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Last Desire 10

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Eva und Samajim

In der Kirche St. Michael herrschte eine altehrwürdige und gleichzeitig friedliche Atmosphäre. Immer noch hing ein schwacher Duft von Weihrauch in der Luft und jeder Schritt hallte in der gotischen Halle wieder. Es war niemand hier und es herrschte eine wunderbare und angenehme Stille. Eine Weile ließ sie den Blick umherschweifen, als wäre sie auf der Suche nach jemanden. Sie trat näher vor und erreichte schließlich den Altar. Dort war ein androgyn aussehender junger Mann gerade damit beschäftigt, die Kerzenhalter zu polieren und alles ordentlich herzurichten. Dabei summte er munter eine Melodie vor sich hin und wirkte beschäftigt, aber dennoch zufrieden. „Nabi?“ Nun drehte sich der schwarzhaarige junge Mann um und als er die Besucherin sah, weiteten sich seine Augen vor Überraschung, er ließ seine Sachen stehen und eilte zu ihr hin. „Eva!“ rief er und umarmte sie freundschaftlich. Sie erwiderte die Umarmung und war ebenfalls glücklich, ihn zu sehen. „Meine Güte Nabi, ist das lange her, seit ich dich das letzte Mal gesehen habe. Gut siehst du aus. Dir scheint es hier ja richtig gut zu gehen, oder?“

„Naja, manchmal ist es schon eine Herausforderung, wenn du verstehst was ich meine. Der alte Sklaventreiber brummt mir manchmal die unmöglichsten Aufgaben auf. Du hättest ihn erleben müssen, kurz nachdem die Proxys bei uns vorbeigeschaut haben. Da durfte ich den kompletten Glockenturm säubern, alles entstauben und dann auch noch Schnee schaufeln, ganz nebenbei zu den anderen Pflichten, die er mir aufhalst.“ Als Eva das hörte, musste sie schmunzeln und schüttelte den Kopf. „Offenbar hält er dich ganz schön auf Trab.“

„Natürlich und ich versuch ihm schon seit knapp 150 Jahren irgendwie das Rauchen abzugewöhnen. Und seit der Erfindung der Zigaretten ist es nur schlimmer geworden und er ist eben ein verdammter Kettenraucher. Er ist ein fauler, egozentrischer Sadist, der immer das letzte Wort haben muss und der sich nur zu gerne bedienen lässt. Wenn er nicht isst, dann schläft er meistens oder er versucht mit einer AK-47 auf die Tauben zu schießen. Er ist ein unbelehrbarer und absolut launischer Sturkopf! Aber…“ und bei diesem „aber“ lächelte Nabi verlegen und errötete. „Dafür liebe ich ihn eben auch und da macht es mir auch nichts aus, wenn er mich wie seinen persönlichen Haussklaven behandelt.“ Nun, Eva hatte schon längst geahnt, dass Nabi Gefühle für seinen Herrn hatte und natürlich freute es sie. Immerhin hatte Samajim entgegen seiner eigentlichen Art wirklich alle Risiken auf sich genommen, um Nabi vor seinem Todesurteil zu retten. So etwas hatte er damals so gut wie nie für irgendjemanden getan, der kein guter Freund von ihm gewesen war. Er hatte sich nicht sonderlich für den Krieg interessiert oder für die Machtkämpfe der großen Alten. Erst der Verlust seiner beiden besten Freunde hatte seine Meinung geändert und er hatte viele vor einem grausamen Schicksal bewahrt. Darunter auch Nabi. „Hast du es ihm schon gesagt?“ „Nein“, antwortete der Sefira und seufzte. „Überlege doch mal: ich bin sein Diener und ich verdanke ihm mein Leben. Er ist nach Nazir dem Beobachter der stärkste Sefira, darum ist es vernünftiger, realistischer zu bleiben und pragmatisch zu denken. Im Gegensatz zu ihm bin ich nur ein unbedeutendes kleines Licht und werde es auch bleiben. Ich bin seiner eh nicht würdig, also lass uns nicht weiter darüber sprechen, okay?“ Zu gerne hätte Eva noch etwas dazu gesagt, aber Nabi wollte das Thema einfach nur noch abhaken und so hatte es keinen Zweck. Schließlich hörten sie weitere Schritte und eine Stimme rief „Nabi, hast du schon die Mausefallen im Keller ausgelegt? Diese verdammten Viecher haben uns schon wieder die Vorräte angefressen. Und wenn du schon mal dabei bist, kannst du vielleicht mal den Heizboiler überprüfen. Ich frier mir im Pfarrhaus den Hintern ab, obwohl die Heizung aufgedreht ist.“ Nun zeigte sich deutlich, wie genervt Nabi war und schon drehte er sich in die Richtung um, aus welcher die Stimme kam. „Das liegt daran, weil Ihr die ganze Zeit faul unter Eurem Heiztisch liegt und euch nicht genug bewegt, Meister. Da friert man eben.“ Schließlich trat hinter einer Säule der Pfarrer der Kirche hervor und sogleich eilte Eva hin, um auch ihn zu begrüßen. „Samajim!“ Er öffnete weit die Arme und empfing sie fast väterlich. Auch ihm war die Wiedersehensfreude anzusehen und sogleich erlaubte er sich die Bemerkung „Egal in welchem Körper du auch bist, du wirst immer schöner, meine Liebe. Ich hatte schon geahnt, dass du kommst. Du lässt deine Familie nie weit aus den Augen, so wie ich dich kenne. Nabi, bereite uns doch einen Tee vor. Eva und ich haben einiges zu besprechen.“

„Ja, Meister. Aber bevor ich mit dem Keller weitermache, muss ich noch das Kreuz wieder festnageln. Es sitzt etwas locker und ich will nicht miterleben, wie es während der Messe herunterkracht.“

„Na und? Dann sind alle wenigstens hellwach, wenn sie schon fast ständig während der Messe einschlafen müssen.“

„Ich frage mich nur, wieso das immer wieder passiert…“

„Dein Sarkasmus wird auch immer bissiger, mein Lieber. Ich glaube, du brauchst wirklich eine Frau… oder einen Mann. Bei dir bin ich mir bis heute noch nicht zu hundert Prozent sicher, ob dein Körper der eines Mannes, oder der einer Frau ist.“ Nabi warf ihm einen giftigen Blick zu, sagte aber nichts dazu und machte sich auf den Weg. Samajim sah ihm nach und kicherte, wobei er die Hände in die Hosentaschen steckte. Er lächelte selbstzufrieden und sagte „Ich liebe es einfach, ihn durch die Gegend zu scheuchen. Er ist so eine treue Seele, wenn nur nicht sein vorlautes Mundwerk wäre. Weißt du überhaupt, wie er mich nennt? Einen alten Mann!“

„Du bist doch auch einer, bevor du dich verjüngt hast. Und dass Nabi so frech ist, da brauchst du dich auch nicht zu wundern, wenn du ihn so behandelst. Er ist zwar dein Diener, aber nicht dein Sklave.“

„Ich sehe da keinen großartigen Unterschied“, erklärte Samajim kurz und knapp und ging mit Eva in Richtung Pfarrhaus. „Und außerdem ist das alles auch so ein gewisses Spiel für mich. Ich will testen, wie lange es dauern wird, bis ich ihn endlich soweit habe.“ Eva beschloss, lieber nicht nachzufragen. Sie wusste, dass die großen Alten sehr eigen sein konnten. Einige von ihnen wie zum Beispiel Nazir oder Shalva waren eher neutrale Gesellen, die selten aus sich heraus kamen und zwar angenehme Zeitgenossen waren, aber dennoch undurchschaubar blieben. Andere wiederum waren extrem launisch und das machte sie besonders gefährlich. Denn wenn jemand so mächtig war wie die großen Alten, dann konnten dessen Launen schnell ein Leben in Gefahr bringen. Deshalb wagte es niemand, die großen Alten zu beleidigen, zu provozieren oder auf dumme Gedanken zu bringen. Das hätte nur schlimme Folgen. Selbst die großen Alten wagten es nicht, Ajin Gamurs Laune auf die Probe zu stellen. Denn er als das höchste aller Wesen war so launisch, dass er schon die Vernichtung allen Lebens beschloss, weil er gerade Langeweile hatte, oder ihm irgendetwas nicht in den Kram passte. Auch Samajim wagte kaum jemand zu provozieren und Eva, Nabi und die anderen großen Alten waren die einzigen Ausnahmen.

Nachdem sie es sich im Wohnzimmer des Pfarrhauses bequem gemacht hatten, servierte Nabi ihnen den Tee und machte sich sogleich an die Arbeit um die Aufgaben zu erfüllen, die sein Herr ihm aufgetragen hatte. So waren Samajim und Eva allein und sogleich fragte der Pfarrer „Wie geht es denn deinem Bruder? Ich habe gehört, dass er zwar noch viel mit seinen Mafiageschäften zu tun hat, aber ich hab da was flüstern hören, dass er nun jemanden an seiner Seite hat. Und das ist auch deinem Engagement zu verdanken.“ Als Eva das hörte, senkte sie etwas verlegen den Blick und gab schließlich etwas Kandiszucker in ihren Tee. „Mein Bruder hat Nikolaj damals sehr geliebt und es hat auch mir das Herz gebrochen, ihn so unglücklich zu sehen. Und nun, da er Jeremiel hat, ist er endlich glücklich und hat jemanden an seiner Seite, den er lieben und beschützen kann.“

„Und dann ausgerechnet Araphel, den sie auch damals „Araphel den Schlächter“ nannten. Es erstaunt mich immer wieder, dass dieser kleine Funken Licht, den du ihm damals gegeben hast, ihn so verändert hat. Er ist kaum wiederzuerkennen und ich muss sagen, dass sich der ganze Aufwand damals wirklich gelohnt hat. Er weiß nach wie vor nichts von uns und was damals während des großen Krieges passiert ist und welch großes Opfer du für ihn gebracht hast. Du hast einen Teil seiner Finsternis in dir aufgenommen und damit die Verzweiflung in dein Herz gelassen. Und es hat leider auch dich verändert, allerdings zum Negativen. Ich spreche damit auf dein mehr als idiotisches Vorhaben an, als du die ganze Menschheit unvergänglich machen wolltest. So etwas ist nicht typisch für dich, Eva. Und ich weiß auch von deinen Gedanken an den Tod. Was du tust, ist deine Sache aber lass mich dir eines sagen: du darfst dich nicht von deiner eigenen Verzweiflung vereinnahmen lassen. Sonst endest du eines Tages genauso wie sie.“ Schweigend senkte die Weißhaarige den Blick und sah in diesem Moment sehr unglücklich aus. Es stimmte ja, dass sie ihre Pläne noch nicht aufgegeben hatte, aber sie wollte vorher noch ihre Familie retten und verhindern, dass sie dem Alpha-Proxy zum Opfer fielen. „Samajim, ich glaube du weißt bereits, weshalb ich hier bin. Ich habe die Befürchtung, dass er wieder zurückgekehrt ist. Alle Anzeichen deutet darauf hin und ich fürchte, dass er sein Ziel von damals noch nicht aufgegeben hat.“

„Elohim“, sagte Samajim langsam und gedehnt, wobei er mit ernster Miene die Augenbrauen zusammenzog. „Das habe ich mir auch schon gedacht. Erst letztens haben zwei Proxys versucht, Nabi anzugreifen, aber ich habe sie wieder verjagen können. Sie wollten ihn für seinen Verrat bestrafen und da war mir recht schnell klar, dass Elohim hinter all dem stecken muss. Es passt einfach zu gut. Allerdings stellt sich mir die Frage, wozu er diesen Aufwand betreibt und warum er es ausgerechnet auf deine Familie abgesehen hat. Womöglich, weil er sich an dir rächen will. Oder aber er hat es auf Araphel abgesehen. Das wäre auch denkbar.“

„Hast du dich deshalb im Hintergrund gehalten, obwohl er in deiner Stadt ist?“

„Natürlich. Um deinen Feind zu schlagen, musst du zuerst seine Ziele kennen. Die Situation ist sowieso sehr angespannt. Einige ahnen schon, dass Elohim zurückgekehrt sein könnte und sich die Wissenschaft der Menschen zunutze macht, um wieder zu erstarken. Und du weißt, wie einige von ihnen sind. Rakshasa der Zornige wird als Erster Köpfe rollen lassen und er ist schon seit langer Zeit darauf aus, dich zu töten, weil er dich für eine Verräterin hält, da du dich selbst vor Ajin für deinen Bruder eingesetzt hast. Und du kennst Nazirs Schwester Miswa die Strenge. Sie wird die Erste sein, die einen Krieg ausrufen wird und du weißt, was das für die Welt der Menschen bedeutet. Nämlich das Ende. Deshalb müssen wir uns bemühen, die ganze Angelegenheit so klein und unauffällig wie möglich zu halten. Wenn wir die Situation möglichst diskret behandeln und nichts nach außen dringen lassen, werden sich die großen Alten wahrscheinlich nicht weiter darum kümmern. Vor allem, weil sie sich hauptsächlich für ihre Machtkämpfe interessieren. Nazir wird wohl längst bescheid wissen, aber er wird sich raushalten, weil er sich nie auf eine Seite stellt.“

„Was genau hast du vor, Samajim? Ich sehe dir doch an, dass du etwas planst.“ Und tatsächlich hatte er einen Plan und erklärte „Natürlich. Ich habe deine Familie auf Nivkhas Spur gebracht. Er hat auch schon Frederica geholfen und ich denke auch, dass es langsam an der Zeit wird, dass er erfährt, wer und was er wirklich ist.“ Als Eva das hörte, sah sie ihn fassungslos an und stand ruckartig auf, wobei sie fast die Tassen umstieß. „Bist du wahnsinnig geworden?“ rief sie und schlug dabei ihre Hand auf den Tisch. „Nach allem, was wir für einen Aufwand betrieben haben, um ihn zu verstecken und seine wahre Identität zu verschleiern? Wenn die anderen herausfinden, dass er mit Elohim in direkter Verbindung steht, werden sie ihn sofort töten.“

„Nicht als Asylant.“

„Aber auch nur solange er sich in London aufhält. Elohim wird versuchen, an ihn heranzukommen, genauso wie er es mit Liam versuchen wird. Das kann unmöglich dein Ernst sein. Du benutzt meine Familie für deine Pläne und bringst sie in Lebensgefahr.“ Doch der Pfarrer schien das ganze viel entspannter zu sehen und trank seelenruhig seinen Tee. „Ich habe alles unter Kontrolle, meine Liebe. Vergiss nicht, dass ich nicht umsonst Samajim der Alte genannt werde. Ich habe genug Erfahrung um zu wissen, wie ich vorgehen muss. Und um Elohim aufzuhalten, ohne dabei die Aufmerksamkeit der großen Alten zu erwecken und damit schlimmstenfalls einen Krieg zu provozieren, müssen wir deine Familie dafür benutzen. Denn solange sich die Menschen darum kümmern, wird sich kein Sefira dafür interessieren, was in dieser Welt vor sich geht. Das nennt man Schadensbegrenzung, meine Liebe. Oder hast du eine bessere Idee?“

„Ja, die habe ich in der Tat. Ich werde mich allein darum kümmern. Ich lasse nicht zu, dass den anderen etwas zustößt, nur weil du meinst, es wäre die bequemste Art, die Sache zu beenden.“

„Eva…“, sagte er schließlich und schüttelte den Kopf. „Du gehst viel zu emotional an die Sache heran und kannst nicht mehr objektiv denken. Deine Liebe und deine Verzweiflung haben dich bereits so sehr vereinnahmt, dass du unvernünftig wirst. Jetzt hör doch erst mal zu. Ich setze das Leben deiner Familie nicht leichtfertig aufs Spiel, das tue ich niemals. Ich habe das alles genauestens einkalkuliert und bin auf alles vorbereitet. Ich werde sie Stück für Stück auf den richtigen Weg führen und sie im richtigen Moment unterstützen. Und mit Nivkha kann eigentlich nicht viel schief gehen. Zwar mag er keine Erinnerungen haben, aber er ist immerhin stark genug, um es selbst mit mir aufnehmen zu können. Vertrau mir einfach.“ Doch Eva wollte sich einfach nicht überzeugen lassen. Zu groß war die Angst um ihre Familie, als dass sie es fertig bringen konnte, ihrem alten Freund und Mentor in seiner Sache gewähren zu lassen. „Ich vertraue dir, aber ich lasse trotzdem nicht zu, dass du meine Familie mit hineinziehst und sie dieser Gefahr aussetzt. Ich werde Elohim alleine vernichten und davon wirst du mich nicht abhalten.“

„Du verstehst mich da völlig falsch. Ich habe nie gesagt, dass ich dich aufhalten will. Wenn es dein größter Wunsch ist, dich ihm alleine entgegenzustellen, werde ich dich nicht aufhalten. Aber du wirst eine Waffe brauchen. Eine spezielle… Ich dachte an Ahavas Schwert. Dieses müsste eigentlich effektiv genug sein, um einen Unvergänglichen in die Knie zu zwingen. Ich habe es damals Minha in Verwahrung gegeben. Du wirst sie in Soho finden. Sie arbeitet dort als Wahrsagerin unter dem Decknamen Madame Arcana. Aber überlege es dir noch mal gut, ob du das wirklich tun willst. Oder ist dein Wunsch nach dem Tod so stark geworden, dass dir dein eigenes Leben vollkommen egal geworden ist?“ Bei diesen Worten senkte Eva den Blick und sagte nichts. Aber Samajim wusste, dass er Recht hatte und konnte nicht glauben, wie sehr sie sich inzwischen verändert hatte. „Eva, du musst die Finsternis in deinem Herzen verschließen und wieder die Alte werden, wenn du Elohim aufhalten willst. Es wird nichts bringen, wenn du dein Leben verwirfst, obwohl wir die Angelegenheit auch anders regeln können.“

„Welches Leben denn?“ fragte sie und ihre Stimme klang auf einmal so unendlich traurig und hoffnungslos, auch ihr Blick zeugte von Verzweiflung, die sich tief in ihr Herz gegraben hatte. „Liam hasst mich und meine Familie braucht mich nicht. Niemand braucht mich und deshalb ist es doch eh nicht von Bedeutung, ob ich noch da bin oder n…“ Bevor sie das letzte Wort aussprechen konnte, hatte Samajim ihr eine Ohrfeige gegeben. Eva presste eine Hand auf ihre gerötete Wange und sagte nichts mehr, aber dafür kamen ihr die Tränen. Samajim hingegen wirkte verärgert und schlug die Faust auf den Tisch. „Jetzt reiß dich endlich zusammen und hör auf, dich die ganze Zeit selbst zu bemitleiden. Hörst du eigentlich, was du für einen Unsinn redest, Eva? Du redest ja schon wie einer von diesen Menschen, die nichts anderes mehr tun können, als ihr eigenes Dasein zu bedauern und von denen hab ich oft genug welche da sitzen. Wenn dir dein eigenes Leben so dermaßen gleichgültig ist, dann verschwinde doch. Ich hatte von dir wirklich mehr erwartet, aber wie es scheint, hat dich Araphels Finsternis schon so sehr in die Verzweiflung getrieben, dass bei dir nicht mehr viel zu retten ist. Du weißt, ich stehe dir als Mentor, Ratgeber und auch als guter Freund zur Seite und wir beide verfolgen das gleiche Ziel: Elohim aufzuhalten, bevor es zu einem Krieg kommt. Den wird die Menschheit garantiert nicht überstehen. Es würde das Ende werden und ich will es genauso wenig wie du. Aber ich versuche wenigstens pragmatisch zu denken und mir einen Weg zu überlegen, wie wir allen helfen können. Und dabei müssen Risiken eben in Kauf genommen werden. Ich will mein Dasein nicht so leichtfertig aufgeben und das solltest du auch nicht tun. Wenn du mit deinem Bruder Versöhnung willst, dann solltest du ihm die Wahrheit sagen und am besten die ganze Wahrheit.“

„Du weißt, dass ich das nicht tun kann“, rief sie und hatte Mühe, ihre Tränen zurückzuhalten. „Wenn Liam erfährt, was damals gewesen ist und was er getan hat, wird ihn das noch schwerer treffen. Und ich will nicht riskieren, dass er sich mit Miswa und den anderen anlegt. Die werden ihn dann auf jeden Fall töten und das kann und darf ich nicht zulassen. Ich will ihn beschützen, auch vor der Wahrheit.“ Doch Samajim hatte da weniger Verständnis für Evas überhastete Reaktion und blieb bei seiner Meinung, dass sie eindeutig zu emotional an die Sache heranging und noch unvernünftig handelte. Aber was sollte er denn tun? Sie mit Gewalt davon abhalten? Das würde doch sowieso nichts bringen, also war es besser, ihr die Hilfe mitzugeben, die sie brauchte. Ansonsten würde sie noch in ernste Schwierigkeiten geraten und das wollte er ja auch nicht. „Wie du meinst. Ich bleibe bei meiner Meinung, dass du deinem Bruder etwas mehr Vertrauen entgegenbringen kannst. Er hat sich doch verändert und das wirklich zum Positiven. Ich habe meinen Entschluss bis heute nicht bereut, ein Wort für ihn einzulegen und ihn vor seiner Hinrichtung zu bewahren. Es ist deine Entscheidung, was du tust und du musst damit leben. Aber lass mich dir eines sagen: ich werde nicht von meinem Plan ablassen. Dafür ist es längst zu spät und wenn ich das tue, wird Elohim deine Familie ein weiteres Mal auslöschen. Wir beide wissen, wie gefährlich er ist und du hast mehr zu verlieren als ich. Ich gehe bewusst keine engere Bindung mit den Menschen ein, weil ich genau weiß, dass Elohims Groll niemals schwinden wird. Erst wenn er wirklich tot ist.“

„Das ist mir klar. Aber ich will es trotzdem alleine versuchen. Aber könnte ich trotzdem eine Bitte an dich richten? Ich weiß, dass ich zu viel verlange, aber…“

„Red schon. Ich reiß dir ja nicht den Kopf ab und du weißt: dir helfe ich immer gerne.“

„Ich möchte da einer verlorenen Seele helfen, die zu früh verstorben ist. Meinst du, du könntest Ajin bitten, ihr ein neues Leben zu geben?“ Und mit einem Lächeln legte Samajim eine Hand an Evas Wange und strich ihr eine Träne weg. „Natürlich. Und ich werde auch für die anderen ein gutes Wort bei ihm einlegen. Darauf kannst du dich verlassen. Überlasse das nur mir.“ Und mit einer fast väterlichen Umarmung verabschiedete er Eva und sah ihr noch eine Weile nach, als sie davonging. Dann aber wandte er sich wieder seinem eigenen Vorhaben zu und rief „Nabi! Ich muss eben kurz weg. Wo hast du denn meinen Mantel hingelegt?“

„Er hängt an der Garderobe, wie sonst auch immer“, kam es vom Keller her und kurz darauf waren Schritte von der Treppe zu hören. Nabi, der ein wenig verstaubt aussah, klopfte sich den Dreck von der Hose und fragte „Wo wollt Ihr hin, Meister?“ „Auf einen kurzen Abstecher in die Shinigami-Welt. Es wird Zeit, den alten König mal wieder zu besuchen und ihn um einen Gefallen zu bitten. Ich bin nicht lange weg. Wenn du mit deinen Aufgaben fertig bist, kannst du das Abendessen vorbereiten.“

„Mach ich, Meister. Viel Erfolg.“ Damit schnappte sich der Pfarrer seinen Mantel und verließ das Pfarrhaus.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  San-Jul
2015-01-26T16:51:04+00:00 26.01.2015 17:51
What the holy shit. Ich muss grad echt heulen. Wieso? ... Warum? ... Wie zum Teufel? ... meh ...
Bitte sag mir, das alle aus Eva´s Familie überlebt hat, sonst kann ich nicht mehr in ruhe schlafen :(
Ansonsten wieder geniale Geschichte vor allem Samajim und Nabi find ich echt interressant.
Freu mich auf die nächsten Teile.
Lg San-Jul
Antwort von:  San-Jul
26.01.2015 17:58
Du hast damit nicht gerrechnet? Inwiefern?
Gott sei dank sie leben noch, oder sollte es Eva sei dank heißen;)
Antwort von:  Sky-
26.01.2015 18:00
Ja das Ende ist schon traurig. Aber keine bange. Wenn sie alle tot wären, dann wäre Last Desire schon längst vorbei.
Antwort von:  San-Jul
26.01.2015 18:03
Ja, stimmt, aber trotzdem ist es sooo traurig :(
Antwort von:  Sky-
26.01.2015 18:47
Nun, ich hatte nicht damit gerechnet, dass du davon heulen musstest. Das ist für mich wiederum ein Kompliment, dass ich alles richtig gemacht habe.
Von:  pri_fairy
2015-01-06T12:52:45+00:00 06.01.2015 13:52
Super Kapitel:) Ich bin schon auf den nächsten Teil gespannt:)
Von: abgemeldet
2015-01-05T18:20:53+00:00 05.01.2015 19:20
Ein klasse Kapitel.
Ich freue mich schon auf die nächste Story *-*


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