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Creepypasta Extra 3: Last Judgement

Die Thule-Verschwörung
von

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Ändere das Schicksal!

Die Kraft, die von Nathaniel ausging, war so enorm, dass es den Soldaten schlagartig das Bewusstsein raubte und einige erstarrten zur Salzsäule und ließen ihre Waffen fallen. Mit einem Male war Ruhe eingekehrt, selbst das Gewitter war verschwunden. Wahrscheinlich hätte dieser Ausbruch noch verheerender werden können, hätte Johnny nicht seine Kräfte mobilisiert und Nathaniel in den Arm genommen, um ihn zu beruhigen. Und tatsächlich wich diese Kraft wieder, die dem Jungen beinahe das Bewusstsein geraubt hatte. Immer noch unter Schock stehend brachte er keinen Ton hervor, sondern weinte nur bitterlich. „Johnny“, schluchzte er schließlich und vergrub sein Gesicht in dessen Schulter. „Sie… sie sind alle…“

„Ja ich weiß“, sagte Johnny traurig und streichelte ihm sanft den Kopf. „Es tut mir wirklich Leid. Ich wollte nicht, dass es dermaßen schrecklich wird. Aber keine Sorge. Wenn ich es schaffe, die nächsten beiden Siegel zu öffnen, kann ich Sally wieder zurückholen. Vertrau mir einfach.“

„Aber dann wirst du sterben.“ Dazu sagte Johnny nichts. Er ließ Nathaniel los und ging weg. Hilflos sah ihm der Junge nach, wohl wissend, was passieren würde. Aber der Schock über den Verlust seiner Freunde saß noch zu tief, sodass er nicht einmal in der Lage war, aufzustehen und ihn aufzuhalten. Stattdessen blieb ihm nichts anderes übrig, als ihn unter Tränen anzuflehen „Nein Johnny, bitte geh nicht! Lass mich nicht alleine!!!“ Aber er blieb nicht stehen, oder kam zu ihm zurück. Er ging zu den immer noch kämpfenden Zwillingen, die sich nach wie vor gar nichts schenkten und aufs Ganze gingen. Beide sahen mitgenommen aus, aber um Christine stand es erheblich schlechter, denn egal wie sehr sie sich auch bemühte, Pristine war immer stärker als sie. Johnny hatte versucht, es vor den anderen zu verbergen, aber er war völlig erschöpft. Wirklich jede Bewegung fühlte sich an, als würden seine Knochen brechen, er bekam kaum Luft und sein Innerstes fühlte sich an, als würde es verbrennen. Diese Kraft, die da in seinem Körper tobte und ausbrechen wollte, war einfach zu stark für ihn und er selbst wusste, dass er nie und nimmer das Öffnen des vierten Siegels überstehen konnte. Wahrscheinlich starb er schon, wenn er allein das dritte Siegel öffnete. Aber er musste es tun, nur so konnte er Sally zurückholen, damit sie ihre Freunde retten und Nathaniel beschützen konnte. Er jedenfalls war nicht mehr in der Lage dazu, so sehr er sich das auch wünschte. Dabei hatte er doch alles so gut geplant gehabt. Alle vier Schlüssel waren in seinem Besitz, genauso wie die Kraft des Buches. Und trotzdem waren alle seine Freunde jetzt tot und er hatte es nicht geschafft, Pristine von diesem Wahnsinn zu befreien. Mal wieder hatte er rein gar nichts schaffen können und musste stattdessen mit ansehen, wie alle um ihn herum starben. Genauso wie damals. Wieso nur hatte er es dieses Mal nicht besser machen können, wo er doch wirklich alles durchdacht und mit eingeplant hatte? Warum nur war er so dermaßen unfähig, andere zu retten? Er hasste sich selbst dafür und umso entschlossener war er, nicht kampflos aufzugeben und wenigstens vor seinem Tode Sally zurückholen. Wenn ihm das gelänge, dann bestand noch Hoffnung, dass Anthony, Thomas, Cedric und die anderen nicht gänzlich verloren waren. Johnnys Hand wanderte zu seiner Jackentasche, wo er das Döschen mit dem Vicodin aufbewahrte. Er öffnete den Verschluss und schluckte den Rest der Tabletten, in der Hoffnung, somit noch wenigstens ein paar Minuten durchhalten zu können. Ein klein wenig begannen die Schmerzmittel zu wirken und das reichte fürs Erste, damit er das dritte Siegel öffnen konnte.
 

„Und als das dritte Siegel geöffnet wurde, hörte ich eine Stimme die rief: Komm! Und ich sah einen Reiter auf einem schwarzen Pferd emporsteigen. In seiner Rechten hielt er eine Waage, während seine Linke alles verderben und verfaulen ließ, was sie berührte. So sprach er, es solle das Weizen in Gold aufgewogen werden und die Gerste in Silber. Und so hinterließ er eine unfruchtbare Ödnis und ausgezehrte Leichen und Gerippe pflasterten seinen Weg.“
 

Beim Öffnen des Siegels durchfuhr Johnny ein weiterer unsagbarer Schmerz und für einen kurzen Augenblick war ihm schwarz vor Augen. Er versuchte Luft zu holen, doch seine Lunge füllte sich erneut mit Blut und er würgte alles unter Krämpfen hervor. Nun komm schon, rief er sich selbst zu. Jetzt stell dich mal nicht so an und öffne das vierte Scheißsiegel! Die ganze Zeit hast du doch stets und ständig eine große Klappe gehabt und brichst dann einfach so kurz vor der Ziellinie zusammen? Wie mies ist das denn? Er biss sich auf die Lippen und versuchte, die letzte Rezitation durchzuführen, doch da versagte ihm die Stimme und er erbrach einen weiteren Blutschwall. Alles in seinem Körper schrie, dass er aufhören sollte. Jeder Muskel, jede einzelne Faser seines Körpers wurde von Krämpfen und Schmerzen gepeinigt, sodass er rein gar nichts mehr wahrnahm. Seine Sicht verschwamm und er hörte kaum noch etwas, da alles wie durch Watte gefiltert klang. Er taumelte benommen, dann versagten ihm die Beine endgültig und er brach zusammen. Bitte nicht, dachte er und vor Verzweiflung kam ihm sogar eine Träne. Bitte jetzt nicht. Warte doch einen Moment, damit ich wenigstens das vierte Siegel öffnen kann. Dann kannst du meinetwegen sterben, aber nicht jetzt, wo du so kurz davor bist. Er wollte wieder aufstehen und weitermachen, aber er war noch nicht mal in der Lage, seine Arme zu bewegen. Sein Körper hatte bereits zu großen Schaden davongetragen und wenn er ein Mensch gewesen wäre, dann wäre er schon gestorben, wenn er allein schon die Kraft eines Schlüssels angewandt hatte, ohne dabei das Siegel zu öffnen. Und jetzt konnte er die Kraft auch nicht mehr zurück auf das Buch übertragen. Dann würde Pristine es für ihre Zwecke missbrauchen und dann wären sie alle umsonst gestorben. Irgendjemand packte ihn am Kragen und zog ihn hoch. Nur unscharf erkannte er die schneeweiße Silhouette seiner leiblichen Mutter. Das war’s, dachte er und seufzte. Jetzt ist es endgültig vorbei. Und ich hab es wieder nicht geschafft. Aber wenigstens würde er das Buch und die Schlüssel mit sich nehmen und dann würde Pristine ihren Plan nicht durchführen können. Er blinzelte und konnte ein klein wenig deutlicher sehen, dass sie ein Messer in ihrer anderen Hand hielt. Sie würde ihm also die Kehle durchschneiden… Na super, dachte Johnny missmutig. Und ich hab noch nicht mal mehr die Kraft, um ihr ins Gesicht zu spucken! Ein bezauberndes aber zugleich abgrundtief falsches und verächtliches Lächeln zeichnete sich auf Pristines Lippen und ihre eisblauen Augen zeugten von einer unmenschlichen Kälte. „Und jetzt wird es Zeit, die unreine Saat auszumerzen.“ Johnny hörte Nathaniel schreien und auch er selbst hätte sich allzu gerne gewehrt, aber selbst die Hand konnte er nicht mehr heben. Er war ihr hilflos ausgeliefert. Pristine hob das Messer und wollte schon zustechen, da erstarrte sie mitten in der Bewegung und ihre Augen weiteten sich. Das Messer glitt aus ihrer Hand und sie ließ Johnny fallen. Stöhnend presste sie eine Hand gegen die Brust und drehte sich zu Christine um, die sich selbst kaum noch auf den Beinen halten konnte. Sie hielt einen ihrer sieben Pfähle fest umklammert, welchen sie sich in die Brust gestoßen hatte. Pristines Augen waren vor Entsetzen geweitet und sie sank in die Knie. „Wa-warum tust du das? Wenn ich sterbe, dann wirst auch du…“

„Ich weiß“, rief Christine und stieß sich den Pfahl erneut in die Brust, wobei sich ihr Gesicht vor Schmerz verzerrte. „Eine Mutter sollte immer bereit sein, solch ein Opfer zu bringen, um ihr Kind zu beschützen. Und Johnny ist dein Fleisch und Blut und mein Sohn!“ Als Johnny das hörte, weiteten sich seine Augen vor Fassungslosigkeit und für einen Moment vergaß er seinen körperlichen Schmerz. Er schaffte es, die Hand nach ihr auszustrecken und rief „Nein Mum, tu das nicht!!“ Doch sie ergriff die Waffe erneut und als sich ihre beiden Blicke trafen, erkannte er, dass es zu spät war, sie jetzt noch aufzuhalten. Ihre Augen waren von Tränen gerötet und trotzdem lächelte sie, als sie sagte „Johnny, ich bin wirklich sehr stolz auf dich und ich werde dich immer lieb haben. Egal was auch passiert.“

„Nein bitte Mum, NEIN!!!“ Ein letztes Mal stieß Christine sich den Pfahl ins Herz und gab damit sich selbst als auch ihrer Schwester den Rest. Nathaniel stand wie betäubt da und sah dieses entsetzliche blutige Schauspiel, was sich ihm bot. Er hörte Johnnys Schreie, wie er nach Christine rief und spürte den unsagbaren Schmerz in seiner Brust. Sein Blick wanderte über das Schlachtfeld und sah all die Toten. Er sah Amara, Vincent und Thomas, die erschossen wurden. Etwas weiter weg lagen die Leichen von Harvey, Chris, Anthony, Cedric und Ezra. Im Zentrum des Schlachtfeldes lagen die beiden Zwillingsschwestern und nicht weit weg davon Johnny, dessen Schluchzen langsam erstarb. Sie alle waren tot… Um Thule aufzuhalten, hatten sie einen hohen Preis bezahlt… einen viel zu hohen. Und Nathaniel war wieder ganz alleine, so wie damals in seinem Keller. Aber dieses Mal war es schlimmer, denn damals hatte er niemanden gehabt, den er hätte verlieren können. Und nun waren all seine Freunde vor seinen Augen gestorben. Warum nur? War es etwa seine Schuld? Hätte er es verhindern können? Um ihn herum wurde es allmählich dunkel und alles um ihn herum schien sich zu drehen. Die Welt um ihn herum rückte in weite Ferne und dann versank die alles um ihn herum vollständig in der Dunkelheit.
 

Wie lange Nathaniel ohne Bewusstsein gewesen war, konnte er nicht sagen. Vielleicht ein paar Minuten, womöglich sogar Stunden oder Tage. Aber er glaubte so etwas wie eine Stimme zu hören, die da zu ihm sprach. Langsam öffnete er die Augen und sah einen riesigen Sternenhimmel, in dessen Zentrum er sich befand. Unter ihm gab es keinen festen Boden, er war völlig schwerelos. Wo war er nur und wie war er hierhergekommen? Konnte es etwa sein, dass er tot war? Ein Kichern hinter ihm ertönte und als er sich umdrehte, sah er einen blonden jungen Mann mit einer schwarzen Kapuzenjacke. Er hatte geringe Ähnlichkeiten mit Anthony, wirkte aber etwas älter und hinzu kam die Tatsache, dass er zwei Schlangen bei sich hatte. Eine schwarze mit roten Augen, die sich um seinen linken Arm gewickelt hatte und eine weiße mit blauen Augen, die sich um seine Schultern schlängelte. „Wer… wer bist du?“ „Ich bin ein Teil von dir, ebenso wie du ein Teil von mir bist. Wir befinden uns in einem Teil der Zwischenwelt, die deine Welt von der anderen, nämlich dem Jenseits abgrenzt.“

„Dann bin ich tot?“

„Nicht direkt, aber ich habe dich trotzdem hierhergeholt, weil ich die Gelegenheit nutzen wollte, um dich mal näher kennen zu lernen. Normalerweise nehme ich ja die Gestalt meiner „Gäste“ an, wenn ich mich schon zeige, aber ich dachte, das würde bei dir zu nur noch mehr Verwirrung führen, also ich hoffe, du bist auch damit zufrieden.“

„Dann ist das nicht deine echte Gestalt?“ Der Mann zuckte mit den Schultern und lächelte. Er hatte irgendwie etwas von Johnny, jedenfalls kam es Nathaniel so vor. „Aussehen und Namen haben hier keinerlei Bedeutung und ich bin schon so lange hier, dass mich weder an das eine, noch an das andere erinnern kann. Aber das ist jetzt auch nicht wichtig. Der Grund, warum ich dich hergeholt habe ist der, dass deine Stimme bis zu mir durchgedrungen ist und ich hörte, dass du großen Kummer hast. Es geht um deine Freunde, nicht wahr?“ Nathaniel ließ den Kopf sinken und nickte stumm. Wieder kamen ihm die Tränen, als er sich an die schrecklichen Szenen erinnerte, als sie starben. „Johnny sagte zwar, dass alle wieder zurückkommen, wenn er das vierte Siegel öffnet und Sally zurückholt, aber er hat es nicht geschafft… und jetzt bin ich wieder ganz alleine.“ Der Mann mit den zwei Schlangen steckte die Hände in die Jackentaschen und sah ihn durch seine katzenhaften Augen an, wobei er ihn aufmerksam musterte. „Jetzt haben wir Johnnys Mum aufhalten können, aber jetzt sind alle tot und das ist nicht fair.“

„Was genau willst du, Nathaniel? Wenn du dir etwa wünschen könntest, was wäre das?“

„Ich will so vieles!“ rief er verzweifelt und rieb sich die Tränen mit dem Ärmel weg. „Ich möchte zusammen mit Anthony die Welt sehen und zusammen mit ihm und Johnny lachen. Ich will Vincent und sogar Thomas wiedersehen, obwohl ich Angst vor ihm habe. Er soll wieder bei seiner Familie sein, ebenso wie Sally. Ich möchte Amara wiedersehen und mich bei Cedric und Ezra bedanken. Und ich will, dass Harvey und Chris endlich wieder glücklich werden.“

„Mit anderen Worten, du willst das Schicksal ändern.“ Schluchzend nickte Nathaniel. Der Mann mit den Schlangen kam auf ihn zu und tätschelte ihm lächelnd den Kopf. „Ich kann dich gut verstehen. Auch ich habe damals, als ich noch gelebt habe, schlimme Dinge miterleben müssen, genauso wie du und Sally… Und auch ich wollte dies nicht akzeptieren, sondern dieses grausame Schicksal ändern. Sag mal Nathaniel, erinnerst du dich daran, wie das Buch mit den sieben Siegeln noch genannt wird?“ Zuerst verstand er die Frage nicht und konnte sich zunächst nicht erinnern, dann aber fiel es ihm wieder ein. „Das Buch des Schicksals, oder?“

„Richtig“, bestätigte der blonde Mann. „Es beinhaltet meine ganze Kraft und hat die Macht, das Ende der Welt einzuläuten, aber auch, um das Schicksal zu beeinflussen. Zum Positiven als auch zum Negativen. Zwar gelang mir dies, aber der Preis dafür war, dass ich mein Leben verlor. Die Schlüssel vertraute ich meinen Kindern und Freunden an in dem festen Glauben, dass diese bei ihnen in besten Händen wären. Als ich starb, hatte ich leider keine Gelegenheit mehr dazu gehabt, die Schlüssel und das Buch mit mir zu nehmen. Aber in einem sind sich sowohl die „höheren Wesen“ als auch die Menschen gleich: Alles, was mal zu einem guten Zweck erschaffen wurde, wird irgendwann als Waffe missbraucht. Es wurde zu einem Druckmittel und zum Objekt der Angst, alle kannten es nur noch als Zerstörungswaffe. Daraufhin kam es zu unzähligen Machtkämpfen und Kriegen um den Besitz des Buches. Als ich noch lebte, war ich in der Lage, Christine und Pristine im Einklang zu halten, doch mit meinem Tod änderte sich das. Die beiden bekämpften sich in unzähligen Kriegen und diese forderten so viele Opfer. Da ich selbst nichts tun konnte, versuchte ich ihnen, eine Botschaft zukommen zu lassen, indem ich Johnny als Mischling zur Welt kommen ließ. Ich wollte ihnen somit klar machen, dass selbst die stärksten Gegensätze zusammengehalten werden müssten, sonst würde das Gleichgewicht gestört werden. Die Mischlinge sind sozusagen die Verbindung, die die Gegenpole in Einklang bringen sollten und ich hoffte, dass Johnny an meiner Stelle schaffen konnte, seine Mutter und seine Tante wieder zusammenzuführen. Aber leider verstand nur Christine meine Botschaft, während Pristine sich in ihrer Überzeugung bestätigt sah, dass alles voneinander streng getrennt bleiben sollte und das auch mit radikalen Mitteln. Also habe ich Johnny hergeholt und ihm die Aufgabe erteilt, das Buch mitsamt den Schlüsseln zu verstecken. Ich dachte, dass dies ausreichen würde. Doch ich täuschte mich erneut in die Menschen und höheren Wesen und musste mit ansehen, wie sie weiterhin ihre Wahnideen verfolgten und sich gegenseitig töteten. Ich selbst war dazu verdammt, hierzubleiben und die Tragödie mit anzusehen. Nun ja, zumindest gelang es mir, Teile meines Selbst abzuspalten und in eurer Welt als Menschen leben zu lassen.“ Dabei wies er mit seinem Blick auf seine beiden Schlangen. „Nekros und Vivus. Leben und Tod. Die Nekromanten und Vivomanten sind ein Teil von mir und sie sollten, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, den weiteren Missbrauch des Buches verhindern.“ Nathaniel brauchte erst einmal eine Weile, um zu verstehen, was das überhaupt bedeutete. „Ich… ich bin du?“

„So ungefähr, genauso wie Sally ein Teil von mir ist. Nur leider hat es Sally nicht geschafft und du bist der Einzige, der übrig geblieben ist. Und da du einen Teil von mir, nämlich alles Positive in dir trägst, wirst du wahrscheinlich der Einzige sein, der in der Lage ist, das Schicksal deiner Freunde zu ändern. Nun frage ich dich, Nathaniel: traust du dir zu, das Schicksal zu ändern?“

„Wie... wie soll ich das anstellen?“

„Wenn ich dich zurückschicke und dir die Chance gebe, diese Tragödie abzuwenden, bevor sie geschieht, wirst du es schaffen, deine Freunde zu retten und Pristine aufzuhalten?“ Als Nathaniel hörte, dass er tatsächlich etwas tun konnte und die Chance bekam, seine Freunde zu retten, rief er sofort „Ja!“ und damit schien der der geheimnisvolle junge Mann zufrieden zu sein. „Also gut“, sagte er schließlich. „Aber dafür verlange ich eine Gegenleistung. Wenn ich dich zurückschicke, wirst du mir das Buch und die Schlüssel überlassen. Immerhin sind diese Dinge ja mein Eigentum und sie haben schon zu viel Schaden angerichtet, als dass ich sie in den Händen solch unerfahrener Kinder lassen kann.“ Natürlich war Nathaniel sofort einverstanden und damit kam der Mann mit den Schlangen langsam auf ihn zu. „Gut, dann denke ich, dass es langsam Zeit ist. Und vergiss nicht Nathaniel, das ist die einzige Chance, die ich dir geben kann. Ändere das Schicksal und mach die Tragödie ungeschehen. Aber denk dran: du darfst niemandem erzählen, dass ich dich zurückgeschickt habe. Sonst wird es ein noch viel schlimmeres Unglück geben, weil du dadurch sehr viel durcheinanderbringen wirst.“

„Okay, ich werde mein Bestes geben. Aber… wie soll ich mich bei dir bedanken, wenn ich nicht mal deinen Namen kenne?“

„Du kannst mich nennen, wie du willst.“

„Dann sag ich mal Danke, Eli!“ Er musste schmunzeln, als er diesen Namen hörte und lachte amüsiert darüber. „Ich wünsch dir viel Glück. Gib dein Bestes!“ Irgendeine Kraft, die vergleichbar mit einer Art Sog war, zog Nathaniel zurück in die Dunkelheit und mit einem Male wurde er von einer tiefen Müdigkeit ergriffen. Obwohl er sich dagegen wehrte, fielen ihm schon nach wenigen Sekunden die Augen zu und erneut schwand sein Bewusstsein.
 

Als Nathaniel wieder zu sich kam, hörte er Stimmen und war sich zunächst nicht sicher, was hier vor sich ging und wo er war. Aber als er den Blick durch die Runde schweifen ließ, erkannte er, dass sie alle noch zusammen waren. Sie befanden sich in einem langen Gang vor einer Stahltür, die von jemandem bewacht wurde. Und sofort erkannte Nathaniel Ezra wieder. Ja richtig, er hatte Thomas angegriffen und wollte sie davon abhalten, zu Johnny zu kommen. Christine starrte ihn verdutzt an und fragte „Du?“

„Kennst du ihn?“ fragte Vincent unsicher und ging ein paar Schritte zurück, um Thomas und Christine das Feld zu überlassen. „Das will ich mal meinen“, antwortete Christine und verschränkte die Arme. „Er hat früher zusammen mit mir und Johnny die Widerstandstruppe gegen Pristine angeführt. Unter anderem wollte er seinen kleinen Bruder und die anderen Mischlinge vor der Hinrichtung retten.“

„Das stimmt, aber inzwischen lebe ich unter dem Namen Ezra Trigger mit meinem kleinen Bruder zusammen und unterstütze ihn bei seiner Arbeit. Aber nun haben wir andere wichtige Dinge zu klären, nämlich die Befreiung der Mischlinge aus den Instituten und dafür zu sorgen, dass Johnny seine Pläne durchführen kann. Und deshalb kann ich euch nicht zu ihm lassen.“

„Warum? Was hat er vor?“

„Keine Ahnung.“

„Und wieso sollst du verhindern, dass wir zu Johnny und Pristine kommen?“

„Keine Ahnung.“ Die gleichen Worte, als wäre das ein unheimliches Deja-vu. Nathaniel beobachtete das Gespräch und wie Cedric in Chris’ geklonten Körper hinzukam. Wirklich alles, was die anderen sagten, war haargenau das Gleiche, was sie vorher schon gesagt hatten. Gerade als Christine Ezra die Leviten lesen wollte, wandte sich Nathaniel an Sally, da er sich nicht sicher war, was er den anderen sagen sollte und ob sie ihm glauben würden. Er zupfte an ihrem Ärmel, damit sie ihn bemerkte. „Sally, du musst mir jetzt genau zuhören. Etwas ganz Schlimmes wird nachher passieren und alle werden sterben, wenn wir es nicht verhindern.“ Zuerst war er sich nicht sicher, ob Sally ihm wirklich glauben würde, aber sie war doch auch ein Mensch mit übersinnlichen Fähigkeiten und vielleicht hatte er ja Glück und sie glaubte ihm. „Hast du so etwas wie eine Vorahnung?“ Da Nathaniel sich sehr gut daran erinnerte, dass er nichts über Eli und seinen Deal mit ihm sagen sollte, entschied er sich, es tatsächlich wie eine Vorahnung aussehen zu lassen. Er konnte es doch auf seine Gabe schieben, das war zumindest eine gute Lösung. „Ja. Wenn Ezra und Cedric sich uns gleich anschließen werden, wird uns eine Gruppe Maskierter angreifen und wenn du alleine zurückbleibst, wird Pristine dich für immer verschwinden lassen. Und die anderen werden alle erschossen. Glaubst du mir?“ Sally schien sich noch unsicher zu sein, aber als sie dann zu den anderen schaute und hörte, wie Cedric sich entschloss, mit den anderen mitzugehen und Johnny zu helfen, da schien sie überzeugt zu sein. Als die Gruppe gerade losgehen wollte, rief sie „Wartet mal bitte“, woraufhin alle stehen blieben und sich zu ihr und Nathaniel umdrehten. „Was ist los, Sally? Wir verlieren noch wertvolle Zeit, wenn wir…“

„Ihr werdet diese Zeit aber aufbringen müssen, wenn wir nicht alle sterben wollen!“ Thomas runzelte leicht die Stirn und fragte „Was ist los?“ Auch die anderen ahnten nichts Gutes und sahen einander beunruhigt an, während Christine eher neugierig als besorgt war. Sally warf Nathaniel einen kurzen Blick zu, um zu signalisieren, dass sie besser die Sache erklärte. Ihm war das nur recht, weil er sowieso wahrscheinlich nicht die richtigen Worte finden konnte. „Nathaniel hatte gerade so etwas wie eine Vorahnung gehabt und hat quasi vorausgesehen, dass wir alle sterben werden. Ich weiß, dass das ein wenig verrückt klingt, aber er hat vor wenigen Augenblicken noch gesagt, dass Cedric und Ezra sich uns anschließen werden und kurz darauf ist es tatsächlich eingetroffen.“

„Das heißt also, wir erleben so etwas wie Final Destination?“ fragte Cedric etwas irritiert und wandte sich an Ezra, aber auch der schien überfragt zu sein. „Von so etwas hab ich noch nie gehört.“ „Für mich klingt das eher nach den Fantasien eines Kindes“, erklärte Thomas kurz und bündig und damit schien das Thema für ihn beendet zu sein. Die Angst ergriff Nathaniel, als ihm klar wurde, dass keiner ihm wirklich glaubte. Wieso nur nahm ihn denn niemand Ernst? Na weil ich eben nur ein dummes und naives Kind bin, dachte er betrübt und ließ den Kopf hängen. Doch da hörte er plötzlich Elis Stimme, die zu ihm sprach. „Keine Sorge Kleiner, du wirst es schon schaffen, du brauchst einfach nur Selbstvertrauen!“ Sein Blick wanderte zu Sally und er glaubte zuerst, nicht richtig zu sehen, als doch tatsächlich eine Art Schatten in Form einer Schlange um Sallys Arm zu sehen war. Ein Schatten mit roten Augen. Das war doch Elis Schlange Nekros. Und auch um seine Hand hatte sich eine kleine weiße Schlange gewickelt. Das war doch Vivus. „Also ich denke, dass wir das nicht unterschätzen sollten“, sagte Christine schließlich und legte eine Hand auf Nathaniels Schulter. „Es ist für Vivomanten nicht unüblich, solche Visionen zu haben, wenn tatsächlich etwas Schlimmes bevorsteht. Wenn Nathaniel gesehen hat, dass wir alle sterben werden, dann sollten wir auf ihn hören. Also dann schieß mal los: Was wird passieren?“ Nathaniel kamen fast wieder die Tränen als er hörte, dass Christine ihm glaubte und ihn unterstützte. Das war seine Chance und so erzählte er von seiner „Vision“. Angefangen von Ezras erstem Tod, über die Armee von Soldaten auf dem Platz, wie alle nacheinander erschossen wurden und wie Christine Selbstmord beging, um Johnny zu retten. Auch was Sally passieren würde und dass Johnnys Plan fehlschlagen würde. Er bemühte sich, so detailliert und überzeugend wie möglich zu erzählen und tatsächlich schien es Wirkung zu zeigen. Zumindest machten Harvey, Sally, Cedric und Vincent den Eindruck, als würden sie ihm glauben. Thomas hingegen schien noch hin und hergerissen zu sein, während sich Anthonys und Ezras Gesichtsausdruck gar nicht deuten ließ. Schließlich, als Nathaniel zu Ende erzählt hatte, kehrte einen kurzen Moment lang Schweigen ein, bis Cedric schließlich seufzte, sich am Kopf kratzte und dann an Ezra wandte. „Wenn der Kleine wirklich eine solche Vision hat und sie auch tatsächlich eintreffen wird, müssen wir umdenken. Auf jeden Fall scheint es wichtig zu sein, dass wir Sally bei uns in der Gruppe behalten und dafür sorgen, dass Chris und Harvey in Sicherheit gebracht werden. Wenn ihr wollt, könnte ich euch einen Plan anbieten, wie wir am effektivsten vorgehen und dabei die von Nathaniel genannten Todesfallen bekämpfen können.“ Da sie immer einen guten Plan gebrauchen konnten, waren sie bereit, sich Cedrics Vorschlag anzuhören, da er auch den Eindruck machte, als sei er ein intelligenter Kopf. „Also da die Gefahr besteht, dass die eher Schwächeren unter uns ins Visier geraten, schlage ich vor, dass ich in meinen richtigen Körper zurückwechsle und Chris in diesen hier transferiere. Ich bringe ihn gemeinsam mit Harvey weg und werde euch unterstützen, wenn ich meinen Körper in Sicherheit gebracht habe. Wenn ihr in den Hof kommt, wird Sally mit Christine zum Rundumschlag ausholen, während sich Anthony, Vincent und Nathaniel auf den Weg zu Johnny machen. Ihr bekommt von Ezra und Thomas Rückendeckung, sollte Pristine euch Ärger machen. Ich hab außerdem einen alten Freund von Ezra und mir verständigt, der sich um die Verletzten kümmern wird. Eneos ist Spezialist für solche Dinge und sollte Johnny in ernsthaften Schwierigkeiten stecken, wird er ihn schon wieder zusammenflicken. Aber niemand spielt den Helden, okay? Wenn es zu heikel wird, werden wir uns wieder versammeln und gemeinsam zum Schlag ausholen. Wenn das unsere einzige Chance ist, Johnny zu retten und seine verrückte Mutter aufzuhalten, dann sollten wir sie nutzen.“ Jeder war einverstanden und so trennten sich Cedric und Harvey vom Rest der Gruppe, während die anderen sich gemeinsam auf den Weg machen. Nathaniel, der kaum Schritt halten konnte, wurde von Christine begleitet, die nach hinten alles absichern sollte. Sie klopfte ihm auf die Schulter und zwinkerte ihm zu. „Wenn du beim nächsten Mal so eine Offenbarung hast, dann wende dich gleich an mich, okay? Das alles als eine Art Vorsehung zu tarnen, war übrigens clever von dir.“

„Dann hast du vorhin gelogen?“

„Jep.“

„Und warum?“

„Na weil ich mir schon dachte, dass du nicht mit der Sprache rausrücken kannst, aus welchen Gründen auch immer. Und außerdem hab ich deinen kleinen Freund bereits bemerkt.“ Mit einem wohl wissenden Lächeln deutete sie auf die kleine weiße Schlange an Nathaniels Arm, welche offenbar nur sie beide sehen konnten. „Ich weiß zwar nicht, was er dir gesagt oder gezeigt hat, aber dass er dir geholfen hat, spricht dafür, dass die Sache sehr ernst ist und du unsere Hilfe noch brauchen wirst. Deshalb vertraue ich dir auch.“

„Eli sagte, wenn ich euch die Wahrheit sage, wird etwas Schlimmes passieren.“

„Okay, dann frag ich nicht weiter nach. Aber das Tolle ist ja, dass Johnny ja auch durch deine Augen sehen kann und das bedeutet, dass er jetzt auch Bescheid weiß. Wenn er nicht gerade eine absolute Riesendummheit macht, wird es ihm schon gut gehen.“ Christines Selbstsicherheit machte Nathaniel Mut und er war froh, dass sie auf seiner Seite war. Vielleicht würde es ihm tatsächlich gelingen, seine Freunde zu retten. Aber trotzdem blieb die Angst, dass er vielleicht doch versagen könnte. „Aber eines musst du mir noch erzählen: Was verlangt Eli von dir?“

„Er will das Buch mitsamt den Schlüsseln zurück.“

„Hm, das ist vielleicht wirklich das Beste für alle. Im Grunde gehören sie ihm ja auch und wenn Pristine oder ich sie besitzen würden, würde wahrscheinlich nicht viel Gutes dabei herumkommen. Und Johnny wäre ohne diese Dinge auch besser dran.“

„Sag mal Christine, wer ist Eli eigentlich?“ Hieraufhin musste Christine kichern, wobei Nathaniel nicht so ganz verstand, was so lustig war. Schließlich aber erklärte sie „Eli ist unser Vater.“ Das konnte sich Nathaniel nicht so wirklich vorstellen, aber andererseits war Johnny vom Äußeren her auch nicht viel älter als Christine und war wie ihr eigener Sohn aufgezogen worden. Sie alle waren äußerlich noch sehr jung für ihr Alter, nur Harvey war der einzig Normale in der ganzen Gruppe. Aber dass Eli ausgerechnet der Vater von Christine und Pristine war, musste ja bedeuten, dass er der Großvater von Johnny war. „Wieso ist er denn gestorben und was ist damals passiert?“

„Nun, er hatte auch so etwas wie eine „Vorahnung“, genauso wie du. Und dabei hat er all seine Freunde und auch seine Familie verloren. Also beschloss er, dieses Schicksal zu ändern und opferte dabei sein Leben. Da unsere Mutter bereits während unserer Geburt verstarb, waren wir quasi auf uns allein gestellt.“ Irgendwie ließ Nathaniel das Gefühl nicht los, als wüsste Christine bereits, dass er und Eli nicht bloß Vorahnungen hatten, sondern sozusagen die Zeit zurückgedreht wurde. Aber wie sollte sie das denn wissen? „Sag mal Christine, weißt du etwa, was wirklich passiert ist?“ Wieder musste sie lachen. „Nun, Pristine mag ja die Stärkere sein, aber ich war schon immer die Klügere von uns beiden und wusste, was unser Vater für Pläne hatte. Auch die Sache mit Johnny hatte ich sofort durchschaut. Ich mag zwar nicht den Anschein erwecken, aber ich habe immer zu ihm aufgesehen und mich bemüht, ihn zu verstehen und mich nach seinen Ansichten zu richten. Ich habe ihn immer bewundert, weil er so vieles wusste. Er kannte die Entstehungsgeschichte um unseren Kult und war als Einziger in der Lage, Positives und Negatives in Einklang zu bringen.“ Schließlich bogen sie um die Ecke und Nathaniel erinnerte sich noch an die verborgene Schussanlage. Doch dieses Mal war es nicht Ezra, der vorauslief, sondern Anthony. Panik überkam Nathaniel, denn er wusste, dass er schnell reagieren musste, bevor noch ein Unglück geschah. „Warte!“ rief er und streckte die Hand aus, um Anthony festzuhalten, doch er erreichte ihn nicht.



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