Zum Inhalt der Seite

L - You have changed my World

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Die innere Stimme der Vernunft

Die innere Stimme der Vernunft
 

Die Zeit um sie herum verstrich, Stunde für Stunde, Minute für Minute und Sekunde für Sekunde, in welcher das ausführliche Gespräch zwischen den beiden Männern immer mehr in eine gemeinsame Richtung drängte. Das anfängliche unverhohlene Misstrauen von L wurde nach und nach durch die logischen Argumentationen von Nick auf eine Art Grundverständnis umgelenkt, dass dennoch unbestritten von wachsamen Zweifeln durchsetzt blieb, denn eine in sich schlüssige Erläuterung musste letztendlich nicht vollumfänglich der Wahrheit entsprechen. Manchmal verbarg sich gar hinter dieser einfach nur eine triviale Lüge. Eine weise Erfahrung, die ihm seine langjährige Arbeit als Detektiv auf der ganzen Welt gelehrt hatte und mittlerweile zu einer Art von Lebensversicherung für ihn selbst geworden war. Ja, Ryuzaki konnte zwar die Aussagen seines Gegenübers mehr oder weniger rational nachvollziehen, wobei dies allein durch die sehr bildhafte Schilderung des Anderen auch nicht wirklich schwierig war, aber trotzdem blieben da immer wieder kleine Ungereimtheiten im Raum zurück, die ihn skeptisch aufmerken ließen.

Nick gab unter anderem an, das er wie Zahra ein ehemaliger Student beim BKA in Deutschland gewesen war, jedoch Sie aufgrund seiner Verbindung zu Lina bereits vor ihrer Aufnahme des Studiums kannte, durch welche er viel Zeit in der Wohnung der beiden Freundinnen verbracht hatte. Freilich gestand er ebenso, dass das Verhältnis zwischen ihm und Zahra nie nennenswerte freundschaftliche Züge angenommen hatte, sie allerding eine Form der Akzeptanz wie auch des gegenseitigen Respektes pflegten und somit schlussendlich gut miteinander ausgekommen waren. Im weiteren Verlauf erfuhr der junge Detektiv dann ebenfalls, was genau sich tatsächlich an diesem Morgen bei Zahra Zuhause zugetragen hatte und durch welche unglücklichen Umstände diese verworrene Situation überhaupt so eskalieren konnte, sodass sie nun in dieser verrottenden Bruchbude feststeckten. Die Unterhaltung der Beiden in ihrer Wohnung, die Involvierung von Lina Heise in diesem abstrusen Konstrukt, das seltsame verstörte Verhalten der Brünetten gründend auf einer Warnung per SMS und zu guter Letzt das Auftauchen der verdächtigen SD-Karte, welche demzufolge der Auslöser für den Überfall im Hotel gewesen war. All dies erklärte der markante Europäer Ryuzaki ausführlich, doch wenn dem allen wirklich so war, wieso hatte Nick Zahra nicht bereits eher zu diesem Vorfall kontaktiert, da die Daten folglich schon seit längerem in ihrem Laptop versteckt waren und er nach der Ermordung von Lina Heise bis zu diesem Tag keinen Zugriff darauf gehabt hatte? Waren die sich darauf befindlichen Informationen letztendlich gar nicht so wertvoll oder hatte ihm bloß eine passende Gelegenheit dazu gefehlt, denn immerhin befand sich der Computer seit ihrem Eintritt in die SOKO ausnahmslos bei ihm im Hotel und zudem hatte auch Zahra rückblickend wohl die meiste Zeit in seiner Nähe verbracht. Zudem brachte er gleichfalls zur Sprache, das er die junge Frau seit seiner Ankunft in Japan heimlich beobachtet hatte und um ihre Verwicklung in dem Fall Kira wusste, wodurch er nicht gerade Freudensprünge bei dem Schwarzhaarigen auslöste, sondern damit sein Misstrauen gegen ihn nur noch weiter verschärfte. Trotz dessen schien der Ältere nicht einmal ansatzweise zu ahnen, wem genau er hier wirklich gegenüber saß. Ein glücklicher Zufall oder nur eine meisterliche Leistung der Schauspielerei? L vermochte es im Moment nicht hundertprozentig zu definieren, denn selbst wenn dieser Nick mit absoluter Sicherheit nicht an den Intellekt von Zahra oder ihm heranreichte, so war er dennoch nicht dumm, sondern hatte es bisweilen geschafft über Jahre hinweg unentdeckt im Untergrund zu Leben. Ein Fakt, welcher ihm zeigte wie gefährlich dieser Mann sein konnte. Im Augenblick waren aber genau die Fakten wesentlich interessanter, um welche er bis dato noch keine Kenntnis besessen hatte oder welche er nicht aus den gegebenen Umständen heraus sich selbst zu erschließen im Stande war.

/…Licht umgab mich…Wärme… und der vertraute Geruch von frisch gebrühten Kaffee…Wo war ich? Überrascht horchte ich auf, als das unverkennbare Klimpern von Geschirr in meine Ohren vordrang und schritt vorsichtig in dessen Richtung, während ich mit zusammengekniffenen Augen etwas zu erkennen versuchte. Da waren Schatten, unklare Bewegungen, welche dennoch irgendwo tief in mir etwas berührten und einen schmerzhaften Stich in meinem Herzen zurückließen. Wer war das? Warum hatte ich plötzlich das starke Gefühl diese Person zu kennen? Das zermürbende Gefühl, mich an etwas Wichtiges Erinnern zu müssen? Was war hier los? Bedächtig bewegten sich meine bleiernen Füße weiter auf den eifrig hantierenden Umriss zu, was meinen Puls konstant in neue schwindelerregende Höhen trieb und plötzlich zerstob der milchige Umhang aus blendender Helligkeit direkt vor meinen Augen. Ich erstarrte in der selben Sekunde geschockt zur Salzsäule und in meinem Körper begann sich postwendend alles wie unter einer unerträglichen Folter zusammen zuziehen, während mein Blick einfach nur ungläubig an meinem Gegenüber klebte. „…Guten Morgen…Wurde ja auch langsam mal Zeit, das du aus den Federn kommst…Ich dachte schon, das ich dich mal wieder mit Gewalt von deinem Kissen trennen müsste…“ erklang die fröhliche wohlvertraute Stimme in meinem Kopf, welche von einem spöttischen wie gleichsam amüsierten Grinsen begleitet wurde, aber ich war gerade nicht dazu in der Lage irgendetwas darauf zu erwidern. Mein Herzschlag setzte gleichzeitig für ein paar endlos erscheinende Takte schmerzvoll aus, wie mein Magen eine unaufhaltsame Welle aus übersprudelnder Übelkeit lostrat und meinen Verstand auf eine qualvolle Reise im Schleudergang schickte. Das konnte nicht Wahr sein. Nein. War ich inzwischen tatsächlich verrückt geworden? Oder war ich, ohne das ich etwas davon bemerkt hatte, mittlerweile sogar gestorben? War ich Tod? Ruhelos huschten meine blaugrauen Iriden über die familiäre Silhouette, - unfähig auch nur irgendeine Regung oder einen Laut von mir zu geben, unterdessen mein eingefrorenes Gehirn sich darum bemühte, diese Zusammenkunft in einem rational logischen Gefüge zu verstehen. Das Ganze war schlichtweg unmöglich. Im Gesicht meines Gegenübers rutsche indessen zweifelnd eine Braue nach Oben und besah mich kurz mit einem sichtlich beunruhigtem Blick, ehe diese mit in den Hüften gestemmten Händen zu mir herüber schlenderte. „…Hallo?...Jemand zu Hause dort oben?...“ folgte sogleich die skeptische Nachfrage, während Sie mir scherzhaft mit der Faust gegen die Stirn klopfte, jedoch auch dieses Mal sollte die Person keine Antwort von mir erhalten. Vollkommen entgeistert starrte ich stattdessen unaufhörlich in die mir frech entgegenblinzelnden Augen einer jungen Frau, welchen ich seit gut einem halben Jahr nicht mehr begegnet war und von denen ich glaubte, das ich sie nie wieder in meinem Leben erblicken würde. Ich schaute direkt in das Antlitz meine beste Freundin, - dem einzigen Menschen, welcher für mich den Worten Familie und Freundschaft eine Bedeutung gegeben hatte. Jemanden, den ich für immer verloren geglaubt hatte und dessen Mörder ich bis nach Japan gefolgt war, um diesen für seine Taten zu Rechenschaft zu ziehen. Vor mir stand Lina.

„…Hey Zahra…langsam machst du mir wirklich Angst…Was zum Teufel ist los mit dir?...“ versuchte die junge Frau abermals die Aufmerksamkeit der statutenhaften Brünetten auf sich zu lenken, bevor Sie schlussendlich mit einem begreifenden „…Warte…Jetzt hab ich’s…“ für einem Moment im hinteren Teil der Küche verschwand. „…Komm schon…sag ahhh…ich weiß doch, das ein Junky wie du seine Droge braucht…“ gab Sie anschließend belustigt kund, während Sie mir mit einem Stückchen Schokolade neckend vor der Nase herumwedelte und mich immer wieder mit dieser an zu stupsen begann. Ich konnte einfach nicht begreifen wie das Alles möglich war. Lina war Tod, gestorben durch die Hand eines psychisch kranken Mannes und nun stand Sie hier, - nur eine Handlänge von mir entfernt. Der rationale Teil meines Verstandes war schlichtweg heillos mit dieser Sachlage überfordert und doch viel die lähmende Starre des ersten Schocks allmählich von meinen Gliedern ab, sodass damit das emotional ausgelöste Chaos in meinem Inneren die Oberhand gewann. Kleine salzige Perlen der Trauer, des Schmerzes aber auch eines unendlichen Glücksgefühls suchten sich unaufhaltsam ihren Weg in meine Augen, bis ich den allerletzten Punkt am Abgrund der Realität endlich überwand und Lina ohne Vorwahrung fest in meine Arme schloss. So sehr ich mittlerweile bereits ahnte, ja im Grunde genommen ganz genau wusste, das dies Alles nicht mehr als ein simpler Traum, nur eine schöne Fantasie, geboren aus meinen tiefsten Erinnerungen und Wünschen sein konnte, so sehr fühlte sich diese unerwartete Begegnung aber auch verdammt echt an. Es war einfach so absolut surreal wie ebenso real zur gleichen Zeit. „…Du hast mir so gefehlt Lina…Aber sag mir…Wie kann das sein?...Wie kann es sein das du hier bist, obwohl du doch eigentlich schon vor Monaten…“ flüsterte ich heiser an ihrer Schulter und konnte den Satz einfach nicht zum Abschluss bringen, denn der Gedanke daran verschluckte jede einzelne Silbe in meinem staubtrockenen Mund. Der kurze Anflug von merklicher Überraschung auf dem Gesicht der jungen Frau, verflog jäh mit den klaren Worten von Zahra und Sie erwiderte einfach nur sanft die freundschaftliche Umarmung der Anderen. „...obwohl ich vor Monaten bereist gestorben bin?... Nun ja…Anscheinend wünscht du dir unsere kleinen Gespräche von früher so sehr zurück, das dies bis in dein Unterbewusstsein vorgedrungen ist…“ gab diese erklärend preis und entwand sich ein Stück weit, um mir ein aufmunterndes Lächeln zu schenken. Ja, das war wohl die plausibelste Schlussfolgerung die man daraus ziehen konnte und nichts desto trotz war es ein mehr als seltsames Gefühl jemanden gegenüber zustehen, auf dessen Beerdigung man vor noch gar nicht allzu langer Zeit gewesen war. Ich war verwirrt und ihr Anblick löste Freude wie ebensolchen Kummer bei mir aus, aber was sollte ich jetzt tun? Wie sollte ich mich verhalten? Sollte ich versuchen aufzuwachen und damit die letzte wohlmögliche Chance auf ein Gespräch mit ihr vergeuden, bloß weil es völlig irrational war? Oder mich wie früher mit meiner verstorbenen Freundin an einen Tisch setzten und über all das in Ruhe plaudern, was mich beschäftigte? Beide Optionen waren komplett widersinnig für mich und hinterließen ein beklemmendes Ziehen in meiner Magengegend, denn der Einen war unzweifelhaft mein logischer Verstand mehr als zugetan, welcher mich eindringlich vor den Spuren des Wahnsinns warnte. Zu der Anderen zog mich wiederum unweigerlich meine emotionale Seite, welche die schmerzhaften Zeichen der Erinnerungen und der monatelangen Trauer trug. Für welche sollte ich mich also entscheiden?

Stillschweigend nippte ich vorsichtig an meinem Kaffee und schaute mich abermals memorierend in dem hellen Raum um, in welchen ich nun mit Lina zusammen saß, nachdem ich mich kurzum für ein kleines, wenn auch trügerisches, Stück dieses alten Glücks entschieden hatte. Nichts hatte sich seit meinem Auszug aus unserer gemeinsamen Wohnung in der kleinen Küche verändert, selbst wenn ich nur zu gut wusste, das dieser Umstand ebenfalls auf meinen Erinnerungen gründete. Dennoch war es wie ein wohltuendes Déjà-vu, gleich so, als wären all diese schrecklichen Dingen der vergangenen Monate niemals passiert und das Leben würde wie früher einfach fortbestehen. Meine Tränen waren mittlerweile versiegt und doch war mir fortwährend zum Heulen zumute, wenn ich ernsthaft darüber nachdachte, das ich unvermittelt wieder aus diesen Traum aufwachen könnte. Zurückgerissen in die harte Realität, in eine Welt ohne Lina. „…Mensch Zahra…Jetzt hör endlich auf Trübsal zu blasen…Wie du siehst, bin ich ja jetzt hier…und wenn du wieder aufwachst, wartet da mit Sicherheit schon dein Freund auf dich oder nicht? …“ folgte nach einer Zeit des Schweigens verschwörerisch zwinkernd von ihr, während ich mich bei diesen Worten umgehend an meinem Kaffee verschluckte, sodass ein quälender Hustenkrampf meinen Körper schüttelte, bevor ich mit hochgezogener Braue wie gleichsam perplex zu ihr herüber schielte. Woher wusste Sie das? Hatte diese Lina etwa über all meine Gedanken und Erlebnisse Kenntnis, ganz gleich ob Sie diese noch miterlebt hatte oder nicht, da Sie zu guter Letzt lediglich ein Ausgeburt meiner Fantasie war? Ein kurzer unheilvoller Schauer lief mir bei dieser Vorstellung über den Rücken, denn wenn dem tatsächlich so wäre, dann wusste Sie mit Sicherheit auch von meinen Nächten mit L und das wiederum, ließ mir augenblicklich das Blut in meine Wangen schießen. Ja Sie hatte Recht. Es gab da jemanden, für den ich selbst diese schöne Erinnerung zurücklassen würde und trotzdem missfiel mir die Vorstellung zusehends, das Lina über solch pikante Details Bescheid zu wissen schien. Nicht, das es mir peinlich wäre, aber mache Dinge musste ich nicht mal mit meiner besten Freundin ausdiskutieren. „…Oh verdammt Zahra…Du wirst ja tatsächlich rot…Seit wann kann man dich denn so leicht aus dem Konzept bringen?...Soll ich dir noch ein wenig mehr verraten?...“ erklang ihre amüsiert lachende Stimme in meinen Ohren, während mir für einen winzigen Moment einfach nur verdattert die Kinnlade herunter klappte, ehe ich Sie schleunigst in ihren Ausführungen zu bremsen beschloss. „…Lass das Lina…Das geht dich absolut nichts an verstanden!?...Erzähl mir lieber, warum du Nick damals gedeckt hast, ohne mir davon etwas zu sagen…Hattest du denn gar kein Vertrauen zu mir?...“ gab ich aufgebracht von mir und bereute es auch schon in der selben Sekunde, denn Sie konnte mir diese Frage schlussendlich genauso wenig beantworten, wie ich mir selbst. Diese Lina, war lediglich eine Kopie aus meinen Erinnerungen. Schlagartig verstummt jedoch ihr fröhliches Lachen und eine Maske aus purer Ernsthaftigkeit trat dafür an dessen Stelle, sodass ich mir betreten auf meine Lippen biss. „…Hey tut mir Leid…Ich weiß, das du…“ unternahm ich sofort den Versuch, mich bei ihr zu Entschuldigen, doch ich wurde prompt unwirsch von ihr unterbrochen. „…Schon gut Zahra…Du hast keinen Grund dazu mich um Verzeihung zu bitten…Wir sind doch genau deswegen hier oder nicht?...Um ein wenig Licht in deine verknoteten Gedanken zu bringen, also ist es ok…Hör zu…Ich kann dir zwar nicht hundertprozentig sagen, warum ich damals so gehandelt habe, aber ich habe da so eine Vermutung…“

Lina klang ungewohnt ernst in meinen Ohren, denn normalerweise hatte Sie stets versucht mich ein wenig von meinen Grübeleien abzubringen und die Dinge, welche mich beschäftigten, aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, sodass ich zunächst einfach bloß vollkommen verdattert in ihr Gesicht hinüber starrten konnte. Ja, ich wusste mittlerweile nur zu genau, das Sie nicht wirklich die echte Lina Heise war, welche ich so viele Jahre lang gekannt hatte und trotz alledem überraschte mich diese Seite an meiner Freundin zutiefst. Somit schloss ich für einen Moment besinnend meine blaugrauen Augen und atmete noch einmal tief durch, ehe ich mich entschlossen auf das weitere Gespräch konzentrierte. „…Und welche wäre das?...“ „…Eine die du dir selbst erschließen musst Zahra…“ folgte die knappe Erläuterung zusammen mit einem geheimnisvollen frechen Grinsen von ihr, was meine Braue neuerlich unwillig in die Höhe trieb. Was sollte dieses Spielchen denn jetzt? Wollte Sie tatsächlich Rätsel raten mit mir spielen? Das war doch nicht wirklich ihr Ernst oder? Und für so etwas trieb mich mein Unterbewusstsein in solch eine Situation? Mir war wohl wahrhaft nicht mehr zu helfen. Resigniert ließ ich meinen Kopf kurzerhand auf die Tischplatte sinken, als ich unvermittelt eine warme Hand an der Meinigen spürte, die mich unterstützend festhielt. „…Komm schon Zahra…Seit wann gibt’s du denn so schnell auf?...Denk nach…Warum könnte ich damals so gehandelt haben?...Aus welchen Grund würde ich dir solch eine wichtige Information verheimlichen?...Oder vielleicht besser…Wieso hast du L dein Zusammentreffen mit Nick verheimlicht?...Ihm nicht erzählt was in der SMS gestanden hatte, sondern dich alleine auf die Suche nach der SD-Karte gemacht und sogar in Kauf genommen, das eure heimliche Beziehung innerhalb der Sonderkommission auffliegt?...Warum Zahra?...“ Ihre Worte trafen mich mit einer unvorstellbaren Wucht mitten ins Herz, als ich plötzlich begriff, was Sie mir eigentlich damit vermitteln wollte. In mir zog sich sekundengleich alles wie unter Krämpfen zusammen und das Gespräch mit Nick, wie gleichsam all die vorangegangenen Stunden bis zum Überfall, liefen wie in Zeitlupe nochmals an meinem inneren Auge vorbei, sodass mich die Geschehnisse auf ganzer Line zu überrennen drohten. Ich blickt auf, während meine zitternden Hände sich wie Schraubzwingen um die meiner besten Freundin schlossen und bemerkte erst jetzt, das die heißen Rinnsale des Verständnisses bereits die Dämme der Verleugnung durchbrochen hatten. Es war wahrscheinlich genau so, wie Nick es mir im Vorfeld zu schildern versucht hatte, denn selbst ich hatte nicht anders gehandelt, um die zu beschützen die mir wichtig waren. Aber da war tatsächlich noch mehr, das ich unter dieser direkten Konfrontation und im Vergleich zu meinen eigenen Erfahrungen ausmachen konnte, denn ich selbst hatte Lina einen schweren Vorwurf daraus gemacht, das Sie mich damit hintergangen und mir letzten Endes nicht vertraut hätte, doch ich allein hatte L gegenüber ebenfalls nicht besser gehandelt. Nein, ich hatte dieselben Fehler gemacht wie meine Freundin, ganz gleich aus welchen edlen Motiven diese auch erwachsen waren. Schlussendlich hatte ich den Mann, welchen ich über alles liebte, ebenso „verraten“ wie ich das Gefühl selbst durch Lina erlebt hatte und diese Tatsache lastete unerträglich schwer auf meinem Herzen. Erst jetzt wurde mir richtig bewusst, wie sehr ich Ryuzaki mit meinem Handeln verletzt haben musste und das unter dem Aspekt, das sein Vertrauen in soziale Kontakte ohnehin schon gegen null ging. „…Ich denke du hast es endlich verstanden Zahra…und du kannst aus dieser Erfahrung lernen…Versuche nicht immer mit all deinen Lasten alleine klar zu kommen, sondern beziehe die Menschen um dich herum mit ein…Vertrauen heißt die Wege gemeinsam zu gehen und unangenehme Dinge zuteilen…Niemand auf dieser Welt ist so stark, das er ein ganzen Leben allein auf seinen eigenen Schultern tragen kann…Auch du nicht Zahra…“ ließ Lina mit einem sanften Flüstern verlauten und nahm mich unterdessen tröstend in ihre Arme, was den schweren Kloß in meinem Hals nur noch mächtiger werden ließ. Haltlos schluchzte ich an ihrer Schulter, ohne das Sie auch nur ein Wort darüber verlor, aber das war in diesem Augenblick nicht weiter von Bedeutung, weil allein die Erinnerung an diesen Moment um so vieles Wertvoller war. Ja, genau dieselben Worte und genau dieselben Gestiken, einfach die gesamte Situation hatte ich früher schon einmal mit ihr erlebt und für ein paar wenige Sekunden, fühlte sich diese Umarmung so unvorstellbar echt an, das es mir schier das Herz zerriss. Unvermittelt jedoch, mischten sich mit einmal noch andere Stimmen mit in den Raum und auch diese, waren mir zweifelsfrei nicht unbekannt.

Mit zusammengebissenen Zähnen wischte ich mir beiläufig die nassen Spuren der Erkenntnis aus meinem Gesicht und löste mich nebenher behutsam aus den Armen meiner besten Freundin, bevor ich ihr einen sichtlich irritierten wie gleichsam fragenden Blick zuwarf. Auf Linas Lippen zog sich ein wissendes Schmunzeln, doch hingegen jeglicher Aufforderung von mir, blieb Sie stumm und schaute mir dabei unentwegt in die Augen. Die Stimmen wurden allmählich klarer, verständlicher, bis aus dem bekannten Flüstern nach und nach wohlvertraute Klänge entstanden, welche ich ausnahmslos zwei ganz bestimmten Personen zuordnen konnte. Nick und L. Verwirrt sah ich mich nach allen Seiten sorgfältig um, aber alles was mir dabei begegnete, war das spöttische Lächeln meiner besten Freundin, welche belustigt ihren Kopf zu schütteln begann. Wie konnte das sein? Wieso hörte ich die Stimmen von Nick und L, konnte sie aber nirgendwo entdecken? Fing ich jetzt etwa an, mir auch noch die Beiden einzubilden? Gott, war ich wahrlich schon so Banane im Kopf? Aufmerksam lauschte ich der Unterhaltung zwischen den beiden Männern und für mich hörte sich das Ganz mal wieder verdächtig nach einem von Ryuzakis Verhören an, wobei das Thema selbst, mir ebenso nicht verborgen blieb. Sie sprachen oder sollte ich besser sagen, das Nick dem schwarzhaarigen Detektiven viel mehr Rede und Antwort stand, über die Ereignisse, welche ihm nach dem Verlassen meiner Wohnung an jenem Morgen zugestoßen waren, sodass dieser Umstand demzufolge bloß ein einzige Schlussfolgerung zuließ. Ich bildete mir die Anwesenheit der Zwei absolut nicht ein, sondern mein Verstand begann allmählich zurück in die Realität zu driften, was ebenso bedeutete, das ich mich jetzt abermals von Lina verabschieden musste. Schmerzhaft sackte mir bei dieser Einsicht mein Herz in die Hose und mein Augenmerk richtete sich in selben Moment hilfesuchend wie gleichsam panisch zurück zu meiner Freundin, welche bereits langsam zu verblassen begann. „…Uns bleibt nicht mehr viel Zeit Zahra…Du musst wieder zurück, aber auch wenn ich nicht die echte Lina bin, so bitte ich dich hab Vertrauen…Vertrauen in mich, Vertrauen in Nick, Vertrauen in die Sonderkommision und hab Vertrauen zu L…Zusammen könnt ihr es schaffen…Gemeinsam habt ihr eine Chance euch zu befreien und Kira ein für alle Mal das Handwerk zu legen…Vergiss das nie…“ Linas Stimme wurde leiser und die altvertraute warme Umgebung unserer Küche verschwand genauso schnell, wie sie zuvor gekommen war, sodass ich mich plötzlich abermals in einem Nichts aus Licht wiederfand. Wie unter qualvollen Schmerzen schrie ich auf, rief immer und immer wieder ihren Namen, doch Sie kam nicht mehr zurück. Lina war fort und das nassen Schimmern in meinen blaugrauen Iriden nahm mit jeden Gedanken an Sie abermals weiter zu. Da war noch so vieles, was ich ihr nichts desto trotz hätte sagen wollen, selbst wenn diese Lina nicht die Echte gewesen war, aber ich hatte meine Gelegenheit dazu verpasst und würde sie wahrscheinlich kein zweites Mal erhalten. Andererseits blieb da aber ebenso das warme sanfte Gefühl der Erinnerung in mir, das ich mit zurück in die Realität nehmen würde und ihre bedeutungsschwangeren Worte, die so viel mehr Wahrheit in sich bargen, als ich vermutlich zu begreifen im Stande war. Wehmütig wenn gleich mit einem milden Lächeln auf den Lippen, sah ich noch ein letztes Mal zurück in die Richtung, in welche Lina soeben verschwunden war, bevor ich mich dann mit neuem Mut entschlossen umdrehte und hoch erhoben Hauptes auf die lauter werdenden Stimmen der Wirklichkeit zuschritt. /

Wachsam und prüfend lagen die dunklen Seen des jungen Detektiven auf seinem Gegenüber, während er nüchtern die bisherigen Erläuterungen des Europäers monoton zusammenfasste. „…Also…Sie behaupten demzufolge, das Sie beim Verlassen von Zahras Wohnung, nach dem erfolglosen Versuch ihre Hilfe zu gewinnen, von der Organisation aufgegriffen wurden und diese, nachdem sie die benannte SD-Karte bei ihnen nicht vorfanden, davon ausgegangen sind, das sich diese wahrscheinlich in Zahras Besitz befinden muss…Um Sie jedoch zu schützen, gaben Sie zwar das Versteck, nicht aber dessen Aufenthaltsort preis, da Sie wussten, das sich Ihr Laptop nicht in ihrer Wohnung befand…Daraufhin teilte sich die Männer in zwei Gruppen auf…Die Einen folgte Zahra nach dem Verlassen der Wohnung zum Hotel, die Andere durchsuchte derweilen diese, um sicherzustellen, das Sie sie nicht belogen hatten…Da dies ohne Erfolg blieb, brachte man Sie hierher, von wo aus Sie anschließend eine Warnung per SMS an Zahra versandten…Bleibt für mich dennoch die Frage offen, wieso Sie trotz Gefangennahme ein Handy am Man trugen und warum man Ihnen das nicht abgenommen hatte…Immerhin ist davon auszugehen, das man Sie vorher gründlich gefilzt hat oder etwa nicht?...“ schloss L ungerührt seine Ausführungen und maß Nick mit einem unmissverständlichen misstrauischen Seitenblick. „…Eine berechtigte Frage…Und ja, sie haben mich gründlich Durchsucht…doch wie die Meisten, haben sie sich mit dem Finden eines Handys zufrieden gegeben…Ich habe mir jedoch bereits vor Jahren angewöhnt, immer ein Zweites dabei zu haben…und zwar gut versteckt…“ ließ der Ältere darauf kurzerhand grinsend verlauten und zog dabei langsam seinen Schuh samt Socke aus, sodass ein kleines silbernes Mobilfunkgerät zum Vorschein kam. Angewidert darüber verzog der schwarzhaarige Detektiv unmerklich das Gesicht, als ihm das ausgeschaltete Handy unter die Nase gehalten wurde und dennoch musste er zugeben, das dieser Schachzug gar nicht so dumm gewesen war. Auch wenn diese Art der Vorbereitung keine hundertprozentige Sicherheit versprach und zudem ebenso ziemlich ungemütlich sein musste, so hatte dieser Mann es trotz allem geschafft, seine Angreifer mit diesem kleinen Trick zu täuschen. „…Naja…leider war der Akku fast leer…ich hätte ihn wohl besser vorher noch einmal Aufladen sollen…“ warf Nick im selben Atemzug kleinlaut hinterher, während er sich ein wenig unbeholfen am Kopf kratzte, was die Laune von L abermals ein gutes Stück in den Keller sinken ließ. So viel also zum Thema „Gut Vorbereitet“. Missmutig beobachtete er derweil wortlos, wie der Kurzhaarige das nutzlose Gerät anschließend wieder an seinen Platz verstaute und schielte nebenher forschend hinunter zu der jungen Frau, welche nach wie vor bewusstlos zwischen den Beiden lag. Zahra ging es wahrlich immer schlechter und ihr Fieber stieg mit jeder Minute ein Stückchen höher, was die Dringlichkeit schnellstmöglich einen Ausweg aus dieser Situation zu finden, abermals merklich verschärfte.

„…Wie dem auch sein…Woher sind Sie sich eigentlich so sicher, das man Zahra unter Narkose gestellt hat?...Schließlich lässt sich durch ihr Fieber kein konkreter Rückschluss auf die daraus vermutlich resultierenden Vitalwerte zeihen…“ bohrte Ryuzaki dementsprechend harsch weiter nach und erneut erhielt er von dem Älteren zunächst bloß einen belächelnden Blick, welcher ihm bereits zuvor gehörig gegen den Strich gegangen war. „…Auch da haben Sie Recht…Aber wie ich schon sagte…Ich verfolge und spioniere diesen Verbrecherring nun bereits seit über fünf Jahren aus…Inzwischen weiß ich, wie sie vorgehen und das Töten an sich ist zumeist eine ihrer letzten Optionen…Sie suchen gezielt nach Profilen und betäuben ihre Opfer, um sie hinterher profitbringend weiter zu veräußern…Viele ihrer Kunden sind vermögende Leute in der Gesellschaft…einige darunter sogar weltweit bekannte Gesichter, die sich Menschen zu ihrem Vergnügen auf sogenannten…Schwarzen Auktionen…kaufen…Auch unserer Zahra wäre optisch Gesehen für diese Leute mit Sicherheit kein schlechter Deal…aber ihre Sturheit könnte ihr dort im wahrsten Sinne des Wortes das Genick brechen…“ Die Art und Weise, wie Nick die junge Frau neben sich in diese haarsträubende Story mit ein wob, gefiel dem Detektiven ganz und gar nicht. Um nicht zusagen, es löste eine aufbrodelnde Welle aus Wut in seinem Inneren aus, die umgehend seinen gesamten Körper in Anspannung versetzte, jedoch blieb er wie gewohnt ruhig und versuchte stattdessen die gegeben Fakten mit professioneller Logik anstatt mit seinen unliebsamen Emotionen zu verarbeiten. Ja, auch ihm war um das Bestehen solcher „schwarzen Auktionen“ in dieser Gesellschaft sehr wohl bewusste und doch war es selbst für ihn nahezu unmöglich geblieben, diese Organisation vollständig von dieser Erde zu löschen. Sie waren, so sehr es ihn selbst auch verärgerte, diese Tatsache als der unangefochtene Meisterdetektiv zugeben zu müssen, schlichtweg zu mächtig und zudem auf der ganzen Welt verteilet. Lediglich ein Insider könnte dieser Ring aus Verbrechern irgendetwas anhaben, allerdings würde er dies unbestritten mit seinem Leben bezahlen müssen und diesen Pfand würde mit hoher Wahrscheinlichkeit vielleicht Einer von 100.000.000. Menschen zu zahlen bereit sein. „…Lassen Sie mich raten…Auf dieser SD-Karte, hinter der diese Leute her sind, befinden sich die Namen von Aktionären und/oder dessen Kunden…Ist es nicht so?...Was wollten Sie damit anfangen?...Selbst oder gerade Ihnen müsste doch eigentlich bewusst sein, was für eine Macht solch eine Organisation besitzt…Lediglich ein paar Namen preis zugeben, hätte den selben Effekt, welches ein trotziges Kind erzielt, das ungeachtet jedweder Warnung in einem Ameisenhaufen herumstochert…Ein kurzes Vergnügen, das schmerzhafte, wenn in ihrem Fall nicht sogar tödliche, Folgen hätte…“ lenkte L seine Gedankengänge erneut auf das Wesentliche zurück, wenn gleich sein scharfer Verstand dennoch den minimalen Nutzen solch bestehender Daten zeitgleich durch verschiedene Lösungsansätze zu maximieren versuchte. Abermals erklang das spöttisch angehauchte Lachen von Nick an den Wänden des maroden Zimmers wieder und er handelte sich damit prompt einen erneuten finsteren Blick des Detektiven ein, sodass der Ältere eiligst in seinen Erklärungen fortfuhr. „…Sie unterschätzen mich…Gut…Zugegeben, auf der Karte befinden tatsächlich dergleichen Namen, aber ebenfalls noch etwas sehr viel Wertvolleres…“ meinte dieser sodann geheimnisvoll, was Ryuzaki jedoch nicht einmal mit einer einzigen Silbe würdigte, sondern sich lediglich nachdenklich den Daumen an die Unterlippe legte und weiterhin abwartend zu dem Anderen hinüberstarrte. Es war ganz und gar nicht so, das diese Worte keineswegs irgendein Funke an Interesse bei ihm wachrief, nein, viel mehr erwartete L nur keine sonderlich bemerkenswerten Eröffnungen von diesem Mann.

Minuten des eisernen Schweigens vergingen, in denen Nick auf eine winzige Spur der Veränderung in dieser unleserlichen Mimik des jungen Mannes hoffte, aber es passierte letztendlich nichts, sodass er kurz darauf schließlich resigniert auf gab. „…Also schön…Falls es Sie überhaupt interessiert…neben den Bildern und so einige andere Daten, befindet sich auf der SD- Karte ebenso ein sehr wirksamer Computervirus…Ich habe zusammen mit Lina viele Jahre an diesem gearbeitet und ihn speziell auf die Vernichtung dieses Netzwerkes programmiert…Doch er hat eine ganz bestimmte Schwachstelle, welche ich bisher nicht umgehen konnte…Um ihn wirkungsvoll einsetzten zu können, muss er direkt in die Datenbank der Organisation eingespeist werden…was bedeutet, das ich oder jemand Anderes an einen ihrer Hauptserver gelangen müsste…“ schloss Nick sodann mit einem bestürzten Seufzen und hatte nun offensichtlich das erste Mal wirklich die volle Aufmerksamkeit des Jüngeren, bei welchem er endlich eine winzige, kaum wahrnehmbare, aber dennoch existierende Reaktion ausmachen konnte. L merkte bei diesen neuen Informationen sichtlich auf, denn so etwas hatte er nun wahrlich nicht erwartet. Auch dieser Mensch schien offensichtlich seine Stärken zu haben, aber wieviel waren diese Wert? Wie ausgereift konnte so ein Programm, geschrieben von jemanden wie ihm, am Ende sein? Unterschätzt er ihn zuletzt doch? Ein Gedankengang, der sehr schnell ziemlich gefährlich werden konnte. Gemäß dem Fall, das es ihm tatsächlich gelungen war etwas zu codieren, das dazu imstande war die weltweit übergreifenden Datenbanken dieser Verbrecher unwiderruflich zu vernichten, könnte das durchaus ein nützliches Werkzeug im Kampf gegen solche Verbrecher sein. Jedoch um das mit Sicherheit bestimmen zu können, musste er zunächst erstmal selbst einen Blick auf dessen Matrix werfen. Ryuzaki wollte gerade dazu ansetzten, etwas von seinen Überlegungen bezüglich Nicks Aussagen preis zugeben, als die Beiden plötzlich von einem quälten Aufseufzen der jungen Frau zwischen sich unterbrochen wurden.

Gleichzeitig richtete sich ihre volle Aufmerksamkeit auf Zahra, welche augenscheinlich von unangenehmen Fieberträumen geplagt zu werden schien, sodass Sie sich unruhig von eine Seite auf die Andere warf. Geistesgegenwärtig griff der Schwarzhaarige zu und zwang die Brünette somit ein wenig zur Ruhe, doch lange würden die Methode bei ihr nicht funktionieren, wie er aus bereits gemachten Erfahrungen vorhersagen konnte, sodass in seine dunklen Seen für einen kurzen Moment unübersehbare Sorge aufflammte. „…Es wird immer schlimmer…Zahra muss langsam hier raus und dringend zu einem Arzt…“ sprach Nick die unleugbaren Gedanken beider Männer im Raum aus und besah sich mit ein wenig Abstand die ungewohnte Szenerie, während er von L lediglich ein kurz angebundenes tonloses „…Ja…“ als Antwort erhielt. Der Ältere ahnte mittlerweile, das dort zwischen den Beiden ungleichen Personen vermutlich mehr war, als nur eine simple Bekanntschaft und dennoch behielt er diese Information wohlweißlich für sich. Zahra hatte ihm misstraut und dieser seltsame Typ schien ihm ebenso nicht Recht über den Weg zu trauen, was er den Beiden allerdings unter den gegeben Umständen auch nicht verübelte. Er kannte die Brünette wahrlich lang genug und hatte mehr als bloß eine für ihn unglaubliche Geschichte über Sie von Lina gehört, denn niemand außer ihrer Freundin hatte die gefühlvolle Seite dieser unbestreitbaren Rationalistin gekannt. Nun aber verstand er, was seine Freundin an ihr so gemocht hatte, denn hinter jeder harten Schale steckte ebenso ein weicher verletzlicher Kern, ganz gleich wie gut er auch verborgen sein mochte. Für einen unscheinbaren Moment, beobachte er weiterhin stillschweigend wie gleichsam nachdenklich das mitnehmende Bild, bis er sich schließlich ruckartig umwandte und seinen ganz eigenen Weg zu gehen beschloss. Ryuzaki hielt unterdessen konzentriert die Schultern von Zahra gegen den Boden gedrückt und bemühte sich darum, das aufwallende Chaos in seinem Inneren unter seiner Kontrolle zu behalten, denn dieser Zustand von ihr machte ihm mehr als Unruhig. Es machte ihm beinahe schon Angst, selbst wenn er wusste, das sich diese junge sture Person vor ihm nicht so schnell unterkriegen lassen und vor einer einfachen Krankheit kapitulieren würde, nein, da hatte Sie schon weitaus Schlimmeres überstanden. Aber nichts desto trotz blieb da dieses Gefühl der nagenden Sorge in seinem Herzen, das er vor ihrer Bekanntschaft, vor der Entdeckung einer Emotion namens Liebe in sich, nie in solche einem Umfang erlebt hatte. Bedächtig fühlte er ihre Stirn. Vorsichtig, zaghaft und trotz alledem mit einer so minuziösen Sorgfalt, als könnte er irgendein winziges Detail übersehen, das ihm hinterher zu Verhängnis werden würde. Selbst für ihn war diese Form der Interaktion vollkommen neu und nebenher ebenso mit vielen verwirrenden Gefühlen behaftet, da er sich vor Zahra noch niemals einen Menschen mit so viel Aufmerksamkeit gewidmet hatte. Jemanden in einer schwachen Stunde beizustehen und sich mit ganzen Herzen um ihn zu kümmern, war bisher immer anderen Leuten zugefallen, wobei er um diesen Umstand auch nie wirklich böse gewesen war. Im Gegenteil, es hätte ihm einzig und alleine von seiner Arbeit abgehalten, ganz zu Schweigen davon, das er ohnehin keinen Kontakt zur Außenwelt gepflegt hatte. Aber bei ihr war es etwas ganz anderes, ob er es nun wollte oder nicht. Mit spitzen Fingern zupfte Ryuzaki der jungen Frau eine kleine Strähne ihres durchnässten braunen Haares aus dem Gesicht, das sich gleichmäßig unter ihren schweren Atemzügen hin und her bewegte, als er plötzlich durch das Laute scheppern von Glassplittern aus seinen abdriftenden Gedanken gerissen wurde.

Erschrocken und in allerhöchster Alarmbereitschaft drehte er sich blitzartig in die Richtung, aus welcher das Geräusch unzweifelhaft gekommen war, bevor er dann vollkommen überrascht in seiner Bewegung inne hielt, während sich sein Augenmerk misstrauisch auf die im Fenster hockende Person richtete. „…Was soll das werden?...Sind Sie Lebensmüde?...“ sprach er Nick sogleich verärgert an, denn nicht nur, das er solch einen Unfug gerade überhaupt nicht gebrauchen konnte, es könnte ebenso gut jeden zwielichtigen Typen in diesem Gebäude aufgeschreckt haben, was ihnen demzufolge mit hoher Wahrscheinlichkeit postwendend ziemlich unangenehmen Besuch bescheren würde. „…Keine Sorge…ist nicht das erste Mal, das ich so etwas mache…vielleicht schaffe ich es ja über die Brüstung und kann uns hier raus holen…Sie passen inzwischen auf Zahra auf bis ich zurück bin…Ich denke das hilft ihr mehr, als wenn wir hier noch stundenlang sinnlos herumsitzen und diskutieren…Halten Sie sie einfach warm ok?...“ gab der Ältere mit einem unsicheren Grinsen zurück und verschwand dann ohne ein weiteres Wort vorsichtig hinter dem maroden Fensterrahmen, welcher protestierend unter der schweren Last aufächzte. L war für einen Augenblick einfach bloß wie vor dem Kopf gestoßen und blinzelte perplex zu dem nunmehr leeren zugigen Loch in der Wand, durch welches ihm jetzt ein noch spürbar kälterer Windhauch entgegen spie. Dieser Mann war tatsächlich vollkommen Übergeschnappt und brachte nicht nur sich, sondern auch ihn selbst wie ebenso Zahra in Gefahr, ohne für eine Sekunde darüber nachzudenken. Ein schlicht ausgedrückte riesige Dummheit in seinen Augen und ein völlig unkalkulierbares Risiko noch dazu. So etwas würde er einfach nicht dulden. Finster dreinblicken und entschlossen dazu, diesen Wahnsinnigen mit allen Mitteln von seinen lebensgefährlichen Trip abzuhalten, setzte der junge Detektiv sich postwendend in Bewegung, bis er jedoch unvermittelt in seinem Vorhaben gestoppt wurde, als sich eine heiße zitternde Hand unnachgiebig um die Seine schoss und ihn eisern zurück hielt. Kurz entglitten ihm sämtliche seiner Gesichtszüge und sein Herz rutschte nebenher ohne Verwahrung haltlos in seinen sich zusammenziehenden Magen, sodass er für ein paar Sekunden komplett überrumpelt zu Stein erstarrte, ehe er ruckartig seinen Kopf zu dessen Ursache wandte. Ungläubig und mit einem zeitgleichen Gefühl von größter Sorge wie ebenso unendlicher Erleichterung, schaute er hinunter in die zwei fieberverschleierte blaugraue Iriden, die dennoch so viel Wärme in sich trugen, das es ihm fast den Atem verschlug. Nichts in ihrer Mimik deutete auch bloß ansatzweise auf eine Form von Schmerzen oder Unwohlsein hin, nein, im Gegenteil, Zahra blickte fortwährend zu L hinauf in seine zwei dunklen schwarzen Seen und lächelte ihm einfach nur sanft entgegen.



Fanfic-Anzeigeoptionen
Blättern mit der linken / rechten Pfeiltaste möglich
Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück