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One on one

Oneshot-Sammlung
von

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Zwischenmenschliche Inkompetenz

Takao ist sich noch nicht sicher, was er von seiner momentanen Situation halten soll. Es ist alles etwas abstrus und merkwürdig und surreal. Zunächst einmal muss er Shin-chan heute nicht mit dem Fahrrad durch die Gegend kutschieren. Das allein ist so seltsam, dass er es eigentlich in seinen Kalender eintragen sollte. Und dann ist da noch die Sache mit dem Date. Das offiziell natürlich keins ist.
 

»Wir gehen zusammen hin. Aber wir gehen nicht zusammen hin, nur damit wir uns verstehen. Ich will nur nicht ohne Begleitung gehen.«
 

Das waren Shin-chans Worte. Und weil Takao ein treuer Hund ist und außerdem in seinen Teamkollegen verknallt, was der Gott sei Dank nicht weiß, ist er also mitgegangen. Auf diese komische Gala-Sache, wo wichtige junge Sport-Newcomer ausgezeichnet werden und natürlich ist die Generation der Wunder eingeladen. Mit Partnern. Shin-chan wollte nichts davon wissen, sich ein hübsches Mädchen auszusuchen, das er für einen Abend mit dorthin nehmen kann, und er hat Takao befohlen sich einen Anzug zu besorgen und mit ihm die Gala zu besuchen. Takao hat die Augen verdreht und eigentlich hätte er gern nein gesagt, weil er der Meinung ist, dass man Shin-chan öfter mal nein sagen sollte…
 

Aber er ist eindeutig nicht besonders gut darin, das in die Tat umzusetzen. Tja.
 

Jetzt hockt er in einem ziemlich chicen Auto, von dem er gern wüsste, wie Shin-chan es organisiert hat. Sein Teamkollege sitzt ihm gegenüber, sie tragen beide schwarze Anzüge und Shin-chan hat sich ausnahmsweise mal nicht die Finger mit Tape verbunden. Auch das muss eine Premiere sein. Wenn er heute Abend nach Hause kommt, kann er erst mal ein paar Notizen darüber machen, wie wunderlich dieser Tag war.
 

»Kommen deine alten Kollegen auch alle?«, will Takao wissen und sieht Shin-chan interessiert an. Der blickt ihn durch seine Brille hindurch mit der üblichen Herablassung an und schnaubt.

»Akashi hat abgesagt, weil es ihm zu langweilig ist. Murasakibara kommt mit großer Wahrscheinlichkeit ohne Begleitung und nur für den Dessertteil des Buffets. Kise kommt garantiert. Und Aomine… ich weiß nicht, ob Momoi-san ihn überreden kann hinzugehen…«
 

Shin-chan sieht nicht begeistert aus. Takao schmunzelt amüsiert und schaut aus dem Fenster des Autos, um draußen die Lichter der abendlichen Stadt vorbeiziehen zu sehen. Er hat keine Ahnung, was ihn erwartet, aber er hat Spaß daran, dass Shin-chan Kuroko mit Absicht nicht aufgezählt hat, weil er immer noch sauer wegen des letzten Unentschieden ist und außerdem… ja. Außerdem sieht Shin-chan im Anzug ziemlich umwerfend aus. Eigentlich kann der Abend gar nicht so übel werden, wie Shin-chan tut. Takao hat befunden, dass der andere ja auch hätte absagen können, wenn er all das so albern und überflüssig findet, aber wer weiß, vielleicht hofft er doch heimlich darauf, dass er einen Preis bekommt. Das bringt Takao zum Grinsen und er bemerkt, dass Shin-chan ihn misstrauisch von der Seite beäugt. Aber er ist selbstredend darüber erhaben nachzufragen, was los ist.
 

Der Abend kann ja noch heiter werden.
 

Als sie endlich ankommen, staunt Takao nicht schlecht. Das Gebäude ist bunt beleuchtet und es ist tatsächlich ein roter Teppich ausgelegt. Wow. So viel Luxus ist ihm noch nie untergekommen und ehrlich gesagt überfordert es ihn auch ein wenig. Er kann sich zwar am Tisch benehmen, aber wie man sich auf so einer pompösen Gala verhält, weiß er nicht wirklich. Nun, mehr als Shin-chan blamieren kann er nicht und das fände er letztendlich auch nicht so tragisch. Sein Ego kann ja hin und wieder mal einen kleinen Dämpfer gebrauchen.

»Versuch nicht allzu blöd auf den Fotos auszusehen«, sagt Shin-chan, bevor er aus dem Auto aussteigt, sich seine Krawatte richtet und dann Takao voran über den roten Teppich schreitet, als wären sie eigentlich gar nicht zusammen hier. Na gut. Wenn Shin-chan sich auch weiterhin wie ein Volltrottel benehmen will, dann soll das sein Problem sein, nicht Takaos.
 

Er stopft seine Hände in die Hosentaschen seines Anzugs und folgt seinem Teamkollegen. Es sind ausgesprochen viele Sportreporter da, die sich sofort auf Shin-chan stürzen und ihm Mikros ins Gesicht drücken. Takao bleibt nicht bei der Traube stehen, sondern geht daran vorbei. Da sie ja nicht zusammen da sind, muss er auch nicht dauernd auf seinen Freund warten.
 

Er zeigt seine Einladung bei der Einlasskontrolle vor und folgt dann ein paar Anzugträgern in einen ziemlich großen Saal, der mit kleinen runden Tischen, einem großen Buffet und einer Bühne ausgestattet ist. Es sind schon einige Leute da, aber bei weitem nicht so viele, wie insgesamt kommen sollen, soweit Takao weiß. Aber gut, Shin-chan hat diesen Pünktlichkeitstrip, der von ihm verlangt, dass er überall mindestens eine Viertelstunde zu früh eintrifft.
 

»Möchten Sie ein Begrüßungsgetränk?«, wird er höflich von der Seite angesprochen. Takao lächelt die hübsche Kellnerin freundlich an, nickt und nimmt sich ein Glas von dem Tablett. Als sie weg ist, riecht er daran und fragt sich, ob in diesem Zeug wohl Alkohol drin ist. Aber gut, selbst wenn. Ein Glas wird ihn schon nicht umbringen. Das Zeug schmeckt ziemlich gut und Takao fragt sich gerade, ob es wohl eine festgelegte Tischordnung gibt, da betritt Shin-chan den Saal. Dank seines Falkenauges hat er kein Problem, das zu bemerken und er tut so, als hätte er den anderen nicht gesehen. Wenn Shin-chan ein Arsch sein will, bitte sehr. Er kann das auch.
 

»Du warst weg«, ertönt eine kalte und recht empörte Stimme neben ihm, als er sich über einen der Tische beugt, um zu sehen, ob es Tischkarten gibt. Es gibt keine.

»Du warst zuerst weg«, gibt Takao unbeeindruckt zurück, zieht sich den Stuhl zurecht und setzt sich hin. Es ist noch niemand da, den er kennt. Wenn Aomine auftaucht, dann sicher zu spät. Seirin kommt garantiert geschlossen, da ist er sich sicher. Und wer wusste schon, ob dieser Kise auf dem Weg hierher nicht von einem Schwarm kreischender Fans aufgehalten wird.
 

»Wieso sitzt du hier?«, fragt Shin-chan steif und schiebt sich die Brille hoch. Es ist ungewohnt ihn ohne die eingewickelten Finger zu sehen. Takao hat ein geheimes Ding für Shintarous Finger. Sie sind so lang und schlank und weich und manchmal, wenn es dunkel draußen ist, und er allein mit seinen Gedanken im Bett liegt, dann stellt er sich vor, wie diese Finger ihn anfassen. Oder wie er diese Finger in den Mund nimmt. Jetzt allerdings ist nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber nachzugrübeln, denn sonst hat er garantiert schnell ein Problem in der Hose und das wäre super peinlich.
 

»Weil ich keinen Bock hab zu stehen und es keine Sitzordnung gibt«, erklärt Takao unbekümmert und lässt die Augen durch den großen Raum schweifen. Er kommt sich im Anzug sehr verkleidet vor und fühlt sich in Sportklamotten doch am wohlsten. Aber gut, einen Abend lang wird er es aushalten. Und das Schöne ist, dass Shin-chan auch einen Anzug trägt und Takao ihn so für ein paar Stunden bewundern kann. In den Farben von Shutoku sieht Shin-chan nämlich aus wie eine Karotte. Bei aller Liebe.
 

»Möchten Sie ein Begrüßungsgetränk?«, ertönt die Stimme der netten Kellnerin neben Shin-chan. Takao zwinkert ihr zu und sie lächelt verlegen. Shin-chan hebt die Brauen, aber Takao ignoriert ihn. Wenn er schon hier ist, kann er auch Spaß haben. Nur weil sein Teamkollege so eine Spaßbremse ist, heißt das nicht, dass er sich nicht amüsieren kann.

»Nein, danke«, sagt Shin-chan gebieterisch und setzt sich dann neben Takao.
 

»Was war das gerade?«, will er ungnädig wissen und sieht Takao durch seine Brille hindurch streng an. Takao zuckt mit den Schultern.

»Was soll’s gewesen sein? Ich hab der hübschen Kellnerin zugezwinkert«, sagt er unbeeindruckt. Er ist immun gegen Shin-chans Blicke. So viele Stunden mit dem anderen haben sich halt bezahlt gemacht.
 

»Aha. Das ist also dein Typ«, sagt Shin-chan und schiebt sich erneut die Brille hoch. Er verfällt in gekränktes Schweigen, wahrscheinlich, weil Takao ihm nicht seine ungeteilte, platonische Aufmerksamkeit zukommen lässt. Damit wird er wohl leben müssen.

»Ich hab keinen festen Typ«, informiert Takao Shin-chan. Manchmal redet er gern über solche Themen, weil der andere jedes Mal deutlich unbehaglich dreinschaut. Wahrscheinlich ist Shin-chan einfach super prüde. Solche Leute zu piesacken kann sehr viel Spaß machen.
 

»Yo, Takao! Midorima.«
 

Takao schaut hoch zu den fragwürdigen Augenbrauen von Kagami Taiga, der eine Hand in die Hosentasche gestopft und die andere zum Gruß erhoben hat. Neben ihm steht Kuroko, den die meisten vermutlich nicht wahrnehmen, aber Takao hat damit ja bekanntlich keine Probleme. Shin-chan versteift sich unweigerlich und sieht grimmig aus. Er und Kagami können sich angiften wie sie wollen, aber Takao weiß, dass sie sich gegenseitig respektieren.
 

»Hey, Kuroko! Kagami! Wie sieht’s aus?«, sagt Takao und wedelt mit seiner Hand in Richtung der freien Stühle. Kagami wirft Shin-chan einen finsteren Blick zu, folgt dann aber Kuroko, der sich bereits einen Stuhl zurecht zieht, und der hübschen Kellnerin von vorhin ein Begrüßungsgetränk abnimmt, bevor er auch Kagami eins in die Hand drückt, der noch dabei ist, sich mit seinem Rivalen ein Blickduell zu liefern. Wessen Halsschlagader platzt zuerst, ist die Frage. Takao würde Kuroko gern eine Wette diesbezüglich anbieten, aber vermutlich erwürgt Shin-chan ihn dann und spricht den Rest des Abends nicht mehr mit ihm.
 

»Gut, danke«, sagt Kuroko höflich und ein wenig monoton, so wie er beinahe immer spricht. Takao kann ihn ziemlich gut leiden, auch wenn er in ihm eindeutig einen seiner größten Rivalen sieht. Aber Kuroko ist einfach zu nett und ehrlich gesagt auch zu niedlich, als dass Takao ihm das irgendwie übel nehmen könnte, dass er so gut Basketball spielt. Im Team. Mit Kagami. Hin und wieder ist er auf die offensichtlich gute Beziehung der beiden ein wenig neidisch. Wieso hat er gerade so ein unumgängliches Mitglied der Generation der Wunder abbekommen? Und nicht so jemanden wie Kuroko oder Kise? Das wird er Shin-chan lieber nicht sagen. Immerhin hat er sich ja trotz aller Unmöglichkeiten, die Shin-chan schon von ihm verlangt hat, in seinen Teamkollegen verknallt. Die Götter wissen, wie das passieren konnte. Takao jedenfalls hat keinen blassen Schimmer.
 

»Sonst scheint noch keiner da zu sein«, brummt Kagami und leert sein Glas recht unelegant in einem Zug. An Shin-chans Schläfe pulsiert eine Ader. Takao beobachtet, wie seine Augenbraue wütend zuckt. Mal sehen, wie lange er es mit Kagami an einem Tisch aushält, ohne ihn zu beleidigen.

»Deine Auffassungsgabe ist genauso beeindruckend wie immer«, spottet Shin-chan. Takao seufzt. Nicht mal drei Sekunden hat sein Freund es geschafft. Es ist beinahe ein wenig traurig.

»Pass mal auf, du Armleuchter–«
 

»Kagami-kun.«
 

Kuroko drückt Kagami seine flache Hand ins Gesicht und Kagami gibt ein paar erstickte Laute von sich, dann lässt er sich in seinem Stuhl zurücksinken und grunzt empört, ehe er die Arme verschränkt und bemüht überall hinsieht, außer zu Shin-chan. Der schaut beinahe ein bisschen enttäuscht aus, dass sein Wortgefecht mit Kagami vereitelt wurde.
 

»Oi! Midorimacchi! Kurokocchi! Kagamicchi!«
 

Der Muskel, der über Shin-chans Schläfe zuckt, macht den Anschein, als würde er gleich reißen. Takao sieht darüber hinweg, dass Kise ihn nicht explizit begrüßt. Wahrscheinlich hat er seinen Namen vergessen. Takao schaut hoch zu ihm und sieht ihn strahlend zu Kuroko hinunter blicken, mit einem sehr hübschen Mädchen an seinem Arm, das aussieht, als könnte es das Glück mit Kise auszugehen gar nicht fassen. Sie trägt ein recht aufsehenerregendes rotes Kleid und passt damit farblich zu Kises Krawatte und der Blume in seinem Knopfloch. Alles sehr geschmackvoll.
 

»Rutscht doch mal ein Stück, wir ziehen noch zwei Stühle ran!«, sagte Kise bestens gelaunt und Takao denkt, er sollte Shin-chan doch dringend eines dieser Begrüßungsgetränke zur Beruhigung besorgen, doch als die Bedienung das nächste Mal vorbei kommt, nimmt sein Freund tatsächlich gleich zwei der Gläser vom Tablett und nimmt einen großen Schluck.
 

»Das hier ist Yukiko-san. Yukiko-san, das sind–«
 

»Ich versteh immer noch nicht, was wir hier eigentlich wollen, Satsuki. Außerdem ist dein Kleid lächerlich tief ausgeschnitten. Meine Fresse. Hast du noch was Größeres vor heute?«
 

Takao fährt sich kurz durch die Haare. Er ist sich nicht sicher, ob er den Abend mit all diesen anstrengenden Figuren überleben kann und er ist ziemlich hart im Nehmen. Immerhin verbringt er jeden Tag Stunden mit Midorima. Da Takao aufmerksamer ist, als die meisten Leute, fällt ihm sofort auf, dass Aomine Kises Begleitung abfällig mustert und dass Kise sehr konzentriert strahlt und Yukiko-sans Hand festhält, als hinge sein Leben davon ab. Kuroko sieht wie immer höflich-gleichgültig aus und Kagamis Gesichtsausdruck verspricht Zeter und Mordio, als er Aomine entdeckt.
 

»Ich hol mir noch was zu trinken«, murmelt Takao. Er ist sich sicher, dass es gleich zu einer Massenprügelei an diesem Tisch kommt und er will wirklich nicht mittendrin stecken. Die Generation der Wunder wird immer anstrengender, je mehr man von ihnen auf einem Haufen hat und vier sind eindeutig zu viel des Guten. Am Buffet gibt es zwei große Schalen mit Bowle. Ob sie alkoholisch ist oder nicht, kann er nicht wirklich erkennen. Sie sieht süß und klebrig aus und es gibt nichts anderes Trinkbares zur Selbstbedienung, also gießt er sich mit einer Kelle etwas davon ein und lehnt sich neben dem Buffettisch an die Wand.
 

»Kann ich Ihnen noch etwas bringen?«, piepst eine schüchterne Stimme neben ihm und Takao sieht die Kellnerin von vorher, die mit leicht geröteten Wangen und einem leeren Tablett neben ihm steht und ihn von unten herauf anlächelt. Ah, Mädchen sind so toll, denkt Takao mit einem leisen Seufzen. Zu blöd, dass ich mich in einem arroganten Eisschrank mit Horoskoptick und Kontrollzwang verknallt habe.

»Nein, danke. Aber ich würd gern wissen, was in der Bowle drin ist«, sagt er grinsend und denkt gerade darüber nach, dass seine Verknalltheit ja nichts damit zu tun hat, ob er mit einem hübschen Mädchen flirten kann, als eine forsche Stimme ertönt:

»Takao! Was treibst du hier? Ich dachte, du wolltest dir was zu trinken holen!«
 

Shin-chan sieht nicht begeistert aus. Er wirft der Kellnerin einen mörderischen Blick zu, was sie zur Flucht veranlasst, und stemmt die Hände in die Hüften. Takao seufzt leise. Er hat eindeutig kein Privatleben mehr, denn Midorima ist immer da. Irgendwo will er immer irgendetwas. Zu jeder Tages- und Nachtzeit.

»Hab ich«, entgegnet er und hält seinen Becher hoch. »Ich wollte bloß nicht zurück an den Tisch. Nachdem Aomine aufgetaucht ist, wurde es doch ein wenig eng.«
 

Shin-chan schiebt seine Brille nach oben und sieht immer noch sauer aus. Er wirft einen Blick auf Takaos Getränk.

»Was ist das?«, will er misstrauisch wissen.

»Das wollte ich gerade in Erfahrung bringen, als du die Kellnerin verjagt hast«, gibt Takao zurück und zieht seine Augenbrauen hoch.

»Ich habe sie nicht verjagt«, sagt Midorima steif und wendet den Blick ab. Takao hat ein wenig Mitleid mit ihm, weil er einfach wahnsinnig schlecht im Umgang mit Menschen ist. Nicht, dass er darauf Wert legen würde, besser darin zu sein… darüber ist Midorima Shintarou erhaben. Aber manchmal stellt sich Takao sein Leben doch ein wenig einsam vor. Immerhin, es ist besser geworden, seit er gelernt hat Teamplay zu schätzen.
 

»Es ist Obst drin. Schmeckt süß und klebrig. Probier mal«, sagt er versöhnlich und hält Shin-chan den Becher hin. Sein Freund beäugt den Becher, als wäre er sich nicht sicher, was für Pläne Takao verfolgt, doch dann greift er danach und ihre Finger berühren sich für eine Sekunde. Takao spürt, wie sein Herz anfängt zu stottern und sein Hals ganz trocken wird. Midorimas Hände sind seine Achillesferse. Wenn es jemals zu intimem Kontakt zwischen ihnen käme, was er dann alles damit tun könnte…
 

»Bist du sicher, dass da kein Alkohol drin ist?«, meint Shin-chan und runzelt die Stirn. Takao zuckt mit den Schultern.

»Selbst wenn. Es steht hier öffentlich rum und ich überlebe den Abend nicht, wenn ich weiterhin all die Liebesdramen und kitschigen Blicke um mich herum ertragen muss…«
 

Shin-chan sieht vollkommen verwirrt aus.
 

»Was meinst du?«
 

Er stellt sich tatsächlich neben Takao an die Wand und Takao ist sehr beeindruckt, dass er sich dazu herablässt. Sie reden richtig miteinander. Beinahe wie normale Menschen.

»Also, Kise hat seine hübsche Begleitung offensichtlich nur mitgebracht, um Aomine auf die Palme zu bringen. Der wiederum ist nur da, um zu gucken, mit wem Kise da ist, auch wenn er so tut, als hätte Momoi-san ihn mitgeschleift. Kagami und Kuroko wirken so, als würden sie sich lieber irgendwo in einer dunklen Ecke die Klamotten vom Leib reißen, und wenn ich mich nicht irre, hat Momoi-san ihren tiefen Ausschnitt angezogen, um Riko-san zu provozieren, die da hinten links irgendwo bei Hyuga und Kiyoshi steht und empört dreinschaut. Manchmal ist es wirklich anstrengend, immer alles zu sehen«, leiert er resigniert herunter.
 

Shin-chan sieht vollkommen perplex aus. Es ist ein seltener Anblick, aber all diese sozialen Verstrickungen sind offenbar zu viel für ihn. Shin-chan mag unglaublich talentiert und intelligent sein, aber was zwischenmenschliche Beziehungen angeht, ist er stumpfer als ein Holzschwert.

»Kise und Aomine sind doch nicht… Kuroko und Kagami?«

Takao sieht, wie Kagami Aomine am Kragen packt und wie Kuroko und Momoi-san bemüht sind, die beiden auseinander zu zerren. Kise ist dem Gesicht seiner Yukiko-san so nahe, dass sie womöglich gleich anfangen zu knutschen, was Aomine nur noch mehr zur Weißglut bringt.
 

»Gib’s auf, Shin-chan. Du magst gut im Basketball sein, aber mit Menschen hast du’s einfach nicht drauf«, sagt Takao lässig und nimmt sich einen neuen Becher mit Bowle, da Shin-chan offenbar keinerlei Ambitionen hegt, ihm seinen zurückzugeben.

Takaos Bemerkung bringt Shin-chan dazu, sich zu versteifen, seine Brille hochzuschieben und eisern zu schweigen. Man kann halt nicht alles können, denkt sich Takao, und er ist dankbar, als Leute auf die Bühne treten, um den Beginn der Gala anzukündigen.
 

*
 

»Shin-chan, wieso sind wir immer noch hier?«, stöhnt Takao und stützt entnervt sein Kinn in seine Handinnenfläche. Er hat noch drei Gläser Bowle getrunken und ist sich mittlerweile sicher, dass Alkohol darin ist, aber ohne Alkohol lässt sich diese Veranstaltung auch nicht ertragen. Es werde unheimlich langweilige Vorträge über die Bedeutung des Basketballs in Japan gehalten, wichtige Leute vorgestellt, die Spiele und Turniere organisieren, und mindestens hundert Dankes- und Lobesreden herunter gerattert.
 

»Weil der Preis noch nicht verliehen wurde«, erklärt Shin-chan und nippt an seinem Glas Bowle. Er hat rote Wangen und glasige Augen und eine erstaunliche hohe Toleranz für all diesen Humbug, den Takao sich hier seit zwei Stunden anhören muss, nur weil Midorima nicht allein kommen wollte. Was er für Opfer bringt, unglaublich. Als würde Shutoku irgendeinen Preis gewinnen. Das ist doch lächerlich. Aber immerhin: Shin-chan ist offenbar angetrunken. Takao findet das spannend.
 

»Aber der Preis ist doch total egal! Wenn ich Kise noch länger beim Fummeln mit Yukiko zusehen muss, dann kriege ich die Krise«, mault Takao und fährt sich entnervt durch die Haare. Shin-chan scheint ein neu erwachtes Interesse an sozialen Interaktionen gefunden zu haben, denn er beobachtet Kise und Yukiko eingehend dabei, wie sie an der gegenüberliegenden Wand des Saals stehen und miteinander kuscheln und lachen.

»Ich glaube, du hast Recht«, verkündet Shin-chan schließlich und Takao hebt die Brauen. So einen Satz hört man für gewöhnlich nicht von seinem Freund. Noch eine Premiere für seinen Kalender.
 

»Natürlich hab ich Recht. Aber wow, Shin-chan, dass du das offen zugibst… ich fasse es nicht!«

Shin-chan sieht ihn vorwurfsvoll an.

»Du bist schlecht gelaunt«, stellt er fest. Takao schnaubt.

»Ja, kein Wunder. Es ist total langweilig und alle sind wahnsinnig. Ich warte nur drauf, dass Aomine Kise aufs Klo schleift und ihm da die Klamotten runter reißt.«
 

Midorimas Gesicht wird noch ein wenig röter und Takao lacht beinahe laut auf, aber er ist doch zu mies drauf, um sich davon aufheitern zu lassen.

»Ich bin nicht so sozial inkompetent, wie du denkst«, informiert Shin-chan ihn und klingt beleidigt.

»Ach?«, gibt Takao zurück und starrt gelangweilt hoch zur Bühne, wo gerade irgendein Sportreporter für seine Arbeiten über Basketball ausgezeichnet wird.
 

»Ich merke, wenn du schlecht drauf bist.«
 

»Shin-chan… das ist auch kein Kunstwerk. Ich habe mindestens zehn Mal gesagt, dass ich genervt bin.«
 

»Ich hätte es auch gemerkt, wenn du es nicht gesagt hättest!«
 

»Ja, weil ich mir keine Mühe gebe, es zu verstecken.«
 

Daraufhin schweigt sein Freund beleidigt und Takao seufzt. Er beschließt, sich noch etwas Sushi vom Buffet zu holen und kann sein Glück kaum fassen, als endlich der eigentlich wichtige Preis angekündigt wird. Weil Shin-chan nicht unbedingt die beste Partygesellschaft ist, ist Takao froh, als er Kagami und Kuroko am Buffet trifft und sich mit den beiden ein wenig unterhalten kann. Kagami sieht aus, als hätte er auch schon einiges an Bowle getrunken.
 

»…für überragende Leistungen im Basketball…«
 

»…unerwartete Newcomer dieser Saison…«
 

»…geht an die Mannschaft von Seirin!«
 

Kagami und Kuroko sehen verwirrt aus, irgendwo weiter hinten hört man Riko-san jubeln und ihre Spieler mit einstimmen. Takao schiebt Kagami und Kuroko in Richtung Bühne, weil sie offenbar zu verwirrt sind, um selbst den Weg dorthin zu finden.
 

»Herzlichen Glückwunsch«, sagt er ehrlich und nimmt es ihnen kein bisschen übel, dass sie diesen Preis bekommen habe. Takao findet, sie haben es verdient. Er ist kein schlechter Verlierer – zumindest meistens – und er kann Kuroko und seine Teamkollegen gut leiden. Schlimmer wäre es gewesen, wenn der Preis an Aomine und seine arroganten Teamkollegen gegangen wäre. Nein, danke. Takao kann Aomine nicht besonders gut leiden, auch wenn der Typ gut Basketball spielt. Das macht seinen schlechten Charakter einfach nicht wett.
 

Er beobachtet schmunzelnd, wie Seirin den Preis verliehen bekommt und wie Riko-san Momoi-san die Zunge rausstreckt und sein Falkenauge sieht, wie Aomine wutschnaubend zu Kise und seiner Begleiterin hinüber stapft, nun offenbar explodiert vor lauter Eifersucht und Empörung über Kises Verhalten. Er unterhält sich nett mit Kasamatsu von Kaijou, den er ebenfalls gut leiden kann und der genauso genervt ist, wie Takao. Nebenbei isst er Sushi mit Thunfisch.
 

»Ich glaube, jetzt geht endlich die richtige Feier los«, meint Kasamatsu und lässt seinen Blick durch die chic gekleidete Menge streifen. Eine Band betritt die Bühne und Takao beobachtet, wie Aomine Kise in Richtung Toiletten schleift.

»Mir war nicht klar, dass die noch richtig feiern wollen. Hast du Lust zu tanzen?«, fragt er frei weg und Kasamatsu sieht einen Moment lang verwirrt und etwas verlegen aus, dann grinst er.

»Ok, von mir aus«, sagt Kasamatsu tatsächlich und Takao ist überrascht, dass es ihm nichts ausmacht. Es ist ja nicht so, als würde Takao irgendwas von ihm wollen. Aber wenn er schon zu so einer blöden Veranstaltung geht, dann kann er sich auch amüsieren. Also mischt er sich mit dem Kapitän von Kaijou unter die Leute.
 

»Bist du nicht mit Midorima hier?«, erkundigt sich Kasamatsu, der erstaunlich gut tanzen kann. Takao ist sehr bemüht, ihm nicht dauernd auf die Füße zu treten.

»Ja, schon. Aber wir sind nicht zusammen hier, wie er sich ausgedrückt hat. Er ist auch nicht so der Hit auf Partys, muss ich sagen«, erklärt Takao bereitwillig und ein wenig enttäuscht, dass er niemals mit Shin-chan tanzen wird, weil Shin-chan das erstens unter seiner Würde hält, er zweitens eine Spaßbremse ist, und drittens nichts von Takao wissen will. Außer, dass der ihn überall hin kutschiert. Es ist wirklich traurig.
 

»Aber du wärst schon gern mit ihm zusammen hier, oder?«, hakt Kasamatsu nach und Takao spürt, wie er ein wenig rot wird. Aber gut, er hat sich nie viel Mühe gegeben, seine Zuneigung zu verstecken. Also was macht es schon, wenn Kasamatsu es weiß.

»Ja, schon. Aber ich bin eben realistisch.«
 

Kasamatsu nickt verstehend und schaut hinüber in die Richtung, in der Midorima vermutlich immer noch allein und brütend an dem kleinen runden Tisch sitzt und darüber empört ist, dass Seirin den begehrten Preis gewonnen hat.
 

»Takao.«
 

Takao dreht den Kopf und schaut hoch in Shin-chans Gesicht. Sein Freund wankt ein wenig auf der Stelle, aber er sieht ausgesprochen entschlossen aus. Als er versucht, seine Brille hochzuschieben, verfehlt er sie zweimal.
 

»Shin-chan, hey«, sagt Takao schmunzelnd und stellt fest, dass Midorimas feindseliger Blick irgendwie nicht so recht wirkt, wenn er Alkohol getrunken hat.

»Was machst du da?«, will Midorima wissen und deutet auf Kasamatsu, als wäre er das ekligste Insekt, das er je gesehen hat. Takao zuckt mit den Schultern, während Kasamatsu sich von ihm löst und aussieht als würde er nicht wissen, ob er lachen oder die Flucht ergreifen soll.

»Ich tanze. Sieht man doch«, sagt Takao unbekümmert und protestiert lauthals, als Shin-chan ihn einfach am Handgelenk packt und von der Tanzfläche schleift. Takao hätte Kasamatsu noch etwas Entschuldigendes zugerufen, aber er hat Müh und Not mit Midorimas Schlangenlinien Schritt zu halten, die er quer durch den Saal läuft.
 

»Shin-chan, was soll das denn!«
 

»Du bist mit mir hier!«
 

»Du hast gesagt, wir sind nicht zusammen hier!«
 

»Das heißt ja nicht, dass du alles anbaggern darfst, was zwei Beine hat!«
 

»Ich kann baggern, wo ich will! Das geht dich überhaupt nichts an! Und jetzt lass mich los«, sagt Takao verärgert. Shin-chan mag ja daran gewöhnt sein, dass Takao alles tut, was er sagt, aber das hier geht doch eindeutig zu weit. Sein Freund ringt offenbar um Worte, etwas, das Takao bei ihm noch nie gesehen hat, aber er lässt Takao los und bleibt auf der Stelle wankend stehen.
 

»Und du solltest wirklich keine Bowle mehr trinken«, sagt Takao säuerlich und verschränkt die Arme vor der Brust. Midorima schnaubt. Als wäre er gegen Alkohol immun, obwohl Takao weiß, dass er noch nie auch nur einen Tropfen angerührt hat.
 

»Ich trinke so viel Bowle, wie ich will«, informiert Shin-chan ihn deutlich lallend und es wäre witzig, wenn Takao nicht so sauer wäre.

»Schön, dann mach doch, was du willst, aber lass mich in Frieden«, mault Takao ungehalten und es ist das erste Mal, dass er es auch so meint. Er muss sich wirklich nicht auf so eine Veranstaltung schleifen lassen, nur um dann als Punchingball herzuhalten, wenn Shin-chan sich vernachlässigt fühlt. Takao hat auch mal das Recht auf ein wenig Spaß.
 

Zum dritten Mal lässt er Shin-chan stehen und wandert ziellos durch den Saal. Überrascht stellt er fest, dass Yukiko-san jetzt mit dem unheimlichen Kapitän von Touou tanzt und dabei ausgesprochen glücklich aussieht.

»Die Herrentoilette solltest du meiden«, ertönt eine monotone Stimme neben ihm und Takao ist immer noch so sauer auf Midorima gewesen, dass er Kuroko ausnahmsweise einmal nicht gehört hat.
 

»Ah, Kuroko. Wieso sollte ich das Klo meiden?«, will Takao verwirrt wissen und schaut hinunter in die ausdruckslosen Augen seines Rivalen.

»Kise-kun und Aomine-kun sind ziemlich laut dabei sich anzuschreien und gleichzeitig die Kleider vom Leib zu zerren«, erklärt Kuroko sachlich, so als wäre nichts Seltsames dabei. Er hätte genauso gut erklären können, was das Buffet heut Abend alles hergibt. Takao weiß nicht, ob er rot anlaufen oder lachen will.
 

»Ah, ok. Ich dachte mir schon, dass das zwischen den beiden heute Abend noch eskaliert«, entgegnet er und steckt seine Hände in die Hosentaschen. Kuroko nickt leicht, als hätte er ebenfalls nichts anderes erwartet.

»Ich warte schon seit Jahren darauf, dass sie sich endlich zusammen reißen. Aber was will man machen, Aomine-kun ist nun einmal ein ignoranter Holzkopf.«
 

Wenn Kuroko Leute beleidigt, klingt es auch nicht leidenschaftlicher als eine Wegbeschreibung.

»Und wie ist es mit dir und Midorima-kun?«, fragt Kuroko höflich und schaut unschuldig hoch zu Takao. Takao grummelt leise vor sich hin und starrt einen Moment hoch zur Decke, die mit ziemlich teuer aussehenden Kronleuchtern behängt ist.

»Was soll schon sein. Er ist ein arroganter Mistsack und hat zu viel Bowle getrunken. Andere Neuigkeiten gibt es nicht«, erklärt Takao ungehalten und hält sich mit viel Selbstdisziplin davon ab, sein Falkenauge einzusetzen und so herauszubekommen, wo Shin-chan sich gerade herumtreibt.
 

»Ach so«, sagt Kuroko, als hätte er auch hierbei nichts anderes erwartet. »Midorima-kun ist beinahe so ein ignoranter Holzkopf wie Aomine-kun.«

Takao schnaubt lachend und nickt grimmig. Ja, das ist er in der Tat. Er hätte zu Kaijou gehen sollen, um dort mit Kasamatsu und Kise zu spielen. Das hätte ihm wahrscheinlich viel Stress erspart.

»Aber ich glaube, er weiß dich sehr zu schätzen. Er kann es nur nicht so gut zeigen«, fährt Kuroko sachlich fort und treibt Takao die Hitze ins Gesicht.
 

»Nichts für ungut, Kuroko, aber ich glaube, was das angeht, sind deine Beobachtungen nicht so gut wie beim Basketball«, antwortet Takao und fährt mit der Schuhspitze auf dem Fußboden herum. Hätte er sich nicht in irgendwen anders verknallen können?
 

»Wenn du meinst. Entschuldige mich, ich glaube, Kagami-kun ist auf dem Weg zum Klo. Ich sollte ihn aufhalten, bevor noch ein Unglück passiert«, sagt Kuroko mit einem höflichen Nicken und verschwindet dann unauffällig zwischen ein paar Menschen, um seinem Teamkollegen zu folgen und mit großer Wahrscheinlichkeit eine Prügelei zwischen Aomine und Kagami zu verhindern.
 

Takao denkt darüber nach, noch irgendwas zu essen, einfach nur, um etwas zu tun zu haben, aber da wird er schon wieder angesprochen.

»Oi, Takao«, murmelt Kasamatsu ihm im Vorbeigehen zu, »ich glaube, du bist gefragt.«

Er deutet über Takaos Schulter und Takao dreht sich um. Ach du lieber…
 

Shin-chan hat offensichtlich nicht auf Takao gehört und eindeutig noch mehr Bowle getrunken. Jetzt steht er vor der Bühne und hat sein Jackett ausgezogen und ist wankend dabei ein paar verängstigt aussehenden Reportern zu zeigen, wie man einen anständigen Dreipunkter wirft. Allerdings kann er kaum noch allein stehen und seine Brille ist ihm ziemlich weit die Nase runtergerutscht. Takao sieht mehrere Kameras in Shin-chans Richtung blitzen und er grummelt leise, bevor er beschließt, dass er Midorima als sein einziger Freund nicht so auflaufen lassen kann. Also stapft er hinüber zu ihm.
 

»Hey, Shin-chan, ich glaube, wir sollten gehen«, sagt er und lächelt den Reportern entschuldigend zu.

»Hier, nimm dein Jackett. Ok… ich nehme dein Jackett. Hier lang.«

Takao legt sich Midorimas Arm über die Schultern und manövriert seinen Teamkollegen durch die tuschelnde Menge. Na hervorragend. Ausgezeichnete Publicity für Shutoku, soviel steht fest. Mitglied der Generation der Wunder Midorima Shintarou belästigt sturzbetrunken Reporter auf einer Sportgala.
 

»Diese Stümper haben alle keine Ahnung von Basketball«, lallt Shin-chan frustriert und Takao hat große Mühe, nicht mit ihm zu stolpern. Shin-chan ist doch um einiges größer und schwerer als er selbst und die Fähigkeit allein zu gehen scheint ihn verlassen zu haben.

»Takao«, nuschelt Shin-chan undeutlich und Takao wirft ihm einen Seitenblick zu. Die Tatsache, dass er Shin-chans Hand festhält, während er ihn stützt, bringt sein Herz dazu aufgeregt zu flattern.
 

»Ja?«, gibt er angestrengt zurück und versucht mit seinem freien Arm nach einem Taxi zu winken. Die frische Luft tut ihm gut, aber Shin-chans Zustand scheint sie nur noch zu verschlimmern.

»Du riechst gut«, informiert Midorima ihn und dann vergräbt er tatsächlich sein Gesicht an Takaos Halsbeuge. Ihm wird heiß und kalt zugleich und er schluckt schwer. Shin-chan ist betrunken, ermahnt er sich, und starrt bemüht geradeaus, um sich auf die vorbeifahrenden Taxen zu konzentrieren.
 

»Shin-chan, du bist betrunken«, sagt er leise. Sein Freund schnaubt verächtlich gegen Takaos Hals und Takao bekommt eine Gänsehaut, als der Atem des anderen seine nackte Haut streift.

»Na und? Du warst weg. Obwohl du mit mir da warst. Das habe ich nicht gestattet«, erklärt Midorima und er würde gebieterischer klingen, wenn er nicht so arg lallen würde. Takao seufzt erleichtert, als ein Taxi vor ihnen hält und er Shin-chan mit Müh und Not auf den Rücksitz befördern kann, bevor er selbst hinterher steigt und dem Taxifahrer die Adresse nennt. Er kann dann mit dem Fahrrad heimfahren, nachdem er Shin-chan abgeliefert hat. Mittlerweile merkt er vom Alkohol nichts mehr. Dunkel und etwas benommen von Shin-chans Kommentar über seinen Geruch, fragt er sich, ob Kuroko es geschafft hat, Kagami vom Klo fernzuhalten.
 

»Es ist irrlev… ilrev… irrelevant, ob ich nicht gut mit Menschen umgehen kann«, verkündet Shin-chan aus heiterem Himmel heraus und Takao ist zunächst ein wenig verwirrt, aber dann fällt ihm ein, was er zu Shin-chan neben dem Buffet gesagt hat. Das scheint seinen Freund nachhaltig beschäftigt zu haben, denn er versucht nun Takao streng anzusehen. Seine Brille steht ihm dabei nicht mehr zur Verfügung, weil sie ganz unten auf seiner Nasenspitze sitzt. Takao ist sich sicher, dass Midorima ihn nur schemenhaft erkennen kann, deswegen streckt er die Hand aus und schiebt vorsichtig die Brille des anderen nach oben. Shin-chan blinzelt mit glasigen Augen.
 

»Ja, wahrscheinlich hast du Recht. Man kann eben nicht alles können«, meint Takao schulterzuckend und ist sich nicht sicher, ob er bereit für ein Streitgespräch mit dem betrunkenen Midorima ist. Sein Gehirn kreiselt immer noch über Shin-chans Bemerkung und das Gefühl von seinem Gesicht an Takaos Hals.
 

»Ich kann mit Menschen umgehen«, beharrt Shin-chan. Takao grummelt leise und starrt nicht minder beharrlich aus dem Fenster.

»Ich kann mit dir umgehen«, sagt Shin-chan im Brustton der Überzeugung. Herrje. Er ist nicht zu stoppen.

»Wenn du das sagst«, gibt Takao unverbindlich zurück und fragt sich, wie lang diese Strecke sein kann. Er möchte aussteigen und nach Hause fahren und in sein Bett kriechen und nie wieder mit Midorima irgendwohin gehen.
 

»Es ist ziemlich heiß hier drin«, sagt Shin-chan nuschelnd und Takao schaut zu ihm hinüber, um sicherzugehen, dass er sich nicht gleich übergeben muss. Aber stattdessen bekommt er Stilaugen, weil Shin-chan seine Krawatte lockert und sich unstet zu Takao herüber beugt.

»Das liegt bestimmt an dir«, erklärt Shin-chan und seine Brille rutscht ihm schon wieder die Nase herunter. Takao starrt ihn ganze zehn Sekunden lang an. Dann fängt er an zu lachen.
 

Midorima Shintarou hat ihn gerade angegraben. Betrunken. Mit einem der billigsten Sprüche, die Takao je gehört hat. Seine Augen tränen vor Lachen und er hat keine Zeit Shin-chan zu bemitleiden, der knallrot im Gesicht ist und beleidigt die Arme verschränkt hat, während seine Krawatte auf halb acht hängt.
 

»Ich sag’s ja«, keucht Takao lachend und wischt sich die Lachtränen von den Wangen, »keinerlei Ahnung, wie man mit Menschen umgeht.«

Der Taxifahrer tut ihm ziemlich Leid, weil er zwei so komische Gestalten transportieren muss, aber Takao hat heute Abend schon zu viel Mist erlebt, als dass er sich noch dafür entschuldigen könnte.
 

»Wir sind da«, verkündet Takao immer noch matt glucksend. Er muss schon ziemlich fertig mit den Nerven sein, wenn er einen Anmachversuch von Midorima Shintarou übersteht, ohne einen Herzinfarkt zu bekommen. Aber Verknalltheit hin oder her, er muss ja nicht dankbar für alles sein und diese Szene war einfach zu witzig und abstrus, als dass er nicht darüber hätte lachen können.
 

Er zahlt dem Taxifahrer aus Shin-chans Portemonnaie ein dickes Trinkgeld und hievt seinen Freund dann aus dem Wagen.

»Ab ins Bett«, keucht er angestrengt, denn Shin-chan ist immer noch nicht leichter geworden und wankt nach der Autofahrt nicht weniger als vorher.

»Nur, wenn du mitkommst«, lallt Shin-chan undeutlich und Takao verflucht seinen Freund und seine Gefühle und den Alkohol und die Zusage, auf diese bescheuerte Gala zu gehen.
 

»Auf keinen Fall«, sagt er und tastet unter einem Blumentopf nach dem Ersatzschlüssel der Familie Midorima. Er weiß, wo der Schlüssel ist, aber er war noch nie wirklich bei Shin-chan zu Hause. Im Haus. Es ist dementsprechend schwierig, Shin-chan durchs Haus zu manövrieren und die genuschelten Richtungsanweisungen sind auch nicht hilfreich dabei, Midorima die Treppe hinauf zu hieven. Als Shin-chan endlich in seinem Zimmer quer über dem Bett liegt, seufzt Takao erleichtert und wischt sich über die Stirn. Morgen hat er vermutlich Nackenschmerzen von der Anstrengung, den anderen die ganze Zeit durch die Gegend zu schleifen.
 

Er kniet sich hin, um Shin-chan wenigstens noch die Schuhe auszuziehen. Dann nimmt er ihm die Brille ab und wirft ihm eine Decke über, damit er nicht friert. Aber weiter reicht sein Nervenkostüm für heute eindeutig nicht mehr.

»Du fährst nicht mehr nach Hause«, verkündet Shin-chan im Halbschlaf. Takao kann nur den Kopf schütteln über so viel Sturheit. Aber gut.

»Na schön, ich penn auf deinem Sofa«, sagt er beruhigend und offensichtlich scheint Shin-chan das tatsächlich zu besänftigen, denn im nächsten Moment ist von ihm nur noch gleichmäßiges Atmen zu hören.
 

Takao hat nicht einmal mehr die Gelegenheit, sich großartig in Shin-chans Zimmer umzuschauen. Wahrscheinlich steht sowieso alles voller alter Glücksbringer und schlauer Bücher und Trophäen. Er pellt sich aus seinem Anzug und bemüht sich, das gute Stück sorgfältig über die Sofalehne zu hängen, dann kriecht er unter eine Wolldecke und ist dankbar dafür, dass er sich keine Mühe angemacht hat, das Licht anzuknipsen. So kann er einfach die Augen zumachen und schlafen und nicht mehr an peinliche Anmachsprüche und Shin-chans Gesicht an seinem Hals denken.
 

*
 

Kalte Luft und grelles Licht wecken Takao am nächsten Morgen. Er grummelt unzufrieden und zieht sich die Decke über den Kopf. Sein Rücken und sein Nacken schmerzen und er hat einen Geschmack im Mund, als wäre irgendetwas über Nacht dort hinein gekrochen und krepiert. So hat er sich seine erste Übernachtung bei Shin-chan in seinen Tagträumen eindeutig nicht ausgemalt. Seine Vorstellung beinhalteten weniger Alkohol, mehr leidenschaftliche Küsse und Anerkennungsbekundungen von Shin-chan dafür, dass Takao sich jeden Tag für ihn den Hintern aufreißt.
 

»Takao! Steh auf!«
 

Ja, so hatte er sich das eindeutig nicht vorgestellt. Er seufzt und klappt die Decke zurück. Midorimas strenges Gesicht schwebt über ihm und er blinzelt gegen das Licht.
 

»Es gibt Frühstück«, verkündet Shin-chan gebieterisch und er sieht nicht aus, als hätte er es letzte Nacht stockbesoffen kaum die Treppe hochgeschafft. Takao setzt sich auf und erhebt sich, fährt sich durch sein unordentliches Haar und stellt fest, dass er nichts zum Anziehen hat, als den Anzug.

»Ich hab nichts zum Anziehen«, verkündet er verschlafen und bekommt im nächsten Augenblick einen orangenen Trainingsanzug gegen die Brust gedrückt. Müde und verspannt und alles in allem noch nicht wirklich in der Realität angekommen, zieht er Midorimas viel zu großen Jogginganzug an und krempelt notdürftig die Ärmel nach oben. Dann folgt er seinem Teamkollegen die Treppe hinunter.
 

»Ah, Takao-san, guten Morgen«, wird er freundlich von einer Frau begrüßt, die niemand anders als Shin-chans Mutter sein kann.

»Guten Morgen«, nuschelt Takao verlegen und setzt sich an den gedeckten Frühstückstisch.

»Es ist schön, dich endlich kennenzulernen. Shintarou erzählt so viel von dir«, verkündet Shin-chans Mutter und Takao blinzelt verwirrt, während Midorima sich räuspert.
 

Es ist eine bizarre Situation, befindet Takao, aber Midorimas Eltern und seine kleine Schwester sind sehr nett und plaudern mit ihm über Basketball und die Schule, während Shin-chan schweigend sein Frühstück verspeist und sich nicht äußert. Wenn Takao Glück hat, wird Shin-chan sich ohnehin an nichts vom gestrigen Abend erinnern. Dann kann er gleich nach dem Frühstück heim fahren und so tun, als hätte er seinen Teamkollegen nie sturzbetrunken erlebt und sich darüber schlapp gelacht, dass er ihn angebaggert hat. Er wird nie als irgendwas anderes an diesem Tisch sitzen, als Shin-chans persönlicher, paltonischer Depp für alles und er sollte sich langsam an diesen Gedanken gewöhnen, auch wenn die gestrige Nacht das alles ein wenig schwierig macht.
 

»Danke fürs Essen«, sagt er lächelnd und winkt noch einmal Shin-chans kleiner Schwester, bevor er mit Shin-chan erneut die Treppe hinaufsteigt. Nüchtern diesmal. Und ohne gefühlte drei Tonne auf den Schultern.

»Ich sammel nur eben meinen Anzug ein, dann fahr ich«, sagt er und faltet den Anzug so gut wie möglich zusammen. Muss ohnehin in die Wäsche, nachdem er gestern so viel geschwitzt hat, weil Shin-chan nicht allein gehen konnte.
 

Shin-chan sieht steif und verkniffen dabei zu, wie Takao seinen gefalteten Anzug unter den Arm klemmt und in die für den Trainingsanzug viel zu chicen Schuhe schlüpft.

»Kriegst den Kram nächste Woche gewaschen wieder«, erklärt er und fährt sich durch die Haare. Shin-chan starrt auf ihn herunter und Takao seufzt.

»Na dann. Bis übermorgen«, meint er und geht an seinem Teamkollegen vorbei. Er hat gerade die Tür erreicht, als schlanke Finger sich um sein Handgelenk legen und ein Gefühl wie einen elektrischen Schlag durch seinen Körper schicken. Blinzelnd dreht er sich um und schaut Shin-chan an. Der betrachtet scheinbar hoch interessiert die Tür hinter Takao.
 

Er scheint mit sich zu ringen. Worum auch immer. Takao schluckt und versucht nicht allzu aufmerksam das Gefühl von Fingern auf nackter Haut wahrzunehmen, denn dann würde ihm vermutlich erneut Schweiß ausbrechen und…

»Danke für gestern«, sagt Shin-chan schließlich gepresst. Takaos Augen weiten sich. Hat er da gerade ein Danke gehört? Aus Midorima Shintarous Mund?

»Wofür?«, fragt er perplex und würde sich gern die Zunge abbeißen. Er sollte das Danke einfach nehmen und es innerlich einrahmen, egal wofür.
 

»Fürs Mitkommen. Und… die Sache mit den Reportern. Und das Taxi. Und... das Bett«, kommt es abgehackt. Takao merkt, dass Shin-chan eigentlich nie solche Sachen sagt. Es scheint Schwerstarbeit für den anderen zu sein. Takaos Gehirn informiert ihn darüber, dass das heißt, dass Shin-chan sich an alles erinnert. Ups.
 

»Kein Problem. Dafür sind Freunde da«, sagt er galant und tut so, als würde sein Herz nicht total hämmern und sein Handgelenk kribbeln. Shin-chan hat ihn immer noch nicht losgelassen. Takao steht hier mit diesem viel zu großen Trainingsanzug und ungeduscht und mit abstehenden Haaren und er kann sich trotzdem kein besseres Szenario vorstellen, um Shin-chan ein wenig zu ärgern.
 

»Es ist ziemlich warm hier drin«, sagt er beiläufig und kann zusehen, wie die Röte Shin-chans Hals hochkriecht, seine Wangen erreicht und sein ganzes Gesicht in Flammen setzt. Es kommt nur selten vor, dass man Midorima Shintarou so erlebt und Takao saugt jede Sekunde auf wie ein Schwamm. Alles oder nichts, denkt er sich.

»Muss an dir liegen.«
 

Shin-chans Mund öffnet und schließt sich wieder und zum ersten Mal erlebt Takao ihn sprachlos. Wenn er ihn hier so stehen sieht, wird ihm klar, wieso Shin-chan sauer war, dass Takao mit Kasamatsu getanzt und mit der Kellnerin geflirtet hat. Eine viel zu große Hoffnung macht sich in ihm breit, als er einen Schritt nach vorn macht und Shin-chan am Kragen greift. Der blinzelt erstaunt, seine Augen weiten sich hinter der Brille und Takao holt einmal tief Luft, dann stellt er sich auf Zehenspitzen und presst seine Lippen auf die von Shin-chan.
 

Einige elendig lange Sekunden bekommt er überhaupt keine Reaktion, dann spürt er Shin-chans andere Hand in seinen ungekämmten Haaren und ein Schauer rinnt seinen Rücken hinunter. Wow. Shin-chans Hand. An seinem Körper.
 

Er löst sich von Shin-chan und schaut ihn hoffentlich nicht an wie das achte Weltwunder. Shin-chan ist immer noch knallrot im Gesicht und Takao will ihn gern an seine Grenzen treiben und wissen, wie Shin-chan sich in noch ganz anderen Situationen verhält. Sein Herz hämmert unglaublich laut.

»Du hättest auch einfach sagen können, dass du gern mit mir tanzen willst«, krächzt er heiser und Midorima blickt zur Seite. Takao ist sich sicher, dass es ihm sehr sehr peinlich ist.
 

»Wie du sagtest«, entgegnet Shin-chan gepresst. »Ich bin nicht so gut mit Menschen.«
 

Takao grinst.
 

»Wenn du willst, können wir das üben. Ich stelle mich als Trainingsobjekt zur Verfügung«, sagt er und er hätte nicht gedacht, dass der Rotton auf Shin-chans Ohren noch dunkler werden kann. Aber tatsächlich. Und dann nickt sein Teamkollege.
 

»Ok, dann kommen wir noch mal zu dem Teil mit den Anmachsprüchen zurück…«
 

»Takao!«
 

»Ich mach ja nur Spaß! Aber ehrlich, Shin-chan. ‚Es ist ziemlich heiß hier drin‘. Also wirklich.«
 

»Halt die Klappe!«
 

»Küss mich noch mal, dann bin ich still.«

Takao befindet, dass so eine Sportgala vielleicht doch nicht schlecht ist. Nächstes Mal, wenn so etwas stattfindet, wird er mit Shin-chan zusammen dahin gehen. Soviel steht fest.

Stolz und Hinterlist

Alles Gute zum Geburtstag, Franzi <3

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Die meisten Menschen denken, dass Kise ein naiver Volltrottel ist. Voller Talent und ein hübscher Bursche, aber auch nicht sonderlich hell im Kopf. Kise kann mit diesem Image leben. Er verdient sein Geld schließlich mit seinem Aussehen und nicht mit seinem Grips und solang er selber weiß, dass er nicht blöd ist, ist alles in Ordnung. Menschen denken auch, dass Kise ein gutmütiger, treudoofer Armleuchter ist, der es nicht merkt, wenn Leute auf ihm herum trampeln. Aber Kise kennt sich besser und Yukio kennt ihn besser und Kuroko kennt ihn besser. Bei Aomine ist Kise sich nicht sicher, da sein ehemaliger Teamkollege gern so tut, als würde er sich einen feuchten Dreck um seine Umwelt scheren.
 

Kise ist außerdem sehr empfänglich für die Gefühle anderer Leute. Im Gegensatz zur beliebten Annahme, dass Models einfach nur wahnsinnig arrogant und dadurch ignorant für die Emotionen anderer Menschen sind, ist Kise ziemlich gut darin andere Menschen zu lesen. Er kennt all ihre kleinen Macken und sieht leicht Anzeichen dafür, dass es jemandem nicht gut geht, auch wenn derjenige versucht, dies zu verschleiern. Und Kise merkt, wenn Leute an ihm interessiert sind. Da viele Leute an ihm interessiert sind, schaltet er diesbezüglich meistens auf Durchzug, es sei denn natürlich, er ist auch an dem betreffenden Menschen interessiert.
 

All seine Fans haben Pech gehabt, was das angeht. Kise ist seit Ewigkeiten in jemanden verknallt und hat nicht wirklich Augen für jemand anderen, auch wenn er sich gerne mal von eben jenem Menschen ablenkt, da sein Herzensmensch leider ein arroganter, ignoranter, stumpfsinniger Holzkopf ist. Die Rede ist von seinem ehemaligen Kollegen Aomine Daiki, Ass der Generation der Wunder und selbsternannter unbesiegbarer Champion in Japans Jugendbasketballligen. Kise ist sich nicht mehr sicher, wann genau dieses Drama eigentlich angefangen hat, aber manchmal denkt er sich, dass er vermutlich auf den ersten Blick zu spät war, als Aomine ihm diesen Ball an den Kopf geworfen und Kise sich umgedreht hatte. Dieses Lächeln hätte jeden umgehauen.
 

Kise hat sich nach ziemlich kurzer Zeit damit angefunden, dass er unrettbar und unwiderruflich verknallt ist. In Aomine Daiki und sein strahlendes Lächeln und seine unberechenbaren Bewegungen und in seinen Stil, den Kise nicht kopieren kann, und in seine dunkle Stimme und den ansteckenden Enthusiasmus, wenn es ums Basketballspielen geht. Am Anfang war Kise sich sicher, dass Aomine sich niemals in ihn verknallen könnte, weil Aomine um Kuroko herumschwänzelt wie eine Motte um eine Straßenlaterne. Aber Kise hat nach ein paar Monaten herausgefunden, dass Aomine und Kuroko nur beste Freunde sind. Und dass all die Trainingsspiele zwischen Kise und Aomine nicht nur bedeuten, dass sie Spaß daran haben, miteinander Basketball zu spielen, sondern dass dies auch die einzige Art ist, wie sie Zeit miteinander verbringen können, ohne, dass es sich in irgendetwas anderes verwandelt. Aomine ist ein Holzkopf und ein Feigling. Und ein Arschloch. Aber Kise ist trotzdem in ihn verliebt. Wahrscheinlich macht ihn das ebenfalls zu einem Holzkopf.
 

Der Grund, warum Kise Aomine besiegen will, ist, weil er den Satz »Der einzige, der mich besiegen kann, bin ich« nicht mehr hören kann und weil er Aomine wieder so lächeln sehen will wie früher. Er weiß, dass Kuroko dieselbe Motivation hat. Neben Kise sind Kuroko und Momo die beiden Menschen, denen am meisten an Aomine liegt, auch wenn Aomine ein Arschloch ist und sie alle immer wieder von sich wegstößt. Es ist zum Mäusemelken.

Und als dann das Spiel kommt, in dem Kise so nah dran ist, Aomine zu besiegen, da beschließt er, dass er keinen Nerv mehr für Aomines Arroganz hat. Kise wird den nächsten Schritt nicht machen, soviel steht fest. Soll Aomine doch zusehen, dass er ihn auf Knien um Verzeihung bittet, nachdem er Kise hat auf dem Boden liegen lassen wie ein Stück Abfall, das es nicht wert ist, aufgehoben zu werden. Kise hat die Schnauze voll. Und als sich ihm die Gelegenheit bietet, Aomine eins auszuwischen, ergreift er sie nur zu gerne und lädt eine seiner Modelkolleginnen auf diese beknackte Gala ein, auf die er normalerweise nicht gehen würde. Aber aus zuverlässigen Quellen – mit anderen Worten Momo – weiß Kise, dass Aomine auf jeden Fall dort erscheinen wird. Also wird Kise auch hingehen.

»Ich hoffe du erwartest nicht von mir, dass ich dir den ganzen Abend am Arm rumhänge«, sagt Yukiko, als Kise ihr seinen Plan unterbreitet. Kise muss lachen. Yukiko ist nicht ohne Grund seine liebste Kollegin. Sie interessiert sich kein Stück für ihn, findet Frauen mit wenigen Ausnahmen besser als Männer und geigt ihm gnadenlos ihre Meinung, auch, wenn er sie eigentlich nicht hören will. Wenn er nicht so in Aomine verschossen wäre, hätte er vielleicht versucht sie zu umwerben.
 

»Keine Sorge. Sobald ich ihn genug auf die Palme gebracht habe, darfst du fliegen gehen«, verspricht Kise ihr grinsend und Yukiko mustert ihn kopfschüttelnd.

»Ich bin schon ziemlich gespannt auf deinen Herzbuben. Muss ja ein toller Typ sein«, meint Yukiko nachdenklich. Kise lacht ein wenig gequält auf.

»Vor allem ist er ein arroganter Volltrottel«, erklärt Kise resigniert und Yukiko schüttelt den Kopf.

»Du könntest jeden haben, weißt du das?«
 

»Jap.«
 

»Oh, bei den Göttern, du bist auch ein arroganter Volltrottel. Kein Wunder, dass ihr euch gegenseitig an die Wäsche gehen wollt!«
 

Kise kann ihr nicht widersprechen und fragt sich leicht benommen, ob Aomine sich von ihm provozieren lassen wird, wenn er mit Yukiko bei dieser Gala auftaucht. Er drückt sich selbst alle Daumen und Zehen.
 

*
 

Kise ist froh, dass er und Yukiko nicht als erste ankommen und er sofort ein paar bekannte Gesichter entdeckt. Midorimacchi sieht zwar aus, als würde er gleich jemanden ermorden und auch Kagamis fragwürdige Augenbrauen blicken kritisch drein, – Kise ist sich sicher, dass diese Brauen ein Eigenleben haben und niemand wird ihn vom Gegenteil überzeugen – doch Kise stört sich nicht weiter daran und zieht begeistert und erleichtert ein paar Stühle an den Tisch der anderen. Aomine scheint noch nicht da zu sein. Kises Augen finden ihn immer als allererstes, der blöde Sack zieht seinen Blick an wie ein besonders starker Magnet und es kostet Kise meistens alle Willenskraft, die er hat, um ihn nicht dauernd anzustarren. Früher hat es mehr Spaß gemacht, Aomine anzuschauen, als er noch ehrlich gelächelt, gelacht und sich verlegen die eigenen Haare zerwuschelt hat. Das waren Zeiten. Kise beschließt, dass er besser nicht darüber nachdenken sollte.
 

»Das hier ist Yukiko-san. Yukiko-san, das sind–«
 

Kise kommt nicht dazu Yukiko mit allen Leuten am Tisch bekannt zu machen. Sie sieht entzückend aus, wirklich. Ihr rotes Kleid passt zu seiner Krawatte, ebenso wie zu der Blume in seinem Knopfloch und ihrem ausgewählten Lippenstift. Das Rot sieht toll aus zu ihren schwarzen Haaren und ihr Lächeln lässt keinen Zweifel daran, dass sie angeblich entzückt darüber ist, mit Kise hier auf dieser totlangweiligen Gala zu sein. Sobald dieses Spektakel vorbei ist, wird er sie zum Essen einladen und sie mit Blumen und selbstgebackenen Keksen überhäufen. Wieso kann er sich nicht einfach in Yukiko verlieben?
 

Weil er sich stattdessen in den Besitzer der unhöflichen Stimme hinter sich verknallt hat.
 

»Ich versteh immer noch nicht, was wir hier eigentlich wollen, Satsuki. Außerdem ist dein Kleid lächerlich tief ausgeschnitten. Meine Fresse. Hast du noch was Größeres vor heute?«
 

Da sind sie also. Momo hat nicht gelogen – natürlich hat sie das nicht, aber es hätte ja sein können, dass sie daran scheitert, Aomine mit sich auf die Gala zu schleifen – und Kise wagt es nicht, sich umzudrehen, aus Angst, dass seine Augen an Aomine kleben bleiben und sich nie wieder lösen. Er trägt sicher einen Anzug. Verfluchter Mist.
 

Er ist sehr dankbar, als Yukiko ohne Umschweife näher an ihn heran rückt, einen Blick nach hinten wirft, um Aomine kurz zu mustern, und sich dann nach vor beugt, um ihr Gesicht ganz nah an das von Kise zu bringen. Ihr verliebtes Strahlen würde er ihr abkaufen, wenn er nicht wüsste, dass sie nur spielt.

»Er sieht gut aus«, flüstert sie ohne mit dem Strahlen aufzuhören.
 

»Ich weiß«, erwidert Kise und lächelt Yukiko so charmant an, als hätte er ihr gerade das schönste Kompliment auf Erden gemacht. Hinter ihnen geht ein Tumult los, weil Kagami Aomine am Kragen gepackt hat und Kuroko und Momo versuchen, die beiden auseinander zu bringen. Kise würde sehr viel darum geben, hinzusehen, aber Yukikos Hand auf seiner Wange ist sanft aber entschlossen und sie stupste ihre Nase gegen die von Kise.

»Tu so, als gäbe es nur mich auf der Welt«, sagt Yukiko zuckrig und Kise muss leise lachen. Sie macht es ihm so einfach und er ist ein Trottel. Allein schon, weil sie sich dazu bereit erklärt hat, sich hier für ihn zu Tode zu langweilen, sollte er sich zusammenreißen.
 

»Deine ehemaligen Kollegen wirken alle ein bisschen wahnsinnig«, wispert sie in der Nähe seines Ohres und Kise bekommt eine Gänsehaut.

»Falls du den mit den komischen Augenbrauen meinst, der gehört nicht zur Generation der Wunder. Das ist Kagamicchi, Kurokocchis neuer Freund und personifizierter Dorn in Aominecchis Auge«, erklärt Kise sehr leise und legt seinen Arm um Yukiko. Hinter ihm flucht Aomine, während Momo ihn zurecht stutzt. Momo ist wunderbar. Kise wünschte sich, Aomine wäre netter zu ihr.

»Nenn ihn nicht so. Glaub mir, das wird ihn so richtig auf die Palme bringen«, meint Yukiko und Kise blinzelt verwirrt. Ihre dunklen Augen glitzern schelmisch und Kise möchte sie wirklich gern so richtig umarmen. Mädchen sind einfach so viel cooler als Jungs, denkt er sich im Stillen und drückt Yukiko einen Kuss auf die Stirn. Hinter ihnen geht ein Glas zu Bruch und Kise drückt sich selbst die Daumen, dass es Aomines Glas war.
 

Yukiko hat Recht. Kise hatte sich eigentlich ohnehin vorgenommen, Aomine nicht mehr mit diesem Spitznamen zu bedenken, spätestens nach dem Spiel gegen ihn, bei dem er sich dermaßen scheußlich verhalten hatte, dass Kise kurz davor gewesen war, seine kompletten Gefühle für Aomine in eine Besenkammer in seinem Kopf zu sperren und sie nie wieder hervor zu lassen.

»Oh, da hinten ist Kasamatsu-senpai! Senpai! Hey!«

Kise muss sich ablenken und er will aus Aomines Reichweite. Dauernd kribbelt es ihn im Nacken, das hält er nicht mehr lang aus, ohne sich umzudrehen.
 

Yukiko findet Kasamatsu-senpai sehr nett und unterhält sich eine Weile angeregt mit ihm, bis ihre Augen Aomines Basketball-Kapitän finden, der im Anzug nicht minder gruselig aussieht, als in seiner Basketballkluft.

»Wer ist das?«, will Yukiko von ihm wissen. Sie lassen Kasamatsu allein, denn der hat scheinbar Lust zu tanzen und verabschiedet sich in Richtung Midorimas Maskottchen, dessen Namen Kise leider vergessen hat. Scheint ein netter und gutmütiger Kerl zu sein, wenn er es so lang mit Midorima aushält.

»Aominecc–… Aomines Kapitän. Imayoshi-san. Er ist super gruselig und ich würde mich nicht wundern, wenn er ein paar Leichen im Keller verscharrt hat!«, erklärt Kise beunruhigt und der Blick auf Yukikos Gesicht behagt ihm gar nicht. Kann sie sich nicht irgendwen anders zum Flirten aussuchen? Der Typ ist möglicherweise ein Psychopath!

»Er sieht ziemlich gut aus und er kann tanzen«, meint Yukiko unbeeindruckt von Kises dunklen Vorhersagen. Kise schnaubt.

»Ich sehe gut aus und kann tanzen!«, empört er sich.
 

Yukiko verdreht die Augen und schüttelt den Kopf.

»Du klingst wie ein trotziger Fünfjähriger. Lass uns da rüber gehen und ein bisschen rumkuscheln, da sieht Aomine uns ganz bestimmt«, entgegnet sie und zieht ihn mit sich quer über die Tanzfläche. Dort lehnt sie sich gegen eine Wand und Kise folgt ihrer wortlosen Einladung, indem er seine Arme um Yukiko schlingt und seine Stirn an ihre lehnt.

»Er ist da hinten an einem Tisch mit seiner Begleitung«, informiert Yukiko Kise hilfreich und streicht ihm beruhigend über den Rücken. Kise fragt sich, ob das alles wirklich hilft, oder ob Aomines Stolz einfach zu riesig ist, als dass er sich daran vorbeischieben könnte. Wundern würde es ihn nicht.

»Er starrt uns schon die ganze Zeit an, keine Sorge. Du knackst ihn heut Nacht sicher noch«, versichert Yukiko ihm und lächelt ehrlich zu ihm hoch.

»Ich würde dich gern aus Dankbarkeit küssen«, informiert Kise sie. Yukiko lacht.
 

»Bitte nicht. Sobald er sich nicht mehr beherrschen kann, hoffe ich, jemanden anders zu küssen.«
 

»Oh Gott. Doch nicht Imayoshi-san, oder?«
 

»Ich glaube, er findet mich attraktiv.«
 

»Jeder hier im Saal findet dich attraktiv! Kannst du dir nicht wen anders suchen?«
 

»Psst! Ich glaube, sie verleihen gleich den dämlichen Preis!«
 

»Wird auch Zeit…«
 

Wie es sich herausstellt, gewinnt Seirin den Preis und Kise freut sich für Kuroko und Kagami, auch wenn er damit wohl einer der wenigen Anwesenden ist. Er stellt sich Midorimas wütendes Brille-Hochschieben vor und Aomine verächtliches Schnauben und–
 

»Na endlich!«, sagt Yukiko und presst sich plötzlich sehr eng gegen Kise, der ein überraschtes Geräusch macht, ehe Yukiko auch schon von ihm fortgezogen wird.

»Ich muss dich sprechen«, grollt Aomine und Kise wünscht sich, dass er nicht allein beim Klang dieser Stimme weiche Knie kriegen würde. Mist, Mist, Mist. Yukiko zwinkert hinter Aomines Rücken und wirft Kise eine Kusshand zu, dann wird Kise sehr unsanft in Richtung Herrentoiletten geschleift. Aomines Berührung brennt auf seiner Haut und Kise versucht so tief und ruhig zu atmen wie möglich.
 

Er wird nicht einfach in eine emotionale Pfütze zerfließen, er wird seinen Mann stehen und Aomine die Meinung geigen. Aomine verdient keine schnelle Vergebung, soviel steht fest!

»Wer ist die Braut?«, herrscht Aomine Kise an und Kise holt tief Luft. Er erinnert sich daran, wie es war, beim Spiel gegen Aomine langsam aber sicher zu Aomine zu werden, ihn zu kopieren, seine kalte Arroganz wie einen Mantel anzulegen und seine Emotionen in seinen Hinterkopf zu schieben. Genau das muss er jetzt auch tun. Er zieht seine Augenbrauen hoch und verschränkt die Arme vor der Brust.
 

»Ich fände es angebracht, wenn du ein wenig respektvoller über meine Freundin sprichst, Aomine-kun.«
 

So. Er hat es gesagt. Er hat nicht den Spitznamen verwendet. Und wie Yukiko prophezeit hat, sieht Kise eine Regung in Aomines Gesicht. Verwirrung, Wut, vielleicht sogar ein winzig kleines bisschen Unsicherheit? Kise wünscht sich nicht zum ersten Mal, Aomines Gedanken lesen zu können.

»Deine Freundin? Dass ich nicht lache«, schnaubt Aomine und schaut Kise an, als hätte er nicht mehr alle Tassen im Schrank.

»Nur weil du beziehungsunfähig bist, heißt das nicht, dass es uns allen so geht«, sagt Kise kühl und er ist stolz auf sich. Und er hofft, dass Yukiko später auch stolz auf ihn sein wird.
 

»Du hast die Schnalle doch nur mitgebracht, um mir eins auszuwischen«, schnarrt Aomine und macht einen Schritt auf Kise zu. Er sieht durchaus kampfbereit aus, als würde er sich gern mit Kise prügeln.

»Auszuwischen? Wofür?«, fragt Kise ungerührt, obwohl sein Herz hämmert und es in seinen Ohren rauscht. Es ist wie bei einem Modeljob, redet er sich ein, du musst eine Rolle spielen. Gib nicht nach. Sein Leben lang haben Leute unter ihm nachgegeben, du kannst ihm nicht auch noch diesen Sieg gönnen.
 

»Für deine Niederlage«, kommt prompt die Antwort von Aomine und Kise verengt die Augen zu Schlitzen. Er meint zu wissen, dass Aomine eigentlich die Szene nach dem Spiel meint und nicht unbedingt die Niederlage an sich. Kise hat keinen Nerv dazu, dieses Versteckspiel mit Aomine. Angriff ist in diesem Fall die beste Verteidigung.

»Du meinst die Niederlage, nach der ich nicht aufstehen konnte und du mich behandelt hast wie ein Stück Dreck?«, gibt er lässig zurück und prüft seine Fingernägel, als wäre er absolut uninteressiert an diesem Thema. »Ich wüsste nicht, wie ich dafür eins auswischen kann, indem ich mit einer Frau ausgehe. Es wäre nett, wenn du auf den Punkt kommen würdest, ich will Yukiko nicht so lang allein draußen stehen lassen.«
 

»Red doch keinen Scheiß! Als wärst du echt mit der zusammen!«
 

»Und wieso sollte ich nicht mit ihr zusammen sein?«
 

Kises Stimme wird lauter. Aomine ist rot im Gesicht vor lauter Wut und Kise ist wirklich kein gewalttätiger Mensch, aber in diesem Moment würde er Aomine gern schlagen.
 

»Weil du auf Kerle stehst, verdammt!«
 

»Ich stehe auf Frauen und Männer. Und ich weiß wirklich nicht, was dieser Unsinn soll! Du hast gesagt, du willst was mit mir besprechen? Dann spuck’s aus!«
 

Aomine ist nicht gut mit Worten, das war er noch nie. Deswegen tut er das Einzige, was er kann: Handeln. Er packt Kise beim Krage und Kise gibt ein überraschtes Geräusch von sich, kurz bevor Aomine seinen Mund auf Kises Lippen presst. Mit Aomine ist alles ein Gezerre und Geschubse und hart und rau. Kise beißt Aomine in die Unterlippe und stößt ihn von sich, sodass Aomine gegen eine der Toilettentüren stolpert.
 

»Tu doch nicht so«, schnarrt Aomine und fährt sich mit dem Handrücken über seine blutende Unterlippe.

»Verpiss dich einfach«, schnauzt Kise ihn an und Aomine streckt erneut die Hände nach Kise aus. Kise ist zwar leichter und kleiner als Aomine, aber er trainiert mehr als Aomine, also hat Kise kein Problem seine Hände wegzuschlagen.

»Du bist nicht mit der Tussi zusammen.«
 

»Es geht dich einen Scheißdreck an, ob ich mit ihr zusammen bin!«
 

»Ich weiß, dass du nicht mit ihr zusammen bist!«
 

»Und woher willst du das wissen, Aomine-kun? Weil du dich so mit meinem Privatleben beschäftigst?«
 

Mittlerweile schreien sie sich an. Kise hat vergessen, dass er nicht emotional werden wollte, er hat vergessen, dass sie auf einer Herrentoiletten auf einer Sportgala sind und es hier drin hallt und Leute vielleicht die Kabinen benutzen wollen. Alles, was er nicht vergessen hat, ist Aomines Verachtung nach Kises Niederlage und dass er seinen ehemaligen besten Freund nicht mehr bei seinem Spitznamen nennen will. Und Aomine sieht unglaublich zornig aus, was Kise wiederum triumphieren lässt.
 

»Was soll der Scheiß mit meinem Namen?«
 

»Wovon sprichst du?«
 

Kise hat keine Ahnung, wer von ihnen anfängt, das zweite Mal Körperkontakt zu initiieren, aber plötzlich ist er sein Jackett los und die rote Blumen aus seinem Knopfloch kullert traurig über den gefliesten Fußboden. Aomines Hose rutscht ihm nach hastigem Öffnen bis in die Kniekehlen. So hat Kise sich das nicht vorgestellt. Er spürt, wie seine Augenwinkel anfangen zu brennen.
 

Aomine vergräbt eine Hand in Kises Haaren und presst seine Stirn gegen die von Kise.
 

»Du bist nicht… mit der zusammen«, keucht Aomine atemlos, als wäre er gerade kilometerweit gerannt. Kise schluckt und will auf keinen Fall anfangen zu heulen. Seine Hände krallen sich in Aomines Hemd fest und einer der Knöpfe springt ab. Kise schert sich nicht darum.
 

»Warum?«, krächzt er als Antwort. Aomine soll es einfach sagen. Wenn er es nicht sagt, wird Kise sein Jackett wieder anziehen und Aomine hier stehen lassen und sich nie wieder nach ihm umdrehen. Soviel steht fest. Und er versucht es Aomine stumm mit seinem entschlossenem Blick mitzuteilen. Aomine knurrt und Kise weiß, dass er sich windet. Aber dieses Zugeständnis wird Kise ihm nicht machen. Aomine wird es mit ihm nicht so leicht haben wie mit dem Basketballspielen.
 

»Weil…«
 

Kise umfasst Aomines Gesicht mit beiden Händen. Es ist schon bewiesen, dass seine List mit Yukiko funktioniert hat, aber er wird nicht ganz nachgeben, ohne es aus Aomines Mund zu hören.

»Weil du mir gehörst, verfluchter Scheißdreck«, zischt Aomine und Kise unterdrückt ein Wimmern, ehe er seine Lippen auf Aomines Mund drückt und ihn so hungrig küsst, dass Aomine tatsächlich erstaunt nach Luft schnappt. Kiste drängt Aomine gegen eine der geschlossenen Türen und presst sich der Länge nach gegen den muskulösen Körper vor sich.
 

Jahrelang hat er darauf gewartet. Viel zu lange. Auf Aomines schlanke, raue Hände auf seiner Haut, auf Küsse und Körperkontakt und die Anerkennung der Tatsache, dass Aomine Kise genauso sehr will, wie andersherum.
 

»Ryouta«, knurrte Aomine und Kise läuft es heiß den Rücken hinunter. »Werd die verfluchte Hose los!«
 

Kise ist gerade dabei, der Aufforderung Folge zu leisten, als…
 

»Was zur Hölle? Das hier ist ein Klo! Alter, jetzt bin ich geblendet bis an mein Lebensende!«
 

»Kagami-kun, ich hab dir doch gesagt, dass die Toilette momentan besetzt ist.«
 

»Nen Scheiß hast du! Mir war nicht klar, dass die beiden hier drin ihre sexuelle Frustration aneinander auslassen!«
 

»Kagami-kun, wir sollten wirklich besser gehen. Das hier ist wichtig, verstehst du? Sie warten schon seit Jahren darauf.«
 

»Das ist mir doch egal, ich – AU! Kuroko, was zum…?«
 

»Tut mir Leid, Kise-kun! Viel Spaß noch!«, ruft Kuroko, während er Kagami bei seiner Krawatte gepackt hält und ihn aus der Herrentoilette zerrt und dabei scheinbar nach den leicht würgenden Geräuschen Kagamis zu urteilen beinahe erstickt.
 

Aomine und Kise starren den beiden hinterher, dann richten sich ihre Blicke aufeinander. Aomines Kopf ist knallrot, etwas, das Kise noch nie gesehen hat. Jetzt, da die Katze aus dem Sack und die Hitze des Moments verflogen ist, scheint Aomine mit sich selbst zu ringen. Natürlich. Gefühle sich gruselig. Und darüber reden zu müssen ist noch gruseliger.
 

»Vielleicht sollten wir die Toilette freigeben«, sagt Kise matt und bückt sich nach seinem Jackett, ehe er seine Hose wieder zuknöpft. Aomine steht wie angewurzelt da.
 

»Was soll das heißen, seit Jahren?«, will er wissen. Kise seufzt resigniert und zuckt mit den Schultern.
 

»Heißt, dass ich seit Jahren verschossen bin in dich, du arroganter Schnösel«, meint er und fragt sich, wann genau die Situation eigentlich so eskaliert ist. Yukiko wird garantiert mit ihm schimpfen. Und es hat so vielversprechend angefangen. Er wendet sich ab und wirft sich das Jackett elegant über die Schulter. Eine Hand an seinem Ärmel hält ihn zurück. Kise blinzelt und wirft einen Blick über die Schulter. Aomine hat seine Hose wieder hochgezogen, seine Haare sehen unglaublich zerwuschelt aus und der fehlende Knopf an seinem Hemd legt ein Stück brauner Haut frei. Mit der freien Hand, die Kise nicht am Ärmel gepackt hält, hält er Kise die rote Blume aus seinem Knopfloch entgegen, ohne Kise anzuschauen. Mit flammenden Wangen und Ohren starrt er der Decke entgegen, als wäre sie besonders spannend. Kises Herz schlägt einen Salto, als er die Blume entgegen nimmt. Alles an Aggressionen, was Aomine in sich hatte, scheint verpufft zu sein.
 

»Warum hast du nichts gesagt?«
 

Kise schnaubt und steckt die Blume vorsichtig zurück in sein Knopfloch. Wahrscheinlich sehen sie aus, als hätten sie gerade ein Wrestlingmatch hinter sich.
 

»Du hast auch nichts gesagt.«
 

Aomine plustert sich auf und nuschelt Dinge von wegen es hätte nichts zu sagen gegeben. Kise hebt seine perfekt geschwungenen Augenbrauen.
 

»Achso? Na, dann kann ich ja wieder raus zu Yukiko gehen«, meint er lässig:
 

»Ok, ok! Scheiße. Ich bin ein Arsch«, gibt er zu und stopft seine Hände in die Hosentaschen. Kise nickt nachdrücklich.
 

»Das ist wahr.«
 

»Tut mir Leid wegen des Spiels…«
 

Aomine ringt offensichtlich mit sich. Kise verkneift sich ein liebevolles Lächeln.
 

»Ok«, sagt Kise. Sein Geschmack, was Männer angeht, ist wirklich unterirdisch. Aber immerhin hat Aomine ihm gerade metaphorisch eine Blume geschenkt und sich bei ihm entschuldigt und sich selbst als Arsch betitelt. Das sind so viele Fortschritte auf einmal, dass Kise kaum mithalten kann.
 

Sie schweigen einen langen Augenblick lang, dann angelt Kise nach Aomines Handgelenk, zieht seine Hand aus der Hosentasche und verhakt seine Finger probehalber mit Aomines. Aomine sieht wirklich sehr überfordert aus mit sich und der Welt. Kise beschließt, dass er diesen Gesichtsausdruck in sein Gehirn einbrennen will. Wer weiß, wann er wiederkommt.
 

»Also, ich bin nicht mit Yukiko-san zusammen«, meint Kise. Aomine atmet hörbar ein und aus.
 

»Gut«, knurrt er.
 

»Bin ich überhaupt mit irgendwem zusammen?«, will Kise schelmisch wissen und Aomine grollt neben ihm, drücke Kises Finger fester und marschiert in Richtung Ausgang der Herrentoilette.
 

»Ja, verdammt!«
 

Kise lächelt zufrieden. Er schuldet Yukiko wirklich ein paar sehr große Blumensträuße.

Wetten, dass...?

Für Tina <3

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Riko konnte nicht so recht in Worte fassen, was für Gefühle sie für Momoi hatte. Es waren jedes Mal so viele verschiedene Emotionen, dass Riko sich schwer damit tat, einen Überbegriff zu finden, in dem alles enthalten war. Oftmals brachte Momoi sie zur Weißglut, vor allem, wenn sie Witze über ihre BH-Größe riss. Dann war da noch eine Menge Bewunderung für die beeindruckenden Fähigkeiten, die Momoi als Basketballmanagerin zu Tage legte und von denen Riko sich noch einiges abgucken wollte, wenn sie einmal die Gelegenheit dazu bekäme. Und dann gab es da noch ein drittes Gefühl, das Rikos Herz stolpern ließ, wenn sie Momoi irgendwo sah, aber sie wusste nicht, ob es Empörung oder Aufregung oder beides oder etwas ganz anderes war. Eines stand jedenfalls fest: Die Empörung war das vorherrschende Gefühl in Riko, wenn sie an Momoi dachte.
 

Der jüngste Vorfall, bei dem Riko Gelegenheit gehabt hatte, sich über Momoi aufzuregen, war ein Aufenthalt am Strand gewesen, als sie ihren Jungs drei Tage Urlaub gegönnt hatte und Momoi prompt mit ihrem Team arroganter Lackaffen daher kam, um ihre Freizeit zu stören. Selbstredend trug sie den knappesten Bikini, den es in ganz Ostasien zu kaufen gab und lächelte auf diese nachsichtige Art und Weise, bei der Riko bereits wusste, was als nächstes kommen würde.

»Ah, Riko-san«, hatte Momoi sehr freundlich gesagt und sich neben sie auf das große Badehandtuch gelegt, wobei Riko nicht umhin gekommen war, auf ihre Brüste zu starren. Sie wünschte, dass ihre Augen nicht immer magisch von Momois Brüsten angezogen würden, aber jedes Mal wieder klebte ihr Blick daran fest. Riko befand, dass sie schlimmer war als ihre Jungs und sie hatten schon wirkliche Mühe sich angesichts von Momois beeindruckender Oberweite im Zaum zu halten.
 

»Wie geht es dir?«, hatte Momoi wissen wollen und sich eine Sonnenbrille auf die Nase geschoben, während sie ihr Team dabei beobachtete, wie sie sich gegenseitig in die Wellen schubsten. Kagami hatte dreingeblickt, als würde er Aomine jeden Moment umbringen und Riko würde sich nicht darum bemühen, ihn zurückzuhalten. Sie mochte Aomine nicht besonders.

»Gut, danke«, hatte Riko zurückgegeben und an ihrem Fruchtsaftgetränk geschlürft. Sie war immer besonders vorsichtig, wenn Momoi sich ihr näherte. Nicht, weil Riko Angst vor Momoi gehabt hätte, nein. Aber man wusste nie, was Momoi im Schilde führte und ehe man es sich versah, hatte sie alle Trainingsgeheimnisse herausgefunden und irgendwo notiert. Riko konnte nicht vorsichtig genug sein.
 

»Hach, ich wollte eigentlich fragen, ob du nicht mit mir zusammen ein paar Cocktails trinken gehen willst, aber wenn ich mir dein Fliegengewicht so ansehe… nicht, dass du noch eine Alkoholvergiftung erleidest.«
 

Und so war es dank Rikos genereller Momoi-Empörung und ihrer Unfähigkeit Herausforderungen aus dem Weg zu gehen dazu gekommen, dass Riko eine Woche später nach ihrem Strandurlaub mit Momoi in deren kleiner Wohnung hockte und vor sich ein kleines Schnapsglas stehen hatte, das sie nun misstrauisch anstarrte.

»Ich dachte, du wolltest Cocktails trinken«, sagte Riko und hob ihren Brauen. Momoi kicherte auf diese besonders mädchenhafte Weise, die Riko einen heißen Schauer den Rücken hinunter schickte. Momoi war gefährlich. Hinter diesem hübschen Gesicht und dem unschuldigen Gehabe steckte eine lauernde Raubkatze, soviel stand fest. Riko befand, dass sie auch davon beeindruckt war. Sie konnte nie irgendetwas verbergen und sprudelte regelmäßig einfach vor sich hin. Ein offenes Buch für jeden.
 

»Ach, Cocktails. Unnötig viel Flüssigkeit für wenig enthaltenen Alkohol. Letztendlich wollen wir doch wissen, wer von uns beiden mehr verträgt, nicht?«
 

Riko wusste bereits, dass sie eindeutig gar nichts vertrug, weil sie noch nie in ihrem Leben Alkohol getrunken hatte. Einmal abgesehen davon, dass sie zu jung dafür war, hatte sie die Vorstellung von vollständigem Kontrollverlust noch nie sonderlich verlockend gefunden. Wenn ihre Jungs wüssten, dass sie Alkohol trank, obwohl sie ihr Team immer wieder davor warnte, dies nicht zu tun, dann würden die ihr sicherlich lebenslang die Hölle heiß machen. Riko schluckte. Sie wollte nicht klein beigeben. Also holte sie tief Luft und schob Momoi das Schnapsglas entgegen.

»Was gibt’s?«, wollte sie betont lässig wissen. Momoi betrachtete Riko aus funkelnden Augen.

»Pflaumenschnaps«, sagte sie und zeigte Riko die schmale Flasche, ehe sie den Deckel öffnete und ihnen beiden ein Glas einschenkte. Im Hintergrund lief leise Musik einer Rockgruppe, die Riko nicht kannte und sie hatte vor lauter Aufregung – die sie im Leben niemals zugeben würde – noch keine wirkliche Gelegenheit gehabt, sich in Momois Wohnung genauer umzuschauen.
 

»Das ist das erste Mal, dass wir uns allein treffen«, stellte Momoi zufrieden fest und schob Riko ihr volles Glas entgegen. Riko schnupperte neugierig an der bernsteinfarbenen Flüssigkeit und verzog das Gesicht. Ihr Blick huschte hinüber zu Momois Nachtschrank, auf dem neben einem Bild von ihr und einer älteren Frau, die wohl ihre Mutter war, ein gerahmtes Foto von Momoi und Aomine stand. Aomine sah gelangweilt aus wie eh und je, aber Momoi strahlte, als wäre sie frisch verheiratet.

»Prost«, sagte Momoi lächelnd und hob ihr Glas in Rikos Richtung. Riko tat es ihr gleich und trank den Schnaps in einem Schluck. Er brannte in ihrer Kehle, aber sie verbot es sich zu husten. Momoi schien kein bisschen beeindruckt von der scharfen Flüssigkeit, die nur im allerentferntesten Sinne nach Pflaume schmeckte.
 

»Und? Wie lange seid ihr schon zusammen, Aomine-kun und du?«, wollte Riko wissen und nahm sich einen der Kekse, die Momoi bereit gestellt hatte. Es war ein sehr schönes Schlaf- und Wohnzimmer, sehr pastellfarben und rüschig und mädchenhaft eingerichtet. Riko kannte die Bands auf den Postern nicht, die Momoi über ihrem Bett verteilt hatte. Aber sie erkannte eine beachtliche Sammlung von Anime-Actionfiguren in einem Regal und den riesigsten Kleiderschrank, den sie je gesehen hatte. Wer wusste schon, wie viele Miniröcke und tief ausgeschnittene Blusen Momoi darin versteckte?
 

Momoi machte Augen rund wie Teller und starrte über den niedrigen Tisch hinweg Riko an, die ungnädig feststellte, dass ihr Herz stolperte.

»Zusammen? Dai-chan und ich? Wie kommst du denn auf diese Idee?«, fragte sie und kicherte leise, ehe sie ihre Schnapsgläser erneut füllte. Mit amüsiert funkelnden Augen musterte sie Riko, die spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. Sie hasste es so sehr, dass Momoi sie so leicht aus der Ruhe bringen konnte. Es war ja nicht so, als wäre Riko normalerweise die Ruhe in Person, – Teppei und Junpei brachten sie regelmäßig auf die Palme und von Kagami wollte sie gar nicht erst anfangen – aber kein Mensch bescherte ihr so schnell Wutanfälle und andere Gefühlsausbrüche wie Momoi. Das würde sie Kagami besser nicht sagen, sonst würde dieser Volltrottel sich noch in Sicherheit wiegen.
 

»Naja, ihr hängt dauernd beieinander rum und du hast wegen ihm geweint und… so? Also, ich dachte erst, dass du Kuroko-kun magst, aber mit dem verbringst du ja nicht so viel Zeit«, erklärte Riko unbehaglich und spülte den nächsten Schnaps hastig herunter. Momoi winkte ab.

»Dai-chan ist wie mein Bruder. Und ich mochte Tetsu-kun wirklich sehr, aber ich denke, wir passen nicht besonders gut zueinander«, erklärte Momoi nachdenklich. Sie fuhr mit ihrem schlanken Zeigefinger am Rand des Glases entlang und Riko folgte der Bewegung. Beinahe kam sie sich ein wenig hypnotisiert vor. In ihrem Kopf schienen sich die Gedanken zu verlangsamen. Riko mochte das Gefühl nicht besonders. Sie brauchte ihren Kopf klar, damit sie schnell und präzise alles Wichtige analysieren konnte…
 

Andererseits war sie mit Momoi allein und Momoi zu analysieren war unmöglich. Noch etwas, das Riko sehr wurmte.

»Magst du denn jemanden, Riko-san? Hyuuga-kun vielleicht? Oder Kiyoshi-kun?«, wollte Momoi beiläufig wissen und wenn Riko noch etwas Schnaps im Mund gehabt hätte, hätte sie sicherlich daran verschluckt. Die Vorstellung, mit einem dieser beiden Trottel irgendetwas anderes als befreundet zu sein, war aberwitzig. Sie stellte sich Teppei im Anzug und mit Rosen im Arm vor und lachte. Was für eine absurde Vorstellung. Teppei und Junpei könnten miteinander ausgehen. Das konnte sie sich schon eher vorstellen.
 

»Nein. Nein, die beiden Armleuchter sind meine besten Freunde, aber… Nein. Definitiv nicht.«
 

Momoi nickte und sah dabei sehr wissend aus.
 

»Noch ein Schnaps, Riko-san?«, fragte sie schmunzelnd. Riko straffte ihre Schultern. Als würde sie jetzt aufgeben!
 

»Klar. Gegen dich verlier ich sicher nicht!«
 

*
 

»Und dann… hat er sich die Haare blond gefärbt.«
 

»Nein! Wie schrecklich!«
 

»Er sah so bescheuert aus, du kannst es dir nicht vorstellen.«
 

Riko fühlte sich kichrig und wattig im Kopf. Momoi und sie hatten die Flasche zu drei Viertel geleert und wenn Riko sich zu hastig bewegte, dann drehte sich Momois Zimmer ein wenig. Sie hatten mittlerweile aufgehört zu zählen, wer wie viele Pflaumenschnäpse getrunken hatte. Riko notierte für sich, dass Momoi vermutlich gewonnen hatte. Aber solange sie das Thema nicht noch einmal ansprach, vergaß Momoi diese Wette ja womöglich…
 

»Du, Riko-san?«, meinte Momoi. Riko drehte den Kopf. Sie hatten sich im Laufe ihres Wetttrinkens einmal quer durchs Zimmer und auf Momois Bett bewegt. Die Flasche stand auf dem Nachtschrank direkt neben dem Foto von Aomine und Momoi und Riko fragte sich, ob die beiden wirklich immer nur wie Bruder und Schwester gewesen waren.
 

»Hmhm?«
 

»Findest du mich eigentlich sehr schrecklich?«
 

Riko blinzelte. Momoi schaute ihr aus ihren großen Augen entgegen und Riko fragte sich, ob sich in ihrem Kopf auch alles so schwammig anfühlte. Ob Momoi wirklich dachte, dass Riko sie schrecklich fand? Wieso würde sie dann hier mit ihr sitzen und über Junpeis Haare lachen?
 

»Blödsinn«, sagte Riko und wedelte mit ihrer Hand durch die Luft. Ihre Augen schienen sich genauso wie ihr Gehirn verlangsamt zu haben, da die Bewegung scheinbar Schlieren auf ihren Sehnerven zog. Alkohol war wirklich eine tückische Sache.

»Du findest mich nicht schrecklich?«
 

»Nein.«
 

»Ganz sicher?«
 

Riko grummelte und verschränkte die Arme vor der Brust.
 

»Ich finde dich empörend und viel zu schlau und es ist gemein, dass deine Brüste so viel größer sind als meine und man dauernd drauf starren muss und du treibst mich ständig zur Weißglut und deine Röcke lenken mich ab!«
 

Riko nickte bekräftigend und sah Momoi vorwurfsvoll an. Auch jetzt konnte man eindeutig zu viel Oberschenkel sehen und auch der weiteste Pullover der Welt konnte nicht verbergen, dass Momois Oberweite sehr viel beeindruckender war als Rikos.
 

»Ich mag deine Brüste.«
 

»Was?«
 

Riko konnte Momois Gesichtsausdruck nicht so recht deuten. Vielleicht plante Momoi jetzt irgendeinen fiesen Scherz, weil Riko ihr gesagt hatte, dass Momoi sie dauernd zur Weißglut brachte… Wahrscheinlich hatte sie sich verhört. Alkohol konnte ja sicherlich auch auf die Ohren schlagen. Das Zimmer schien sich mittlerweile in ein Karussell verwandelt zu haben, denn alles, was sich nicht bewegte, war Momoi, die ihr mit großen Augen gegenüber saß und sie abwartend musterte. Riko blinzelte, dann sprang sie so hastig auf, wie es ihr möglich war und riss die Balkontür auf, die eindeutig näher lag, als das Bad.
 

»Ah, Riko-san…«, säuselte Momoi von der offenstehenden Balkontür herüber, während Riko sich über die Brüstung hinunter in den Garten des Mehrparteienhauses übergab, »Ich glaube, das heißt, dass ich gewonnen habe.«
 

Ja, dachte Riko benommen und aufgebracht, Momoi war ein Teufel und Riko würde ihr dieses Desaster heimzahlen. Auch wenn sie noch nicht wusste, wie genau sie das anstellen wollte. Aber immerhin trainierte sie eine Truppe junger Kerle, die schlimmer zu hüten war, als eine Tüte Mücken, also würde sie mit Momoi sicherlich auch noch fertig werden. Auch, wenn es nicht mehr heute sein würde.

Glück im Unglück

Takao ist sich ziemlich sicher, dass Shin-chan ihn für blöd hält. Er würde ja deswegen beleidigt sein, wenn diese Annahme seitens Shin-chan nicht zu ziemlich vielen amüsanten Szenen führen würde, über die Takao dann wiederum wochenlang lachen kann. Zugegeben, ein gebrochener linker Arm und eine Gehirnerschütterung sind nicht besonders witzig, aber die Art und Weise, wie Shin-chan mindestens zehn Mal vor seiner Krankenhauszimmertür stehen bleibt, dann wieder umdreht und mehrmals daran vorbei läuft, ist ziemlich amüsant. Takao fühlt sich beinahe ein wenig gerührt und vielleicht wird ihm auch ein wenig warm angesichts der Tatsache, dass Midorima Shintarou – selbsternannter Eigenbrödler und erhaben über alles Menschliche und alle niederen Geschöpfe, die sich um ihn tummeln – ihn im Krankenhaus besucht, weil er sich Sorgen macht.
 

Nicht, dass Takao Shin-chan gegenüber erwähnen würde, dass er glaubt, dass Shin-chan sich Sorgen macht. Dann würde Shin-chan vermutlich empört schnauben, aufstehen und wieder gehen. So allerdings sitzt das Ass des Shutoku Basketballteams steif und etwas unbeholfen an Takaos Bett und stellt mit grimmiger Präzision einen ausgesprochen hässlichen Porzellan-Tanuki auf Takaos Nachttisch. Takao muss nicht erst fragen, was das bedeutet.
 

»Mein Glücksgegenstand für heute?«, fragt er grinsend und Shin-chan schiebt seine Brille hoch, ehe er ruckartig nickt.
 

»Vielleicht hätte ich so ein Ding gestern gebraucht«, sagt er amüsiert und es war als Scherz gemeint, aber Shin-chan kneift seine Lippen zusammen und starrt Takao anklagend an, als wäre Takao derjenige gewesen, der diesen Unfall verursacht hat. Nur fürs Protokoll, er war eindeutig nicht schuld. Nicht mal ein wenig.
 

»Takao, fahr schneller, wir kommen zu spät!«
 

»Es geht verflucht noch mal bergauf, Shin-chan!«
 

»Vielleicht ist es nötig, dass wir zu deinem Training mehr Fokus auf die Beinmuskulatur legen.«
 

»Meine Beinmuskulatur ist hervorragend, vielen Dank, eure Majestät!«
 

»Offensichtlich nicht! Und jetzt beeil dich, ich glaube gerade hat eine alte Frau uns zu Fuß überholt.«
 

»Shin-chan, nächstes Mal kannst du selber zum Training fahren!«
 

»Auf keinen Fa– Takao!«
 

Takao erinnert sich noch ganz genau an Shin-chans Stimme in diesem Moment. Nicht, dass er Shin-chan jemals besonders emotional erlebt hätte, aber er hätte schwören können, dass die Stimme von Shin-chan ein wenig panisch geklungen hatte. Es war vermutlich gut gewesen, dass sie relativ langsam gefahren waren, denn als sich die Tür des parkenden Autos öffnete und Takao vornüber über den Lenker und dann auf die Straße krachte, hatte er sich lediglich den Arm gebrochen, einige Schürfwunden und eine leichte Gehirnerschütterung zugezogen.
 

Er hatte auf dem harten Asphalt gelegen und vor Schmerz und Schock nach Luft geschnappt, während ein wütender Shin-chan den Übeltäter lauthals zusammengestaucht hatte, ehe er sich neben Takao auf den Boden hockte. Takao hat immer noch Schwierigkeiten sich klar zu machen, dass Midorima Shintarou neben ihm auf dem Fußboden gekniet und sich mit weißem Gesicht die leichte Platzwunde an seinem Kopf angeschaut hat. Und Takao würde auch nicht das heftige Zusammenzucken vergessen, als er vor Schmerz aufgeschrien hat, nachdem er versucht hat, seinen linken Arm zu bewegen.
 

»Ich habe dir schon öfter nahegelegt, dich mehr mit Oha Asa auseinander zu setzen«, sagt Shin-chan und friemelt an einem scheußlichen Entenschlüsselanhänger herum, der wohl seinen eigenen Glücksgegenstand für den heutigen Tag darstellt. Takao glaubt nicht an diesen ganzen Astrologiekram, aber er weiß, dass es Shin-chan wichtig ist, deswegen lacht er so selten wie möglich darüber.
 

»Ich würde sagen, ein gebrochener Arm ist genug Unglück für ein paar Jahre. Vielleicht verschont das Schicksal mich jetzt wieder für längere Zeit«, meint Takao grinsend und mustert seinen Gipsarm. Wenigstens war es glatter Bruch, der hoffentlich nicht allzu braucht, um zu heilen. Er muss dringend trainieren und er wird es sicherlich vermissen, Shin-chan herumzukutschieren. Auch, wenn er das im Leben nicht laut sagen würde. Vielleicht ist es auch nicht unbedingt das Kutschieren an sich, sondern die Zeit, die er dabei mit Shin-chan verbringt.
 

Takao hat schon vor einiger Zeit aufgegeben sich einzureden, dass er nicht Hals über Kopf in Midorima Shintarou verknallt ist. Er lebt seine Zuneigung so wenig wie möglich aus und begnügt sich mit dem gelegentlichen Schulterklopfen. Nicht, dass seine ausgeprägte Fantasie dazu neigt, abends, wenn er allein im Bett liegt, in seinem Kopf Dinge mit Shin-chan anzustellen, die Shutokus Ass sicherlich die Wände hochtreiben würden, wenn er davon wüsste, aber… Nun ja. Takao ist es gewöhnt, dass er nicht alles haben kann, was er will, und Shin-chans Freundschaft ist genug für ihn.
 

»So funktioniert es nicht«, sagt Shin-chan missgelaunt und schiebt schon wieder seine Brille nach oben. Takao fragt sich, ob es eine Geste der Arroganz oder der Unsicherheit ist. Vielleicht ist es auch beides.

»Ich weiß, Shin-chan. Ich hab nur einen Witz gemacht«, sagt Takao und nimmt den hässlichen Tanuki von seinem Nachtschrank, um ihn näher in Augenschein zu nehmen.

»Die Situation ist alles andere als lustig!«, schnappt Shin-chan säuerlich und Takao mustert ihn über den Porzellan-Tanuki hinweg. Er kann nicht anders, als zu lächeln.
 

»Es ist nett, dass du dir Sorgen machst, Shin-chan«, meint er leise und ärgert sich beinahe ein wenig darüber, dass er es jetzt doch gesagt hat. Allerdings steht Shin-chan nicht sauer schnaubend auf, sondern läuft scharlachrot an und murmelt unverständliche Dinge, ehe er anfängt, seine Brille zu putzen. Takao blinzelt verwirrt. Das ist eindeutig neu. Er wird sich diesen Anblick einprägen und noch Jahre davon zehren, dass er Midorima Shintarou in Verlegenheit gebracht hat.
 

»Wollen wir einen kleinen Spaziergang machen? Ich kann die weißen Wände jetzt schon nicht mehr sehen«, schlägt Takao schließlich vor und Shin-chan hört auf, seine Brille zu polieren. Vielleicht fühlt er sich durch den Themenwechsel in Sicherheit gewiegt, denkt Takao. Er wartet nicht auf eine Zusage seitens Shin-chan, sondern schiebt seine Bettdecke beiseite und schwingt enthusiastisch die Beine aus dem Bett. Dann versucht er vergeblich und vermutlich reichlich erbärmlich, in eine warme Strickjacke zu schlüpfen, die seine Mutter ihm vorbeigebracht hat.
 

Nachdem er sich zweimal im Kreis gedreht hat, um sich die Jacke über die Schulter und den verletzten Arm zu ziehen, steht Shin-chan abrupt auf und macht einen Schritt zu Takao hinüber. Takao schaut verwundert auf und dann zupft Shin-chan an der Jacke herum und hilft Takao dabei, sie sich so gut es geht anzuziehen. Vielleicht liegt er doch eigentlich im Koma und weiß es nur nicht, denkt Takao sich und starrt hoch in das strenge Gesicht seines Freundes.
 

»Danke, Shin-chan«, sagt er grinsend und beobachtet interessiert, wie neuerliche Röte in Shin-chans Wangen kriecht.

»In deine Schuhe kommst du ja wohl allein, oder?«, blafft Shin-chan ihn an und Takao lacht leise, während er in seine ausgesprochen hässlichen Hundehausschuhe schlüpft – ebenfalls ein Mitbringsel seiner Mutter. Und das, obwohl man Takao versichert hat, dass er nur wenige Tage dort bleiben muss.
 

Takao schnauft angestrengt, weil ihm immer noch alles wehtut, und das bringt ihm einen forschen Seitenblick von Shin-chan ein.

»Alles gut, Shin-chan«, sagt er, aber er hätte es besser wissen und sich das Schnaufen verkneifen müssen.

»Du hast Schmerzen«, stellt Shin-chan fest und er baut sich vor der Zimmertür auf, als Takao versucht an ihm vorbei zu schlüpfen. Takao seufzt resigniert.

»Shin-chan, ich bin über meinen Lenker auf die Straße geflogen, natürlich tut mir alles weh. Das heißt nicht, dass ich vollkommen invalide bin«, gibt Takao zurück und greift hoffnungsvoll nach der Türklinke, aber Shin-chan ist unerbittlich und deutet mit strenger Miene auf Takaos Bett.
 

»Ich langweile mich zu Tode«, quengelt Takao unzufrieden und würde gern die Arme verschränken, aber wegen des Gipsarms ist ihm sogar das verwehrt. Shin-chan schnaubt und schaut einen Moment lang an Takao vorbei.

»Du kannst fernsehen«, sagt Shin-chan und deutet auf den Fernseher auf einem Regal gegenüber von Takaos Bett. Takao grummelt leise.

»Allein fernsehen ist scheiße«, verkündet er und setzt sich resigniert wieder aufs Bett. Shin-chan ist schlimmer als jede Krankenschwester. Shin-chan räuspert sich.
 

»Wenn du keine lächerlichen Cartoons anmachst, können wir zusammen fernsehen«, sagt er und Takao fällt beinahe die Kinnlade auf seine hässlichen Hausschuhe. Midorima Shintarou ist über Fernsehen erhaben. Und Interaktion mit anderen wird auch auf das Nötigste beschränkt. Takao starrt ihn an, aber dann wird ihm klar, dass Shin-chan sicher sauer wird, wenn er sich weiter so blöd verhält, also zieht er seine Beine aufs Bett, rutscht ein Stück und klopft versuchsweise neben sich auf die Matratze. Es ist ein ziemlich enges Bett und vermutlich wird Shin-chan ablehnen, so nah bei ihm zu sitzen…
 

»Ich nehme die Fernbedienung«, verlangt Shin-chan herrisch und greift danach, während er sich zu Takaos Verblüffung tatsächlich neben ihm auf dem Bett niederlässt und steif und umständlich seine Beine ausstreckt. Takao spürt, wie ihre Schultern sich berühren und er wünscht sich in diesem Moment sehr, dass er sich an Shin-chan schmiegen dürfte.

»Kein Schach-Turnier«, sagt Takao mit einem möglichst strengen Seitenblick und Shin-chan sieht beinahe aus, als würde er schmollen.

»Schach ist ein ausgesprochen spannendes Spiel. Dir fehlt es nur an Feinfühligkeit und Intelligenz, um das zu erkennen«, gibt Shin-chan zurück und Takao seufzt schmunzelnd. Er wusste ja, dass Shin-chan ihn für blöd hält.
 

Sie landen letztendlich bei einer Kochsendung, was Takao für absolut wahnwitzig hält, aber er wird sich nicht beschweren, weil Shin-chan dicht an ihn gepresst neben ihm sitzt und konzentriert die Stirn gerunzelt hat, was Takao absolut hinreißend findet.

»Tut mir Leid, dass ich dich jetzt länger nicht beim Training unterstützen kann. Und dass ich dich nicht rumfahren kann«, sagt er, während er beobachtet, wie ein Lachs filetiert wird. Shin-chans Augenbraue zuckt und er dreht den Kopf, um Takao anzusehen.
 

Er sieht beinahe so aus, als hätte er ein schlechtes Gewissen. Takao starrt. Und starrt. Shin-chan räuspert sich und bekommt rote Ohren und Takao wird klar, dass er Recht hat. Shin-chan hat ein schlechtes Gewissen, weil Takao diesen Unfall hatte.

»Red keinen Blödsinn«, sagt Shin-chan, aber seinen Worten fehlt die übliche Schärfe. Dann…

»Ich kann zur Abwechslung auch mal fahren.«
 

»Was?«
 

»Du hast mich gehört.«
 

»Shin-chan, du willst mich rumfahren?«
 

»Das hab ich doch gerade gesagt, oder nicht?«, schnaubt Shin-chan und verschränkt die Arme vor der Brust. Takao starrt noch ein bisschen mehr und schluckt, während sein Herz ziemlich doll zu hämmern beginnt. Shin-chan würde sonst garantiert niemanden in der Gegend herumfahren. Soviel steht fest.
 

»Wenigstens kommen wir dann mal eine Zeit lang nicht mehr nur im Schneckentempo voran.«
 

Takao schnaubt und muss lachen und bufft Shin-chan mit seinem Gipsarm an. Dann, weil er sich übermütig und leicht fühlt, weil Shin-chan sich Sorgen macht und verlegen war und ihn durch die Gegend fahren will, weil er Takao gut leiden kann, legt Takao seinen Kopf auf Shin-chans Schulter ab. Shin-chan versteift sich wie erwartet, aber er sagt nichts und beschwert sich nicht und rutscht auch nicht aus Takaos Reichweite. Nach einigen elendig langen Sekunden entspannt er sich wieder und zu Takaos grenzenloser Überraschung spürt er, wie ein Arm sich hinter ihm auf sein Kissen legt, sodass man beinahe meinen könnte, Shin-chan hätte seinen Arm um ihn gelegt. Takaos Herz ist kurz vorm Explodieren.
 

Nicht, dass er sich darüber freut einen Gipsarm und einen schmerzenden Körper zu haben, aber wenn er sich den heutigen Tag als Resultat des Unfalls anschaut, dann hat er doch eindeutig Glück im Unglück gehabt.

Fragen über Fragen

»Riko-san, ich wollte noch mit dir sprechen!«
 

Riko wandte sich um und sah Teppei lächelnd auf sich zukommen. Sie legte fragend den Kopf schief und musterte ihren besten Freund. Automatisch dachte sie daran, dass Teppei womöglich eine Neuigkeit hinsichtlich seines Knies hatte, doch als er sich geheimniskrämerisch umblickte, um zu sehen, ob sie auch ja im Korridor vor den Klassenzimmern allein waren, wurde sie sofort misstrauisch.

»Was gibt es?«, fragte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. Teppei hatte in den letzten Wochen merkwürdige Anwandlungen gezeigt und Riko konnte nicht sagen, dass sie sich mit dieser neuen Entwicklung wohl fühlte. Und tatsächlich…
 

»Es geht um diese Sache, nach der ich dich letzte Woche gefragt hatte«, erklärte Teppei bestens gelaunt und lächelte so unentwegt wie immer. Riko war sich sicher, dass Teppei auch noch lächeln würde, wenn jemand ihm ein Katzenbaby unter der Nase wegklaute.

Riko holte tief Luft und seufzte leise.

»Also schön«, brummte sie und zerrte Teppei um die Ecke und den Gang entlang, ehe sie ihn in ein verlassenes Klassenzimmer bugsierte und die Tür hinter ihnen schloss.
 

»Spuck es aus«, verlangte sie resigniert.
 

Teppei sah erfreut und erleichtert aus und Riko wappnete sich für das kommende.

»Wenn ich Hyuuga auf ein Date einladen und dabei vermeiden wollen würde, dass er mir einen Tisch an den Kopf wirft, was glaubst du, wie ich am besten vorgehen sollte?«
 

Riko ächzte.
 

Seit vier Wochen war Teppei hochmotiviert, mit Riko über seine langanhaltende Zuneigung zu Hyuuga-kun zu sprechen und sie konnte nicht sagen, dass sie sich selbst als Dating-Expertin sah. Doch Teppei – so hatte Riko schnell festgestellt – wollte keine Beratung von einer Dating-Expertin. Er wollte Ratschläge von einer Hyuuga-Junpei-Expertin und für genau diese hielt er Riko. Riko musste natürlich zugeben, dass Hyuuga eindeutig zu ihren engsten Freunden zählte, sie ihn recht gut zu kennen glaubte und ihm nur das beste auf der Welt wünschte – wenn er nicht gerade ihre Kochkünste beleidigte – aber über Hyuugas Liebesleben wusste sie nichts. Und sie hatte nie vorgehabt, dieses Unwissen zu korrigieren.
 

»Besorg dir Schutzkleidung?«, entgegnete Riko unmotiviert und trat nervös von einem Bein auf das andere. Sie würde es Teppei und Hyuuga-kun gönnen, wenn sie einander finden würden, soviel stand fest. Aber musste sie direkt in diesen Prozess involviert sein?

»Im Ernst, Riko-san! Das ist wirklich wichtig«, drängte Teppei mit großen Augen und Riko seufzte leise. Er sah aus wie ein großer Teddybär. Wie um alles in der Welt sollte sie ihm irgendwas abschlagen?
 

»Vielleicht könntest du ihn einfach per SMS um ein Date bitten, dann entgehst du der Gefahr von Körperverletzung und Hyuuga-kun hat Zeit, sich darüber Gedanken zu machen und sich zu beruhigen, bevor er dir eine Antwort gibt«, schlug sie vor. Teppei schien darüber nachzugrübeln. Riko fand ihren Vorschlag durchaus kompetent. Hyuuga-kun war nicht unbedingt der sensibelste Mensch und wenn man ihn mit solchen Gefühlsduseleien direkt konfrontierte, wer wusste dann schon, was passierte?

»Aber ist das nicht unromantisch?«, wollte Teppei wissen. Riko stöhnte angestrengt. Dieses Thema war eindeutig nicht ihr liebster Zeitvertreib.

»Es ist Hyuuga-kun. Er ist kein besonders romantischer Typ«, entgegnete Riko und hoffte, dass sich das Thema damit erledigt hatte. Teppei nickte nachdenklich, dann strahlte er zu ihr hinunter.
 

»Danke, Riko-san. Du bist die Beste!«
 

Und mit diesen Worten eilte er von dannen.
 

*
 

»Riko-san!«
 

Riko legte einen Zahn zu und schritt so energisch den Gang entlang, dass eine Gruppe Erstklässler ihr ängstlich aus dem Weg sprang.
 

»Riko-san, ich hab eine dringende Frage!«
 

»Geht es um Basketball?«
 

»Nicht direkt…«
 

»Dann habe ich keine Zeit.«
 

»Aber Riko-san, es ist wirklich sehr wichtig!«
 

Riko blieb stehen und stemmte die Hände in die Hüfte.
 

»Geht es um Hyuuga-kun?«
 

Teppei nickte. Riko holte einige Male tief Luft und schloss die Augen, um ihre Kräfte zu sammeln.
 

»Also schön. Was ist es diesmal?«
 

Wieso nur konnte sie Teppei nichts abschlagen? Diese treudoofen braunen Augen waren eine Gefahr für die Allgemeinheit!
 

»Angenommen Hyuuga-kun hätte zu einem Date ja gesagt… wo würde ich wohl am besten mit ihm hingehen?«
 

Riko spürte, wie ihre Augenbraue zuckte. Sie stieß halb empört, halb verzweifelt die Luft aus und dachte einen Augenblick lang nach.

»Ihr solltet was machen, was ihr beide gut findet«, meinte sie. Teppei nickte eifrig und trat einen Schritt näher. Riko brummte unzufrieden.

»Du könntest Basketballkarten für euch besorgen«, schlug sie vor. Teppei strahlte wie die aufgehende Sonne.
 

»Eine hervorragende Idee, Riko-san!«
 

»War es das?«
 

»Fürs Erste schon, ja. Danke!«
 

»Dann sehen wir uns nachher beim Training.«
 

*
 

»Riko-san!«
 

Riko zwängte sich hastig in eine Abstellkammer und zog die Tür hinter sich zu. Sie hielt den Atem an, doch ihre Gebete wurden nicht erhört. Einen Augenblick später wurde die Tür aufgerissen und Teppeis verwundertes Gesicht schaute ihr entgegen.
 

»Aber Riko-san, was tust du denn in einer Besenkammer?«, wollte er wissen. Riko winkte ab und trat schwer seufzend aus dem Besenschrank hinaus in das Licht des Korridors.

»Geht es um Hyuuga-kun?«, fragte Riko resigniert und stellte in diesem Moment fest, dass Teppei ein Veilchen um das rechte Auge hatte.
 

»In der Tat«, sagte Teppei bestens gelaunt. Riko hob die Augenbrauen.
 

»Hat er dir das Veilchen verpasst?«, wollte sie wissen. Teppei winkte ab.
 

»Nicht der Rede wert. Ich war etwas zu forsch und habe ihm meine Gefühle in der Halbzeit des Spiels gestanden. Er wird sich bestimmt wieder beruhigen«, sagte Teppei zuversichtlich und Riko schüttelte leicht den Kopf. Hyuuga-kun war eine emotionale Abrissbirne, das war ihr schon immer klar gewesen. Aber dass er sich mit seinem Liebesglück so schwer tat, hätte sie nicht erwartet.
 

»Was ist es diesmal?«, fragte sie und warf einen Blick auf ihre Armbanduhr, wobei sie hastig darüber nachgrübelte, welche Ausrede sie erfinden könnte, um sich einem erneuten Gespräch über Teppeis Liebesleben zu entziehen.
 

»Angesichts Hyuuga-kuns… heftiger Reaktion auf mein Geständnis…«, begann Teppei und Riko schnaubte beim Anblick des Veilchens. Hyuuga-kun sollte irgendwann wirklich ein Anti-Aggressionstraining besuchen.

»Wie glaubst du sollte ich es am besten anstellen, wenn ich ihn zum ersten Mal küssen möchte?«
 

Riko atmete mehrere Male tief ein und aus und bemühte sich krampfhaft, Teppei nicht am Kragen zu packen und ihm noch ein zweites Veilchen zu verpassen. Woher sollte sie wissen, wie man Hyuuga-kun am besten küsste? Sie hatte noch überhaupt niemanden geküsst! Es war ja nicht gerade so, als würde ihr eigenes Liebesleben erfolgreich Früchte tragen. Als sie Momoi-san das letzte Mal gesehen hatte, war sie beinahe von der Trainerbank gekippt und hatte sich den Hinterkopf aufgeschlagen, weil ein Knopf von Momois Bluse abgesprungen war. Sie war keinen Deut besser als all die sabbernden Jungs um sie herum, die sie anschließend zwanzig Runden ums Schulgelände geschickt hatte.
 

»Ich würde sagen, dass du ihm Zeit lassen solltest, bis er sich seine eigenen Gefühle eingestanden und sich daran gewöhnt hat, mit dir auf Dates zu gehen…«, sagte sie zähneknirschend in Gedanken an Momoi-sans offene Bluse. Vielleicht brauchte sie Urlaub.
 

»Vermutlich hast du Recht. Ich muss einfach mehr Geduld haben«, sagte Teppei einsichtig und wiegte den Kopf nach links und nach rechts. Er tätschelte Riko das Haar und winkte ihr zu, ehe er sich von dannen machte. Dumpf fragte Riko sich, wen sie eigentlich nach Ratschlägen fragen sollte, wenn sie Tipps in Sachen Lieben brauchte.
 

*
 

»Riko-san!«
 

Riko blieb wie angewurzelt stehen. Sie hatte nun seit zwei ganzen Monaten ihren Frieden gehabt und im Stillen beobachtet, wie Teppei und Hyuuga-kun sich allmählich näher gekommen waren. Eine Entwicklung, die sie durchaus zu schätzen wusste – solange die beiden sich trotzdem aufs Training konzentrierten. Doch sie kannte diesen Ton, den Teppei anschlug, wenn er nach ihr rief und es nicht um Basketball ging, mittlerweile sehr gut.
 

»Was gibt es?«, fragte sie misstrauisch und wandte sich zu Teppei um, der freudestrahlend auf sie zukam und winkte. Sie erinnerte sich noch lebhaft an das Veilchen, das Teppei am Anfang seiner Beziehung gehabt hatte. Mittlerweile schien Hyuuga-kun sich ein wenig beruhigt zu haben.
 

»Ich muss dich noch mal was fragen«, sagte Teppei verschwörerisch und beugte sich ein wenig vor.

»Ich glaube, Junpei-kun und ich sind langsam soweit, den nächsten Schritt zu gehen. Wie genau glaubst du– Riko-san?«
 

»GAUBST DU IM ERNST, DASS ICH IRGENDETWAS DARÜBER WISSEN WILL? ES REICHT! DREIßIG RUNDEN UMS SCHULGELÄNDE! UND WEHE DU ERWÄHNST DIESES THEMA JEMALS WIEDER!«
 

»Au, au, Riko-san, bitte beruhige dich!«
 

»DREIßIG RUNDEN!«
 

Wutschnaubend und mit hochrotem Kopf sah sie Teppei nach, der sich hastig den Gang entlang entfernte. Schwer atmend wandte sie sich um, um in ihren Unterricht zu gehen. Rikos Handy vibrierte in ihrer Tasche und immer noch empört, verlegen und ein wenig fassungslos kramte sie es hervor.
 

»Hallo Aida-san! Möchtest du diesen Samstag mit mir ein Eis essen gehen? Ich würde mich sehr freuen! Liebste Grüße, Satsuki«

Geduldsprobe

Entgegen vieler böser Zungen war Kasamatsu Yukio ein durchaus geduldiger Mensch. Es brauchte ein gewisses Maß an Geduld, um der Captain eines Basketballteams zu sein, oder sich um kleinere Geschwister zu kümmern, oder eine Großmutter zu haben, die sehr vergesslich war. All diese Aufgaben meisterte Yukio mehr oder weniger gut. Und auch, wenn er am Anfang über seine Position als Captain des Kaijou Basketballteams Zweifel gehabt hatte, so hatte er mit der Zeit doch feststellen dürfen, dass ihm diese Verantwortung besser lag, als er gedacht hatte. Er hatte stets die besten Interessen seiner Mannschaft im Blick. Mit nur einigen Ausnahmen. Und es gab nur wenige Menschen auf der Welt, die Kasamatsu Yukios Geduld hart auf die Probe stellten.
 

Die Zerreißprobe seiner Geduld in all den Jahren seines Lebens hieß Aomine Daiki – ehemaliges Ass der Generation der Wunder und Arschloch extraordinär.
 

»Jo! Soll das hier das Basketballtraining sein?«
 

Yukio hatte alles an ihm verabscheut, sobald er ihn das erste Mal hatte höhnisch grinsen sehen. Von Aomines raubtierartigen Bewegungen bis hin zu dem Grübchen in seiner rechten Wange, das sich zeigte, wenn er feixte. Aomine war zu faul gewesen, eine anständige Clubbewerbung einzureichen, weswegen ein junges Mädchen es für ihn erledigt hatte. Sie hatte mit einem Lächeln verkündet, dass sie sich gern als Managerin des Clubs versuchen würde und obwohl Yukio nicht besonders viel Wert auf diese Dinge legte, hatte er zugestimmt.
 

Er hatte sich entgegen seiner Abneigung vom Coach dazu überreden lassen, Aomine Daiki in ihr Basketballteam aufzunehmen, denn »Ein ehemaliges Mitglied der Generation der Wunder können wir uns doch nicht entgehen lassen, Kasamatsu!«. Yukio scherte sich einen feuchten Dreck darum, ob jemand ein Mitglied der Generation der Wunder war, wenn er so ein Charakterschwein war wie Aomine Daiki. Dann wiederum kümmerte sich Aomine einen feuchten Dreck darum, was andere von ihm dachten.
 

Aomine besuchte die ersten drei Trainingsstunden, bevor er Yukios Geduldsfaden zum ersten Mal zum Reißen brachte.
 

»Mir ist langweilig. Oi, Satsuki! Wieso sind wir nicht ins Team von einer stärkeren Schule gegangen?«
 

»Aomine-kun!«
 

Momoi klang peinlich berührt und empört, doch ihre Gefühle konnten unmöglich so stark sein wie die von Yukio und seinen Teamkollegen. Aomine hatte sie gerade schwach genannt und das, nachdem er erst wenige Wochen in ihrem Club eingeschrieben war. Yukio sah die Feindseligkeit auf den Gesichtern seiner Mitspieler und spürte die köchelnde Wut, die bei Aomine Daikis Anwesenheit stets nah unter seiner Haut brodelte, hervorbrechen wie ein ungezähmtes Raubtier.
 

Yukio holte aus und verpasste Aomine Daiki – Wunderkind des japanischen Basketballs und Charakterschwein sondergleichen – einen heftigen Tritt in den Hintern. Aomine schwankte und strauchelte, sah sich ungläubig zu Yukio um und wirkte so, als würde er nur zu gern mit einem Kinnhaken antworten. Aber dann schnaubte er verächtlich, stopfte seine Hände in die Taschen seiner Sporthose und schlurfte aus der Halle.
 

»Aomine-kun! Aomine-kun, warte!«
 

Yukio blickte den beiden ohne Bedauern nach und wandte sich an seine Mannschaft. Viele dankbare und zufriedene Gesichter blickten ihm entgegen, was Yukio dazu befähigte, die wütenden Tiraden ihres Coachs auszublenden. Ihm war es egal, was Takeuchi sagte. Die Mannschaft funktionierte nicht richtig mit einem derartig arroganten Schnösel, der meinte, er könnte besser spielen als alle anderen Mitglieder des Clubs zusammen. Yukio wollte genauso gewinnen wie all seine Mannschaftskameraden, aber er wollte es nicht zu diesem Preis tun.
 

*
 

Aomine kehrte zwei Wochen später zurück und wenn Yukio nicht gewusst hätte, dass Aomine über Dinge wie Zähneknirschen erhaben war, dann hätte er darauf gewettet, ein derartiges Geräusch gehört zu haben, als Momoi Aomine zwang zuzugeben, dass er weiter zum Training kommen wollte. Momoi strahlte, Yukio stöhnte, der Coach war kaum zu bremsen vor Begeisterung und Moriyama überschlug sich beinahe in seinen eifrigen Versuchen, Momoi den Hof zu machen. Erst, als Kasamatsu ihm mit zusätzlichem Krafttraining drohte, hörte er auf.
 

Yukio wünschte, dass er hätte sagen können, dass sein letzter Tritt Aomine Daiki dazu gebracht hätte, ein wenig mehr Teamgeist zu zeigen. Nichts dergleichen war der Fall. Er forderte alle mehrmals auf, zu fünft gegen ihn allein anzutreten und prahlte mit seinen überlegenen Fähigkeiten.
 

»Wenn du so ein toller Hengst bist, hättest du auch zu einer angeseheneren Schule gehen können«, brummte Yukio ungehalten und boxte Aomine gegen den Muskelansatz des Oberarms. Aomine blickte drein, als würde er ihn sehr dringend zurück schlagen wollen. Yukio ließ sich von dem herablassenden Blick und den gewollt einschüchternd zusammen gezogenen Brauen nicht beeindrucken. Er war der Mannschaftskapitän von Kaijous Basketballclub und er würde sich von niemandem – nicht einmal vom selbsternannten König des Basketballs – derartig respektlos behandeln lassen.
 

Aomine Daiki schnaubte und wandte sich ab. Yukio befahl ihm zwanzig Extrarunden um die Halle, doch Aomine steckte einmal mehr seine Hände in die Hosentaschen und verließ unter Momois lauten Protesten die Halle.
 

Yukio hoffte, dass er nicht mehr wieder kommen würde.
 

*
 

Natürlich kam Aomine zurück.
 

Momois Gesichtsausdruck war mörderisch, als sie ihn dazu zwang, sich vor Yukio zu verbeugen, und da er es offenbar nicht über sich brachte, irgendeine Entschuldigung vorzubringen, übernahm Momoi das Sprechen für Aomine.
 

»Es tut ihm schrecklich leid, dass er so respektlos war, Kasamatsu-kun. Er möchte wirklich gerne mit euch Basketball spielen und wird sich ganz bestimmt von jetzt an anständig verhalten!«
 

Aomines Kopf ruckte nach oben und er starrte Momoi feindselig und abschätzig an.

»Was zum Teufel, Satsuki? Als würd ich so einen Scheiß je sagen«, knurrte er. Yukio hob eine seiner Augenbrauen. Er konnte die Blicke seiner Teamkameraden auf sich spüren und war fest entschlossen nicht nachzugeben. Es ging hier um Kaijous Ehre und um Yukios Position als Kapitän. Aomine würde ihn respektieren, oder er musste gehen.
 

»Wir haben in ein paar Wochen ein Trainingsspiel gegen Seirin. Sieh zu, dass du dich bis dahin zusammen reißt«, erklärte Yukio ungehalten. Bei der Erwähnung von Seirin blitzte etwas in Aomines Augen auf und Momois Gesichtsausdruck verzerrte sich für einen Moment. Dann lächelte sie.
 

»Ah, Aomine-kun, schau mal. Wenn du dich anständig benimmst, darfst du vielleicht gegen Tetsu-kun spielen.«
 

Yukio hatte keine Ahnung, wer genau Tetsu-kun war, doch irgendetwas an ihm schien in Aomine eine Art Antrieb zu aktivieren, denn er verschwand wortlos in Richtung Umkleide und kam wenige Minuten später umgezogen zurück.
 

Yukio fragte sich, ob Aomine Daiki schon immer so ein arroganter Saftsack gewesen war. Er konnte es sich kaum anders vorstellen.
 

*
 

Laut Momois Aussagen war Aomine nicht immer schon so ein arroganter Saftsack gewesen. An einem Dienstagnachmittag, als Aomine zum dritten Mal in Folge das Training schwänzte – oder verschlafen hatte, wie es laut Momois Aussage häufig passieren konnte – und Yukio Momoi mitteilte, dass er Aomine nach dem nächsten verpassten Training erneut rausschmeißen würde, erzählte sie Yukio vom alten Aomine Daiki.
 

»Er war immer schon ein basketballverliebter Volltrottel. Aber er war… nicht so. Er war ganz anders, weißt du? Aomine-kun hat immer mit einem Lächeln auf dem Gesicht Basketball gespielt, er hatte Spaß und konnte das nächste Training kaum abwarten. Sogar in seiner freien Zeit hat er fast nichts anderes gemacht, er hat alles gegeben, um besser zu werden…«
 

Yukio lauschte mit verschränkten Armen. Die Beschreibungen vom früheren Aomine deckten sich überhaupt nicht mit dem, was Yukio von ihm kannte. Er dachte an das gelangweilte Gähnen, die verächtliche Lässigkeit, mit der Aomine an ihnen vorbei dribbelte, das arrogante Funkeln in seinen Augen, wenn er einen seiner unglaublichen Würfe gelandet hatte… sich ein aufrichtiges Lächeln in diesem Gesicht vorzustellen, war für Yukio beinahe eine Unmöglichkeit.
 

»Ich hatte gehofft, dass er… wenn er vielleicht einmal verlieren würde… wenn er jemanden finden würde, der stärker ist als er… dann würde er vielleicht wieder der alte Aomine Daiki werden…«
 

Yukio schwieg. Er wollte Momoi nicht sagen, dass er seine Mannschaft nicht opfern wollte, um ihrem Freund ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Aber sie sah so traurig aus, dass Yukio beschloss, Aomine eine weitere Chance zu geben.
 

*
 

Yukio zwang den Coach, Aomine in der kompletten ersten Hälfte des Spiels gegen Seirin auf der Bank sitzen zu lassen.
 

»Was zum Teufel, Kasamatsu? Ich bin der beste Spieler in diesem verdammten Team! Wofür bin ich überhaupt aufgestanden, wenn ich jetzt hier rumhocken muss!?«
 

Yukio hob die Augenbrauen, holte aus und verpasste Aomine einen Klaps auf den Hinterkopf. Er versuchte die Tatsache zu ignorieren, dass Aomine ein gutes Stück größer war als er.

»Halt die Klappe und vertrau deinen Senpais!«, motzte er.
 

Aomine schnaubte wutentbrannt und verschränkte die Arme vor der Brust. Yukio wusste genau, was ihm auf der Zunge lag. Aomine vertraute niemandem, Vertrauen war für Schwächlinge. Teamplay war etwas für Schwächlinge. Aber er schwieg und ließ sich auf die Bank fallen. Yukio wandte sich ab. Er würde Aomine schon noch Manieren beibringen.
 

Sie gewannen an diesem Tag mit 102 zu 79 Punkten gegen Seirin. Es war ein recht ausgeglichenes Spiel gewesen, bis Aomine in der zweiten Hälfte eingewechselt worden war. Wenn es nach Aomine gegangen wäre, hätte er das Spiel im Alleingang gewonnen, doch Yukio und seine Teamkameraden waren stillschweigend überein gekommen, dass Aomine keinerlei Sonderbehandlung zufallen durfte, solange er sich derartig unsportlich verhielt. Hätten sie häufiger zu ihm gepasst, dann wäre ihr Sieg sicher sehr viel höher ausgefallen.
 

Yukio schaute hinüber zu Seirins Erstklässler-Paar, das ihnen einige Schwierigkeiten bereitet hatte. Er wusste jetzt, wer Tetsu-kun war. Und der Blick, den Aomine und Kuroko austauschten, ließ Yukio vermuten, dass auch Kuroko ein großes Interesse daran hatte, Aomine verlieren zu sehen.
 

»Nächstes Mal machen wir dich platt, Aomine!«, rief Kagami zu ihnen hinüber. Aomine grinste breit und mit so viel Arroganz, dass Yukio ihm am liebsten einen Zahn ausgeschlagen hätte. Er konnte mit Sicherheit sagen, dass er noch nie zuvor so häufig Gewaltfantasien einem anderen Menschen gegenüber gehegt hatte.
 

»Wohl kaum. Der Einzige, der mich besiegen kann, bin ich«, sagte Aomine. Yukio packte mit seiner Hand Aomines Kopf und zwang ihn – wie schon zuvor Momoi, als sie ihn zu einer Entschuldigung genötigt hatte – sich zu verbeugen.

»Was er eigentlich sagen wollte, war: Danke für das gute Spiel!«, rief er. Kagami und Kuroko nickten ihm zu und Aomine schlug Yukios Hand weg.
 

»Was zur Hölle… Kasamatsu!«
 

»Ach, halt die Schnauze, Aomine. Was für ein beschissener Satz soll das überhaupt sein? Hast du den vorm Spiegel geübt? Du bist lächerlich! Sieh zu, dass du duschen gehst!“
 

Der Rest des Teams lachte und blickte einem wutschnaubenden Aomine nach, der die Halle verließ. Yukio schüttelte den Kopf. Er bemerkte Momois nachdenklichen Blick, aber er fragte nicht nach und folgte seinen Teamkameraden in Richtung Duschen.
 

*
 

Momois nachdenklicher Blick ruhte von diesem Tag an häufiger auf Yukio und das machte Yukio nervös. Er würde es im Leben nicht zugeben, aber mittlerweile kannte er Momois Fähigkeiten und er hatte das Gefühl, dass sie ihn ganz besonders gründlich analysierte. Yukio hatte keine Ahnung, woran das lag und woher Momois plötzliches Interesse kam. Als ihm das Ganze zu bunt wurde, sprach er Momoi nach einem ihrer Trainings an. Aomine war gerade wutschnaubend davon gerauscht, weil Yukio sich geweigert hatte, ihm eine besondere Behandlung zukommen zu lassen und ihn von »lächerlichen« Trainingsübungen zu befreien. Sie hatten Pässe und Dribbeln geübt und wenn es nach dem Coach gegangen wäre, hätte Aomine all das nicht üben müssen, aber Yukio hatte darauf bestanden.
 

»Ok, was ist los?«, wollte er wissen und runzelte die Stirn. Momoi schaute aus großen Augen zu ihm auf, ein Klemmbrett umklammernd und mit einem Gesichtsausdruck, der Yukio offensichtlich vermitteln sollte, dass Momoi keine Ahnung hatte, wovon er redete. Aber Yukio hatte mittlerweile so viel Zeit mit Momoi verbracht, dass er genau wusste, dass ihre Unschuldsmiene nur eine gefährliche Fassade war, die zu viele Menschen ihr abkauften. Momoi war der schlauste Mensch, den Yukio kannte, und er würde einen Teufel tun und sie unterschätzen.
 

»Was soll los sein, Kasamatsu-kun?«
 

»Du weißt genau, was ich meine. Du beobachtest mich!«
 

»Ich dachte, das sei mein Job als Managerin.«
 

»Nicht so. Du analysierst mich nicht fürs Training!«
 

»Aber Kasamatsu-kun, wofür sollte ich dich denn sonst analysieren?«
 

An dieser Stelle hatte Momoi mit den Wimpern geklimpert und Yukio war rot geworden und er wusste, dass Momoi gewonnen hatte. Er schnaubte ungehalten und wandte den Kopf ab. Letztendlich war es egal, wieso Momoi ihn anstarrte, als würde er irgendein Geheimnis bergen, das es zu ergründen galt. Yukio wusste, dass da nichts war und demnach würde Momoi auch nichts finden.
 

»Ich bin froh, dass wir hierhergekommen sind. Aomine-kun und ich, meine ich«, sagte Momoi leise und lächelte Yukio dankbar an. Dann verschwand sie und ließ ihn verwirrt und voller Fragen zurück.
 

*
 

An einem wolkenlosen und milden Sonntag passierte etwas, das Yukio auf ewig verwirren würde. Er war zur Ablenkung von seinem Berg Hausaufgaben zuerst Joggen gegangen und dann an einem der Basketballplätze hängen geblieben. Der Platz war leer und ausgestorben und Yukio ließ sich schwer atmend auf eine der Bänke am Rande des Feldes nieder. Irgendwo weiter hinten hörte er Kinder spielen und ein paar Hunde bellen. Er musterte die Körbe auf beiden Seiten des Platzes und dachte darüber nach, ob es ihm dieses Jahr tatsächlich gelingen konnte, sein Versprechen von letztem Jahr zu halten.
 

»Oi, Kasamatsu«, ertönte eine ihm wohlbekannte, schnarrende Stimme hinter der Bank, auf der er saß, und als Yukio sich mit zuckenden Augenbrauen umschaute, erblickte er tatsächlich das überheblich-gelangweilte Gesicht von Aomine Daiki. Yukio war eigentlich froh darüber, dass er diese Visage am Wochenende nur selten ertragen musste, es sei denn, der Coach setzte ein Extra-Training an.
 

»Was gibt‘s?«, gab er kurz angebunden zurück und wandte sich wieder nach vorn. Er war nicht wirklich in der Stimmung, sich mit Aomines Gottkomplex auseinander zu setzen. Eine kurze Stille herrschte, in der Yukio sich allzu bewusst war, dass Aomine Daiki gerade hinter ihm aufragte wie eine bedrohliche, feindliche Macht und ihn mit großer Wahrscheinlichkeit herablassend anstarrte.
 

»One on one?«
 

»Wie bitte?«
 

Yukio war sich ziemlich sicher, dass er sich verhört hatte. Aomine war mehrfach zu faul gewesen sich zum Training zu bewegen und Yukio zweifelte stark daran, dass Aomine ihn als gleichwertigen Spieler betrachtete. Yukio erhob sich von der Bank und musterte Aomines hoch aufragende Gestalt.
 

»Was? Hast du Schiss, dass ich dich vom Platz fege?«, feixte Aomine und hob einen Basketball in die Höhe. Yukio ließ ein leises »Tch« hören und schnappte Aomine den Basketball aus der Hand. Aomine sah einen Moment lang ernsthaft erstaunt darüber aus, dass es jemand geschafft hatte, ihm einen Ball abzunehmen, aber Yukio beschloss sich nicht allzu sehr darüber zu ärgern. Er wartete nicht darauf, dass Aomine sich von dem Schock erholt hatte, sondern dribbelte mit dem Ball auf den leeren Platz und hob die Brauen, als er feststellte, dass Aomine sich immer noch nicht vom Fleck bewegt hatte.
 

»Hast du Schiss, dass ich dich vom Platz fege?«, gab Yukio zurück und endlich kam Bewegung in Aomine. Yukio musste eingestehen, dass die Art, wie Aomine sich bewegte, ihn sehr beeindruckte. Er war ein arroganter Mistsack, aber Yukio konnte nicht umhin sich einzugestehen, dass Aomine beim Basketballspielen wirklich gut aussah. Seine braune Haut schimmerte ein wenig in der Sonne und das Blitzen seiner Augen erzählte Yukio für einen Herzschlag von dem Aomine Daiki, den es früher laut Momoi einmal gegeben hatte.
 

»Auf geht’s«, murmelte Yukio.
 

Er verlor 12 zu 63 und lag rücklings und keuchend auf dem warmen Asphalt. Die Sonne war im Untergehen begriffen und der Himmel über ihm war eine Mischung aus milchigem Hellblau und feurigem Orange. Yukio war sich sicher, dass er seine Muskeln die nächsten zwei Stunden nicht mehr würde bewegen können und auf diesem Basketballplatz übernachten musste.
 

Aomines Gesicht kam in sein Blickfeld und schwebte über Yukios Kopf. Aomine war ebenfalls außer Atem, aber bei weitem nicht so erschöpft wie Yukio.

»Der Einzige, der mich besiegen kann, bin ich«, sagte Aomine breit grinsend. Yukio schnaubte und drehte den Kopf zur Seite, damit er das dämliche Feixen nicht mehr sehen musste.
 

»Komm mir nicht mit diesem arroganten Mist«, knurrte er und versuchte, sich aufzurappeln. Er scheiterte kläglich und kam sich vor wie ein Käfer, der auf dem Rücken gelandet war. Wie er so morgen das Training überstehen wollte, war ihm schleierhaft. Er war verantwortungslos gewesen, aber Aomines arrogantes Gehabe hatte ihn wieder einmal zur Weißglut gebracht und er hatte es einfach nicht aufgeben können. Bis seine Knie nachgegeben hatten.
 

»Du hättest früher aufgeben sollen«, sagte Aomine. Yukio grummelte und unternahm einen zweiten Versuch sich aufzurichten. Er schaffte es immerhin, sich auf seine Ellbogen zu stützen.

»Wieso sollte ich? Es ist vorbei, wenn es vorbei ist, nicht vorher. Nur weil ich schlechter bin als mein Gegenüber, heißt das nicht, dass ich aufgeben sollte. Das schulde ich mir und meiner Mannschaft und meinem Gegner. Es hat was mit Respekt zu tun«, entgegnete Yukio ungehalten.
 

Einige lange Momente herrschte Stille, dann streckte sich ihm eine Hand entgegen und Yukio blinzelte verwirrt, dann griff er danach und wurde mit einem kräftigen Ruck nach oben gezogen. Yukio konnte nicht so recht erklären, woran er es festmachte, aber in diesem Augenblick hatte er das Gefühl, dass irgendetwas sich verändert hatte. Nicht, dass er nicht immer noch der Meinung war, dass Aomine ein arroganter Saftsack war, aber etwas in dem überheblichen Gesicht war anders.
 

Yukio brummte ungehalten und humpelte halb, schwankte halb hinüber zur Bank, auf der er vorhin noch gesessen hatte, bevor Aomine seine Ruhe gestört hatte. Einen Herzschlag lang dachte Yukio, Aomine würde ihm folgen, doch Aomine warf ihm nur einen letzten Blick zu und drehte sich um. Yukio sah ihm nach, wie er langsam dribbelnd und mit einer Hand in der Hosentasche verschwand.
 

*
 

»Was ist eigentlich mit Aomine los?«, wollte Moriyama ein paar Wochen später wissen, nachdem das Training beendet war und Aomine schwer atmend und verschwitzt in Richtung Duschen verschwunden war. Yukio wusste genau, was Moriyama meinte. Aomine war in den letzten Wochen regelmäßig beim Training erschienen. Er hatte nicht ein einziges Mal geschwänzt oder verschlafen und das war nicht alles. Yukio hatte seit drei Wochen keine Sätze mehr gehört, die lauteten »Der einzige, der mich besiegen kann, bin ich« oder »Ich bin der stärkste Spieler in diesem Team«.
 

Aomine trainierte mit ihnen. Er klagte nicht, er prahlte nicht, er übte Standards wie Dribbeln und Passen, obwohl er und all seine Teammitglieder wussten, dass es nichts zu verbessern gab. Er spielte immer noch im Alleingang und sah eindeutig frustriert und sauer aus, wenn er während Trainingsspielen nicht besonders oft den Ball bekam.
 

Aber Aomine Daiki hatte seine Krone abgelegt. Und Momoi beobachtete Yukio immer noch.
 

»Was ist zwischen dir und Aomine-kun eigentlich gewesen?«, wollte Momoi nach besagtem Training wissen, als Moriyama bereits seine Verwunderung über Aomine geäußert hatte. Yukio runzelte die Stirn.
 

»Was soll denn da gewesen sein?«, brummte er und wischte sich mit seinem Shirt über die Stirn. Momoi legte den Kopf schief und musterte ihn aus ihren scharfen Augen. Yukio wurde automatisch nervös.

»Aomine-kun ist vor ein paar Wochen zu mir gekommen und hat mir gesagt, dass er neue Basketballschuhe kaufen will«, erläuterte Momoi, als wäre diese Tatsache Erklärung genug für ihre Frage. Yukio verstand nur Bahnhof.
 

»Na und? Wenn man Sport treibt, braucht man halt manchmal neue Schuhe«, sagte er verwirrt und beobachtete beunruhigt Momois Mund, der sich zu einem amüsierten Lächeln verbog.

»Ah, Kasamatsu-kun, das mag sein. Wie dumm von mir. Ich dachte nur, er hätte vielleicht mit dir gesprochen«, meinte Momoi und zog lächelnd ihre Schultern nach oben. Yukio schnaubte.
 

»Wir haben eine Runde one on one gespielt. Ich hab haushoch verloren. Ansonsten war nichts Besonderes«, gab er zurück. Momois Augen weiteten sich.
 

»Ach, tatsächlich«, murmelte sie und drückte ihr Klemmbrett gegen ihren Brust. Dann strahlte sie, drehte sich um und eilte von dannen, als hätte Yukio ihr die Augen im Angesicht eines großen Rätsels geöffnet. Yukio blieb kopfschüttelnd zurück und verstand die Welt nicht mehr.
 

*
 

»Hallo. Kasamatsu-kun, richtig?«
 

Yukio erschrak heftig und sprang einen Schritt zur Seite, als ihn ein Junge ansprach, der vorher ganz sicher noch nicht dagewesen war. Yukio stand oben auf einer Galerie und schaute sich ein Spiel von Shutoku an. Grimmig dachte er daran, dass die Generation der Wunder wirklich ausnahmslos aus Monstern bestand. Nun, vielleicht mit Ausnahme von Kuroko, der zwar sehr kompetent war, aber bei weitem nicht so arrogant und beunruhigend. Obwohl…
 

Wenn Yukio sich ansah, wie der kleine Kerl sich gerade an ihn heran gepirscht hatte, ohne dass Yukio ihn bemerkt hatte, war er doch recht unangenehm berührt. Wenn auch nicht ganz so unangenehm wie angesichts der Tatsache, dass Midorima Shintarou dort unten gerade seinen zwölften Dreipunkter aus lächerlich weiter Entfernung geworfen hatte.
 

»Ja, das ist richtig«, sagte er und nickte Kuroko zu, wobei er hoffte, dass er nicht allzu verschreckt drein blickte. Er mochte es nicht, unvorbereitet von etwas getroffen zu werden. Wie von Aomine Daiki in seiner Mannschaft zum Beispiel.

»Bist du allein hier?«, wollte Kuroko mit seiner monotonen, leisen Stimme wissen und musterte ihn von unten herauf.

»Meine Leute sind da unten, aber ich wollte ein bisschen Ruhe haben«, erwiderte Yukio mit einem Kopfrucken in die entsprechende Richtung. Kuroko nickte, als würde er vollkommen verstehen, was Yukio meinte.
 

»Ist Aomine-kun auch hier?«
 

Yukio schnaubte.
 

»Natürlich nicht. Wahrscheinlich liegt er irgendwo und pennt. Oder schaut sich eins seiner Heftchen an. Momoi telefoniert ihm schon die ganze Zeit hinterher, soweit ich weiß«, erwiderte Yukio und er spürte, wie sich bei dem Gedanken an Aomine automatisch seine Brauen zusammenzogen.
 

»Ah. Ich verstehe.«
 

Yukio hatte das Gefühl, er sollte am besten ununterbrochen ein Auge auf Kuroko haben, sonst würde er sicherlich wieder aus Yukios Wahrnehmung verschwinden und ihn erneut erschrecken. Allerdings wollte er auch das Spiel gegen Shutoku weiter verfolgen und so wandte er sich dem Geschehen weiter unten zu und stützte sich mit den Ellbogen auf dem Geländer vor ihm ab. Kuroko schien nun ebenfalls wieder dem Spiel seine Aufmerksamkeit zuzuwenden und während des gesamten zweiten Viertels schwiegen sie und beobachteten, wie der Punktestand von Shutoku unaufhörlich weiter in die Höhe kroch.
 

»Ich denke, sie werden Midorima-kun in der zweiten Hälfte auf der Bank lassen«, sagte Kuroko neben ihm, als es zur Halbzeit gongte und Yukio sah ihn von der Seite an. Er konnte sich Kuroko inmitten all dieser arroganten Schnösel nur schwerlich vorstellen.

»Er ist wohl auch so einer, der sich zu großartig fühlt, als dass er gegen viel schwächere Gegner spielen würde, was?«, brummte er.
 

Kuroko musterte Yukio eine peinlich lange Zeit schweigend und dann nickte er sehr langsam.

»Ja. Wie Aomine-kun, meinst du, nehme ich an.«

Yukio schnaubte und nickte ebenfalls.
 

»Momoi-san hat mir erzählt, dass Aomine-kun sich in den letzten Wochen ungewöhnlich verhält«, berichtete Kuroko und auch wenn Yukio große Schwierigkeiten damit hatte, Kurokos Gesicht zu lesen, so konnte er jetzt eindeutig Interesse und ein wenig Neugier in den blassen Augen erkennen. Er zuckte ungehalten mit den Schultern. Das Thema Aomine Daiki strapazierte seine Geduld immer noch, obwohl in der Tat eine Besserung zu erkennen war. Aber er würde einen Teufel tun und Aomine dafür loben, dass er sich wie ein halbwegs anständiger Kerl verhielt. Yukio war schließlich nicht seine Mutter. Oder sein Cheerleader. Genau das erklärte er auch Kuroko.
 

Zu seiner grenzenlosen Überraschung breitete sich ein kaum merkliches Lächeln auf Kurokos Mund aus. Dann verbeugte er sich vor Yukio.

»Danke, Kasamatsu-kun!«
 

Yukio wollte etwas erwidern, aber da war Kuroko schon aus seinem Blickfeld verschwunden. Was um alles in der Welt hatte das nun wieder zu bedeuten?
 

*
 

»Aomine-kun! Aomine-kun, warte!«
 

Yukio blinzelte, doch er hatte kaum Zeit sich zu wundern, da ließ sich Aomine neben ihn auf einen der ungemütlichen Plastiksitze fallen, verschränkte die Arme auf der Brust und starrte nach unten aufs noch leere Basketballfeld. Yukio starrte ihn von der Seite an. Momoi ließ sich auf Aomines anderer Seite nieder.
 

»Aomine-kun! Willst du mir nicht endlich ein paar Tipps geben, wie ich bei Momoi-san landen kann?«, fragte Moriyama leise hinter ihnen.
 

»Verpiss dich, Moriyama«, schnarrte Aomine.
 

»Du bist grausam!«, kam es klagend von hinten.
 

Yukio wollte Aomine gerade fragen, was er hier wollte, als Momoi ganz aufgeregt winkte, während sie aufs Feld hinunterschaute, und so seine Aufmerksamkeit aufs Spielfeld lenkte. Seirin und Shutoku betraten gleichzeitig die Arena und wandten sich ihren Bänken zu. Yukio sah, wie Kuroko unten eine Hand hob und sich ein Strahlen auf Momois Gesicht ausbreitete.

»Was meinst du, Aomine-kun? Wird Tetsu-kun Midorin schlagen? Kannst du dir das vorstellen? Midorin würde sich unglaublich ärgern!«
 

Yukio brauchte einen Augenblick, um sich klarzumachen, dass Momoi mit der Bezeichnung »Midorin« wahrscheinlich Midorima Shintarou meinte. Zum ersten Mal wurde ihm wirklich bewusst, dass Momoi früher die Managerin der Generation der Wunder gewesen war. Sofort fand Yukio sie noch gruseliger als vorher ohnehin schon. Die Tatsache, dass sie diese Monster von Teiko mit niedlichen Spitznamen versah, machte ihm nur umso deutlicher, wieso Momoi Satsuki eine Naturgewalt war, mit der man nicht spaßen sollte. Immerhin hatte sie es auch all die Jahre mit Aomine ausgehalten.
 

»Ist mir egal. Obwohl Midorima einen ordentlich Arschtritt gebrauchen könnte«, brummte Aomine. Yukio schnaubte verächtlich und Aomine drehte ihm mit gerunzelter Stirn den Kopf zu.

»Huh?«
 

»Ich kenn noch jemanden, der einen ordentlichen Arschtritt gebrauchen könnte. Aber weil du in unserem Team spielst, kann ich das leider nicht erlauben«, gab Yukio unbeeindruckt von Aomines grimmigem Gesichtsausdruck zurück. Aomine musterte ihn und wandte dann wortlos das Gesicht wieder nach vorn. Hinter ihnen lärmte Hayakawa auf den Sitzen herum und Yukio spürte, wie seine Augenbraue zuckte. Sein Geduldsfaden verkürzte sich in Aomines Anwesenheit grundsätzlich um die Hälfte.
 

»Du trittst mir häufig genug in den Arsch.«
 

Yukio stieß ein schnaufendes, freudloses Lachen aus.
 

»Nicht oft genug, denke ich.«
 

Vielleicht bildete er es sich ein, aber er meinte, ein kaum merkliches Grinsen in Aomines Gesicht zu sehen.
 

Das Spiel war unheimlich spannend. Yukio beobachtete fasziniert und beeindruckt, wie Kagami sich allein Midorima Shintarou stellte und mit jedem Sprung höher reichte. Er beobachtete allerdings auch mit großer Überraschung, dass die Nummer 10 von Shutoku keinerlei Probleme damit hatte, Kuroko zu sehen.
 

»Wie schade, jetzt haben sie Tetsu-kun ausgewechselt. Er sieht sehr unzufrieden aus«, sagte Momoi enttäuscht und beugte sich auf ihrem Sitz nach vorn.

»Tetsu wird sich was einfallen lassen«, sagte Aomine.
 

Yukio fand, dass die vertraute Anrede, die Abkürzung von Kurokos Vornamen, aus Aomines Mund seltsam klang. Aber Momoi hatte ihm berichtet, dass Aomine und Kuroko früher zusammen gespielt hatten und wahrscheinlich so etwas wie beste Freunde gewesen waren. Die Vorstellung, dass Aomine überhaupt so etwas wie einen besten Freund gehabt hatte, fand Yukio komisch. Außerdem schien Aomine so etwas wie Vertrauen in Kurokos Fähigkeiten zu haben. Als er den Kopf zur Seite drehte, sah er Aomine breit grinsen.
 

Auch Momoi musterte Aomine von der Seite. Sie sah erstaunt und erfreut zugleich aus. Es wirkte ganz so, als hätte Aomine Spaß. Eine ungewöhnliche Sache, da er normalerweise lediglich gelangweilt von allem war. Dann erhob er sich plötzlich.

»Ich hol mir was zu trinken.«
 

Aomine verpasste den Anfang des zweiten Viertels, aber als er wieder kam und sich setzte, warf er Yukio eine Fanta in den Schoß. Yukio starrte die Dose an. Hinter ihnen auf den Rängen war plötzlich Stille eingekehrt. Er hatte das Gefühl, dass er als Captain irgendwas sagen sollte, aber sein Gehirn hing an der Tatsache fest, dass Aomine Daiki ihm gerade eine Fanta mitgebracht hatte. Unaufgefordert. Es war völlig irrelevant, dass Yukio Fanta nicht sonderlich mochte.
 

Er verpasste die nächsten beiden Dreier von Midorima, weil die Fanta in seinem Schoß seine Augen anzog wie ein Magnet. Dann griff er langsam danach und öffnete sie. Aomine sah ihn an und Yukio fühlte sich ertappt. Er buffte Aomine mit dem Ellbogen in die Seite und knurrte ein »Danke.« Dann trank er seinen ersten Schluck.
 

*
 

»Jo, Kasamatsu. Willst du später noch one on one spielen?«
 

»Nur, wenn du jetzt endlich deine zwanzig Runden läufst, Faulpelz!«
 

Aomine verdrehte die Augen. Dann lief er los.
 

*
 

Kise Ryouta war neben Aomine der hübscheste Mann, den Yukio je im echten Leben gesehen hatte. Er konnte ihn nicht ausstehen. Nicht, dass Yukio das wunderte. Bislang hatte er außer Kuroko kein Mitglied der Generation der Wunder auch nur ansatzweise erträglich gefunden und Kise Ryouta war nicht minder arrogant als Midorima Shintarou oder Aomine. Nur, dass sich das Ganze bei ihm in einer übertrieben freundlichen Fassade mit hinterlistig blitzenden Augen und einem strahlenden Lächeln äußerte, das alle Mädchen in fünfhundert Metern Umfeld ohnmächtig werden ließ. Yukio verabscheute ihn von seinen blonden Haarspitzen, über seinen glitzernden Ohrring bis hin zu seiner nervtötenden Stimme.
 

»Aominecchi!«
 

Yukio starrte Kise an. Kise strahlte Aomine an. Yukio hatte sich geirrt. Er verabscheute Kise nicht einfach nur. Er hasste ihn ganz eindeutig wie die Pest. Aominecchi? Was sollte das für ein Name sein? Das war ja noch schlimmer als jede Namensauswahl, die Momoi je hätte treffen können.
 

»Ist das dein Captain? Wie geht es dir? Meine Mannschaft ist irgendwo dahinten. Senpai! Das hier ist Aominecchi von dem ich dir erzählt habe!«
 

Yukio hatte bereits Geschichte von Imayoshi Shoichi gehört – dem Captain von Touou – aber sein verschlagenes Gesicht hinter blitzenden Brillengläsern zu sehen, war noch etwas anderes, als nur davon berichtet zu bekommen. Yukio lief ein kalter Schauer über den Rücken, als Imayoshi ihn anlächelte.

»Wir freuen uns schon aufs Spiel«, sagte Kise strahlend und Yukio hörte Aomine lediglich »Tch« machen.
 

»Kasamatsu-san, richtig? Das wird sicher ein Spektakel mit zwei Mitgliedern von Teiko, die gegeneinander antreten«, sagte Imayoshi grinsend. Er erinnerte Yukio an eine Schlange. Schlangen hatte er noch nie gemocht. Kise und Imayoshi gaben gemeinsam ein beunruhigendes Bild ab. Es sah aus, als würden sie in ihrer Freizeit gemeinsam beraten, wie sie ihre Konkurrenz heimlich meucheln konnten.
 

»Es sind noch mehr Spieler auf dem Feld als nur die beiden«, sagte Yukio kühl. Imayoshi lachte leise und Yukio spürte Aomines Blick auf sich ruhen. Kise beachtete ihn gar nicht.
 

»Es wird wie in alten Zeiten, Aominecchi! Du und ich gegeneinander.«
 

Aomine zuckte mit den Schultern.
 

»Ich werd dich fertig machen. Wie immer«, entgegnete er. Yukio brummte ungehalten.
 

»Wir werden sie fertig machen«, sagte Yukio und dann wandte er sich ab, ohne noch eine Antwort abzuwarten. Er hatte die Schnauze voll von der Generation der Wunder.

»Wieso bist du so angespannt?«, fragte Aomine und gähnte. Yukio biss die Zähne zusammen. Er hatte keine Lust, Aomine die Sache näher zu erklären, daher beschloss er, so vage wie möglich zu bleiben.

»Es ist ein wichtiges Spiel für uns alle, das ist alles.«
 

Aomine schwieg. Während des Aufwärmens blieb er in Yukios Nähe und fühlte sich an wie eine unheimliche Präsenz, die über Yukio schwebte.
 

»Denkt dran, Kise Ryouta kann jeden eurer Tricks kopieren!«, erinnerte Takeuchi sie zum hundertsten Mal, bevor sie das Feld betraten. Aomine schnaubte.

»Mich kann er nicht kopieren«, sagte Aomine. Auf seinem Gesicht zeigte sich ein Grinsen und ein unbekanntes Glimmen, als könnte er es tatsächlich kaum erwarten, gegen seinen alten Mannschaftskameraden anzutreten. Yukio sah weg und versuchte sich zu konzentrieren.
 

»Lasst uns alles geben!«, rief Yukio. Seine Mannschaft antwortete laut und voller Selbstbewusstsein.
 

*
 

Yukio verfluchte sich selbst, aber er mochte die Art und Weise, wie Aomine und Kise aufeinander fixiert waren überhaupt nicht. Wie sie sich anstarrten. Und wie sie einander in- und auswendig zu kennen schienen. Yukio wollte lieber nicht hinterfragen, wieso ihn all das dermaßen aufregte, er versuchte sich aufs Spiel zu konzentrieren und das war schwer genug, wenn man eine Schlange wie Imayoshi auf den Fersen hatte.
 

Und dann passierte es.
 

Ein Raunen ging durch die Menge, als Kise den ersten Bewegungsablauf von Aomine kopierte und den Ball mit Leichtigkeit in den Korb legte. Selbst Aomine schien in seiner unerschütterlichen Arroganz überrascht. Yukio fluchte.
 

»Aomine, mach ihn fertig«, donnerte Yukio quer übers Feld und schmale Augen wandten sich ihm zu. Einen kurzen Moment lang schien zwischen ihnen ein Knistern zu entstehen und Yukio fühlte sich, als würde Aomine ihn verstehen. Dann nickte Aomine kaum merklich und Yukio atmete schwer aus. Er würde ihr Teamplay nicht aufgeben, aber der Einzige, der Kise entgegentreten konnte, war Aomine.
 

*
 

Aomine war der König der Monster. Yukio hatte noch nie jemanden so wie ihn spielen sehen und Aomine spielte so voller Einsatz wie niemals zuvor. Yukio musste sich davon abhalten, mitten im Spiel stehen zu bleiben und ihn einfach nur anzusehen.
 

Kise spielte mit demselben egoistischen Stil, den der Rest der Mannschaft von Touou ebenfalls an den Tag legte und Yukio fragte sich kurz, ob Aomine nicht besser nach Touou gepasst hätte, wo man ihm einfach immer den Ball zugepasst und hätte punkten lassen. Es stand 103 zu 101 für Touou als sie in die letzten Sekunden des Spiels starteten.
 

Yukio atmete schwer. Sie brauchten entweder einen Dreipunkter oder zwei Zweier. Yukio musste dieses Spiel gewinnen. Er hatte es versprochen. Mit geballten Fäusten rannte er los, Aomine hinterher, der mit dem Ball in Richtung Korb stürmte. Er hatte ein breites Grinsen auf den Lippen und wirkte wie ein hungriges Raubtier, das Spaß an der Jagd hatte.
 

Kise und zwei seiner Mannschaftsmitglieder blockierten Aomine den Weg. Yukio war sich einen Herzschlag lang sicher, dass sie jetzt verloren hatten. Aber dann…
 

»Aomine!«, schrie Yukio.
 

Alles geschah wie in Zeitlupe. Aomine drehte sich zu Yukio um und sah ihn an, den Ball fest in beiden Händen. Dann passierte das Unglaubliche.
 

Aomine passte.
 

Yukio fing den Ball, begab sich in Position und warf.
 

Sein Dreier traf den Korb und fiel in der eintretenden Stille auf das blanke Parkett. Der Gong ertönte. Yukio konnte kaum begreifen, was gerade passiert war, als er unter mehreren warmen, verschwitzten Körpern begraben wurde. Gegen seinen Willen spürte er, wie ihm Tränen in die Augen stiegen und er stieß die Faust in die Luft. Sie hatten gewonnen.
 

»Hey, Aomine! Komm hier rüber!«, rief Moriyama und Aomine sah aus, als würde er lieber auf den ausführlichen Körperkontakt verzichten, aber er gesellte sich langsam zu ihnen und Yukio konnte einfach nicht umhin, ihm breit grinsend den Arm um die Schultern zu werfen.
 

Aomine musterte ihn und Yukio hatte keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, wieso es sich anfühlte, als hätte er beim Treppensteigen gerade eine Stufe verpasst.
 

*
 

Sie verloren gegen Seirin.
 

»Hört auf zu schmollen! Ihr habt euer Bestes gegeben und solltet stolz vom Platz gehen! Köpfe hoch!«
 

Aomine fand ihn in der verlassenen Umkleidekabine. Yukio hatte mittlerweile aufgehört zu heulen und saß nur schweigend mit angezogenen Knien an die kalten Spinde gelehnt und starrte hoch zur Decke.
 

Eine kalte Dose Fanta wurde ihm in den Schoß geworfen und Aomine ließ sich neben ihn auf den ungemütlichen Fliesenboden sinken.
 

»Ich mag Fanta nicht so gerne«, informierte er Aomine heiser. Aomine schnaubte.
 

»Sei dankbar und trink den Scheiß. Ich geh bestimmt nicht los und besorg dir eine Extrawurst.«
 

Yukio öffnete die Dose und nahm einen Schluck. Er fühlte sich leer und antriebslos. Seine Muskeln schmerzten von der Anstrengung des Spiels und seine Augen brannten, weil er so viel geweint hatte. Außerdem tat seine rechte Hand vom wiederholten Schlagen gegen die Spindtüren weh.
 

Sie saßen eine Weile lang schweigend nebeneinander und Yukio war sogar zu erschöpft, um sich darüber zu beschweren, dass Aomine seine Privatsphäre störte.

»Ich hab noch nie verloren«, sagte Aomine schließlich. Yukio schnaubte.
 

»Möchtest du jetzt Mitleid?«
 

»Tch. Schwachsinn.«
 

Yukio spürte Aomines Körperwärme direkt neben sich und versuchte diesen Umstand zu ignorieren. Er nahm einen weiteren Schluck Fanta.

»Sieh zu, dass du fertig wirst mit Schmollen. Ich hab einen Mordshunger.«
 

»Dann geh was essen.«
 

»Ich nehm dich mit.«
 

»Ach ja? Wer sagt das?«
 

»Ich. Mach hin.«
 

Die Tatsache, dass für Aomine dieses Spiel die erste Niederlage seines Lebens darstellte, tröstete Yukio aus unerfindlichen Gründen ein wenig.
 

*
 

»Sag mal, wie oft trefft ihr euch mittlerweile eigentlich im Park zum Basketballspielen?«
 

»Weiß nicht. So dreimal die Woche?«
 

»Ah. Interessant.«
 

»Was soll daran interessant sein?«
 

»Ach, nichts.«
 

*
 

Yukio verlor ihr 36. one on one mit 22 zu 48 Punkten.
 

*
 

»Jo, Kasamatsu!«
 

»Was gibt’s?«
 

»Gib mir Mathenachhilfe.«
 

»Bitte?«
 

Aomine hatte die Hände wie so oft in den Hosentaschen vergraben und zu Yukio Erstaunen blickte er eindeutig leicht verlegen drein. Yukio erkannte es vor allem daran, dass Aomine Yukios Knie betrachtete, während er vor ihm stand.
 

»Frag Momoi, ich bin sicher, sie ist sehr viel besser in Mathe als ich. Und gewillter sich mit dir rumzuschlagen ist sie auch«, brummte Yukio ungehalten. Aomine Daiki und Mathenachhilfe. Wenn die Situation nicht so absurd gewesen wäre, dann hätte Yukio vielleicht gelacht.
 

Aomine gab einen seiner »Tch« Laute von sich und Yukio fragte sich, wie um alles in der Welt Aomine auf die Idee gekommen war, ihn zu fragen.

»Satsuki sagt, sie hat keinen Bock mir Nachhilfe zu geben. Aber ich darf kein Basketball mehr spielen, wenn ich durch die nächste Prüfung falle.«
 

Yukio konnte sehr gut verstehen, dass Momoi keine Lust dazu hatte, jemandem wie Aomine Nachhilfe zu geben. Yukio war nicht schlecht in Mathe – für bestandene Prüfungen reichte es allemal – aber auch er hatte keinerlei Motivation Aomine Daiki zu unterrichten. Andererseits wäre es womöglich schlecht fürs Team, wenn Aomine nicht mehr würde spielen dürfen…
 

»Los, bring’s mir bei«, drängte Aomine und starrte Yukio an. Yukio spürte, wie seine Wangen heiß wurden. Zu seiner grenzenlosen Empörung geschah dies häufiger in letzter Zeit. Er fluchte innerlich.

»Senpai.«
 

Wenn Yukio vorher rot gewesen war, so war dies nichts gegen die Hitze, die er jetzt in seinem Gesicht verspürte. Niemals in seinen kühnsten Träumen hätte er sich jemals ausgemalt, dass Aomine Daiki ihn Senpai nennen würde. Wieso um alles in der Welt hämmerte sein Herz plötzlich, als hätte er ein komplettes Basketballspiel hinter sich? Er ballte die Hände zu Fäusten und presste die Zähne aufeinander.
 

»Na schön«, brachte er mühsam hervor.
 

*
 

Es war komisch, Aomine Daiki in seinem Zimmer sitzen zu sehen. Seine Mutter hatte ihnen Getränke und Mochis gebracht und jetzt hockte das Ass der Generation der Wunder vor Yukios niedrigem Tisch in der Mittes des Raumes und starrte auf Yukios Matheunterlagen.
 

»Deine Handschrift ist miserabel.«
 

»Sie ist bei weitem nicht so mies wie deine. Halt die Klappe und lies dir das durch!«
 

Das Schweigen, das eintrat, hielt lediglich zwei Minuten. Dann stöhnte Aomine entnervt auf und stopfte sich einen Mochi in den Mund. Yukio verdrehte angesichts dieser übertriebenen Dramatik die Augen.
 

»Disziplin ist nicht so deine Stärke, was?«
 

»Huh?«
 

»Sprich nicht mit vollem Mund, du Armleuchter! Reiß dich gefälligst zusammen, oder ich lass dich durch die Prüfung rasseln, dann kannst du sehen, wo du Basketball spielst!«
 

Aomine beklagte sich die nächsten anderthalb Stunden nicht mehr.
 

*
 

»Und, wie ist er so privat?«
 

»Genauso ein Arschloch wie beim Training.«
 

*
 

Am Abend vor der Prüfung hockte Aomine mit zerstruwwelten Haaren und erstaunlich dunklen Augenringen auf Yukios Zimmerboden und starrte auf die Matheaufgaben, die Yukio ihm in sorgfältiger Vorbereitung auf einen Zettel notiert hatte, damit er sie zur Übung lösen konnte. Aomine hatte zwei Aufgaben gelöst und betrachtete die dritte nun seit einigen Minuten mit solcher Abneigung, dass Yukio sich unweigerlich das ein oder andere Grinsen verkneifen musste. Es war recht amüsant, den selbsternannten König des Basketballs dabei zuzusehen, wie er an einer nicht allzu komplizierte Matheaufgabe verzweifelte. Eventuell hatte Aomine eine kleine sadistische Ader in Yukio geweckt, von deren Existenz er vorher nicht gewusst hatte.
 

»Ich dachte, der Einzige, der dich besiegen kann, bist du? Oder gibst du deine Niederlage gegen Aufgabe Nummer drei zu?«, fragte Yukio und konnte ein amüsiertes Vibrieren in seiner Stimme nicht unterdrücken. Aomine hob den Blick und sah Yukio unfreundlich und grimmig über das Blatt Papier hinweg an.

»Halt die Klappe, Kasamatsu.«
 

Wenn Yukio Aomine nicht besser kennen würde, würde er sagen, dass Aomine tatsächlich ein wenig gestresst war. Wegen einer Matheklausur, die darüber entscheiden würde, ob er weiter Basketball spielen durfte.

»Seien wir doch realistisch. Selbst wenn du durch die Klausur fällst, wird der Coach irgendwas deichseln, damit du weiter spielen darfst. Ich bin schließlich bald nicht mehr Captain des Teams und dann kann er machen was er–«
 

Bei seinen Worten war Aomines Kopf erneut in die Höhe geschnellt und jetzt musterte er Yukip scharf und berechnend. Yukio blinzelte verwirrt. Hatte Aomine etwa vergessen, dass Yukio nach diesem Schuljahr nicht mehr mit ihm Basketball spielen würde? Nicht, dass es Aomine irgendetwas ausmachen würde. Oder?
 

»Was?«, fragte er leicht beunruhigt und rutschte neben Aomine auf dem Boden hin und her.
 

»Hör auf drüber zu reden«, schnarrte Aomine schlecht gelaunt. Yukio runzelte die Stirn.
 

»Worüber?«
 

Aomine starrte ihn nur weiter grimmig an und antwortete nicht.
 

»Falls du die Tatsache meinst, dass ich bald nicht mehr an dieser Schule sein werde, dann–«
 

Weiter kam er nicht, dann Aomine hatte ihn mit seinen blitzschnellen Raubtierbewegungen auf den Fußboden gepinnt und Yukio starrte hoch in die schmalen, überheblich glitzernden Augen in dem Gesicht, das ihn so oft zur Weißglut brachte. Trotz Augenringen und der Ausstrahlung maßloser Arroganz musste sich Yukio einfach eingestehen, dass Aomine sehr gut aussah. Er spürte Aomines Körperwärme und sein Gehirn hatte auf Leerlauf geschaltet. Sein Herz allerdings wummerte, als würde er für jeden Schlag in der Minute bezahlt werden. Bevor Yukio sich empören oder Gedanken darüber machen konnte, was genau gerade vor sich ging, hatten sich sehr fordernde Lippen auf seinen Mund gepresst, während zwei starke Arme und Aomines halbes Körpergewicht ihn an seinen Handgelenken auf den Boden drückten.
 

Yukios Augen weiteten sich und einen Moment lang starrten sie sich an – Yukio erstaunt und entsetzt, Aomine herausfordernd und wütend –, dann schlossen sich Aomines Augen und Yukio konnte nicht mehr denken. Er vergaß, dass Aomine ein arroganter Mistkerl war, der sich selbst für den Besten hielt. Er vergaß, dass Aomine ihn dauernd zur Weißglut brachte, ihn nicht anständig respektierte und alles in allem der unerträglichste Mensch war, der Yukio seit Jahren untergekommen war. All das war ihm in diesem Wimpernschlag egal, solang Aomine nur nicht aufhörte ihn zu küssen.
 

Yukio ruckelte an seinen Handgelenken und Aomine ließ ihn frei, sodass Yukio seine Finger in Aomines kurzem und überraschend weichem Haar vergraben konnte. Die andere Hand packte Aomine am Kragen. Das Ganze artete in einen halben Ringkampf aus und erst als sie in ihrem Gerangel gegen den Tisch stießen, gab Yukio den Kampf um die Oberhand auf und zog Aomine komplett auf sich hinunter.
 

Der feste, muskulöse Körper, der sich gegen seinen drückte, löste ein heftiges Kribbeln in Regionen aus, über die Yukio wenn möglich nur selten nachdachte. Er musste alles an Willenskraft aufbringen, das er hatte, um nicht gegen Aomines Lippen zu stöhnen und ihm fiel erst Minuten später auf, dass er seine Augen entgegen seines Vorsatzes doch geschlossen hatte.
 

Dann war Aomines Körper aus seiner Reichweite verschwunden. Schwer atmend hockte er neben Yukios Tisch und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Yukio wusste, dass sein Kopf so rot war wie der Stift, mit dem er Aomines Fehler in Mathe korrigierte.
 

»Ich mag Frauen«, informierte Aomine ihn mit einer Gleichgültigkeit in der Stimme, die Yukios Herz zum Stillstand brachte. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber Aomine ließ ihn nicht so weit kommen.

»Mit großen Brüsten. Ich steh auf Brüste.«
 

Yukio wollte ihm höhnisch über den Mund fahren, ihn anschreien und ihm dann ein paar saftige Tritte verpassen, – nicht zwingend in dieser Reihenfolge – aber da war Aomine schon aufgestanden und Yukio hörte die Tür hinter sich gehen. Er blieb ganze fünf Minuten schweigend auf dem Fußboden sitzen, bis eine Erkenntnis ihn traf wie ein Vorschlaghammer.
 

Er hatte sich in das größte Arschloch der Welt verknallt.
 

*
 

Aomine erschien nicht beim nächsten Training. Momoi berichtete strahlend, dass er die Matheklausur mit Hängen und Würgen bestanden hatte.
 

*
 

Aus naheliegenden Gründen tauchte Yukio in der folgenden Woche an keinem ihrer sonst vereinbarten Termine zum one on one auf. Er beachtete Aomine nicht beim Training und ignorierte die verwirrten Blicke seiner Teamkollegen, wenn er auf Aomines Gemaule nicht mit der üblichen Wut reagierte, sondern Aomine schlichtweg ignorierte. Diese Taktik, die Yukio an den Tag legte, schien Aomine dazu zu bringen, sich noch unkollegialer zu verhalten, als er das am Anfang ihrer Bekanntschaft getan hatte. Wenn Yukio sich nicht so stur davon abgehalten hätte, über Aomine nachzudenken, dann wäre ihm eventuell die Idee gekommen, dass Aomine auf diese Art und Weise versuchte, Yukios Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
 

Momoi versuchte mehrmals mit Yukio über Aomine zu reden, doch Yukio machte ihr unmissverständlich klar, dass er kein Interesse daran hatte, über ihren Kindheitsfreund zu sprechen. Aomine hatte Yukios Vertrauen missbraucht und wenn es etwas gab, das Yukio nicht ausstehen konnte, dann war es Verrat. Außerdem ärgerte er sich über sein eigenes Verhalten. Er hätte Aomine gar nicht so nah an sich heranlassen dürfen. Mit einem derartigen Charakterschwein hatte es nur schief gehen können und jetzt musste Yukio die Konsequenzen tragen.
 

»Kasamatsu-kun…«
 

»Ich will nicht darüber reden, Momoi-san.«
 

»Aber…«
 

»Nein!«
 

Momoi seufzte und ließ den Kopf hängen. Yukio hoffte, dass sie nach ihrem achten Versuch nun endlich aufgeben würde.
 

*
 

»Kasamatsu-kun.«
 

»Ich will wirklich nicht über Aomine reden, Kuroko.«
 

*
 

»Kasamatsu-san!«
 

»Ich hoffe, du willst nicht mit mir über Aomine sprechen…«
 

»Woher wusstest du–«
 

Yukio ließ Kise stehen und stapfte davon. Die Welt hatte sich gegen ihn verschworen und er hasste sie dafür.
 

*
 

»Momoi-san, hast du Kuroko und Kise drauf angesetzt mit mir über Aomine zu reden?«
 

»Das würde ich niemals tun!«
 

»Wer’s glaubt…«
 

*
 

Nachdem Aomines Provokationsstrategie zwei Wochen lang fehlgeschlagen war, hörte er damit auf. Stattdessen verwandelte er sich in einen Musterteamkollegen – soweit das für jemanden wie Aomine möglich war – und irritierte damit die ganze Mannschaft. Yukio hörte nicht auf, ihn zu ignorieren.
 

*
 

Yukio fragte sich, ob er auf einer der Universitäten, an denen er sich bewerben wollte, Basketball spielen durfte. Er wusste selbstredend, dass er nicht schlecht war, allerdings kannte er sich in der Basketballszene außerhalb der Schule nicht wirklich aus. Wer wusste schon, was für Talente an den Universitäten lauerten – einige vielleicht sogar mit Stipendien. Immerhin konnte niemand sagen, dass Yukio nichts für seine Kondition tat. Seit dem Desaster mit Aomine ging er fast jeden Tag joggen, auch wenn ihm bewusst war, dass diese neue Angewohnheit nichts mit seinem Ehrgeiz angesichts des Trainings zu tun hatte. Eine bessere Kondition schadete selbstredend nicht, aber sie würden schließlich keinerlei Turniere mehr zusammen spielen. Vorm nächsten Interhigh-Turnier würde Yukio die Schule und seine alte Mannschaft bereits verlassen haben.
 

Er joggte immer dieselbe Strecke durch den Park, auch wenn die Uhrzeiten variierten. Manchmal sah er im Vorbeilaufen Leute auf den Street-Basketballplätzen, auf denen er während der letzten Monate auch viel mit Aomine gespielt hatte. Dieser Tage lief Yukio einfach stur daran vorbei, ohne einen Blick darauf zu werfen. Alles, was ihn an Aomine erinnerte, war keine gute Sache. Seine Wut und Enttäuschung lauerten direkt unter seiner Haut und waren jede Sekunde des Tages kurz davor überzukochen. Über andere Gefühle bezüglich Aomine wollte er lieber nicht nachdenken.
 

An einem besonders grauen Mittwoch, an dem Yukio am späten Nachmittag zum Joggen unterwegs war, wurde er in der Nähe der Basketballplätze eingeholt. Er brauchte nicht einmal den Kopf zu wenden, um zu sehen, wer da neben ihm herlief. Yukio ballte die Hände zu Fäusten und rannte ein wenig schneller, wobei er stur geradeaus starrte und so tat, als würde er Aomine nicht bemerken. Als es anfing zu regnen bedachte Yukio den Regen mit derselben Aufmerksamkeit, die er Aomine zuteilwerden ließ.
 

Aomine ließ Yukios Taktik nicht allzu lang funktionieren. Nach drei Minuten stummen Nebeneinanderherlaufens packte er Yukios Arm und zwang ihn anzuhalten. Sie waren beiden ziemlich durchnässt und Aomine sah unglaublich wütend aus. Yukio war nicht beeindruckt. Er schlug Aomines Hand weg.
 

»Was willst du?«, schnauzte er Aomine an. Wieder einmal wünschte er sich, dass Aomine nicht so viel größer wäre als er.
 

»Hör auf, mich zu ignorieren!«
 

Yukio schnaubte.
 

»Oh, Verzeihung, eure Majestät! Mir war nicht klar, dass ich dir irgendwas schulde. Tu ich nämlich nicht. Und schon gar nicht meine Aufmerksamkeit! Also lass mich in Frieden!«
 

Aomine sah zum etwa hundertsten Mal so aus, als würde er Yukio gerne schlagen. Yukio musste zugeben, dass dieses Gefühl auf Gegenseitigkeit beruhte. Ein kleiner, verräterischer Teil in Yukios Hinterkopf fragte flüsternd, ob Aomines Herz wohl genauso hämmerte wie Yukios. Die Antwort war selbstredend nein. Wahrscheinlich hatte Aomine gar kein Herz.
 

Yukio hätte angesichts seiner eigenen Melodramatik beinahe gelacht. Er beobachtete, wie Aomines Fäuste sich ballten und wieder lockerten, wie er auf einer Stelle herumtrat, wie seine Augen über Yukios Gesichts huschten… vermutlich um den besten Ort zum Zuschlagen zu analysieren.

»Wieso redest du nicht mit mir?«, verlangte Aomine zu wissen. Yukio verengte die Augen zu Schlitzen. Er musste versuchen einen kühlen Kopf zu bewahren.
 

»Lass mich überlegen… ach ja! Erinnerst du dich dunkel daran, wie du mich in meinem Zimmer überfallen und meinen ersten Kuss geklaut hast, nur um mir dann zu eröffnen, dass du Brüste geil findest? Und weißt du noch, wie du dann gegangen bist? Ich erinnere mich ziemlich gut daran. Ich werde nicht gerne verarscht und ich lass nicht gern auf mir herum trampeln! Such dir wen anders für deine beschissenen Spielchen! Wir sind fertig miteinander.«
 

Er wandte sich ab und joggte wieder los. Aomine folgte ihm nicht und Yukio war sehr dankbar dafür, dass es regnete.
 

*
 

»Aomine-kun ist unausstehlich, seitdem du nicht mehr mit ihm redest, Kasamatsu-kun!«
 

»Ach wirklich? War er nicht schon immer unausstehlich?«
 

»Es tut ihm wirklich leid, was immer er gemacht hat! Er kann es nur nicht so gut ausdrücken…«
 

»Weil er ein gefühlskaltes Arschloch ist.«
 

»Nun… naja. Aber nicht nur!«
 

Yukio verdrehte die Augen angesichts von Momois neuntem Versuch.
 

»Er vermisst dich schrecklich«, sagte Momoi leise und Yukios verräterisches Herz stolperte in seiner Brust. Sein Mund blieb ihm treu und brachte ein ungläubiges Grummeln zustande. Momoi sah zu ihm auf und zu Yukios Entsetzen glitzerten Tränen in ihren Augen.
 

»Wirklich! Er hockt immer auf der Parkbank neben dem Platz, auf dem ihr gespielt habt, wenn ihr eigentlich dort verabredet wart! Immer zur selben Zeit! Ich hab ihn noch nie so erlebt, er ist wie ein treudoofer Hund, den man ausgesetzt hat. Ich bin sicher, dass er es nicht so gemeint hat, was auch immer er mit seinem Holzkopf gesagt haben mag. Bitte, Kasamatsu-kun, gib ihm noch eine Chance, ja?«
 

Yukios Mund war trocken. Unweigerlich wurde ihm klar, dass Aomine ihn dann jedes Mal hatte vorbei joggen sehen müssen, ohne dass Yukio zu ihrem Treffen erschienen wäre und ohne dass Aomine ihn angesprochen hätte. Bis vor einigen Tagen. Er konnte es nicht fassen, dass Aomine tatsächlich jedes Mal an ihrem ehemals vereinbarten Treffpunkt zur vereinbarten Zeit gewartet hatte. Auf ihn. In der Hoffnung, dass Yukio vielleicht nicht mehr sauer auf ihn war.
 

»Ich werd mal drüber nachdenken«, krächzte er betont ungnädig und drehte sich um. Sein Magen schlug einen Salto nach dem anderen.
 

*
 

Yukio erschien am nächsten Tag zur ehemals vereinbarten Zeit auf dem Basketballplatz im Park. Der Platz war frei und auf einer der Bänke hockte – mit einem Basketball und einer Dose Fanta – Aomine Daiki. Er betrachtete den Ball in seiner linken Hand und Yukio war froh, dass er ihn nicht näherkommen sah. Erst als Yukio direkt vor ihm stand, hob Aomine den Kopf. Yukio war sich sicher, dass er sich das hoffnungsvolle Funkeln und den roten Schimmer auf Aomines Gesicht nur einbildete.
 

Yukio schnappte Aomine den Basketball aus der Hand und wandte sich dem Feld zu.
 

»Kommst du, oder was?«
 

Yukio verlor die Partie mit 13 zu 58 Punkten. Er war ein wenig aus der Übung gekommen, gegen Aomine one on one zu spielen. Yukio blieb – wie schon bei ihrem ersten one on one – rücklings auf dem Asphalt liegen und atmete schwer dem grauverhangenen Himmel entgegen. Ihm tat alles weh. Aomines Gesicht erschien in seinem Blickfeld und musterte ihn. Allerdings fehlte ihm heute das arrogante und triumphierende Grinsen und er musterte Yukio einfach nur, als würde er versuchen in seinen Kopf zu schauen. Yukio verfluchte seine Gefühle und sein pochendes Herz.
 

Aomine streckte ihm die Hand entgegen und Yukio ergriff sie nach einigem Zögern. Er war immer noch sauer auf Aomine, aber angesichts der Tatsache, dass Aomine wochenlang auf ihn gewartet hatte, schmolz sein Zorn zugegebenermaßen schneller, als ihm lieb war.
 

Aomine ließ seine Hand nicht los, als Yukio wieder auf beiden Beinen stand. Es war ein merkwürdiges Gefühl. Natürlich hielten sie nicht wirklich Händchen, aber Aomine starrte hinunter auf ihre Finger, als würden sich gerade lila Tentakel aus Yukios Handgelenk um seinen Arm schlingen. Yukio ließ los.
 

»Ich bin nicht giftig«, informierte er Aomine und humpelte hinüber zu der Bank, auf der Aomine seine Fanta stehen hatte. Dort genehmigte sich Yukio einen Schluck.
 

»Hab ich auch nicht behauptet«, brummte Aomine hinter ihm. Yukio reichte ihm die Fanta. Aomine musterte sie kurz. Yukio hob eine Augenbraue und dann geschah etwas Merkwürdiges. Aomine wurde sehr rot und nahm einen übermäßig hastigen Schluck von seiner Fanta. Yukio wünschte sich, dass er Gedankenlesen könnte, denn etwas, das Aomine zum Erröten brachte, musste wahrhaft Gold wert sein.
 

»Es war kein Spiel«, platzte es aus Aomine heraus. Yukio runzelte die Stirn.
 

»Was?«
 

Aomine wedelte ein wenig mit seiner freien Hand in Yukios Richtung.
 

»Du weißt schon«, knurrte er offensichtlich peinlich berührt. Yukio hob diesmal beide Augenbrauen.
 

»Ehrlich gesagt nicht.«
 

Es war einfach zu gut, Aomine so rudern zu sehen, als dass Yukio es ihm hätte einfach machen wollen.

»Die Sache bei dir. Als ich… als ich gegangen bin.«
 

»Achso. Du meinst den Kuss«, sagte Yukio beiläufig und beobachtete zufrieden, wie Aomines arrogantes Gesicht noch mehr an Farbe gewann. Das war fast besser als ein Basketballspiel zu gewinnen.

»Ja, verdammt!«
 

»Hm. Aber du stehst auf Brüste«, informierte Yukio ihn. So oft wie in den letzten Tagen hatte er das Wort Brüste noch nie laut gesagt. Aomine knurrte.

»Du hast keine Brüste«, sagte er.
 

»Das weiß ich.«
 

»Und es ist mir scheißegal!«
 

»Ach ja?«
 

Aomine gab einen wütenden Laut von sich, dann fand sich Yukio an ihn gepresst und in seinen Armen wieder, mit einem sehr nachdrücklichen Paar Lippen auf seinem Mund. Yukio wünschte, dass er hätte sagen können, dass er Haltung bewahrte. Leider tat er das nicht. Ganz im Gegenteil.
 

Er keuchte in den Kuss und vergrub eine seiner Hände in Aomines Haaren, die andere packte Aomines Kragen und zog ihn näher zu sich herunter, damit Aomine ihm auch ja nicht entwischen konnte. Sein Herz hämmerte und seine immer noch schmerzenden Muskeln schrien empört, als er versuchte, sich auf die Zehenspitzen zu stellen. Statt den gewünschten Effekt zu haben, gaben Yukios Knie nach und er strauchelte, aber Aomine hielt ihn eisern fest und verhinderte so, dass Yukio erneute Bekanntschaft mit dem Asphalt machte.
 

Yukio hatte keine Ahnung, wie lange sie so dastanden und sich um den Verstand knutschten, aber es kam ihm kaum länger als ein Wimpernschlag vor. Als er sich von Aomine löste, waren dessen Augen verhangen und seine Lippen feucht vom Knutschen. Alles in allem konnte Yukio sagen, dass Aomine nie besser ausgesehen hatte.
 

Sie starrten sich einen Augenblick lang an, dann grinste Yukio.
 

»Was?«, wollte Aomine wissen und er klang beinahe ein wenig verlegen. Yukio zuckte mit den Schultern und ließ sich auf der Parkbank nieder. Aomine hockte sich neben ihn und musterte ihn von der Seite.
 

»Ich musste nur grad an deinen bekloppten Satz denken.«
 

»Wieso?«
 

»Der Einzige, der dich besiegen kann, bin ich«, sagte Yukio grinsend. Aomine boxte ihn auf den Arm und Yukio lachte. Geduld war eine Tugend und er war froh, dass er sie besaß. Sonst hätte er die harte Nuss namens Aomine Daiki womöglich nie geknackt.

Gesehen, unvorhergesehen

Als Takao Kise Ryouta kennen gelernt hatte, hatte er vom ersten Augenblick an gewusst, dass aus dieser Begegnung eine wunderbare Freundschaft entwachsen könnte. Kise musste den gleichen Gedanken gehabt haben, denn er hatte Takao beinahe sofort nach seiner Handynummer gefragt. Shin-chan hatte diesen Austausch kritisch und mit wenig Begeisterung verfolgt, wobei eine Ader an seiner Schläfe missbilligend pulsiert hatte. Takao und Kise hatten ihn geflissentlich ignoriert – eine Fähigkeit, die sie beide offenbar über die Jahre hinweg perfektioniert hatten.
 

»Wozu müsst ihr Nummern austauschen?«, hatte Shin-chan wissen wollen.
 

»Weil wir uns gut verstehen und nicht jeder so ein Einsiedlerkrebs ist wie du, Shin-chan.«
 

Es hatte sich sehr schnell heraus gestellt, dass Takaos Eindruck goldrichtig gewesen war. Trotz des Trainings und Kises Nebenjob als Model – der unglaublich zeitaufwändig zu sein schien und von zahlreichen Fototerminen bis hin zum Unterhalten seiner Fangirls und Fanboys reichte – schafften Kise und Takao es, sich mindestens einmal in der Woche zu treffen. Shin-chan beäugte diese Entwicklung voller Argwohn und er äußerte sich regelmäßig abfällig über Takaos schlechten Umgang.
 

Takao ignorierte auch dies. Er kannte Shin-chan nun lange genug und auch wenn er so oft wie möglich betonte, wie wenig er von Kise hielt – und eigentlich von auch den meisten seiner anderen ehemaligen Teamkollegen – so wusste Takao doch, dass Shin-chan das Basketballspielen bei Teiko nicht als unangenehm empfunden hatte. Shin-chan maulte über alles Mögliche. Er war eine Diva. Allerdings durfte Takao ihm das nicht mitteilen, denn dann riskierte er eine blutige Nase, und auch wenn er auf dem Gebiet der Oberflächlichkeit nicht an Kise heran reichte, so schätzte er seine gerade Nase doch sehr. Und selbstverständlich schätzte er seine Freundschaft zu Shin-chan ebenso.
 

Wenn er zurückblickte und sich fragte, wann genau er sich in den bebrillten Mistkerl verknallt hatte, so konnte Takao nicht genau den Finger auf einen bestimmten Zeitpunkt legen. Ob es der Tag gewesen war, an dem sie gegen Seirin verloren hatten und er Shin-chan zum ersten Mal hatte weinen sehen, ob es der Augenblick gewesen war, als Shin-chan zum ersten Mal gelächelt hatte, als sie gemeinsam Basketball gespielt hatten oder ob es eine der unzähligen Gelegenheiten gewesen war, an denen Takao entdeckt hatte, dass Shin-chan doch ein Herz hatte – auch wenn er sehr bemüht war, das zu verschleiern und zu leugnen –, er wusste es nicht mehr. Und jetzt fühlte es sich einfach nur noch so an, als hätte er immer schon Herzrasen bekommen, wenn Shin-chan ihn ansah. Als hätte sein Magen immer schon Saltos geschlagen, wenn er Shin-chan morgens zur Schule abholte. Takao wusste nicht mehr, wie es sich anfühlte, nicht in Midorima Shintarou verliebt zu sein.
 

Nach all der Zeit des Schmachtens und Kribbelns und dümmlichen Grinsens in Shin-chans Gegenwart hatte Takao sich außerdem an die dramatische aber nicht zu ändernde Tatsache gewöhnt, dass Midorima Shintarou ihn niemals auf diese Art und Weise mögen würde. Takao wusste, dass Shin-chan ihn auf seine eigene verkorkste Art schätzte, dass sie gut Basketball zusammen spielten und Shin-chan das durchaus bewusst war, und Takao war sich sogar beinahe sicher, dass Shin-chan ihn als guten Freund – und vielleicht sogar seinen einzigen

Freund – ansah… Aber das war es. Es war traurig und bescheuert, aber leider nicht zu ändern. Auch wenn Takao nachts in seinem Bett lag und sich ausmalte, wie es wäre, wenn Shin-chan genauso fühlen würde wie er. Vielleicht würde er sogar ab und an rot werden, wenn Takao zweideutige Bemerkungen machte. Diese Vorstellung brachte ihn erstens zum Grinsen und zweitens brachte sie sein Blut in Wallung. Es war nie hilfreich, vorm Einschlafen an diese Dinge zu denken, denn dann konnte er garantiert noch viel weniger einschlafen und wenn er es dann doch tat, dann träumte er dermaßen intensiv, dass er morgens schweißgebadet und nicht selten genug mit feuchter Unterhose aufwachte. Es war entwürdigend und peinlich und Takao würde dieses Geheimnis mit in sein Grab nehmen. Ja, er hatte feuchte Träume über Midorima Shintarou, arrogantes Arschloch extraordinär und emotionale Abrissbirne sondergleichen. Wow.
 

Was für eine beschissene Wendung seines ansonsten durchaus angenehmen Lebens.
 

Eine schlagartige Wendung seines ansonsten relativ berechenbaren Alltags traf ihn an einem regnerischen Mittwochnachmittag, als er nach der Schule mit Kise zum Teriyaki-Essen verabredet war und Kise in seinem üblichen Wirbel aus schicken Klamotten und einem strahlenden Lächeln den Laden betrat, wobei sein Ohrring funkelte und die Bedienung hinter der Theke beinahe einen Ohnmachtsanfall erlitt. Takao kannte das schon und er war stets ausgesprochen amüsiert darüber. Er wünschte sich dumpf eine ähnliche Wirkung auf Shin-chan zu haben, schob den Gedanken allerdings rasch beiseite, als Kise sich ihm gegenüber auf einen Stuhl fallen ließ und sich aus seiner wahrscheinlich übermäßig teuren Regenjacke pellte. Regenjacken waren eigentlich keine besonders eleganten Kleidungsstücke, aber Kise schaffte es irgendwie trotzdem auszusehen, als wäre er geradewegs aus dem Schaufenster spaziert.
 

»Ich habe ein dringendes Anliegen an dich!«
 

Takao hätte sich denken können, dass es sich bei dieser Eröffnung nicht einfach nur um eine Bitte à la »Leih mir doch bitte den Basketball aus deiner Sporttasche für diesen Nachmittag« handeln würde. Er beugte sich vor und legte erwartungsvoll den Kopf schief.
 

»Worum geht’s?«, wollte er wissen. Kise räusperte sich und sein strahlendes Lächeln flackerte ein wenig – kein gutes Zeichen, wie Takao wusste. Er machte sich auf das Schlimmste gefasst.
 

»Es geht um Aominecchi«, sagte Kise in gedämpftem Ton und im nächsten Moment hatte er sein Strahlen repariert, als die Bedienung zu ihrem Tisch kam und ihre Bestellung aufnahm. Kise war gruselig. Er war sogar noch gruseliger, weil die meisten Leute ihn unterschätzten. Was das anging, waren sie sich sehr ähnlich, befand Takao. Ihm traute auch nie jemand irgendetwas zu.
 

Takao konnte Aomine nicht leiden. Er war ein arroganter Saftsack und nachdem Takao das Spiel zwischen Kise und Aomine verfolgt und gesehen hatte, wie Aomine den verletzten Kise einfach hatte liegen lassen, hätte er ihm gerne ein paar Zähne ausgeschlagen. Aber Takao war kein Typ für Gewalttätigkeiten und so hatte er sich darauf beschränkt, Aomine bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu verfluchen und ihm Hautausschlag zu wünschen.

»Ok«, sagte Takao langgezogen und lehnte sich noch ein wenig weiter vor. Kise räusperte sich ein weiteres Mal.

»Ich weiß, dass du nicht viel von ihm hältst, aber…«
 

Takao nickte mit ernster Miene. Kise schnaubte amüsiert und fuhr fort.
 

»IchbinschonseitJahrenverknalltinihnundichglaubeermagmicheigentlichauchundwilleseinfachnichtzugeben«, sprudelte es in atemberaubendem Tempo aus Kise heraus, sodass Takao Schwierigkeiten hatte, ihn zu verstehen. Er starrte sein Gegenüber einen Moment lang an, während sein Gehirn diese neuen Informationen verarbeitete. Takao kam zu dem Entschluss, dass Kise absolut wahnsinnig sein musste, um in jemanden wie Aomine Daiki verknallt zu sein.
 

»Und wie genau zeigt er dir, dass er dich auch mag?«, fragte Takao misstrauisch. Kise fummelte an seinem Designerpullover herum und nickte der Bedienung dankend zu, als sie ihre Getränke vor ihnen abstellte. Takao konnte sich kaum vorstellen – nicht einmal in irgendeinem abgefahrenen Paralleluniversum – wie Aomine Daiki irgendeinem Menschen außer sich selbst seine Wertschätzung zeigte.

»Ich kann es schlecht beschreiben, ich kenne ihn eben schon sehr lange und merke sowas«, erwiderte Kise und er klang beinahe ein wenig trotzig. Takao dachte darüber nach, ob er Kises Blubberblase platzen lassen sollte, aber dann dachte er an seine Träume mit Shin-chan und an die Hoffnung, die sich manchmal immer noch in ihm breit machte, auch wenn er eigentlich wusste, dass Shin-chans Herz in etwa die Weichheit einer Backsteinmauer hatte. Mit sehr wenigen Ausnahmen.
 

»Und wofür brauchst du dabei meine Hilfe?«, erkundigte sich Takao und nippte an seiner Limo. Auf Kises Gesicht breitete sich ein süßliches, unschuldiges Lächeln aus, das in etwa so klebrig aussah, wie Takaos Limo schmeckte. Er verschluckte sich beinahe und hüstelte leise vor sich hin. Takao selbst würde sich durchaus als einen recht durchtriebenen Charakter beschreiben, aber Kise erreichte in dieser Sache ganz ungeahnte Höhen, das war Takao klar. Er konnte Menschen gut einschätzen und er hatte vom ersten Moment an gewusst, dass Kise mit seinem bekloppten Verhalten darauf spekulierte, von anderen unterschätzt zu werden – eine Taktik, die beinahe immer aufging, wie Takao wusste.
 

»Nun, ich kann mir keinen besseren Partner für meine Idee vorstellen«, sagte Kise betont beiläufig und strich mit seinem Zeigefinger über den Rand des Glases. Takao war sich nicht sicher, ob er das als Kompliment auffassen, oder eher beunruhigend finden sollte. Während die Bedienung ihnen ihr Essen auf den Tisch stellte und sich diskret entfernte, wartete Takao gespannt auf Kises weitere Erklärungen bezüglich seines Plans, Aomine Daiki für sich zu gewinnen. Ein absolut wahnsinniges Unterfangen, wie Takao fand. Aber er schwieg und behielt all seine Einwände für sich.
 

»Ich dachte mir, dass man Aominecchi am besten durch eine Holzhammermethode auf seine eigenen Gefühle aufmerksam machen sollte, ohne ihm dabei zu suggerieren, dass er auf keinen Fall eine Chance bei mir hätte«, erklärte Kise enthusiastisch und schob sich mit seinen Stäbchen den ersten Bissen seines Teriyakis zwischen die hübschen Lippen. Takao fragte sich dumpf, wieso er sich nicht in Kise hatte verlieben können. Das Leben war doch grausam.
 

Takao hüstelte leise angesichts von Kises Wortwahl, hieß ihm aber mit einer Handbewegung

Weiter zu sprechen, während er sich darum bemühte, sich seine Zunge nicht zu verbrennen. Kise schluckte seinen Bissen herunter ohne sich an der Hitze des Essens zu stören und strahlte Takao so leuchtend an, dass er sich beinahe ein wenig geblendet fühlte.

»Ich dachte, wir beide könnten einfach so tun als wären wir ein Paar! Was meinst du?«

Takaos Versuch seine Zunge zu schonen scheiterte, als er seinen heißen Bissen vor Schreck verschluckte und sich so auch noch seine Speiseröhre verkohlte. Takao hustete, Kise grinste und Takao war sich nicht sicher, wohin genau ihn diese merkwürdige Fügung seines Lebens tragen würde.
 

*
 

»Du bist WAS?«
 

»Kein Grund, laut zu werden, Shin-chan. Eigentlich wollte ich es nicht gleich der ganzen Schule erzählen, weißt du?«
 

»Das kann doch nicht dein Ernst sein. So einen miserablen Geschmack hätte ich dir nicht zugetraut.«
 

Midorima Shintarou sah aus, als würde er jeden Augenblick vor Wut explodieren. Eine Ader pulsierte an seiner Schläfe und er hatte die Augenbrauen so dicht zusammengezogen, dass er aussah wie ein Raubvogel. Die Augen hinter den Brillengläsern blitzten missbilligend und er hatte die Hände an seinen Seiten zu Fäusten geballt. Takao hatte ja schon gewusst, dass Shin-chan nicht allzu… begeistert von seiner Freundschaft mit Kise war, aber dass er sich derartig mokieren würde, hätte Takao nicht erwartet. Aber vielleicht regte sich Shin-chan ja auch nicht unbedingt über Kise an sich auf, sondern darüber, dass Kise ein Junge war? Takaos Herz sank ein paar Zentimeter in seinem Brustkorb.
 

Sie standen in der Umkleidekabine und ihre Teamkameraden waren bereits in der Sporthalle, um sich warm zu machen. Takao hatte Shin-chan zurückgehalten, um ihm die ‚Neuigkeiten‘ zu überbringen. Der langweilig graue Fliesenfußboden sah beinahe so aus, als würde er Takao dafür verurteilen, seinem guten Freund nicht die Wahrheit über die Natur dieser Vereinbarung zu sagen. Aber Takao befand, dass – wenn er schon so tun wollte, als wäre er mit Kise zusammen – es authentischer war, wenn er auch in seinem Umfeld nicht heraus plauderte, dass es nicht echt war.
 

Das warme Nachmittagslicht, das von draußen herein schien, reflektierte auf Shin-chans Haaren, die Takao sich immer sehr seidig vorgestellt hatte. Eine kleine Stimme in seinem Hinterkopf verlangte protestierend, dass Takao Shin-chan bitte sehr sofort sagen sollte, dass er ja eigentlich mit ihm zusammen sein wollte und es nicht Takaos Schuld war, dass daraus nichts wurde… aber er ignorierte die kleine Stimme und verschränkte die Arme vor der Brust.
 

»Shin-chan, es geht dich Gott sei Dank herzlich wenig an, was für einen Männergeschmack ich habe«, sagte Takao mittlerweile sichtlich genervt. Wenn Shin-chan tatsächlich etwas dagegen hatte, dass Takao auch auf Männer stand, dann sollte er ihm das gefälligst direkt sagen und nicht so tun, als wäre er um Takaos Wohlergehen besorgt.
 

Takao drehte sich auf dem Absatz um und stapfte schlecht gelaunt aus der Umkleidekabine. Es kam selten genug vor, dass er in miserabler Stimmung war, aber Shin-chan war einfach ein derartiger Armleuchter, dass Takao sich fragte, wieso er es überhaupt so lange und in aller Ruhe mit ihm ausgehalten hatte. Es war ja nicht so, als würden ihn nicht ohnehin alle Leute für wahnsinnig halten, weil er Shin-chan durch die Gegend kutschierte, ihm sein Tape reichte, ihm von seinen Bentos abgab und seine freie Zeit mit ihm verbrachte, um stumm nebeneinander Hausaufgaben zu machen oder ihr Passspiel zu trainieren.
 

Das Training lief miserabel. Takao war unkonzentriert und Shin-chan blaffte alle Teammitglieder bei jeder sich bietenden Gelegenheit an und erklärte ihnen in seinem überheblichsten Ton, dass sie unfähige Trottel waren. Seine Aura strahlte aus, dass er sich eindeutig zu schade war, um mit ihnen seine Zeit und sein kostbares Talent zu vergeuden.

Takao wartete darauf, dass Ootsubo sich Midorima vorknöpfte und nach einer halben Stunde hatte ihr Kapitän die Nase voll und brüllte Shin-chan an, dass er für die nächste Woche keine Unverschämtheit pro Tag mehr freihätte, weil er sich heute allzu viele davon geleistet hätte und dass er sich gefälligst zusammen reißen sollte. Takao merkte, dass seine Teamkollegen verwirrt waren. Es war so gut bergauf gegangen in den letzten Monaten. Shin-chan hatte langsam aber merklich seine Arroganz und seinen Egoismus reduziert, er hatte angefangen regelmäßiger zu passen und manchmal hatte man ihn sogar kaum sichtbar lächeln sehen. Heute war von diesem Fortschritt nichts mehr zu bemerken.
 

»Und Takao, du bist unkonzentriert. Brauchst du eine kurze Auszeit?«, fragte Ootsubo, sichtlich außer Atem, da er Shin-chan gerade zur Schnecke gemacht hatte. Shin-chan stand mit geballten Fäusten und gesenktem Kopf mitten auf dem Feld, während ihre Mitspieler ihr Ass verwirrt und ein wenig empört anstarrten.

»Vielleicht muss man ihm nur eine ordentliche Ananas an den Kopf werfen«, hörte Takao es von links. Er seufzte und schüttelte den Kopf.

»Nein, alles ok, Captain. Ich reiß mich zusammen«, sagte er und zwang sich, nicht allzu sehr über Shin-chans beknacktes Verhalten nachzudenken.
 

Das gestaltete sich insofern als schwierig, als dass das Teamspiel der gesamten Mannschaft auf dem Zusammenspiel zwischen Shin-chan und Takao aufbaute und diese Zusammenarbeit wollte heute einfach nicht klappen, sodass Ootsubo nach weiteren fünfzehn Minuten erneut die Geduld verlor und für alle zehn Runden um die Sporthalle anordnete. Shin-chan beschwerte sich nicht. Er lief schweigend und mit sichtlich zusammengepressten Lippen ganz vorne allen anderen voran und Takao starrte seinen Rücken an, während er sich darüber Gedanken machte, wo er sich dank Kise hinein geritten hatte.
 

*
 

Takao konfrontierte Shin-chan zwei Tage später. Er hatte die Nase voll von der merkwürdigen Stimmung, die zwischen ihnen beide herrschte.

»Hör mal, Shin-chan, wenn du ein Problem damit hast, dass ich bisexuell bin–«
 

»Red keinen Unsinn, Takao«, unterbrach Shin-chan ihn mit gebieterischer Stimme und schob mit seinen sorgfältig umklebten Fingern seine Brille nach oben. Takao hob die Augenbrauen, während Shin-chan auf ihn hinab blickte, als wäre Takao eine Kakerlake, die er gerne zertreten würde. Wie Shin-chan es anstellte, immer derartig herablassend auszusehen – so, als gehörte ihm die Welt und als hätten alle anderen Menschen dankbar dafür zu sein, dass sie in seiner Gegenwart atmen durften – war Takao ein Rätsel, aber er hatte sich nach all der Zeit daran gewöhnt. Manchmal schaffte er es sogar, Nuancen zwischen verschiedenen Gesichtsausdrücken zu erkennen. Tatsächlich war er darauf mächtig stolz. Im Moment war er sich beinahe hundertprozentig sicher, dass Shin-chan die Situation sehr unangenehm war.
 

»Ich interessiere mich nicht dafür, was meine Mitmenschen in ihrer Freizeit treiben und mit wem sie… ausgehen«, sagte Shin-chan mit einer wegwerfenden Handbewegung und verschränkte die Arme vor der Brust. Er sah entschieden zur Seite. Takao blinzelte. Es sah fast aus, als wäre Shin-chan ein wenig verlegen. Wie viel Überwindung es ihn wohl gekostet hatte, so ein profanes Wort wie ‚ausgehen‘ zu verwenden? Takao musste schmunzeln und gegen seinen Willen spürte er, wie seine Empörung in Shin-chans Richtung dahin schwand. Letztendlich war Midorima Shintarou zwar ein Ass im Basketball spielen, aber kein Experte, wenn es um zwischenmenschliche Beziehungen und Interaktionen ging. Takao fiel es schwer, ihm weiter böse zu sein.
 

»Warum bist du dann sauer, Shin-chan? Du bist doch wohl nicht selber scharf auf Kise, oder?«, scherzte Takao amüsiert und buffte Shin-chan den Ellbogen in die Seite. Shin-chan starrte zu ihm herunter, als würde er Takao gerne erwürgen wollen. Er äußerte sich allerdings nicht, sondern drehte sich weg und schnaubte verächtlich.

»Wir kommen zu spät zum Unterricht, Takao. Beweg dich«, sagte er und stapfte davon. Takao betrachtete wie so oft Shin-chans Rücken. Irgendwann würde er vielleicht neben Shin-chan gehen, statt dauernd hinter ihm. Bis dahin konnte er sich Gedanken darüber machen, ob Midorima Shintarou eventuell wirklich auf Kise Ryouta stand.
 

*
 

Kise hatte ein Talent für ausgesprochen schlechtes Timing. Gerade als Takao feststellte, dass die merkwürdige Stimmung zwischen ihm und Shin-chan beinahe vollkommen verschwunden war, platzte Kise Ryouta in eine ihrer Trainingsstunden und lehnte neben der Tür an der Wand. Seine katzenartigen Augen waren die ganze Zeit über auf Takao gerichtet und er winkte »Midorimacchi!« begeistert zu. Takao schenkte er ein zweideutiges Zwinkern. Takao würde im Leben nicht zugeben, dass ihm diese Geste die Röte ins Gesicht trieb. Dummerweise hatte Shin-chan es trotz Takaos Versuchen bemerkt, seine hochroten Wangen zu verbergen. Immerhin, dachte Takao dumpf bei sich, bekam ihre Geschichte allein dadurch schon eine gewisse Glaubwürdigkeit.
 

Alle anderen waren verwirrt darüber, dass ein weiteres Mitglied der Generation der Wunder bei ihrem Training auftauchte, doch unglücklicherweise schien Kise nicht vorzuhaben, seine neue Beziehung geheim zu halten. Sobald das Training von Ootsubo beendet worden war, kam Kise zu Takao herüber geschlendert, während Shin-chan steif wie eine Litfasssäule

neben ihm stand und seine Brille nach oben schob. Takao fragte sich, ob Shin-chan diese Geste in bestimmten Situationen besonders häufig machte. Er nahm sich vor, von jetzt an genauer darauf zu achten.
 

Zu Takaos Entsetzen legte Kise einen Arm um seine Schultern und beugte sich so nah zu ihm herunter, als würde er ihn jeden Moment küssen wollen.

»Hallo, Kazunari«, raunte er. Takao wurde auf keinen Fall noch röter. Er spürte auch auf keinen Fall einen heftigen Anflug von Erregung bei Kises Ton. Er bekam sicherlich keine Gänsehaut bei dem Klang seines Vornamens, den Kise einfach so auf diese intime Art und Weise ausgesprochen hatte. Nein, ganz bestimmt nicht. Seine Teamkameraden starrten verwirrt und alarmiert zu ihnen herüber und Takao riskierte einen Blick auf Shin-chan, der aussah, als würde er Kise jeden Moment erwürgen wollen. Shin-chan hasste Kises informelles Verhalten. Wieso er Takao gestattete, ihn Shin-chan zu nennen, ohne ihn deswegen erdolcht zu haben, war Takao unbegreiflich.
 

»Geh sterben, Kise«, raunzte Shin-chan Kise an und Kise machte große Augen in Shin-chans Richtung.
 

»Was soll das heißen, Midorimacchi?«
 

»WAS SOLL ES SCHON HEISSEN?«
 

Kise griff sich an die Brust, als wäre er sehr verletzt. Er schniefte sogar ein wenig. Takao verdrehte die Augen und entfernte vorsichtig Kises Arm von seinen Schultern.

»Wie kommt’s, dass du hier bist?«, erkundigte sich Takao bei Kise, wobei er sich sehr bemühte den wütend vor sich hin kochenden Shin-chan und seine glotzenden Teammitglieder zu ignorieren.

»Brauche ich denn einen Grund, um meinen Freund sehen zu wollen?«, erkundigte sich Kise amüsiert schmunzelnd. Takao räusperte sich.
 

»Nein, vermutlich nicht. Wenn du noch kurz wartest, bis ich geduscht hab, können wir noch was essen gehen«, sagte er. Kise öffnete den Mund, um zu antworten, als die Tür der Halle aufgestoßen wurde und eine ganze Horde Menschen hereinstürmte. Sie alle kreischten Kises Namen und viele von ihnen hatten Kameras dabei und hielten Fotos in der Hand, die Kise offensichtlich unterschreiben sollte.
 

Takao hatte sich halb weggedreht, um vor der verrückten Meute zu fliehen, als etwas Unvorstellbares passierte. Er spürte einen kräftigen Arm um seine Taille, dann wurde er herum gewirbelt und im nächsten Augenblick hatte er ein Paar weicher aber nachdrücklicher Lippen auf seinem Mund. Die kreischende Menge schnappte einstimmig nach Luft und Takao wusste in den Tiefen seines benebelten Gehirns, dass mindestens zwanzig Fotos von diesem Moment entstanden waren, während er noch versuchte, keinen Herzinfarkt zu erleiden. Was um alles in der Welt…?
 

Dann ging das Kreischen wieder los. Kise entließ Takao aus seinem Griff und grinste zu ihm hinunter. Takao wusste, dass er ohnehin keine Erwiderung heraus bekommen hätte und so hastete er seinen Teamkameraden hinterher zu den Duschen. Er wagte es nicht, Shin-chan anzuschauen, der so eine öffentliche Darstellung von Intimität sicherlich nicht passend fand. Milde ausgedrückt.
 

»Sag mal, Takao… Seit wann läuft was zwischen dir und Kise-kun?«
 

»Ja, Alter, wie hast du es geschafft, ein Model rumzukriegen? Vielleicht kann Kise uns ein paar seiner weiblichen Kolleginnen vorstellen…?«
 

Takao hatte nicht besonders viel Lust über sein vorgetäuschtes Liebesleben zu sprechen, doch er brauchte gar nicht zu antworten, denn Ootsubo wies die anderen an, nicht so neugierig zu sein. Shin-chan knallte seinen Spind besonders laut zu und Takao seufzte. Soviel zu ihrer sich erholenden Beziehung. Pustekuchen.
 

*
 

»Model und aufstrebender Stern am Basketballhimmel Kise Ryouta homosexuell?«
 

»Kise Ryouta und seine geheime Liebschaft!«
 

»Kise Ryouta, Mädchenschwarm und junger Basketballstar der Kaijou High, in einer Beziehung mit Shutoku Highs Takao Kazunari?«
 

Takao massierte sich seine Schläfen und legte das vierte Klatschblatt beiseite. Verschiedene Leute aus seiner Klasse hatten ihm die Zeitschriften mit entsprechenden Fotos und Schlagzeilen und Artikeln dazu serviert. Die Bilder sahen zugegebenermaßen ziemlich gut aus, was vermutlich vor allem an Kises überragendem Aussehen lag. Vermutlich sah jedes Foto, auf dem Kise zu sehen war, gut aus. Dummerweise hatte Takao nicht darüber nachgedacht, dass Kises Ruhm und seine Bekanntheit nun ungewollt auf ihn übertragen

werden würde, doch er wusste genau, wieso Kise dieses Drama herauf beschworen hatte. Er schien wirklich sehr entschlossen zu sein, Aomine für sich zu gewinnen.
 

Denn so würde Aomine auf jeden Fall davon erfahren, dass Kise angeblich mit Takao zusammen war, ohne dass Kise es ihm übermäßig auffällig unter die Nase reiben musste.

»Hey Aomine, ich bin jetzt übrigens mit Kazunari zusammen! Na, bist du schon ordentlich eifersüchtig?«, war irgendwie kein besonders subtiler Weg, Aomine die Botschaft zu unterbreiten. Aber so würde Aomine durch irgendjemanden Drittes von der Neuigkeit erfahren und würde sehr wahrscheinlich nicht auf die Idee kommen, dass diese Entwicklungen irgendetwas mit ihm zu tun hatten. Kise war unglaublich.
 

Zu Takaos Überraschung hatte Shin-chan trotz seiner anfänglichen Abweisung nicht wieder damit angefangen, Takao zu ignorieren und so zu tun, als wäre er der König der Welt. Er verhielt sich so normal, wie es für Midorima Shintarou einen Zustand der Normalität geben konnte. Allerdings warf er den Magazinen auf Takaos Tisch einen abfälligen Blick zu setzte sich schweigend auf seinen Platz neben Takao. Vor sich auf den Tisch stellte er eine kleine hölzerne Kitsune-Figur.
 

»Der Glücksbringer für heute?«, fragte Takao und deutete auf den Fuchs. Shin-chan nickte.
 

»Laut Oha Asa ist heute der ideale Tag für Krebse«, erwiderte er und nickte nachdrücklich. Takao hatte nie an diesen ganzen Horoskopkram geglaubt. Allerdings fand er es beunruhigend, wie Shin-chan einfach mit der Kraft seiner Überzeugung dazu beitragen konnte, dass sich sein Horoskop jedes Mal erfüllte. Es war ein bisschen wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Shin-chan schaffte Dinge, weil er daran glaubte, dass das Horoskop Recht hatte und er glaubte daran, weil er all die Dinge schaffte, die er sich vornahm. Merkwürdig und schräg, aber überraschend erfolgreich und effizient.
 

»Na dann viel Glück für heute«, sagte Takao schmunzelnd. Shin-chan schnaubte.
 

»Es hat nichts mit Glück zu tun«, informierte er Takao. Takao hob abwehrend die Hände und grinste noch etwas breiter.
 

»Natürlich nicht, Shin-chan.«
 

*
 

»Ich denke, wir sollten Händchen halten«, verkündete Kise, als er mit Takao auf dem Weg in eine Eisdiele war. Takao hatte seine Hände in die Hosentaschen gesteckt und sah Kise etwas unbehaglich von der Seite an. Er war normalerweise wirklich nicht der Typ dafür, sich für sich oder seine sexuelle Orientierung zu schämen, aber diese ganze Öffentlichkeitsschiene, die Kise fuhr, machte ihn etwas unruhig. Vor allem seit das Foto von ihnen beiden in vielen verschiedenen Zeitschriften erschienen war. Fans von Kise belagerten nun auch Takao, um ihm Fragen über seinen »Freund« und »ihre Beziehung« zu stellen und letzte Nacht hatte er seiner Mutter erklären müssen, wieso eine Horde junger Mädchen ihm bis nach Hause gefolgt und über eine Stunde vor seiner Haustür gewartet hatte.
 

Allerdings befand er auch, dass es unmöglich noch schlimmer werden konnte. Zwar waren gerade scheinbar keine Fans in der Nähe, aber man wusste nie, hinter welchem Müllcontainer jemand hervorspringen würde und so zog er seine rechte Hand aus der Hosentasche und Kise griff danach. Eigentlich war es wirklich nett. Takao mochte Kise und er hätte absolut nichts dagegen, eine Beziehung mit ihm zu haben.

»Hat sich denn schon was getan? Bei Aomine, meine ich«, fragte Takao, während sie Händchen haltend die Straße hinunter gingen. Einige Leute beobachteten sie scheel und Takao bemühte sich, es nicht zu sehen. Seine Augen informierten sein Gehirn darüber, dass einige Schritte hinter ihnen ein paar junge Mädchen tuschelnd darüber berieten, ob sie sie – oder nur Kise – ansprechen sollten.
 

»Momoicchi hat mich vorgestern angerufen und mich darüber ausgefragt, ob es stimmt, was die Zeitungen so schreiben. Vielleicht ist sie wirklich selber daran interessiert, aber sie wird es sicherlich auch Aominecchi erzählt haben«, erklärte Kise nachdenklich, dann breitete sich ein Strahlen auf seinem Gesicht aus und er blickte zu Takao hinunter. Wieso mussten auch alle Mitglieder der Generation der Wunder so riesig sein? Von diesem Murasakibara wollte er gar nicht anfangen – er war froh, dass sie bislang noch nicht gegen ihn gespielt hatten – aber auch Aomine, Kise und natürlich Shin-chan überragten Takao um mehr als nur ein paar Zentimeter.
 

Bei Aomine störte ihn das, weil er den Kerl einfach nicht leiden konnte. Bei Shin-chan… nun ja. Bei Shin-chan löste der Umstand ihres Größenunterschieds allerlei Gefühle in Takao aus, über die er lieber nicht weiter nachdenken wollte.

»Du hoffst also, dass er bald vor deiner Tür auftaucht und sich dir schmachtend um den Hals wirft?«, erkundigte sich Takao amüsiert. Kise gluckste leise und wedelte mit seiner Takao-freien Hand abwinkend vor Takaos Gesicht herum.

»Unsinn! Ich hoffe, dass er brummig ist und rumdruckst und ich ihn mit meiner Unschuldsmiene zum Explodieren bringe. Und dann werde ich idealerweise gegen die nächstbeste Wand gedrückt und–«
 

»Danke, danke! Das reicht schon!«, rief Takao aus und spürte, wie seine Wangen heiß wurden. Kise lachte auf diese Art und Weise, die einem suggerierte, dass ihn kein Wässerchen trüben konnte. Aber Takao wusste es besser.

»Ist das da drüben nicht Midorimacchi?«, meinte Kise in diesem Moment und Takaos Augen fokussierten sofort auf die Straßenseite, zu der Kise mit dem Kopf geruckt hatte. Und ja. Midorima Shintarou – eine hässliche Sonnenbrille auf und eine Tageszeitung vor der Nase – hockte auf einer der Bänke mitten in der Fußgängerzone. Diesen Haarschopf, die umwickelten Finger und diese ausgesprochen scheußliche Sonnenbrille hätte er überall erkannt.
 

»Hey, Shin-chan!«, rief Takao über die Straße und winkte grinsend zu seinem Freund hinüber. Shin-chan ließ seine Zeitung sinken und blickte sich nach links und rechts um, so als könnte noch jemand anders gemeint sein, der von Takao Shin-chan genannt wurde. Takao ließ Kises Hand los und wechselte eilig die Straßenseite, ehe er vor Shin-chan stehen blieb und zu ihm herunter feixte.

»Was machst du denn hier, Shin-chan?«, wollte er wissen. Kise kam neben ihm zum Halten.
 

»Lesen«, entgegnete Shin-chan steif und hielt kurz seine Zeitung hoch.
 

»Du bist nicht gerne draußen unter Menschen«, erinnerte Takao ihn und Shin-chan zog seine Brauen zusammen.
 

»Ich muss mich nicht vor dir rechtfertigen, Takao. Ich kann lesen, wo ich will«, entgegnete Shin-chan ungehalten und schob seine Brille nach oben. Takao zuckte mit den Schultern.
 

»Kise und ich wollen ein Eis essen gehen. Willst du mitkommen?«
 

Shin-chan schnaubte und Takao wusste, dass seine Augen hinter den dunklen Gläsern auf Kise ruhten.
 

»Auf keinen Fall«, sagte er.
 

»Ach, komm schon, Midorimacchi! Es wird sicher lustig«, drängelte Kise und Takao registrierte im nächsten Augenblick, dass Kise seine Hand wieder ergriffen hatte.
 

»Das wage ich zu bezweifeln«, meinte Shin-chan trocken und erhob sich. Er war ein kleines Stück größer als Kise und sein Gesicht sah wie die meiste Zeit über aus, als wäre es aus Stein gemeißelt.
 

»Ah, Kazunari«, klagte Kise und warf sich Takao um den Hals, »Midorimacchi ist immer so gemein zu mir!«
 

»Ich bin sicher, du wirst es überleben. Er ist auch bei weitem nicht so gemein zu dir wie Aomine«, sagte Takao mit einem vielsagenden Blick zu Kise. Kise schob seine Unterlippe vor und schmollte, während Takao sich ein enttäuschtes Bauchgefühl nicht verkneifen konnte, weil Shin-chan nicht mit ihnen zusammen Eis essen gehen wollte. Natürlich wollte er das nicht, das verwunderte Takao nicht. Aber es wäre irgendwie… nett gewesen, mit Shin-chan Zeit zu verbringen, ohne dass sie Basketball spielten oder Hausaufgaben machten. Es war lächerlich und Takao wusste es, aber dann hätte er sich für ein paar Sekunden vorstellen können, dass er eigentlich mit Shin-chan zusammen war und nicht mit Kise eine Beziehung vorspielte. Zum hundertsten Mal dachte er darüber nach, Shin-chan einfach zu sagen, dass er und Kise gar nicht wirklich zusammen waren, aber was würde das schon bringen? Shin-chan wollte ohnehin nichts von ihm wissen – nicht auf diese Weise.
 

»Wie kommt es eigentlich, dass du hier liest, Shin-chan?«
 

»Ich wohne in der Nähe.«
 

»Red keinen Blödsinn! Ich karre dich jeden Tag zur Schule, ich weiß genau, wo du wohnst!«
 

Shin-chan schien zu denken, dass er erhaben darüber war, eine solch banale Frage zu beantworten, denn er machte einfach nur »Tch« und schob erneut seine Brille auf dem Nasenrücken nach oben.
 

»Na schön. Wir machen uns auf den Weg. Viel Spaß noch beim Lesen«, sagte Takao schulterzuckend und hob kurz die Kise-freie Hand. Shin-chan erwiderte seinen Gruß nicht. Er stand einfach nur mit seiner bekloppten Sonnenbrille und seiner Zeitung da und Takao fragte sich, ob er ihnen nachschaute.
 

*
 

»Momoicchi hat mich heute noch mal anrufen und gefragt, wie es mit uns beiden läuft.«
 

»Oh, gut. Vielleicht hat Aomine sie unter Tränen gebeten, bei dir anzurufen.«
 

»Hey!«
 

»Ist doch wahr. Aomine ist ein Arschloch und interessiert sich nur für sich selbst.«
 

*
 

Takao hatte ein wenig Angst, sich an diese ganze Beziehungskiste mit Kise zu gewöhnen. Mittlerweile griffen sie beinahe automatisch nach der Hand des jeweils anderen und Kise hatte Takao insgesamt vier Mal geküsst. Jedes Mal vor Publikum natürlich, aber nichtsdestotrotz war Takao nicht umhin gekommen festzustellen, dass Kise ein sehr guter Küsser war. Er stellte sich vor, wie Shin-chans Küsse sich wohl anfühlen mochten. Wahrscheinlich weniger spielerisch und eher… methodisch. Gab es sachliche Küsse? Sachliche, methodische Küsse? Wenn ja, dann würde Shin-chan sicherlich küssen, als hätte er es aus irgendeinem Regelwerk auswendig gelernt.
 

»Takao.«
 

Takao blickte auf. Er war gerade dabei, seine Tasche zu packen. Heute war sein einzig freier Tag in der Woche. Ein ganzer Nachmittag und Abend dafür reserviert, sich in seinem Zimmer zu verbarrikadieren, Videospiele zu spielen und Süßigkeiten in sich hineinzustopfen – etwas, das er wegen des Sports nur selten tat.
 

»Was gibt’s, Shin-chan?«
 

Shin-chan ragte vor seinem Tisch auf wie ein grimmig dreinblickender Riese mit blitzenden Brillengläsern. Er schob sein Brillengestell nach oben.

»Ich will, dass du mich in die Stadt fährst. Ich brauche neues Tape«, verkündete Shin-chan mit ernster Miene. Takao schnaubte und erhob sich mit seiner Tasche.

»Keine Chance, Shin-chan. Ich hab heute frei. Es ist Donnerstag. Donnerstag ist mein Tag«, gab er zurück und warf sich seine Schultasche über die Schultern. Shin-chan presste seine Lippen aufeinander.
 

»Letzten Donnerstag warst du mit Kise Eis essen, also kannst du mich auch in die Stadt fahren.«
 

Takao starrte Shin-chan an. Erst einmal war es merkwürdig, dass Shin-chan sich den

Wochentag gemerkt hatte, an dem Takao mit Kise in der Stadt gewesen war.
 

»Das ist was anderes. Eis essen macht Spaß. Dich durch die Gegend zu kutschieren nicht«, erwiderte Takao kopfschüttelnd und machte sich auf den Weg zur Klassenzimmertür. Und dann geschah etwas, das noch nie zuvor geschehen war.
 

»Wenn es unbedingt sein muss, können wir auch den Bus nehmen.«
 

Takaos Körper fror ein und er drehte den Kopf, um hoch in Shin-chans Gesicht zu sehen. Shin-chan starrte sehr konzentriert geradeaus und sah ganz besonders steif aus, wenn überhaupt noch eine Steigerung möglich war.
 

»Du. Mit dem Bus. In die Stadt? Du hasst öffentliche Verkehrsmittel«, informierte Takao Shin-chan fassungslos. Shin-chan schnaubte.
 

»Und war deine Rolle Tape nicht gestern noch halb voll?«
 

»Man sollte immer einen Vorrat haben.«
 

Takaos Kinnlade klappte ein wenig nach unten. Wenn er nicht wüsste, dass hier Midorima Shintarou vor ihm stand, hätte er eventuell vermutet, dass Shin-chan auf eine sehr ungeschickte Art und Weise versuchte, Zeit mit Takao zu verbringen. Und weil ihm nichts Besseres einfiel, wollte er Tape kaufen fahren. Er nahm sogar öffentliche Verkehrsmittel in

Kauf. Takaos Herz veranstaltete einen aufgeregten Tanz in seiner Brust und sein Magen fühlte sich an, als würde er einen Saltowettbewerb gewinnen wollen. Mist.
 

»Ok«, sagte er und konnte das aufgeregte Krächzen in seiner Stimme nicht ganz unterdrücken. Shin-chan nickte knapp und dann gingen sie schweigend nebeneinander her, durch die lärmenden Gänge der Schule. Leute machten sofort Platz, wenn sie Shin-chan kommen sahen. Shin-chan machte für niemanden Platz. Das war schon immer so gewesen, seit Takao ihn kannte. Takao verschränkte die Arme hinter dem Kopf und konnte einfach nicht umhin zu grinsen. Er würde mit dem Bus in die Stadt fahren und dort mit Midorima Shintarou Tape kaufen. Vielleicht konnte er Shin-chan ja sogar dazu überreden, mit ihm ein Eis zu essen? Oder irgendetwas mit weniger Kalorien. Takao würde mit Shin-chan auch eine Portion grünen Blattsalat oder ein paar Proteinriegel essen, wenn das hieß, dass sie so mehr Zeit miteinander verbringen konnten.
 

Takao merkte die ganze Busfahrt über – sie dauerte etwa fünf Stationen – Shin-chans Unbehagen. Er war beeindruckt, wie stocksteif Shin-chan stehen konnte, obwohl der Bus gehörig bei jeder Kurve schwankte und Takao musste sich eingestehen, dass er die körperliche Nähe zu Shin-chan sehr schätzte, als sie bei jeder Biegung gegeneinander gedrückt wurden.

»Du warst sehr tapfer, Shin-chan«, sagte Takao schmunzelnd, als sie endlich ausgestiegen waren. Shin-chan warf ihm einen strengen Seitenblick zu und stapfte in Richtung Fußgängerzone davon.
 

Es war sehr merkwürdig mit Shin-chan Dinge zu tun, die nichts mit Schule oder Basketball zu tun hatten. Nun ja, indirekt hatte sein Tape natürlich auch mit Basketball zu tun, aber Takao nutzte die Gelegenheit und berichtete Shin-chan die neusten Nervigkeiten seiner Geschwister, was Kise ihm über die Modelbranche berichtet hatte und wie weit er momentan in seinem aktuellen Videospiel gekommen war. Auch wenn Shin-chan Takao kaum ansah, hatte Takao doch das Gefühl, dass er ihm zuhörte und bei einem besonders ausschweifenden Bericht über Takaos letztes Versagen an der Konsole zuckten Shin-chans Mundwinkel sogar ein wenig.
 

Takao hatte den Eindruck, dass Shin-chan besonders lange brauchte, um sein Tape auszuwählen, doch schließlich hatte er sich für insgesamt drei Rollen entschieden und ging damit zur Kasse. Takaos Gedanken rasten. Wie konnte er möglichst unauffällig und lässig vorschlagen, dass sie sich an dieser Stelle noch nicht trennten, sondern noch irgendetwas anderes unternahmen, vielleicht einen Burger oder–

»Wollen wir noch was essen gehen, Shin-chan?«, platzte es aus ihm heraus. Unauffällig oder lässig: nicht erfüllt. Dabei war er normalerweise ein sehr entspannter Mensch. Aber jetzt raste sein Herz wie ein Shinkansen.
 

Shin-chan räusperte sich und verstaute sein Tape in seiner Schultasche. Dann blickte er zu Takao hinunter.

»Keine Burger«, mahnte er streng und Takaos ganzer Körper wurde von einer Welle der Erleichterung und leichtsinnigem Übermut überrollt.

»Ok, keine Burger. Wie wäre es mit Eis?«
 

»Takao…«
 

»Frittierte Calamari?«
 

»Takao!«
 

»Ok, ok. Salat. Oder Proteinriegel.«
 

*
 

Takao hatte ein Problem. Seit seinem merkwürdigen Nachmittag mit Shin-chan war er – und es gab kein besseres und weniger beunruhigendes Wort für seinen Zustand – besessen. Er hatte versucht, den Gedanken abzuschütteln, dass Shin-chan definitiv Zeit mit ihm hatte verbringen wollen, aber es hatte einfach nicht geklappt. Vielleicht störte es Shin-chan, dass Takaos ungeteilte Aufmerksamkeit nicht mehr auf ihm ruhte, sondern dass Takao nun auch recht viel Zeit mit Kise verbrachte.
 

Takao hatte nun mit jedem Tag mehr Schwierigkeiten, seine Gedanken bezüglich Shin-chan abzustellen. Dauernd stellte er sich vor, wie es wäre, Shin-chan zu küssen, ihn mit zweideutigen Sprüchen zum Rotwerden zu bringen und in verstohlenen Momenten irgendwo in den Gängen der Sporthalle seine Hand zu nehmen. Seine körperliche Widerstandskraft gegen Shin-chan schien vollkommen ihren Geist aufzugeben und Takao musste alles an Selbstdisziplin aufbringen, um Shin-chan nicht andauernd wie zufällig zu berühren. Wo um alles in der Welt hatte er sich nur hinein geritten? Er hatte Midorima Shintarou besiegen wollen. Dann hatte er sein Ziel geändert und sich vorgenommen, von ihm Anerkennung zu bekommen. Und jetzt hockte er erfolglos über seinen Hausaufgaben und stellte sich vor, an welchen Stellen man Shin-chan wohl küssen musste, damit er aufhörte, sein kühles und beherrschtes Selbst zu sein.
 

Außerdem hatte Takao bemerkt, dass Shin-chan ihn beobachtete. Regelmäßig kribbelte sein Nacken, doch immer dann, wenn Takao aufblickte, sah Shin-chan irgendwo anders hin. Nicht, dass ihm das viel nützen würde, da Takaos Fähigkeit des Rundumblicks ihm schon längst bestätigt hatte, dass seine Vermutungen stimmten. Takao wünschte sich so sehr, dass Shin-chans merkwürdiges Verhalten bedeutete, dass er Takao auch mochte, auch wenn er ganz genau wusste, dass es genauso gut Shin-chans Versuch sein könnte, mit dieser ganzen neuen Takao-ist-offiziell-bisexuell-Angelegenheit klar zu kommen. Nicht, dass Takao glaubte, dass Shin-chan sich an den Gedanken wirklich besser gewöhnen könnte, nur weil er ihn anstarrte, aber vermutlich fiel Shin-chan nichts Besseres ein.
 

Vielleicht war Takao nun offiziell so etwas wie eine komplizierte Matheaufgabe, die es zu lösen galt. Takao hatte keine Ahnung, was außerhalb des Basketballfeldes in Shin-chans Kopf vor sich ging. Kise winkte ab, als Takao ihm von Shin-chans komischem Verhalten berichtete.
 

»Midorimacchi war immer schon ein wenig seltsam.«
 

Kise hatte Takao vom Training abgeholt und er bestand auch weiterhin darauf, regelmäßig Takaos Hand zu halten. An diesem Tag schien er in besonders kuscheliger Stimmung zu sein. Während seine Teamkameraden die Sporthalle verließen, schmiegte Kise sich an seine Seite und drückte ihm einen sachten Kuss auf die Stirn. Takao hüstelte leise und spürte, wie ihm warm wurde.
 

Ja, er war in Shin-chan verliebt. Sehr. Aber das hieß ja nicht, dass er nicht trotzdem andere Leute attraktiv finden konnte. Und wenn so eine Granate wie Kise sich an einen drückte, dann konnte es schon mal passieren, dass einem ein wenig heiß wurde. Takao hoffte sehr, dass Aomine sich bald besinnen und Kise seine unsterbliche Liebe gestehen würde, damit er und Kise mit diesem Spielchen aufhören konnten. Sonst würde Takao womöglich vor lauter angestauter sexueller Frustration krepieren.
 

»Oi, Midorimacchi!«, rief Kise und winkte Shin-chan zu, der gerade an ihnen vorbei ging. Shin-chan warf Kise nur einen seiner mörderischen Blicke zu, dann schob er seine Brille nach oben und stapfte von dannen. Takao hätte ihn ernster nehmen können, wenn er nicht einen riesigen Plüschpanda mit sich herumgetragen hätte. Takao seufzte und fragte sich, ob er Kise davon erzählen sollte, dass er in Shin-chan verliebt war. Aber Kise plapperte gerade gut gelaunt darüber, wie Momoi ihn in der letzten Woche mindestens dreimal angerufen hatte und Kise sie immer fleißig mit allen möglichen – und größtenteils erfundenen – Details über seine Beziehung zu Takao fütterte.
 

»Mal sehen, wie lange Aominecchi das noch aushält«, frohlockte Kise. Takao fragte sich, wie lange er das noch aushielt.
 

*
 

Wie es sich heraus stellte, war Aomine Daiki an seine Grenzen gelangt. Es war Donnerstag, Takaos freier Tag, den er heute damit verbrachte, mit Kise auf einem der Basketballplätze im Park One-on-one zu spielen. Er machte sich gar nicht allzu schlecht gegen Kise, der ihn dauernd lobte und beeindruckt Takaos Fähigkeiten kommentierte. Takao dachte sich stumm, dass er wahrscheinlich an einem überraschten Herzinfarkt sterben würde, wenn Shin-chan ihm jemals solche Komplimente machen würde. Was selbstredend vollkommen absurd war.
 

Takao war gerade dabei zu versuchen, Kise einen weiteren Korb abzuringen, als er vom Rand des Feldes ein verächtliches Schnauben und eine schnarrende, ihm wohl bekannte und ungeliebte Stimme vernahm.

»Jo, Kise. Spielst du jetzt aus Verzweiflung schon gegen komplette Verlierer?«

Takao brauchte sich nicht umdrehen, um sich vorstellen zu können, wie Aomine Daiki breitbeinig und mit den Händen in seinen Hosentaschen am Spielfeldrand stand, als gehörte ihm die Welt. Takao hatte das arrogante Grinsen genau vor Augen und grummelte leise in sich hinein. Er schnappte Kise den Ball aus den Händen, dribbelte an ihm vorbei und versenkte den Basketball im Korb. Er kam dumpf auf dem Boden auf und kullerte quer über das Feld, wo er liegen blieb.
 

Kise sah verärgert aus und Takao war dankbar dafür. Es wäre ihm absolut nicht recht gewesen, wenn Kise sich Aomine anbiedern und so tun würde, als wäre Takao tatsächlich ein Versager und ein schlechter Zeitvertreib.

»Es wäre mir lieb, wenn du Kazunari nicht beleidigen würdest, Aominecchi«, sagte er und sein übliches naives Strahlen blieb diesmal aus. Takao drehte sich gerade noch rechtzeitig um, um zu sehen, wie Aomine das überlegene Grinsen aus dem Gesicht fiel. Takao musste sich eingestehen, dass Kise vermutlich Recht hatte. Aomine stand auf Kise und er hatte keine Ahnung, wie er mit diesen Gefühlen umgehen sollte. Und es war offensichtlich, dass er es nicht mochte, wie Kise Takao ansprach.
 

Takao sah einen Muskel an Aomines Kiefer zucken.
 

Kise hatte offenbar beschlossen, dass jetzt nicht der richtige Moment für sein übliches aufgedrehtes und täuschend unschuldiges Selbst war. Takao lief ein leichter Schauer über den Rücken, als er die schmalen Augen funkeln sah. Ein Raubtier hätte seine Beute nicht hungriger ansehen können und Takao hätte sich nur allzu gerne aus dem Staub gemacht, um die beiden in trauter Zweisamkeit zurückzulassen.
 

Allerdings hatte Kise andere Pläne für Takao. Er stellte sich neben ihn und ein muskulöser Arm glitt um Takaos Taille. Takao spürte Kises feuchtes Shirt an seinem Oberarm und beobachtete halb interessiert und halb beunruhigt, wie Aomines Kiefer zu mahlen begann, während er sie nicht aus den Augen ließ. Aomine war gefährlich, das wusste Takao. Doch er wusste auch, dass er, wenn er nicht mit Kise befreundet wäre und die Wahl hätte, eher vor Kise Reißaus nehmen würde. Vielleicht nicht auf einem Basketballplatz. Aber überall sonst.
 

»Dein Geschmack lässt zu wünschen übrig«, schnarrte Aomine und machte ein paar Schritte auf sie zu. Takao wusste genau, wie das Schmunzeln auf Kises Gesicht gerade aussah. Er wollte gerade den Mund öffnen, um Aomine zu eröffnen, dass er ein arroganter Saftsack war, der keinerlei Ahnung von gutem Geschmack hatte, als

»Wir können nicht alle Menschen auf ihre Brüste reduzieren und so tun, als wäre das der Inbegriff von gutem Geschmack«, gab Kise beiläufig zurück. Aomine schnaubte. Für Takaos allgemeines Wohlergehen war Aomine eindeutig zu nahe, aber Kise schien nicht gewillt zu sein, Takao aus seinem schraubstockartigen Griff zu entlassen. Stattdessen schien er sich sogar noch näher an Takao zu pressen.
 

Aomine sah Takao an, als wäre er eine Kakerlake, die er gerne unter seinen Turnschuhen zerquetschen würde. Takao tat etwas Verwegenes und griff nach Kises Hand, die um seine Taille gelegt war. Im nächsten Moment spürte er einen stechenden Schmerz und taumelte rückwärts, stolperte über den dort liegenden Basketball und fiel hinten über. Sein Kopf fühlte sich an, als wäre er in zwei gespalten und ihm wurde durch einen Schleier von Schmerz und Verwirrung klar, dass Aomine Daiki ihm gerade einen kräftigen Schlag verpasst hatte. Takaos Nase blutete und er fragte sich dunkel, ob er sich auch den Hinterkopf aufgeschlagen hatte. Das Blut in seinen Ohren rauschte und er hörte nur verschwommen, wie Kise Aomine anschrie. Dann hörte er gar nichts mehr.
 

*
 

Takao hatte erst einmal in seinem Leben ein Veilchen gehabt und das war, als seine kleine Schwester ihm ausversehen vor lauter Aufregung einen Controller ihrer Playstation ins Auge gehauen hatte. Dieses Veilchen hatte nicht besonders wehgetan, weil es seiner Schwester sehr leid getan und sie ihm danach eine Menge Süßigkeiten zum Trost gebracht hatte. Dieses neue Veilchen tat höllisch weh und Aomine Daiki brachte ihm sicherlich keine Süßigkeiten zum Trost, auch wenn Kise sich etwa hundert Mal bei ihm entschuldigte und ihn zu einem Arzt brachte, ehe er Takao ein Taxi nach Hause bezahlte.
 

Takao trug jetzt einen Kopfverband und ein Nasenpflaster und hatte wegen seiner Kopfwunde mindestens zwei Wochen Sportverbot bekommen. Seine Teamkollegen fragten halb besorgt und halb amüsiert, was genau denn passiert sei und im ersten Moment hatte Takao den unerklärlichen Impuls zu lügen. Aber wieso sollte er Aomine in Schutz nehmen? Er entschied sich im Bruchteil einer Sekunde anders und erklärte:
 

»Aomine hat mir eine reingehauen, weil es ihm nicht passt, dass ich mit Ki–… Ryouta zusammen bin.«
 

Eine dröhnende Stille folgte.
 

Takaos Augen suchten und fanden Shin-chan, dessen Gesicht Takao überraschte. Es war eine Maske aus reinem Zorn. Takaos Herz stolperte und fing dann an zu rasen. Sein Gehirn skizzierte rasch eine unrealistische aber temperatursteigernde Szene, in der Shin-chan an Takaos Bett hockte und ihm sachte die Haare aus dem Gesicht strich, wobei er Verwünschungen gegen Aomine flüsterte und schwor, dass er ihn bei ihrer nächsten

Begegnung im Basketball zahlen lassen würde. Immerhin, dachte Takao durch einen Schleier von Herzrasen und Magenkribbeln hindurch, Shin-chan schien wirklich sauer auf Aomine zu sein, weil dieser Takao geschlagen hatte. Ob das nun daran lag, dass Shin-chan sich wirklich Sorgen um Takao machte, oder ob seine Wut vor allem daher kam, dass Takao nun zwei Wochen beim Training ausfiel, konnte er nicht sagen.
 

»Wenn wir irgendwann gegen ihn spielen, machen wir ihn platt!«
 

»Halt deine Ananas bereit, wir verwenden sie lieber auf Aomine als auf Midorima!«
 

»So ein Arschloch. Ich hoffe er kriegt Magendarm und stößt sich jeden Tag einen anderen Zeh!«
 

Alle lachten über diese Verwünschung und selbst Shin-chans Mundwinkel zuckten für einen kaum merklichen Moment. Takao wusste, dass Shin-chan Kuroko und Kagami gewissermaßen als seine Hauptrivalen auserkoren hatte, doch im Moment sprachen seine Augen eine Sprache, die Takao schon kannte. Die des hungrigen Biests.
 

Das Training fand trotz Takaos Verletzung statt und Takao hatte auf diese Weise einmal die Gelegenheit, Shin-chan von außen in Aktion zu sehen und ihn bei der Teamarbeit mit den anderen zu beobachten. Zugegebenermaßen schien er nicht besonders willig zu sein, sich auf irgendjemanden außer Takao einzustellen, auch wenn er sich dazu herabließ, ein paar Mal an Ootsubo zu passen. Eine Meisterleistung des Nachgebens, wie Takao befand. Von so einem hohen Ross wie dem von Shin-chan stieg man eben nicht innerhalb von zwei Wochen herunter. Auch, wenn Takao zugeben musste, dass Shin-chans Ross bei weitem nicht so hoch war wie das von Aomine Daiki. Shin-chan kam immerhin regelmäßig zum Training und übte auch alleine unablässig, wohingegen Aomine teilweise sogar zu faul war, um pünktlich bei einem Spiel aufzutauchen.
 

Takao wusste, dass Momoi-san und Kise versuchten, Aomine dazu zu überreden sich bei Takao zu entschuldigen, aber Takao hatte nach kurzem Nachdenken beschlossen, dass er darauf verzichten konnte. Immerhin wusste er, dass Aomine es ohnehin nicht ernst meinte, also welchen Wert hätte eine solche Entschuldigung? Er schnaubte bei dem Gedanken an Aomines wütende Miene, als er Takao und Kise so nah beieinander gesehen hatte. Nachdenklich griff er sich an den Kopfverband und schloss für einen Moment die Augen. Dann passierten mehrere Dinge gleichzeitig. Miyaji rief »Scheiße!«, Kimura brüllte »Takao, Achtung!« und dann gab es einen Knall.
 

Takao riss die Augen auf.
 

Shin-chan stand vor ihm, den Arm ausgestreckt. Takao sah, wie der Basketball, der gerade das knallende Geräusch auf Shin-chans flacher und eingewickelter Hand gemacht hatte, zu Boden fiel. Irgendjemand schien einen Pass versaut zu haben und Takaos ohnehin schon lädierter Kopf wäre beinahe Opfer eines weiteren Unfalls geworden, wenn Shin-chan den Ball nicht abgefangen hätte. Takao fiel einmal mehr auf, wie groß Shin-chan eigentlich war. Er bückte sich nach dem Ball, warf einen Blick über seine Schulter hinunter zu Takao und ging dann zurück aufs Spielfeld, wobei er sich einmal mehr die Brille auf die Nasenwurzel nach oben schob.
 

Takao befürchtete, dass er gleich vor lauter Erregung von der Bank kippen würde. Shin-chan hatte auf ihn Acht gegeben. Sein völlig durchgedrehtes Gehirn entwarf rasch eine Szene, in

der Shin-chan neben ihm stand, als Aomine zum Schlag gegen ihn ausholte und Aomines Faust wie den Basketball abfing. Er beschloss, direkt nach dem Training heim zu fahren und erst einmal zu duschen. Wenn er seine Gedanken über Shin-chan nicht bald unter Kontrolle bekam, dann würde er noch wahnsinnig werden. Und das wollte Takao, wenn es irgendwie möglich war, vermeiden.
 

*
 

Wie es sich heraus stellte, hatte sich Aomine zähneknirschend und auf Drängen von Momoi-san bei Kise entschuldigt, nachdem dieser verkündet hatte, dass er nie wieder mit Aomine sprechen würde, wenn dieser sich nicht zusammen riss und versuchte, sich nicht mehr wie der letzte Armleuchter zu verhalten. Takao dachte still bei sich, dass Aomine die Entschuldigung an Kise gerichtet vermutlich sogar ernst meinte. Er legte allerdings keinen Wert darauf, dass Kise die Entschuldigung auch an Takao weiterleitete.
 

Sein Kopf tat immer noch weh und es juckte ihn im ganzen Körper, wieder Basketball zu spielen. An einem Montagnachmittag überraschte Shin-chan Takao, indem er verkündete, dass Takao ihn an diesem Tag nicht nach Hause fahren müsste, da er noch etwas erledigen wollte.

»Soll ich dich dann zu deiner Erledigung hinfahren?«, wollte Takao wissen. Langsam fing der Kopfverband an, ihn wirklich zu nerven. Shin-chan schüttelte den Kopf, straffte seine Schultern und sah Takao eine ganze Weile lang nachdenklich an. Sein Blick klebte an dem Kopfverband und Takao spürte, wie seine Haut anfing, heftig zu kribbeln. Es war doch zum Mäusemelken. Wann würde sich diese Verliebtheit endlich verflüchtigen?
 

»Na gut. Dann viel Erfolg, Shin-chan«, meinte Takao schulterzuckend und versuchte, sich sein Herzrasen nicht anmerken zu lassen. Er hatte diese Fähigkeit der Verschleierung perfektioniert, wie er fand.

»Den werde ich haben«, sagte Shin-chan mit einer Endgültigkeit, als könnte er tatsächlich Hellsehen. Takao grinste breit und hob kurz die Hand, dann machte er sich auf den Weg zu seinem Fahrrad, das mit einem leeren Anhänger sehr viel leichter zu bewegen war als mit Shin-chan und einem potentiell tonnenschweren Glücksbringer darin.
 

*
 

Takao brütete gerade über einer besonders kniffligen Matheaufgabe, als sein Handy vibrierte. Takao warf einen Blick darauf, sah, dass Kise versuchte, ihn anzurufen und beschloss, dass er ihn nach seinen Hausaufgaben zurückrufen konnte. Kise versuchte viermal, Takao telefonisch zu erreichen, dann piepte Takaos Handy, um ihm eine empfangene SMS zu verkünden.
 

»Midorimacchi hat Aominecchi eine blutige Lippe geschlagen!!!!«
 

Takao starrte die Nachricht an, las sie insgesamt sechsmal und schüttelte den Kopf, um sicher zu gehen, dass seine Verletzung ihm jetzt nicht auch noch Halluzinationen bescherte. Shin-chan hatte gesagt, dass er noch etwas zu erledigen hatte. Er hatte Takaos Fahrdienste verweigert. Midorima Shintarou war ausgezogen, um Aomine Daiki einen Kinnhaken zu verpassen, nachdem Aomine Takao geschlagen hatte. Sein Handy piepte erneut.
 

»Und dann hat er gesagt: Wenn du dich nicht von Takao fernhältst, dann wird dir das leidtun, Aomine-kun.«
 

»Ruf mich an!!!!«
 

»Momoicchi ist außer sich!«
 

Takao fluchte und schaltete sein Handy ab. Er hatte keine Lust zu telefonieren. Sein Herz hämmerte und sein Gehirn fühlte sich an, als hätte jemand Brausepulver hinein gekippt. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen und sein ganzer Körper schien unter Strom zu stehen.
 

»Wenn du dich nicht von Takao fernhältst, dann wird dir das leidtun, Aomine-kun.«
 

Dank seines ausgeprägten Vorstellungsvermögens hatte Takao keinerlei Probleme damit, sich Shin-chans tiefe Stimme dabei vorzustellen, wie sie diesen Satz zu einem blutenden und entgeisterten Aomine sagte. Takao atmete mehrere Male tief ein und aus. Er durfte sich nicht in diese Sache hinein steigern. Vielleicht waren sie einfach wirklich besser befreundet, als Takao gedacht hatte. Zum Teufel damit! Takao schaltete sein Handy wieder an.
 

»Wir müssen unsere Beziehung leider auf Eis legen, ich bin in Shin-chan verknallt«, schrieb Takao hastig, stopfte sein Handy in seine Hosentasche und stieß im Flur beinahe mit seiner kleinen Schwester zusammen.
 

»Onii-chan? Wo willst du denn so schnell hin?«, rief sie ihm nach.
 

»Eine Dummheit machen!«, entgegnete Takao und im nächsten Augenblick war er auch schon aus der Tür. Er koppelte den Anhänger von seinem Fahrrad und fuhr los. So leicht war Radfahren schon lange nicht mehr gewesen. Sein Handy vibrierte ununterbrochen in seiner Hosentasche und er entschuldigte sich mental bei Kise, doch jetzt hatte er leider Gottes keine Zeit, um über ihre Pseudobeziehung und über Aomines beknacktes Verhalten und seine emotionalen Defizite zu sprechen. Es ging um Shin-chan und vielleicht ging es auch um Takao und Shin-chan, da war er sich noch nicht allzu sicher. Aber fest stand, dass es irgendeine Art Klärungsbedarf gab und Takao hatte keine Lust noch länger darauf zu warten, dass alle Missverständnisse endlich aus der Welt geschafft waren.
 

Sein Kopf tat bereits nach der Hälfte der Strecke ziemlich weh, aber er hatte keine Zeit sich Gedanken darüber zu machen, dass sein Kopf womöglich wieder blutete – eine schlechte Entscheidung, wie sich am Ende seiner dankenswert kurzen Reise herausstellte. Als er vom Rad stieg, war ihm ziemlich schwindelig und seine Beine fühlten sich an wie Wackelpudding, als er auf die Klingel der Familie Midorima drückte und darauf wartete, dass ihm jemand öffnete. Halb hoffte er schon, dass vielleicht Shin-chans Schwester oder seine Mutter aufmachte, damit er noch ein paar Sekunden Zeit hatte, um sich seine Worte zurechtzulegen, aber natürlich wurde sein Wunsch nicht erfüllt. Als die Tür sich öffnete stand dort Midorima Shintarou in einer gemütlichen Jogginghose, einem weißen T-Shirt und seinem üblichen, steinernen Gesichtsausdruck – zumindest dann üblich, wenn er nicht gerade überheblich schmunzelte.
 

»Takao«, sagte Midorima und Takao lag eine sarkastische Bemerkung über Shin-chans Manieren auf den Lippen. Stattdessen entschied seine Zunge etwas anderes und stolperte voran, ohne sich vorher mit seinem Gehirn abzusprechen, während seine Kopfwunde dumpf pochte und sein Kreislauf sich verabschiedete.

»Ich bin gar nicht wirklich mit Kise zusammen«, platzte es aus ihm heraus. Dann wurde ihm schwarz vor Augen.
 

*
 

Als er aufwachte, lag sein Kopf auf einer Kühlpackung und der Rest von ihm war mit einer flauschigen Decke zugedeckt. Er öffnete die Augen und sah als erstes Shin-chans Haarschopf und dann seinen strengen Blick durch blitzende Brillengläser. Takao schaffte ein verschwommenes Lächeln.

»Hey Shin-chan«, sagte er. Shin-chan räusperte sich und schob seine Brille nach oben.

»Du bist unverantwortlich! Deine Verletzung hat wieder angefangen zu bluten«, tadelte Shin-chan ihn und runzelte die Stirn. Takao wollte ihn so dringend küssen, dass es ihm beinahe wehtat.

»Ich bin nicht wirklich mit Kise zusammen«, wiederholte er seine vorherige Aussage und beobachtete dabei jede Regung in Shin-chans Gesicht. Wie so oft gab es kaum irgendetwas zu beobachten, aber Takao war mittlerweile ein Meister darin Shin-chan zu lesen. Er sah einen Hauch von Empörung und… Triumph?
 

»Ist das so«, sagte Shin-chan, aber es klang gar nicht wie Frage, eher wie eine Feststellung. Takao musste schmunzeln.

»Kise wollte Aomine eifersüchtig machen. Hat geklappt«, meinte Takao und deutete vage in Richtung seines lädierten Kopfes. Bei der Erwähnung von Aomine verfinsterte sich Shin-chans Gesicht und er gab ein leises »Tch« von sich. Dann geschah etwas Unglaubliches. Takao entdeckte einen leichten Rotschimmer auf Shin-chans Wangen. Takao starrte. Der Rotton wurde noch etwas dunkler.
 

Takao wusste nicht, ob es an seiner Kopfverletzung lag oder an dem immer noch vorhandenen Schwindel, der zwischen seinen Ohren festzuhängen schien, aber er spürte wie ihn eine Welle des Übermuts überrollte und er setzte sich abrupt auf. Sein Kopf protestierte, aber Takao ignorierte ihn.

»Ich hab gehört, dass du dich sehr um mich sorgst, Shin-chan«, schnurrte Takao und er konnte ganz deutlich sehen, wie sich jeder Muskel in Shin-chans Körper anzuspannen schien. Takao hoffte, dass das nicht vor lauter Abscheu geschah, sondern eher aus gegensätzlichen Gründen. Zwar war ihm schwindelig und schlecht und er hatte Kopfschmerzen, aber seine Gedanken fühlten sich so klar an wie nie zuvor.
 

Shin-chan war sauer gewesen, als Takao ihm von sich und Kise berichtet hatte. Er hatte Aomine eine reingehauen, weil er Takao wehgetan hatte. Und Shin-chan las zum Donnerwetter noch einmal nicht einfach so mit Sonnenbrille mitten in der Innenstadt eine Zeitung. Offensichtlich hatte Takao erst eine Kopfverletzung gebraucht, um all diese Dinge zusammenzupuzzeln. Er würde nicht unbedingt so weit gehen wollen, Aomine dankbar zu sein, aber immerhin wäre ihm all dies ohne Aomine nicht klar geworden. Ein Hoch auf die merkwürdigen Verstrickungen des Lebens! Takao konnte es sich noch nicht einmal selbst verübeln, dass er nicht früher darauf gekommen war, denn Shin-chan war nun einmal nicht unbedingt ein Feuerwerk der Emotionen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er sich jemals in irgendjemanden verlieben würde, war unheimlich gering. Und die Wahrscheinlichkeit, dass er sich gerade in Takao verlieben würde, war mikrobisch klein.
 

Aber hier saßen sie nun und Shin-chan hatte Aomine Daiki einen Kinnhaken verpasst. Mit seiner heiligen, sorgfältig getapeten Hand. Takaos Herz tanzte einen ausgelassenen Tango.
 

»Weißt du, Shin-chan«, sagte Takao mit spielerischer Unschuld und rutschte in Richtung Sofarand, was ihn ein beträchtliches Stück näher an Shin-chan heran brachte, der immer noch aussah wie ein Stock. »Ich finde Kise ja wirklich ziemlich toll« – Shin-chans Augenbraue zuckte – »aber ich steh in Wahrheit auf jemanden anders.«
 

Shin-chans stechende Augen blitzten zu Takaos Gesicht herüber. Takaos Gehirn schaltete sich aus und er hörte nur noch auf seinen Körper. So funktionierte es auch beim Basketball am besten – zumindest wenn man nicht Midorima Shintarou war. Takao streckte die Hand aus und sah aus dem Augenwinkel, wie sich Shin-chans Hand zu einer Faust ballte, was Takao kurz zum Zögern veranlasste. Aber dann erreichten seine Finger ihr Ziel und er legte seinen Zeige- und Mittelfinger auf Shin-chans Lippen. Von der Stelle der Berührung ging ein Stromschlag durch seinen Körper und als Shin-chan die Augen schloss, wusste Takao, dass er sich nicht gerade selbst in den Untergang gestürzt hatte. Shin-chans flatternde Augenlider waren Bestätigung genug.
 

Takao fragte sich eine Millisekunde lang, ob Shin-chan wohl schon einmal jemanden geküsst hatte, aber er beschloss, dass er später noch genug Zeit haben würde, das herauszufinden. Er beugte sich vor und ersetzte seine Finger mit seinem Mund. Shin-chan sog scharf die Luft ein, lehnte sich aber nicht zurück. Tatsächlich tat er einfach gar nichts. Takao gluckste leise gegen Shin-chans Lippen und zog seinen Kopf ein Stück zurück.

»Ok, das war anders, als ich es mir vorgestellt habe«, sagte er. Seine Nasenspitze berührte Shin-chans und als Shin-chan seine Augen öffnete, starrten sie sich aus nächster Nähe für einige Sekunden lang an.
 

»Ich will gar nicht wissen, was du dir alles vorstellst«, entgegnete Shin-chan. Takao hörte seiner Stimme an, dass er versuchte, genauso herablassend und abweisend zu klingen wie immer, aber stattdessen hatte seine Stimme eine deutlich heisere und vielleicht sogar eine etwas unsichere Note. Takao war entzückt. Er grinste breit.

»Oh. Schade, Shin-chan. Ich hatte einige detaillierte Ideen darüber, wie ich dich zum Erröten bringen kö–«
 

Shin-chan hatte offenbar beschlossen, dass er nichts über Takaos kreative Vorstellungskraft hören wollte, denn er überbrückte den Abstand zwischen ihnen. Der zweite Anlauf gestaltete sich insofern schwierig, als dass Takao sofort alles ganz nah und sehr dringend wollte, wohingegen Shin-chan offensichtlich noch in einem Zustand der Zurückhaltung gefangen war. Womöglich, weil er tatsächlich noch nie jemanden geküsst hatte. Takao hätte nicht gedacht, dass der Tag kommen würde, an dem er Midorima Shintarou etwas beibringen konnte.
 

Seine Hand schob sich in Shin-chans Nacken und er presste sie dichter aneinander. Die andere Hand vergrub sich in Shin-chans Haaren und er ließ seinen Kopf leicht zur Seite kippen, um den Winkel ihres Kusses zu verbessern. Irrte er sich, oder war Shin-chans Atmung plötzlich ziemlich unregelmäßig? Takao schmunzelte gegen Shin-chans Lippen, dann öffnete er seine Lippen und begann sachte und tastend an Shin-chans Mund zu nippen.
 

Wie zu erwarten war Shin-chan jemand, der schnell lernte. Er küsste genauso, wie Takao es sich vorgestellt hatte. Überlegt und reserviert und so, als hätte er vorher eine Gebrauchsanweisung auswendig gelernt. Takao beschloss, ihn aus der Reserve zu locken und krabbelte schlichtweg rittlings auf Shin-chans Schoß. Shin-chan gab ein entzückend überraschtes Geräusch von sich. Takao nahm sein Gesicht in beide Hände und küsste Shin-chan so, wie er ihn seit Monaten küssen wollte. Innig und hungrig und neckend und mit all der piesackenden Zuneigung, die er Shin-chan gegenüber empfand. Zu seiner Zufriedenheit spürte er, wie Shin-chan praktisch gegen Takaos Körper und in den Kuss hinein schmolz und wie sein Atem schneller wurde. Seine Hände hatte Shin-chan an die Seiten seiner eigenen Schenkel gedrückt, als müsste er sich mit aller Macht davon abhalten, Takao anzufassen.

Takao war nicht überzeugt von dieser Taktik und presste sich noch dichter an Shin-chan, angelte mit einer Hand blindlings nach Shin-chans Arm und ergriff seine mit Tape umwickelten Finger. Erst da legte sich Shin-chans andere Hand sehr vorsichtig auf Takaos Rücken.
 

Takao wollte am liebsten immer so auf diesem ungemütlichen Stuhl sitzen bleiben. Aber er wollte auch dringend mit Shin-chan über alle Dinge reden, die ihn beschäftigten. Er löste den Kuss und stellte zu seiner absoluten Begeisterung fest, dass Shin-chans Wangen gerötet und seine Augen glasig waren.
 

»Heißt das, dass ich jetzt offiziell vergeben bin und nicht mehr mit Kise ausgehen darf?«, wollte er scheinheilig wissen. Shin-chans verengte seine Augen zu Schlitzen, auch wenn die Wirkung etwas dadurch verpuffte, dass seine Haare zerwuschelt und seine Lippen feucht waren.
 

»Das möchte ich doch meinen«, sagte er. Takao lachte leise.
 

»Dann kann ich Kise ja nur wünschen, dass diese ganze Sache für ihn genauso gut ausgegangen ist, wie für mich«, frohlockte er. Shin-chan schnaubte.
 

»Kise ist berechnender, als man glauben mag«, sagte Shin-chan finster. Takao hob die Brauen. Shin-chan hob die Schultern und schob seine Brille nach oben. Allerdings verfehlte er sie beim ersten Versuch.
 

»Wie gut kennst du Kise eigentlich?«, wollte er plötzlich sehr interessiert wissen. Shin-chans Wangen wurden röter, als sie ohnehin noch von ihrer Knutscherei waren.
 

»Oh mein Gott!«
 

»Was?«
 

»Oh. Mein. Gott!«
 

»Takao! Was soll das denn?«
 

»Habt ihr mal rumgemacht? Oder war das gerade dein erster Kuss?«
 

Shin-chans Gesichtsausdruck verriet Takao alles, was er wissen wollte.
 

»Es stimmt! Kise hat dich geküsst! Ihr habt euch geküsst! War er dein erster Kuss?«
 

Shin-chan nickte steif. Er sah nicht aus, als würde er weiter darüber reden wollen, also beschloss Takao es dabei zu belassen und beizeiten Kise danach zu fragen. Er gluckste heiter und als Shin-chan damit anfing, ihn grimmig zu tadeln, küsste Takao ihn einfach erneut, um ihn ruhig zu stellen. Diese neue Methode im Umgang mit Shin-chan gefiel ihm ganz hervorragend. Er würde sich beizeiten bei Kise dafür bedanken, dass sein Plan so grandios in eine unerwartete Richtung funktioniert hatte.
 

*
 

»Du hast Shin-chan geküsst.«
 

»Nur einmal kurz auf den Mund! Er war steif wie ein Brett und rot wie eine Tomate!«
 

»So in etwa hab ich mir das vorgestellt.«
 

Takao schmunzelte bei der Vorstellung daran, dass Midorima Shintarou mit fünfzehn mit Kise konfrontiert gewesen war, der vielleicht gewusst oder geahnt hatte, dass Shin-chan sich für Jungs interessierte und der ihn gefragt hatte, ob er ihn küssen wollte. Takao fragte sich, ob Shin-chan zu irgendeinem Zeitpunkt vielleicht ein wenig verknallt in Kise gewesen war – er könnte es ihm nicht übel nehmen, wenn es so gewesen wäre. Kise war freundlich und witzig und schlau und er sah sehr gut aus. Fast wünschte sich Takao in die Vergangenheit zu reisen und derjenige zu sein, der den jungen Shin-chan so aus dem Konzept brachte, wie Kise es getan hatte. Aber immerhin hatte er jetzt noch die Chance dazu.
 

»Also… wie ist es bei dir und Aomine?«, erkundigte sich Takao interessiert und Kises verschmitztes Grinsen war beinahe schon Antwort genug.
 

»Er kriecht noch im Staub vor mir, weil ich immer noch sauer bin, dass er dich geschlagen hat«, erklärte Kise beiläufig und genehmigte sich einen Schluck seiner Fanta. Sie saßen draußen in der Sonne am Rand eines Basketballfeldes und beobachteten ein paar mäßig gute Spieler dabei, wie sie sich einen Drei-gegen-Drei-Kampf lieferten.
 

»Aber ich denke, alles in allem kann ich mich nicht beklagen.«
 

Takao nickte amüsiert und streckte sich ein wenig. Gestern war er seinen Kopfverband losgeworden und es juckte ihn bereits gewaltig, endlich wieder Basketball zu spielen. Es juckte ihn auch, Hochleistungssport mit Shin-chan zu betreiben, aber Takao wusste, dass sie bei weitem noch nicht so weit waren.
 

»Also, du und Midorimacchi, was?«, meinte Kise mit funkelnden Augen. Takao nickte verträumt. Sie waren mit Sicherheit kein zuckriges, in der Öffentlichkeit Händchen haltendes Pärchen, aber Takao hatte solche Gefühlsbekundungen von Shin-chan auch nicht erwartet. Noch nicht. Takao war geduldig.

Kise leerte seine Fanta und betrachtete seine Turnschuhe.
 

»Es hat ja auch nur ewig gedauert mit euch beiden«, sagte er dann und Takao blinzelte verwirrt. Langsam drehte er den Kopf zu Kise herum und starrte seinen Freund an.
 

»Was?«
 

Kise grinste.
 

»Ich wusste ja schon, dass Midorimacchi einer von der langsamen Sorte ist, aber dass du auch so ein Blindfisch bist, hätte ich nicht gedacht«, erklärte Kise lässig und lächelte zufrieden, während er seine leere Dose neben sich auf der Bank abstellte. Einer der Kerle auf dem Feld flog bäuchlings auf den Betonboden und fluchte laut, während die anderen Jungs lachten.
 

»Du hast diesen ganzen Kram nicht nur wegen Aomine durchgezogen, sondern auch wegen Shin-chan und mir?«, rief Takao entgeistert und Kise lachte leise.
 

»Du siehst zwar vieles, Kazunari, aber eben nicht alles«, erwiderte er verschmitzt und zwinkerte Takao bei der Benutzung von Takaos Vornamen zu. Takao konnte es nicht fassen. Er hatte immer gewusst, dass er Kise nicht unterschätzen durfte, aber ihm war völlig entgangen, wie Kise vor Shin-chan dauernd besonders pärchenhaft getan hatte, selbst wenn nirgendwo Paparazzis zu sehen gewesen waren. Kise war ein kleiner, gut aussehender Teufel.

»Hat doch alles bestens funktioniert«, meinte Kise zufrieden und Takao schnaubte und boxte ihm sachte gegen den Oberarm. Dann grinste er so breit, dass er das Gefühl hatte, seine Wangen würden einen Muskelkrampf erleiden.
 

»Danke«, sagte er.
 

»Keine Ursache«, erwiderte Kise.
 

Takao musterte ihn von der Seite und lächelte. Kise hatte einen riesigen Gefallen bei ihm gut, dachte Takao still bei sich, so viel stand fest.

Zweite Chance

Yukios erster Gedanke war, dass das Haus in Brand geraten war.
 

Wenn nachts um zwei seine Klingel ertönte und ihn aus dem wohlverdienten Schlaf riss, nachdem er den halben Tag gelernt und die andere Hälfte in einem brühend heißen, kleinen Supermarkt Kisten geschleppt und Regale eingeräumt hatte.
 

Die Gestalt, die vor seiner Wohnungstür auftauchte, war allerdings weder ein panischer Nachbar, noch ein alarmierter Feuerwehrmann, der bemüht war, Yukio in Sicherheit zu bringen.
 

Nein.
 

Vor seiner Wohnungstür, die Hände in die Hosentaschen gestopft und einen Basketball unter den Arm geklemmt, stand Aomine Daiki. Den Yukio seit gut zwei Monaten nicht mehr gesehen hatte – nämlich seit Yukio zur Uni gegangen war.
 

Aomines Haar war ein wenig länger geworden und anhand der blutunterlaufenden Augen konnte Yukio sich ausmalen, dass Aomine den einen oder anderen Schluck Alkohol getrunken haben musste. Noch während er in Erwägung zog, die Tür schlichtweg direkt zuzuschlagen und sich wieder ins Bett zu legen, steckte Haruka, sein Mitbewohner, verschlafen seinen zerzausten Haarschopf aus seinem Zimmer.
 

»Huh?«, nuschelte er verwirrt, als er Yukio an der offenen Wohnungstür stehen sah.
 

»Kannst wieder schlafen gehen«, brummte Yukio in seine Richtung. Haruka gähnte ausgiebig und im nächsten Augenblick schlug die Tür wieder zu.
 

»Dein neuer Macker?«
 

Yukio wandte langsam den Kopf zurück zu Aomine, der den Basketball nun mit beiden Händen hielt und ihn wutentbrannt anstarrte.
 

»Und was geht dich das an?«, gab er mit verschränkten Armen zurück und runzelte die Stirn. Ja, sie hatten dieses… Ding. Yukio würde es nicht unbedingt Beziehung nennen, da Aomine es nie geschafft hatte, irgendwelche Gefühle zuzugeben und sich auch sonst so zu verhalten, dass man sie als Paar hätte bezeichnen können. In achtundneunzig Prozent der Fälle war Händchenhalten bereits zu viel des Guten gewesen, weil Händchenhalten laut Aomine etwas für Weicheier war.
 

Aomine gab ein Geräusch von sich, das gleichzeitig nach einem Schnauben und einem Brummen klang, aber er antwortete nicht und starrte zur Seite an die Treppenhauswand.
 

»Es ist zwei Uhr nachts.«
 

»Und? Bist du als Student zu sehr verweichlicht, um nachts wach zu sein?«
 

Yukio betrachtete einen Moment lang Aomines Gesicht. Vielleicht hatte er ihn vermisst. Aber trotz all der Gefühle, die er unbestreitbar für diesen emotionalen Backstein hatte, hatte Yukio seinen Stolz noch lange nicht an den Nagel gehängt – einer der Gründe, wieso er die Sache beendet hatte, als er an die Uni gegangen war.
 

Aomines Reaktion auf Yukios Verkündung bezüglich seiner Studienpläne eine Stadt weiter entfernt hatten gereicht, um Yukio klarzumachen, dass diese Sache zum Scheitern verurteilt war. Dass er letztendlich die Stadt nicht gewechselt hatte, tat dabei nichts zur Sache.
 

Ja, er hatte Aomine vermisst. Ein Teil seines Körpers wollte dringend einen Schritt nach vorne machen, Aomine den Basketball aus den Händen schlagen und ihn gegen die Wand pressen, um ihn atemlos zu küssen. Der rationale Teil seines Gehirns, auf den Yukio sich den Göttern sei Dank meist verlassen konnte, riet ihm davon ab.
 

Yukio schlug die Wohnungstür zu und schüttelte den Kopf.
 

Zugegeben, er hatte sich hier und da – vielleicht jeden Tag mindestens dreimal – vorgestellt, wie ein etwaiges Wiedersehen mit Aomine aussehen könnte. Allerdings war ihm jetzt klar, dass all seine Vorstellungen nicht mit einberechnet hatten, wie absolut unberechenbar Aomine sein konnte.
 

Und was für ein riesiges Arschloch.
 

Yukio hatte keine zwei Schritte getan, als es klopfte. Oder besser: hämmerte.
 

Er atmete ein paar Mal tief ein und aus, dann riss er die Tür erneut auf.
 

»Es ist mitten in der Nacht. Geh irgendwo ausnüchtern und lass mich in Frieden«, zischte er. Aomine stemmte die Hand gegen die Tür, bevor Yukio sie ein weiteres Mal zuschlagen konnte. Mit der anderen Hand drückte er ihm den Basketball in die Hand.
 

»One on one«, sagte er.
 

Yukio dachte einen Moment darüber nach, Aomine einen Kinnhaken zu verpassen. Stattdessen starrten sie sich an und Yukio hätte schwören können, dass Aomines Ohren rot wurden. Dann wiederum konnte das auch am schlechten Licht und der Tatsache liegen, dass Aomine definitiv getrunken hatte.
 

Yukio konnte eine Mischung aus Sake und Whiskey riechen.
 

Ugh.
 

»Ich hab morgen Uni, du Wichser!«
 

»Nur weil du jetzt studierst, heißt das nicht, dass ich dich nicht um zwei Uhr nachts für ein One-on-One aus dem Bett klingeln kann, Weichei«, schnarrte Aomine und ließ den Ball los. Aus Reflex hielt Yukio ihn fest und Aomine, der elende Armleuchter, drehte sich schlichtweg um und marschierte die Treppe hinunter, als wäre er sich hundertprozentig sicher, dass Yukio folgen würde.
 

Stattdessen schloss Yukio die Tür, sobald Aomine außer Sicht war, legte den Ball auf den Boden im Flur und ging zurück in sein Zimmer. Er konnte von hier aus die Straße mit den orange schimmernden Laternen sehen und beobachtete, wie Aomine auf den Fußweg trat und dort stehen blieb.
 

Yukio fragte sich, ob er warten oder gehen würde, aber Aomine Daiki blieb auf dem Fußweg stehen wie eine Statue und Yukio beobachtete ihn aus dem zweiten Stock. Jeden Moment würde Aomine gehen und dann…
 

Yukio beobachtete mit schiefgelegtem Kopf, wie Aomine Daiki sich vor Yukios Haus im Schneidersitz auf den Fußweg hockte und den Kopf hob, um den Himmel anzuschauen. Yukio hätte gerne geleugnet, dass sein Herz sich bei diesem Anblick beinahe schmerzlich zusammen zog.
 

Aomine konnte nicht wissen, dass Yukios Zimmer zur Straße hinaus blickte – er war noch nie in seiner Wohnung gewesen und hatte keine Ahnung, welches Zimmer Yukio bewohnte.
 

Und jetzt hockte er da unten. Yukio musste daran denken, wie er damals jeden Tag auf dieser Parkbank gehockt und auf Yukio gewartet hatte.
 

Wie ein treudoofer Hund.
 

Verfluchter Drecksmist.
 

Yukio angelte nach einem Paar Socken und schlüpfte hastig in seine Sportschuhe, während er sich und seine geistige Gesundheit arg hinterfragte und sein verdammtes Herz verfluchte. Wie viel einfacher sein Leben wäre, wenn er wirklich etwas mit Haruka angefangen hätte. Oder mit irgendeinem der anderen Kerle, die in den letzten beiden Monaten ihr Interesse an ihm bekundet hatten.
 

Aber nein, Yukios Herz war ein Masochist und hatte sich offenbar darauf eingeschossen, so nachdrücklich wie möglich an dem größten Arschloch unter der Sonne hängen zu bleiben. Gefühle waren eine Plage. Und Aomine Daiki war ihr hoch ansteckender Erreger.
 

Als Yukio die Haustür öffnete und auf den Fußweg trat, blickte Aomine zu ihm auf und er sah beinahe ein bisschen erstaunt aus. Yukio wollte ihm keine Gelegenheit für einen hämischen oder triumphierenden Kommentar geben, also warf er ihm den Basketball entgegen, versenkte seine Hände in den Taschen seiner grauen Trainingshose, die er momentan zum Schlafen trug, und machte sich auf den Weg Richtung Sportplatz, der von seinem Apartment aus nur wenige Minuten entfernt lag.
 

Er war definitiv zu müde zum Basketballspielen. Vor allem war er zu müde zum Basketballspielen gegen Aomine. Aber das Adrenalin, das durch seinen Adern schoss, ließ ihn wissen, dass er ohnehin nicht mehr hätte schlafen können, selbst wenn er es versucht hätte.
 

»Bist du nicht zu besoffen zum Spielen?«, fragte er.
 

Aomine schnaubte und ließ den Ball zur Antwort ein paar Mal vollkommen ohne Anstrengung auf den Fußweg aufschlagen, ehe er ihn wieder fing und begann, ihn auf dem Zeigefinger zu drehen.
 

»Angeber«, murrte Yukio ungehalten. Vielleicht hätte er sich etwas Langärmeliges anziehen sollen. Vielleicht war diese ganze Aktion vollkommen wahnsinnig und er sollte umdrehen und zurück in sein Bett gehen.
 

Aber seit Aomine nach Kaijou gekommen war, hatte er diesen scheußlichen Magnetismus auf Yukio ausgeübt und so gerne Yukio es vor sich selbst leugnen wollte – er war nach all diesen Monaten immer noch Hals über Kopf in Aomine Daiki verliebt.
 

Er dachte an Nachhilfe und Treffen im Park, an Fanta und Versicherungen von Seiten Momois, dass Aomine all die Dinge nicht so meinte, dass er nur sehr schlecht darin war, seine Gefühle auszudrücken.
 

Gefühle.
 

Manchmal war Yukio sich nicht sicher, ob Aomine überhaupt Gefühle hatte.
 

Sobald der Sportplatz in Sichtweite kam, beschleunigte Aomine seine Schritte, als würden die Körbe ihn anziehen wie eine Straßenlaterne die Motten. Und ehe Yukio es sich versah, fühlte sich alles an wie früher.
 

Er hatte seit drei Wochen nicht gespielt und keine Zeit gehabt, sein übliches Konditionstraining durchzuziehen und er merkte es bei jedem Sprung, bei jedem Dribbeln und bei jedem Wurf – aber er ließ nicht locker, auch wenn er selbst gegen einen angetrunkenen Aomine Daiki keine Chance hatte.
 

Sie sprachen nicht, aber Yukio hätte ohnehin nicht gewusst, was er hätte sagen sollen.
 

Du bist ein Arschloch. Ich wünschte, du wärst nicht gekommen. Ich wünschte, du wärst eher gekommen. Ich hab dich vermisst.
 

Scheiße, hab ich dich vermisst.
 

Nach fast einer Stunde schnellen und brutalen Spielens gaben Yukios Knie nach und er erinnerte sich an ihr erstes One-on-one, als er noch Schüler gewesen war und Yukio Aomine erst zur Teamarbeit hatte erziehen müssen. Wer wusste schon, ob all seine Versuche dauerhaft gefruchtet hatten, oder ob Aomine Daiki jetzt wieder derselbe war, der damals nach Kaijou gekommen und sich zu schade gewesen war, mit ihnen in einem Team zu spielen – Yukio musste wirklich beizeiten wieder bei Kaijou vorbeischauen und seiner alten Mannschaft zusehen, um zu prüfen, was aus ihnen geworden war.
 

Er ist hierhergekommen, um dich zu sehen, flüsterte eine Stimme in seinem Kopf, während Yukio sich – alle Gliedmaßen von sich gestreckt – auf den kühlen Asphalt fallen ließ und hoch in den sternenübersäten Nachthimmel starrte.
 

Alles tat weh. Seine Lungenflügel schrien bei jedem Atemzug.
 

»Hättest früher aufgeben sollen«, sagte Aomine – genau wie bei ihrem ersten Spiel gegeneinander – neben ihm und Yukio drehte den Kopf. Aomine hatte sich neben ihn gehockt und schaute zu ihm herunter.
 

Yukio schnaubte.
 

»Ich bin vielleicht aus dem Training, aber bekloppt geworden bin ich noch lange nicht.«
 

Aomine grinste schief.
 

Dann ließ er sich neben Yukio auf den Asphalt sinken und schaute mit ihm hoch in den Himmel. Eine ganze Weile lang konnte man nichts hören außer einigen entfernten Autos auf den Straßen und ihren immer noch schwer gehenden Atem.
 

Yukio konnte nicht einmal sagen, ob sein Herz so schnell hämmerte, weil er immer noch aufgeheizt vom Spielen war, oder ob er schon dazu über gegangen war, wegen seiner dämlichen Gefühle einen halben Infarkt zu bekommen.
 

Er dachte darüber nach, ob er ihren letzten Streit erwähnen sollte. Oder die Tatsache, dass Aomine nach zwei Monaten Funkstill alkoholisiert bei ihm aufgetaucht war und beschlossen hatte so zu tun, als wären diese letzten beide Monate nicht passiert. Oder den Umstand, dass es ihm beinahe körperliche Schmerzen bereitete, nicht die Hand auszustrecken und Aomine anzufassen.
 

Aber Yukio konnte nur vermuten, dass das etwas für Weicheier war. Und Aomine schätzte keine Weicheier. Yukio konnte kaum sagen, ob Aomine überhaupt etwas schätzte, außer Menschen beim Basketball in den Staub zu treten.
 

Er schätzte Teriyaki-Burger und Bananenmilch. Magazine mit vielen leicht bekleideten Frauen darin. Seine Ruhe und Nickerchen unter offenem Himmel. Momoi, auch wenn er miserable darin war, es zu zeigen.
 

Eine Stimme, die ganz nach Momois klang, ertönte in Yukios Kopf.
 

Dich. Er schätzt dich, Kasamatsu-kun.
 

Yukio hätte bei diesen imaginären Worten beinahe laut geschnaubt, aber er schaffte es noch, den Laut zu einem trockenen Hüsteln verkommen zu lassen. Tatsache war jedoch, dass Aomine sich Yukios Regeln angepasst hatte. Er hatte auf dieser Parkbank gewartet, Fanta für ihn gekauft, versucht ihn auf seine miserable Art aufzuheitern… Aomine hatte so oft One-on-one gegen ihn gespielt obwohl Yukio niemals im Leben ein gleichwertiger Gegner sein würde, wenn es darum ging, alleine gegen Aomine anzutreten.
 

»Und. Wie ist Uni so?«
 

Yukio drehte den Kopf und betrachtete Aomines Profil, das von den umstehenden Laternen matt und fahl gelblich beleuchtet wurde.
 

»Anstrengend.«
 

Aomine schnaubte.
 

»Kannst immer noch abbrechen.«
 

»Ich bin nicht der Typ fürs Aufgeben.«
 

Aomine drehte den Kopf und schaute Yukio direkt an. Sein Herz machte ein paar Saltos und Yukio versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie tumultartig es in seinem Innern zuging.
 

»Ach«, sagte Aomine und hob die Brauen. Yukio kniff die Augen zusammen. Er wusste sofort, was Aomine meinte.
 

»Wirklich? ‚Nicht aufgeben‘ ist dumm, wenn man in einer ungesunden Situation steckt, du Armleuchter. Ich bin nicht dein Therapeut, ok? Dein Arschlochgehabe zu kurieren ist nicht mein Job, schon gar nicht bis zur Selbstaufgabe«, blaffte er und wandte den Blick wieder dem Himmel zu. Aomines Launenhaftigkeit und der Mangel an Gefühlen waren nicht gesund für ihn gewesen. Schlussmachen, wenn keine Besserung in Sicht war, galt nicht als Aufgeben.
 

Danach schwieg Aomine eine lange Weile.
 

Yukio fragte sich, ob er nicht einfach aufstehen, wieder nach Hause gehen und dieses ganze Erlebnis als komischen Traum verbuchen sollte. Er fragte sich auch, wie angetrunken Aomine eigentlich war und ob das Spiel nicht das meiste aus seinem Blutkreislauf herausgepumpt hatte.
 

Was genau tat er hier eigentlich?
 

Gerade als er beschloss, dass das hier alles keinen Sinn hatte und er wirklich mehr Schlaf brauchte, bevor morgen wieder ein dreizehn-Stunden-Tag auf ihn wartete, berührte ein paar kühler Finger seine Hand, die neben ihm auf dem Asphalt lag. Yukio schaffte es nur mit Müh und Not nicht zusammenzuzucken oder ein erbärmliches Geräusch zu machen.
 

Sein Kopf schoss herum. Aomines Wangen waren definitiv gerötet, genau wie seine Ohren. Er starrte stur weiter Richtung Himmel.
 

»Ich versuch’s, ok?«, murrte er mit zusammen gepressten Zähnen, als würden ihm die Worte körperliche Schmerzen zufügen. Yukio blinzelte.
 

»Was?«
 

Yukio wusste genau, dass Aomine alles an Willenskraft aufbringen musste, um nicht zu fluchen, Yukio zu beleidigen oder irgendetwas über Weicheier und die gesellschaftliche Überbewertung von Gefühlen zu sagen.
 

Aomine griff nun vollständig nach Yukios Hand und verhakte ihre Finger miteinander – so steif und zögerlich, als hätte er noch nie irgendjemandes Hand gehalten. Dann hob er ihre Finger hoch.
 

»Das da.«
 

Yukio hob die Brauen.
 

»Du meinst ein minimales Maß an körperlicher Zuneigung?«
 

Aomine gab ein Geräusch von sich, das genauso gut von einer panischen Ringelnatter hätte stammen können.
 

»Denkst du, dass alle Probleme verschwinden, nur weil wir alle zwei Wochen mal heimlich Händchen halten, während du aussiehst, als würdest du gleich implodieren vor Anstrengung?«
 

Aomine wand sich wie ein Fisch auf dem Trocknen, Yukio konnte es an seiner drastisch schwankenden Mimik sehen. Zorn, Scham, Widerwillen aber auch eine gute Portion Verzweiflung waren in dem hübschen Gesicht zu finden, während Yukios Augen ihn fixierten. Noch während er all das beobachtete, fragte er sich, ob er es überhaupt in Erwägung ziehen würde, Aomine zurückzunehmen.
 

Doch das Gefühl, das sich in ihm breit gemacht hatte, sobald Aomine seine Hand genommen hatte, war ihm beinahe Antwort genug. Er seufzte.
 

»Du willst mich zurück, ja?«
 

Aomines Kopf schoss herum und sein Blick bohrte sich in Yukios. Er nickte kaum merklich.
 

»Du willst eine Beziehung«, fuhr Yukio fort. Aomine schnaufte, seine Augen huschten kurz zur Seite. Dann nickte er erneut.
 

»Und das fällt dir nach zwei Monaten Funkstille ein?«
 

Schweigen.
 

Yukio wusste, dass es vermutlich ein Wunder war, dass Aomine nur zwei Monate gebraucht hatte, um seinen inneren Dämon zu überwinden und hier aufzutauchen. Dass er dabei diese Uhrzeit und die Art und Weise des Auftritts gewählt hatte, war so typisch, dass Yukio beinahe gelacht hätte.
 

Wenn er schon so weit gegangen war, nachts mit Aomine Basketball zu spielen, dann war sein gesunder Menschenverstand bereits ausgeschaltet genug, dachte Yukio, während er sich aufrappelte. Aomines Augen folgten ihm und Yukio spürte, dass seine Hand etwas fester gedrückt wurde, als hätte Aomine Angst, dass er jeden Moment aufstehen und gehen könnte.
 

Stattdessen setzte Yukio sich rittlings auf Aomines Schritt, pinnte seine Hände auf den kalten Boden und beugte sich zu ihm hinunter. Aomines Augen weiteten sich ein wenig und Yukio spürte seine Handgelenke zucken.
 

»Ich weiß, du denkst, Gefühle sind für Weicheier. Aber ich frag mich, was du dann hier willst, wenn du sowieso keine Gefühle hast«, sagte Yukio. Er konnte fühlen, wie Aomine sich unter ihm anspannte und ihm war klar, dass Aomine keinerlei Probleme damit hätte, ihn körperlich zu überwältigen. Aber er tat es nicht.
 

»Hast du mich vermisst?«, wollte er wissen.
 

Aomines Gesichtsausdruck sah aus, als wäre diese Frage reine Folter. Sein Atem ging wieder schwer, als hätte er eine weitere Runde Basketball gespielt. Yukio wollte ihn küssen.
 

»Hm«, machte er und richtete sich wieder auf, wobei er seine Hände von Aomines löste und schließlich mit wackeligen Beinen aufstand.
 

»Dacht ich’s mir doch.«
 

Er wandte sich ab.
 

Aomines Schwierigkeiten seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen in allen Ehren, aber Yukio war nicht gewillt, zehn Jahre darauf zu warten, dass Aomine Daiki eine winzige Gefühlsbekundung von sich gab. Dass er eine Beziehung wollte – dass er Yukio zurück wollte – hatte er wahrscheinlich nur zugegeben, weil er vorher Alkohol getrunken hatte. Die Wahrscheinlichkeit, dass er sich zu Yukios Wohnung getraut hätte, ohne vorher zu trinken, war eher gering.
 

Yukio hatte kaum zehn Schritte gemacht, als Arme sich von hinten um ihn schlangen und zwei sehr kräftige Hände sich in sein Oberteil krallten. Warum musste sein verräterisches Herz ihm in die Kehle hüpfen? Gegen seinen Willen lehnte er sich in die Umarmung und schloss die Augen.
 

»Ja, ok? Verdammte… scheiße.«
 

Aomine presste Yukio so fest an sich, dass Yukio Schwierigkeiten hatte, Luft zu holen.
 

»Ja, du hast mich vermisst?«
 

»Ja.«
 

Kaum mehr als ein Krächzen.
 

»Du hast Gefühle für mich«, sagte Yukio. Er hatte ein wenig Angst um sein Shirt, weil Aomines Griff immer fester wurde.
 

»Alter, würde ich sonst–Fuck!«
 

»Daiki.«
 

Aomine sog zischend die Luft ein. Ein kurzes Schweigen. Dann…
 

»Ja, verdammt.«
 

Yukio wand sich in Aomines Griff und drehte sich um, packte Aomines Gesicht mit beiden Händen und taxierte ihn.
 

»Letzte Chance, verstanden?«, flüsterte er. Dann presste er seinen Mund auf Aomines. Zu seiner grenzenlosen Überraschung gab Aomine ein Geräusch von sich, das Yukio einen heißen Schauer über den Rücken laufen ließ. Er küsste ihn so innig, dass Yukio beinahe schmecken konnte, wie sehr Aomine ihn vermisst hatte.
 

Yukio konnte nicht sagen, wie lange sie mitten auf dem Sportplatz standen und sich küssten, an der Kleidung des anderen zerrten und sich aneinander pressten, als wären sie Ertrinkende.
 

Als sie sich voneinander lösten, lehnte Yukio seine Stirn an Aomines.
 

»Verstanden«, knurrte Aomine.
 

Yukio trat einen Schritt zurück.
 

»Ich muss zurück ins Bett«, sagte er und hörte selbst, wie heiser seine Stimme klang. Aomine zog die Schultern hoch und schaute zur Seite. Yukio verkniff sich die Standpauke darüber, dass Aomine morgen Schule hatte und als Schüler um diese Uhrzeit nicht draußen unterwegs sein sollte. Dann klemmt Aomine sich seinen Basketball unter den Arm und griff entschlossen nach Yukios Hand.
 

»Ich finde mein Bett auch alleine«, sagte Yukio und schaffte beinahe ein Lächeln. Aomine warf ihm einen hitzigen Blick zu.
 

»Halt die Klappe, Kasamatsu«, blaffte Aomine und stapfte los. Yukio folgte ihm. Vielleicht war das so etwas wie ein erster Versuch, normale Pärchendinge zu tun. Wie zum Beispiel jemanden zur Tür zu bringen. Yukio fand es beinahe lustig, dass Aomine darauf bestand, ihn nach Hause zu bringen. Aber weil sein Herz so heftig hämmerte und sein ganzer Körper kribbelte, sagte er nichts dazu.
 

Und Aomine ließ seine Hand den gesamten Weg nicht los.



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Kommentare zu dieser Fanfic (21)
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Von:  Schangia
2018-06-01T09:22:31+00:00 01.06.2018 11:22
AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAHHHHHHH
Weißt du eigentlich, was es mit mir anstellt, wenn du mir Aomine/Kasamatsu schreibst? Mein Herz eh, fast genauso schlimm wie bei Yukio in dem One Shot!

Es war tatsächlich ein bisschen anders, als ich es mir gedacht hatte, während ich den prompt getippt habe, aber so gefällt es mir auch sehr gut! Bisschen Ernst muss ja auch mal sein, und das ganze Szenario kann ich mir mit den beiden ohnehin gut vorstellen. (Vielleicht minus den Alkohol, aber wayne.)

Die herrlichen Beleidigungen, die du für Aomine auspackst! Ich liebe sie alle und musste so sehr lachen, wann immer eine davon im Text auftauchte.
Und das Ende. Hach. Und all die wunderschönen Sätze, die ich gerne zitieren würde, aber dann würde das alles zu lang werden. (Liebe auch an Haruka, den armen Jungen xD)

Ganz, ganz großes Dankeschön hierfür, ich hab mich tierisch gefreut, wieder was zu dem Pairing von dir lesen zu dürfen ♥

Antwort von:  Ur
01.06.2018 19:49
Eigentlich würde ich den prompt ja direkt gerne an dich zurückgeben und dann zu sehen, was in deinem Kopf dazu rumspukt :D Du hast mich mit den beiden einfach total angesteckt. So geht das. Man schreibt aus Spaß ein Crackpairing und ZACK ist man invested. Ich bin eigentlich schon länger raus aus dem Fandom, aber die beiden haben noch mal richtig Spaß gemacht :D Ich freu mich, dass du dich gefreut hast <3
Antwort von:  Schangia
03.06.2018 19:50
Nichts Spezifisches, ich hab's nur irgendwie gedanklich mehr auf der spaßigen Seite angesiedelt, aber ein wenig Drama ist auch immer nice~ ;) Oho? Na das höre ich doch gerne, gerade bei meinen Crackpairings, die sonst die wenigsten jucken. Yes! >D Raus aus dem Fandom bin ich auch, aber die Pairings bleiben ja (leider)... in dem Sinne vielen Dank! Ich bin aber auch froh, dass du Spaß am Schreiben hattest <3
Von:  ChocolateChip
2015-02-18T19:52:23+00:00 18.02.2015 20:52
Oh Mein Gott!!
Es tut mir ja so leid, dass ich so lange gebraucht habe um endlich zu kommentieren! ich wollte eigentlich warten bis ich meinen laptop wieder aber der ist schon länger wieder zu Hause und ich habe immer wieder vergessen zu kommentieren *schnief*
Aber nun habe ich mich daran erinnert zu schreiben und das werde ich auch tun! Auch wenn ich nicht die besten Kommis schreiben kann ^^'

Also: Wie schon gesagt liebe ich diese Geschichte sehr auch wenn es jetzt nicht mein Nummer Eins Lieblingspairing der Serie ist aber das was du geschrieben hast, hat mich daran erinnert wieso ich dieses Pairing in meiner Liste hatte also Danke Danke Danke!
Ich liebe deinen Schreibstil und ich musste oft mein Lachen unterdrücken, damit meine Familie mich nicht doof angesehen hat xD Du hast meinen Geschmack sehr gut getroffen xD
Es war zwar vorherzusehen was Kise von Takao wollte und was dann mit Midorima und Aomine passieren würde aber das war wirklich egal! Die Geschichte ist ein Genuss zu lesen! Es gibt schon fast zu viele Passagen die mir gut gefallen also lasse ich es und zähle sie lieber nicht auf xD es wird sonst zu sehr Spam wenn ich fertig bin haha
Mehr kann ich jetzt auch wirklich nicht sagen ohne mich zu wiederholen aber ich bin sehr glücklich über diese Geschichte gewesen ^^

LG Choco
Von: abgemeldet
2015-02-08T20:00:09+00:00 08.02.2015 21:00
Ich hab es nicht in mir, nochmal meine ganzen Gedanken niederzuschreiben, aber du weißt eh schon, was ich darüber denke :D
Ganz viel Liebeeeee <3<3<3<3<3<3<3
Von: abgemeldet
2014-12-03T21:13:08+00:00 03.12.2014 22:13
Dieses Pairing macht mich immer noch perplex (wie kommt man darauf?? XD), aber wenn du es schreibst kann ich fast alles shippen :)

Es war so komisch, dass Kise und Aomina quasi vertauscht wurden, Kise hat sich in Touou auch ganz anders entwickelt. Ich weiß nicht, ob es einfach daran liegt, dass ich es anders gewöhnt bin, aber bis zum Schluss kam mir dieser Tausch ein bisschen komisch vor, auch wenn du ihn toll umgesetzt hast <3

So, wie Aomine Kasamatsu aufgeholfen hat, das hat mich irgendwie an die Szene erinnert, wo er Kise nach dem Spiel quasi ~ignoriert~ hat und Kasamatsu ihn hochgezogen hat (war das Absicht? XD).

Ich mag Kasamatsu einfach, er ist ein durch und durch netter Mensch.

Er hat Aomine hübsch genannt XD

Brüste sind aber auch sehr toll ^^

Gahhh, jetzt mag ich die beiden in deiner Fassung wirklich. Ich weiß nicht, warum, aber Kise und Aomine konnte ich einfach nie shippen (ich hab es echt versucht >_< Ich verstehe ja, warum sie so shippable sind, aber... idk), aber jetzt die beiden??? Ich bin verwirrt XD

Jetzt tut mir Aomine auch noch voll leid >_< Dabei hat doch er den Scheiß gebaut. Wie er da hockt. Jeden Tag. Argh XD
Ich will, dass sie sich umarmen Q_Q Ich bin zugleich traurig und glücklich XD Na gut, dann eben ein Hände-Dings (was auch immer es jetzt genau ist XD). Aber Umarmungen können Wunden heilen *__* Oder zumindest verarzten.

Gahhh, ich bin so erfüllt von flauschigen Gefühlen, ich weiß gar nicht, was passiert ist @_@~

Ahhhh, es ist so süßßßßßß Q___Q Warummmmm. Ich kann nicht aufhören, zu grinsen :D

Wieder mal seeehr toll <3 (hinthint Korrasami XD Nein, ich denke nur, du würdest die zwei echt genial hinbekommen ^^)
Alles Liebe :)
Von:  Schangia
2014-12-02T22:04:56+00:00 02.12.2014 23:04
So. Jetzt hab ich mich teilweise beruhigt. (Teilweise, weil ich nochmal gelesen habe und hach. ;;)

Das kommt jetzt vermutlich übertrieben rüber, aber ich war mir gestern Abend ziemlich sicher, dass Worte nicht beschreiben können, wie sehr ich mich über den One Shot gefreut habe und es immer noch tue.
Mein erster Gedanke war ja "Oh Gott JA, Yukio hat Geschwister", und ab da wurde es immer noch ein wenig besser. Generell mag ich sehr, wie du Yukio dargestellt hast. Zeitweise war ich mir nicht ganz sicher, ob er wirklich so viel fluchen würde, aber wenn man mit Daiki zu tun hat, ist das vermutlich das Mindeste. Aber die Art, wie er mit ihm umgeht und warum er sein Verhalten nicht in Ordnung findet waren für mich sehr passend. Das war mir persönlich mit am wichtigsten, weil Yukio auf ewig mein KnB Liebling bleiben wird, und da ist eine akkurate Umsetzung schon eines der Hauptkriterien. (Aber mir war klar, dass du das meistern würdest. ;p) Oh, und was ich gut fand, war, dass Yukio auch ab und an rot wird, wenn er mit Momoi interagiert. Er kann ja eigentlich nicht so gut mit Frauen reden, aber unter dem Gesichtspunkt, dass sie eben die Managerin ist, finde ich das schon gut gelöst so.
Und Daiki hast du auch klasse getroffen, finde ich. Besonders wenn man bedenkt, wie viel Sorgen dir der Arsch bereitet hat. xD Der Wandel, den er durchlebt, ist glaubhaft und nicht übertrieben. Man kann sich gut vorstellen, dass es so gelaufen sein könnte.

Überhaupt finde ich die Übergänge zwischen den einzelnen Handlungsabschnitten stilistisch schön gewählt und stimmig. Es lässt sich einfach richtig gut lesen und zieht einen noch mehr in die Story rein. Anfang und Ende sind rund, das Thema 'Geduld' zieht sich durch die gesamte Geschichte.
Die Gefühle der beiden entwickeln sich so schön langsam, so nachvollziehbar und subtil. Dass du teilweise nur Dialoge benutzt hast, hat auch eine richtig interessante Wirkung erzielt; es war so locker zwischendurch, aber dennoch hat es so viel bedeutet. Und das "Senpai" seitens Daiki hat mir dann zur Mitte hin dezent den Rest gegeben. Auch, dass Yukios Abschluss so ein heikles Thema ist, und dass Yukio einfach mal raushaut "Sprich nicht mit vollem Mund!" //D

Was mir auch richtig, richtig gut gefällt, ist, wie du das alles in den Canon eingewoben hast, obwohl das mit getauschten Mannschaften schwierig ist. Aber die Interaktion der Spieler untereinander macht Sinn, und Daiki passt mindestens genauso gut nach Kaijou wie Kise nach Touou. Und, ernsthaft...
Kise und Imayoshi gaben gemeinsam ein beunruhigendes Bild ab. Es sah aus, als würden sie in ihrer Freizeit gemeinsam beraten, wie sie ihre Konkurrenz heimlich meucheln konnten.
Wir shippen das jetzt ganz offiziell, oder? xD

Oh, aber das Touou/Kaijou Match. Oh, mein armes Herz. Was hab ich gefeiert, dass sie gewonnen haben, ich hab mich so sehr gefreut für Yukio, weil damit die Umkleidekabinenszene wegfiel. Aber neeein, dann kam das Match gegen Seirin und WARUM HAST DU DAS GEMACHT, MEINE FEELS!! QAQ
»Sei dankbar und trink den Scheiß. Ich geh bestimmt nicht los und besorg dir eine Extrawurst.«
Das ist für mich der beste (Dialogs-)Satz der gesamten Story. Er sagt so viel aus und fügt sich so gut in die Geschehnisse ein, dass ich nach Luft schnappen musste, als ich ihn das erste Mal gelesen habe. Das ganze Trösten an sich wirkte auch so Aomine-like, dass es schwer fällt zu glauben, dass du Probleme hattest, ihn zu schreiben. ;)

Ach ja, und die Fanta. DIE FANTA. (Ich mag Fanta auch nicht sonderlich, aber wie Yukio schon so schön feststellte, das ist nicht der Punkt.) Nie hätte ich gedacht, dass ein Softdrink mal so viele Emotionen in mir auslöst, aber urgh! ´ ^ `

Mittlerweile dürfe vermutlich rübergekommen sein, wie begeistert ich von dem One Shot bin. Vielen tausend Dank dafür. ♥ Ich werde ihn definitiv noch sehr oft lesen, das steht fest! :)
Von:  Schangia
2014-12-01T22:37:38+00:00 01.12.2014 23:37
Aufgrund der unbändigen Freude über einen perfekten One Shot zu meinem ewigen KnB otp bin ich gerade nicht in der Lage, kohärente Sätze zu schreiben. Sei dir aber bitte dessen bewusst, dass ich dich hierfür liebe, und morgen ein ordentlicher Kommentar auf dich wartet. QAQ ♥
Von:  herzausglas
2014-07-14T18:23:43+00:00 14.07.2014 20:23
<3 <3 <3

»Es geht um diese Sache, nach der ich dich letzte Woche gefragt hatte«, erklärte Teppei bestens gelaunt und lächelte so unentwegt wie immer. Riko war sich sicher, dass Teppei auch noch lächeln würde, wenn jemand ihm ein Katzenbaby unter der Nase wegklaute.
Er ist so ein Puschel <3 und ich habe gar keine Worte dafür wie sehr ich Riko/Teppei platonisch liebe. Sie sind so toll *______*

»Wenn ich Hyuuga auf ein Date einladen und dabei vermeiden wollen würde, dass er mir einen Tisch an den Kopf wirft, was glaubst du, wie ich am besten vorgehen sollte?«
Hahaha XD die richtig Antwort wäre: das geht gar nicht.

Er wollte Ratschläge von einer Hyuuga-Junpei-Expertin und für genau diese hielt er Riko. Riko musste natürlich zugeben, dass Hyuuga eindeutig zu ihren engsten Freunden zählte, sie ihn recht gut zu kennen glaubte und ihm nur das beste auf der Welt wünschte – wenn er nicht gerade ihre Kochkünste beleidigte – aber über Hyuugas Liebesleben wusste sie nichts. Und sie hatte nie vorgehabt, dieses Unwissen zu korrigieren.
Hach, ich hätte nie erwartet, dass mir jemand was zu unserem OT3 schreiben würde *___* aber ich hab sie auch nicht auf meiner Liste stehen, also konntest nur du das wissen. (Ich hab sie mit Absicht nicht draufstehen, weil ich so pingelig bin was sie betrifft, aber du hast es wunderbar geschrieben :))

»Besorg dir Schutzkleidung?«, entgegnete Riko unmotiviert und trat nervös von einem Bein auf das andere.
Das ist zugegeben ein sehr guter Tipp :DD

»Im Ernst, Riko-san! Das ist wirklich wichtig«, drängte Teppei mit großen Augen und Riko seufzte leise. Er sah aus wie ein großer Teddybär. Wie um alles in der Welt sollte sie ihm irgendwas abschlagen?
Kann man auch einfach nicht. Er ist ein Engel.

»Danke, Riko-san. Du bist die Beste!«
Da hat er recht :D

»Geht es um Basketball?«
»Nicht direkt…«
»Dann habe ich keine Zeit.«

xD

Wieso nur konnte sie Teppei nichts abschlagen? Diese treudoofen braunen Augen waren eine Gefahr für die Allgemeinheit!
Ich find es voll gut wie sich immer mehr Emotionen in ihr anstauen und man schon weiß, dass es nur eine Frage der Zeit ist bis sie hochgeht... wie eine Zeitbombe xD

»Du könntest Basketballkarten für euch besorgen«, schlug sie vor. Teppei strahlte wie die aufgehende Sonne.
»Eine hervorragende Idee, Riko-san!«

Dafür, dass sie so gar keinen Bock darauf hat, gibt sie ihm echt erstaunlich gute Tipps^^

»Aber Riko-san, was tust du denn in einer Besenkammer?«, wollte er wissen. Riko winkte ab und trat schwer seufzend aus dem Besenschrank hinaus in das Licht des Korridors.
HAHA ZU WITZIG XD ich kann mir richtig gut vorstellen wie er das in einem total unschuldigen Tonfall fragt :'D

Es war ja nicht gerade so, als würde ihr eigenes Liebesleben erfolgreich Früchte tragen. Als sie Momoi-san das letzte Mal gesehen hatte, war sie beinahe von der Trainerbank gekippt und hatte sich den Hinterkopf aufgeschlagen, weil ein Knopf von Momois Bluse abgesprungen war. Sie war keinen Deut besser als all die sabbernden Jungs um sie herum, die sie anschließend zwanzig Runden ums Schulgelände geschickt hatte.
UND DANN LEGST DU NOCH EINEN DRAUF UND BRINGST MOMOI/RIKO EIN WHAAAAAT

»Ich glaube, Junpei-kun und ich sind langsam soweit, den nächsten Schritt zu gehen. Wie genau glaubst du– Riko-san?«
»GAUBST DU IM ERNST, DASS ICH IRGENDETWAS DARÜBER WISSEN WILL? ES REICHT! DREIßIG RUNDEN UMS SCHULGELÄNDE! UND WEHE DU ERWÄHNST DIESES THEMA JEMALS WIEDER!«
»Au, au, Riko-san, bitte beruhige dich!«
»DREIßIG RUNDEN!«

:DDDDDD (An Rikos Stelle würde ich auch lieber nichts darüber hören)

»Hallo Aida-san! Möchtest du diesen Samstag mit mir ein Eis essen gehen? Ich würde mich sehr freuen! Liebste Grüße, Satsuki«
Awwww, ich liebe es total, dass sie 'liebste' schreibt <3
Von:  Grave
2014-04-22T16:10:00+00:00 22.04.2014 18:10
Wirklich, wirklich gut!! Es war also doch eine gute Idee mal in deine fanfictions zu schauen und zu gucken was du so geschrieben hast! ^^/

Als jemand der sich windet und immer am liebsten die Augen zuhält mittlerweile bei deutschen fanfiction hab ich das hier sehr, sehr genossen! Guter Stil, toller Rhythmus und süße Geschichte. Ich mag die beiden einfach am liebsten wenn sie eigentlich große idioten miteinander sind und auch wenn kise genauso austeilen kann wie Aomine und nicht nachgibt. Daumen hoch!! :D
Von: abgemeldet
2014-04-17T09:39:31+00:00 17.04.2014 11:39
!!!!!!!!! Okay, es ist vielleicht blöd, weil ich es jedes Mal sage, aber es stimmt ja auch immer: Ich liebe es so!!! ;____; Und ich liebe die beiden so <3

Es ist wunderbar und perfekt und es wärmt mein Herz. Du bist so toll! Ich würde gerne den ganzen Tag einfach nur deine Geschichten lesen ^^

Vielen, vielen Dank <3
Von:  herzausglas
2014-04-17T08:26:48+00:00 17.04.2014 10:26
Wie niedlich :D
Midorima ist wie immer ohne Worte. Ich finde sein Verhalten (wie Takao auch) total amüsant und allein die Sache mit den lucky items ist so witzig. Vielleicht kann er irgendwann mal sein und Takaos Liebeshoroskop überprüfen und dann anfangen Takao sehr ungeschickt mit lucky love items zu umwerben? :'D
[S]Ich bin immer noch überrascht, dass du bei dem prompt kein Crossdressing geschrieben hast.[/S]
Antwort von:  herzausglas
17.04.2014 10:27
Ups, man kann bei Kommentaren nichts durchstreichen... gut zu wissen.


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