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Last Desire 10

von

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Alte Erinnerung

Es war schon dunkel und der Schnee fiel dicht. Dennoch war es im Haus gut geheizt und es herrschte eine ausgelassene Stimmung. Watari saß mit seinen Freunden und Geschäftskollegen gemütlich im Wohnzimmer und unterhielt sich mit ihnen bei einem Glas Cognac über gute alte Zeiten. Zu Gast waren hochrangige Leute. Zum einen der Vorstand der Londoner Universitätsklinik Dr. Duncan, dann sein alter Freund Malcolm McFinnigan, mit dem er bereits zur Uni gegangen war und auch einige andere Freunde, die er durch seine zahlreichen Projekte kennen gelernt hatte. „Mensch Quillsh, du hast es dir hier ja richtig schön gemacht“, rief McFinnigan mit lauter Stimme und lachte. Er rauchte schon die zweite Zigarre und es würde auch sicherlich nicht die letzte sein. Der gebürtige Ire war bekannter Kettenraucher und das, obwohl er Asthmatiker war. Aber er war ein ebenso dickköpfiger wie unbelehrbarer Mann in den 50ern, der sich weder von seinen Freunden, noch von seinen Ärzten Ratschläge geben ließ. Ein herzliches Lachen erfüllte den Raum. „Ich muss schon sagen, dass du wirklich hervorragende Arbeit geleistet hast. Nicht nur, dass du dieses Haus so wunderbar eingerichtet hast, deine Tochter Alice ist auch noch die jüngste Chefärztin, die die Universitätsklinik je hatte. Sie leistet hervorragende Arbeit und du kannst wirklich stolz auf sie sein. Und sie ist nicht nur intelligent, sie wird auch jeden Tag immer schöner.“

„Ja, sie hat die Schönheit ihrer Mutter geerbt.“

„Und die Intelligenz von ihrem Vater“, ergänzte Dr. Duncan und stimmte in das herzliche Lachen von McFinnigan ein. „Deine Alice ist doch wirklich der Traum jeder Eltern. Sie ist intelligent, ehrgeizig und wunderschön. Teresa wäre sicherlich stolz auf sie, wenn sie noch hier wäre. Möge sie in Frieden ruhen. Mein Sohn schwärmt schon in den höchsten Tönen von ihr und ich könnte mir durchaus vorstellen, die beiden miteinander näher bekannt zu machen. Immerhin ist sie Chefärztin und mein Sohn Mitglied des Vorstands. Was hältst du davon? Eine Heirat zwischen ihr und Will würde für alle Parteien zum Vorteil gereicht werden. Alice säße direkt im Vorstand, mein Sohn hätte eine intelligente und schöne Frau aus gutem Hause. Wir beide müssten uns keine Sorgen um die Zukunft unserer Kinder machen und wir verstehen uns doch ohnehin wunderbar.“ Ja, dem konnte Watari eigentlich nicht viel entgegensetzen. Wie Dr. Duncan schon sagte: eine Verbindung zwischen Alice und Will wäre äußerst vorteilhaft und auch wenn er der Meinung war, dass auch Alice natürlich ein Recht darauf hatte, sich ihren Partner selbst auszusuchen, so konnte er doch zumindest den Vorschlag machen. Sie wäre sicherlich nicht abgeneigt. „Sag mal, mein Freund: wo ist deine Tochter denn?“ „Sie müsste eigentlich längst zurück sein. Ihre Schicht ist eigentlich bereits vorbei, aber wahrscheinlich hat sie wieder Überstunden gemacht und vergessen, mich anzurufen. Nun, es war ja auch viel los im Krankenhaus. Nachdem ihr die Entdeckung des Unborn-Phänomens gelungen ist, hat es einigen Wirbel gegeben und sie war deswegen kaum zuhause.“ „Sie sieht aber auch nicht ganz gesund aus“, bemerkte Dr. Duncan und genehmigte sich noch einen Schluck. „In letzter Zeit ist sie etwas unkonzentriert und außerdem recht blass und dünn ist sie auch geworden.“

„Vermutlich nur der Stress. Sie arbeitet eben sehr viel und ist sehr engagiert. Bei ihrer Zielstrebigkeit würde es mich nicht wundern, wenn sie bald Mitglied des Vorstands wird.“

„Nun mal langsam mit den jungen Pferden“, rief nun Professor Miltner, der ebenfalls zu der Runde dazugehörte. „Alice ist doch erst 26 Jahre alt. In ihrem Alter sind alle anderen noch an der Universität und sitzen über ihren Büchern. Selbst Assistenzärzte sind meist sieben Jahre älter. Lass sie doch erst mal etwas Erfahrung sammeln. Wer weiß, vielleicht ist sie als Chefärztin zufrieden und will gar nicht in den Vorstand.“

„Das kann ich mir nicht vorstellen“, erwiderte Watari kopfschüttelnd und erklärte „Alice ist sehr auf ihre Karriere konzentriert und sie hat selbst den Wunsch geäußert, eines Tages im Vorstand zu sitzen. Wenn sie zurückkommt, werden wir ihr ganz unverfänglich den Vorschlag unterbreiten, sich mal mit Will zu treffen. Sie wird sicherlich nicht abgeneigt sein.“

„Darauf trinken wir einen.“

„Ach McFinnigan, dir fällt doch immer ein Grund zum Trinken ein.“ Laut lachte die ganze Männerrunde und selten war die Stimmung so ausgelassen gewesen, wie an diesem 30. Dezember, dem letzten Tag vor Silvester. Schließlich fragte Professor Horatio, der für gewöhnlich ein klein wenig wortkarger war als die anderen „Feiern du und deine Tochter Silvester hier in der Villa?“ „Nein, sie will morgen mit Nastasja und Henry feiern gehen. Ich kann auch schlecht von ihr erwarten, dass sie jedes Jahr mit ihrem alten Herrn feiert. Sie hat ja auch ihren Freundeskreis und insbesondere Nastasja braucht jetzt auch ihre Freunde. Sie hat ja sonst keine Familie und nach ihrer Fehlgeburt ging es ihr schon schlecht genug. Sie hatte sich so auf das Kind gefreut und dann stirbt es einfach, bevor es zur Welt kommen kann. Nächtelang hat sie nur geweint und ist völlig abgemagert. Die Zeit mit Henry und Alice wird ihr auf jeden Fall gut tun und so kann Alice sie auch wieder ein wenig aufmuntern.“

„Vielleicht klappt es ja beim nächsten Mal“, rief Professor Miltner in die Runde. „Sie ist ja noch jung und es kann jeder Frau passieren. Eine Bekannte von mir hatte ebenfalls beim ersten Mal eine Fehlgeburt, aber beim zweiten Mal hat es dann doch geklappt und sie hat einen gesunden Sohn zur Welt gebracht.“ Sie saßen noch eine ganze Weile zusammen, lachten und redeten über die guten alten Zeiten. Dann schließlich hörten sie, wie die Haustür zugeschlagen wurde und zufrieden lächelte Watari. „Alice ist wohl von der Arbeit zurück. Ich geh sie eben holen.“ Damit erhob er sich und ging in Richtung Haustür, wo er auch schon Alice antraf. Sie trug einen Mantel, einen Stickschal und ihr Haar war zerzaust, was wahrscheinlich vom Wind herrührte. In ihrem pechschwarzen Haar und auf ihren Schultern lagen noch Schneeflocken und ihre Hände zitterten, auch ihre Augen waren gerötet. Sie war sehr blass im Gesicht und wirkte ein wenig neben der Spur. Wahrscheinlich hatte sie wieder einen schwierigen Patienten, dachte Watari und grüßte sie mit einer liebevollen Umarmung. „Schön, dass du wieder da bist, Alice. Warum legst du nicht deinen Mantel ab und kommst zu uns ins Wohnzimmer? Malcolm, Albert, Charles und ein paar andere Freunde von mir sind zu Besuch da und sie freuen sich sicherlich, wenn du dich zu uns setzt.“ Doch Alice wirkte völlig neben sich und ihre Hände hörten nicht auf zu zittern. Für andere hätte sie in diesem Moment verstört oder aufgewühlt gewirkt, doch das bemerkte Watari in diesem Moment nicht so wirklich, denn dazu hielt die gute Laune einfach zu sehr an. Er legte schließlich einen Arm um sie und wollte mit ihr ins Wohnzimmer gehen, doch sie blieb stehen und sagte mit etwas überhasteter Stimme „Nein, Vater. Ich muss… ich muss dir…“ „Das kannst du mir doch auch später erzählen. Sag doch wenigstens erst mal den anderen Guten Abend.“

„Aber es ist wichtig… ich… ich meine…“

„Später, Alice. Wir reden später darüber. Na komm, jetzt sei doch nicht so. Mensch, wie du zitterst. Du bist sicherlich völlig durchgefroren.“ Damit führte er sie ins Wohnzimmer und blieb vor der gemütlichen Runde stehen. „Wie ich schon gesagt habe: sie hat sicherlich nur wieder Überstunden machen müssen.“

„Deine Tochter kommt wirklich ganz nach ihrer Mutter“, bemerkte Dr. Horatio und hob sein Glas, genauso wie McFinnigan, der nur zustimmen konnte. „Wenn ich so zurückdenke, als du noch ein kleines Kind warst, Alice. Da hast du wirklich bezaubernd ausgesehen. Ich kann mir gut vorstellen, dass dein Zukünftiger der glücklichste Mann der Welt sein wird.“ „Da-danke…“, stammelte Alice und zwang sich zu einem Lächeln. Immer noch wirkte sie völlig durcheinander und sie wurde immer blasser. Sie war überhaupt nicht bei der Sache und hörte auch kaum zu, als das Gespräch der Herren fortgesetzt wurde. Erst als Dr. Duncan nach einer Weile wieder auf dieses spezielle Thema zu sprechen kam, da entwich ihr jegliche Gesichtsfarbe und sie sah schon fast erschrocken aus. „Was hältst du davon, dich mal mit meinem Sohn Will zu treffen, Alice? Er ist Mitglied des Vorstands und er könnte dir vielleicht behilflich sein, was deine Beförderung betrifft.“

„Was?“ fragte Alice und wirkte alles andere als begeistert, als sie das hörte. Viel eher klang es schon fast entsetzt. Watari hielt es für Schüchternheit und legte einen Arm um die Schultern seiner Tochter. „Alice, Will Duncan ist ein wirklich sympathischer junger Mann und würde sich sicherlich freuen, wenn ihr euch mal treffen könntet. Was hältst du davon?“ Alice sagte nichts, sie starrte ins Leere und es war schwer zu erkennen, was sie in diesem Moment dachte. Dann aber befreite sie sich von ihrem Vater und murmelte kurz „Entschuldigung, mir ist gerade nicht gut…“, dann verließ sie das Wohnzimmer. Sie stürmte raus und verwundert sahen die Männer ihr nach. „Irgendwie wirkte sie ziemlich durcheinander“, bemerkte Dr. Horatio und widmete sich wieder seinem Cognacglas. „Ob es wohl Ärger im Krankenhaus gab?“

„Die Möglichkeit besteht. Ich werde nachher mal zu ihr gehen, wenn sie sich beruhigt hat.“ So saßen sie noch eine Zeit lang zusammen und während der ganzen Zeit ließ sich Alice nicht blicken. Als es dann schließlich spät wurde und sich nach und nach alle verabschiedet hatten, ging Watari die Treppen rauf ins Zimmer seiner Tochter. Er klopfte sachte an ihre Tür und fragte „Alice, darf ich reinkommen?“ Es kam keine Antwort, also öffnete er die Tür und sah seine Tochter am Schreibtisch sitzen. Sie nahm gerade zwei Tabletten ein und schien sich wieder gefangen zu haben. Und doch waren ihre Augen immer noch stark gerötet, so als hätte sie geweint. „Alice, du hast dich die ganze Zeit nicht blicken lassen. Geht es dir nicht gut?“ „Nein“, sagte sie tonlos und erhob sich. Sie sah ihren Vater an und dieser erschrak fast, als er die leeren Augen seiner Tochter sah. Es war so, als wäre jegliches Leben aus ihr gewichen und sie sah ihn mit einem absolut eiskalten Blick an. „Ich habe alles geklärt, was zu klären war. Und jetzt entschuldige mich…“ Damit wollte sie an ihm vorbei und das Zimmer verlassen, doch Watari hielt sie am Arm fest und sah an ihrer Schulter blaue Flecken. Sofort riss sich Alice von ihm los und stieß ihn weg. „Fass mich nicht an“, sagte sie mit einer so kalten Stimme, dass er erst glaubte, er hätte eine Fremde vor sich. „Alice, was ist mit dir?“ „Nichts“, sagte sie tonlos und verließ das Zimmer. Er lief ihr hinterher und verstand nicht, was denn auf einmal mit ihr los war. Es schien so, als wäre sie wie ausgewechselt. „Mir ist nur etwas klar geworden.“ „Was denn? Alice, sag es mir doch. Ist irgendetwas im Krankenhaus passiert?“ Sie ging die Treppe hinunter direkt zur Haustür. Erneut hielt Watari sie fest und hatte nun wirklich Angst um seine Tochter. Irgendetwas musste passiert sein und offenbar hatte sie deshalb versucht, mit ihm zu reden. „Bitte rede doch mit mir.“ „Es ist zu spät, Vater“, erklärte sie und sah ihn noch mal an. Ihre Augen hatten jeglichen Glanz verloren. Irgendetwas in ihr war zerbrochen und was man in diesen hellblauen Augen erkennen konnte, war nichts als Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. „Es ist doch ohnehin nicht so schlimm, wenn ich nicht mehr da bin, oder?“

„Wie… wie kommst du darauf? Alice, was ist denn passiert?“

„Lass mich einfach. Ich ertrage es nicht mehr!“ Und diese letzten Worte schrie sie heraus, dann riss sie die Tür auf und verschwand in die Nacht.
 

Selbst als sie am nächsten Tag wieder zurückkam, war Alice immer noch vollkommen verschlossen und wollte auch nichts zu den blauen Flecken und den Abschürfungen sagen. Sie aß nichts, sprach mit niemandem und schloss sich in ihrem Zimmer ein. Dennoch ging sie zur Silvesterparty und Watari hoffte ja noch, dass wenigstens Nastasja und Henry in der Lage wären, sie wieder aufzumuntern. Doch gleich an Neujahr bekam er einen Besuch von der Polizei mit der schrecklichen Nachricht, dass Alice einen schweren Autounfall hatte. Ihr Wagen war durch die Leitplanke gebrochen, nachdem sie von einem anderen Wagen geschnitten wurde und daraufhin war das Auto die Klippen hinuntergestürzt. Sie selbst war aufs offene Meer hinausgerissen worden. Sie wurde für tot erklärt und den anderen Unfallfahrer hatte man nicht finden können.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  pri_fairy
2014-12-27T22:09:39+00:00 27.12.2014 23:09
Es geht weiter wie cool!:)
Super Anfang :) bin gespannt auf mehr :)
Von: abgemeldet
2014-12-27T08:12:58+00:00 27.12.2014 09:12
Juhhuu es geht weiter. Der Anfang ist echt toll^^

LG^^Alien^^


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