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Lass mein Licht nicht erlöschen

von

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Ketten

Lux hatte einen deutlich weniger schönen Nachmittag verlebt. Ihre Brust schmerzte, auch wenn sie sich wieder und wieder einredete, dass er nicht solch große Macht über sie hatte.

Zuletzt war sie aus reiner Verzweiflung heraus einfach nach Hause zurückgekehrt, immer mit der Absicht, sich einfach in ihr Bett zu legen, um sich zusammen zu rollen und einfach nicht mehr aufzustehen, bis... naja, für einen langen Zeitraum zumindest.

Allerdings hatte das Schicksal andere Pläne mit ihr. Sie erreichte kaum die Haustür, als bereits ein Dienstmädchen wie von einer Hornisse gestochen auf sie zu wuselte. "Fräulein Luxanna! Was tut Ihr denn noch hier? Ihre werten Eltern sind längst aufgebrochen! Auf Geheiß des Königs zum Hofe! Eure Anwesenheit war ausdrücklich erwünscht! Schnell, schnell! Ihr müsst euch umziehen! Ich werde Euch eine Kutsche herrichten lassen, Fräulein!" Sie sprach so schnell, das sie bereits davongelaufen war, als Lux ihre Worte endgültig verstanden hatte und mit einem Blick an sich hinab, die Absurdität des Umziehens erkannte. Sie trug die blaue Bluse, die er ihr- ... und einen hübschen blauen Rock. Es war funktional und auch nicht unansehnlich, weder zerrissen noch schmutzig, also warum so unnötige Mühe machen? Und eine Kutsche? Es waren kaum 500 Meter bis zum Palast.

Es war schwierig die junge Frau von ihren Absichten abzubringen und das Wort 'Aber' fiel unzählige Male, immer mit einem Verweis darauf, dass es sich nicht gezieme, wenn sie allein über die Straßen ginge, was Lux jedoch nur belachte und erklärte, dass sie sich sehr wohl verteidigen konnte. Dann irgendwann gab sie nach und Lux, nun auch so abgelenkt von ihrem Kummer, dachte gar nicht mehr daran, in ihr Zimmer zurückzukehren. Sie würde ihre Rüstung ebenso wenig brauchen wie Stab oder andere Kleidung und ihre Schuhe waren ebenso leicht wie bequem.

Ohne weitere Umschweife brach sie zum Palast auf und hatte bis kurz vor der Eingangstür, die Geschehnisse in jenem Garten beinahe völlig vergessen.

Aber sie würde ihm nicht aus dem Weg gehen, wenn er die Kälte besaß, sie so sitzen zu lassen, konnte auch Lux ihm die kalte Schulter zeigen.
 

Lux kannte den Thronsaal bereits von früheren Besuchen sehr gut, ob nun wegen Kriegsräten, Missionsübergaben oder Abendessen mit ihren Eltern und der Königsfamilie, aber heute schien die Atmosphäre viel angespannter zu sein als bei jedem dieser Anlässe oder vielleicht auch einfach nur auf eine völlig andere Art. Seltsamer Weise lag rein gar nichts Militärisches in der Luft.

"Majestät!" Sie schlug ihre Hacken zusammen und verneigte sich auf die ihr aus dem Militär so bekannte, steife Art und Weise. Sie war eine Vollblutkriegerin. All die Sitten, Gewohnheiten, Traditionen, sie alle waren ihr in Herz und Blut übergegangen, waren längst ein Teil von ihr, ganz genauso wie das Licht und die Magie.

"Luxanna, wie schön, dich hier zu sehen."

Lux neigte noch einmal den Kopf dem Kronprinzen entgegen, weigerte sich aber den Blick weiter nach rechts zu wenden und wartete dann ab, was dieses Treffen wohl bringen würde. Immerhin waren ja auch ihre Eltern hier und ihre Mutter hatte mit dem Militär ja nun so gar nichts am Hut. Lux erinnerte sich noch ganz genau an den Aufstand, den sie damals gemacht hatte, als sie zur Akademie gehen und anschließend in den Krieg ziehen sollte. Sie hatte immer viel lieber eine kleine Adlige gewollt, die sie für Bälle und Teepartys einkleiden konnte.

Lux hörte die Tür noch einmal aufgehen und als sie sich umdrehte, war es Garen, der die Halle betreten hatte. Er war gerade erst von der Kriegsfront zurückgekehrt, hatte zwar die Rüstung bereits abgelehnt, wodurch er mindestens halb so breit wirkte wie sonst, aber trug noch immer den blauen Samtschal, den sie ihm einst geschenkt hatte, und sein blaues Gewand, das so gut zu ihrem Outfit passte.

"Verzeiht die Verspätung. Es gab einen... Zwischenfall, der mir nicht erlaubte früher aufzubrechen." Lux verdrehte die Augen und beobachtete dann, wie er sich verbeugte wie sie zuvor, allerdings deutlich weniger steif als sie, aber er war an diesem Ort ja auch so etwas wie groß geworden. Lux hatte eine sehr genaue Ahnung, um welche Art von Zwischenfall es sich handelte, aber sie schwieg und wartete nur, bis sein Blick sie traf, bevor sie ihn herzlich umarmte. In letzter Zeit war er beinahe die ganze Zeit an der Front und so sahen die Geschwister sich immer seltener. Als er sie jedoch ein Stück hochhob, wie er es vor vielen Jahren immer getan hatte, wenn er von seinen ersten Einsätzen zurückgekehrt war, quietschte Lux erschrocken auf und hielt sich an seinen noch immer sehr breiten Schultern fest, bevor sie lachte. Scheinbar war er wirklich glücklich und ein bisschen dieser Freude ging auf Lux über. Sie lächelte auch noch, als er sie losließ und Jarvan begrüßte, mit dem er schon seit er ein kleiner Junge war, befreundet war. Wahrscheinlich stand niemand dem Kronprinzen näher, nicht einmal seine persönlichste Wache, auch wenn dieser Gedanke Lux augenblicklich wieder ärgerte.

Die beiden Männer wechselten leise ein paar Sätze, aber sie drangen kaum zu Lux vor und die einzelnen Worte wollten in ihrer verzerrten Art keinen Sinn mehr machen. Sie sprachen von der Zukunft und einem 'Bruder', mit dem vermutlich Garen gemeint war, auch wenn es absurd schien, dass er so auf sich selbst verweisen sollte.

Es folgten noch weitere Begrüßungen, doch die blonde Magierin vermied es gezielt, sie sich anzusehen und trat stattdessen zu ihren Eltern zur Seite. Ihre Mutter wirkte so unglaublich glücklich, als wäre der Krieg bereits gewonnen... oder im Fall ihrer Mutter vielleicht eher als hätte sie das schönste Kleid der Welt versprochen bekommen... oder so etwas in der Art. Der Blick ihres Vaters, der wie immer auf seinen Stock gestützt stand, war... undeutbar, aber seine Emotionen zeigten sich auch sonst nur in unterschiedlich betonten Grunzlauten. Sie waren wohl das, was ein ideales adeliges Ehepaar sein sollte, zumindest im allgemeinen Konsens, befand Lux. Eine militärische Größe heiratet eine hübsche Adlige, die außer schönen Kleidern und Schmuck an nichts anderes dachte und deren Lebenstraum es war ihre beiden Kinder unter die Haube zu bringen. Obwohl sie darauf auch ruhig noch ewig und drei Tage warten konnte, denn von heiraten und Liebe wollte sie jetzt, nachdem ihr Herz so grob zerschmettert worden war, absolut nichts wissen.

Natürlich wollte sie nicht undankbar klingen. Sie liebte ihre Mutter und war dankbar für alles, was ihre sozialen Positionen ihnen möglich gemacht hatten. Es war nur so, dass ihre Mutter all das verkörperte, was Lux sich nicht mehr vorstellen konnte, seit sie die Bitternis einer Niederlage auf dem Schlachtfeld erfahren hatte. Zu heiraten, Kinder zu kriegen, das alles war etwas, das in ihren Augen unmöglich war, bevor der Krieg nicht gewonnen wäre und Demacia entweder in Trümmern am Boden lag und sich einer fremden Besatzung beugen musste - Ein Szenario, in dem Lux sich selbst als gefallen ansah - oder siegreich den Triumph feierte.

Und als wären ihre Gedanken erhört worden, fragte der Prinz in diesem Augenblick: "Wie ist die Situation an der Kriegsfront." Es gab natürlich nicht nur eine, aber bei dieser handelte es sich um jene, an der sich der Konflikt zwischen Demacia und Noxus wohl letztlich entscheiden würde.

Sofort wurde Lux aufmerksam und erwartete den Bericht ihres Bruders, hoffentlich in allen Einzelheiten.

"Es ist ein ewiges Auf und Ab. Wir können nicht die Oberhand gewinnen, aber wir lassen Noxus ebenso wenig Fuß fassen."

Und bevor er genauer ausführen konnte, wie genau die Schlachten liefen, ob und wie viele Verluste es gab, unterbrach der König beide. "Dies sind keine Gespräche für den heutigen Anlass. Verbannt den Krieg für einen Abend aus euren Gedanken und setzt euch mit uns zu Tisch."

Jetzt war Lux verwirrt. Was sollte das heißen? Kein Gespräch für den heutigen Anlass? Wenn es nicht um den Krieg ging, worum dann? Und welcher Anlass gäbe ihm das Recht, diese Bedrohung einfach so zu vergessen?! Und wäre sie nicht doch die wohlerzogene Tochter eines Adelshauses hätte sie ihre Bedenken wohl einfach ausgesprochen und hätte sich nicht den zustimmenden Gesten ihres Bruders und des Prinzens gebeugt.
 

Tatsächlich wurde der Krieg nicht wieder angesprochen, obwohl Lux ihren Bruder mehr as einmal dazu drängen wollte, von seinen Erlebnissen zu berichten. Jedes Mal speiste er sie nur mit einem später ab oder verdrehte nur die Augen darüber.

Und doch machte etwas anderes Lux weitaus mehr zu schaffen: Die Sitzordnung. Aus einem völlig absurden Grund war sie zwischen ihrer Mutter und der Königin zu sitzen gekommen und hörte so Minute über Minute Gesprächen über die neusten Modeentwicklungen in Demacia und Piltover zu. Ob Samt oder Taft, Rüschen oder Spitze, lange oder kurze Ärmel, der blonden Magierin schwirrte der Kopf vor Wörtern, die ihr Verstand längst als unwichtig abgespeichert hatte und doch konnte sie ihren Sitzplatz einfach nicht entkommen. Garen jedenfalls schien sich bestens zu amüsieren, wie er mit Jarvan sprach als wäre er nicht der zukünftige König sondern einfach nur er selbst ohne all diese Verpflichtungen.

Geschlagene fünf Minuten kaute Lux jetzt auf einer Fenchelstange herum und versuchte mit aller Kraft nicht zu ihrem Bruder hinüber zu sehen, denn direkt hinter ihm an der Wand stand er, pflichtbewusst wie eh und je und zuckte mit keiner Wimper, obwohl er ihr gerade noch mit wenigen Worten das Herz gebrochen hatte.

Bitternis befiel die junge Frau, wodurch sie aber nur noch etwas aggressiver zu kauen begann und dabei wohl sehr undamenhaft aussah. Gut dass niemand sie ansah.

"Und, Luxanna, was wirst du auf dem Ball tragen?"

Die Stimme der Königin riss sie aus ihren Gedanken und das auch nur, weil sie ihren Namen so betont aussprach. Vor Schreck schluckte sie heftig und bekam einen langen Moment gar keine Luft, bis sie einen großen Schluck Wasser getrunken hatte. "Wie bitte?" Ihre Stimme klang rau und ihr Hals schmerzte noch etwas, aber sie war gut genug erzogen, um der Königin nicht nicht zu antworten. Sie versuchte irgendwie sich eine Reim aus ihren Worten zu machen und musste gestehen, dass sie scheinbar eine ganze Weile nicht zugehört hatte.

"Dem Ball", erklärte ihre Mutter in diesem typischen Ton, den sie anschlug wenn sie enttäuscht von ihren Manieren war. Vielleicht hatte es doch jemand beobachtet oder sie hatte erraten, dass sie nicht zugehört hatte. Ein wenig verlegen wurde Lux schon, aber sie sah einfach keinen Grund sich diesen ganzen Unsinn anzuhören, wenn es sie doch eh weder betraf noch interessierte.

Der Ball. Welcher Ball? Ihr Gehirn arbeitete sich schnell durch die möglichen Antworten. Der Frühjahrsball. Er würde in etwa einem Monat stattfinden, das schien zu passen, aber was war damit?

"Was wirst du tragen?", wiederholte die Königin dann ihre Frage, weniger kritisch als ihre Mutter.

"Ich... ähm denke, das selbe wie letztes Jahr?", schlug Lux dann vor. Sie besaß tatsächlich zu wenig Auswahl um etwas anderes anzuziehen. Und warum auch? Wie oft ging sie schon auf Bälle? Meistens war sie auf dem Schlachtfeld, wie es sich für eine Kriegerin gehörte. Die Königin sah sie jedoch ganz erschrocken für diese Antwort an, eher so als hätte sie gerade behauptet, sie würde Katzenbabys treten. "Ich... ich habe nicht viele Ballkleider", versuchte sie etwas verlegen zu erklären. "Und ich seh auch keinen Grund mich deswegen zu sorgen. Es ist immerhin schon ein Jahr her, niemand wird sich erinnern." Und ganz zögerlich fügte sie noch ein 'Oder?' hinzu. Wieso schien das so eine falsche Antwort zu sein?

Sie war froh, als ihre Mutter die Situation rettete, indem sie ihre Worte als Witz abtat und etwas über blauen Taft und Seide erzählte. Natürlich existierte ein solches Kleid nicht und innerlich seufzte Lux bereits bei dem Gedanken es tragen zu müssen und vor allem, es schneidern zu lassen. Ballkleider waren steif, unbeweglich, Rüstungen waren anders, sie bewegten sich mit dem Körper, boten Schutz und Sicherheit.

Dennoch setzte Lux ein Lächeln auf, hatte gelernt ihrer Mutter nicht in den Rücken zu fallen und sich den Erwartungen der Gesellschaft zu fügen, wenn sie ihre Position im Militär behalten wollte. Einen Moment dachte sie an Shyvanna. Was das anging, bewunderte sie die Kriegerin. Sie wurde um ihrer Stärke willen respektiert, nicht wegen ihrer Herkunft in Watte gepackt und doch wusste sie, dass es auch schwer sein musste, immer nur als der Drache der Armee angesehen zu werden. Ihre Gedanken wanderten weiter, fragten sich, ob sie wohl manchmal wünschte, als Frau begehrt zu werden, ob sie nicht hinter ihrer stolzen und starken Fassade manchmal verletzt war, wenn Kinder aus ihrem Weg gezogen wurden. Lux musste zugeben, dass auch sie manchmal vergaß, dass sie eine Frau war, aber sie hatte nie versucht eine Beziehung zu ihr aufzubauen. Sie hatte keine gesellschaftlichen Verpflichtungen, aber hatte sie außerhalb des Militärs Gesellschaft?

Vielleicht war sie mit Garen von der Front zurückgekehrt. Nachdenklich überlegte Lux, ob sie nicht doch einmal versuchen sollte mit ihr zu sprechen. Vielleicht würden sie sich besser verstehen als sie ahnte.

Ein lautes Klopfen durchbrach ihre Gedanken und als Lux aufblickte, sah sie die feuerrote Rüstung eben jener Frau in der Tür aufblitzen, an die sie eben gedacht hatte.

"Verzeiht die Unterbrechung, Majestät." Ihre Stimme war streng, aber irgendetwas anderes war da noch.

"Shyvanna, was-"

"Ich weiß, dass ich störe, aber es ist dringend." Als Lux sie ansah, blieben glühende Augen an ihren hängen und es lag solch ein Hass darin, dass sie beinahe ein wenig zurückzuckte, weil er sich so deutlich gegen sie selbst richtete, dass ein Schlag nicht hätte deutlicher sein können. Noch bevor Lux sich fragen konnte, womit sie diesen Zorn verdiente, sprach Shyvanna ihre Botschaft aus. "Die noxischen Truppen haben ihr Lager aufgelöst."

"Was?!" Garen stand augenblicklich auf. "Was soll das heißen? Es gibt keinen Grund für sie-!"

"Unsere Späher haben den Aufbruch beobachtet. Es gibt keine Spur von ihren Generälen, von keinem von ihnen. Ich bin augenblicklich aufgebrochen." Weil sie die schnellste von allen Boten war. Augenblicklich war Lux angespannt, der hasserfüllte Blick war bereits wieder vergessen. Warum sollte eine Armee, die sich seit Monaten halten konnte, ohne dass jemand die Oberhand gewann, ihre Stellungen abbrechen und damit einen Einmarsch ermöglichen, wenn nicht um einen Hinterhalt zu legen?!

Auch Jarvan schienen ähnliche Dinge durch den Kopf zu gehen. "Ich dachte, die Truppen stoßen auf beiden Seiten auf Granit!"

"So ist es auch. Es gibt keinen Grund für sie zurückzufallen. Was sollen unsere Truppen tun?" In ihrer Stimme brannte das so bekannte Feuer. Sie würde nicht zulassen, dass ihre Soldaten in einen Hinterhalt liefen, das war klar und doch akzeptierte sie die Hierarchie und wartete ihre Befehle ab.

Nach einem kurzen Moment erhielt sie ihre Antwort vom König selbst. "Haltet die Stellungen. Wir kennen ihre Pläne nicht, es wäre dumm, jetzt einen Vorstoß zu wagen. Schickt Späher, ihnen zu folgen, aber vernachlässigt eure Vorsicht nicht. Wer weiß, was in Swains Kopf vorgeht."

Die Kriegerin nickte, scheinbar sehr zufrieden mit diesen Anweisungen.

"Ich werde morgen an die Front zurückkehren", versprach Garen dann. "Was auch immer sie vorhaben, Darius wird seine Finger im Spiel haben."

Und obwohl Shyvanna bereits entlassen war, drehte sie sich nach einem Schritt noch einmal um. Während ihr Blick über Jarvan zum König wanderte, setzte sie noch einmal zum sprechen an. "Ich würde gerne Luxanna-"

Augenblicklich wurde sie unterbochen. "Nein."

"Aber ihre Kräfte könnten uns den entscheidenden Vorteil bring-"

"Ich sagte nein!"

Lux stand auf, sie dachte immerhin genauso wie der Halbdrache. "Wieso nicht? Majestät, ich könnte ohne entdeckt zu werden, ihren Spuren folgen! Ich habe es zuvor getan, ich weiß, wie ich untertauche!" Was war denn plötzlich sein Problem? Hielt er sie plötzlich für zu jung? Vertraute er ihr nicht?

"Das ist zu gefährlich, Lux." Garen klang ehrlich besorgt, aber das war er auch bei ihren ersten Missionen gewesen.

"Ist es nicht! Ich weiß, wie ich an die nötigen Informationen herankomme und ich weiß, wie ich mich verteidigen kann! Ich bin kein Kind mehr!"

"Es gibt andere, die diese Aufgabe übernehmen können."

Sie trat hinter ihrem Stuhl hervor, sah ihren Bruder anklagend an, weil er ihr scheinbar nicht vertraute, ihr in den Rücken fiel. Dieser dämliche große Bruder Beschützerinstinkt! Heftig gestikulierend versuchte sie noch einmal ihren Punkt herüberzubringen. "Warum Leben riskieren, wenn ich es nahezu gefahrlos-"

Und dann donnerte eine Stimme durch den Raum, die heute noch nicht ein Wort gesprochen hatte. "Luxanna, setz dich hin!" Ihr Vater war aufgestanden und zeigte jene Präsenz, die ihm einst ebenso Respekt wie auch Furcht auf dem Schlachtfeld eingebrachte hatte, bevor er nach einer schweren Verletzung als kriegerischer Berater an den Hof zurückgekehrt war und so seinem Sohn das Schlachtfeld überlassen hatte.

Luxanna folgte.

Sie hatte diese Stimme nicht mehr gehört seit sie als Kind ein anderes Mädchen mit ihren damals noch unausgereiften Kräften verletzt hatte, weil sie ihren Eltern nachgeplappert hatte, dass die Zeit der Kronwacht-Familie wohl endgültig vorbei wäre.

Jetzt schluckte sie, verstand nicht, womit sie den Zorn jetzt auf sich gezogen hatte und schwieg verletzt.

Sie hörte, wie Shyvanna sich entschuldigte und dann ohne ein weiteres Wort ging, wie ihr Vater sich wieder hinsetzte und die Frauen rechts und links von ihr in erschrockene Stille verfielen, ganz genauso wie der Rest des Raums.

Einen langen Moment ertrug Lux es, bis der Druck sie völlig zu zerquetschen schien.

"Verzeihung, ich fühle mich nicht wohl." Sie sprach leise, blickte nicht auf und rechnete beinah damit, dass ihr Vater sie noch einmal anfahren würde, aber niemand hinderte sie aufzustehen, bis sie plötzlich dem Kronprinzen selbst gegenüber stand, der sie beinahe etwas mitleidig ansah.

"Bleib. Bitte." Er hob die Hand, schien ihre Wange berühren zu wollen, stoppte aber und tat dann etwas anderes, was noch viel weniger Sinn ergeben wollte. Er ging vor ihr auf die Knie, eine kleine Schachtel festhaltend und zu ihr aufblickend. "Luxanna Kronwacht, ich bitte dich, mich zu heiraten."

Und plötzlich machte alles Sinn.

Wirklich alles, was heute geschehen war, setzte sich plötzlich wie ein Puzzle vor ihren Augen zusammen. Das Treffen, die Anwesenheit ihrer Mutter, ja sogar ihr Sitzplatz. Sie verstand, warum niemand sie in den Krieg ziehen lassen wollte, warum ihr Vater so scharf reagierte hatte, sogar die so unvollständigen Gesprächsfetzen ihres Bruders mit Jarvan setzten sich in ihrem Kopf zusammen. 'Ich freue mich, dich bald als meinen Bruder begrüßen zu dürfen.' Das Attribut hatte sich niemals auf Garen selbst bezogen!

Und ganz langsam sickerte noch eine weitere Erkenntnis zu ihr durch. Er hatte es auch gewusst. Er hatte sich von ihr getrennt, weil er von diesem Antrag wusste.

Sie alle wussten davon und sie alle erwarteten nur eine einzige Antwort von ihr.

Doch Lux starrte den Mann vor sich an, dessen braunes Haar in einzelnen Strähnen unter der goldenen Krone hervorfiel und der sie so erwartungsvoll anblickte wie der ganze restliche Raum auch. Hilfe suchend sah sich das junge Mädchen im Raum um, war überfordert mit der Situation, mit dem Antrag des Kronprinzen und der Erwartung, die aus allen Augen sprach.

Die Zeit schien zu langsam zu vergehen, die Eindrücke verschwammen langsam mit einander und dann wurde ein einziges Gesicht klar. Das braune Haar straff in den hohen Zopf gebunden, der golden Reif darin schimmernd im sinkenden Licht der Sonne, das durch die großen Fenster fiel. Heute fielen keine Strähnen locker nach vorn. Alles an ihm schien steif, sein Blick richtete sich an ihr vorbei, unbeteiligt. Nichts davon schien ihn zu bekümmern.

Und dem Prinzen eine Antwort schuldig bleibend tat Lux die wenigen Schritte, bis sie vor ihm stand und erhob wütend die Stimme gegen ihn. "Du hast es gewusst?! All diese Gerede über den Altersunterschied, dafür?" Sie war wütend, das war nicht zu übersehen, weder für ihn noch für alle anderen im Raum, aber Lux waren alle anderen in diesem Moment völlig egal. Ihre Hand holte aus. Sie konnte einfach nicht glauben, dass er ihr das antat. Und doch fing er ihre Hand ab, noch immer ohne eine Miene zu verziehen und schwieg. Er hatte damit gerechnet, dass sie zuschlagen würde, als sie ihn so angefahren hatte und es war ganz leicht schnell genug zu reagieren.

Nun, damit hatte er gerechnet, nicht mit dem, was sie als nächstes tat. Ohne ein weiteres warnendes Wort riss sie ihr Knie nach oben und traf auf die von der Rüstung ungeschützten Körperteile dort in der lockeren braunen Hose, die er schon am morgen getragen hatte, bevor er den Blick noch auf ihr Knie gesenkt hatte. "Arschloch!"

Lux konnte mit ansehen, wie sich Schmerz über seine Züge legte, wie er die Luft einzog und auf die Knie sank, kaum in der Lage sich mit einer Hand abzufangen. Und sie hörte wie hinter ihr ein Stuhl zu Boden fiel. "Lux!" Es war Garen und er griff ihr Handgelenk, bevor der Magierin überhaupt auffiel, dass sich dort Licht materialisiert hatte.

Schnell zog sie die Macht in sich zurück, entriss ihm aber hart die Hand. "Du hast es auch gewusst, nicht wahr?! Und du hast es nicht für nötig gehalten, mir davon zu erzählen? Du hast es sogar noch unterstützt?" Sie war so furchtbar enttäuscht von ihrem Bruder, das sie ihn kaum ansehen konnte. Wieso schien sie als einzige im Dunkeln gelassen worden zu sein?

Sie konnte nicht zu dem Prinzen blicken, wollte nicht wissen, wie er mit ihrer Reaktion umging, wusste selbst, dass er es nicht verdiente, das ihn auch nicht die Schuld traf, nun, zumindest nicht ihn allein, und dass sie ihn gerade über alle Maßen bloß gestellt hatte, aber sie fühlte sich plötzlich so machtlos, dass sie zitterte. Sie würde sich später bei Jarvan entschuldigen müssen und auch bei dem Mann, der hinter ihr langsam auf die Füße kam, aber nicht jetzt, noch nicht, sie hatte noch soviel zu sagen, bevor sie sich ihrem Schicksal fügen konnte.

"Geht schon", brachte der zu Boden gegangene zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, als ihm Jarvan aufhelfen wollte und es sammelten sich langsam Tränen in ihren Augen.

Sie ballte die Fäuste, starrte zu Boden, wollte ihn nicht anblicken und sprach mit dem Boden. "Dachtest du wirklich, dass du das richtige tust?" Er konnte sie doch nicht so wenig kennen, nicht nach dem letzten Jahr. "Dachtest du wirklich, dass ich einfach so alles aufgebe, was mich ausmacht? Dass ich mich darüber freue? Wie ein braves kleines Mädchen, meine kindischen Träume aufgebe und zu der perfekten Ehefrau werde? Dass ich mich geehrt fühle und dankend annehme?"

Dann blickte sie auf. "Als hätte ich eine Wahl!" Sie wusste selbst, dass sie dem zukünftigen König diesen Wunsch nicht ausschlagen konnte, wenn sie ihre Familie nicht völlig ruinieren wollte. Aber es war einfach nicht fair. "Ich bin nicht eure Marionette. Ich habe meinen eigenen Willen, meine eigenen Ziele. Ich will diesem Land eine friedliche Zukunft schenken und nicht als hübsches Anhängsel zur Schau gestellt werden. Aber natürlich werde ich ja sagen, weil euch das allen egal ist, weil es politisch richtig wäre, weil es nur Vorteile bringt und es vermutlich eh schon über Jahre geplant ist und ihr nur darauf gewartet habe, dass ich erwachsen bin und mir die Flausen ausgetrieben wurden." Diese Worte richteten sich an ihre Mutter und doch war sie zu enttäuscht, um ihren Blick zu suchen, wusste bereits, dass sie es nicht verstand, dass sie nur daran dachte, dass ihre Tochter Königin von Demacia werden würde und sie damit all ihre Freundinnen ausgestochen hätte.

Ihr Vater hatte sie immer in Schutz genommen, aber wenn er gegen diese Ehe gewesen wäre, hätte er sie verhindern können, auch er war ihr in den Rücken gefallen, ganz genau wie Garen, der noch immer direkt hinter ihr stand und schwieg. Vielleicht hatte sie zumindest ihn getroffen.

Gott, es war in dem ganzen Raum so still, als wäre ihre Mutter längst in Ohnmacht gefallen.

"Ich lasse mich in euren Käfig sperren, werde mich an die Kette meiner Geburt binden lassen, aber ich habe mir noch nie sehnlicher gewünscht als Junge geboren worden zu sein." Wenn man es ganz genau sah, hatte sie sich das noch nie gewünscht, weil sie stolz darauf war, eine Frau zu sein, aber jetzt gerade erschien es als der einzige Ausweg aus dieser Situation.

Dann ergab sie sich zuletzt und streckte ihre Hand aus, dorthin, wo sie wusste, dass der Prinz stand und noch immer die kleine Schatulle mit dem Siegel von Demacia hielt. Sie schloss die Augen und wartete. Sie sah aus als blickte sie ihrem Todesurteil entgegen. Jarvan zögerte. Also griff Lux nach der Schachtel und schloss die Faust darum. Sie brauchte sein schlechtes Gewissen nicht, sie brauchte die tröstende Hand ihres Bruders nicht. Sie brauchte nur noch eine einzige Antwort. Sie blickte auf, sah in die dunklen Augen und spürte ihre eigenen überlaufen. "Hast du auch nur einen Moment daran gedacht, um mich zu kämpfen, Xin?"

Und sein Blick sprach mehr als tausend Worte. Ihr Gesicht bedeckt von der kalten Nässe, rannte sie an ihrem Bruder vorbei zur Tür und doch ließ er sie nicht einfach ziehen, sondern hielt sie fest. "Lux, was soll das, du benimmst dich wie ein-"

"Es ist einfach nicht fair! Wieso verstehst du es einfach nicht, Garen?! Es ist völlig egal, was du tust! Es ist in Ordnung, weil du ein Mann bist! Niemand sagt ein Wort über deine Verfehlungen, weil du den Namen Kronwacht weitertragen wirst. Es stört keinen, dass du mit Katarina DuCouteau schläfst!" Sie war immer lauter geworden und zuletzt bebte sie vor Wut, als sie ihm die Worte entgegen schrie. Es wurde still. Zu langsam sickerte die Erkenntnis zu ihr durch, was sie gerade ausgesprochen hatte und vor wem. Es war ein offenes Geheimnis an der Front, ja, aber es hier vor dem König auszusprechen, machte es zu der Wahrheit, die ihn mehr als nur seinen Stolz kosten konnte.

Langsam weiteten sich ihre Augen. Garen ließ sie ihren Arm gehen. Dann rannte sie los, aus dem Raum, voller Scham über ihre Gräuetat und ihre eigenen Probleme fast völlig vergessend, sich aber noch immer an die kleine Schatulle klammernd. Sie rannte einfach, rannte immer weiter ohne ein Ziel vor Augen. Immer voran, weg von ihrem Bruder und in die Arme ihres eigenen Verderbens.



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