 

„Und?“, sagte Marilyn. „Was war dein persönlicher Albtraum?“
 

Wie er diese Königin und ihre scheußliche Neugierde doch verfluchte.
 

„Nun, wenn Ihr es unbedingt wissen wollt... Es waren mehrere Dinge, die da zusammenkamen. Eine einstürzende Treppe, die sich in einen furchteinflößenden dunklen Abgrund verwandelt; eine alternative Version der Teegesellschaft, die sich noch eigenwilliger verhält als es die drei Originale schon tun – sowas eben.“
 

Das war nicht einmal gelogen. Dass er den Teil, der ihre Hoheit selbst betraf, verschwiegen hatte, konnte niemand nachweisen – immerhin hatte es außer ihm niemand gesehen. Marilyn sah ihn schief an und setzte eine skeptische Miene auf.
 

„Du hast Angst vor der Teegesellschaft?“, fragte er unterschwellig erheitert, jedoch nicht unterschwellig genug, als dass Alice es hätte überhören können. „Gut, ich gebe zu, man muss sich erst einmal an sie gewöhnen. Aber wenn man den ersten Schock überwunden hat, merkt man schnell, dass sie eigentlich harmlos sind.“
 

„Ja... Wahrscheinlich habt Ihr Recht“, gab er zurück, nicht sicher, ob Marilyns Reaktion ihn peinlich berührt oder eher erleichtert sein lassen sollte. „Aber wie dem auch sei... Wir brauchen uns keine Sorgen mehr zu machen, denn jetzt ist ja alles wieder fast beim Alten, oder?“
 

„In der Tat. Es ist alles fast beim Alten“, sagte Marilyn, ein kaum sichtbares Lächeln auf den Lippen, und blickte mit einem nachdenklichen Ausdruck in den Augen nach vorn. Im selben Moment glaubte Alice, eine panisch keuchende Figur auf allen Vieren vorbeihechten zu sehen – es sah aus wie die Grinsekatze –, gefolgt von einem bemerkenswert aggressiv dreinschauenden Piepwuff, der ein großes Stück Käse zwischen den Zähnen mit sich herumschleppte, und einem anschließenden lauten Scheppern, als die beiden wieder aus seinem Sichtfeld verschwunden waren. Das Lächeln der Königin wurde augenblicklich um einiges deutlicher, bis sie sich ihm schließlich lachend und mit erhobenem Glas zuwandte. „Darauf stoßen wir an!“
 

Alice erwiderte ihre Geste guten Gewissens, die düsteren Gedanken, die ihn vor wenigen Minuten noch geplagt hatten, einfach beiseiteschiebend. Sicherlich hatte er – nein, nicht nur er sondern sie alle – einen turbulenten Tag hinter sich. Aber jetzt waren sie hier, auf dem königlichen Fest, das zu Ehren ihres gemeinsamen Triumphes stattfand, und hatten alle Zeit der Welt, sich von diesen Turbulenzen zu erholen.
 

„Auf das Wunderland!“, sagte er in einem solch feierlichen Tonfall, dass es ihn selbst kurz überraschte, und blendete für den Moment sämtliche negativen Dinge, die ihnen heute widerfahren waren, aus. In dieser Sekunde zählte einzig und allein, was sie gewonnen hatten, und nichts anderes.
 

„Auf das Wunderland“, wiederholte Marilyn und setzte in all seiner hoheitlichen Eleganz zum Trinken an, als sich mit einem Mal völlig überstürzt und atemlos eine wohlbekannte Gestalt aus der Menge zu ihnen hervordrängelte, das Instrument in ihrer Hand wie einen Speer umschlossen und die Königin aus riesigen, geweiteten Augen fixierend.
 

„Eure Majestät...! Da... Da bin ich!!“
 

„Das sehe ich“, antwortete Marilyn, während er den erschöpft vor sich hin hechelnden Märzhasen, der den Klebebandstreifen in seinem Gesicht offenbar wieder losgeworden war, eingehend betrachtete. „Du hast dir ganz schön Zeit gelassen. Was hat dich aufgehalten?“
 

„Meine Flöte, Majestät!“, schrie der Hase aufgebracht, wobei seine Augen, zu Alice' Erstaunen, noch größer wurden. „Meine... Meine liebe und gute Flöte!!“
 

„... Deine Flöte hat dich aufgehalten?“, erwiderte Marilyn nach einer Weile des Schweigens, und Alice konnte nicht anders, als sich vorzustellen, wie besagte Flöte ein Eigenleben entwickelt, nur um dem Märzhasen, fies wie sie war, den Weg zu versperren. Er verkniff sich ein Lachen, während er einen Schluck von dem noch warmen Punsch probierte.
 

„Oh nein, Majestät, ganz im Gegenteil! Ich weiß, dass sie das, nun, ganz gewiss niemals tun würde!“, verteidigte Märzi sein Instrument, als handelte es sich dabei nicht um ein solches sondern vielmehr um seine Tochter oder etwas Ähnliches, und beäugte es dann, als würde er auch genau das darin sehen. Alice zog es ausnahmsweise vor, nicht intensiver darüber nachzudenken, und hielt stattdessen Ausschau nach der Speise, die, zwischen all den anderen auf dem Tisch zur Schau gestellten Desserts, diesen besonders einprägsamen Duft verströmte, den er schon die ganze Zeit über einatmete. Nach Kurzem war er sich recht sicher, es herausgefunden zu haben. Der Kuchen. „Jemand hat sie versteckt!!“, hörte er den Märzhasen plötzlich entrüstet ausrufen. „Irgendein... herzloser Bösewicht hat sie einfach eiskalt vor mir versteckt...! Könnt Ihr das glauben, Majestät?!“
 

„Das glaube ich gern, ja“, sagte Marilyn, genehmigte sich nun auch einen Schluck seines Getränks und warf ebenfalls einen prüfenden Blick auf die Süßspeisen. „Hast du schon deine Mitbewohner in Betracht gezogen? Es würde mich nicht wundern, wenn sie zumindest einen Versuch gewagt hätten, dich kurzzeitig von deiner... Flöte zu trennen. Du darfst übrigens gern zugreifen, Alice! Den Kuchen kann ich nur wärmstens empfehlen!“
 

„Vielen Dank, Eure Hoheit! Ich hole mir nur schnell einen Teller“, entgegnete er, ehe er aufstand, sich an dem Märzhasen, der anscheinend nicht auf die Idee kam, ihm ein wenig Platz zu machen, vorbeiquetschte – Alice hörte ihn im Vorbeigehen noch so etwas antworten wie „Ich habe ja stark das Känguru im Verdacht...!“ – und sich vom hinteren Ende der Tischreihe einen kleinen goldenen Teller sowie eine Kuchengabel desselben Materials nahm. Als er mit dem Besteck an seinen Platz zurückkehrte, war der Märzhase bereits dabei, sich zu der freien Fläche zu begeben, dorthin, wo auch Fish kontinuierlich in seinem Geigenspiel versunken war.
 

„Falls er vorhat, so unkontrolliert in das Teil zu pusten wie beim letzten Mal, das ich bei ihm zu Besuch war, wird das ein experimentelles Hörvergnügen“, gab Alice zu bedenken, während er sich, wieder auf dem Stuhl neben der Königin sitzend, ein Stück des fantastisch duftenden Kuchens zu Gemüte führte. „Ich hoffe, er wird sich ein bisschen- Mhmm... Das ist... verflucht gut!“
 

„Wonach schmeckt der Kuchen?“, fragte Marilyn seltsam erwartungsvoll. Alice schielte irritiert zu ihm herüber.
 

„Hauptsächlich nach Schokolade und Nuss... und hintergründig noch nach etwas anderem, das ich nicht so genau definieren kann“, versuchte er, das einzigartige Geschmackserlebnis zu beschreiben, nachdem er das bereits zweite Stück heruntergeschluckt hatte. „Aber wie könnt Ihr mir überhaupt einen Kuchen empfehlen, von dem Ihr nicht selbst vorher gekostet habt...?“
 

„Oh, das ist ganz einfach“, grinste Marilyn und nippte an seinem Getränk. „Ich brauche gar nicht erst davon zu kosten. Ich habe prinzipiell großes Vertrauen in alles, was unser feiner Hutmacher aufs Blech zaubert.“
 

„Der Hutmacher hat das gebacken? Das sagt Ihr mir erst jetzt?“, erwiderte Alice etwas empörter als er es beabsichtigt hatte, womit er sein Gegenüber jedoch bloß erst recht zum Lachen brachte.
 

„Ich verstehe deine Aufregung nicht... Der Hutmacher ist der beste Bäcker, den das Wunderland zu bieten hat!“, sagte Marilyn wie selbstverständlich, und Alice beherrschte sich, den Kommentar, der ihm sofort auf den Lippen lag, für sich zu behalten. Bei dieser Königin war er sich ohnehin nie sicher, wann sie etwas ironisch meinte und wann nicht. Eigentlich hatte beinahe alles, was sie sagte, einen dezent ironischen Unterton. „Ach! Hör mal!“, rief sie urplötzlich mit solch ehrlicher Begeisterung, als wolle sie seine Gedankengänge von eben Lügen strafen. „Die beiden Hofnarren haben endlich gemeinsam zu musizieren begonnen! Entschuldige mich kurz! Das ist mein Stichwort.“
 

Leicht skeptisch beobachtete er ihre Majestät dabei, wie sie sich offensichtlich gut gelaunt von ihrem Platz erhob und die Menschenmengen, die in rege Unterhaltungen vertieft überall im Saal verstreut waren, mit feierlicher Stimme zum Tanzen aufforderte. Nicht sicher, ob die daraufhin entstandene allgemeine Euphorie, die auf einen Schlag um ihn herum herrschte, das Szenario weniger oder noch mehr wie einen Traum erscheinen ließ, schnitt Alice sich ein weiteres Stück des hervorragenden Kuchens ab. Auf irgendeine spezielle Weise hatte dessen Geschmack eine beruhigende Wirkung auf ihn – allerdings konnte es auch gut sein, dass dieses Gefühl auf die Inhaltstoffe des Gebäcks zurückzuführen war, jetzt wo er dessen Herkunft kannte. Marilyn setzte sich mit einem zufriedenen Lächeln wieder, als die Empfangshalle sich tatsächlich nach und nach in einen Ballsaal verwandelte.
 

„Toll, nicht wahr? Zu sehen, wie sie nach so langer Zeit wieder zueinandergefunden haben... Das macht mich ehrlich glücklich.“
 

„Ihr meint die Männer und Frauen, die sich jetzt endlich wiedersehen? Ja, das ist wirklich schön. Fast wie eine Art Happy End“, stimmte Alice zu, mit einer beinahe ungewohnten Ausgeglichenheit dabei zusehend, wie jeder der wunderländischen Freaks sich einen Partner suchte und sich mit diesem zusammen im Rhythmus der Musik bewegte. Das Weiße Kaninchen tanzte mit seiner geliebten Angie, der Hutmacher mit der Frau, die Alice als Sunny identifizierte. Ziggy reichte einer Dame, die eine gewisse optische Ähnlichkeit zu ihm aufwies, die Hand und entführte sie in einen etwas weniger belebten Winkel des Saales. Sogar Wachmann Nummer Eins wirkte beim innigen Tanz mit der Frau, die er Lalena genannt hatte, als sei seine stets eingefrorene Miene durch das flammende Feuer der Liebe aufgetaut – auch wenn das eine etwas übertriebene Formulierung sein mochte.
 

„Ja, das ist es“, sagte Marilyn ruhig, ehe er sich ihm abrupt gespannten Blickes zuwandte. „Und? Verrätst du mir jetzt, wie dein persönlicher Albtraum aussah?“
 

„... Das habe ich Euch doch schon verraten“, seufzte Alice, bevor er sich den letzten Bissen des außergewöhnlichen Hutmacher-Gebäcks einverleibte. Marilyn verzog schmollend das Gesicht.
 

„Aber das war doch längst nicht alles, stimmt's?“, bohrte er aufdringlich weiter und machte dann eine Geste in Richtung der Süßspeisen. „Hey, nimm doch noch ein Stück Kuchen! Es ist genug da.“
 

„Ach, so ist das also! Ihr wollt mich abfüllen, damit ich lockerer werde, was? Ganz schön durchtrieben, Eure Majestät.“
 

„Das ist alkoholfreier Punsch. Ich will nicht riskieren, Personen wie unsere beiden Ritter auch noch im beschwipsten Zustand zu erleben. Nicht auszudenken, wenn sie lallend aufeinander losgehen würden“, scherzte Marilyn, während er Fish und den Märzhasen eine Weile lang aus halb geschlossenen Augen betrachtete, scheinbar ein wenig nachdenklich auf deren Musik konzentriert. Alice richtete den Blick auf das halb-leere Glas, das vor ihm stand.
 

„Ich habe dabei auch eigentlich nicht an den Punsch gedacht.“
 

Ein paar Minuten vergingen, in denen keiner von ihnen etwas sagte. Beide starrten sie schweigend vor sich hin, nichts als die simple Melodie wahrnehmend, die fortwährend den großen Saal erfüllte, bis Marilyn die angespannte Stille schließlich durchbrach, indem er abermals von seinem Platz aufstand.
 

„Ich habe eine Idee“, erklärte er kurz angebunden, ehe er seinen Stuhl an den Tisch rückte und bedächtigen Schrittes an ihm vorbeiging. „Warte hier auf mich!“
 

Ohne sich die Mühe zu machen, etwas darauf zu erwidern – Marilyn war ohnehin viel zu schnell verschwunden, als dass er es noch hätte hören können –, schaute Alice ihm hinterher, als er auf die beiden Narren zutrat, die er bis eben noch so fasziniert betrachtet hatte, und einen Zettel hervorzog, den er Fish vors Gesicht hielt, nachdem dieser sein Geigenspiel für den Moment unterbrochen hatte. Der Märzhase hingegen ließ sich nicht im Geringsten davon stören und flötete unbeirrt weiter, so als habe er nicht einmal bemerkt, dass sein Partner sich gerade mit der Königin unterhielt. Von Weitem wirkte ihr Anblick in dem roten Ballkleid beinahe unwirklich schön, selbst in dem Wissen, wer sie war und was sie getan hatte. Im Augenblick war sie schlicht und ergreifend die Herzkönigin, die Herrscherin des Wunderlandes, die alles dafür tat, die alte Harmonie wiederherzustellen und für das Wohl ihres Volkes zu sorgen. Wobei... Hatte es hier überhaupt jemals so etwas wie wahre Harmonie gegeben?
 

Unwillkürlich schweifte sein Blick zu Floyd, der nahe des Banketts inmitten der Menge stand, von der er sich gewissermaßen abhob, da er der Einzige war, der sich nicht bewegte. Erst bei genauerem Hinsehen registrierte Alice, dass er Gina ansah, die ihm gegenüberstand und anscheinend mit ihm redete. Nur bruchstückhaft konnte er verstehen, was sie sagte, aber ihre Mimik und Gestik sprachen für sich.
 

„Ich tanze nicht“, hörte er Floyd daraufhin entschieden klarstellen, was sie mit einer bloßen Handbewegung abtat. Inzwischen war die Musik vollständig verstummt. Sowohl der Märzhase als auch Fish starrten wie gebannt auf das Blatt Papier, das die Königin ihnen gegeben hatte.
 

„Du bist viel zu ernst“, konnte er nun auch Ginas Worte erfassen. „Als starker, verantwortungsbewusster General hast du doch sicher genug Gelegenheit, einen auf streng zu machen. Zieh doch mal deine... hübsche Uniform aus und hab ein bisschen Spaß!“
 

„Ich habe gesagt, ich tanze nicht!“, wiederholte Floyd in einem schärferen, unmissverständlichen Tonfall. Gina, die sich ihm zuvor auf eine ebenso unmissverständliche Weise genähert hatte, wich einen Schritt zurück. „Die einzige Person, mit der ich das jemals tun würde...“, fügte er so leise hinzu, dass Alice es lediglich erahnen konnte, „... steht mir nicht... zur Verfügung.“
 

Einen letzten ungnädigen Blick auf ihn werfend, blieb Gina einige Sekunden lang wie erstarrt dort stehen, dann drehte sie sich erhobenen Hauptes um und ließ Floyd alleine zurück, der jedoch keine Miene verzog. Auch nicht, als die Musik erneut anfing, die Halle zu erfüllen, und damit all die umstehenden Paare ein weiteres Mal begeistert zum Tanzen brachte. Alice kannte dieses Stück. Er wusste nicht genau, woher, doch als die ersten Takte der Geige erklangen und der Märzhase kurz darauf mit seiner Flöte einsetzte, wurde er das Gefühl, dieses Lied irgendwann bereits deutlich mehr als nur einmal gehört zu haben, immer weniger los.
 

Eigenartig, dachte er, wie leicht ein paar Töne doch die gesamte Umgebung auf eine Art vertrauter erscheinen lassen konnten.
 

„Das wäre erledigt!“, vernahm er unerwartet eine heitere Stimme neben sich. Offenbar war er so in Gedanken versunken gewesen, dass er kurzzeitig überhaupt nichts mehr mitbekommen hatte.
 

„Marily-“, entfuhr es ihm wie automatisch, als er die Königin bemerkte, die bereits zu ihm zurückgekommen war, unterbrach sich selbst jedoch rasch. „Entschuldigt. Ich muss mir das wirklich abgewöhnen...“
 

„Wie meinst du das?“, fragte Marilyn zu seiner Verwunderung. Alice erinnerte sich an den letzten Tagebuch-Eintrag, den er gelesen und der bestimmte Informationen über Marilyns Krise nach Alicias Tod beinhaltet hatte.
 

„Na... Euer Name“, gab er unsicher zurück. „Ihr wollt doch von Eurem Volk schon seit Langem nicht mehr so genannt werden...?“
 

Marilyn lächelte, als habe er mit dieser Antwort gerechnet.
 

„Das stimmt“, sagte er und reichte ihm, wie um ihm beim Aufstehen zu helfen, eine Hand. „Du bist aber nicht 'mein Volk'.“ Fragend sah Alice zu ihm auf, weil er nicht den Hauch einer Ahnung hatte, wie er diese Geste interpretieren sollte. „Komm schon!“, forderte Marilyn ihn auf; es klang fast etwas enttäuscht. „Willst du etwa nicht?“
 

„Was soll ich nicht wollen?“
 

„Überlege doch mal“, entgegnete Marilyn rätselhaft und mit noch immer ausgestrecktem Arm. „Was tun denn all die anderen gerade so hingebungsvoll um uns herum?“
 

„... Ihr wollt, dass ich mit Euch tanze?“
 

„Richtig geraten!“, rief ihre Hoheit nun mit sichtlich ungehaltener Vorfreude – als sei sie absolut fest davon überzeugt, dass er ohnehin nicht würde ablehnen können. „Komm, das wird ein Spaß! Nur ein kleines, selbstverständlich rein platonisches Tänzchen!“
 

„'Rein platonisch', sicher“, lachte Alice, gedanklich bereits abwägend, ob es überhaupt irgendeine Chance für ihn gab, sich aus dieser Situation zu befreien, ohne die Königin ernsthaft zu kränken – allerdings war das Ergebnis seiner Überlegungen, dass es eigentlich keinen wirklichen Grund gab, ihr diesen Wunsch abzuschlagen. „Von mir aus“, sagte er schließlich, nahm ihre Hand und bemühte sich, den penetranten Blick zu ignorieren, mit dem sie ihn nun musterte und der ganz klar nicht mehr und nicht weniger bedeutete als „Ich wusste, du kannst mir nicht widerstehen“. Jedoch gestaltete sich das Igonieren als relativ anstrengend, wenn man bedachte, dass sie sich jetzt unmittelbar gegenüberstanden.
 

„Ich wusste, du kannst mir nicht widerstehen“, grinste Marilyn wenige Sekunden später, ehe er ihn mit spürbarem Elan zu einer einigermaßen freien Fläche abseits der Tische zerrte.
 

„Großartig“, murrte Alice, der sich schon jetzt fragte, ob es wirklich so klug gewesen war, in dieses Vorhaben einzuwilligen. „Wir haben aber noch nicht vereinbart, wer führen soll.“
 

„Oh“, machte Marilyn überrascht. „Ich nahm an, es stünde außer Zweifel, dass ich das übernehme.“
 

„Natürlich. Warum frage ich überhaupt... Ihr seid ja auch nicht derjenige von uns beiden, der ein Kleid trägt.“
 

„Wenn das alles ist, was du einzuwenden hast... Es gibt genug Gründe, die eindeutig dafür sprechen, dass du mich das machen lässt“, erwiderte die Königin gewohnt überheblich. „Erstens: Ich bin größer als du. Zweitens: Mit großer Wahrscheinlichkeit habe ich mehr Erfahrung darin als du. Drittens: Weißt du überhaupt, wie man führt?“
 

„Okay, okay. Zugegeben, das sind schlagende Argumente.“
 

„Ich weiß. Wenn du dich also bitte in Position bringen würdest!“
 

Den Gedanken, der sich ihm unweigerlich aufdrängte – die Frage, ob diese fulminante Zweideutigkeit bloße Einbildung oder Marilyns Absicht war –, in den Hintergrund schiebend, versuchte er, einen ausreichend intensiven Blick auf eines der anderen Tanzpaare zu erhaschen, um sich einzuprägen, wie genau diese Position auszusehen hatte. Im nächsten Moment konnte er sich nicht entscheiden, ob ihn eher die Frage beschäftigen sollte, warum er nie einen Tanzkurs belegt hatte, oder die, ob es nicht doch besser gewesen wäre, ein weiteres Stück von dem Beruhigungskuchen zu sich zu nehmen, als er so platonisch wie möglich einen Arm um die Schultern der Königin legte, während Marilyn offenbar bereits sehr gut wusste, welchen Griff er anwenden musste, um ihn am Fliehen zu hindern. Womöglich konnte er ihm ansehen, dass er sich im Augenblick deutlich unbeholfener fühlte als er es beispielsweise auf der Flucht vor den Kriegshämmern getan hatte. Aber im Grunde spielte das keine Rolle. Immerhin war das in einer derart absurden Situation nur allzu verständlich.
 

„Ich hätte nicht gedacht, dass du dich so ungeschickt anstellen würdest“, spottete Marilyn mit gedämpfter Stimme, wohl um die besondere Atmosphäre nicht zu zerstören. „Achtest du eigentlich auch zwischendurch mal auf den Takt?“
 

„Verzeiht“, antwortete Alice, bevor er absichtlich zwei dermaßen unrhythmische Schritte hinlegte, dass ein Fremder ihn vermutlich für vollkommen unmusikalisch gehalten hätte. „Es kann ja nicht jeder ein so überragend erfahrener Tänzer sein wie Ihr.“
 

Marilyn seufzte dramatisch.
 

„Mein Fehler. Ich hätte nicht von dir erwarten sollen, dieselben tänzerischen Fähigkeiten zu besitzen wie Alicia.“
 

Ein nicht von der Hand zu weisendes Unbehagen überkam ihn, als Marilyn diesen Namen aussprach. Anfangs war es eine so subtile Empfindung gewesen, dass er sich nicht viel dabei gedacht hatte. Doch mittlerweile merkte er jedes Mal, wenn dieser verdammte Name fiel, dass er sich irgendwo in den Tiefen seines Unterbewusstseins wünschte, es hätte die hochgeschätzte dunkle Königin niemals gegeben. Vielleicht war es schwachsinnig, das zu denken – immerhin war es ja wohl allein durch ihre damalige Existenz möglich, dass er selbst nun hier war. Trotzdem konnte er nicht leugnen, dass irgendetwas ihn gewaltig daran störte, wenn jemand – insbesondere Marilyn – diesen Namen bei jeder unpassenden Gelegenheit erwähnte.
 

„Alles in Ordnung?“, hörte er seinen Tanzpartner irgendwann leise fragen. „Habe ich etwas Falsches gesagt?“
 

Erst jetzt fiel ihm auf, dass er über einen vermutlich auffallend langen Zeitraum hinweg vollkommen die Musik und ihre derzeitige Beschäftigung vergessen hatte. Die Zutaten des eigenartigen Zauberkuchens hatten ihm wohl doch mehr zugesetzt als er gedacht hatte.
 

„Nein, schon okay“, sagte Alice, konzentrierte sich darauf, zu lächeln, und setzte seinen Tanz – wenn man diesen überhaupt als solchen bezeichnen konnte – fort, als sei nichts gewesen. „Ich weiß, wie Ihr die ganze Sache betrachtet. Ich, als der Auserwählte, bin schon ziemlich toll und habe außerdem einiges auf mich genommen, um Euch und Euer Land vor dem Bösen zu beschützen. Aber gegen Alicia bin ich natürlich nichts. Damit habe ich auch gar kein Problem, ehrlich! Mir tut es nur wahnsinnig leid für Euch, dass ich Eurer Alicia nicht das Wasser reichen kann. Schade, dass sie nicht höchstpersönlich zu Euch zurückgekehrt ist, was?“
 

Jetzt war Marilyn derjenige, der bestürzt innehielt und ihn ansah, als habe ihn plötzlich eine schwerwiegende Erkenntnis getroffen. Und leider war er nicht der Einzige, der das tat. Alice zählte mindestens fünf weitere Personen, die ihren völlig unnötigen, kleinen Konflikt offenbar mitbekommen hatten und nun mit unübersehbarer Neugierde zu ihnen herüberschauten.
 

„Oh je... Ich glaube, ich muss mich bei dir entschuldigen“, sagte Marilyn, nachdem er ihn losgelassen und sie beide ihre Tätigkeit vorerst unterbrochen hatten. Die Paare ringsherum waren entweder zu sehr auf sich selbst fixiert, um darauf zu achten, was in einem Umkreis von mehr als einem halben Meter von ihnen geschah, oder sie taten so, als würde es sie nicht interessieren, obwohl ganz eindeutig zu sehen war, dass sie immer wieder einen flüchtigen Blick auf ihn und die Königin warfen. Marilyn schien noch nach den richtigen Worten zu suchen, jedenfalls verging eine Weile, bis er endlich, wenn auch zögerlich, weitersprach. „Alicia... war früher mein Ein und Alles“, brachte er schwermütig hervor. „Natürlich denke ich noch oft an sie. Niemals hätte sie unsere Welt bereits so früh verlassen dürfen. Es ist einfach alles ganz anders gekommen als ich es damals erwartet hätte...“ Er schwieg einen Moment. Tatsächlich wirkte er mit einem Mal sichtlich bedrückt. „Trotzdem“, sagte er irgendwann ernst, „nehme ich den Lauf der Dinge so an, wie das Schicksal es will. Und nicht nur ich – auch all die anderen. Alicia ist nicht mehr da, aber dafür bist du jetzt hier. Ich wollte dich nicht mit ihr vergleichen... Da habe ich mich wohl einfach unglücklich ausgedrückt. Auch wenn du ihre Wiedergeburt bist und auf den ersten Blick noch so viel mit ihr gemeinsam hast, seid ihr völlig verschieden. Und das ist auch gut so! Du hast wirklich viel für uns getan, und das in so kurzer Zeit. Es stimmt nicht, dass ich Alicia dir gegenüber bevorzuge, das musst du mir glauben...!“
 

„Wie soll ich Euch das glauben? Mit Alicia habt Ihr alles geteilt und jede freie Minute verbracht. Mich kennt Ihr erst seit gestern...! Ich glaube kaum, dass- Ich meine...“ Alice stockte, als er realisierte, dass das Ganze mehr und mehr die Gestalt einer schlechten Eifersuchtsszene annahm. Marilyn sah ihn in merklich gespannter Erwartung an. „Was ich damit nur sagen will, ist... Ihr wart der Herzkönig, und sie war die Pikkönigin, die mit Euch gemeinsam über das Wunderland regiert hat. Mir ist klar, dass Ihr unvergessliche Erinnerungen mit ihr verbindet, und ich verlange auch nicht, dass Ihr diese Erinnerungen aufgebt. Das wäre anmaßend, und außerdem... sind sie ebenso ein Teil von mir wie sie es von Euch sind. Es wäre nur schön, wenn Ihr nicht ganz so oft... oder zumindest... nun ja-“
 

„Weißt du was, Alice? Ich habe eine unheimlich gute Idee!“, rief Marilyn, bevor er das sinnlose Gewirr, das eigentlich ein Satz hätte werden sollen, beenden konnte. „Wenn du willst, werde ich dafür sorgen, dass du ab sofort Alicias direkte Nachfolge antrittst. Als Beweis, sozusagen, dass ich in deine Fähigkeiten vertraue und dich genauso schätze wie sie. Ich mache dich einfach zu meinem König – dann wird dich hier garantiert jeder gebührend respektieren und du wirst hohes Ansehen genießen. Wir werden über das Land herrschen und uns um unser Volk kümmern und – ooh! Selbstverständlich werden wir das alles mit einer Hochzeit besiegeln!“
 

Ein bizarres Schweigen breitete sich für einen kurzen, aber nachhaltigen Moment zwischen ihnen aus.
 

„... Ihr hattet heute schon einige Ideen, aber diese ist in der Tat die Unheimlichste“, bemerkte Alice, als er seine Stimme wiedergefunden hatte, die ihm nach Marilyns Rede kurzzeitig abhanden gekommen war. Marilyn schien seine Aussage als verschleierte Zustimmung zu deuten; jedenfalls ließ sein vergnügtes Gekicher darauf schließen, dass er sein skurriles vorhaben geistig bereits plante.
 

„Ja... Ja, das ist perfekt!“, hörte er ihn auf eine äußerst beunruhigende Weise vor sich hinmurmeln. „Das muss ich sofort unserem Volk verkünden! Sie sollten von unserem wunderbaren Entschluss erfahren!“
 

Unserem Entschl- Große Güte, wartet doch mal!“
 

„Hört bitte alle her!“, rief Marilyn bereits an die gesamte in der Empfangshalle anwesende Menge gerichtet. „Ich habe euch etwas Wichtiges mitzuteilen!“
 

Bevor er es hätte verhindern können, wandten sich die anderen nach und nach mit sichtbarem Interesse ihrer Königin zu und schienen aufmerksam darauf zu warten, was sie zu sagen hatte. Alice dachte darüber nach, lauthals etwas zu singen, das ihre großartige Nachricht übertönen würde. Allerdings kam ihm dieser Einfall ein klein wenig zu spät.
 

„Wie ihr nun alle wisst...“, begann Marilyn in einem feierlichen Tonfall, „... gab es Zeiten, in denen ich nicht der alleinige Herrscher dieser Welt war sondern nur ein halber Teil des Ganzen. Die andere Hälfte war meine liebe Gemahlin, die für den Bereich hinter dem Spiegel zuständig war. Ich denke, ich spreche auch in eurem Namen, wenn ich sage, dass wir nun, nach all den Komplikationen und Schwierigkeiten, dazu bereit sind, dem Wunderland zu neuem Glanz zu verhelfen, indem wir die alten Zeiten wieder aufleben lassen. Und wie ihr euch jetzt vielleicht denken könnt, kann ich das einzig und allein bewerkstelligen, indem ich eine erneute Bindung zu jemandem eingehe, der dieser Verantwortung ebenso gewachsen ist.“
 

Das ist nicht Euer Ernst, dachte Alice, als Marilyn ihn mit einem kleinen Schubs nach vorne in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit beförderte. Sagt mir, dass das nicht Euer Ernst ist...!
 

„Hier steht euer neuer König!“, verkündete die große Herrscherin des Wunderlandes mit einer Stimme, die geradezu vor Stolz und Euphorie strotzte. „Alice wird von jetzt an mit mir gemeinsam für das Wohl unseres Landes sorgen und seinen rechtmäßigen Platz an meiner Seite einnehmen. Verneigt euch vor unserem Auserwählten!“
 

Das werden sie doch sowieso nicht tun, ging es ihm unweigerlich durch den Kopf, doch dieser Gedanke wurde nahezu im selben Atemzug widerlegt, in dem er ihn gefasst hatte. Nur einen Augenblick, nachdem Marilyn seine Gefolgschaft dazu aufgefordert hatte, kamen die ersten seiner Diener dem Befehl nach; und das Erstaunliche daran war, dass es nicht einmal so wirkte, als würden sie einen Befehl befolgen – vielmehr sah es danach aus, als würden sie tatsächlich aus freien Stücken und aus tiefster Überzeugung vor ihm niederknien. Einer nach dem anderen beugten sie sich vor ihm auf den Boden, manche vielleicht ein wenig zögerlich und mit einem Anflug von Verwunderung in den Augen, aber bei keinem von ihnen wirkte es gezwungen; und schon bald sah er sich von einer scheinbar riesigen Masse auf den Fliesen kniender und voll Demut zu ihm aufschauender Diener umgeben.
 

Die Musik war verstummt, seit einer Weile schon. Seit wann genau, hätte er nicht sagen können.
 

Ausnahmslos knieten sie dort, in der großen Halle, und irgendwann, als er glaubte, dass es grotesker nicht mehr werden könne, hörte er einen von ihnen etwas in den Raum rufen. Einen Satz, den er sicher schon in unzähligen Geschichten gelesen oder gehört hatte, den er jedoch niemals auch nur ansatzweise gewagt hätte, mit sich selbst in Verbindung zu bringen, und nach nur wenigen Sekunden hatte dieser eine simple Satz sich in ein einstimmiges Jubeln der Begeisterung verwandelt, dem nicht einmal mehr eine bestimmte Richtung zuzuordnen war.
 

„Lang lebe der König!!“, gröhlten sie wie aus einem Munde. Immer wieder. „Lang lebe der König!!“
 

„Das... kann nicht sein“, war alles, was Alice in diesem Moment hervorbrachte. Zu mehr fühlte er sich nicht imstande und er meinte beinahe zu spüren, wie das Geschehen, der Saal, das Gejubel und all die vielen Menschen um ihn herum Stück für Stück mehr von ihrer Greifbarkeit verloren. Wie sich alles von ihm entfernte.
 

„Lang lebe das Königspaar!!“
 

Das konnte nicht sein. Das war zu absurd. Nie im Leben konnte das gerade wirklich passieren.
 

„Siehst du, Alice?“, vernahm er Marilyns Stimme, als die Königin neben ihn trat. „Sie verehren dich! Sie feiern deine Krönung und unseren Sieg, den wir nur durch dich letztendlich erlangen konnten!“
 

„Das glaube ich nicht...! Das ist... doch nur ein Traum, oder? Ja, bestimmt. Gleich wache ich auf...“
 

„Aber nein, Alice! Das ist kein Traum“, lachte Marilyn und machte dann ein leicht besorgtes Gesicht. „Wünschst du dir etwa, es wäre einer?“
 

„Ich... Nein, das heißt... Ich weiß es nicht“, antwortete er, während die Ausrufe der anderen, die von allen Seiten durch die Halle dröhnten, immer verschwommener zu werden schienen. Nur vage bemerkte er, wie Marilyn sich fast schon schüchtern, könnte man meinen, zu ihm vorlehnte und mit einem unsicheren Lächeln wieder das Wort an ihn richtete.
 

„Ich weiß, das kommt sehr plötzlich... und ich will dich wirklich zu nichts drängen“, sagte er, was an sich schon wie ein einziger Widerspruch klang. „Aber ich habe große Hoffnungen, dass wir in eine strahlende Zukunft blicken werden, wenn wir beide von jetzt an gemeinsam weitermachen. Deshalb frage ich dich... Willst du deine neue Rolle als König des Wunderlandes antreten und... nun... mich zu deinem Gemahl nehmen?“
 

„Ich... ähm...“ Warum mussten sie ihn alle so schrecklich erwartungsvoll ansehen? War nicht allein diese Frage schon überlastend genug? „Wisst Ihr... also... Ich glaube, mir ist... irgendwie komisch...“
 

„Das verstehe ich“, hörte er Marilyn mit sanfter Stimme erwidern, bevor das Bild kippte und er die Königin mit einem Mal aus einer anderen Perspektive betrachtete. Ein seltsamer Anblick, sie schlagartig so in Sorge zu sehen, und das noch dazu von so weit unten aus.
 

„Alice...?“, war das Letzte, das zu ihm durchdrang, als die Kulisse vor seinen Augen in einer beruhigenden Schwärze versank. „Bist du okay, Alice?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Sky-
2016-08-03T14:13:19+00:00 03.08.2016 16:13
Oh mein Gott war das mal ein langes Kapitel. Ich habe mir dieses Mal wirklich einiges an Notizen machen müssen, damit ich nicht die Hälfte wieder vergesse, die ich kommentieren wollte XD

Na endlich ist der ganze Spuk vorbei und es kehrt wieder Frieden ins Wunderland ein. Und endlich gibt es eine Erklärung dafür, was im Promi-Irrenhaus vor sich geht. Das muss gebührend mit der passenden Musik gefeiert werden: https://www.youtube.com/watch?v=usfiAsWR4qU

Jetzt fügen sich die Puzzleteile zu einem ganzen Bild zusammen: Alicia wurde übermütig und fing an, Leute aus anderen Welten zu verschleppen und ins Wunderland zu bringen, darunter auch „Vincent Price“, der dann Alicia in die Leere stieß und Marilyn nahm quasi ihren Platz ein und wurde zur Herzkönigin. Das Phantom begann von ihr Besitz zu ergreifen und zwang sie, die ursprüngliche Bevölkerung des Wunderlandes zu töten und die Frauen wegzusperren.

Ich finde die Idee, dass es mehrere Dimensionen und Universen gibt, sehr interessant und hätte nie für möglich gehalten, dass es sie auch in einer Wunderlandgeschichte geben könnte. Ich war immer der Meinung, dass Alice in der originalen Geschichte eine blühende Fantasie hat. Aber jetzt muss ich dir mal ein paar ernste Takte sagen: wegen dir habe ich meinen Monitor mit Cola vollgespritzt weil ich mich nicht mehr zurückhalten konnte, als ich las dass Charlie Marilyns Vater ist. Heilige Scheiße was hatte ich da für Bilder in meinem Kopf gehabt. Und Meister Raupes Frage wer denn die Mutter sei, war genau meine Frage gewesen. Alter Schwede warum muss sich Marilyn immer so ungünstig ausdrücken?!

Dass das unscheinbare Haustier Charlie in Wahrheit der Schöpfer des Wunderlandes ist, finde ich echt interessant. Normalerweise verbindet man mit Schlangen ja eher, dass sie das Böse verkörpern. Aber andererseits symbolisieren Schlangen in manchen Kulturen auch den Kosmos, die Weisheit und die Ewigkeit dar. Da ist eine Schlange ja ein sehr treffendes Symbol. Und mal wieder erinnert mich das alles an irgendeine andere Lektüre. Ich bin mir nicht ganz so sicher aber Stephen Kings „Es“ hatte so etwas Ähnliches. Das Monster „Es“ verkörperte das Böse und stammte aus einer anderen Welt. Und es nahm immer eine andere Gestalt an. Entweder die eines Clowns oder der größten Angst seines Opfers. Und in dieser Geschichte gab es die Theorie, dass das ganze Universum von einer Art Schildkröte erschaffen wurde. War ein bisschen konfus und gewöhnungsbedürftig gewesen, aber auch sehr interessant. Sorry wenn ich dich ständig mit irgendwelchen Vergleichen nerve. >.<“

Letzten Endes ist alles gut ausgegangen und es herrscht wieder gute Stimmung im Wunderland. Wobei ich es aber irgendwie süß finde, dass Alice eifersüchtig reagiert hat, als Marilyn von Alicia sprach. Da waren ja schon eine gewisse Stimmung zwischen den beiden da und die Krönung war ja echt, als Marilyn sich in den Kopf setzte, Alice zu heiraten, um ihn zum König zu machen. Alter Schwede was habe ich mir da einen abgelacht. Aber andererseits… inzwischen könnte ich mir diese Kombination ja tatsächlich irgendwie vorstellen. Ein süßes Paar wären sie mit Sicherheit.

Ach ja und noch etwas: der Hutmacher soll der beste Bäcker im Wunderland sein?! Da muss er aber noch mal Nachhilfe im Keksbacken nehmen. Vielleicht sollte er einen Kurs an der Volkshochschule besuchen: Keksbacken für Anfänger XD

Antwort von:  Drachenprinz
03.08.2016 17:28
Ich hatte echt 'nen Lachanfall bei der Musik, die das Ganze unterstreichen soll. "Haaallelujah!" Ja, genau. XDD Super! Aber irgendwie lief sowas Ähnliches auch in meinem Kopf, als ich mit dieser Geschichte fertig geworden bin, weil ich niemals gedacht hätte, dass ich mal sowas Langes bis zum Ende schaffen würde. (Noch vor zwei Jahren ungefähr hatte ich sehr wenig Ausdauer beim Schreiben und war auch echt lahm, daher hätte ich mir das nie erträumt.) Ist schon irgendwie komisch, nach ungefähr einem Jahr, das man so eine Geschichte schreibt, plötzlich fertig zu sein. Aber dafür gibt es ja noch die Fortsetzung. :D

Ich bin wirklich froh, dass das Ende und die Auflösung dieses ganzen Verwirrspiels dir gefallen hat und es anscheinend auch doch nicht so wirr und unverständlich war, wie ich dachte. Du hast alles richtig interpretiert, also ist es mir wohl doch gelungen, die Erklärung anständig zu formulieren. xD Auch wenn sich das ziemlich hingezogen hat.
Oh, tut mir leid, dass dein Monitor wegen mir (oder wegen Marilyn?) jetzt Colaspritzer abbekommen hat. XD Tja, Marilyn und Alice haben eben beide manchmal ein Talent dafür, sich ungünstig auszudrücken, da kann man nichts machen. :D
"ES" kenne ich auch, allerdings habe ich nur den Film gesehen. xD Meine Schwester besitzt das Buch, daher weiß ich also auch über Sachen Bescheid, die man im Film nicht direkt erfährt. Und ja, ich muss ehrlich gestehen, dass einige Elemente aus "ES" mich immer wieder in meinen Geschichten inspirieren. Als ich im vierten Kapitel zum Beispiel die Szene geschrieben habe, in der der Showmaster plötzlich mit den Ballons auf der Lichtung steht, sollte das auch so eine Art Anspielung an den Clown sein. XD Das mit Charlie und der Schildkröte ist allerdings eher Zufall. Stimmt, das kann man in gewisser Weise auch miteinander vergleichen. Und du nervst mich nicht damit, ganz im Gegenteil! Ich fühle mich geehrt, wenn meine Sachen mit solchen Meisterwerken verglichen werden. ^///^

Das Ende zu schreiben hat mir auch ziemlich viel Freude bereitet, gerade weil ich die beiden ja so gerne shippe. XD Das Ding ist: Normalerweise würde ich keine Fanfics veröffentlichen, in denen ich reale Personen shippe, weil ich dann immer irgendwie im Hinterkopf hätte "Boah, was ist, wenn die aus irgendeinem Grund ein bisschen Deutsch können, das zufällig finden und lesen und danach nur ihren Kopf gegen die Wand hauen wollen?!" Aber da das hier schließlich nicht der echte Marilyn Manson sein soll sondern nur ein von einem freakigen Gott erschaffener Typ, der genauso aussieht und den gleichen Vornamen hat, und da Alice im Prinzip auch nicht der Gleiche ist wie in Echt sondern der aus einer anderen Dimension... joah, ich habe getrickst, also geht das für mich klar. XD

Selbstverständlich werde ich deine anderen beiden lieben Kommentare auch noch eben beantworten. :)
Antwort von:  Sky-
03.08.2016 17:36
Ja im Nachhinein habe ich mich schon irgendwie gewundert, warum der Showmaster die Luftballons bei sich hatte. Zuerst hatte ich diese Anspielung nicht verstanden, aber als er immer mehr diese Züge von "ES" annahm, da dachte ich mir: Yo, das kennste doch irgendwo her!

Dass du so etwas lieber vermeiden willst, reale Personen zu shippen, kann ich gut verstehen. Wobei ich aber denke, dass es genug Fangirls da draußen gibt, die diesen Job für uns schon erledigen XD


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