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One on one

Oneshot-Sammlung
von

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Glück im Unglück

Takao ist sich ziemlich sicher, dass Shin-chan ihn für blöd hält. Er würde ja deswegen beleidigt sein, wenn diese Annahme seitens Shin-chan nicht zu ziemlich vielen amüsanten Szenen führen würde, über die Takao dann wiederum wochenlang lachen kann. Zugegeben, ein gebrochener linker Arm und eine Gehirnerschütterung sind nicht besonders witzig, aber die Art und Weise, wie Shin-chan mindestens zehn Mal vor seiner Krankenhauszimmertür stehen bleibt, dann wieder umdreht und mehrmals daran vorbei läuft, ist ziemlich amüsant. Takao fühlt sich beinahe ein wenig gerührt und vielleicht wird ihm auch ein wenig warm angesichts der Tatsache, dass Midorima Shintarou – selbsternannter Eigenbrödler und erhaben über alles Menschliche und alle niederen Geschöpfe, die sich um ihn tummeln – ihn im Krankenhaus besucht, weil er sich Sorgen macht.
 

Nicht, dass Takao Shin-chan gegenüber erwähnen würde, dass er glaubt, dass Shin-chan sich Sorgen macht. Dann würde Shin-chan vermutlich empört schnauben, aufstehen und wieder gehen. So allerdings sitzt das Ass des Shutoku Basketballteams steif und etwas unbeholfen an Takaos Bett und stellt mit grimmiger Präzision einen ausgesprochen hässlichen Porzellan-Tanuki auf Takaos Nachttisch. Takao muss nicht erst fragen, was das bedeutet.
 

»Mein Glücksgegenstand für heute?«, fragt er grinsend und Shin-chan schiebt seine Brille hoch, ehe er ruckartig nickt.
 

»Vielleicht hätte ich so ein Ding gestern gebraucht«, sagt er amüsiert und es war als Scherz gemeint, aber Shin-chan kneift seine Lippen zusammen und starrt Takao anklagend an, als wäre Takao derjenige gewesen, der diesen Unfall verursacht hat. Nur fürs Protokoll, er war eindeutig nicht schuld. Nicht mal ein wenig.
 

»Takao, fahr schneller, wir kommen zu spät!«
 

»Es geht verflucht noch mal bergauf, Shin-chan!«
 

»Vielleicht ist es nötig, dass wir zu deinem Training mehr Fokus auf die Beinmuskulatur legen.«
 

»Meine Beinmuskulatur ist hervorragend, vielen Dank, eure Majestät!«
 

»Offensichtlich nicht! Und jetzt beeil dich, ich glaube gerade hat eine alte Frau uns zu Fuß überholt.«
 

»Shin-chan, nächstes Mal kannst du selber zum Training fahren!«
 

»Auf keinen Fa– Takao!«
 

Takao erinnert sich noch ganz genau an Shin-chans Stimme in diesem Moment. Nicht, dass er Shin-chan jemals besonders emotional erlebt hätte, aber er hätte schwören können, dass die Stimme von Shin-chan ein wenig panisch geklungen hatte. Es war vermutlich gut gewesen, dass sie relativ langsam gefahren waren, denn als sich die Tür des parkenden Autos öffnete und Takao vornüber über den Lenker und dann auf die Straße krachte, hatte er sich lediglich den Arm gebrochen, einige Schürfwunden und eine leichte Gehirnerschütterung zugezogen.
 

Er hatte auf dem harten Asphalt gelegen und vor Schmerz und Schock nach Luft geschnappt, während ein wütender Shin-chan den Übeltäter lauthals zusammengestaucht hatte, ehe er sich neben Takao auf den Boden hockte. Takao hat immer noch Schwierigkeiten sich klar zu machen, dass Midorima Shintarou neben ihm auf dem Fußboden gekniet und sich mit weißem Gesicht die leichte Platzwunde an seinem Kopf angeschaut hat. Und Takao würde auch nicht das heftige Zusammenzucken vergessen, als er vor Schmerz aufgeschrien hat, nachdem er versucht hat, seinen linken Arm zu bewegen.
 

»Ich habe dir schon öfter nahegelegt, dich mehr mit Oha Asa auseinander zu setzen«, sagt Shin-chan und friemelt an einem scheußlichen Entenschlüsselanhänger herum, der wohl seinen eigenen Glücksgegenstand für den heutigen Tag darstellt. Takao glaubt nicht an diesen ganzen Astrologiekram, aber er weiß, dass es Shin-chan wichtig ist, deswegen lacht er so selten wie möglich darüber.
 

»Ich würde sagen, ein gebrochener Arm ist genug Unglück für ein paar Jahre. Vielleicht verschont das Schicksal mich jetzt wieder für längere Zeit«, meint Takao grinsend und mustert seinen Gipsarm. Wenigstens war es glatter Bruch, der hoffentlich nicht allzu braucht, um zu heilen. Er muss dringend trainieren und er wird es sicherlich vermissen, Shin-chan herumzukutschieren. Auch, wenn er das im Leben nicht laut sagen würde. Vielleicht ist es auch nicht unbedingt das Kutschieren an sich, sondern die Zeit, die er dabei mit Shin-chan verbringt.
 

Takao hat schon vor einiger Zeit aufgegeben sich einzureden, dass er nicht Hals über Kopf in Midorima Shintarou verknallt ist. Er lebt seine Zuneigung so wenig wie möglich aus und begnügt sich mit dem gelegentlichen Schulterklopfen. Nicht, dass seine ausgeprägte Fantasie dazu neigt, abends, wenn er allein im Bett liegt, in seinem Kopf Dinge mit Shin-chan anzustellen, die Shutokus Ass sicherlich die Wände hochtreiben würden, wenn er davon wüsste, aber… Nun ja. Takao ist es gewöhnt, dass er nicht alles haben kann, was er will, und Shin-chans Freundschaft ist genug für ihn.
 

»So funktioniert es nicht«, sagt Shin-chan missgelaunt und schiebt schon wieder seine Brille nach oben. Takao fragt sich, ob es eine Geste der Arroganz oder der Unsicherheit ist. Vielleicht ist es auch beides.

»Ich weiß, Shin-chan. Ich hab nur einen Witz gemacht«, sagt Takao und nimmt den hässlichen Tanuki von seinem Nachtschrank, um ihn näher in Augenschein zu nehmen.

»Die Situation ist alles andere als lustig!«, schnappt Shin-chan säuerlich und Takao mustert ihn über den Porzellan-Tanuki hinweg. Er kann nicht anders, als zu lächeln.
 

»Es ist nett, dass du dir Sorgen machst, Shin-chan«, meint er leise und ärgert sich beinahe ein wenig darüber, dass er es jetzt doch gesagt hat. Allerdings steht Shin-chan nicht sauer schnaubend auf, sondern läuft scharlachrot an und murmelt unverständliche Dinge, ehe er anfängt, seine Brille zu putzen. Takao blinzelt verwirrt. Das ist eindeutig neu. Er wird sich diesen Anblick einprägen und noch Jahre davon zehren, dass er Midorima Shintarou in Verlegenheit gebracht hat.
 

»Wollen wir einen kleinen Spaziergang machen? Ich kann die weißen Wände jetzt schon nicht mehr sehen«, schlägt Takao schließlich vor und Shin-chan hört auf, seine Brille zu polieren. Vielleicht fühlt er sich durch den Themenwechsel in Sicherheit gewiegt, denkt Takao. Er wartet nicht auf eine Zusage seitens Shin-chan, sondern schiebt seine Bettdecke beiseite und schwingt enthusiastisch die Beine aus dem Bett. Dann versucht er vergeblich und vermutlich reichlich erbärmlich, in eine warme Strickjacke zu schlüpfen, die seine Mutter ihm vorbeigebracht hat.
 

Nachdem er sich zweimal im Kreis gedreht hat, um sich die Jacke über die Schulter und den verletzten Arm zu ziehen, steht Shin-chan abrupt auf und macht einen Schritt zu Takao hinüber. Takao schaut verwundert auf und dann zupft Shin-chan an der Jacke herum und hilft Takao dabei, sie sich so gut es geht anzuziehen. Vielleicht liegt er doch eigentlich im Koma und weiß es nur nicht, denkt Takao sich und starrt hoch in das strenge Gesicht seines Freundes.
 

»Danke, Shin-chan«, sagt er grinsend und beobachtet interessiert, wie neuerliche Röte in Shin-chans Wangen kriecht.

»In deine Schuhe kommst du ja wohl allein, oder?«, blafft Shin-chan ihn an und Takao lacht leise, während er in seine ausgesprochen hässlichen Hundehausschuhe schlüpft – ebenfalls ein Mitbringsel seiner Mutter. Und das, obwohl man Takao versichert hat, dass er nur wenige Tage dort bleiben muss.
 

Takao schnauft angestrengt, weil ihm immer noch alles wehtut, und das bringt ihm einen forschen Seitenblick von Shin-chan ein.

»Alles gut, Shin-chan«, sagt er, aber er hätte es besser wissen und sich das Schnaufen verkneifen müssen.

»Du hast Schmerzen«, stellt Shin-chan fest und er baut sich vor der Zimmertür auf, als Takao versucht an ihm vorbei zu schlüpfen. Takao seufzt resigniert.

»Shin-chan, ich bin über meinen Lenker auf die Straße geflogen, natürlich tut mir alles weh. Das heißt nicht, dass ich vollkommen invalide bin«, gibt Takao zurück und greift hoffnungsvoll nach der Türklinke, aber Shin-chan ist unerbittlich und deutet mit strenger Miene auf Takaos Bett.
 

»Ich langweile mich zu Tode«, quengelt Takao unzufrieden und würde gern die Arme verschränken, aber wegen des Gipsarms ist ihm sogar das verwehrt. Shin-chan schnaubt und schaut einen Moment lang an Takao vorbei.

»Du kannst fernsehen«, sagt Shin-chan und deutet auf den Fernseher auf einem Regal gegenüber von Takaos Bett. Takao grummelt leise.

»Allein fernsehen ist scheiße«, verkündet er und setzt sich resigniert wieder aufs Bett. Shin-chan ist schlimmer als jede Krankenschwester. Shin-chan räuspert sich.
 

»Wenn du keine lächerlichen Cartoons anmachst, können wir zusammen fernsehen«, sagt er und Takao fällt beinahe die Kinnlade auf seine hässlichen Hausschuhe. Midorima Shintarou ist über Fernsehen erhaben. Und Interaktion mit anderen wird auch auf das Nötigste beschränkt. Takao starrt ihn an, aber dann wird ihm klar, dass Shin-chan sicher sauer wird, wenn er sich weiter so blöd verhält, also zieht er seine Beine aufs Bett, rutscht ein Stück und klopft versuchsweise neben sich auf die Matratze. Es ist ein ziemlich enges Bett und vermutlich wird Shin-chan ablehnen, so nah bei ihm zu sitzen…
 

»Ich nehme die Fernbedienung«, verlangt Shin-chan herrisch und greift danach, während er sich zu Takaos Verblüffung tatsächlich neben ihm auf dem Bett niederlässt und steif und umständlich seine Beine ausstreckt. Takao spürt, wie ihre Schultern sich berühren und er wünscht sich in diesem Moment sehr, dass er sich an Shin-chan schmiegen dürfte.

»Kein Schach-Turnier«, sagt Takao mit einem möglichst strengen Seitenblick und Shin-chan sieht beinahe aus, als würde er schmollen.

»Schach ist ein ausgesprochen spannendes Spiel. Dir fehlt es nur an Feinfühligkeit und Intelligenz, um das zu erkennen«, gibt Shin-chan zurück und Takao seufzt schmunzelnd. Er wusste ja, dass Shin-chan ihn für blöd hält.
 

Sie landen letztendlich bei einer Kochsendung, was Takao für absolut wahnwitzig hält, aber er wird sich nicht beschweren, weil Shin-chan dicht an ihn gepresst neben ihm sitzt und konzentriert die Stirn gerunzelt hat, was Takao absolut hinreißend findet.

»Tut mir Leid, dass ich dich jetzt länger nicht beim Training unterstützen kann. Und dass ich dich nicht rumfahren kann«, sagt er, während er beobachtet, wie ein Lachs filetiert wird. Shin-chans Augenbraue zuckt und er dreht den Kopf, um Takao anzusehen.
 

Er sieht beinahe so aus, als hätte er ein schlechtes Gewissen. Takao starrt. Und starrt. Shin-chan räuspert sich und bekommt rote Ohren und Takao wird klar, dass er Recht hat. Shin-chan hat ein schlechtes Gewissen, weil Takao diesen Unfall hatte.

»Red keinen Blödsinn«, sagt Shin-chan, aber seinen Worten fehlt die übliche Schärfe. Dann…

»Ich kann zur Abwechslung auch mal fahren.«
 

»Was?«
 

»Du hast mich gehört.«
 

»Shin-chan, du willst mich rumfahren?«
 

»Das hab ich doch gerade gesagt, oder nicht?«, schnaubt Shin-chan und verschränkt die Arme vor der Brust. Takao starrt noch ein bisschen mehr und schluckt, während sein Herz ziemlich doll zu hämmern beginnt. Shin-chan würde sonst garantiert niemanden in der Gegend herumfahren. Soviel steht fest.
 

»Wenigstens kommen wir dann mal eine Zeit lang nicht mehr nur im Schneckentempo voran.«
 

Takao schnaubt und muss lachen und bufft Shin-chan mit seinem Gipsarm an. Dann, weil er sich übermütig und leicht fühlt, weil Shin-chan sich Sorgen macht und verlegen war und ihn durch die Gegend fahren will, weil er Takao gut leiden kann, legt Takao seinen Kopf auf Shin-chans Schulter ab. Shin-chan versteift sich wie erwartet, aber er sagt nichts und beschwert sich nicht und rutscht auch nicht aus Takaos Reichweite. Nach einigen elendig langen Sekunden entspannt er sich wieder und zu Takaos grenzenloser Überraschung spürt er, wie ein Arm sich hinter ihm auf sein Kissen legt, sodass man beinahe meinen könnte, Shin-chan hätte seinen Arm um ihn gelegt. Takaos Herz ist kurz vorm Explodieren.
 

Nicht, dass er sich darüber freut einen Gipsarm und einen schmerzenden Körper zu haben, aber wenn er sich den heutigen Tag als Resultat des Unfalls anschaut, dann hat er doch eindeutig Glück im Unglück gehabt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2014-04-17T09:39:31+00:00 17.04.2014 11:39
!!!!!!!!! Okay, es ist vielleicht blöd, weil ich es jedes Mal sage, aber es stimmt ja auch immer: Ich liebe es so!!! ;____; Und ich liebe die beiden so <3

Es ist wunderbar und perfekt und es wärmt mein Herz. Du bist so toll! Ich würde gerne den ganzen Tag einfach nur deine Geschichten lesen ^^

Vielen, vielen Dank <3
Von:  herzausglas
2014-04-17T08:26:48+00:00 17.04.2014 10:26
Wie niedlich :D
Midorima ist wie immer ohne Worte. Ich finde sein Verhalten (wie Takao auch) total amüsant und allein die Sache mit den lucky items ist so witzig. Vielleicht kann er irgendwann mal sein und Takaos Liebeshoroskop überprüfen und dann anfangen Takao sehr ungeschickt mit lucky love items zu umwerben? :'D
[S]Ich bin immer noch überrascht, dass du bei dem prompt kein Crossdressing geschrieben hast.[/S]
Antwort von:  herzausglas
17.04.2014 10:27
Ups, man kann bei Kommentaren nichts durchstreichen... gut zu wissen.


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