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Alice im Wunderland - Die bescheuertste Interpretation ever

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Kapitel 5 - Audienz bei der Herzkönigin

Nach all der Zeit, die er inzwischen unfreiwilligerweise im Wunderland verbracht hatte, konnte Alice eines feststellen: Egal, welche Richtungen er einschlug, wen er besuchte und wie oft er sich verirrte – irgendwann kam er aus irgendeinem Grund immer wieder an dieser einen Stelle aus. An dem Baum der Grinsekatze. Auch wenn er sich nicht einmal ansatzweise vorstellen konnte, wie das möglich war, schließlich hatte es von dort aus beim letzten Mal nur drei Abzweigungen gegeben, die zu unterschiedlichen Orten führten. Trotz allem... Fakt war, dass es ihn wieder einmal hierher verschlagen hatte.
 

„Hssssss...! Ich erkenne diessse Ssstelle!“, zischte Charlie erfreut, einen ausladenden Schlenker um seine Schultern vollführend. „Von hier ausss issst esss nicht mehr weit bisss zzzur Königin!“
 

„Kann sein“, gab Alice nicht besonders optimistisch zurück. „Aber damit wir zu ihr können brauche ich erst die zwei noch fehlenden Karten, die die Zwillinge mir versprochen haben. Und so langsam habe ich meine Zweifel, dass ich es jemals schaffe, sie zu fangen...“
 

Du brauchst die Karten. Ichhh könnte jederzzzeit auch ssso hindurch.“
 

„Na toll...“
 

Ein plötzliches gellendes Gelächter ließ ihn zusammenzucken, als er wenige Sekunden später realisierte, dass er diese Lache zuvor schon einmal gehört hatte.
 

„The Catman!“, stieß er mit einer Mischung aus sarkastischer Freude und tatsächlicher Überraschung aus. „Du tauchst wohl auch nur dann auf, wenn dir danach ist, was?“
 

Halb erleichtert, ihn hier anzutreffen, und halb genervt von dessen wichtigtuerischem Auftreten betrachtete Alice den sich Stück für Stück aus seinen Einzelteilen zusammenfügenden Katzenmann. Die Tatsache, dass er sich ruhig schon früher hätte blicken lassen können, drängte er für den Moment in den Hintergrund.
 

„Schön zu sehen, dass es dir gut geht, Alice!“, trällerte The Catman fröhlich, während er ihn von seinem Ast aus musterte, so als wolle er in Wahrheit damit sagen „Du hast aber schon wesentlich bessere Tage gesehen“ – was auch definitiv der Fall war.
 

„Ja... mir geht es ausgezeichnet!“, erwiderte Alice betont überzeugt... vielleicht ein wenig zu betont. „Es geht mir so super, dass ich am liebsten laut 'Hurra!' schreien würde. Habe mich sogar fast damit abgefunden, für immer in dieser wahnsinnig lustigen Welt festzuhängen und vor lauter Spaß hier zu verrecken, bevor ich die große, ehrwürdige Herzkönigin ein einziges Mal gesehen oder herausgefunden habe, was zum Teufel hier eigentlich vor sich geht...!!“
 

Eine Weile des Schweigens verging, während der er sich fragte, ob diese grauenvoll hysterische Stimme eben wirklich seine eigene gewesen war. The Catman grinste.
 

„Freut mich sehr, dass du dich so gut eingelebt hast“, sagte er in einem Tonfall, als würde er es absolut ernst meinen. „Aber halt! Höre ich da einen Funken Verzweiflung in deiner Stimme? Du wirst doch wohl nicht aufgeben, verehrter Auserwählter?“
 

„Aufgeben? Hah!“, lachte Alice, den dezent besorgten Blick, den Charlie ihm zuwarf, ignorierend. „Ich denke gar nicht daran, aufzugeben! Ich werde weiter nach deinen unfairen Artgenossen suchen, und wenn es das letzte ist, was ich tue! Auf keinen Fall werde ich aufhören, bevor ich diesen verdammten Schlüssel in meiner Hand halte, egal, wie viele geistesgestörte Schießbudenfiguren noch kommen und sich mir in den Weg stellen...!“
 

„Hihi... Miau!“
 

„Was gibt’s da zu miauen?!“
 

„Manchmal, mein lieber Auserwählter, ist das Ziel viel näher als man vermutet“, wisperte die Grinsekatze und ließ ihren Schweif verheißungsvoll neben sich auf den Ast peitschen.
 

„So? Und was heißt das? Kann ich mit der Schlange im Schlepptau jetzt doch einfach durch die Tür gehen?“
 

„Na... so einfach ist es nun auch wieder nicht“, lächelte sein Gegenüber, seinen Blick auf einmal verträumt gen Himmel richtend. „Du solltest deine Augen offenhalten. Die Nacht ist heute sternenklar. Man kann nahezu... ins Universum schauen.“
 

Ein wenig irritiert sah Alice ebenfalls nach oben, um festzustellen, ob des Rätsels Lösung sich dort irgendwo befand, konnte jedoch auf die Schnelle nichts entdecken, das ihm in irgendeiner Weise weiterhalf. Das einzige, was er kurz darauf eher wenig erfreut zur Kenntnis nahm, war, dass The Catman bereits wieder verschwunden war, genauso unerwartet wie er auch aufgetaucht war.
 

„Und schon ist er weg. Typisch! Kaum begegne ich jemandem, der mehr über diesen ganzen Mist zu wissen scheint, macht er sich wieder aus dem Staub ohne mir einen vernünftigen, simplen Hinweis hinterlassen zu haben. Wie ich diese Geheimniskrämerei doch liebe...“
 

„Vielleichhht... hat er dir einen Hinweisss gegeben“, bemerkte Charlie nachdenklich. „Überlege doch nochmal, wasss die Katzzze zzzuletzzzt gesssagt hat!“
 

„Die Nacht ist sternenklar... Man kann fast ins Universum schauen“, wiederholte Alice leise die letzten Worte der Grinsekatze und ließ sie einen Moment durch seine Gedanken schweifen. „Meinst du, das sollte eine Art Anspielung auf The Starchild und The Spaceman sein?“
 

„Möglich wäre esss...“
 

„Tihihihihi!“, ertönte es schallend aus dem Nichts, und es bestand kein Zweifel – das schrille Gekicher war eindeutig auf niemand anderen als die bescheuerten Zwillinge zurückzuführen.
 

„Das sind sie...! Ich fasse es ja nicht... Sie müssen hier ganz in der Nähe sein!“
 

Hektisch suchte Alice die nähere Umgebung ab, erinnerte sich abermals an den Rat der Grinsekatze und hielt nicht nur am Boden sondern auch weiter oben Ausschau. Und tatsächlich... Dort waren sie. Im Licht der Sterne thronten sie beide jeweils auf dem Ast eines Baumes, genau wie ihr katzenhafter Anführer es so gerne tat. Einer links von ihm und einer rechts von ihm schauten sie schelmisch zu ihm herunter und warfen sich dann gegenseitig einen vielsagenden Blick zu, den er allerdings um nichts in der Welt hätte deuten können. Wahrscheinlich hatten sie sich gerade im Stillen darüber geeinigt, wie sie ihm als nächstes sein tragisches Leben als Auserwählter zur Hölle machen würden.
 

„Ja, ich verstehe schon!“, rief Alice, abwechselnd The Starchild und The Spaceman ins Visier nehmend. „Ich soll unter mühevollsten Umständen einzeln zu euch raufklettern, nur damit ihr euch, feige wie ihr seid, wieder unsichtbar machen und abhauen könnt, bevor ich euch erwischt habe... So ist es doch, oder nicht? Aber wisst ihr was? Ich werde euch kriegen! Da könnt ihr machen, was ihr wollt! Ich weiß zwar noch nicht wie, aber... ich werde euch kriegen!“
 

Ein wenig verwirrt trat er einen Schritt zurück, als die beiden völlig unversehens nur noch etwa einen halben Meter von ihm entfernt standen, nachdem sie problemlos mit einem eleganten Sprung von ihrem Platz auf den Bäumen heruntergekommen waren. Die ganze Zeit über hatten sie sich – zumindest scheinbar – in fürchterlich weiter Ferne aufgehalten... und von einer Sekunde auf die andere waren sie zum Greifen nahe.
 

„... Was soll das? Warum...“
 

„Sie haben Ihre Prüfung bestanden, Sir! Es gibt nichts mehr, das Sie noch tun müssen“, entgegnete The Starchild fröhlich. Alice starrte ihn verständnislos an.
 

„Aber... ich habe euch doch noch gar nicht gefangen! Ist das wieder irgendein Trick von euch?“
 

„Nein, nein, keineswegs!“, antwortete Fidel-Sternchen, und Fidel-Space fügte mit freundlicher Miene hinzu: „Ausgetrickst haben wir Sie nun wirklich genug! Nach allem, was Sie durchgemacht haben, haben Sie sich doch endlich eine Belohnung verdient, finden Sie nicht, Sir?“
 

Fast gleichzeitig griffen beide jeweils in eine ihrer Hosentaschen, wohl um etwas herauszuziehen, und Alice konnte seinen Augen kaum trauen, als er die letzten beiden Karten erblickte, die seine Sammlung vervollständigen würden, sodass er endlich – falls ihm nicht kurz vor dem Ziel wieder irgendein Spaßvogel dazwischenhüpfte – die Herzkönigin würde aufsuchen können. Lächelnd streckten sie ihm die glänzenden Wunderkarten entgegen. Einfach so. Er musste nur noch zugreifen.
 

„Ich... ich habe es also wirklich geschafft?“, fragte er, nur um noch einmal sicherzugehen, ehe er die neonrote 'S'-Karte zögerlich an sich nahm, gefolgt von der silbernen, die ebenfalls ein großes 'S' zierte. Noch niemals zuvor hatte er sich so sehr über zwei bunte Stücke Papier gefreut.
 

„Ob Sie es geschafft haben... nun, das wird sich erst noch zeigen“, erklärte The Spaceman, und die Art, wie er es sagte, verhieß nichts Gutes, so viel stand fest. „Aber eines ist sicher: Ihre Prüfung haben Sie bestanden, Sir, und dazu gratulieren wir Ihnen! Nicht wahr, Fideldum?“
 

„Das tun wir, oh ja!“, stimmte The Starchild seinem Bruder überschwänglich zu. „Wir sind zutiefst beeindruckt von Ihrer erstaunlichen Ausdauer, Sir! Selbstverständlich ist es für einen Menschen unmöglich, uns beide zu fangen. Doch darum ging es auch überhaupt nicht. Dass Sie so lange durchgehalten haben trotz Ihrer scheinbar so aussichtslosen Lage... Das beweist uns, dass Sie es würdig sind, den magischen Schlüssel zu erhalten!“
 

„So ist es! Also dann... Macht's gut, Auserwählter! Wir zählen auf Euch!“, verabschiedete sich Fideldei voller Zuversicht, die er leider nicht so ganz teilen konnte, auch wenn er es nur ungern zugab – und kurz darauf war der Fleck, an dem die Zwillinge ihm eben noch gegenübergestanden hatten, leer.
 

Mit einer merkwürdigen Mischung aus Stolz und Unsicherheit betrachtete Alice die beiden Karten, von denen er noch immer nicht glauben konnte, dass er sie endlich sein Eigen nennen durfte.
 

„Wow. Ich... bin so gut!“, sagte er feststellend, obwohl es eigentlich nichts Neues war.
 

„Ein Hoch auf deine Ausssdauer, nichhht wahr?“
 

„Ja... Ja, das haben mir schon viele gesagt.“ Alice warf einen flüchtigen Blick auf den Baum der Grinsekatze, in dessen Stamm sich ja, wenn er sich nicht täuschte, die geheime Tür verbarg, die ihn zum Schloss führen würde. „Hmm. Ich frage mich nur, was genau... ich jetzt tun muss, damit es weitergeht. Wobei... wenn ich so drüber nachdenke...“
 

Versuchsweise kramte er die schwarze Karte sowie die neongrüne aus seiner Jacke hervor und besah sich die Buchstaben, die er nun beisammen hatte, von Nahem. Genau wie er es vermutet hatte.
 

„Ich hatte ja schon so eine Vorahnung“, dachte er laut. „'S', 'S', 'K' und 'I'. Das haben die sich ganz schlau überlegt, was?“
 

Schief grinsend kniete er sich in das noch immer vom Regen nasse Gras, legte die vier Karten behutsam vor sich ab und vertauschte sie so, dass sie das Wort 'KISS' ergaben. Die Reaktion darauf ließ nicht lange auf sich warten:
 

Ganz wie es das Klischee eines klassischen Fantasy-Streifens vorgab schwebten die Karten, kaum dass er sie in der richtigen Reihenfolge dort positioniert hatte, nebeneinander in die Luft und begannen zu leuchten, immer stärker, ehe sie schließlich in einem gleißenden Licht miteinander verschmolzen und ihn blendeten, weshalb er sich zur Seite drehte, bis es wieder dunkel geworden war und er leise ein dumpfes Geräusch hörte. Als er danach erneut hinsah entdeckte er auf dem Boden einen etwa faustgroßen, von roten, schwarzen, silbernen und grünen Schnörkeln veredelten Schlüssel.
 

„Na, wer sagt's denn!“
 

„Schhhau, Aliccce! Die Tür...!“, zischte Charlie aufgeregt, und in der Tat war in dem Baumstamm augenblicklich die in bunten Farben – passend zum Schlüssel – erstrahlende Tür zum Vorschein gekommen, die jetzt, da er sie öffnen konnte, zugegebenermaßen doch seine Neugier weckte. Entschlossen hob er den Schlüssel auf, trat auf sie zu, schaute noch einmal auf das zurück, was er nun wohl vorerst hinter sich lassen würde, und wandte sich dann wieder der Tür zu, die aus nächster Nähe sogar noch riesiger und majestätischer wirkte als er sie in Erinnerung hatte. Ohne länger zu zögern schloss er sie auf und blieb einen Moment lang sprachlos vor ihr stehen, als die helle und einladende Idylle, die dahinter lag und einen engen Kontrast zu dem düsteren Wald bildete, sich ihm offenbarte. Dann betrat er den wahrscheinlich einzigen Teil des Wunderlandes, den er bisher noch nicht zu Gesicht bekommen hatte, während die schwere Tür hinter ihm ganz von alleine wieder ins Schloss fiel und kurz darauf verschwand, als hätte es sie niemals gegeben.
 


 

„Das hier ist also die andere Seite eurer Welt, auf die nur ausgesuchte Personen dürfen? Wirklich... nicht übel“, gab Alice anerkennend zu, während er seinen Blick über die weite Landschaft schweifen ließ. Verglichen mit dem Rest des Wunderlandes vermittelte dieser Bereich weniger den Eindruck, einen skurrilen Trip zu erleben. Viel eher erschien es ihm wie der Traum eines jeden kleinen Mädchens:
 

Grüne Wiesen voll von Rosensträuchern und anderen allesamt akkurat angeordneten Gewächsen, um deren Wohl sich vermutlich irgendein Bediensteter der Königin regelmäßig kümmerte; inmitten der kunstvoll bearbeiteten Pflanzen eine Art Irrgarten, der ebenfalls wahrscheinlich unter großem Zeitaufwand mit einer Heckenschere zurechtgestutzt worden war... und am anderen Ende des Labyrinths, prachtvoll aufragend am Horizont, erkannte er das Schloss, noch um einiges gigantischer und märchenhafter als er es sich vorgestellt hatte.
 

„'Nichhht übel' issst untertrieben“, erwiderte Charlie, sichtbar erfreut, sich wieder in seinem heimischen Territorium zu befinden. „Wenn du den Schhhlossssgarten erssst bei Nacht gesssehen hättessst würdessst du mir Rechhht geben!“
 

„Bei Nacht? Da fällt mir ein... Als wir noch in dem Wald waren... da war es doch absolut dunkel“, überlegte Alice und dachte daran, wie er dort vor Kurzem in den Himmel geschaut hatte. „Ich habe eindeutig die Sterne gesehen! Wie kann es dann jetzt schon wieder Tag sein?“
 

„Kannssst du dir dasss nicht denken? Die Zzzeit vergeht hier andersss alsss... ich wollte sssagen, esss... gibt hier keinen fesssten Tag-und-Nacht-Rhythmusss“, unterbrach die Schlange sich selbst und legte eine verdächtige Pause ein, ehe sie weitersprach. „Jeder Teil desss Wunderlandesss hat ssseinen eigenen Zzzeitverlauf. Hier issst esss momentan hell.“
 

„... So ist das also. Verstehe“, murmelte er, ohne weiter auf den seltsamen Versprecher, den Charlie beinahe gemacht hätte, einzugehen. Es schien nicht der richtige Moment zu sein, ihn danach zu fragen. Obwohl es ihn jetzt wirklich brennend interessierte, was er da eben hatte ausplaudern wollen.
 

Nachdenklich schritt Alice voran, gemeinsam mit seinem geschuppten Begleiter, der noch immer um seine Schultern hing und immer wieder zwischendurch bekundete, wie sehr es ihn doch erleichtere, endlich wieder zu Hause zu sein, und nach wenigen Minuten hatten sie das Heckenlabyrinth erreicht.
 

„Ich nehme an, du kannst den Weg auswendig?“, fragte er die Schlange in der Hoffnung, nicht ganz alleine dort hinausfinden zu müssen. Wenn dem so wäre konnte es sich noch eine Ewigkeit hinziehen bis er bei der Herzkönigin angelangt war – und das Tier wurde auf Dauer nicht unbedingt leichter.
 

„Nun ja... ehrlich gesssagt... habe ich mich hier auch schhhon dasss eine oder andere Mal verirrt“, nuschelte Charlie offenbar peinlich berührt. „Aber ich werde versssuchen, dich hier raussszzzuführen!“
 

„Klasse. Klingt doch vielversprechend...“
 

Bemüht, sich nicht unnötigerweise entmutigen zu lassen, vertraute er so gut wie möglich auf Charlies Kenntnisse, was diesen Ort anbelangte. Immerhin kannte er sich als königliches Haustier deutlich besser hier aus als er selbst, und das konnte ja nicht von Nachteil sein. Tatsächlich erwies sich ihre Zusammenarbeit als passabel. Von den wenigen Malen, die Charlie ihm die falsche Richtung genannt hatte, weshalb er wieder hatte zurücklaufen und sich neu orientieren müssen, einmal abgesehen kamen sie erstaunlich rasch weiter. Ihr Ziel rückte immer näher, und irgendwann schien das Schloss nur noch einen Katzensprung entfernt – wäre da nicht diese Sackgasse gewesen.
 

„Das ist jetzt nicht wahr, oder...? Ihr seid wohl nicht gerade sparsam mit euren Sicherheitsvorkehrungen“, bemerkte Alice, während er die hohe Steinwand betrachtete, die den Durchgang versperrte.
 

„Dasss mussss exxxtra für Fremde wie dich ssso eingerichtet worden sssein“, zischte Charlie scheinbar ebenfalls etwas verunsichert. „Wenn ich alleine durch diesssesss Labyrinth krieche, öffnet sssich der Durchgang immer von ssselbssst.“
 

„Hehehe... Wisst ihr nicht weiter?“, erklang eine ätzend quietschende Stimme aus dem Nichts. Alice drehte sich skeptischen Blickes um. Langsam hörte er damit auf, sich zu fragen, wie es sein konnte, dass an jeder Ecke irgendetwas lauerte, das sich aus heiterem Himmel meldete, um seinen Senf dazuzugeben.
 

„Hier! Schau hier herüber!“, quietschte die Stimme erneut, und Alice wandte sich in die Richtung, die er glaubte ihr zuordnen zu können. Allerdings entdeckte er dabei etwas wesentlich Interessanteres, das er zuvor in der Eile übersehen haben musste – eine Vorrichtung, die etwas von einem kleinen Mäuerchen hatte; jedoch war in der Mitte eine schmale Fläche aus Metall angebracht, aus der vier verschiedenfarbige Knöpfe hervorragten.
 

„Guck mal, Charlie! Stand dieses Ding hier schon immer?“
 

„Jaja, schon gut... Ich bin es gewohnt, ignoriert zu werden!“, ertönte es wieder, diesmal deutlich lauter und ebenso gereizter. Nun doch ein wenig überrascht musterte er das Objekt, von dem er annahm, dass es die Quelle der nervtötenden Stimme darstellte, und konnte schließlich nicht anders als lauthals zu lachen.
 

„Ein Ei...? Na, da hat aber jemand eine ganz schön große Klappe, dafür dass er jederzeit in der Pfanne landen könnte“, kicherte Alice und stellte amüsiert fest, dass das besagte Ei, das bewegungslos auf dem Mäuerchen herumlag, sogar tatsächlich einen kaum sichtbaren Mund hatte, den es augenblicklich zu einem grimmigen Ausdruck verzog.
 

„Ich bin nicht einfach nur ein Ei. Ich bin Humpty Dumpty, der Wächter des Labyrinths! Und ich an deiner Stelle wäre vorsichtig mit dem, was ich sage, Kumpel...!“
 

„Ach ja? Mir egal, ob Humpty Dumpty oder Heiti Teiti... Hauptsache, du gehst mir nicht auf die Nerven, jetzt, wo ich so kurz vor dem Ziel stehe“, entgegnete er und beugte sich ein Stück zu der Metallfläche herunter, um sie sich etwas genauer anzusehen. „Wenn ich das richtig sehe haben die Knöpfe die gleichen Farben wie die Karten mit den Buchstaben. Scheint wieder irgendein Rätsel zu sein...“
 

„Da kommst du sowieso nicht drauf“, schaltete sich das Ei mit unangebrachter Überheblichkeit dazwischen.
 

„Wenn du mich für so dumm hältst... Schön für dich“, erwiderte Alice ohne von der eigenartigen Vorrichtung aufzuschauen. „Rot, Grün, Silber, Schwarz... So sind die Knöpfe angeordnet. Wahrscheinlich muss ich sie in der Reihenfolge drücken, in der auch die Buchstaben liegen mussten. Und da ich die Karten nicht mehr habe muss ich es aus der Erinnerung heraus lösen. Ja, so wird es sein.“
 

„Weisssssst du die Reihenfolge noch?“
 

„So schwierig kann es nicht sein, es sind ja nur vier Farben. Die erste Karte... das 'K' war grün. Die 'I'-Karte war definitiv schwarz. Also müssten die letzten beiden, die zwei 'S'-Karten, rot und silbern gewesen sein. Nur welches 'S' kommt zuerst?“, überlegte er laut. „Hm... Als ich das Wort zusammengelegt habe habe ich mir darüber auch keine Gedanken gemacht. Ich versuche es jetzt einfach!“
 

Neugierig schlängelte Charlie sich über seine Schulter, um eine bessere Sicht zu haben, als Alice nacheinander die Knöpfe betätigte – erst den grünen, dann den schwarzen gefolgt von dem silbernen und dem roten – und im Anschluss daran hektisch zurückzuckte, als ihn plötzlich ein dumpfer Schlag durchfuhr.
 

„Iiieeek...!“
 

„Was ist los? Du siehst so geschockt aus!“, witzelte das Ei höhnisch von seinem Platz auf der Mauer aus.
 

„Geschockt, ja...? Ich gebe dir gleich 'geschockt'! Was ist das hier für ein dämlicher Mistkasten?!“, fluchte Alice, beinahe gewillt, der elenden Vorrichtung einen Tritt zu versetzen, allerdings entschied er, es lieber sein zu lassen. Nicht, dass am Ende noch etwas kaputt ging. „Außerdem... Woher willst du nutzloses Nerv-Ei eigentlich wissen, wie ich aussehe? Du hast doch gar keine Augen!“
 

„Aaaha!“, machte Humpty Dumpty schrill. „Willst du etwa frech werden? Dir geschieht es ganz recht, dass die Maschine dich bestraft... du vorlautes Stück!“
 

„Oh, das Ei der Gerechtigkeit hat gesprochen! Weißt du was? Du wirst schon sehen – oder auch nicht, da du ja keine Augen hast –, dass ich dieses blöde Rätsel innerhalb der nächsten Sekunden lösen werde und du alleine hier liegen bleibst, wo niemand Notiz von dir nimmt! Nervige, kleine Eier, die sich wie große Moralapostel aufspielen, kann nämlich niemand leiden!“
 

Das unverständliche Genuschel, das Humpty Dumpty daraufhin von sich gab, nicht weiter beachtend widmete sich Alice wieder der Maschine, diesmal den roten Knopf dem silbernen vorziehend. Und – wer hätte es gedacht? – kaum, dass er die Reihenfolge eingegeben hatte, schob sich die schwere Steinwand zur Seite und gab den Weg zum Schloss endgültig frei.
 

„So! Das wäre erledigt.“
 

„Eine Schande ist es. Jemanden wie dich in die königlichen Räumlichkeiten zu lassen...“, hörte er Humpty Dumpty schon wieder meckern, als er gerade im Begriff war zu gehen. „Wenn das so weitergeht mit dem unhöflichen Pack sehe ich für die Zukunft aber schwarz. Die Herzkönigin sollte härtere Maßnahmen ergreifen, sonst geht das Wunderland wirklich den Bach herunter...“
 

„Ich glaube, da legt es jemand echt drauf an“, murmelte Alice, lief zurück zu der Mauer und nahm das keifende Ei locker in seine Hand.
 

„Was soll das? Lass mich sofort runter!“, zeterte es mit verärgert nach unten gezogenen Mundwinkeln.
 

„Ich soll dich also runterlassen...?“, wiederholte Alice gespielt freundlich. „Das werde ich gerne tun. Ich überlege noch, wie und wo.“
 

„Untersteh dich...! Das traust du dich ja ohnehin nicht! Niemand wäre dem Wächter des Labyrinths gegenüber so skrupellos!“
 

„Ach nein? Ich habe nie behauptet, mein Name wäre 'Mr. Nice Guy'!“, grinste er, holte aus und warf das schreiende Ei mit Schwung über die Hecke, hinter der er meinte ein leise knackendes Geräusch zu hören, als es aufkam.
 

„Du hassst Humpty Dumpty ermordet...!“, zischte Charlie feststellend, jedoch nicht den Eindruck erweckend, als würde dies für ihn einen sonderlichen großen Verlust darstellen.
 

„... Ich musste mal wieder was für mein böses Image tun. Außerdem kann das Geschwafel doch keiner aushalten. Der war ja schlimmer als jeder Lehrer“, erklärte Alice, was Charlie bloß mit einem zustimmenden Nicken quittierte, bevor er sich mit der Schlange und den Worten „Also dann...!“ erwartungsvoll in Richtung des riesigen Schlosses begab.
 

Die letzten Treppenstufen, die direkt in den wahrlich beeindruckenden Schlossgarten führten, emporsteigend suchte Alice die Gegend flüchtig nach irgendeiner Person ab, die ihm das königliche Anwesen möglicherweise etwas näher bringen konnte, bevor er ihrer Majestät höchstpersönlich begegnete. Recht schnell konnte er vor dem etwa zur Hälfte schwarz und zur anderen Hälfte rot gestrichenen Schlosstor zwei Menschen ausmachen, die sich offenbar miteinander unterhielten. Einer der beiden schien so etwas wie eine Wache zu sein, den anderen konnte er zumindest im Augenblick nirgendwo zuordnen. Er war sich nicht einmal sicher, ob die beiden ihn bemerkten, jedoch spielte es auch keine Rolle mehr, denn kurz darauf entdeckte er bereits eine dritte Person in geringerer Reichweite, die gerade hingebungsvoll damit beschäftigt war, die Blumen zu gießen. Allerdings erklärten sich diese Hingebung sowie die stets tänzelnden Bewegungen der Person von selbst, wenn man sich ihre Kleidung besah. Bei dem bunt gemusterten, mit diversen Glöckchen behangenen Gewand konnte es sich nur um einen Hofnarren handeln.
 

„Ähm... Entschuldige, falls ich störe“, setzte Alice vorsichtig an, woraufhin er sogleich mit einem überaus eindringlichen Blick bedacht wurde.
 

„Ohooo... Ein Besucher! Und Ihr habt ja sogar Charlie mitgebracht!“
 

„Home, sssssweet home!“, flötete dieser zufrieden und brachte den Narren damit zum Kichern.
 

„Ich muss Euch meinen Dank aussprechen, Fremder! Charlie und ich sind gute Freunde. Ich hatte schon Sorge, ihm könnte etwas passiert sein... Aber wie ich sehe ist er wohlauf!“
 

„Ja, das ist... überhaupt kein Problem. Man könnte sagen, wir hatten den gleichen Weg und sind bisher gut miteinander ausgekommen“, winkte Alice ab. Sein Gegenüber lächelte scheinbar hoch erfreut.
 

„Das ist schön zu hören.Wenn ich mich übrigens vorstellen darf: Mein Name ist Fish. Ich bin dafür zuständig, den Hof bei Laune zu halten. Und wenn ich einmal nicht gebraucht werde bin ich meist hier draußen im Schlossgarten anzutreffen, wo ich mich um die Sträucher und Blumen kümmere“, sagte der Narr und deutete eine Verbeugung an, wobei seine Glöckchen leise klingelten. „Und mit wem habe ich die Ehre?“
 

„Alice“, antwortete er. „Alice, der Auserwählte, Kämpfer für Recht und Ordnung und Befreier des Wunderlandes... all das bin ich. Oder soll ich zumindest sein.“
 

„Tatsächlich? Das ist... interessant“, erwiderte die bunte Erscheinung namens Fish, leicht den Kopf schief legend. „Und... gibt es irgendetwas, das ich für Euch tun kann, Auserwählter? Nur keine Bescheidenheit!“
 

„Nun ja... Ich hatte gehofft, hier die Herzkönigin zu treffen. Ist sie zufällig da?“
 

Fish grinste, als hätte er die Frage schon lange vorausgeahnt.
 

„Selbstverständlich ist sie da. Sie erwartet Euch bereits“, erklärte er und blickte kurz zum Schloss hinüber, wo inzwischen nur noch einer der beiden Typen stand und Wache hielt – der Andere war wohl hineingegangen.
 

„Sie... Sie erwartet mich?“ Schlagartig nervös geworden sah Alice erst zu Charlie, der allerdings, so wie es aussah, wieder einmal nichts dazu zu sagen hatte, dann erneut zu seinem seltsamen Gesprächspartner. „Woher weiß sie denn... ich meine... Wir kennen uns doch nicht einmal?“
 

„Oh, wisst Ihr, unsere Königin ist bestens informiert über alles, was im Wunderland vor sich geht. Sie hat, sagen wir... verlässliche Quellen“, entgegnete Fish, und nur wenige Sekunden nachdem er es ausgesprochen hatte öffnete sich das große zweifarbige Tor und zwei Menschen traten heraus. Einer von ihnen war, wenn er es richtig erkannte, der Kerl, der sich bei seiner Ankunft mit der Wache unterhalten hatte, jedoch hatte er kaum Gelegenheit, ihn länger zu beachten. Die zweite Person, eine hochgewachsene und – jedenfalls von Weitem – zweifellos schöne Gestalt, die sich ihm, gehüllt in ein prachtvolles schwarz-rotes Kleid, mit ruhigen Schritten näherte, schaffte es, seine volle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Mit einer derart anmutigen Präsenz hatte er offen gestanden nicht gerechnet, wo doch der Rest dieser Welt fast ausschließlich aus gehirnamputierten Verrückten zu bestehen schien. Doch je näher die edel gekleidete Gestalt an ihn herantrat desto sicherer war er sich, sie schon einmal gesehen zu haben. Und schließlich, als sie ihm beinahe gegenüberstand, den Blick emotionslos auf ihren Begleiter gerichtet, der ihr anscheinend etwas zuflüsterte, wusste er, weshalb ihr blasses Gesicht ihm so bekannt vorkam.
 

Marilyn!, schoss es ihm augenblicklich durch den Kopf. Das glaube ich jetzt nicht... Sie ist... Marilyn Manson!
 

Langsam wandte sich die Königin von ihrem Untergebenen ab – und kaum, dass sie ihn direkt anschaute, verwandelte der kalte Ausdruck in ihren Augen sich in pure Fassungslosigkeit. Wie versteinert fixierte sie ihn, während sie undeutlich etwas murmelte:
 

„Du... Du bist...“
 

„Was...?“
 

Mit plötzlich trauriger Miene blickte sie zur Seite, dann sah sie ihn wieder an und ihr Ausdruck war genauso kalt wie zuvor.
 

„Nichts. Absolut gar nichts“, sagte sie, ihre dunkelroten Lippen zu einem unheimlichen Lächeln verziehend. „Alice, nicht wahr? Wie außerordentlich schön, deine Bekanntschaft zu machen...!“
 

Unsicher, was er von der bisherigen Situation halten sollte, musterte Alice die Herzkönigin, die er nach einer gefühlten Ewigkeit nun endlich das erste Mal mit eigenen Augen sah, bevor er entschied, dass es möglicherweise, alleine der Form halber, angebracht war, sich vor ihr auf den Boden zu begeben.
 

„Es ist mir eine Ehre, Euch zu treffen, Majestät.“
 

Die Herzkönigin lachte leise.
 

„Das ist schmeichelhaft. Aber du darfst dich gerne erheben“, hörte er ihre vertraute Stimme sagen, was er angenehm überrascht zur Kenntnis nahm. „Du musst einen beschwerlichen Weg hinter dir haben. Was hat dich dazu veranlasst, zu mir zu kommen?“
 

„Ich... bin hier, weil ich annahm, Ihr könntet mir helfen“, gab Alice zögerlich zurück, bemüht, sein Gegenüber nicht allzu offensichtlich anzustarren. Warum musste ausgerechnet Marilyn Manson die Herzkönigin sein? Er konnte nicht einmal leugnen, dass das Kleid, die hochhackigen Stiefel und die Krone hervorragend zu ihm passten, aber die Tatsache, dass er ihn normalerweise als rebellischen, eher spärlich bekleidet durch die Weltgeschichte hüpfenden Gruftie kannte, machte es nicht gerade einfacher, ihn jetzt als vornehme Königin zu betrachten. Mit Sicherheit nicht.
 

„Was ist dein Anliegen, Alice?“, fragte Marilyn, womit er ihn leider sehr schnell wieder ins Hier und Jetzt zurückholte. Dabei hätte er beinahe für einen Augenblick vergessen, dass es überhaupt so etwas wie ein Anliegen gab.
 

„Ich wollte, um ehrlich zu sein, fragen, ob Ihr... ob Ihr es mir ermöglichen könntet, eure Welt wieder zu verlassen“, sagte er, dem intensiven Blick seines Gesprächspartners noch immer so gut es ging ausweichend. „Ich weiß, es gibt angeblich irgendeinen Grund, aus dem ich hier bin. Und ich weiß auch, dass es vielleicht... unhöflich ist, Euch darum zu bitten. Aber ich bin nicht derjenige, für den mich alle halten, und ich glaube nicht, dass ich etwas ausrichten kann, das euch wirklich von Nutzen wäre. Es tut mir leid, aber ich... gehöre einfach nicht hierher.“
 

„Dann wolltessst du von Anfang an gar nicht hier bleiben?“, meldete sich Charlie unerwartet zu Wort. „Davon hassst du mir nichtsss erzzzählt...“
 

„Ich dachte, es spielt keine Rolle, weil... ihr mich ohnehin verwechselt“, brachte er zu seiner Verteidigung vor. „Ich meine... Was soll ich denn bitte Großartiges für euch tun, außer zwischendurch den Streitschlichter zu spielen, wenn mal wieder irgendwelche rivalisierenden Idio... Typen aneinandergeraten? Ich bin ja nicht mal einer von euch!“
 

Einen Moment lang sah er die Herzkönigin ernst an, inständig hoffend, dass sie sich einsichtig zeigen und Verständnis für seine Lage haben würde. Allerdings waren ihre Züge so puppenhaft, dass er sich nur schwerlich vorstellen konnte, dass sie überhaupt so etwas wie Gefühle besaß.
 

„Gib mir die Schlange, Alice“, sagte sie ruhig, aber bestimmt, und er zögerte nicht, ihrer Aufforderung nachzukommen. Mit einer fließenden Bewegung hängte sie sich Charlie um ihre Schultern, was ihrem Äußeren gewissermaßen noch mehr Eleganz verlieh. Es war in der Tat ziemlich erleichternd, das zusätzliche Gewicht losgeworden zu sein. „Deine Bitte ist keineswegs unhöflich. Nur solltest du wissen, dass es... nicht so leicht ist, wie du es dir vielleicht vorstellst. Ich fürchte, du kannst hier nicht einfach weg.“
 

„Warum nicht...? Ich bin hierher gelangt, also muss es doch auch einen Weg zurück geben...! Ich kann nicht glauben, dass ich dazu verdammt sein soll, auf ewig in dieser Irrenanstalt festzustecken und euren Wahnsinn mitzuspielen, als wäre alles in Ordnung!“
 

„Wie ist dein Nachname?“
 

„... Was? Wieso wollt Ihr das wissen?“
 

„Antworte mir.“
 

Von der scheinbar völlig zusammenhangslosen Frage überrascht musste er ein wenig schockiert feststellen, dass die Antwort ihm aus welchen Gründen auch immer bei Weitem nicht so schnell einfallen wollte wie es ihm lieb gewesen wäre.
 

„Du weißt ihn nicht mehr, richtig?“, erwiderte die Königin auf sein Schweigen. „Und jetzt sag mir, Alice... Wie willst du dich in deiner ach so normalen und geordneten Welt zurechtfinden, wenn du nicht einmal mehr deinen eigenen Namen kennst? Im Übrigen wird er nicht das einzige bleiben, das aus deiner Erinnerung verschwindet. Du tätest besser daran, dich mit dem Gedanken abzufinden, hierzubleiben, wo Dinge wie Tag und Nacht genauso unwichtige Details sind wie... Namen.“
 

„Cooper“, sagte er knapp. „Mein Nachname ist Cooper. Werdet Ihr mir jetzt verraten, wie ich hier wieder rauskomme?“
 

Wortlos starrte die große 'Herrscherin' des Wunderlandes ihn an, dann lächelte sie. Es hätte beinahe freundlich gewirkt, wäre da nicht diese unnatürliche Kälte gewesen, von der ihre gesamte Präsenz umgeben war.
 

„In diesem Fall... selbstverständlich“, entgegnete sie plötzlich seltsam verständnisvoll. „Aber bevor ich dich hinausgeleite könntest du eine kleine Stärkung vertragen. Wie ich bereits erwähnte ist es kein einfaches Unterfangen, das Wunderland unbeschadet zu verlassen. Außerdem... gibt es einiges, das wir vorher noch klären müssten. Ich schlage vor, wir besprechen alles in Ruhe bei einer Tasse Kaffee. Was hältst du davon?“
 

„Kaffee? Jetzt gleich...?“ Alice überlegte, bis er zu dem Schluss kam, dass es wohl besser war, ihr Angebot anzunehmen. Auf weitere unnötige Komplikationen konnte er gut verzichten und davon einmal abgesehen war die Aussicht auf eine Stärkung tatsächlich nicht das Schlechteste. „Okay, gut. Ich... danke Euch für Eure Hilfsbereitschaft.“
 

„Keine Ursache“, antwortete sie schlicht, ehe er sich wenig später in einem anderen Teil des Schlossgartens wiederfand, umgeben von in diverse Formen geschnittenen Sträuchern an einem hübsch gedeckten Tisch sitzend und erwartungsvoll ihrer Hoheit zugewandt. Ein wenig erschien sie ihm wie eine Statue, die jemand, genau wie all die Pflanzen, zurechtgeformt, dann in edle Kleider gesteckt und als weitere Verschönerung dem königlichen Anwesen hinzugefügt hatte. Kunstvoll, aber leblos. Er fragte sich, ob ihr Blick wegen ihrer stechend roten Augen so gruselig wirkte oder ob es einen anderen Grund hatte, während er sich einen Schluck von dem Kaffee zu Gemüte führte, den sie für sie beide hatte servieren lassen.
 

„Nun, Alice... Es gibt zwei Möglichkeiten, wie wir verfahren können“, hörte er sie irgendwann sagen und seltsamerweise schienen ihre Worte zunehmend unklarer zu werden. Bruchstückhafter. „Ich hoffe... triffst... richtige Entscheidung und... dir selbst einen Gefallen...“
 

„... Hmm...“
 

Gerade noch rechtzeitig bevor er seine Tasse hatte fallen lassen können gelang es ihm, sie mit einer schlagartig aufgekommenen Müdigkeit auf dem Tisch abzustellen. Das letzte, was er bemerkte, war, dass Charlie von ihren Schultern verschwunden war und sie stattdessen etwas in der Hand hielt, das wie ein Seil aussah, ehe seine Umgebung verschwamm und alles um ihn herum dunkel wurde.
 

...
 

„Aliccce...! Du musssssst mir helfen, Aliccce!“
 

„Charlie? Du warst doch gerade noch... Wie bist du...“, war alles, was er mehr als verwirrt hervorbrachte, als er feststellte, dass er die Schlange wieder mit sich trug und sich nicht daran erinnern konnte, wie es dazu gekommen war. Er wusste nicht einmal, wo er sich befand. Außer einigen Schatten, die wie merkwürdige Lebewesen langsam an ihm vorbeikrochen, war absolut nichts zu erkennen. Nur Charlie, der ihn auf eine irgendwie beängstigende Art musterte, war deutlich besser zu sehen als es die Dunkelheit eigentlich hätte erlauben dürfen.
 

„Wir sssind in Gefahr, Aliccce! Und – wahrschhheinlich hassst du esss dir schhhon gedacht – nur wir beide können etwasss dagegen unternehmen!“, zischte er aufgeregt und schaute sich in der Gegend um, so als würde er versuchen, ungewollte Beobachter ausfindig zu machen. Dann fuhr er mit gedämpfter Stimme fort. „Esss gibt da etwasss, dasss ich dir... verheimlicht habe. Ichhh... bin in Wahrheit gar keine Schhhlange.“
 

„... Keine Schlange? Und was bist du dann? Eine verzauberte Blindschleiche?“
 

„Falschhh“, erwiderte er bitterernst. „Ich bin... ein verzzzauberter Drachenprinzzz. Und ichhh brauche deine Hilfe, um meine wahre Gessstalt wiederzzzuerlangen. Du musssst... mich küssssen.“
 

Alice lachte entgeistert.
 

„Ja, genau. Das ist ein Scherz, oder? Reicht es nicht, dass ich mit Gene Simmons geflirtet habe...?“
 

„Nein!“, gab Charlie zurück, schlängelte sich aufdringlichst um ihn herum und starrte ihn so vorwurfsvoll an wie es einem Reptil nur möglich war. „Wir dürfen keine Zzzeit verlieren! Küssssss mich!“
 

„Was zum...? Mir ist jetzt nicht danach! Du kannst mich nicht dazu zwingen...!“, protestierte er kleinlaut und hielt abrupt inne, als er glaubte, eine auffällige Bewegung in den Schatten gesehen zu haben.
 

„Aaaaaliiiiiiiiiceeeeeeee!“
 

„Nein... Nicht auch noch das... Warum könnt ihr nicht einfach alle weggehen...“, murmelte er, drehte sich um und hoffte, der Spuk würde sich als bloße Einbildung herausstellen, wenn er wieder hinsah. Leider hatte er weit gefehlt. Natürlich hatte er anhand der schaurigen Stimme sofort gewusst, dass es sich um niemand anderen als den Showmaster handeln konnte. Anfangs irritiert, weshalb er ihn erst mit nach unten gerichtetem Blick entdecken konnte, musste er unweigerlich schlucken, als ihm klar wurde, dass der Andere bloß zur Hälfte aus dem Boden ragte – sofern ein Boden in dieser ewigen Finsternis überhaupt existierte. Der Shomaster jedoch machte nicht den Anschein, als wäre die Dunkelheit ihm fremd oder gar ein Hindernis. Viel zu freundlich als dass es noch hätte wahr sein können lächelte er zu ihm herauf, mit einer Hand fest eine dünne Schnur umklammernd.
 

„Du hast deinen Ballon verloren, Alice!“
 

„Ich will keinen dämlichen Ballon...! Sucht euch doch gefälligst einen anderen, den ihr heimsuchen könnt, und fahrt verdammt nochmal alle zur Hölle!!“
 

...
 

„Was redet er da...?“
 

„Ruhe! Er wacht auf!“
 

„... Was? Was ist los...? Wo bin ich?“, murmelte Alice benommen, als er langsam aber sicher zu sich kam und vage registrierte, dass er das Bild vor seinen Augen wieder einmal nicht zuordnen konnte.
 

„Gefällt es dir hier? Du bist im Schloss!“, antwortete ihm eine wohlbekannte Stimme und kurz darauf sah er, dass es die Herzkönigin war, die mit einem scheinbar belustigten Gesichtsausdruck hinter ihm hervortrat, ihm zunickte und in den Saal hineinwinkte. „Nicht jeder darf meine bescheidene Stube von innen betrachten. Du bist einer der wenigen, denen ich es gestatte. Freust du dich?“
 

„Mich freuen...? Ich...“
 

Etwas stimmte hier nicht. Nein, sogar mehrere Dinge waren nicht so wie sie für gewöhnlich sein sollten. Eines dieser Dinge war seine Bewegungsfreiheit – und als er wieder vollständig bei Sinnen war wusste er auch, weshalb.
 

„Ihr habt mich gefesselt?!“, bemerkte er fassungslos, mühevoll versuchend, seine Arme zu befreien, die hinter seinem Rücken von einem offenbar straff festgeknoteten Strick zusammengehalten wurden. „Wie kommt Ihr dazu, so etwas zu tun...? Ich dachte, Ihr wolltet mir helfen! War das also nur leeres Ge-“ Er stockte. Ein zufälliger Blick an sich herunter verriet ihm eine weitere Gegebenheit, die definitiv nicht so war wie sie hätte sein sollen: Seine Sachen. Es waren nicht seine. Und auf die Schnelle konnte er diese auch nirgends entdecken. Weder auf der dunkelroten Couch, an die er, wie es aussah, gebunden war, noch sonst irgendwo. „Was sind das für Klamotten, die ich da an habe? Und überhaupt- Gütige... Güte, habt Ihr mich ausgezogen?!“
 

„Ich bitte dich“, grinste der Marilyn-Klon, während er einen Schritt auf ihn zumachte und ihn offensichtlich amüsiert begutachtete. „Wenn es mich danach gelüstet, jemanden auszuziehen, habe ich es nun wirklich nicht nötig, der entsprechenden Person zuvor Schlafmittel zu verabreichen.“
 

Schlafmittel. Natürlich.
 

„Ach so. Verstehe. Dann sind meine Sachen wohl von alleine runtergefallen und das Zeug hier ist mir auf ebenso unerklärliche Weise einfach gewachsen, oder was? Schon klar, kann ja mal passieren. Wie konnte ich Euch nur beschuldigen?“
 

Die Herzkönigin lachte heiter.
 

„Du bist witzig. Ich glaube, du hast vergessen, wer ich bin“, entgegnete sie in einem äußerst selbstgefälligen Tonfall. „Denkst du, ich würde über das Wunderland herrschen, wenn ich nicht ein paar nette Tricks auf Lager hätte? Dir in drei Sekunden ein neues Outfit zu verpassen ist für mich eine Kleinigkeit. Dazu brauche ich dich noch nicht einmal anzufassen. Außerdem solltest du mir dankbar sein. Deine alten Sachen waren völlig durchnässt und obendrein... geschmacklos.“
 

„Oh ja, vielen Dank, Eure Hoheit! Vielen Dank, dass Ihr mir was ins Getränk gemischt, mich an Eure Couch gefesselt und mit einem lustigen Zaubertrick meine Klamotten habt verschwinden lassen! Wenn Ihr mich nicht sofort losbindet werde ich Euch auch mal einen Zaubertrick zeigen. Ich weiß noch nicht genau, welchen, aber der wird garantiert nicht nett und lustig sein...!“
 

Am Rande bemerkte Alice, wie Fish, der ebenfalls vor dem Sofa stand und ihr Gespräch mitanhörte, mühsam ein Kichern unterdrückte. Ein strafender Blick seinerseits reichte glücklicherweise aus, damit er sich zusammenriss.
 

„Hör zu, Alice“, begann Marilyn ohne den Narren zu beachten. „Ich werde dich losbinden. Unter der Bedingung, dass du schön brav bleibst und nicht den Versuch startest, von hier zu fliehen – denn das wäre ohnehin zwecklos. Draußen mag zwar momentan nur eine einzige lausige Wache stehen, aber glaube mir, ich verfüge über genug Methoden, eine mögliche Flucht zu verhindern. Also denk nicht mal daran und probiere lieber, deinen Aufenthalt bei mir zu genießen, solange wir beide uns noch so... gut verstehen.“
 

„Selbstver-ständlich“, erwiderte Alice betont in die Länge gezogen. „Ich werde ganz brav sein. Wie immer. Wusstet Ihr übrigens, dass ich auch apportieren kann?“
 

„Das kann ich mir gut vorstellen. Du kannst es mir ja vormachen, wenn du ausreichend unter Beweis gestellt hast, dass du keinen Ärger machen wirst. Wenn du dich bitte kurz umdrehen würdest?“, sagte die Königin und deutete auf seine zusammengebundenen Arme. Einerseits erleichtert, andererseits etwas beunruhigt kam er ihrer Aufforderung nach und seufzte selbstmitleidig, als sie sich daran machte, das Seil von seinen Handgelenken zu lösen. Er konnte nicht unbedingt behaupten, sich besonders sicher zu fühlen, wenn er diese Person hinter sich wusste.
 

Leider musste er sich wohl eingestehen, dass er sich dieses Mal bei seiner ersten Begegnung getäuscht hatte. Die ehrwürdige Herzkönigin war kein schönes und anmutiges Püppchen, wie er es kürzlich noch angenommen hatte. Ganz und gar nicht. Viel eher war sie eine sadistische Mörderpuppe. Ja. Genau das.
 

„Das hätten wir“, trällerte sie gut gelaunt, während sie das auf eine seltsame Weise fast lebendig wirkende Seil beiseite räumte. Dann machte sie eine nachdenkliche Miene, bevor sich ein verdächtiges Lächeln auf ihre Lippen legte. „Weißt du was? Ich habe eine grandiose Idee! Bleib am besten einfach hier sitzen und warte auf mich, ich bin gleich wieder da!“
 

„Was... ach, was soll's. Von mir aus“, antwortete er gleichgültig. Eigentlich wollte er überhaupt nicht wissen, was sie jetzt schon wieder vorhatte.
 

Noch immer ein wenig müde machte Alice es sich auf der Couch bequem, sobald die königliche Mörderpuppe den Raum verlassen hatte – schließlich hatte sie gesagt, er solle seinen Aufenthalt genießen –, und ließ seinen Blick durch den gesamten Saal schweifen. Dass zumindest die Empfangshalle eine sehr stilvolle Einrichtung besaß ließ sich nicht abstreiten. Sämtliche Möbel schienen irgendwann einmal mit liebevoller Handarbeit angefertigt worden zu sein. Von der Decke hing ein durchaus imposanter Kronleuchter; ein paar Meter weiter gegenüber der Treppe, die Marilyn auf seinen mörderischen Absätzen hochgestöckelt war, ragte eine eindrucksvolle Standuhr empor.
 

Ja, wahrscheinlich hätte er seinen Aufenthalt hier tatsächlich in vollen Zügen genossen, wären die Umstände nur nicht so überaus fraglich gewesen.
 

Einen Moment lang beinahe verwundert über die ungewohnte Ruhe, die sich um ihn herum ausgebreitet hatte seit niemand mehr bei ihm stand und Befehle gab, warf er im nächsten Augenblick gleichzeitig mit Fish, der sich immer noch – freundlicherweise dezent – in seiner Nähe aufhielt, einen irritierten Blick zum Schlosstor, hinter dem er rapide lauter werdende Schritte wahrnahm. Allerdings hatte er nicht länger Gelegenheit dazu, sich zu fragen, wer sich auf der anderen Seite befand. Ehe er sich versah war das Tor mit einem knarzenden Geräusch aufgeflogen und niemand Geringeres als das weiße Kaninchen kam vollkommen aus der Puste hereingestürmt.
 

„Anna...! Wo ist Anna?!“, rief es atemlos, während es hibbelig auf der Stelle hin und her wippte. Fish wollte ihm scheinbar gerade eine Antwort geben, da hatte es ihn schon auf dem Sofa entdeckt und hetzte eilig in seine Richtung. „Anna! Da bist du ja!“
 

„... Ich heiße Alice. Ist das denn so schwer? A.L.I.C.E. ...!“, verdeutlichte er es ihm ein weiteres Mal, als sein Blick umgehend auf das glänzende Objekt fiel, das Hasi in seiner Hand hielt. „Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?“
 

„Ich... Ich habe extra meine Arbeit – das Streichen des Tores – unterbrochen, weil mich aus heiterem Himmel eine Brieftaube aufsuchte... mit der Nachricht, ich solle sofort zum Hutmacher kommen, er wolle mir dringend etwas geben. Also rannte ich unverzüglich zu ihm, und... nun, was er mir gab siehst du selbst. Das ist offenbar ein Geschenk an dich!“, erklärte das Kaninchen mit einem skeptischen Ausdruck in seinen Augen und überreichte ihm den mit einem roten Schleifchen verzierten Eiszapfen, bevor es sich kopfschüttelnd wieder von ihm abwandte. „Was auch immer das bedeuten soll. Pass auf, dass dein... Geschenk nicht schmilzt. Ich muss wieder los... das Tor weiterstreichen. Schwarz. Bis die Königin es wieder rot wünscht.“
 

Mit diesen Worten hatte sich Hasi genauso schnell aus dem Staub gemacht wie er hereingeplatzt war, das Tor mit einem lauten Krachen hinter sich schließend, um sein würdeloses Werk rasch fortführen zu können. Völlig starr betrachtete Alice sein 'Geschenk' und fragte sich ernstlich, wie es sich dermaßen schnell hatte herumsprechen können, dass er es bis zum Schloss der Herzkönigin geschafft hatte.
 

Kaum, dass er einen Gedanken an sie verschwendete, kehrte ihre skrupellose Erhabenheit auch schon zu ihm zurück, trotz ihrer unpraktischen Kleidung gekonnt die Treppenstufen herunterschreitend und mit einem zweifelhaften Grinsen zu ihm herüberschauend.
 

„Ich sehe, du hast auf mich gewartet, Alice. Was hast du denn da Schönes?“
 

„Einen Eiszapfen, Eure Majestät“, erwiderte er schnippisch. Marilyn zog seine nicht vorhandenen Augenbrauen hoch.
 

„Oooh... Soll ich dich vielleicht lieber noch ein Weilchen alleine lassen?“
 

„Sehr witzig. Sagt mir lieber, wo ich das Teil unterbringen soll, bevor es zu einer Eispfütze wird. ... Und wehe, Ihr kommt mir jetzt mit irgendeiner obszönen Antwort von wegen 'Oh, Alice, ich wüsste schon, wo du es unterbringen kannst'!“
 

Marilyn streckte ihm kichernd eine Hand entgegen.
 

„Du gefällst mir immer mehr, weißt du das? Gib mir das Teil. Mir ist ohnehin nicht wohl dabei, wenn du hier mit einer potentiellen Mordwaffe herumhantierst“, sagte er, offenbar wohl doch ein wenig misstrauisch. Mit einem merkwürdigen Gefühl drückte Alice ihm die eiskalte Mordwaffe in die Hand und blickte ihn fragend an. „Ich kann es für dich aufbewahren, falls du Wert darauf legst. Sowas kann man ja schließlich immer mal gebrauchen. Zum Aufspießen eines Steaks beispielsweise.“ Marilyn lachte gekünstelt. „Wo hast du dein kleines Spielzeug eigentlich her?“
 

„Das weiße Kaninchen war gerade eben hier und hat es mir überbracht. Sollte wohl ein nachträgliches Nicht-Geburtstagsgeschenk vom Hutmacher sein. Warum weiß ich auch nicht“, antwortete er nicht ganz wahrheitsgemäß und versuchte angestrengt, einen Blick auf die quadratische Box zu erhaschen, welche die Herzkönigin anscheinend aus einem anderen Zimmer hervorgekramt hatte. „Darf ich wissen, was Ihr da mitgebracht habt? Sieht aus wie ein... Kartenspiel?“
 

„Richtig, Alice, das ist es auch!“, gab sie vorfreudig zurück. „Ich habe mir vorhin überlegt, dass wir beide eine Partie gegeneinander austragen werden. Du möchtest doch sicher etwas über das Wunderland erfahren, nicht wahr? Ein paar nützliche Informationen? Solltest du mich schlagen werde ich dir verraten, was du willst. Solltest du jedoch verlieren...“ Mit einem Mal blinzelte sie ihn mehr als vielsagend an. „Solltest du verlieren wirst du mir einen Besuch in meinen Gemächern abstatten. Allein. Und zwar solange, bis ich dich persönlich entlasse.“
 

„Was?!“
 

„Du solltest dir gut überlegen, ob du kneifen willst. Immerhin hast du die einmalige Chance, Dinge in Erfahrung zu bringen, die dir maßgeblich weiterhelfen könnten. Und das kann in deiner misslichen Situation doch nur von Vorteil für dich sein, stimmt's?“, lächelte sie überlegen. „Vergiss nicht, Alice... Wie ich es bereits erwähnte hast du genau zwei Möglichkeiten, wie du verfahren kannst: Entweder du bleibst freiwillig hier, hältst dich an meine Regeln und hast meine Gunst voll und ganz auf deiner Seite... oder wir müssen mit unangenehmeren Mitteln dafür Sorge tragen, dass du hier bleibst. Es liegt ganz bei dir.“
 

Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich von ihm weg und schritt mit der Box auf den runden Tisch zu, der mitten im Raum stand. Einige Sekunden lang schlicht überfordert starrte er Fish an, der es jedoch, wie es aussah, vorzog, sich aus der Angelegenheit herauszuhalten. Dann wandte er sich erneut der Herzkönigin zu, die das alles entscheidende Kartenspiel behutsam vor sich ablegte, ehe sie ihn aufmerksam fixierte.
 

„Also gut... Ich nehme Eure Herausforderung an!“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Wer übrigens eine lebhaftere Vorstellung von der Herzkönigin haben will, kann bei Google-Bilder „Mechanical Animals Era“ eingeben. ^^

Oh, und... nein. Ich bin nicht Charlie. XD Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Sky-
2016-05-01T16:06:34+00:00 01.05.2016 18:06
Marylin Manson als rote Königin passt wie Arsch auf Eimer. Und die Zweideutigkeiten im Unterton waren einfach nur herrlich, insbesondere als er Alice sagte, dass dieser ihm bei einer Niederlage in seinen Gemächern Gesellschaft leisten darf. Alter Schwede, was hab ich mir einen abgelacht. Alices Gesichtsausdruck hätte ich nur zu gerne gesehen xD


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