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Der König der Löwen

Wir sind Eins
von

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Erste Schritte eines Prinzen

Das Leben im Rudel – einmal anders

Tojo gehörte ebenfalls zu der kleinen Gruppe, die das Rudel während Scars Herrschaft verlassen hatte, nach Norden gezogen und nach dem großen Feuer wieder zurückgekehrt war. Schon damals war er für die drei anderen immer ihr "kleiner Begleiter" gewesen und auch im Geweihten Land wurde er andauernd daran erinnert, dass er der Jüngste von ihnen war, denn er bekam immer die unangenehmsten Aufgaben ab.

Zwar war er noch älter als Simba, aber ansonsten der jüngste erwachsene Löwe im Rudel. Seine Mähne war rostbraun und sein Fell hatte neben dem üblichen Braunton einen starken Orangestich. Auch Aiheu schien ihm seine Situation vor Augen zu halten, denn er war etwas schmächtiger als Simba und Chumvi, was ihn aber keinesfalls weniger gefährlich machte.

Sich seinem Schicksal fügend, zeigte Tojo einzelgängerische Züge. Auch wenn er ein akzeptiertes Mitglied des Rudels war, verbrachte er trotzdem die meiste Zeit des Tages mit langen, einsamen Spaziergängen kreuz und quer durch das Geweihte Land. Am Königsfelsen bekam man ihn deshalb nur selten zu Gesicht.

Die Angewohnheit ging einher mit der Tatsache, dass er Streifen unternahm, während die Jägerinnen abends unterwegs waren. Dabei war es eigentlich eine mehr oder wenige spontane Eingebung gewesen, da er sonst nirgends gebraucht wurde.

Die Spitze des steinernen Monuments war der Königsfamilie vorbehalten, weswegen Simba den dortigen Wachposten übernahm. Chumvi, als der Älteste, blieb zu Hause bei den Löwenkindern und Tojo ... er war auf Streife geschickt worden in der Hoffnung, dass es sich vielleicht bezahlt machen würde.

Trotz allem nahm er seine Aufgaben immer ernst und kam ihnen gewissenhaft nach, was ihn, in Kombination mit seiner allgegenwärtigen Abwesenheit, bis zu einem gewissen Grad zu einer lebenden Legende machte. Gerade die Jüngsten kannten ihn eigentlich nur vom Namen her, aber sie wussten, dass er da war. Sollten sie ihn einmal zufällig im Geweihten Land treffen, so gingen sie ihm meistens aus dem Weg. Tojo genoss diese Momente redlich, da er wusste, dass sie es aus Ehrfurcht taten.

Doch es gab auch Begegnungen, die er begrüßte. Tama war die älteste Löwin der besagten Gruppe und vervollständigte sie neben Chumvi und Kula. Auch im Geweihten Land war sie die Älteste, auch wenn die Unterschiede in ihrer Generation nur wenige Wochen betrugen, aber das änderte nun mal nichts an den Tatsachen.

Sie hatten den eleganten, geschmeidigen Körperbau einer Jägerin, wobei auch ihr unauffälliges gelbbraunes Fell im trockenen Savannengras eine perfekte Tarnung bot. Im krassen Gegensatz dazu stand der fellfarbene Haarschopf, der ihren Kopf zierte, ganz ähnlich dem ersten Mähnenansatz von Junglöwen. Er störte keineswegs, außer dass er ihr ab und an mal in die Augen fiel, sondern war einfach nur auffällig.

Sarabi hatte ständig ein Auge auf die junge Löwin, da sie schon bald ihren Platz als Leitlöwin der Jagdgruppe einnehmen würde. Tama wusste das und war deshalb sehr darauf bedacht, ihre Jagdinstinkte immer wach zu halten. Sie war oft mit Tojo unterwegs und übte sich an ihm im Anschleichen, wobei er gleichzeitig für seine Streifen lernte, aufmerksam zu sein. Nicht wenige ihrer Spaziergänge begannen sogar mit solchen Anpirschversuchen.
 

Bruder Werden

So vergingen die folgenden Wochen wie im Fluge. Simba und Nala kehrten bald wieder zurück, zu Kopas großer Enttäuschung allerdings ohne Begleitung aus dem Dschungel. Aber schon wenige Tage später sollte etwas viel Wichtigeres seine Aufmerksamkeit ganz für sich beanspruchen und verdrängte die Gedanken an Timon und Pumbaa vollkommen.

An einem Morgen nach einem ungewöhnlich schweren Gewitter für die Kleine Regenzeit bat Simba ihn, mit ihm nach draußen zu gehen.

»Spürst du die frische Luft?«, fragte er seinen Sohn, während die beiden nebeneinander auf der Felsterasse saßen.

»Ja.«

»Atme tief ein, langsam.« Kopa schloss die Augen und tat wie gehießen. »Jetzt genauso wieder aus.« Der kleine Prinz ließ die angehaltene Luft ohne Druck aus seinen Lungen ausströmen.

»Sehr gut. Jetzt noch einmal, etwas tiefer.« Und danach sollte er noch einmal atmen, diesmal so tief er konnte. Kopa tat auch das ohne Widerrede und öffnete anschließend langsam die Augen.

»Wie fühlst du dich?«

»Hm ... irgendwie fühle ich gar nichts.«

»Dieses Garnichts nennt man Freiheit.«

»Ach so.« Und dann konnte er es spüren, Kopa sah von der Felsterasse herab auf das Geweihte Land und versuchte, die innere Ruhe, die er gerade mit Hilfe seines Vater gefunden hatte, zu erhalten.

Simba schien dies jedoch nicht zu bemerken und sprach seinen Sohn gleich wieder an: »Du wirst Bruder, Kopa!«

Die Nachricht schien nur ganz langsam in seinen Kopf vorzudringen. Er brauchte einige Augenblicke, um sie zu verarbeiten, dann sah er seinen Vater an und antwortete mit derselben Ruhe wie gerade eben in der Stimme: »Wow, klasse!«

»Sieh mal an, diese Atemtechnik wirkt ja wirklich wahre Wunder.« Simba staunte nicht schlecht.

»Moment mal ...« Kopa schien gerade ein Licht aufzugehen.

»Tut mir Leid, dass ich das einfach an dir getestet habe, ohne vorher zu fragen, aber die Gelegenheit war einfach zu günstig.« Er legte sich hin und bettete den Kopf zwischen die Vorderpfoten, sodass er mit seinem Sohn auf Augenhöhe war. »Du bist mir nicht böse, oder?«

»Dass du mir das gerade gezeigt hast?« Der kleine Prinz verzichtete auf eine Antwort und schmiegte sich anstatt dessen in die weiche Mähne seines Vaters, während er sich seitlich an seinen Hals kuschelte und die beiden blieben einträchtig liegen. Kopa konnte im Moment niemandem böse sein, dazu war er einfach zu glücklich.

Trotzdem stand die Aussicht, Bruder zu werden, für ihn noch in weiter Ferne.

»Spürst du schon etwas?«, fragte er seine Mutter andauernd, nur um immer wieder dieselbe Antwort zu hören: »Dafür ist es doch noch viel zu früh.«

Als er Nala nach einigen Tagen schon fast im Minutentakt löcherte, sah Simba sich gezwungen, erneut mit ihm zu reden.

»Kopa, deine Geschwister werden nicht früher auf die Welt kommen, wenn du deiner Mutter ständig auf die Nerven gehst. Das Entstehen von neuem Leben ist etwas Wunderbares und Geheimnisvolles, du kannst es nicht beschleunigen, nur staunen.«

»Das verstehe ich nicht.«

»Das verstehen nur sehr wenige wirklich. Ich würde mich zurückhalten, mich selbst dazu zu zählen.«

»Wie lange wird es noch dauern?«

Simba überlegte kurz, den Kopf leicht zur Seite geneigt. Seine Augen wanderten einen Moment ziellos umher, dann fixierten sie wieder seinen Sohn. »Ich schätze, du wirst deine Geschwister am Ende der Großen Regenzeit zu sehen bekommen.«

»Was??« Kopa war nur einen Mond vor Beginn der Kleinen Regenzeit geboren worden und kannte daher noch gar nichts anderes. Bis zu ihrem Ende und dann noch die Große Regenzeit war eine unvorstellbar lange Wartezeit, sie kam in etwa seinem jetzigen Alter gleich.

»Keine Sorge, es wird schneller vorbeigehen, als du denkst«, tröstete Simba seinen Sohn.
 

Mehr als du siehst

Er bemühte sich, dem nachzuhelfen, indem er versuchte, Kopa anderweitig zu beschäftigen, also stand Kampftraining auf dem Programm. Der kleine Prinz war zwar etwas skeptisch, da er sich fragte, mit wem er denn trainieren solle. Schließlich gab es im Rudel niemandem in seinem Alter. Doch Simba hatte ihm versichert, dass das für den Anfang kein Problem sei.

Der große Tag begann wie jeder andere: Kopa war als einer der ersten wach und spazierte nach draußen auf die Felsterasse, um einen Blick auf sein künftiges Königreich zu werfen. Anschließend weckte er seine Eltern und dabei auch das halbe Rudel, indem er ihnen von allem berichtete, was ihm aufgefallen war. Ob es nun eine Herde Nashörner war, die von Norden ins Land gezogen waren, oder das Wasserloch, das seiner Meinung nach schon wieder über die Ufer getreten war, sie mussten es unbedingt erfahren.

»Kopa, das Wasserloch ist noch lange nicht voll«, gähnte Simba und spähte zum Höhlenausgang, um abzuschätzen, wie viel Schlaf ihm sein Sohn diesmal geraubt hatte.

»Es ist mehr als voll! Das Wasser hat alles Gras, was außenherum wächst, überschwemmt.«

»Das ist zurzeit normal.« Simba erkannte, dass es keinen Zweck hatte – Kopa würde ihn nicht wieder einschlafen lassen. Er richtete sich langsam auf, streckte sich ausgiebig und sah dann wieder seinen Sohn an. »Das Gras wächst einfach überall, auch in dem Bereich, wo normalerweise das Wasserloch ist. Woher sollte es auch wissen, wie groß es früher einmal war?«

»Ach so, na gut. Wann geht es denn heute los?«

»Später, zunächst einmal haben wir noch ganz normal Unterricht. Du kannst eh nicht den ganzen Tag trainieren und danach bist du sowieso erschöpft, da macht es so herum mehr Sinn.«

»Okay, soll ich Nuka holen?«

»Nein, er ist heute nicht dabei, wir haben ohnehin nur wenig Zeit.«

Kopa verstand den Zusammenhang dieser beiden Aussagen nicht sofort, widersprach seinem Vater aber auch nicht. Als die beiden wenig später aufbrachen, klärte es sich dann ganz von selbst, denn Simba bog auf der Felsterasse gleich nach rechts ab und ging direkt auf den Weg zu, der nach oben auf die Spitze des Königsfelsens führte.

Dort angekommen wartete er brav darauf, dass sein Vater begann zu erzählen.

»So, du erinnerst dich noch an das erste Mal, als wir hier waren?«

»Ja.«

»Das heißt, du kennst dein eigenes Königreich. Aber ein weiser, alter Mandrill hat einmal gesagt: ›Es gibt mehr als du sieht‹.«

»Du meinst Rafiki?«

Simba lächelte zwar ein wenig, ging ansonsten aber nicht weiter darauf ein, sondern sah seinen Sohn erwartungsvoll an. Der dachte angestrengt nach und kam schließlich zu einem Ergebnis.

»Bedeutet das, dass das Geweihte Land noch größer ist?«

»Nein, aber es gibt noch andere Länder, jenseits unserer Grenzen.«

»Zum Beispiel den Dschungel.« Kopa drehte sich um und schaute nach Westen, wo in der Ferne nur einzelne Sanddünen zu sehen waren.

»Richtig.« Simba setzte sich links neben ihn. »Mach weiter!«

Nach einem kurzen Blick aufwärts sah Kopa wieder an ihm vorbei in die Ferne, nach Südwesten.

»Angeblich kam Zira aus dieser Richtung in das Geweihte Land, also ist es wahrscheinlich, dass dort ein anderes Königreich ist.«

Kopa versuchte, sich weiterzudrehen, doch sein Vater versperrte ihm die Sicht, anscheinend absichtlich. Der kleine Prinz sah wieder zu ihm auf, aber Simba wich nicht zurück. »Die andere Richtung ist interessanter.«

Also drehte sich Kopa nach rechts, während sein Vater erklärte:

»Der Dschungel erstreckt sich auch ein wenig nördlich von uns, er geht dann ganz allmählich in eine offene Savanne über.«

»Ich kann Rafikis Baum sehen«, berichtete Kopa.

»Ja, der alte Affe kommt auch aus dieser Gegend.«

»Rafiki ist nicht von hier?«

»Nein. Und du brauchst nicht zu fragen, mehr weiß ich über seine Vergangenheit auch nicht.«

Sichtlich enttäuscht drehte sich der kleine Prinz weiter und sah auf die Hügelkette im Osten.

»Diese Hügel erstrecken sich über einen guten Tagesmarsch, dahinter liegt wieder offene Savanne, mehr weiß ich allerdings auch nicht. Zira hat dort einige Zeit mit Nuka verbracht.«

Nun richtete Kopa den Blick auf die Landschaft direkt vor der Hügelkette jenseits des Flusses. »Was ist da?«

Simba sah einen langen Moment nachdenklich in die Richtung, in die sein Sohn gedeutet hatte. Er erinnerte sich nur zu genau daran, was sein eigener Vater ihm über dieses Land erzählt hatte – nämlich nur, dass er dort nicht hingehen dürfte. Es hatte nichts bewirkt, sondern ihn nur neugieriger gemacht, außerdem war er der Ansicht, dass Kopa auf ihn hören würde.

»Die Heimat der Hyänen, Löwen sind dort nicht willkommen.« Er sah hinab zu seinem Sohn und wartete, bis dieser durch die Pause zu ihm zurückblickte. »Es ist kein Ort, an dem du gerne sein möchtest, glaub mir.«

»Wie der Termitenbau?«

»Ganz genau, hast du diese kleinen Viecher einmal im Fell, wirst du sie nie wieder los und sie beißen dich andauernd. Die Hyänen sind da gar nicht so anders.«

Simba sah, wie Kopa ein wenig schauderte, und da war er sich sicher, dass sein Sohn keine Ausflüge in diese Richtung unternehmen würde. Den Rest des Vormittags verbrachten sie damit, einzelne Bereiche des Geweihten Landes zu betrachten und zu überlegen, für welche Tiere diese wohl interessant sein könnten. Als ihnen die Sonne dann immer heißer aufs Fell brannte, machten sie sich schließlich auf den Weg hinunter zur Felsterasse.
 

Vom Kämpfen und Gewinnen

Von dort aus führte Simba seinen Sohn weiter den felsigen Abhang hinab, bis sie schließlich an der Baumgruppe ankamen, unter der das Rudel Schutz vor der prallen Mittagshitze suchte.

»Es kann losgehen«, rief Simba in die Runde, doch die Löwinnen hoben nur kurz den Kopf, um ihn anzusehen. Weiter hinten allerdings bewegte sich etwas und kurz darauf erkannte Kopa seinen Onkel Mheetu, der sich seinen Weg über die Felsen hinweg und zwischen Löwinnen und Baumstämmen hindurch zu ihnen bahnte. Selbst als er vor ihnen stand, brachte Kopa kein Wort heraus und sah nur zu ihm auf, das Maul halb geöffnet.

»Einem anderen Löwen die Zähne zu zeigen, ist unhöflich, besonders vor einem Übungskampf«, bemerkte Mheetu, woraufhin die Kinnlade seines Neffen aber nur noch weiter herunterklappte. Nach einem scheinbar ewig währenden peinlichen Moment fand Kopa schließlich seine Stimme wieder.

»Wir werden heute kämpfen?«

»Nicht richtig, immerhin sollst du ja später noch König werden können.«

»Suchen wir uns ein schattiges Plätzchen, dann können wir loslegen.« Simba verabschiedete sich mit einem Kopfnicken von den Löwinnen, dann ging er weiter, hinunter in die Ebene, dicht gefolgt von den beiden ungleichen Jungs.

Nach einer kurzen Wanderung hatte er einen Ort gefunden, der seinen Vorstellungen entsprach. Ein großer Seidenbaum überschattete eine ebene Wiese mit flachem grünem Gras.

Simba lief prüfend hin und her, während er leise vor sich hin murmelte: »Das Gras bietet guten Halt, optimal für schnelle Bewegungen ... Ich sehe auch keine Erdlöcher, in die man stolpern könnte ...«

Mheetu wartete mit seinem Neffen geduldig dort, wo er die beiden stehen gelassen hatte, wobei Kopa immer wieder nervös zu ihm aufsah. Schließlich hatte Simba seine Besichtigung abgeschlossen, sichtlich stolz auf seinen Fund. Er schaute erwartungsvoll zu den beiden hinüber und Mheetu spazierte gemächlich auf ihn zu, Kopa folgte ihm zögerlich.

»Was ist? Darauf hast du doch gewartet«, flüsterte Mheetu ihm aus dem Mundwinkel zu.

»Ja, aber ich hatte es mir anders vorgestellt.«

»Keine Sorge, es wird nur ein wenig weh tun.« Mheetu hob den Kopf, als die beiden vor Simba Stellung nahmen und irgendwie hatte Kopa das Gefühl, dass sein Onkel genau wusste, was gleich passieren würde. Was wohl der Blick bedeutete, den sein Vater ihm zuwarf?

»So, wenn ihr bereit seid ...« Simba ließ eine Pause, die Zeit für Widerrede bot, doch es kam keine. »Dann lasst uns endlich anfangen. Ich möchte, dass ihr mir erst einmal zeigt, was ihr bisher könnt.«

Kopa öffnete das Maul, aber Simba fuhr ihm schnell dazwischen: »Und wenn ihr bisher gar nichts gelernt habt, möchte ich sehen, wie ihr euch bewegt.«

Die beiden nahmen nun Kampfhaltung ein und Simba stellte sich zwischen sie.

»Bitte bedenkt, dass das ein Übungskampf ist. Es geht darum, zu lernen, nicht zu gewinnen. Das gilt ganz besonders für dich, Mheetu.«

Er schaute die beiden Kontrahenten noch einmal einzeln an, dann trat er zurück, womit der Kampf eröffnet war.

Sofort senkte Mheetu den Kopf auf Schulterhöhe und schlich langsam seitwärts, Kopa tat es ihm schnell gleich. Eigentlich wartete er nur auf das Unvermeidliche, nämlich dass sein Onkel zum Angriff ansetzte und er kurz darauf am Boden lag, doch es geschah nicht.

Er sah ihm in die Augen und merkte auf einmal, dass Mheetu jeden seiner Schritte genau beobachtete. Da fiel ihm wieder ein, was sein Vater gerade eben gesagt hatte – es war ein Übungskampf.

Also wechselte Kopa einfach mal die Richtung, in die er seitwärts schlich. Mheetu wirkte überrascht, er kam geduckt zum Stillstand und tat es ihm anschließend gleich. Gleich darauf ergriff er die Initiative und machte zwischen den Trippelschritten einen größeren Satz zur Seite.

Auf einmal zur Reaktion gezwungen, hatte der kleine Prinz bereits sichtliche Probleme, mit seinem Onkel mitzuhalten, aber Mheetu nutzte die Gelegenheiten, die er zum Angriff sah, nicht, sondern schlich nur weiter um ihn herum. Kopa beschloss, beim nächsten von Mheetus Hopsern selbst wieder aktiv zu werden.

Kaum eine halbe Drehung später war es soweit. Er bemerkte, wie sein Gegner sich erneut leicht duckte und die Muskeln anspannte und sprang nur einen winzigen Augenblick nach seinem Onkel ab, direkt auf die Stelle zu, an der wieder am Boden aufkommen würde.

Doch Mheetu war schneller. Er federte die Landung elegant mit allen Vieren ab und noch während Kopa machtlos in der Luft hing, hatte er sich wieder abgestoßen. Seine Bewegung war minimal, nur ein kleines Stück in die Richtung, aus der er gekommen war. Aber es reichte aus, damit sein Neffe ins Leere stürzte und bevor der Kleine sich orientieren konnte, hatte er sein Maul um dessen Nacken geschlossen.

»Sehr gut!«, rief Simba und Mheetu ließ wieder von ihm ab.

»Du bist tot«, flüsterte sein Onkel ihm ins Ohr. Es war keinesfalls provokativ, viel eher ein trockener Scherz und als Kopa zu ihm aufblickte, sah er ihn auch ein wenig lächeln.

»Ich bin so stolz auf euch beide.« Simba bekräftigte seine Aussage mit einem leichten Zucken des Kopfes, das wohl ein angedeutetes Nicken sein sollte.

»Aber ich habe doch verloren.« Kopa war völlig verwirrt.

»Hast du mir eben nicht zugehört? Bei einem Übungskampf gibt es keinen Verlierer. Es geht darum, Erfahrung zu sammeln, und wenn man das bedenkt, hast du eben am meisten gewonnen. Außerdem habe ich dich gerade auf etwas achten sehen, was vielen in deinem Alter völlig entgeht.«

Mit allem hatte der kleine Prinz gerechnet, aber nicht mit Lob. Unsicher, was er tun sollte, trat er auf der Stelle herum und sah abwechselnd nach links und rechts.

»Aber Mheetu hat Recht. Wäre das ein richtiger Kampf gewesen, dann wärst du jetzt tot. Also, was hast du falsch gemacht?«

»Keine Ahnung. Ich dachte, ihr würdet mir das erklären.«

»Du hast die erste Grundregel nicht beachtet«, schaltete sich Mheetu wieder in das Gespräch ein. »Wer den Körper eines anderen unter Kontrolle bringen will, muss zuerst seinen eigenen Körper unter Kontrolle haben, ansonsten verliert er schnell beides.«

»Eigentlich sieht bei jedem der erste Kampf mehr oder weniger so ähnlich aus wie bei dir eben«, erklärte Simba. »Allerdings kommt es dabei nicht selten vor, dass die Frischlinge vor Übermut auf der Schnauze landen. Du hast dich also wirklich geschickt angestellt.«

Allmählich fing Kopa an zu verstehen, warum die beiden so erfreut über das gerade Geschehene waren und hielt den Kopf wieder hoch erhoben.

»Jetzt aber zurück zur Grundregel.«

Simba drehte sich um und ging auf den Baumstamm zu, während er den Jungs mit einer kurzen Kopfbewegung bedeutete, ihm zu folgen. Er lehnte sich dagegen und ließ sich dann langsam zu Boden gleiten. Dann beobachtete er, wie die beiden sich vor ihm niederlegten.

»Wie Mheetu schon richtig erkannt hat, du musst zuerst einmal lernen, deinen eigenen Körper unter Kontrolle zu haben. Deshalb werden wir in Zukunft auch alleine trainieren können.«

»Aber warum dann der Übungskampf.« Für Kopa schien die Aufklärung mehr Fragen aufzuwerfen, als sie beantwortete.

»Weil du es so am besten behältst«, antwortete Mheetu. »Ein solches Erlebnis brennt sich für immer in deinem Kopf ein, also nutzen wir das, um dir die wichtigste Regel beizubringen, die es gibt.«

»Du hast dich übrigens echt gut bewegt«, fügte er noch hinzu, »ich hatte schon befürchtet, dein Vater hätte dir schon etwas beigebracht.«

»Was mich am meisten gefreut hat, war, zu sehen, dass sich keiner von euch verletzt hat.« Simba sah die beiden abwechselnd an und dabei war ihm ganz klar anzusehen, wie stolz er war. »So haben wir heute alle nur Gewinn gemacht.«

Anschließend zeigte er seinem Sohn an Mheetu einige einfache Angriffe und mögliche Konter. Kopa tat sich schwer daran, die Lachanfälle zu unterdrücken, die ihn währenddessen immer wieder heimsuchten, denn ihm war klar: Je mehr er sich jetzt über seinen Onkel lustig machte, desto schwerer würde er es später haben, wenn er die Techniken selbst ausprobieren sollte.

Doch dazu kam es nicht. Simba war voll und ganz in seine Ausführungen vertieft, sodass er nicht merkte, wie der Tag dahin schlich und aus dem Mittag allmählich Abend wurde. Als er schließlich aufsah, hatte der Himmel am westlichen Horizont bereits einen leichten Gelbstich und es war auch schon merklich kühler geworden.

Die drei machten sich zügig auf den Weg und auf halber Strecke zum Königsfelsen konnten sie hören, wie die Löwinnen einen weiteren Jagdabend ankündigten.


Nachwort zu diesem Kapitel:
U]Übersetzungen
Aiheu: Angebeteter Gott Komplett anzeigen

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