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Crossroads

decisions are never easy
von

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Trost

Viel änderte sich in den nächsten Tagen nicht und Remus machte es immer unruhiger, nicht zu wissen, was los war. Dass es sich um etwas Gravierendes handeln musste, hatte er ja begriffen, und auch, dass es nicht an ihm lag. Trotzdem wollte er Snape gern helfen oder zumindest wieder den Kontakt zu ihm aufnehmen. Ihm fehlten die Stunden mit ihm in der Bibliothek mehr, als er gedacht hätte, und das war gleich doppelt deprimierend. Seine Freunde bemerkten zwar, dass er niedergeschlagen war, aber keiner sprach ihn glücklicherweise noch einmal auf Snape an.

Jeder schien seine eigenen Probleme zu haben, nun, wo sich das Jahr langsam dem Ende neigte. James versuchte zwischen dem Quidditch-Training so viel Zeit mit Lily zu verbringen, wie es ihm möglich war. Vermutlich befürchtete er, dass sie ihre noch recht frische Beziehung in den Sommerferien überdenken könnte – auch wenn er das natürlich niemals zugegeben hätte. Man konnte sagen, was man wollte, aber er war Hals über Kopf in die junge Hexe verliebt. Es war nicht so, dass sich Sirius nicht für seinen besten Freund gefreut hätte, doch dass dieser dank Lily nun kürzer kam, verbesserte seine Laune nicht gerade. Dabei war er so schon schlecht drauf, weil er in sein Elternhaus zurückkehren musste. Peter hatte dagegen ganz andere Sorgen, denn seine Noten waren so schlecht, dass er langsam Panik bekam. Die Abschlussprüfungen würden schon im nächsten Jahr stattfinden und bis dahin würde er den ganzen Stoff niemals aufholen können. Für Remus war es das einzig Positive, denn wenigstens mit Nachhilfe konnte er sich ein bisschen von Snape ablenken.

„…oh nein“, seufzte Peter soeben und sah niedergeschlagen auf den von ihm korrigierten Aufsatz.

Remus lächelte schief.

„Die Ansätze waren gar nicht mal so falsch…du hast die Zusammenhänge nur falsch erfasst.“

Eigentlich war das der Knackpunkt, doch er wollte Peter nicht völlig demotivieren…auch wenn er insgeheim schwarz für dessen Prüfungen sah.

„Vielleicht sollten wir lieber ein paar Zaubersprüche üben“, schlug er vor, doch sein Freund ließ weiterhin die Schultern hängen. „Oder was meinst du, Tatze?“

Der Angesprochene blinzelte, hatte anscheinend nicht mal richtig zugehört, was Remus aber auch nicht wunderte. Wäre James nicht mit Lily unterwegs und hätte sein Date für heute nicht abgesagt, wäre er vermutlich nicht mal mit ihnen gekommen.

„Ich glaub, ich bin für heute durch“, brummte er und fuhr sich durch die dunklen Haare.

Remus seufzte innerlich, warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu.

„Du hast doch noch gar nichts geleistet.“

„Und?“, kam es missmutig zurück. „Ich kann das Zeug doch eh.“

„Dann kannst du Wurmschwanz ja bestens unterstützen.“

„Du weißt, dass ich für sowas keine Geduld habe, Moony…also noch viel Erfolg euch beiden.“

Zuerst wollte Remus protestieren, aber dann ließ er es doch; es würde sowieso nichts bringen. Außerdem wirkte Sirius schon wieder wie ein bissiger Hund, der auf jede Provokation ansprang.

„Okay“, meinte er daher nur ruhig, was Sirius anscheinend aber ebensowenig zufrieden stellte.

„Sorry, aber ich hab dafür gerade wirklich keinen Nerv“, murmelte er, nachdem er sein Zeug zusammengepackt hatte. „Wir sehen uns.“

Remus nickte nur, auch wenn er verwundert war; dass sich Sirius für seine schlechte Laune entschuldigte, kam nicht oft vor. Es musste ihm ziemlich mies gehen, wenn er schon so weit war…aber bei solch einer Familie wäre es ihm wohl nicht viel anders gegangen.

„Moony? Können wir dann vielleicht noch mal die Verwandlungszauber von Tieren in Gegenstände üben? Bitte…?“, kam es kleinlaut von Peter, kaum dass sie nur noch zu zweit am Tisch saßen.

„Ja klar…“, erwiderte er freundlich, weil er es nicht über sich brachte, seinen verzweifelten Freund abzuweisen.

„Oh danke!“, freute sich dieser und begann, seinen Aufsatz zusammenzurollen.

Na hoffentlich schaute er sich diesen wenigstens noch mal am Abend an. Remus hielt nur kurz inne, als er einen schwarzen Schatten aus den Augenwinkeln heraus bemerkte. Snape. Natürlich.

Nur weil sie nicht mehr miteinander sprachen, hielt sich der Slytherin nicht von der Bibliothek fern. Es kam nur selten vor, dass sie einander trafen…als würde der andere ihn meiden.

„Moony?“

Er wandte sich ab, als Peter ihn wieder ansprach; gerade war kein geeigneter Zeitpunkt, um ein Gespräch zu suchen. Es brachte nichts, er musste sich weiter gedulden…und Snape entweder allein abfangen oder warten, bis dieser wieder mit ihm reden wollte. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass letzteres nie passieren würde. Deprimierend…
 

Jedoch sollte er später in der Nacht unerwartet eine zweite Chance bekommen. Während seine Freunde ausnahmsweise schon schliefen (James hatte am nächsten Morgen ein Quidditch-Spiel gegen Slytherin), lag er noch wach und starrte an die Decke. Nachdem er sich ein paar Mal hin und her gedreht hatte, griff er schließlich zur Karte des Rumtreibers. Wie er es sich gedacht hatte, hielten sich die meisten Personen in ihren Schlafsälen auf. Ein Lächeln überflog seine Lippen, als er den kleinen Punkt, der mit Albus Dumbledore markiert war, in seinem Büro hin und her laufen sah. Der Schulleiter war oftmals noch in der Nacht wach, was auch immer er um die Zeit tat. Auch Filch war kein ungewohnter Nachtwanderer, ebenso wie Mrs Norris…doch mit einem Punkt, der sich gerade in die Richtung des Astronomie-Turms bewegte, hatte er überhaupt nicht gerechnet.

Snape schien dasselbe Problem wie er zu haben…oder er hatte wieder mal etwas Verbotenes vor, wie damals, als er die Zutaten aus Slughorns Büro geklaut hatte. Wenn Remus ehrlich war, war ihm das gerade jedoch herzlich egal. Wichtig war nur, dass das die Gelegenheit war, auf die er gewartet hatte; Snape würde ihm dort nicht so einfach ausweichen können.

Kurz überlegte Remus, doch dann schob er die Karte in seine Tasche – selbstverständlich als leeres Pergament – und erhob sich, um nach seinem Umhang zu greifen. So leise wie möglich verließ er den Schlafsaal und machte sich auf den Weg zum Turm.
 

Remus brauchte einen Moment, um Snape zu finden; mit seiner dunklen Erscheinung fiel er in dem spärlichen Mondlicht kaum auf. Er fand ihn auf der äußeren Plattform sitzend vor, mit dem Rücken zu ihm, die Beine angezogen und anscheinend in seinen Gedanken versunken. Aus Angst, dass sich der Slytherin erschrecken und in die Tiefe stürzen könnte, räusperte er sich einmal. Viel besser machte es das nicht, denn Snape zuckte heftig zusammen und fuhr zu ihm herum, wobei er den Stab direkt auf ihn richtete. Sie starrten sich ein paar Sekunden lang nur an…dann hob Remus beide Hände, lächelte schief. Es fiel immer noch kein Wort, als der andere zwar die Augen verengte, aber langsam den Zauberstab sinken ließ.

„Verschwinde!“, hörte er ihn knurren, ehe er ihm einfach wieder den Rücken kehrte.

Wenigstens halste er ihm nicht, wie damals, einen Fluch auf; es gab also noch Hoffnung. Remus seufzte innerlich, dachte aber nicht im Traum daran, jetzt zu verschwinden. Stattdessen trat er vorsichtig an Snape heran und setzte sich in höflichem Abstand neben diesen. Im ersten Augenblick musste er schlucken; die Höhe war gewöhnungsbedürftig, so dass er es Snape gleichtat und die Beine an den Oberkörper zog.

„Bist du jetzt auch noch taub?“, schnarrte der Slytherin in seiner üblichen Freundlichkeit.

Remus antwortete nicht sofort, sondern musterte ihn von der Seite her; er sah immer noch ziemlich fertig aus. Selbst seine Bissigkeit war nicht so scharf wie sonst, was noch ein Grund dafür war, nicht einfach zu verschwinden.

„Was machst du hier draußen?“, fragte er direkt, ohne auf das Gesagte einzugehen.

„Wüsste nicht, was dich das anginge.“

Eigentlich hätte sich Remus denken können, dass das nicht einfach werden und Snape wieder auf stur schalten würde. Nun, man sagte ihm doch immer nach, dass er eine Engelsgeduld hätte…wurde wohl Zeit, das mal wieder auf die Probe zu stellen.

„Ich will dich nicht stören-“

„Das tust du aber!“

„…ich mache mir Sorgen“, ließ sich Remus nicht beirren und für einen Moment schien Snape innezuhalten.

Vielleicht erinnerte er sich ja daran, dass sie vor nicht allzu langer Zeit so etwas wie Freunde gewesen waren. Jedenfalls hatte Remus immer öfter dieses Gefühl gehabt…ein Gefühl, das anders war als das, was er kannte. Es war so verworren und Snape machte es ihm mit seiner abweisenden Haltung nicht einfacher.

„Unnötig“, kam es knapp von Snape. „Mir geht es gut.“

Remus konnte ein Schnauben nicht unterdrücken.

„Deshalb sitzt du hier um Mitternacht allein rum und starrst Löcher in die Luft? Weil es dir so gut geht?“

Snapes Blick hätte die Hölle zufrieren lassen können, doch er zeigte nur, dass Remus Recht hatte. Dass es ihm nicht gut ging, war offensichtlich.

„Du musst ja nicht mit mir darüber sprechen-“

„Das habe ich auch nicht vor.“

„…ich bin nur hier, weil…weil ich…also, du sollst wissen, dass ich...für dich da bin. Wenn du das willst, meine ich…“
 

Dass Snape ihn nur ausdruckslos anstarrte, machte es nicht wirklich besser. Remus spürte, wie sein Gesicht an Farbe zunahm und es wurde immer unangenehmer, je länger der andere schwieg. Es war nicht so, dass er tatsächlich geglaubt hatte, dass Snape sein Angebot würdigen oder gar annehmen würde…aber diese Stille machte ihn soeben fertig. Vielleicht hatte er sich zu weit aus dem Fenster gelehnt…und es war besser, er ließ den Slytherin allein. Wenn dieser wirklich seine Ruhe wollte, musste er das wohl akzeptieren…auch wenn es sich wie ein Rückschlag anfühlte.

„Du bist anstrengend, Lupin“, murrte Snape plötzlich, ohne ihn anzusehen. „Was man dir auch an den Kopf wirft…du bist wie ein getretener Hund, der immer wieder zurückkommt.“

Empört blickte Remus den anderen an, denn beleidigen lassen musste er sich nicht. Allerdings gab ihm Snape keine Zeit, etwas dazu zu sagen.

„Je mehr ich dir aus dem Weg gehe, umso mehr rennst du mir hinterher.“

Remus musste schlucken und er war froh, dass Snape ihn immer noch nicht ansah, somit nicht merkte, dass er schon wieder rot wurde. Was musste er es auch so formulieren? Er versuchte sich zu fassen, doch es fiel ihm merklich schwer.

„Kommst du dir nicht langsam selbst wie ein Idiot vor?“

Wow…man konnte nicht bestreiten, dass Snape sich Mühe gab, ihn zu vertreiben. Die Worte prallten nicht an Remus ab, sie trafen viel mehr einen empfindlichen Punkt. Er hasste das Gefühl, welches Snape ihm soeben mit Absicht vermittelte…als sei er ein unerwünschter Störfaktor.

Dass Snape weiterhin in die Tiefe schaute, verstärkte dieses Empfinden nur noch und er spielte mit dem Gedanken, aufzustehen und ihn sitzen zu lassen. Eines wollte er ihm dennoch sagen.

„Sogar wie ein ziemlicher Vollidiot“, erwiderte er leise. „Aber manche Menschen sind es mir wert, Snape.“

Der Angesprochene drehte nun doch den Kopf in seine Richtung, maß ihn mit einem undefinierbaren Blick. So, wie Remus ihn kannte, überlegte er mal wieder, ob er seinen Worten trauen konnte. Dabei sollte er doch mittlerweile gemerkt haben, dass er ihm nicht egal war. So war er nun mal und das nicht nur, wenn es um Snape ging. Seine Freunde waren ihm sehr wichtig und er sorgte sich, wenn es ihnen nicht gut ging. Warum konnte Snape das also nicht einfach annehmen…und ihm glauben, dass er ihm nichts Schlechtes wollte? Dieser wandte sich soeben wieder ab und Remus nahm das als Zeichen, dass das Gespräch beendet war…jedenfalls bis Snape den Mund aufmachte.
 

„Meine Mutter ist tot.“

Der Satz kam so schnell und abgeklärt über Snapes Lippen, dass Remus ein paar Sekunden brauchte, um ihn zu begreifen. Kein Muskel zuckte in dem bleichen Gesicht, die schwarzen Augen fixierten einen Punkt in der Ferne, als sei er gar nicht anwesend. Remus spürte, wie ihm unwohl wurde…und obwohl er ahnte, dass Snape kein Mitleid wollte, wallte genau dieses in ihm auf. Er wusste, dass jedes Wort falsch sein würde…vor allem, da er keine Ahnung hatte, wie nahe Snape seiner Mutter gestanden hatte. Natürlich nahm es ihn mit, das sah man ihm an…und immerhin ging es um seine Mutter, wer wäre da nicht fertig mit den Nerven?

„Das…Snape, das tut mir leid…“, rang er sich schließlich durch.

Er wollte gar nicht fragen, wie es passiert war, denn er konnte sich vorstellen, dass Snape nicht darüber reden wollte. Also war er zuhause gewesen…auf ihrer Beerdigung…

„Sie haben mal wieder gestritten…und dann ist sie die Treppe runtergefallen.“

Snape wirkte immer noch so, als spräche er mit sich selbst.

„Eine Hexe, die sich das Genick bricht…“

Es klang nicht so abfällig, wie es vielleicht sollte, und Remus schwieg lieber, ließ ihn reden. Gestritten…vermutlich sprach er von seinen Eltern, die wohl keine gute Beziehung gehabt hatten. Hatte sein Vater sie die Treppe herunter gestoßen? Versehentlich oder absichtlich? Remus fand den Gedanken, sich damit auseinandersetzen zu müssen, grauenhaft.

„Ist deine Neugierde jetzt befriedigt?“

Remus blickte den Slytherin entsetzt an, als dieser ihn erneut ansprach. Erst jetzt sah er ihn wieder an und Remus fiel auf, dass seine Augen immer noch leblos wirkten. Natürlich musste es ihn quälen, darüber zu reden.

„Also…wie gedenkst du mir zu helfen, Lupin?“, fragte er kühl. „Kannst du die Zeit zurückdrehen? Machst du sie wieder lebendig, ja?“

Remus fehlten zuerst die Worte, so dass er nur stumm den Mund öffnen konnte, wie ein Fisch auf dem Trockenen.

„Nur zu…ich bin gespannt!“, machte Snape weiter und allmählich kehrte der Zorn in seine dunklen Augen zurück.

Wie ein herannahendes Gewitter blitzte es ihm entgegen…bedrohlich und unaufhaltsam.

„Was kannst du schon machen?! Gar nichts! Dass du das jetzt weißt, bringt dir genauso viel wie mir – nämlich absolut nichts! Ich brauche keine Hilfe von dir oder irgendwem sonst! Ich brauche niemanden, der mich bemitleidet! Und was ich als Letztes brauche, ist, dass sich irgendwer das Maul darüber zerreißt! Du kannst also-“
 

Vielleicht war es gut, dass Snape sich so dermaßen in Rage redete…seiner Wut und Trauer freien Lauf ließ. Bislang schien er ja alles runtergeschluckt zu haben, wenn er jetzt sogar laut wurde. Remus starrte ihn nur an, unfähig, ihn zu unterbrechen. Mit so einer Nachricht hatte er nicht gerechnet, doch es änderte nichts daran, dass er für Snape da sein wollte. Gerade, weil er nun wusste, warum es ihm so schlecht ging.

Es war nicht geplant gewesen, doch sein Körper schien sich selbstständig zu machen. Plötzlich hatte er den Abstand zwischen ihnen überwunden und Snape einfach an sich gezogen. Zu seinem Glück war der Slytherin wohl zu perplex, um ihm einen Fluch entgegen zu schleudern – oder ihm eine zu verpassen. Mit etwas Pech hätte er ihn auch einfach vom Turm schubsen können; bei dem Gedanken wurde ihm flau im Magen. Jedoch tat Snape gar nichts.

Stocksteif und abrupt verstummend ließ er sich von ihm umarmen, bewegte keinen Muskel. Remus fiel wieder auf, wie dünn er war…doch es störte ihn nicht. Er wusste nicht, wie es Snape ging…ob dieser vor Schreck gelähmt war…aber er selbst genoss die Nähe. Zwar war Snape eiskalt, doch dadurch wurde Remus nur bewusst, wie warm er selbst war, und er umarmte ihn noch fester. Er hörte Snapes abgehackten Atem an seinem Hals, spürte, wie sich die knochigen Finger in seinem Umhang verkrallten…aber er stieß ihn nicht von sich.

Remus nahm wahr, wie sein Herz schneller schlug und seine Wangen schon wieder so heiß wurden. Die Situation kam ihm so surreal vor, als passierte es gar nicht wirklich. Er hätte gedacht, dass Snape ihn wegstoßen und anfauchen würde, doch stattdessen lehnte sich dieser an ihn.

Keiner von ihnen brach die Stille, die wie ein unsichtbarer Vorhang über ihnen lag. Es war anders als die flüchtigen Berührungen, die er sich bisher getraut hatte. Das, was er schon seit einer Weile in Snapes Gegenwart fühlte, erschien ihm noch intensiver.

Schließlich nahm er sich zusammen, auch wenn sich seine Kehle ganz trocken anfühlte.

„…macht es…das denn besser?“, murmelte er und hörte Snape schnauben.

„Geringfügig.“

Es hörte sich nicht so abfällig an, wie Remus es von dem anderen erwartet hätte, so dass er die Umarmung auch nicht löste. Viel eher klang Snape ein bisschen heiser, als hätte er Mühe zu sprechen. Er merkte, wie der Slytherin schauderte, als er sanft seinen Rücken streichelte.
 

„Was versprichst du dir davon?“

Remus hörte die Frage, doch er hatte keine plausible Antwort darauf; was er sich hiervon versprach? Er hätte für jeden seiner Freunde dasselbe getan und dennoch war es anders. Wie sollte er Snape das begreiflich machen, wenn er selbst nicht die richtigen Worte fand?

Seine Finger zogen Kreise auf seinem Rücken, während die Stille über ihnen schwebte. Am liebsten hätte er einfach gar nicht gesprochen, aber er wusste, dass das nicht ging.

„…Helfersyndrom?“, versuchte er es und lächelte schief.

Snape schien das nicht sonderlich amüsant zu finden, denn er sagte nichts. Schade…er hätte es gern so einfach gehabt, aber das funktionierte wohl nicht.

Tief atmete er durch, wobei er sich des mittlerweile vertrauten Geruchs von Snape bewusst wurde. Es war kein unangenehmer Geruch, mehr speziell…nach unterschiedlichen Kräutern, mit denen er des Öfteren arbeitete. Er war Snape so nah wie nie zuvor…und am liebsten hätte er einfach so mit ihm verweilt.

„Ich…mag dich eben…“, murmelte er, ohne Snape loszulassen.

Dieser spannte sich kurz an, wehrte sich aber immer noch nicht gegen ihn. Wäre es ihm nicht recht, hätte er ihn längst weggestoßen…oder? Der Slytherin war niemand, der auf anderer Leute Gefühle Rücksicht nahm – das hatte er ja vorhin noch unter Beweis gestellt.

„Warum?“

Nicht diese Frage…er verbiss sich nur mit Mühe ein gequältes Stöhnen. Was sollte er darauf denn bitte antworten?

„Snape…“

„Ich weiß, wie ich heiße, Lupin. Das war nicht meine Frage.“

Sarkastisch wie immer, er hätte mit nichts anderem rechnen sollen. Fest presste er die Lippen zusammen, ehe er entschied, dass er keine Wahl hatte. Oder? Doch, er hatte eine Wahl. Er konnte es einfach schön reden und selbst wenn Snape ihm nicht glauben sollte, musste er es dabei belassen. Das hier war seine Entscheidung…und Snape hatte sie gefälligst zu akzeptieren!
 

Remus zuckte zusammen, als Snape sich plötzlich bestimmt von ihm wegdrückte, woraufhin er ihn verdutzt ansah. Die dunklen Augen bohrten sich prüfend in die seinen…und das höhnische Glitzern darin gefiel dem Werwolf absolut nicht.

„Sind wir schon wieder feige, Lupin?“

Die Herausforderung verfehlte ihre Wirkung nicht, obwohl Remus eigentlich niemand war, der sich provozieren ließ. Jedoch…hatte Snape die Angewohnheit, es zu übertreiben. Normalerweise beschränkte sich dies auf seine spitze Zunge und die Gemeinheiten, die er damit vorbrachte. Remus starrte ihn an, als er sich vorbeugte, den Abstand zwischen ihren Gesichtern damit verringerte.

„Was ist?“, schnappte er und Remus hatte das Gefühl, sein Herz würde gleich stehenbleiben. „Die Frage ist einfach, nicht wahr?“

Was lief hier eigentlich? Konnte es sein, dass Snape auf etwas…Bestimmtes hinauswollte? Was, wenn er bereits erkannt hatte, was Remus in seinem Inneren immer noch hartnäckig zu verleugnen versuchte. Weil es einfach nicht normal war.

Andererseits…was an ihm war bitte schon normal? Abgesehen davon, dass er ein Zauberer war, verwandelte er sich zudem einmal im Monat in eine Bestie.

„Lupin!“

Abermals zuckte der Angesprochene zusammen, sah sein Gegenüber beinahe erschrocken an. Wieder fiel ihm die Nähe auf…Snape war definitiv viel zu nahe. Seine schwarzen Augen stachen aus dem blassen Gesicht hervor…Remus kam der Gedanke, dass seine Augen das Eindrucksvollste an Snape waren; sie schienen einen zu durchleuchten.

Wenn Snape wütend war, wirkten seine Züge immer sehr hart und hasserfüllt…aber wenn sie allein waren, wich dies oftmals ein wenig. Remus fand, dass der Ausdruck viel ausmachte…und Snape machte es auf jeden Fall ansehnlicher. Vielleicht war er ja auch der Einzige, dem dies überhaupt auffiel.

Ein Lufthauch streifte ihn im Nacken, ließ ihn unweigerlich schaudern und sich daran erinnern, dass er immer noch keinen Laut von sich gegeben hatte. Snape sah ihn weiterhin an, beinahe als suchte er die Antwort in seinem Blick…oder wartete er tatsächlich?

Remus hörte eine Art Rauschen in seinen Ohren und sein Hals fühlte sich trocken an. Er schob es auf die Nervosität, doch etwas dagegen tun konnte er nicht.
 

„Lupin, wir-“

Obwohl es natürlich keines war, empfand Remus es in diesem Moment wie ein Stichwort. Es überkam ihn einfach…ähnlich wie bei der Umarmung. Bevor er überhaupt realisiert hatte, was er im Begriff war zu tun…hatte er sich schon vorgebeugt…und seine Lippen auf Snapes gedrückt.

Sie fühlten sich kühl und spröde an – doch Remus störte das nicht im Geringsten. Im Gegenteil…die Berührung schien ein Feuer in seiner Brust zu entfachen. Die Hitze breitete sich bis in seine Fingerspitzen aus, wärmte ihn von innen…es fühlte sich einfach richtig an.

Mehr aus Reflex hatte er die Arme um Snape gelegt, er hielt ihn nicht allzu fest, doch er wollte seine Nähe spüren. Es war das, wonach er sich schon eine ganze Weile sehnte, auch wenn er den Gedanken oftmals direkt im Keim erstickt hatte. Falsch…aber wieso fühlte es sich dann so richtig an?

Remus war im ersten Augenblick so überwältigt, dass ihm entging, wie Snape in seiner Umarmung zu Stein wurde. Da er die Lider gesenkt hielt, konnte er nicht sehen, dass er ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. Erst, als er aufsah, erkannte er den Schock in Snapes Gesicht…und die Röte auf seinen Wangen.

Remus löste sich, wobei er zittrig ausatmete…und er sah, dass es Snape nicht besser ging. Er hing in seiner Umarmung wie ein Schluck Wasser in der Kurve…und machte den Eindruck, als würde er gleich vom Turm fallen. Remus konnte kaum einen klaren Gedanken fassen, doch er hielt ihn lieber gut fest. Beinahe wünschte er sich, Snape würde seine böse Zunge wiederfinden, anstatt ihn anzustarren, als sei er…ein Monster.

Vorsichtig legte Remus eine Hand an seine Wange, woraufhin Snape zusammenzuckte. Wenigstens blinzelte er endlich mal, das war ja schon unheimlich gewesen. Mit einem unguten Gefühl beobachtete Remus, wie sich die dünnen Lippen stumm bewegten, jedoch keinen Ton hervorbrachten.

Snape wirkte verstört…und erschöpft, doch als er sich plötzlich gegen seine Hand lehnte, schöpfte Remus kurz Hoffnung, dass sein Handeln keine schlimmen Folgen haben könnte. Dass Snape sich ebenso danach gesehnt haben könnte wie er selbst.

„Snape, ich-“

Er hätte die Stille nicht brechen, einfach schweigen sollen. Kaum hatte er dem Mund geöffnet, zuckte der Slytherin abermals zusammen…und da war es wieder. Der Hass…die Wut…alles, was Snapes Züge verhärtete…und was besonders hervorstach, war Abscheu.

„Das…ist krank!“, presste er regelrecht angewidert hervor und wich vor ihm zurück.

Genauso gut hätte er Remus einen Stupor in die Brust jagen können; obwohl er damit gerechnet hatte, tat es unfassbar weh.

„Snape, bitte…lass mich-“

Er versuchte nach seiner Hand zu greifen, doch der Slytherin war schon hektisch aufgesprungen. Ein verächtlicher Blick traf ihn, dann rauschte Snape mit geballten Fäusten die Treppen hinunter…ließ ihn allein zurück.

Remus saß nur da…sah ihm wie betäubt hinterher. Es fühlte sich an, als sei er gar nicht körperlich anwesend. Als hätte er das Geschehen von eben nur geträumt…doch in seinem Inneren wusste er, dass es real war. Er hatte es zerstört. Alles, was einer Freundschaft annähernd gleich gekommen war…jegliches bisschen Vertrauen…er hatte es kaputt gemacht. Unwiderruflich.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: Lichtregen
2018-07-28T20:19:14+00:00 28.07.2018 22:19
Nun, zum Anfang kann ich gar nicht mal viel sagen. Die Einleitung hat ja vor allem demonstriert, dass sich zwischen Lupin und Snape immer noch nichts geändert hat. Der Status Quo bei seinen Freunden ist auch wie immer. Der kleine Zeitsprung ist dir auf diese Weise jedenfalls gut gelungen, in dem du beschrieben hast, wie die Stimmung bei James, Sirius und Peter wegen der anstehenden Ferien ist. Schmunzeln musste ich noch bei Sirius’ Kommentar, dass er schon alles könne. Ich kann es ihm aber irgendwie nicht übel nehmen, dass er so von sich selbst überzeugt ist. XD Er ist einfach cool. Aber dass er so mies gelaunt ist... Ich kann nicht ganz glauben, dass es nur an der baldigen Heimreise und mangelnder Aufmerksamkeit von James liegt.
Ja ja, Lupin, der kleine Stalker. XD Ein Glück für ihn, dass Snape nicht vor Schreck vom Turm gefallen ist. Es zerreißt mir immer fast das Herz, wenn ich lese, wie sehr er sich für Snape anstrengend, sich um ihn Sorgen macht und sogar riskiert, dass er des Nachts außerhalb des Bettes erwischt wird, und Snape es ihm mit seinem abweisenden Verhalten dankt.
Boah, wie gemein war das denn? Das hat dem Fass doch echt den Boden ausgeschlagen, als Snape meinte, ob er sich nicht langsam echt wie ein Idiot fühle, weil er ihm ständig hinterher renne. Gut, mit dem hinterherrennen hat er schon recht. Aber das andere geht echt gar nicht. Ich kann seine Reaktion vollkommen verstehen. Da würde ich wohl auch abhauen wollen. Umso mehr muss man es ihm zugute halten, dass er doch noch eine Art Geständnis gemacht hat, dass Snape ihm wichtig ist. Die Worte, die er sagte, waren auch perfekt gewählt. :)
Und sie haben ihren Zweck erfüllt, da sich Snape trotz nach all den Monaten immer noch vorhandener Skepsis endlich öffnet und Lupin den Grund für alles mitteilt. Kaum denkt man, dass Snape jetzt endlich etwas positivere Gefühle gegenüber Lupin zeigt, geht es gleich schlimm weiter. Natürlich, seine Mutter ist gestorben. Aber immerhin ist Lupin auf seiner Seite und hat ihn weder gezwungen, es ihm zu sagen, noch war er sonst neugierig. Er hatte ihm ja auch nicht Angebot, Snape zu helfen, sondern bloß, für ihn da zu sein. Snapes Ausfall kam also echt überraschend.
Und diese Spannung!! Ich habe es fast nicht ausgehalten weiterzulesen. XD Bei der Umarmung wurde mir auch ganz warm ums Herz und ich fieberte richtig mit Lupin und seinen verwirrten Gefühlen mit. Dass Lupin Snape sogar über den Rücken streichelt, war meinem Empfinden nach irgendwie schon etwas zu viel... Wahrscheinlich aber vor allem, weil ich Angst hatte, dass Snape ihm jeden Moment den Arm abbeißt oder sonst was. XD Und weil sie bisher ja nie so weit gegangen sind. Lupin ist natürlich auch nicht mehr ganz Herr seiner Sinne, also doch alles nachvollziehbar, nur halt ungewohnt. XD Aber Snape macht natürlich wieder die Stimmung kaputt mit seiner Fragerei... Sein Konter, nachdem Lupin nicht sofort auf seine Frage antwortet, war aber einfach genial... Jaja, er weiß, wie er heißt. ;) Trotzdem echt gemein, so eine Frage zu stellen. Was verspricht er sich davon? Er wird die Antwort ohnehin bereits kennen, so schlau ist er ja. Nur will er sich Lupins Gefühle zu Nutze machen oder will er nur sicher gehen, gerade weil er ähnlich empfindet, sich aber nicht traut, ihm zu vertrauen? Ein Kapitel aus Snapes Sicht würde es echt mehr Licht ins Dunkle bringen. Hatten wir ja, glaube ich, schon lange nicht mehr. Lupin denkt da ja ähnlich wie ich, merke ich.
Oh mein Gott, Pia, und dann das Ende! Ich hatte es wirklich schon lange nicht mehr bei einer Geschichte, aber diesmal habe ich es wieder gespürt... Das Stechen in der Brust, als Snape Lupin nach dem Kuss zurückweist und ihn krank nennt. Mein Herz weint! ;__; Dabei war der Kuss so schön eingeleitet, das mit dem Stichwort war eine gute Idee. :) Immerhin konnten wir ja Lupins Entwicklung bereits seit einiger Zeit beobachten und dass es ihn irgendwann einmal überkommt, war nur eine Frage der Zeit. Snapes Reaktion konnte natürlich keine andere als die Salzsäule sein, aber das macht es nicht gerade besser. :( Lupin tut mir gerade so leid. Was wird er jetzt nur tun? Was wird Snape tun? Er wird den Kuss natürlich für sich behalten, aber ich würde es ihm zutrauen, dass er Lupin als „Schwuchtel“ in Misskredit bringen würde. Wobei das natürlich für ihn gefährlich wäre, also wohl eher nicht. Am wahrscheinlichsten ist es wohl dass er ähnlich wie Lupin empfindet, es sich nur nicht eingestehen und lieber allein oder von den Slytherins anerkannt sein will. Er weiß echt nicht, was gut für ihn ist... Ich bin jetzt wirklich richtig gespannt, wie du weitermachen wirst. Oder kamen jetzt direkt die Ferien?

Von:  Salatgurke
2017-12-08T12:45:56+00:00 08.12.2017 13:45
Hallöchen,
habe deine Story entdeckt
und sie in einem durchgelesen. :)
Echt super geworden!
Snape ist so typisch ablehnend und motzig XD
Auch der Konflikt von Lupin wird gut rüber gebracht.

Komisch das du so wenig Kommis hast...
Naja... freue mich auf mehr :)


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