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Drachenbrut

Kampf gegen die Monster *Abgeschlossen*
von

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Monsterjagd?!

Tja, hier kommt also eine neue eigene Serie von mir. Ich sage gleich: ich werde erst weiterschreiben wenn ich mindestens 1 Kommentar habe. Bitte!

Übrigens sind die Story und Charaktere allein auf meinen Mist gewachsen.

Tja dann, viel Spaß beim Lesen!
 

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Wir leben in einer Welt...

in der Magie an der Tagesordnung steht...

In einer Zeit...

in der glorreiche Helden mit dem Schwert für Gerechtigkeit kämpfen...

Meist auch mit Erfolg...

Doch es wird die Zeit kommen...

In der riesige Feuerwesen das Land überfluten...

Und die ganze Welt in loderne Flammen stürzen wird...

Keiner wird diesem Schicksal entgehen können...
 

Kapitel I - Monsterjagd?!
 

"...die Kälte schnürte ihm fast den Atem ab. Sein Blick blieb unweigerlich an der völlig ebenen, kristallinen Decke hängen, die der Höhle eine unheimliche Atmosphäre verlieh. Es war als ob er sich in einer anderen Welt befand, einer Welt in der Zeit und Raum keinerleih Rolle spielte.

Und dann passierte es. Ein dunkler Schatten huschte in so einer Geschwindigkeit an ihm vorbei, dass er gar nicht wirklich wahrnahm wie das Wesen aussah. Also drehte er sich vorsichtig um, immer Bedacht jederzeit aufzuspringen und sein Schwert zu ziehen. Doch der Anblick, der sich ihm bot, war so entsetzlich dass er alles um sich herum vergaß..."
 

Kagem horchte auf, als er ein lautstarkes Klopfen an der Tür vernahm. Murrend warf er das Buch "Monster im Eis" zur Seite, stand von seiner weichen Strohmatte auf und lief mit ungehaltenem Missbehagen an die Tür. "Was?" murrte er dem Störenfried entgegen, gleich als er die Tür öffnete.

Der Gast entpuppte sich als Junge um die 16, welcher ungehalten ins Haus hüpfte, Kagem zwei drei Mal umtänzelte und schließlich vor ihm stehen blieb. Er war klein gewachsen, hatte kurze schwarze Haare, welche schwitzig an seinem Kopf klebten, und braune Augen, die vor unterdrückter Begeisterung glitzerten. Kagem schüttelte genervt den Kopf und ließ ein frustriertes Seufzen hören.

Der schwarzhaarige Junge war kein anderer als Asyan, ein Freund mit dem sich Kagem immer rumtrieb. Viele aus dem Dorf nennen die beiden nur "die Gegensatzkumpanen", weil Asyan die Lebhaftigkeit in Person ist und Kagem eher der stille Typ. Und obwohl es oft so scheint, als könnten sich die beiden nicht ausstehen, so gibt es doch eine Verbindung zwischen ihnen, die man als gute Freundschaft bezeichnen kann.

"Kagem?!" Schrie ihm Asyan ins Gesicht, denn dieser war völlig in Gedanken versunken, eine Eigenschaft die viele Leute als äußerst nervig empfanden. "Was gibt's Asyan?" Der Schwarzhaarige grinste ihn begeistert an und in seinen Augen erschien erneut ein Leuchten, bevor er triumphierend ausrief: "Wir haben endlich wieder einen Auftrag!!!" Kagem ließ nur ein uninteressiertes >Aha< vernehmen, doch Asyan achtete gar nicht darauf. Er riss die Arme zu einer schöpferischen Pose empor. "Endlich können wir den Leuten in diesem Kaff beweisen, dass wir die mutigsten, tapfersten, schlauesten, begabtesten, tollsten, stärksten..." Kagem schaltete völlig auf Durchzug. "...und besten Monsterjäger der ganzen Welt sind!!!"

Nachdem er die letzten Worte jubelnd an die Zimmerdecke gebrüllt hatte, beugte er sich ein Stück vor und grinste Kagem abwartend ins Gesicht. Doch dieser zuckte nur mit den Schultern. "Wann geht's los?", fragte er, um Asyan wenigstens ein bisschen entgegen zu kommen. "Jetzt!" "Jetzt?" "Natürlich, glaubst ich trage das Ding hier zum Spaß herum?" Er deutete auf ein langes Schwert, das an seinem Gürtel befestigt war. Kagem hatte es vorher gar nicht wahrgenommen.

"Nun gut..." Kagem runzelte kurz die Stirn, bevor er zu einem massiven Holzschrank ging und die breiten verzierten Flügeltüren öffnete. Im Schrank befanden sich ordentlich gestapelte Waffen, größtenteils Schwerter. Und doch waren die meisten schartig, verrostet oder fürchterlich alt.

"Mit was für Monstern dürfen wir uns diesmal rumschlagen?" Asyan winkte abdankend. "Nur ein paar Feuersalamander. Sind ganz schön viele geworden in letzter Zeit. Wir bekommen 10 Goldmünzen für jeden den wir erschlagen." Kagem überlegte kurz und zog schließlich eine etwas edlere Klinge hervor. Sie hatte eine lange Klinge, die wie silbernes Kristall glitzerte und einen vergoldeten Griff. Im Knauf prankte ein großer, ovaler Edelstein, indem etwas wabberte, das wie graue Wolkenschwaden aussah. Es wirkte als ob darin etwas leben würde.

Als Asyan sah, welche Waffe sein Kamerad da hervorholte, machte er große Augen. "Du benutzt ,Ilashar'? Du hast gesagt, du würdest sie nie benutzen, warum jetzt?" Kagem hatte ihm den Rücken zugekehrt, nahm auch die passende Schwerthülle aus dem Schrank und schnallte sich das Schwert auf den Rücken. "Ich weiß auch nicht... Ist nur so ein Gefühl, aber ich glaube ich es ist richtig es mitzunehmen."

Als beide nun endlich bereit waren, gingen sie aus Kagems Haus und blickten auf das kleine Dorf mit den hölzernen Bauten, das sich vor ihnen erstreckte. Doch Asyan schlug die entgegen gesetzte Richtung ein. Zu zweit gingen die jungen Monsterjäger durch eine weite Grasebene, vorbei an einem kleinen Wäldchen. Kagem lief einfach seinem schwarzhaarigen Kamerad hinterher, der jetzt auf eine breite Gebirgskette zusteuerte und auf eine Höhle deutete, die tief und dunkel in den Berg führte. "Hier ist es." Das hätte Asyan gar nicht sagen brauchen, denn die unerträgliche Hitzewelle, die den beiden sofort entgegenschlug, erzählte bereits von der Präsenz der Feuersalamander.

Zusammen schritten sie durch den Höhleneingang. Kagem spürte sofort, wie die Wärme auf seiner Haut prickelte. Weiter hinten in dem zerklüfteten Gang konnte man ein schwaches rotes Glimmen wahrnehmen, dass die Höhle in unnatürliches Licht tauchte. Es wirkte irgendwie bedrückend. Selbst Asyan war ungewöhnlich still.

Sie gingen etwa eine Viertelstunde durch die flimmrige Dunkelheit, bevor Kagem langsam stutzig wurde. "Wo sind die verdammten Feuersalamander?" Auch Asyan sah sich verwirrt um. "Wir hätten längst welche treffen müssen." Nachdem er sich noch einmal gründlich umgesehen hatte, fügte er noch hinzu: "Warum ist es dann so heiß, wenn es keine Feuersalamander sind?" "Wahrscheinlich wurdest du mal wieder auf Kreuz ge-" Kagem verstummte mitten im Satz als in der Ferne etwas aufblitzte. Auch Asyan blickte gebannt auf die riesigen roten Punkte, die in den unheimlichen Tiefen der Höhle entstanden waren. Die Höhle bebte durch das Geräusch riesiger, sich bewegender Pranken.

Erst als es schon viel zu spät war, erkannten die beiden Monsterjäger was die roten Punkt in Wirklichkeit waren: riesige Augen! Ein Geschöpf von überirdischen Ausmaßen kam ihnen entgegen!

Kagem zog blitzartig sein Schwert während Asyan zitternd und bewegungsunfähig dastand. Es vergingen 2 Minuten lähmender Ungewissheit bevor sie das Monster, das ihnen entgegentrat, genau erkennen konnten.

Ein Drache!

Glänzende rote Schuppen, härter als jede Eisenrüstung, bedeckten den ganzen Körper des Ungetüms und seine roten Augen spiegelten ungebändigte Mordlust und Hass wieder. Mit einem markerschütternden Brüllen riss der Drache sein Scheunentor großes Maul auf, so dass sie deutlich die mannsgroßen Zähne darin erkennen konnten.

Als sich Kagem und Asyan von ihrem ersten Schrecken erholt hatten, stürmten sie verzweifelt mit erhobenen Schwertern auf das Monster zu und ließen ihre Klingen Funken sprühend herabsausen. Ein greller Lichtblitz flammte auf und beide wurden wie durch Zauberhand rücklinks davongeschleudert. Asyan schrie auf, sein Schwert war zerbrochen und angekokelt. Kagem zog ihn hektisch auf die Beine. "Weg hier!!!" Doch die Angst saß Asyan noch tief in den Gliedern. "Wie ist das möglich? Drachen sind nur ein Mythos aus alten Provezeihungen!!!"

"Das ist doch jetzt völlig egal!!!" Kagem packte seinen Freund grob am Handgelenk und rannte so schnell es ihm seine Beine erlaubten in Richtung Ausgang davon. Doch der Drache erkannte die geplante Flucht sofort. Ohne sich scheinbar wirklich anzustrengen, setzte ihnen das Ungetüm mit riesigen Sätzen nach und riss dabei mehrmals wütend sein gigantisches Maul auf, um ein Brüllen loszulassen, das die Höhlenwände beben ließ.

Endlich hatte sich auch Asyan aus seiner Starre gelöst, also ließ Kagem sein Handgelenk los und die beiden sprinteten mit weit ausschreitenden Schritten davon. Schon nach kurzer Zeit erkannten sie das helle Sonnenlicht am Ende des Tunnels aufblitzen.

Doch als sich Kagem im Rennen umdrehte, musste er erkennen, dass ihr Vorsprung gegenüber dem Drachen geradezu dahin schmolz. "Lauf schneller!!!", spornte ihn Asyan an.

Aber Kagem blieb mitten in seiner Bewegung stehen, denn auch der Drache hatte innegehalten. Für einen Moment starrten sich Mensch und Ungetüm direkt in die Augen, bevor der Drache abermals hasserfüllt aufbrüllte und seinen riesigen Schweif gegen die Höhlenwand krachen ließ. Sein Maul öffnete sich soweit, dass man glauben musste er würde sich seinen Kiefer ausrenken. Ein feuriges Glühen entstand in den Tiefen seines Rachens. Und als Kagem überrascht seine Augen aufriss, weil er verstanden hatte worauf diese Aktion hinauslaufen würde, da war es bereits viel zu spät.

Es war, als hätte jemand die Hölle entfacht. In Sekundenbruchteilen ließ der Drache eine gigantische Feuerwalze aus seinem Maul hervor schießen. Kagem schrie auf und warf sich mit einem beherzten Sprung zur Seite, wobei er Asyan mitziehen wollte. Doch dieser schlug seinen Arm beiseite, duckte sich unter dem Feuerstrahl hindurch und sprang mit einem Ohren zerfetzenden Schrei auf den Drachen zu.

"Nein!!! Asyan komm zurück!!!" Der Schwarzhaarige hörte ihn scheinbar gar nicht. Er war in einen Kampfrausch verfallen, wie ihn Kagem noch nie gesehen hatte. Asyan schlug wie von Sinnen mit seinem längst zerstörten Schwert zu, ohne dem Drachen irgendwelche Schäden zuzufügen.

"Asyan!!! Hör auf!!!" In den Augen des Drachen blitzte es tödlich auf, dann schlug er mit einem Klauen besetzten Arm zu. Kagem schrie voller Entsetzen, als Asyan mit überirdischer Wucht davon geschleudert wurde, mehrere Meter über den Höhlenboden bis zum Ausgang rutschte und schließlich blutend und völlig reglos liegen blieb.

"NEIN!!! ASYAN!!!"

schwere Verluste...

So gegen meine Ankündigung zu warten bis ich nen Kommi bekomme, schicke ich doch erstmal den zweiten Teil ins Rennen. Der erste Teil hat zum Hochladen ZWEI TAGE gebraucht, da war ich nen bisschen genervt, hoffe bei dem hier gehts schneller.
 

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Kapitel II - schwere Verluste...
 

"NEIN!!! ASYAN!!!"

Mit einigen schnellen Schritten rannte Kagem zu seinem Freund und ließ sich neben ihm auf die Knie fallen. Asyan lag einfach da, eine blutende Wunde quer über der Brust, doch die Augen noch leicht geöffnet. Mit einer zitternden Hand packte er Kagem's Arm.

"Lauf, du Idiot..." Doch Kagem schüttelte bestimmt den Kopf. "Ich lasse dich nicht einfach hier liegen!" Diesmal schüttelte Asyan den Kopf, zumindest so weit es ihm seine offensichtlichen Schmerzen erlaubten.

"Ich komme wahrscheinlich nicht durch. Aber du musst fliehen." Seine Augen füllten sich mit Tränen, die sich schon bald ihren Weg über seine Wangen bahnten. "Und sag meiner Mutter, dass ich sie immer geliebt habe und es mir Leid tut, für all den Mist den ich schon gebaut habe." Asyan unterdrückte einen schweren Schluchzer, wobei aber ein kleines Rinnsal Blut aus seinem Mund lief. Wieder schüttelte Kagem energisch den Kopf. "Hör auf so einen Scheiß zu reden!" Er wollte Asyan am Arm packen, doch dieser schlug seine Hand zur Seite.

"Es hat keinen Sinn... Geh jetzt! Verspr...eche....es.......mir......"

Dann schlossen sich seine Augen, sein Kopf kippte zur Seite und sein Leben erlosch...

"Nein!!!" Kagem starrte auf die Leiche seines Freundes. "Ich verspreche dir, Asyan, ich werde hier nicht sterben und doch kann ich nicht einfach davon laufen."

Er verfiel in bedenkliches Schweigen, so dass man den rasselnden Atem des Drachen hinter ihm hören konnte. Er hatte dem Schauspiel schweigend zugeschaut, scheinbar ergötzten ihn die verzweifelten Gefühle der beiden Menschen sogar.

"Es bleibt mir nur eins zu tun... und zwar dich zu rächen!" Mit einer blitzschnellen Bewegung wirbelte Kagem herum und umfasste das magische Schwert ,Ilashar' fest mit beiden Händen, wobei sich das wabernde Grau in dem ovalen Edelstein des Griffes zu einem tiefen, dunklen Schwarz färbte.

"Du Monster!" Mit einem lauten Schrei und unverhohlenem Zorn stürmte Kagem auf den stehen gebliebenden Drachen zu. "Ich schicke dich dorthin, wo du hingehörst: ZUR HÖLLE!!!" Mit einem berstenden Geräusch schlug die Klinge auf den harten Schuppenpanzer des Drachen herab und schaffte es tatsächlich eine einzelne der Schuppen heraus zu brechen. Das Monster tobte und brüllte durch die überraschende Verletzung, die ihm zugefügt wurde. Sie war für ihn wahrscheinlich nur ein kleiner Kratzer, dennoch raste der Drache vor Wut. Seine Augen glühten in rotem Feuer und blitzten tödlich auf, genau wie vor dem tödlichen Hieb, den er Asyan versetzt hatte. Kreischend ließ das Ungetüm eine gigantische Pranke auf Kagem nieder sausen, um ihm das gleiche Schicksal wie das seines Freundes zuzuteilen.

Doch der Monsterjäger war vorbereitet. Mit einem Hechtsprung rettete er sich vor dem gefährlichen Angriff, sprang sofort wieder auf die Füße und hielt seine Waffe ,Ilashar' gut sichtbar vor sich.

"Siehst du das?", keuchte Kagem, "Das ist ,Ilashar' eine Klinge aus den legendären Schmieden im Hohen Norden! Es gibt nichts, was diese Waffe nicht zerschneiden könnte, auch vor dir wird sie keinen Halten machen!"

Für einige Sekunden brach Stille herein und Kagem war sicher etwas in den Augen des Drachen zu erkennen. Unentschlossenheit. Vielleicht sogar Respekt. Doch schnell besann sich die Riesenechse wieder, riss sein gewaltiges Maul auf und stürzte sich auf Kagem. Dieser, verblüfft von der Reaktion des Monsters, sprang zur Seite, doch sofort schleuderte ihm der Drache seinen langen Schweif entgegen.

Kagem röchelte auf, als der Schwanz wie ein Hammerschlag in seiner Magengrube einschlug, und ihn an einen nahe liegenden Baum schleuderte. Nach Luft schnappend blieb er dort liegen.

Schon in der nächsten Sekunde, stieß sich der Drache mit den Hinterbeinen vom Boden ab, spannte seine gewaltigen, ledrigen Schwingen und flog davon. Kagem rappelte sich überrascht auf, wobei er sein Schwert nie aus der Hand nahm. Angespannt starrte er zu dem Ungeheuer am Himmel, das immer kleiner wurde und schließlich nur noch als Punkt zu erkennen war.

"Was soll das?", schrie ihm Kagem hinterher. "Wir sind hier noch nicht fertig! Unser Kampf ist nicht beendet!" Er deutete auf seinen toten Freund, obwohl ihm klar war, dass der Drache längst außer Hör- bzw. Sichtweite war. "Du hast Asyan getötet! Warum hörst du dann jetzt auf zu kämpfen? Ich will Rache! Also komm zurück!" Kagem fiel auf die Knie. "KOMM ZURÜCK!!!"
 

Es verging eine Zeit lang, ohne dass sich Kagem rührte. Er kniete einfach im Gras. 1 Stunde, 2 Stunden in denen er sich nicht bewegte, zuviel ging ihm im Kopf herum. Vor etwa einer Stunde hatte er noch gemütlich in seinem Buch gelesen und jetzt war Asyan tot...

Mit einem betäubenden Schmerz, der sich über sein Herz gelegt hatte, richtete sich Kagem auf und schleppte sich zu seinem toten Freund. Nachdem er ihn erwürdig begraben hatte, zwang er sich auf die Beine, steckte sein Blut beschmiertes Schwert zurück in die Hülle auf seinem Rücken und quälte sich zurück ins Dorf. Doch dort erwartete ihn ein noch viel größerer Schrecken. Denn das Einzige, das noch von dem Dorf übrig war, war nichts weiter als Schutt und Asche...

"NEIN!!!" Wieder fiel Kagem auf die Knie, vor ihm erstreckte sich ein riesiges Feld aus Feuer und Tod. "Du grausames Monster!", schrie er zum Himmel. Tränen verschleierten ihm die Sicht und er krallte eine Hand verzweifelt in den staubigen Boden, um den Sand dann sofort wieder im Hass wegzuschmeißen. "Verflucht sollst du sein! Mögest du zur Hölle fahren und dort für immer verrotten! Ich verfluche dich!!!"

Kagem spürte, wie sich der trauernde Schmerz immer tiefer in seine Seele brannte, ohne dass er etwas dagegen tun konnte. Er sah sich um. Das ganze Dorf war zerstört. Alles war verbrannt. Eine einzelne Ruine eines zerstörten Hauses brannte sogar noch lichterloh. Dann war ein schwacher, erstickter Ruf daraus zu hören. Kagem sprang sofort auf, scheinbar war doch noch jemand am Leben!

Entschlossen trat er die Tür des Hauses ein, stürmte rein und sah sich in der brennenden Hütte um. Dort auf dem Boden, lag ein bewusstloses, zusammengekauertes Mädchen um die 16 Jahre. Kagem kannte sie, das Mädchen hieß Risae, sie lebte vorher alleine in diesem Haus und hielt sich mit einem Aushilfsjob in der Schenke des Dorfes über Wasser. Asyan hatte ihm einmal erzählt, dass sie von den Jungs, Asyan eingeschlossen, geradezu angehimmelt wurde.

Kagem schüttelte die alten Erinnerungen schnell ab und stürmte mit Risae auf den Armen aus dem brennenden Haus. Einige Meter entfernt legte er sie vorsichtig auf den Boden. Er selbst setzte sich daneben und betrachtete ihr rußbedecktes Gesicht, das von langen, rotbraunen Haaren umrahmt wurde. Sie schien zuviel Qualm eingeatmet zu haben, doch es war nichts Ernstes. Also wartete Kagem darauf, dass sie aufwachen würde.

Erst nach über 4 Stunden öffnete Risae die Augen. Kurz blinzelte sie, dann sprang sie schockiert auf und drehte sich um ihre eigene Achse, um einen Blick auf das ,Schlachtfeld' werfen zu können. Schon nach kurzer Zeit warf sie sich wieder zurück auf den Boden und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Kagem beobachtete sie stumm, sie schien gerade den gleichen Schmerz, wie er ihn hatte, durchleben zu müssen.

"Ich konnte niemanden außer dir retten..." Risae wirbelte herum, so als hätte sie Kagem vorher gar nicht richtig wahrgenommen. "Hier!" Er warf ihr seine Wasserflasche zu, die er immer für Notfälle dabei hatte. "Trink etwas." Kurz beäugte die Rothaarige das Gefäß in ihren Händen, bevor sie begann das Wasser darin gierig zu trinken. Sie setzte ein gequältes Lächeln auf und dankte ihm.

Dann drehte sie sich wieder von ihm weg und starrte mit leerem Blick auf die Trümmer, die einst ihr Heimatdorf waren. "Sind... sie wirklich alle... tot?" "Ja." Man hörte von ihr einen unterdrückten Schluchzer, sie schien zu weinen. "Du... du bist Kagem, oder?" Sie erwartete wohl keine Antwort auf die Frage, denn sie sprach gleich weiter. "Dein Freund Asyan... ist er auch?" Die neuerliche Stille schien ihr zu genügen. "Ich verstehe..." Sie ging ein paar Schritte auf eines der Häuser zu und seufzte.

"Der Drache hat also alles zerstört und jeden außer uns getötet..." "Ja.", kam es einsilbig von Kagem. Wieder unterdrückte Risae einen Schluchzer. "Wo... sind sie alle? Die Verstorbenen meine ich, die Straßen sind so leer..." Sie drehte sich auf dem Absatz um und betrachtete Kagem fragend mit ihren blauen Augen. Dieser hob seine Hände, die völlig dreckig, zerschunden und blutig waren. "Ich habe sie vergraben als du schliefst..."

Für einen Moment trat Überraschung in das Gesicht des Mädchens. Auch wenn das Dorf fürchterlich klein war, höchstens 65 Bewohner, so musste das Ganze doch eine unglaublich anstrengende Aktion gewesen sein. "Sie hatten es nicht verdient, hier so zu liegen. Jeder hat das Recht auf ein würdiges Grab...", fügte er noch dazu. Zum dritten Mal in diesem Gespräch setzte eine bedrückende Stille ein, nur diesmal hielt sie länger. Zwanzig Minuten lang starrten die beiden Überlebenden auf die Trümmer ihres alten Heimes, bevor Kagem beschloss, erst einmal zu rasten um neue Kräfte zu sammeln. Risae war so erschöpft, dass sie keinerlei Einsprüche hatte und sich auf dem Boden zusammenkauerte. Kagem warf ihr seinen weiten, weißen Mantel zu.

Bevor das Mädchen jedoch in den Schlaf driften konnte, fing Kagem doch noch einmal ein Gespräch an.

"Risae?" Ein schwaches <Hmm...> war die Antwort. "Ich weiß es ist schwer, aber ich muss genau wissen was passiert ist." Risae schaute einen Moment lang entsetzt drein, doch nickte schließlich verstehend. "I-ich weiß nicht sehr viel, es ging so schnell. Ein riesiges, geflügeltes Monster kam vom Himmel geschossen und ließ eine gigantische Feuersalve los, die das ganze Dorf in Brand steckte. Im Haus muss ich dann bewusstlos geworden sein..." Kagem nickte zustimmend, sein blondes, kurzes Haar wehte leicht im Wind. Es war nicht wirklich etwas Neues, das Risae ihm da erzählt hatte, doch etwas nagte noch in seinem Kopf.

"Weißt du wohin der Drache verschwunden ist?" Das Mädchen runzelte angestrengt die Stirn, bevor sie zögernd in eine Richtung deutete. "Da lang." "Okay. Das reicht." Er lehnte sich an einen nahe stehenden Baum und legte sein Schwert ,Ilashar' griffbereit neben sich. "Schlaf jetzt ein wenig." "Ja..."

Risae legte sich auf den Boden, ihren Arm als Kissen missbrauchend und Kagem's Mantel über sich gelegt. Sie schlief schnell ein, denn die Erschöpfung lag schwer auf ihrem Körper und ihrer Seele. Doch der andere Überlebende saß noch lange da, um in den Sternenhimmel zu blicken.

Warum war auf einmal ein Drache aufgetaucht?

Warum hatte er sich von seiner Höhle entfernt?

Er fand einfach keinen Sinn in diesem Verhalten, doch eins stand fest:

Irgendwas Merkwürdiges ging hier vor...

Begegnung im Grünblattwald

Tadaa, hier ist Teil drei meines 'Phantasyeposes'. Es würde mich wirklich freuen, wenn ich ein paar Kommis bekomme, ganz gleich ob es Kritik oder Lob ist, aber so habe ich das Gefühl als ob niemand diese Geschichte liest... -.-
 

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Kapitel III - Begegnung im Grünblattwald
 

Am nächsten Morgen machten sich Kagem und Risae früh auf, um in die nahe liegende Stadt Ciina, dem Sitz des Weisenrates, zu reisen. Das Land musste so schnell wie möglich von der Existenz dieses Drachens erfahren!

"Und du meinst sie werden uns so einfach glauben?" Risae schüttelte ungläubig den Kopf. Sie setzte eine gekünstelte Stimme auf. "Ooh hallo, ein Monster, das eigentlich gar nicht existieren dürfte, hat unser Dorf dem Erdboden gleichgemacht!" Sie wurde wieder ernst. "Die werden uns erst gar nicht zum Weisenrat lassen, geschweige denn glauben."

Doch Kagem ging nicht auf sie ein, sondern zog wortlos eine große, rote Schuppe hervor. Es war die, die er dem Drachen ausgeschlagen hatte. Risae machte große Augen und sagte nichts mehr. Stattdessen packte sie noch einige Sachen, die Kagem aus seinem Haus retten konnte, ein. Die Wohnung des jungen Kämpfers stand etwas abseits vom Dorf und war deswegen weitesgehend von dem Feuer verschont geblieben.

Als Risae ihren Rucksack schulterte, warf Kagem ihr noch ein kleines Schwert zu. Sie fing es umständlich auf und starrte etwas verängstigt auf die Waffe in ihren Händen. "Kannst du damit umgehen?" Das Mädchen schüttelte entsetzt den Kopf. "Nun, dann musst du es lernen. Wir werden eine Weile unterwegs sein und man weiß nie, was einen hinter der nächsten Biegung erwartet." Risae schluckte schwer, bevor sie das Schwert etwas zaghaft an ihrem Gürtel befestigte.

Dann machten sie sich auf. Sie gingen im zügigen Tempo durch die weite Graslandschaft, die sich vor ihnen erstreckte. Mehrere Tage lang liefen sie durch die unveränderte Landschaft, so dass es schien sie würden sich gar nicht wirklich fortbewegen. Am späten Nachmittag rasteten sie, dann begann Risae's tägliches Training mit dem Schwert, bis die Nacht heranbrach und sie schliefen. In der ersten Woche musste sich das Mädchen Mühe geben, um sich nicht selbst zu erstechen, doch Kagem blieb geduldig und brachte ihr die Standarthaltungen und -griffe bei. Mit jedem Tag der verging wurde Risae sicherer, selbst Kagem war überrascht über ihr Talent.

Als die beiden am siebten Tag wieder rasteten, zog Kagem seine Klinge aus der Hülle auf dem Rücken und blickte seine Gefährtin herausfordernd und dennoch sachlich an. "Die Grundtechniken beherrscht du inzwischen, also wirst du nur stärker, wenn du einige richtige Kampferfahrungen machst." Er schaute sie noch einmal abschätzend an, bevor er sie mit der freien Hand heranwinkte. "Greif an!"

Risae sah ihn an, als wäre er verrückt geworden. "M-mit dem echten Schwert? Bist du blöd? Ich könnte dich aus Versehen verletzen!" Kagem schaute sie noch einmal auffordernd an. "Jetzt greif schon an!" Immer noch zögernd, schlug Risae leicht mit ihrer Waffe zu. Ein großer Fehler! In Bruchteilen einer Sekunde hatte Kagem den Schlag pariert und seine Gefährtin mit einem Faustschlag in die Magengrube zu Boden befördert. Diese sah mit verschleiertem Blick zu ihm auf. "Bist du blöd? Sei doch etwas nachsichtiger!" Der Blondhaarige zog sie mit einem kräftigen Ruck wieder auf die Beine. "Im Kampf gibt es keine Nachsicht! Jeder Fehler wird sofort bestraft!"

In Risae brodelte die Wut. Was bildete sich dieser Idiot ein? Sie griff nach ihrem Schwert, sprang auf die Beine und schlug mit aller Kraft zu. Ein leichtes Lächeln rutschte über die Lippen ihres ,Trainers' als dieser den Hieb ebenso leicht wie den ersten abblockte. "Schon besser..."

Risae knirschte mit den Zähnen und ließ einen regelrechten Hagel aus Schlägen auf Kagem niederprasseln, doch dieser zeigte keinerlei Blöße, sondern wich den Angriffen ohne Anstrengung aus. Nach etwa zwei Stunden gab Risae völlig erledigt auf und warf sich keuchend in das kühle Gras, während Kagem sie locker beobachtete. Er schwitzte nicht ein bisschen.

"Man...das...gibt's...doch...nicht.", stöhnte sie gedemütigt. "Wieso bist du so gut?" "Alles Übung..." Das Mädchen schaute ihn verblüfft an und deutete auf sich. "Kann ich auch so stark werden?" Kagem schenkte ihr ein mildes Lächeln und nickte. "Wenn du es wirklich willst und ernst meinst, klar." "Wow!" Risae legte sich auf den Rücken, streckte ihre Glieder und war schon nach wenigen Augenblicken vor Erschöpfung eingeschlafen. Kagem brachte sich wieder in eine Sitzlage, indem er sich an seinen Rucksack lehnte und ,Ilashar' neben sich legte...
 

Am nächsten Morgen hatten sich die beiden wieder früh aufgemacht und zum ersten Mal war eine Veränderung der Landschaft zu erkennen. Immer mehr vereinzelte Büsche und Bäume traten auf, je weiter sie nach Westen liefen und am Horizont konnte man bereits die dichten Baumkronen eines Waldes ausmachen.

"Wenn wir uns beeilen erreichen wir den Grünblattwald noch vor Einbruch der Dunkelheit." Die Aussicht auf ein wenig Schutz vor dem Wetter, dem sie auf der ebenen Grasfläche ausgesetzt waren, spornte die beiden zu Höchstleistungen an. Und tatsächlich erreichten Risae und Kagem die Waldgrenze bei Einbruch der Nacht. Doch nachdem sie noch eine gewisse Strecke hinter sich gebracht hatten, wurde es finster, was nicht zuletzt an dem dichten Blattwerk des Grünblattwaldes lag, das alles Licht von außen her verschluckte.

Also schlugen die beiden wieder ein Lager auf, Kagem entfachte diesmal sogar ein kleines Feuer, da der Wald viel Brennholz zu bieten hatte. Risae hielt ihre Hände wärmend an die knisternden Flammen, bevor sie sich wie an jedem Abend schnell zusammenrollte und müde einschlief.

Die Wanderung machte sie scheinbar, auch wenn sie es niemals zugeben würde, ziemlich fertig. Kagem nahm wieder seine sitzende Pose ein und lehnte sich gegen den nächst liegenden Baum. Doch er schlief nicht. Er hatte es Risae bis jetzt verschwiegen, aber die Nächte über hielt er Wache, in der Befürchtung, dass der Drache oder etwas anderes sie im Schlaf überfallen könnte.

Es verging mindestens eine Stunde, in der Kagem nichts anderes tat als in die Dunkelheit vor ihm zu starren, seine Sinne geschärft und den Körper angespannt. Plötzlich vernahm er ein raschelndes Geräusch. Vor ihm, in einem dichten Gebüsch bewegte sich etwas...

Lautlos griff er nach seinem magischen Schwert ,Ilashar' und zog es aus seiner Hülle, denn schon im gleichen Augenblick huschte ein Dutzend düsterer Gestalten aus der Finsternis hervor. Abstoßend, das war das Wort welches Kagem bei ihrem Anblick durch den Kopf schoss. Die Wesen waren mindestens einen Kopf kleiner als die beiden Gefährten, hatten grüne, fahle Haut und listig hervor blitzende, schwarze Glubschaugen. Aus den mit messerscharfen Zähnen besetzten Münder tropfte der Geifer und jedes Vieh hielt einen verrosteten Speer in den Klauen bestückten Pranken.

Kagem erinnerte sich an ein altes Schriftstück, das er einmal in Händen gehalten hatte. Es zeigte Darstellungen verschiedenster Kreaturen. Wenn sich der ehemalige Monsterjäger recht entsinnte, nannte man diese Wesen Kiotz, oder einfach Waldkobolde.

Als drei der Monster mit gierigen Blicken auf die schlafende Risae zugingen, sprang Kagem mit einem Satz auf und hielt sein Schwert vor sich ausgestreckt. Von der unerwarteten Gefahr überrascht, wieselten die Kiotz einige Schritte zurück, während sie sich mit unverständlichen Lauten verständigten, oder besser gesagt wild durcheinander schnatterten. Kagem nutzte die kurzzeitige Verwirrung um sich durch die Reihen der Waldkobolde zu schlängen, dabei eines der Wesen niederschlug und vor Risae zum Stehen kam. Unwirsch packte er sie an der Schulter und schüttelte sie kräftig durch. "Risae! Steh auf!" Die Angesprochene murrte und versuchte sich dem gnadenlosen Griff ihres Gefährten zu entwenden. Vergeblich.

Allerdings ließ der Griff von alleine nach, da Kagem alle Hände voll zu tun hatte, um sich nicht von einem Speer aufspießen zu lassen. Die Kiotz stellten sich trotz ihrer plumpen Körper als äußerst stark und wendig raus. Mühsam parierte er einen Hieb und schlug im nächsten Augenblick den Angreifer nieder. "Risae! Ich könnte hier Hilfe brauchen!", schrie er seine Kameradin an, die tatsächlich langsam erwachte. "Wasn los?", murrte sie kurzzeitig, bis sie das Kampfgetümmel vor ihr sah. "Was zum...?" "Nimm dein Schwert und hilf mir gefälligst!" Risae tat wie ihr geheißen und parierte die Schläge, die die Kobolde sofort auf sie ansetzten.

Nach Leibeskräften kämpften die beiden gegen die fürchterlichen Waldbewohner und es schien so, als ob sie langsam die Oberhand gewinnen. Kagem verpasste einem Gegner einem Schwerthieb, dem nächsten gab er einen kräftigen Tritt. Doch für jeden Kobold, den sie besiegten, schienen zwei neue aus der Dunkelheit angeschossen zu kommen. Sie sahen sich einer immer größeren Übermacht gegenüber und als sich eine der Kreaturen tief in Kagems Arm verbiss, schien ihr Schicksal besiegelt. Der Krieger kämpfte verbissen und vor Schmerz torkelnd, während sich immer mehr wieselflinke Wesen auf ihn stürzten.

Dann brachen 5 riesige Schatten aus dem Gebüsch hervor und trieben die Bestien zurück. Risae dachte für einen Moment sich Pferden gegenüber zu sehen, doch wo diese Tiere normalerweise ihre Köpfe trugen, befand sie bei ihnen der Oberkörper von Menschen. "Zentauren!", murmelte Kagem mehr zu sich selbst als zu Risae. Vier der Geschöpfe prügelten die Kobolde mit langen, kunstvoll verzierten Holzstäben zurück, während sich der fünfte von ihnen vor die beiden positionierte. Der Zentaur hatte den Pferdeleib eines prachtvollen braunen Hengstes und den Oberkörper eines erfahrenen, menschlichen Kriegers. Seine blonden Haare waren schon stark von grauen Strähnen durchzogen und er trug vereinzelte kleine Narben im Gesicht, dennoch strahlte sein Blick eine ungebrochene Stärke aus. "Seid gegrüßt...", sprach er mit seiner tiefen, kraftvollen Stimme. "Mein Name ist Xiantas. Wer seid ihr und was treibt ein solch junges Paar in dieser Gegend?"

Risae schoss sofort die Röte ins Gesicht, während sie wild herausplatzte: "Wir sind doch kein Paar! Ich bin Risae und das ist Kagem! Sonst nichts!" Der Zentaur schaute sie einerseits verblüfft, andererseits auch amüsiert an. Er schenkte den beiden ein leichtes Lächeln. "Nun gut, das beantwortet trotzdem nicht, warum ihr euch in mitten in der Nacht in unserem Reviergebiet befindet."

Kagem trat einen Schritt vor, verzog dabei jedoch keine Miene. "Wir sind seit 8 Tagen unterwegs, weil..." Für einen Moment schwieg er bedächtlich, man konnte ihm ansehen wie er mit sich selbst kämpfte. "Glaubt es oder glaubt es nicht, aber unser Dorf wurde von einem Drachen vernichtet..."

Für einen Moment stand das blanke Entsetzen in Xiantas Gesicht, doch schnell faste sich der Zentaur wieder, seine schwarzen Augen glitzerten eine Art Verständnis aus, als ob er bereits etwas geahnt hätte.

"Also ist wirklich die Zeit gekommen..." Kagem und Risae sahen ihn verwirrt an und deuteten ihm, seine Aussage näher zu erläutern. "Unser König spürte euer Kommen bereits vor vielen Monaten. Er provezeihte, dass zwei Boten des Schicksals in unser Reich eintreten werden, um den Anfang einer Zeit des Grauens einzuläuten." Sein Blick nahm einen glasigen Farbton an, bevor sich seine Stimme zu einem tiefen, einschlagenden Geräusch veränderte.
 

Wir leben in einer Welt...

in der Magie an der Tagesordnung steht...

In einer Zeit...

in der glorreiche Helden mit dem Schwert für Gerechtigkeit kämpfen...

Meist auch mit Erfolg...

Doch es wird die Zeit kommen...

In der riesige Feuerwesen das Land überfluten...

Und die ganze Welt in loderne Flammen stürzen wird...

Keiner wird diesem Schicksal entgehen können...
 

Der Zentaur entspannte sich wieder ein wenig. "Dies ist eine Legende, die so alt ist wie die Welt selbst. Alle Völker kennen und fürchten sie." Stille trat ein, eine bedrückende Stille. Umso besser konnte man hören, wie die Kampfgeräusche im Hintergrund langsam versiegten, die Kobolde wieselten quietschend davon, während sich ihre Verfolger, die 4 anderen Zentauren, umdrehten und zu ihrem Kameraden liefen. "Xiantas?!" Der blondhaarige Zentaur blickte sie an und nickte. "Ist schon gut. Geht vor. Ich komme gleich nach." Die 4 trotteten davon, während sich der fünfte wieder seinen Besuchern zuwandte.

"Ihr müsst sowohl geistlich als auch körperlich sehr erschöpft sein. Kommt mit und ruht euch bei uns aus." Risae und Kagem nickten dankbar, sie spürten, dass von diesen Geschöpfen nichts zu befürchten war...

die Zentaurenlichtung

Und her ist der vierte Teil, hoffe er gefällt euch.
 

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Kapitel IV - die Zentaurenlichtung
 

Xiantas, Risae und Kagem gingen nur etwa eine knappe halbe Stunde immer tiefer in den Wald, bis Xiantas stehen blieb und einen großen Ast des dichten Blattwerks vor ihm zur Seite schob. Der Anblick der sich seinen beiden menschlichen Gefährten bot, war atemberaubend. Vor ihnen lag eine gigantische Lichtung, sie war in ein künstliches, beruhigendes Licht getaucht, das von nirgendwo her zu kommen schien und doch den ganzen Platz beleuchtete. Eine Reihe kleiner Holzhütten und Wege waren errichtet worden, hier und da trabte ein Zentaur entlang. Die Lichtung schien wie ein richtiges Dorf. Überall waren beeindruckende Bäume, Flüsse und kleine rauschende Wasserfälle eingestreut und als Risae noch einmal genauer hinschaute, fiel ihr auf, dass die kleinen Holzhütten direkt in die Stämme gewaltiger Bäume hinein gehöhlt worden waren.

Xiantas führte sie vorbei an den kleinen Häusern und trabte immer weiter geradeaus, einem besonders großen Waldpfad folgend. Nach weiteren 5 Minuten standen sie vor einem Baum von gigantischen Ausmaßen. Man konnte bereits von außen erkennen, dass in den Räumen, die sich wieder im Inneren befanden, so viel Platz wie in einem Kaiserpalast sein musste. Unzählige Stockwerke führten bis weit hinauf in die Baumkrone welche sich mindestens 200 Meter über dem Erdboden befand.

"Zerstört ihr damit nicht die Natur?", fragte Risae vorsichtig, doch der Zentaur schenkte ihr ein verstehendes Lächeln. "Das ist nicht weiter schlimm. Wir Zentauren leben im Einklang mit der Natur. Einmal im Jahr erscheint die Reinkernation dieses Waldes und erlaubt uns einige seiner Bäume für unsere Zwecke zu nutzen. Als Gegenleistung säen wir einen neuen Sprössling für jeden auf diese Weise genutzten Baum."

Jetzt lächelte auch Risae, in ihren Augen glitzerte Begeisterung. Doch Kagem stimmte all das hier nicht fröhlich, der Gedanke an sein völlig zerstörtes Heim ließ ihn einfach nicht los, besonders wenn er im Gegensatz dazu nun so einen schönen Ort sah.

"Kagem?" Seine Begleiterin stupste ihn leicht gegen die Schulter. "Was ist los? Du bist so weggetreten..." Xiantas blickte ihn forschend an. "Dir scheint sehr viel Leid widerfahren zu sein..." Kagem schaute verwundert auf. Dann ganz langsam nickte er. "Du hast Menschen verloren, die dir sehr viel bedeuteten..." Abermals nickte er, obwohl er diesmal einen fragend Blick dazufügte.

Der Zentaur lächelte gequält. "Für unser Volk ist es leicht, die Gefühle anderer zu bemerken." Auch Risae sah jetzt ein wenig betrübt aus, sie schien in ihren Gedanken genau wie er selbst zurück bei dem grausamen Anblick ihres Dorfes zu sein. "Nun...", begann Xiantas wieder. "...lasst uns ein wenig ruhen und eure Wunden versorgen." Keiner hatte zuvor gemerkt, dass Kagem noch immer eine blutende Wunde am Arm hatte, genau dort wo ihn der Waldkobold einige Zeit zuvor verletzt hatte.

Zu dritt traten sie in das Innere des gewaltigen Baumes, in dem sich eine gewaltige Wendeltreppe befand, die sich immer höher und höher schlängelte, wobei alle paar Meter eine Öffnung zu einer der Etagen führte. Xiantas trippelte die Stufen überraschend elegant empor, was man bei seinem massiven Pferdeleib gar nicht erwartet hätte. Bei der dritten Öffnung, also dem dritten Stock, hielt der Zentaur an und ließ Risae und Kagem eintreten. Sie befanden sich nun in einem großen Saal mit einer gewölbten Decke, an den Seiten führten weitere Türen in verschiedene Räume.

Ohne Umschweife deutete Xiantas auf eine dieser Türen. "Hier könnt ihr euch ausruhen. Morgen ist auch noch ein Tag." Risae lächelte dankbar, doch auf einmal verfinsterte sich ihre Miene. "Ein Zimmer für zwei? Ich hoffe ihr wollt mir jetzt kein Doppelbett oder so andrehen?!" Der Zentaur warf einen Seitenblick zu Kagem, bevor er belustigt mit dem Kopf schüttelte. "Keine Angst. In dem Zimmer sind getrennte Betten." Er hatte kaum die letzten Worte ausgesprochen, da war das Mädchen auch schon mit einem Handwink in dem Zimmer verschwunden...

Kurze Zeit später war auch Kagem's Arm behandelt und mit einem festen Verband verbunden worden, so dass sich dieser ebenfalls schnell zurückzog. Es war bereits tiefe Nacht geworden, auf der Zentaurenlichtung erlosch das wohlige Leuchten um am nächsten Tag wieder im vollen Glanze zu strahlen...
 

Die ersten Sonnenstrahlen fielen durch eine kleine Öffnung in der Baumrindenwand, die scheinbar als Fenster diente, ins Gästezimmer und weckten Risae mit einem zarten Kitzeln. Noch etwas träge öffnete das Mädchen die Augen und rappelte sich von dem weichen Bett indem sie gelegen hatte auf.

Sie blickte hinüber zu dem Bett ihres Kameraden, doch dieses war leer. Es schien so ordentlich, dass sich Risae fragte ob Kagem überhaupt drin gelegen hatte. Schnell hüpfte sie aus ihrem Nachtquartier, zog sich schnell ein paar gemütliche aber auch recht ansehnliche Sachen drüber und verließ den Raum. Als hätte er darauf gewartet, stand Xiantas vor ihrer Tür und unterhielt sich mit einem seines Volkes. Doch als der Zentaur Notiz von Risae nahm, wandte er sich freundlich lächelnd ihr zu. "Ich hoffe ihr habt gut geschlafen?", fragte er höflich. "Ja, vielen Dank." Stirn runzelnd blickte sie zu ihrem Gegenüber auf. "Aber nenn mich bitte in Zukunft einfach nur Risae." "Gut. Dann nenn mich auch einfach nur Xiantas." Die beiden nickten lächelnd.

"Und wo ist dein Freund?" Wie schon bei der ersten Andeutung dieser Art war Risae mit einem mal auf 180. "Er ist NICHT mein Freund!" Dann jedoch sah sie etwas verwirrt aus. "Ich dachte, du wüsstest vielleicht wo er ist.

Sein Bett war leer..." Der Zentaur mit dem sich Xiantas unterhalten hatte, hörte ihnen aufmerksam zu. Er war eindeutig jünger, wahrscheinlich so alt wie Kagem oder Risae, und hatte lange schwarze Haare, genau in der gleichen Farbe wie sein Pferdeleib. "Wenn ich unterbrechen darf, der Junge ist bereits vor geraumer Zeit aus dem Hause gegangen um sich das Dorf anzusehen." Er deutete dabei auf die Tür die zur Wendeltreppe führte.

Der Rotschopf zog eine Schnute. "So ein Mist! Ich wollte heute doch noch ein bisschen trainieren!" Dabei umklammerte sie ihr Schwert, das sie sich bereits aus reiner Gewohnheit um den Gürtel gebunden hatte. Xiantas entging das nicht. "Du bist Schwertkämpferin?" Das Mädchen nickte. "Ja, Kagem trainiert mich." Der Zentaur setzte bei ihrem enttäuschten Gesicht ein Lächeln auf, verkniff sich jedoch ein Kommentar. Stattdessen deutete er auf eine weitere, etwas größere Tür neben ihm.

"Hier ist ein Trainingraum. Wie wäre es wenn ich heute mal seine Schicht übernehme. Beim Kampftraining ist es wichtig gegen verschiedene Gegner zu kämpfen um sich nicht zu sehr an den Stil seines Partners zu gewöhnen." Risae grinste unverschämt und hüpfte jubelnd auf der Stelle. "Gerne!"

Also gingen die beiden in den von Xiantas gedeuteten Raum. Der Zentaur griff nach einem schön verzierten Holzstab, er sah genauso aus wie die Waffen mit denen die Zentauren gestern die Waldkobolde vertrieben hatten. Risae sah ihn skeptisch an. "Ein Holzstab gegen ein Schwert? Ich werde deine Waffe doch mit dem ersten Hieb zerschlagen!" Xiantas lächelte. "Das glaube ich kaum. Der heilige Schutzpatron dieses Waldes hat unsere Stäbe gesegnet und mit Magie verstärkt. Sie sind leicht wie gewöhnliches Holz, doch so hart wie Eisen."

Seine Trainingspartnerin staunte nicht schlecht. Doch schnell fasste sie sich wieder, zog ihr Schwert aus seiner Hülle und lächelte begeistert. "Na dann, ich bin gespannt!"

Und schon stürmte sie mit erhobener Klinge auf ihn zu. Ihre Skrupel einen Trainingspartner anzugreifen hatte sie bereits längst abgelegt. Mit einem dumpfen Schlag schlug ihr Schwert auf den von Xiantas vorgehaltenen Stab auf. Obwohl Risae damit gerechnet hatte, war es trotzdem ein merkwürdiger Anblick einen Holzstab zu sehen, den man nicht zerteilen konnte. Entschlossen setzte sie einen Hieb nach dem anderen auf den Zentauren an, doch dieser wich überraschend Elegant aus oder parierte einfach. Es erinnerte sie an den Kampf gegen Kagem und doch war es diesmal so anders. Bei dem Zentauren schienen alle Aktionen in eine einzige fließende Bewegung überzugehen. Als das Mädchen kurz inne hielt, spürte sie sofort wie sie schnell aber auf eine gewisse Weise auch sanft von den Füßen geholt wurde. Schon im nächsten Augenblick reichte er ihr wieder freundschaftlich die Hand und hiefte sie zurück auf die Beine.

"Eine außergewöhnliche Schwerthand. Ein wenig eigenwillig, aber dennoch ziemlich beeindruckend." Er lächelte auf eine geheimnisvolle Weise, als ob er mal wieder etwas wüsste, was ihr entging. Für eine Zeit lang schwiegen beide, bis sich Risae's Atmung wieder etwas beruhigte. "Kann es weitergehen?", fragte sie auffordernd. Xiantas lächelte. "Jederzeit..."

Und so kämpften sie bis spät in den Nachmittag hinein. Als sie nach dem anstrengenden Training etwas im Dorf herumliefen und sich Risae alles angucken konnte, trafen sie schließlich auch Kagem. Er saß tief im Gedanken versunken an einem kleinen Bach, die Füße in das erfrischende Wasser haltend. An seiner trauernden Miene erkannte man sofort, dass er geistlich wieder bei seinem toten Freund und dem zerstörten Dorf war, er konnte scheinbar an nichts anderes mehr denken, denn der Schmerz hatte sich zu tief in seine Seele gebrannt.

Nachdem sie ihn noch ein wenig Zeit ließen, bevor sie ihn ,einsammelten', erschien der jüngere Zentaur mit den schwarzen Haaren, dem Risae schon am Morgen begegnet war. "Xiantas.", grüßte er seinen Artgenossen freundlich. "Der König hat eine Kriegerversammlung einberufen." Der ältere Zentaur nickte verstehend, wandte sich an seine zwei Freunde und bedeutete ihnen, dass sie ihm folgen sollten.

Zusammen gingen sie zu dem riesigen ,Baumhaus' indem sie die Nacht zuvor verbracht hatten und drangen über die Wendeltreppe hoch in die Baumkrone ein, bis sie im allerletzten Stock angekommen waren. Zu viert traten sie ein, um festzustellen, dass sich bereits sehr viele Zentauren eingefunden hatten. Es gab sie in vielen Farben, ihre Pferdekörper waren weiß, braun oder schwarz und ihre Haare schimmerten alle in weiß, schwarz oder blond. Auf einem großen Thron an der Frontwand stand ein besonders schönes Exemplar eines Zentauren mit einem kraftvollen braunen Pferdekörper und ebenso braunen Haaren, der sie mit ehrwürdigem Blick anschaute. Es war unschwer zu erkennen, dass es sich hierbei um den König handeln musste.

"So sind wir nun alle vollzählig..." Sein Blick schweifte über die Anwesenden der Versammlung und blieb an den eben Eingetretenden hängen. "Die Vorboten des Schicksals... Ich erfuhr bereist gestern von eurer Ankunft. Ich kann in euren Seelen sehr viel Schmerz erkennen.", sagte er und sein Blick fixierte sich auf Kagem. "und auch einen bitteren Hass und den Wunsch nach Rache..." "Der Drache soll bezahlen für alles was er uns angetan hat!", schrie der ehemalige Monsterjäger plötzlich. Der Zentaurenkönig schaute ihn eine Zeit lang schweigend an. "Ich kann deine Gefühle verstehen... Doch du darfst dich nicht von ihnen lenken lassen. Du darfst sie nicht die Macht über dich haben lassen..." "Niemand kann verstehen wie ich mich fühle! Niemand! Auch ihr nicht!" Kagem's Augen blitzten vor unterdrücktem Zorn und seine Hand ballte sich immer wieder zu einer Faust. Wieder schwieg der Zentaurenkönig. "Mag sein, dass ich so einen Schmerz wie du ihn hast noch nie erlebt habe. Doch vielleicht wird das nicht lange so bleiben."

Kagem sagte kein Wort mehr und wich dem Blick seines Gesprächspartners aus. "Und das ist der eigentliche Grund für diese Versammlung. Die Zeit der Drachen ist angebrochen. Es wird Krieg geben, denn die Höhle des Wesens, welches das Dorf dieser beiden jungen Menschen zerstörte, befindet sich unweit an den Grenzen unseres Waldes."

Seine Augen strahlten eine unglaubliche innere Stärke aus, die Risae regelrecht fesselte.

"Auch wenn die Provezeihung, die jedem Wesen wohl bekannt ist, besagt, dass niemand die Drachen aufhalten kann, wir werden unser Land niemals aufgeben. Wenn die Zeit kommt und die Feuerwesen aus ihren dreckigen Löchern kriechen, werden wir bereit sein uns zu wehren!"

Lautes Gejubel erfüllte den Saal und die Worte des Zentaurenkönigs wurden immer lauter. "Greift nach den Waffen! Bereitet euch vor! Jeder Krieger wird gebraucht! Wenn die Zeit bereit ist werden wir kämpfen!" Das Geschrei der Zentaurenkrieger wurde immer lauter, so dass ihr König sie mit einer Handbewegung zum Schweigen bringen musste. "Nun gut, wir werden alles etwas umstrukturieren. Alle Krieger werden zeitweise in die Häuser an der Ostgrenze ziehen. Frauen, Kinder und Alte werden im Hagonowald südlich von hier untergebracht." Alle außer Risae und Kagem nickten eifrig, bevor sie im schnellen Tempo verschwanden, um alle Vorbereitungen zu treffen. Auch Xiantas wollte gerade gehen, als der König persönlich ihn zurückhielt.

"Xiantas, du wirst die anderen sicher zum Hagonowald führen." Der alte Zentaur schaute seinen Herrscher verwundert an. "Was? Wieso? Ich kann kämpfen und mit euch die Stellung halten!" Doch der König schüttelte den Kopf.

"Xiantas, du bist einer der besten Krieger unseres Reiches und hast als Führer schon so manche Schlachten für uns entschieden. Ich kann nicht verlangen, dass du deinen verdienten Frieden aufgibst und dich erneut in Gefahr begibst. Du wirst in den Hagonowald gehen!" "Nein! Ich kann noch kämpfen! Auch wenn ich etwas alt bin und vielleicht auch eingerostet, ich kann immer noch kämpfen!" Xiantas' Blick flehte ihn förmlich an. "Bitte! Lasst mich mitkämpfen! Ich kann nicht einfach Däumchen drehen, während ihr einem aussichtslosen Kampf entgegen blickt!" Der Zentaurenkönig schaute verzeihend zurück. "Es tut mir Leid... Du wirst in den Hagonowald gehen. Das ist mein letztes Wort!" Bevor Xiantas noch etwas erwidern konnte, verließ er den Raum.

Kagem und Risae, die dem Gespräch bis jetzt stillschweigend zugeschaut hatten, warfen verwirrte Blicke zu den Zentauren, die sonst so besonnene Wesen abgaben. Dann stürmte er mit einem wütend ausgeschrieenen <Verdammt!> aus dem Saal.

Nach der anfänglichen Verwirrung beschlossen Risae und Kagem so schnell es geht nach Ciina aufzubrechen, denn wenn sich die Zentauren bereits zur Verteidigung rüsteten, musste jederzeit mit einem Drachenangriff zu rechnen sein. Also hatten sie nicht mehr viel Zeit um den Weisenrat zu warnen...
 

Bereits am nächsten Morgen, die Sonne war gerade aufgegangen und schien durch die undichten Stellen im Blätterdach des Grünblattwaldes, packten die beiden ihre Sachen um aufzubrechen. Sie hatten Xiantas nicht mehr gesehen und es tat ihnen Leid sich nicht von ihm verabschieden zu können, doch sie durften keine Zeit mehr verschwenden.

Mit entschlossenen Mienen liefen sie aus dem Baumstammhaus und wollten die Zentaurenlichtung verlassen. Doch als sie gerade die letzten Wohnungen hinter sich gelassen hatten, sahen sie einen einzelnen Zentauren vor ihnen stehen. "Xiantas!", rief Risae begeistert. Auch Kagem setzte ein leichtes Lächeln auf. "Was tust du hier?" "Ich habe mit dem König gesprochen. Er hat einem anderen die Aufgabe zugeteilt, unsere Frauen und Kinder zum Hagonowald zu führen."

Risae sah aus als ob sie in eine Zitrone gebissen hätte. "Das heißt du bleibst hier und kämpfst wenn der Drachen kommt." Zu ihrer Verwunderung schüttelte Xiantas den Kopf. Der alte Zentaur hatte sich einen Rucksack umgeschnallt. "Ich werde mit euch kommen." "WAS?" Xiantas schaute den beiden entschlossen ins Gesicht und lächelte. "Ich werde nicht untätig rumsitzen! Und wenn es mir untersagt wird mein Volk zu verteidigen, werde ich ihm anders helfen. In Ciina wird man uns sicher unterstützen." "Hoffen wir das Beste.", sagte Kagem.

Dann verließen die drei endgültig die Zentaurenlichtung, auf dem Weg zum Weisenrat in Ciina...

Ankunft in Ciina

Hier kommt der 5. Teil, indem die drei Kameraden endlich in Ciina ankommen. Eigentlich sollten sie das schon längst, doch meine Geschichten entwickeln immer so ne Art Eigenleben.

Naja, sonst kann ich euch nur noch ANFLEHEN mir bitte Kommis zu schicken! BITTE! -.-
 

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Kapitel V - Ankunft in Ciina
 

Als sie kurze Zeit später die Grenzen des Grünblattwaldes, sowie der Zentaurenlichtung hinter sich ließen, mussten Kagem und Risae im ersten Augenblick schützend die Augen schließen, denn sie waren an das dämmrige Licht des Waldes gewöhnt und nicht an das helle Strahlen der Sonne. Xiantas hingegen zuckte nicht einmal kurz, nur seine Pupillen zogen sich für einen Moment zusammen.

"So, und nun? In welcher Richtung liegt Ciina?" Risae's Frage wurden von ihren Begleitern mit einem eindeutigen Fingerzeig in eine Richtung beantwortet. Kagem checkte noch ein letztes Mal sein Gepäck, zurrte die Schwertscheide auf seinem Rücken zu Recht und verfiel in ein zügiges Gehtempo. "Wenn nichts dazwischen kommt, müssten wir den Weisenrat in 5 Tagen erreichen." Der Zentaur an seiner Seite nickte bestätigend.

So kam es, dass die drei Gefährten zügig, aber ohne Hast durch das Land wanderten und jeden Tag am späten Nachmittag rasteten. Das Kampftraining für Risae übernahmen jetzt sowohl Kagem als auch Xiantas. Teilweise übten die beiden Krieger auch untereinander. Abends machten sich die drei dann meist ein Feuer und nahmen etwas frischen Proviant, den der Zentaur unter ihnen eingepackt hatte, zu sich.

So vergingen die Tage ohne große Zwischenfälle, sieht man mal von den kurzen Stopps bei kleinen Flüssen um ihre Wasserschläuche zu füllen und dem ungeheuren Muskelkater, der die Reisenden jetzt begleitete, ab. Am fünften Tag sahen sie schließlich in weiter Ferne die weißen Wälle und Zinnen der Burg und gleichzeitigen Stadt Ciina. Hoffnung trieb Kagem, Xiantas und Risae an, noch einmal einen Zacken schneller zu gehen, so dass sie ihr Ziel bereits am frühen Mittag erreichten.

Vor ihnen baute sich ein gewaltiges Bollwerk aus weißem Marmor auf, bestückt mit runden Türmen und riesigen Zinnenwällen, auf denen bestimmt jeweils zwei Mann nebeneinander stehen konnten. Ein in die Mauer eingelassenes Tor mit offener Zugbrücke führte in die beeindruckende Stadt, die sich im Inneren des ,Burghofes' befand. Völlig von der Rolle und mit offenen Mund bestaunte Risae die Gebäude und kommentierte sie ständig mit einem <OH!> oder <WOW!>, so dass viele Bewohner die ihr entgegen kamen, verwunderte Blicke auf sie richteten. Es wäre ihnen wahrscheinlich nicht so merkwürdig erschienen, wenn sie wüssten, dass das Mädchen aus einem kleinen Dorf mit höchstens 50 Einwohnern kam. Die Rothaarige konnte sich gar nicht satt sehen an all den architektonischen Meisterwerken, bis Kagem sie einfach grob am Kleiderärmel packte und sie hinter sich her zog.

Zu dritt steuerten sie auf ein Tor zu, das den Eingang in die eigentliche Burg und den Weisenrat darstellte. Zwei ungemütlich aussehende Wächter in schmuckvollen Brustpanzern standen links und rechts vom Portal. Beide hatten ein langes Schwert an ihrer Seite. Als Risae, Kagem und Xiantas durch den Eingang schreiten wollten, versperrten die Wächter den Weg. "Unbefugten ist der Zutritt verboten!"

Kagem trat einen Schritt vor und versuchte möglichst höflich zu wirken, als er ein Gespräch mit den Soldaten begann. "Wir müssen unbedingt zum Weisenrat. Es gibt wichtige Dinge zu besprechen." "Wie kommt es, dass wir davon nichts wissen?", zischte eine der Wachen misstrauisch zurück. "Weil..." Der Blondhaarige stoppte kurz. "Weil der Weisenrat noch nicht von uns weiß. Doch wir müssen mit ihnen reden! Es ist wichtig!" "Was sollte so wichtig sein?", blaffte der andere Soldat ihn an.

"Die Zerstörung dieser Stadt zum Beispiel?" "Mach dich nicht lächerlich." Der Blick des Wächters verfinsterte sich immer mehr. "Ciina ist uneinnehmbar! Geschweige denn zerstörbar! Niemand kann diese Mauern einreißen!" Für ihn war das Gespräch scheinbar beendet. Er wandte den beiden den Rücken zu und wollte wieder an seine ursprüngliche Stelle laufen. Doch Xiantas hielt ihn zurück. "Ein Drache könnte es schon..." Ein blecherndes Lachen war die Folge, kaum dass der Zentaur die Worte ausgesprochen hatte.

"Mein Gott, ihr seid ja verrückt!" Lange hielt die Stimmung nicht, denn schnell war der Soldat wieder mit einem kalten Blick ausgerüstet. "Im Ernst jetzt! Ihr dummen Träumer solltet nun schnell verschwinden, bevor wir euch zwingen müssen." Herausfordernd belauerte er die drei Gefährten. Kagem wurde dieses Gespräch langsam zu viel. "Lasst uns jetzt sofort da durch!", schrie er ungehalten und versuchte an den beiden Wachen vorbei zu stürmen, doch vier kräftige Hände hatten ihn grob gepackt, um ihn brutal zurückzuhalten. "Lasst...mich...durch!", knirschte Kagem zwischen seinen vor Wut zusammengepressten Zähnen hervor. "Wenn ihr uns nicht reinlasst, wird der Drache euch überraschend angreifen und alle töten. Wie er es bei meinem Dorf gemacht!" Doch der unbarmherzige Griff der beiden Krieger ließ nicht locker. "Hör auf zu spinnen, verrückter Idiot!" "Aber ich habe Beweise!", beharrte der Blonde schreiend. "Hier! Eine Schuppe des Drachens!" Bevor er jedoch das Stück aus seiner Tasche holen konnte, wurde er durch einen heftigen Kniekick in die Magengrube zu Fall gebracht.

"Kagem!", schrie Risae aufgebracht, sie war nahe dran ihr Schwert zu ziehen. "Was soll das?", zischte sie stattdessen gepresst hervor, während der Wächter, der Kagem zu Fall gebracht hatte, boshaft grinste. "Willst du mir drohen Mädel?" Wie wilde Tiere lauerten sie einander auf, man konnte förmlich das gespannte Knistern in der Luft spüren.

"Halt!", befahl nun eine herrische Stimme und während sich die zwei Soldaten überrascht verbeugten und die drei Gefährten verwirrte Blick austauschten, kam ihnen eine Person in einem weißen Umhang aus dem Inneren der Burg entgegen.

Es war eine Frau im mittleren Alter, mit wallenden langen braunen Haaren die leicht im Wind wehten und ebenso braunen Augen. Sie trug einen weißen Stirnreif, in deren Mitte ein strahlend blauer Stein angelassen war, passend zu ihrer blau-weißen Robe und dem weißen Umhang darüber. Die Frau ging selbstbewusst auf Xiantas, Risae und Kagem zu und hielt direkt vor ihnen an. "Seid gegrüßt. Mein Name ist Djin Anteron, Mitglied des Weisenrates von Ciina." Die drei machten große Augen, denn es war ungewöhnlich, dass sich eine so wichtige Persönlichkeit in der Öffentlichkeit zeigte. "Nun, ich möchte schnell zur Sache kommen. Ich kam nicht drum herum eurem..." Sie warf einen strengen Blick zu ihren inzwischen eingeschüchterten Soldaten. "...Gespräch zu lauschen. Und ihr erwähntet etwas, was für mich von großer Wichtigkeit ist."

Sie streckte fordernd einen Arm aus. "Dürfte ich darum bitten, dass ihr mir die Drachenschuppe zeigt?" Für einen Moment stutzte Kagem, doch dann zog er das Stück aus seiner Tasche und reichte es Djin. Diese machte große Augen, als hätte sie nicht damit gerechnet wirklich eine Drachenschuppe zu bekommen. "Das ist...beunruhigend...", keuchte sie hervor. Dann murmelte sie zu sich selber: "Es ist also wirklich war. Die Zeit der Drachen bricht an."

Xiantas nickte. "Die Vorraussagung des Zentaurenkönigs ist bereits eingetroffen. Diese beiden sind an die Grenzen unseres Reiches getreten um eine neue Zeit einzuläuten. Die uralte Provezeihung wird sich ebenfalls bald bewahrheiten. Djin blickte betrübt in den Himmel und sprach:
 

Wir leben in einer Welt...

in der Magie an der Tagesordnung steht...

In einer Zeit...

in der glorreiche Helden mit dem Schwert für Gerechtigkeit kämpfen...

Meist auch mit Erfolg...

Doch es wird die Zeit kommen...

In der riesige Feuerwesen das Land überfluten...

Und die ganze Welt in loderne Flammen stürzen wird...

Keiner wird diesem Schicksal entgehen können...
 

Doch anders als Xiantas damals, beließ Djin es nicht dabei.
 

Doch eine Truppe wird entstehen,

damit die Drachen vergehen...

Halb Mensch, halb Engel das Mädchen sei,

das beherrscht die Heilkunstzauberei...

Ein Magier, Eis ist sein Element...

Ein Zentaur der hierher rennt...

2 Menschen, ihre Heimat grad zerstört geworden...

und 2 Zwerge aus dem Hohen Norden...

Einer von ihnen ist der Herr der Drachen...

Es wird die Zeit kommen, in der seine Kräfte erwachen...
 

"Das ist die wahre Provezeihung, die nur wenige Wesen auf der Welt kennen und die dabei ist sich zu bewahrheiten." Xiantas sah sehr verwirrt darüber aus, dass sein Volk nie die ganze Geschichte kannte. "Der Herr der Drachen?", fragte Risae. "Was soll das sein?" Djin öffnete ihren Mund um zu antworten, doch Kagem kam ihr zuvor.

"Der Herr der Drachen ist eine alte Legende aus den Schriftrollen Kin's. Dabei soll es sich um ein Wesen handeln, dass durch sein teilweises Drachenblut die Macht hat all diese riesigen Kreaturen zu kontrollieren. In der alten Sage geht der Herr der Drachen zum Feuergipfel und verbündet sich mit dem weißen Drachen der darin haust, um seine Brüder aufzuhalten." Die Frau aus dem Weisenrat nickte erstaunt. "Woher...?" "Aus einem alten Wälzer unserer Bibliothek."

Djin lächelte leicht. "Dann wisst ihr ja besser bescheid als gedacht. Das ist gut, denn mit eurer Ankunft sind die 7 Krieger der Provezeihung vollzählig." Risae starrte sie gebannt an. "Sie meinen WIR sind diese Krieger?" Die Frau nickte heftig und entschlossen. "Genau! Ich weiß es ist schwer zu glauben, doch uns bleibt kaum noch Zeit. Wahrscheinlich wird bald ein erster Drache irgendwo auf der Welt erscheinen." "Das ist er schon!", unterbrach Kagem sie traurig. Mit schockiert aufgerissenen Augen wurde Djin leichenblass.

"Dass heißt wir haben noch weniger Zeit als vermutet. Kommt mit. In der Festung könnt ihr mir alles erzählen."
 

Das taten sie dann auch. Kagem, Risae und Xiantas schilderten ihren bisherigen Weg, besonders die zwei Menschen kamen nicht drum herum von den grausigen Erlebnissen mit dem Drachen zu erzählen. Als Kagem von seinem Kampf und dem Tod seines Freundes berichtete, versagte ihm fast die Stimme.

Auch erfuhren sie, dass die anderen 4 provezeihten Krieger von ihren Heimaten geschickt wurden, um über merkwürdige Geschehnisse zu erzählen, doch noch nie gab es ein direktes Anzeichen auf einen Drachen. Nach über einer Stunde entließ sie der Weisenrat, bei dem sie sich eingefunden hatten und ihnen wurden Zimmer angeboten um sich von ihren Strapazen zu erholen.
 

Wortlos und erneut in Gedanken versunken starrte Kagem liegend an die Zimmerdecke seines luxuriösen Zimmers, bis Risae eintrat und sich ebenfalls stumm neben ihn auf die Bettkante setzte. "Worüber denkst du nach?", fragte sie mit besorgter Stimme. "Über unser Schicksal." Die Art wie er das letzte Wort aussprach, ließ sie nachdenklich werden. "Wir sollen also Auserwählte sein? Unsere Vergangenheit ist vorbestimmt? Asyan's Tot? Die Zerstörung unseres Dorfes? Erinnere dich, 2 Menschen, ihre Heimat grad zerstört geworden... Heißt dass, es war von Anfang an unser Schicksal die Menschen die wir liebten zu verlieren? Das kann ich nicht glauben!" Risae nickte verstehend und ließ sich dann seufzend ebenfalls auf dem Bett nieder.

"Ich verstehe was du meinst. Wir wurden aus unserer Umgebung gerissen. Alles erscheint mir so irreal. Doch trotzdem müssen wir nach vorne sehen. Du hast mir bis jetzt immer Kraft gegeben, wie ein großer Bruder den ich nie hatte. Außerdem-" Er erfuhr nie was sie noch sagen wollte, denn im selben Moment kam Xiantas reingestürmt, seinen Kampfstab und einen Langbogen mit dem dazugehörigen Köcher auf dem Rücken.

"Risae! Kagem! Schnell! Ihr werdet es nicht glauben! Am Himmel direkt vor der Stadt! Da ist... da ist der Drache!!!"

Nur ein Tropfen auf dem heißen Stein...

Und schon kommt Teil 6. In letzter Zeit bn ich in einem richtigen Schreibwahn, hoffe der Teil gefällt jemandem. Sonst wie immer mein Aufruf mir bitte, bitte, bitte Kommis zu schreiben.
 

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Kapitel VI - nur ein Tropfen auf dem heißen Stein...
 

"Risae! Kagem! Schnell! Ihr werdet es nicht glauben! Am Himmel direkt vor der Stadt! Da ist... da ist der Drache!!!" Völlig schockiert starrten die beiden Xiantas an, unfähig sich von dem Entsetzen zu lösen, dass sich in ihnen breit machte. Der Zentaur stand ungeduldig zwischen dem Türrahmen und gestikulierte ihnen ununterbrochen sie sollten sich in Bewegung setzen.

Es dauerte ungewöhnlich lange, bis diese Situation von den beiden Menschen erfasst wurde, doch als das endlich der Fall war stürmten sie um so schneller aus dem Zimmer. Xiantas preschte den Zweien hinterher, überholte sie schließlich und führte sie in höchster Geschwindigkeit durch die wirren Gänge Ciina's, denn der Zentaur hatte einen viel besseren Orientierungssinn als seine Kameraden, so dass er sich den Weg zu den Zinnenwällen bereits eingeprägt hatte. Schon nach wenigen Augenblicken waren sie draußen angelegt, mitten auf der Brustwehr der Mauern und umringt von einer Vielzahl Kriegern mit Brustpanzer und gespanntem Bogen.

"Wo ist der Drache?", fragte Kagem als er blinzelnd in den Himmel stierte doch nichts Ungewöhnliches entdecken konnte. "Er kam kurz vorbei geschossen, ehe wir reagieren konnten. Dann ist er sofort wieder außer Sichtweite geflogen." Xiantas deutete mit einem gequälten Kopfrucken nach rechts. Risae und Kagem schauten in die gedeutete Richtung, doch das Mädchen wand sich sofort mit einem erstickten Schrei wieder ab. Der Blondhaarige dagegen starrte noch einen Moment länger auf die verkohlten Reste eines Mauerteiles, der sogar noch an einigen Stellen qualmte.

Er wurde jeher von einem leichten Handgriff auf seiner Schulter aus seinen Beobachtungen gerissen. Er drehte sich um und sah in das Gesicht von Djin. Sie wirkte sehr nachdenklich, als sie dem überraschten Kagem ohne weitere Worte einen Langbogen, sowie Xiantas auch einen hatte, und einen mit Pfeilen gefüllten Köcher in die Hände drückte. Das gleiche tat sie bei Risae. Der Rotschopf sah etwas verloren aus, als sie die Waffe hilflos musterte. Auch Kagem fühlte sich nicht besser, er hatte zwar schon mal einen Bogen in den Händen gehabt aber nur ein einziges Mal damit geschossen.

Djin deutete dem Blondhaarigen währenddessen geduldig einen noch freien Platz an der Brustwehr. "Wenn du kämpfen willst, stelle dich bitte dorthin." Ohne zu zögern nickte Kagem und trat an die ihn gewiesene Stelle. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie sie die gleichen Sätze zu Xiantas und Risae sprach und beide genauso wie er mit einem Kopfnicken an die Zinnen trat. Als sein Blick dabei durch die Menge schweifte, stellte er fest, dass nicht alle Soldaten Menschen schienen. Einige Elfen erkannte man beispielsweise an ihren spitzen Ohren. Auch die junge Frau direkt neben ihm unterschied sich etwas von den anderen hier oben, denn an ihrem Rücken setzten zwei beeindruckende, fedrige, weiße Flügel an. Kagem besah sich dieses Wesen etwas näher. Sie wirkte sonst sehr menschlich oder besser gesagt sehr weiblich. Sie war schlank und gut gebaut und hatte langes blondes Haar, in das vereinzelte geflochtene Strähnen eingelassen waren. Ihre strahlenden blau-grauen Augen zeigten Entschlossenheit, während sie einen wertvoll aussehenden Bogen festhielt. Sie trug eine weiße Hose und ein weites blaues Oberteil, über das sich ein silberner Brustpanzer legte. An ihren Armen und Beinen befanden sich Schienen, ebenfalls aus diesem silbernen Metall.

Aufmunternd lächelnd drehte sie ihren Kopf zu ihm und Kagem stellte fest, dass er sie wohl angestarrt haben musste. "Du bist neu hier, oder?", fragte sie ruhig. "Ich habe dich noch nie zuvor gesehen..." Der Junge nickte. "Mein Name ist Kagem.", stellte er sich höflich vor und das Lächeln des geflügelten Mädchens wurde noch etwas breiter. "Ich bin Sierrana." Beide gaben sich freundlich die Hand.

Danach herrschte kurz Schweigen, bis Kagem sich wieder nervös dem Himmel zuwandte. Der Drache war immer noch nicht zurückgekehrt! Sein Griff um seinen Bogen wurde steifer und in seinem Kopf machte sich langsam eine brennende Wut auf dieses Monster breit.

"Alles in Ordnung?", fragte Sierrana besorgt, als sie den verzehrten Gesichtsausdruck ihrer neuen Bekanntschaft sah. "Ja, alles okay. Ich bin nur ein wenig... angespannt." "Das kann ich verstehen. Diese Ungewissheit ist wirklich-" Ein markerschütterndes Brüllen übertonte sie und Sekundenbruchteile später stürzte der Drache in einem Affenzahn heran. Es gab keinen Zweifel, das war genau jener Drache, der sein Dorf zerstört und seinen Freund getötet hatte! Warum war er so schnell hier? Was war dann mit den Zentauren im Grünblattwald geschehen?

Er hatte keine Zeit weiter darüber nachzudenken, denn die riesige Flugechse riss ihr gigantisches Maul auf und ließ einen tödlich flammenden Feuerball hervor schnellen. Kagem schaltete schnell, als Sierrana neben ihm nur überrascht die Augen weitete, holte er sie mit einem Hechtsprung von den Füßen und schützte ihren Körper so gut es ging. Man hörte nur noch den unvorstellbaren lauten Knall, dann spürte der ehemalige Monsterjäger wie sich eine schmerzhafte Hitze über seine Haut legte. Und obwohl er offensichtlich nicht von dem Flammengeschoss getroffen wurde, versengte es ihm einen Teil seines Armes. "Bist du verletzt?", fragte er Sierrana, nachdem er sich ächzend aufgerappelt und sie mit einem Ruck auf die Beine gezogen hatte. "Nein... Ich denke nicht...", antwortete sie sichtlich verlegen. "V-vielen Dank..."

Kagem musste zugeben, dass sie fürchterlich süß aussah, wie sie sich verhalten den Ruß von ihrer Kleidung klopfte und den Bogen, den sie bei der Aktion verloren hatte, wieder aufsammelte.

Doch jetzt gab es Wichtigeres. Mit einem hasserfüllten Blick starrte er in den Himmel und erkannte wie der Drache dort oben seine Kreise zog, als würde er sich über die armseligen Geschöpfe unter ihm lustig machen. Von rasendem Zorn gepackt legte Kagem einen Pfeil auf die Sehne seines Bogens und ließ ihn mit einem sirrenden Geräusch loszischen. Das Geschütz prallte klirrend an dem dicken Schuppenpanzer des Wesens ab, ohne ihn auf nur jeglichen Schaden zuzufügen.

Doch durch diese Tat fühlten sich auch einige andere Krieger auf den Wällen ermutigt, sich aus ihrer Starre zu lösen und ebenfalls einen Schuss auf den Drachen abzugeben. Schon bald trommelte ein ganzer Hagel aus Pfeilen auf das Monster, doch dieses kreischte nur angriffslustig, während die Pfeile immer wieder Funken sprühend von ihm abprallten. "Verdammt!", schrie Kagem wütend.

Dieses Ungeheuer schien unverwundbar. Dabei hatte er es doch mit seinem Schwert auch geschafft... Das war es! Er hatte ihm doch eine handgroße Schuppe ausgeschlagen! "Sierrana! Sie auf der rechten Seite, kurz hinter dem Halsansatz!" Das geflügelte Mädchen verengte ihre Augen zu schmalen Schlitzen, dann öffnete sie überrascht den Mund. "Da ist ein Loch!" "Das ist die Schuppe! Dort habe ich ihm eine Schuppe ausgeschlagen!" Sierrana hatte keine Zeit weiter auf diese Aussage einzugehen, denn der Drache tobte inzwischen an den Mauern und schlug einzelne Kämpfer mit Schwanz oder Klauen davon.

Ohne weiter zu zögern setzte sie einen Pfeil an die Sehne, spannte seinen Bogen und ließ das Geschoss davonfliegen. Nur Sekunden später schlug der Pfeil mit hämmernder Wucht in die einzige empfindliche Stelle des Drachens. Der brüllte vor Überraschung, denn die Wucht riss ihn einige Momente unkontrolliert durch die Luft ehe er sich wieder fangen konnte. Doch schon schlug ein zweiter Pfeil von Sierrana direkt neben dem ersten ein. Kagem war verblüfft über ihre unglaubliche Genauigkeit, denn die verwundbare Stelle war tatsächlich kaum größer als eine Hand und der Drache flog gut 50 Meter vor ihnen in der Luft.

"Schießt auf die freie Stelle an seinem Halsansatz!", schrie Kagem quer über den Wall. Die Meisten starrten ihn nur entgeistert an, doch einige, darunter auch Xiantas, legten sofort einen neuen Pfeil an und schossen ihn ab. Schnaubend feuerte das Monster als Dank eine weitere Feuersalve, die die Krieger entsetzt auseinander trieb und ihr organisiertes Vorgehen in ein heilloses Durcheinander verwandelte. Am Ende blieben nur eine Handvoll Schützen zurück, um verzweifelt die Stellung zu halten, während die meisten versuchten sich vor den wütenden Flammen in Sicherheit zu bringen. Mindestens ein Dutzend Pfeile steckte nun in der empfindlichen Stelle zwischen dem Schuppenpanzer des Drachens, doch dieser nahm das ganze leichter hin als erwartet. Kagem hatte gehofft es würde reichen um ihn wenigstens zu vertreiben, stattdessen schien ihn die ganze Situation nur noch mehr zu reizen.

Kagem hatte nur eine Chance... Mit einem gellenden Schrei sprang er von der Brustwehr der Mauern als der Drache einige Meter darunter flog, so dass der Junge direkt auf dem schuppigen Rücken des Monsters landete. "Kagem!", schrieen ihm Sierrana, Xiantas und Risae, die ebenfalls noch tapfer durchhielt, entsetzt hinterher. "Was tust du? Das ist doch Wahnsinn!"

Doch Kagem hörte sie gar nicht mehr. Nur noch das zischende Geräusch des pfeifenden Windes und das Rauschen des Blutes in seinen Ohren nahm er war. Er zog sein magisches Schwert ,Ilashar' dessen Knaufedelstein sich wieder tief schwarz färbte, und hackte damit wütend auf den Rücken des Untiers ein. Die Klinge hatte schon einmal gezeigt, dass ihm die dicken Schuppen des Drachens nichts ausmachten und so schnitt es glatt und sauber wie es das bei Butter tun würde. Das Monster schrie entsetzt, als eine Woge warmen Blutes seinen Rücken entlang lief und es versuchte seinen ungebetenen ,Gast' mit wild geflogenen Figuren und Loopings abzuwerfen. Doch Kagem hielt sich verbissen fest, er dachte gar nicht dran klein bei zu geben. Immer wieder schlug er auf den riesigen Körper des Drachens ein, arbeitete sich dabei langsam dessen Hals herauf. Man konnte erkennen, wie die Bewegungen des Drachens immer abgehackter und eckiger wurde, wie es langsam an Kraft verlor. Doch so schnell wollte es nicht aufgeben. Mit einem verzweifelten Hieb in seinen eigenen Nacken traf er Kagem mehr zufällig als gewollt, so dass dieser von den Füßen gerissen wurde und mit letzter Kraft erst wieder am Schweif halt fand.

Es kostete ihn ungeheure Anstrengung, sich wieder seinen Rücken entlang zu arbeiten, denn der peitschende Wind, der ihm um die Ohren fegte, versuchte ihn immer wieder von den Füßen zu holen. Doch zuletzt schaffte er es doch, stieg bis zum Hals hinauf und stieß sein Schwert mit aller Kraft bis zum Schaft in den Körper des Drachens. Dieser brüllte, bevor er schwer wie ein Stein im Sturzflug zu Boden stürzte. Kagem hörte wie seine drei Bekannten entsetzt schrieen, doch alles schien zu spät. Der Drache schlug berstend auf dem Erdboden auf und rutschte, eine tiefe Furche hinterlassend, noch einige Meter weiter. Der blonde Kämpfer auf seinem Hals wurde durch den Ruck vorne über geschleudert, wo er mit einem harten Aufschlag im Gras liegen blieb.

Der Drache schaffte es durch seinen unglaublichen Siegeswillen, noch einmal den Kopf zu heben. Er wollte diesen Menschen, der es tatsächlich geschafft hatte ihn schwer zu verletzen, tot sehen.

Kagem stöhnte, hob sein Schwert, welches auf dem Boden lag, auf und schlug noch ein letztes Mal auf den Hals des Monsters ein. In den roten Augen glimmte noch kurz der furchtbare Hass auf, dann erlosch sein Lebenslicht. Es herrschte vollkommene Stille. Sierrana sah von weitem, wie Kagem noch kurz torkelte, sein Schwert aus der entkräfteten Hand klirrend zu Boden fielen ließ und kurz darauf ebenfalls stürzte. Reglos blieb er dort liegen.

Dann fing es an zu regnen. Aus den Wolken brachen fürchterliche Schauer, so dass alle in sekundenschnelle völlig durchnässt waren. Es war, als würde Gott selbst über sein erschaffenes Wesen, so grausam es gewesen sein mag, weinen.

Endlich lösten sich Xiantas, Risae, Sierrana und einige andere Soldaten, die dem Schauspiel fassungslos zugeschaut hatten. "Eine Trage! Wir brauchen eine Trage!" Sie alle rannten aus Ciina raus und blieben direkt vor Kagem stehen. Er hatte das Bewusstsein verloren. Sein rechter Arm war verbrannt, was Sierrana zu ihrem Erstaunen dem Vorfall von vorhin zuordnete, und sein Mantel war von den Klauen des Drachens teilweise zerfetzt, so dass darunter blutige Wunden zum Vorschein kamen.

Sofort wurde der Verletzte auf die Trage gelegt und davon gebracht, wobei ihm Sierrana besorgt hinterher schaute. Allmählich begannen die vereinzelten Krieger zu jubeln, immerhin hatte dieser tollkühne Bursche gerade einen Drachen, eines der grausamsten Wesen der Welt, getötet.

Sie ahnten nicht, dass diese Schlacht nur ein kleiner Tropfen auf dem heißen Stein war...

Die Mission der 7 Krieger

Kapitel VII - die Mission der 7 Krieger
 

Kagem wurde auf einer Trage, die von zwei großen Soldaten getragen wurde, in das Krankenzimmer geschleppt. Sofort setzten sie ihn auf einem der Betten ab und riefen die ortsansässigen Heilkundigen zusammen, damit sie sowohl Kagem als auch die vielen anderen Verletzten auf den Wällen behandelten.

Zu dem blonden Krieger schickte man den besten ihres Berufs, so dass er schnell mit vielen Verbänden und Salben verarztet wurde. "Das wäre es.", meinte der Arzt zufrieden. "Der Bursche kann von Glück reden, dass er noch lebt. Er ist sehr schwer verletzt, etwa in 5 Wochen wird er wieder auf dem Damm sein.", sprach er zu Djin, Risae, Xiantas und Sierrana, die sich inzwischen ebenfalls im Krankenzimmer eingefunden hatten. Sie nickten und der Heilkundige entschuldigte sich um seine anderen Patienten zu besuchen.

"Was für Mut und Kraft er hat, obwohl er noch so jung ist. Kein Zweifel. Er ist einer der 7 Krieger der Prophezeiung.", meinte Djin anerkennend. Doch Xiantas war nicht ganz so erfreut. "Habt ihr gehört? Er wird erst in 5 Wochen gesund. Bis dahin könnte alles zu spät sein!" "Er ist dazu bestimmt in den Kampf gegen die Drachen zu ziehen! Also wird er das auch tun!" Die Weise und der Zentaur verwickelten sich immer mehr in einen Streit.

Risae, die an der gegenüberliegenden Wand lehnte, hörte jedoch gar nicht zu. Stattdessen war sie wie gefesselt von dem geflügelten Mädchen, dass auf einem Stuhl neben Kagem's Bett saß. Sie stieß sich mit einem leichten Stoß von der Wand ab und legte eine Hand auf die Schulter der Geflügelten. Diese drehte sich überrascht zu ihr um, doch lächelte dann. "Ich bin Risae", stellte sich die Rothaarige vor, in der Hoffnung auch ihren Namen zu erfahren. "Ich bin Sierrana." Mutiger geworden setzte sich Risae neben Sierrana.

"Entschuldige die unhöfliche Frage, aber was bist du? Solche schönen Flügel habe ich noch nie gesehen." "Du bist nicht unhöflich. Unser Volk lebt weit im Süden des Reiches. Ich bin eine Ain." Sie lächelte, als sie den hilflosen Gesichtsausdruck von Risae sah. "Eine Ain ist ein Halbengel", erklärte sie freundlich. Die Rothaarige nickte verstehend, in ihren Augen glitzerte Begeisterung.

Derweil tobte im Hintergrund noch immer der lauter werdende Streit. "Dieser Junge hat alles verloren! Da können sie nicht verlangen, dass er mir nichts dir nichts loszieht um die Drachen zu vernichten!" Doch Djin ließ sich nicht einschüchtern. "Das sollte er ja wohl selbst entscheiden! Immerhin haben wir alle gesehen, dass er einen Drachen besiegen kann und hat!" "Und dabei fast gestorben wäre!"

Risae kam nicht drum herum diesem Gespräch zu lauschen, denn dessen Lautstärke schwoll immer bedrohlicher an. Auch Sierrana wurde das Ganze ein wenig zu bunt, Kagem selbst sollte die Entscheidung treffen. Sie schloss konzentriert die Augen und murmelte leise etwas in einer fremden Sprache, bis sich eine zartblaue Aura um ihre Hände legte. "Heilung.", hauchte sie kaum hörbar, während sie ihre Handflächen auf Kagems Brust legte. Die blaue Aura floss regelrecht in den Körper des Jungen, bis dieser leise aufstöhnte. Ein paar Mal blinzelte er, dann richtete er sich erstaunt in seinem Bett auf. Sofort wurde es im Zimmer totenstill.

Alle wandten sich verblüfft dem Verletzten zu, um noch gerade so zu sehen wie sich die Blutflecken auf den Verbänden an seiner Brust langsam zurückbildeten und schließlich ganz verschwanden. Sierrana lächelte wissend, bevor sie vorsichtig die Binden entfernte. Zu dem Erstaunen aller war auf seiner Brust nichts mehr zu sehen, außer drei dünnen Narben, die von der ehemaligen Verletzung stammten.

"Wie ist das möglich?", fragte Risae entgeistert. Ihr Blick wechselte ständig von Kagem auf Sierrana und wieder zurück. Der blonde Krieger fuhr sich nachdenklich über die drei Narben. "Heilungsmagie...", murmelte er verblüfft. Djin schien nicht sonderlich überrascht, doch die anderen starrten Sierrana ungläubig an. Sie musste sich zusammenreißen um nicht zu lachen. "Was habt ihr erwartet? Ich bin nun mal ein Halbengel!" Sie schnappte sich einen sauberen Lappen von dem kleinen Tischchen neben ihr und versuchte damit den silbernen Brustpanzer, den sie immer noch trug, zu säubern, denn er war furchtbar verdreckt und mit Ruß bedeckt. Doch der gewünschte Effekt blieb aus. Enttäuscht warf sie den Lappen zurück auf seinen alten Platz, dann stand sie auf und seufzte.

"Ich werde jetzt erstmal in mein Zimmer gehen. Ein heißes Bad ist genau das, was ich nun brauche." Mit einem angedeuteten Nicken verließ Sierrana das Krankenzimmer. Djin blickte in die Gesichter der drei übrig Gebliebenen, dann schien sie zufrieden. "Nun, damit habt ihr die Vierte im Bunde ja bereits kennengelernt." Risae machte große Augen. "Sie meinen SIE?!" "Natürlich. Halb Mensch, halb Engel das Mädchen sei,

das beherrscht die Heilkunstzauberei... ! Wenn ihr wollt stelle ich euch auch die anderen 3 Krieger vor." Risae und Xiantas waren sofort einverstanden. Als sich Kagem ebenfalls dazugesellen wollte, hielten ihn die beiden erst zurück, denn er solle sich vorerst richtig ausruhen.

Doch der Junge ließ sich nicht beirren, er zog sein schwarzes Shirt und die weiß-schwarze Hose drüber, den weiten Kriegermantel ließ er jedoch unberührt liegen. Jemand hatte die Sachen offensichtlich gewaschen, aber der Mantel war durch den Hieb des Drachens hoffnungslos zerfetzt. Zusammen verließen sie schließlich das Krankenzimmer und Djin führte sie durch die verworrenen Gänge Ciina's zu einer großen Tür, die scheinbar in einen riesigen Saal führte.

Ohne zu zögern traten die Vier ein.

"Hallo Icen.", grüßte Djin den einzigen Menschen der sich in der Halle befand. Er war auch nicht viel älter als Risae oder Kagem. Seine lange blau-grüne Robe hüllte seinen Körper fast vollständig ein, nur Hände und Kopf waren noch zu sehen. Er hielt einen schwarzen Stab in der rechten Hand, an dessen oberer Spitze ein funkelnder blauer Kristall eingelassen war. Seine Augen schimmerten in der gleichen Farbe und seine kurzen schwarzen Haare lagen ordentlich gekämmt an. Ein besonders auffälliges Merkmal war das verschlungene Symbol, das auf seiner Stirn prangte. "Hi!", grüßte er keck zurück, während er eine Verbeugung andeutete.

"Icen, das hier sind die restlichen 3 prophezeiten Krieger." Sie deutete nacheinander mit einer Handbewegung auf Xiantas, Kagem und Risae und nannte dabei ihre Namen.

"Und vor euch steht Icen, Mitglied der Elementarmagiergilde Ciina's." Der Zauberer ging auf die drei zu und schüttelte jedem mit unverhohlener Begeisterung die Hand. Besonders bei Kagem wollte er die Hand fast gar nicht loslassen. "Man, du bist doch der, der dem Drachen richtig eins übergebraten hat. Tolle Aktion, echt!" Irgendwie musste der ,Drachentöter' bei diesem sehr aktiven Jungen unweigerlich an Asyan denken. Als sich Icen danach Xiantas zuwandte, flüsterte Kagem Risae ins Ohr: "Der ist ja noch viel aufgedrehter als du!" Als Dankeschön kassierte er eine deftige Kopfnuss, so dass er fortan still blieb.

Djin beobachtete die ganze Situation mit einem Lächeln und als sich die Parteien endlich vorgestellt hatten, bat sie Icen schon einmal zum Speisesaal vorzugehen, wo sie sich bald zum Abendessen treffen sollten. Der Magier tat wie ihm gesagt und verschwand hinter einer weiteren Tür.

Dann führte Djin die drei wieder aus der Halle heraus, ging einen langen Gang entlang und führte sie in eines der vielen Gästezimmer. Drinnen saßen zwei brummig aussehende Zwerge, beide in dreckigen rot-schwarzen Klamotten und dicken Kettenhemden, die überall mit Lederriemen besetzt waren, und beide mit einem braunen Wuschelkopf und einem ebenso braunen Bartansatz. Sie sahen identisch aus, keiner unterschied sich von dem anderen.

"Das hier also, sind die Zwergenzwillinge Pimpf und Gimpf aus dem Hohen Norden." Die beiden verbeugten sich so tief, dass ihre Nasenspitzen fast den Boden berührten. Dann stellten sie sich wieder auf und brummten. "Und wer sind die Winzlinge neben dir, Djin?" Risae verbiss sich ein gemeines Kommentar, waren die Zwerge doch mindestens einen Kopf kürzer als sie alle.

"Das sind Xiantas der Zentaur, Risae und Kagem, der den Drachen getötet hat." Die Zwillinge stießen gleichzeitig ein tiefes grollendes Lachen aus. "Der kleine Bursche? Ihr wollt uns auf den Arm nehmen! Wie hätte er das bitte anstellen sollen?" Bevor jemand etwas sagen konnte, zog Kagem sein Schwert wortlos vom Rücken und zeigte es den Zwergen. Der Anblick war wirklich zum Schießen! Die Zwerge machten so große Augen, dass sie drohten heraus zu fallen und ihre Kinnladen klappten herunter.

"Da... Das ist ,Ilashar' das magische Schwert geschmiedet vom legendären Zwerg Hammersturm! Unmöglich! Sie doch dieser wunderschöne Edelstein im Griff!", schwärmte Pimpf. Gimpf nickte bestätigend. "Der Edelstein färbt sich je nach den Gefühlen des Trägers. Woher...hast du das Schwert?" Alle Blicke legten sich auf Kagem, der lange schwieg und den Zwergen das Schwert schließlich wieder abnahm. "Nicht so wichtig..." Pimpf und Gimpf schauten enttäuscht drein, denn es ist seit jeher bekannt, dass sich Zwerge für alles was mit Schmiedearbeiten zu tun hat interessieren.

Eine peinliche Stille trat ein. Djin löste die gebannte Stimmung, indem sie auch die Zwerge auf das Abendessen im Speisesaal ansprach. Da jetzt Risae ebenfalls Hunger bekam und Xiantas nichts dagegen hatte, beschlossen sie alle zusammen zu gehen. Djin ging voraus und führte die Truppe, dann kamen Gimpf und Pimpf, gefolgt von Risae, Xiantas und Kagem.

"Was ist mit Sierrana?", fragte Risae. "Sie wollte doch ein Bad nehmen. Sollten wir ihr nicht auch bescheid geben?" "Natürlich. Wir wollen nach dem Essen noch besprechen wie wir jetzt weiter vorgehen." Kagem blickte die Weise an und nickte dann bestimmt den Kopf, bevor er die Gruppe verließ und in einen Seiteneingang schritt. "Ich hol sie.", gab er noch zu verstehen.
 

Kagem ging zielstrebig durch mehrere Gänge und blieb schließlich vor der Tür des Gästezimmers, welches Sierrana gehören musste, stehen. Er klopfte zweimal and die hölzerne Tür und trat ein. "Sierrana?" Ihre Stimme aus einem der Nebenzimmer antwortete. "Wer da?" "Hier ist Kagem. Ich wollte nicht stören, aber alle treffen sich zum Essen und einer Besprechung und-" "Ich komme gleich.", wurde er unterbrochen. Man hörte kurz das Platschen von Wasser, dann das Rascheln von Kleidung und im nächsten Augenblick kam Sierrana aus dem Bad. Für einen Moment war Kagem sprachlos.

Anders als beim Kampf trug sie nun ein langes weißes Kleid, das von einem verschlungenen blauen Riemen zusammengehalten wurde. Ihre blonden Haare glitzerten noch leicht vom Wasser und ihre Flügel brachen das Licht das durch die Fenster schien, so dass sie in allen Farben schillerten. Als Kagem bemerkte, dass er sie anstarrte, schüttelte er möglichst unauffällig den Kopf. Sierrana musste unweigerlich kichern. "Was ist?" "Nichts nur... du siehst so... bezaubernd aus." Wahrscheinlich hatte die Ain mit allem gerechnet, bloß damit nicht. Sie schaute auf den Boden um ihre leichte Röte im Gesicht zu verbergen.

"I-ich denke wir sollten jetzt gehen.", stotterte sie nervös, dann öffnete sie die Tür und ging mit Kagem aus dem Zimmer. Zusammen liefen sie in Richtung Speisesaal, wobei ihnen ab und zu einige Leute in weißen und blauen Trachten entgegenkamen. Kagem war schon vorher das Übergewicht dieser Farben aufgefallen, wahrscheinlich waren Blau und Weiß Ciina's Nationalfarben.

Die Zwei erreichten bald den Speisesaal, traten ein und setzten sich zu den bereits Anwesenden. Am Tisch saßen noch Pimpf, Gimpf, Risae, Xiantas und Icen, womit jetzt die 7 erwählten Krieger vollzählig waren. Außerdem hatten sich auch Djin und einige ältere Männer, die wahrscheinlich zum Weisenrat gehörten, eingefunden. Kurz darauf wurden feine Gerichte aufgetischt, auf die sich besonders Risae sofort stürzte. Man sah ihr an, dass sie in letzter Zeit nur spärlichen Proviant zu sich genommen hatte. Xiantas dagegen nahm nur ein wenig vegetarisches Essen, Fleisch lehnte er dankend ab. Nicht verwunderlich, denn Zentauren ehren das Leben mehr als alles andere.

Als alle zu Ende gespeist hatten, klatschte Djin kurz in die Hände, woraufhin mehrere Angestellte herbeieilten und den Tisch abräumten. Nachdem sie den Raum wieder verlassen hatten, räusperte sich Djin um die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Anwesenden zu erhalten.

"Nun, da wir jetzt alle beisammen sind, müssen wir über unser weiteres Vorgehen reden." Eine kurze Stille setzte ein. Dann meldete sich einer der Weisen zu Wort. "In der Prophezeiung heißt es, dass die 7 Krieger zusammen finden, was sie auch getan haben. Müssen wir nicht nur noch abwarten und alle Drachen die da kommen mögen vernichten. Der Anfang wurde heute doch bereits gemacht!" "Nein, das geht nicht!", wank Djin sofort ab. "Ich habe heute bereits ein Zehntel meiner Truppen verloren. Wir können so unmöglich alle Drachen töten." "Es ist sowieso unmöglich die Drachenplage auf diese Weise zu beseitigen. Uns ereilen ständig neue Meldungen über Drachenprobleme. Es sind bereits mindestens 6 von diesen Monstern gesehen worden. Und sie vermehren sich sehr schnell."

Xiantas mischte sich jetzt ein. "Was ist mit dem Grünblattwald? Ich habe mich lange zurückgehalten, doch ich muss wissen, was mit meinem Volk geschehen ist!" Djin machte eine beruhigende Geste. "Sie wurden von dem inzwischen besiegten Drachen angegriffen und haben sich nach kurzem Kampf in den Hagonowald zurückgezogen." Xiantas nickte entschuldigend aber auch sichtlich erleichtert.

"Nun...", begann die Weise wieder, "...wie bereits gesagt wird es nicht möglich sein jedes Monster einzeln zu besiegen. Daher müssen wir das Problem an der Wurzel packen." "An der Wurzel?", fragte Risae verwirrt. "Ja an der Wurzel. Wir müssen die Rassenkugel der Drachen zerstören." Xiantas sprang entsetzt auf. "Die Rassenkugel zerstören?! Das ist Wahnsinn!" Risae musste zugeben mal wieder keinen Durchblick zu haben. "Was ist eine Rassenkugel?", flüsterte sie Kagem zu. Der Junge runzelte die Stirn.

"Es gibt einen Ort auf dieser Welt den angeblich nur die Götter selbst betreten können. Im Inneren des Götterturms, so nennt man ihn, befinden sich Kugeln, die das Leben jeder Rasse beinhalten. Also hat jede Rasse eine dieser Kugeln. Wenn ein solches Relikt zerstört wird, vergeht der Funke des Lebens dieser Rasse, so dass diese Wesen auf einen Schlag aufhören zu existieren."

Xiantas war immer noch völlig aufgebracht. "Wir sind nicht in der Lage die Rassenkugel der Drachen zu zerstören. Zumal wir nicht einmal sicher sind ob es sie überhaupt gibt. Niemand hat das Innere des Götterturms je gesehen!" "Das stimmt! Was ist außerdem mit dem Herr der Drachen, der in der Prophezeiung erwähnt wird?" "Wir können uns nicht auf so ein Märchen verlassen!" "Der Götterturm ist auch nicht viel mehr als ein Märchen!"

"RUHE JETZT!", schrie Djin und schlug mit der Faust auf den Tisch. "Es bleibt uns keine andere Wahl, als zum Götterturm zu gehen und zu versuchen die Rassenkugel zu zerstören. Icen's magische Fähigkeiten werden euch dabei helfen." Sie zeigte auf den Magier, der ungeniert grinste und den Daumen nach oben streckte. "Verlasst euch einfach auf mich!"

Obwohl viele am Tisch zunächst nicht sonderlich überzeugt von dem Plan waren, so mussten sie nach einer weiteren, endlos langen Diskussion, die ins Nichts führte, zugeben, dass es derzeitig keinen besseren Plan gab. Und wenn sie länger zögern würden, wäre das ganze Land wahrscheinlich schon unter den feurigen Atem der Drachen längst verbrannt.

"Dann ist es beschlossen. Die 7 prophezeiten Krieger werden nach Osten zum Götterturm gehen und die dort verborgene Rassenkugel der Drachen zerstören. Leider kann ich euch keine meiner Truppen mitgeben, denn diese werden in Ciina gebraucht. Ruht euch jetzt aus, euer Weg wird lang und beschwerlich.", beendete Djin die Sitzung.

Und schon in diesem Augenblick spürte Kagem, dass diese Reise nicht so einfach werden würde wie es sich anhörte. Doch er hätte nicht gedacht, dass dies der eigentlich Startschuss zu einem gigantischen Abenteuer werden würde...
 

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Naja, ich muss zugeben dieser Teil war ziemlich langweilig und ein wenig viele Leute auf einmal die vorgestellt werden. Doch dieses 'Übergangskapitel' war nötig, damit es jetzt langsam mal richtig los geht!

Aufbruch

Kapitel VIII - Aufbruch
 

Als Risae am nächsten Morgen aufwachte, war es noch sehr früh. Die Sonne schien gerade erst am Horizont aufgegangen zu sein, so dass nur ein schwacher rot-oranger Schimmer ins Zimmer trat. Das Mädchen drehte ihren Kopf murrend zur Seite und wunderte sich nicht, dass das Bett an der gegenüberliegenden Wand leer war. Kagem war offensichtlich wie immer früher aufgestanden, um auf das Dach der Burg zu steigen und gedankenverloren ins Land zu starren. Er tat das schon seit Tagen und auch seine Verschlossenheit hatte bis jetzt eher noch zugenommen anstatt sich etwas zu lockern.

Noch im Halbschlaf richtete sich Risae auf und pellte sich aus ihrer Bettdecke. Es würde für lange Zeit das letzte Mal gewesen sein, dass sie in einem ordentlichen Bett geschlafen hatte, denn heute sollte die Truppe nach Osten hin aufbrechen. Ihre Sachen hatte die Schwertkämpferin bereits in weiser Voraussicht am gestrigen Abend gepackt, um morgens ein wenig länger schlafen zu können.

Mit doch etwas getrübter Laune zog sich Risae ihre neue Reisekleidung (feste Schuhe, leichte schwarze Hose, dunkelgrünes Oberteil und schwarze Weste darüber) an, schnallte sich einen Rucksack um und verließ das Zimmer. Draußen wartete bereits Xiantas, der mit Rucksack, Kampfstab und Bogen, sowie einer Art Satteltasche um den Pferdeleib ausgestattet war. Beide begrüßten sich freundlich und gingen raus zum Eingangstor Ciina's, wo sie die Restlichen treffen wollten. Tatsächlich hatten sich bereits alle eingefunden, sogar Kagem. Er lehnte an einer der Burgmauern, während die Zwerge Pimpf und Gimpf mehr als auffällig versuchten sich von hinten an ihn ran zu schleichen, um wahrscheinlich noch einmal das Schwert ,Ilashar' in Händen zu halten. Die großen Äxte auf ihren Rücken schepperten bei jedem ihrer Schritte und als Kagem seinen Kopf zu den beiden Brüdern wandte, erschraken sie so heftig, dass beide überrascht nach hinten purzelten und mit dem Kopf gegen die Mauer stießen. Risae musste zugeben noch nie so etwas Tollpatschiges gesehen zu haben.

Sierrana kommentierte die wütend umher hüpfenden Zwerge mit einem Lächeln, Djin hingegen mit einem Kopfschütteln. Icen klopfte der Weisen aufmunternd auf die Schulter. "Keine Angst! Wird schon alles irgendwie gut gehen.", grinste er vergnügt, bevor er einen Arm in die Luft reckte. "Wie sieht's aus? Wollen wir langsam los?" Ein einstimmiges Nicken aller Versammelten beantwortete die Frage. "Sehr schön!", jubelte Icen. Er hatte nur eine größere Umhängetasche und seinen mannsgroßen Magierstab dabei. Der junge Zauberer schien der Einzige der Gruppe, der der Zukunft völlig optimistisch entgegen sah.

Also ging die 7er Gruppe in gemächlichem Tempo aus Ciina, wobei sie Djin noch einmal zuwinkten. Die Weise stand da mit ziemlich fertigem Gesichtsausdruck, man sah ihr deutlich an, dass sie sich vor der ihr bevorstehenden Zeit fürchtete.
 

Die Dämmerung setzte bereits ein, als die Gruppe das erste Mal eine Pause einlegte. Sie suchten sich eine halbwegs geschützte Stelle in der weiten Grassteppe, die Risae, Kagem und Xiantas bereits auf dem Hinweg durchquert hatten. Kagem fiel das natürlich auf und in seinem Unterbewusstsein machte sich eine schlimme Vorahnung breit. "Icen?"

Der Magier wandte sich mit einem fröhlichen Grinsen von der eben erst erbauten Feuerstelle und hüpfte auf ihn zu. "Was gibt's?", fragte er fröhlich pfeifend. "Es ist nur... wie lange werden wir reisen?", fragte er, um seine eigentliche Frage geschickt zu umgehen. "Ach mach dir keine Gedanken. Ich denke wir werden etwa 1 bis 2 Monate unterwegs sein. Bis zum Grünblattwald sind es etwa 5 Tage. Dann immer weiter nach Osten, vorbei an einigen kleineren Dörfern." Icen entging das kurze Zucken Kagem's nicht. "Wieso? Gibt's ein Problem?" "Nun ja...", begann der Schwertkämpfer. Er schien nach den richtigen Worten zu suchen. "Wir werden an meinem Dorf vorbei müssen..." Der Magier legte sein Grinsen ab und nickte verstehend. "Djin hat mir davon erzählt. Aber wir können keinen Umweg gehen. Im Norden und Süden sind lange Gebirgsketten, dein Dorf war schon immer eine Art Pforte, die sich genau zwischen den Bergen befindet. Wir können es nicht verhindern, dass wir durch den Dorf gehen müssen." Kagem nickte wenn auch sehr widerwillig. Doch er sah ein, dass sie keine Zeit verlieren durften. Die Drachen hatten mit jeder Minute, die sie ungenutzt verstreichen ließen, mehr Zeit um Zerstörung über das Land zu bringen.

"Ich wünschte wir könnten einen anderen Weg gehen, doch wir haben keine Alternative.", versicherte Icen noch einmal. Ohne ein weiteres Wort zog sich Kagem zurück, lehnte sich wie gewöhnlich in sitzender Haltung an einen Baum und blieb den Rest des Abends noch stiller als sonst. Und selbst als Pimpf und Gimpf erneut versuchten sein Schwert ,Ilashar' zu stibitzen, sagte er nichts. Xiantas schubste die beiden Zwerge mit sanfter Gewalt weg. "Lasst ihn ein wenig in Ruhe... Er muss viel durchmachen.", erklärte der Zentaur, so dass sich die Zwillinge enttäuscht brummend zurückzogen.

Die Nacht verging schnell und am frühen Morgen brach die Abenteurergruppe wieder auf, immer nach Osten. Auch die nächsten Tage liefen sie weiter durch die sich nicht verändernde Grassteppe. Risae erhielt, auch wenn sie ebenfalls zunehmend schweigsamer wurde, weiterhin ihr Schwertkampftraining, diesmal jedoch wieder von Xiantas.

Der fünfte Tag neigte sich schließlich langsam dem Ende entgegen, als die 7 endlich die ersten Baumwipfel des Grünblattwaldes am Horizont erkennen konnten.

"Endlich!", jubelte Icen ungehalten. "Wir werden heute im Schutz der Bäume schlafen. Es sieht nämlich nach Regen aus." Die Anderen nickten, dann legten sie das letzte Stück des Weges rennend zurück, denn tatsächlich prasselten bereits die ersten Regentropfen vom Himmel. Plötzlich preschte Xiantas an ihnen vorbei, seine Hufe trommelten Staub aufwirbelnd über die Prärie. "Xiantas! Nicht so schnell!" Doch der Zentaur hörte kaum zu. "Da stimmt was nicht...", stellte Sierrana beunruhigt fest. Sie verengte ihre Augen zu Schlitzen und starrte in den Himmel über dem Grünblattwald. "Da fliegt irgendwas."

Auch die anderen versuchten jetzt etwas zu erkennen, doch der immer stärker werdende Regen versperrte ihnen eine genaue Sicht. Sie konnten nur einen kleinen Punkt ausmachen, der da am Himmel schwebte. Xiantas war inzwischen in der Ferne verschwunden und Sierrana starrte noch immer gebannt auf das fliegende Etwas. Dann riss sie mit einem Mal entsetzt die Augen auf. "Ein Dhrakon!" Sofort nahm sie ihren Bogen vom Rücken, legte einen Pfeil an die Sehne und schoss auf den Dhrakon. Risae sah nur noch wie der fliegende Punkt kurz erstarrte, um dann wie ein Stein vom Himmel zu stürzen. "Was war das?", fragte sie ängstlich. "Ein Dhrakon!" "Und was soll das sein?" Icen bedeutete allen sich schnellstmöglich wieder in Bewegung zu setzen. Der Magier rannte neben Risae her, sah sie jedoch nicht an. "Man könnte einen Dhrakon als einen kleinen Bruder der Drachen ansehen. Sie sind halb Reptil, halb Mensch. Diese Viecher stürzen sich auf alles was sich bewegt, besonders die Engel und Halbengel führen seit Ewigkeiten Krieg mit ihnen." Icen legte noch einen Zahn zu und stürmte weiter. "Sie sind immer in Gruppen unterwegs. Der Zentaur steckt in verdammten Schwierigkeiten, wie dumm alleine vor zu rennen!"

Der Regen war inzwischen zu einer wahren Sinnflut mutiert. Dicke Tropfen prasselten auf den ebenen Steppenboden, so dass alles in wenigen Augenblicken zu einem schlammigen Sumpf wurde. Nur mit großer Mühe hetzte die Gruppe weiter, jeder Schritt von ihnen verursachte ein schmatzendes Geräusch und schnell empfanden sie es als immer schwerer ihre Füße aus dem Morast zu ziehen. "Wir sind zu langsam!", schrie Risae durch das lautstarke Prasseln des Regens. Kagem hatte sich inzwischen an die Spitze der Truppe gekämpft und obwohl er erschöpft keuchte, raste er mit weit ausgreifenden Schritten in Richtung Wald.

Sierrana hatte genug. Mit aller Kraft stieß sie sich mit ihren Beinen vom Boden ab, entfaltete ihre weißen Schwingen und flog mit kräftigen Flügelschlägen davon. Ehe sich die anderen versahen war auch sie im Wald verschwunden. Keiner hatte Zeit über diesen Anblick zu staunen, sie rannten wie von Sinnen weiter. Und endlich nach einer Ewigkeit, so schien es, hatten auch sie die Waldgrenze erreicht. Der Boden unter ihren Füßen wurde fester, der Regen durch das Blätterdach über ihnen schwächer. Sie kamen wieder besser voran und hörten schon die ersten Kampfgeräusche.

"Hoffentlich kommen wir nicht zu spät!", flehte Risae und hechtete mit einem gewagten Satz durch das dichte Dickicht vor ihr. Sie befand sich nun auf dem Schlachtfeld wo Sierrana und Xiantas verbissen kämpften, und sah sich prompt von 4 widerlichen Kreaturen umgeben. Scheinbar diese Dhrakons. Jedes dieser Geschöpfe lief auf zwei Beinen und hielt ein langes bleiches Schwert in den Klauen besetzten Händen. Ihre Körper waren von glänzenden Schuppen umhüllt, jeder Dhrakon in einem anderen Rot-ton. Sie hatten einen scharfzügigen Kopf, ein großes Maul mit messerscharfen Zähnen und schwarze Augen, die Risae kalt anfunkelten. Die Schwertkämpferin hatte das Gefühl lebenden Panzerschränken gegenüber zu stehen, denn jedes der Monster war etwa 2 Meter groß.

Ehe Risae etwas unternehmen konnte, brachen endlich auch Kagem, Icen und die Zwergenzwillinge aus dem Gebüsch hinter ihr und überwältigten die 4 völlig überraschten Dhrakons. Doch damit war der Kampf längst nicht beendet. Aus den Augenwinkeln erkannte Risae wie Xiantas seine Feinde mit seinem Kampfstab reihenweise zu Fall brachte und Sierrana noch immer über ihnen fliegend einen Pfeil nach dem anderen abschoss. Allerdings überwanden die Dhrakons ihre Verblüffung über den plötzlich auftretenden Widerstand schnell, so dass sie mit voller Härte in den Kampf einstiegen. Und auch wenn die Kreaturen längst nicht so stark waren wie ihre Gegner, so waren sie zahlenmäßig deutlich überlegen. Risae zählte mindestens 5 Dhrakons für jeden ihrer Gefährten...

Mit einem Mal ließ Gimpf einen lauten Schrei los und der sonst so tollpatschige Zwerg verwandelte sich in eine regelrechte Kampfmaschine, die ihre scharfe Axt schwang und zwei Dhrakons mit einem Schlag zu Fall brachte. Sein Bruder tat es ihm gleich. Auch die anderen kämpften verbissen, selbst Risae hatte langsam den Dreh raus und schleuderte ihr Schwert gegen die Feinde. Unnatürlich lange Minuten vergingen, in denen die Zahl der drachenähnlichen Monster immer weiter dezimiert wurde. Als sich die Kreaturen schließlich sogar in Unterzahl sahen, rannten die bisher Überlebenden mit einem wütenden Brüllen davon. Sierrana schoss noch zweien von ihnen hinterher, der Rest verschwand mit schnellen Schritten im Gebüsch.

"Geschafft!" Nachdem sich die letzten Dhrakons verzogen hatten, ließ sich Risae erschöpft aber zufrieden ins Gras sinken. Mehrere Augenblicke saß sich einfach nur da, darauf wartend, dass sich ihre schnelle Atmung wieder etwas beruhigte. "Alles klar bei dir?", fragte Icen, der seinen Magierstab geschulterte hatte und sie aus stolzen Augen anschaute. "Ja...", antwortete Risae, "...mir geht's gut."

"Schön. Dann scheint ja jeder von uns relativ unbeschadet." Er blickte zurück auf die anderen Gefährten, runzelte kurz die Stirn und sah dann hoch zum Himmel. "Sierrana! Du kannst wieder runterkommen!" Die Ain schwebte noch immer über ihnen, aber ihre Bewegungen wirkten merkwürdig kantig und entkräftet.

Schließlich blieben ihre Flügelschläge ganz aus und sie stürzte wie ein abgeschossener Vogel Richtung Boden. "Sierrana!" Kagem sprang instinktiv nach vorne, streckte seine Arme aus und fing die Geflügelte gerade noch rechtzeitig auf.

"Was ist mit ihr?", fragte Risae besorgt und kam ein Stück näher, auch die anderen Gefährten sammelten sich um Sierrana, die inzwischen von Kagem behutsam auf den Boden gelegt wurde. Sie hat die Augen geschlossen und feine Schweißtröpfen bedeckten ihre Stirn. Icen ging vor ihr in die Hocke und musterte die bewusstlose Ain aufmerksam. Nach einigen Augenblicken wandte er sich den besorgten Kameraden zu und lächelte beruhigend. "Keine Angst. Sie ist nur völlig erschöpft." Kagem starrte gedankenverloren auf Sierrana's bleiches Gesicht und strich ihr eine verschwitzte lange Strähne ihres blonden Haares aus dem Gesicht. Der Magier neben ihm musste breit grinsen. "Es ist nichts Ernstes.", beruhigte er den Schwertkämpfer noch einmal. " Halbengel können ihre Flügel einfach nicht lange benutzen, da ihre physisch schwächeren Menschenkörper die Belastung nicht vertragen."

Die Krieger beschlossen ein wenig zu rasten und Sierrana's Erwachen abzuwarten. Der Regen hatte inzwischen wieder etwas abgenommen und Kagem war gerade in eine Rangelei mit den Zwergenbrüdern, die schon wieder hinter dem Schwert ,Ilashar' her waren, verwickelt, als Sierrana langsam die Augen aufschlug. Stöhnend setzte sie sich auf, schaute sich kurz um und seufzte. "Ich bin abgestürzt?", fragte sie ohne Umschweife. Gimpf und Pimpf nickten gleichzeitig und deuteten synchron auf Kagem. "Er hat dich aufgefangen."

"Vielen Dank.", meinte Sierrana. "Das passiert leider öfter. Ich überschätze mich einfach immer wieder."

Nachdem die Ain nun wieder halbwegs wohlauf war, beschloss die Gruppe weiter zu ziehen. Sie schlugen die Richtung zur Zentaurenlichtung ein, wobei Sierrana jedoch noch etwas schwankte und Kagem sie letztendlich stützen musste. In der halben Stunde, die verging, hörte es auch endgültig auf zu regnen. Xiantas wirkte zunehmend angespannt, er hatte seit dem Kampf mit den Dhrakons kein Wort mehr gesagt. Und als sie endlich die Zentaurenlichtung erreicht hatten, schienen sich die schlimmsten Befürchtungen des Zentauren zu bewahrheiten:

Die Zentaurenlichtung lag in Trümmern...

Negro, der Dhrakonführer

Kapitel IX - Negro, der Dhrakonführer
 

Die Zentaurenlichtung lag in Trümmern...
 

Es war, als hätte jemand einen Wirbelsturm über diesen Ort losgelassen. Holzsplitter und Äste lagen quer über den ganzen Platz, einige Bäume waren auch einfach nur zu verkohlten schwarzen Stümpfen abgebrannt. Hier und da konnte man in den Trümmern noch einen Stuhl oder Tisch entdecken, der aus den Häusern der Zentauren geschleudert wurde und ziemlich ramponiert aussah.

Am schlimmsten hatte es den riesigen Baum, in dessen Innerem Risae und Kagem vor gar nicht allzu langer Zeit noch übernachtet hatten, getroffen. Er war wie ein Streichholz in der Mitte durchgeknickt und lag quer über der ganzen Lichtung, dabei hatte er unzählige kleinere Bäume unter sich begraben.

Sprachlos sah die Gruppe zu, wie Xiantas langsam ein wenig weiter auf die Lichtung schritt und manchmal völlig geistesabwesend über den zertrümmerten Stamm eines Baumes oder das abgebrannte Gras strich. Der Blick des Zentauren war trübe, obwohl er äußerlich ruhig blieb. Der Schock schien so tief, dass Xiantas das Ganze gar nicht richtig realisierte.

"Dieser verdammte Drache...", murmelte Kagem betroffen. Sofort stiegen wieder die Erinnerungen an seine eigene zerstörte Heimat hoch. Unendlich langsam drehte sich Xiantas zu ihm um, dann schluckte er schwer und schüttelte leicht den Kopf. "Das... war nicht der Drache..." Alle Blicke richteten sich auf den Zentauren und Risae sprach das aus was alle dachten: "Was soll das heißen?" "Djin hat erzählt, dass hier nur ein kurzer Kampf stattgefunden hat, bevor sich unser Volk in den Hagonowald zurückgezogen hat." Icen nickte bestätigend. "Das stimmt. Es heißt, die Zentauren hätten sofort eingesehen keine Chance zu haben und wären abgezogen." "Aber als wir hier waren wirkten alle so entschlossen...", unterbrach ihn Risae. "...Man hatte das Gefühl sie würden lieber sterben, als diese Lichtung ihrem Untergang zu überlassen."

"Zentauren sind stolz, aber nicht dumm!", brummten Gimpf und Pimpf dazwischen. "Diese Zerstörung kommt nicht von dem Drachen, weil der Drache gar nicht daran interessiert war hier zu randalieren. Er musste hier nur vorbei um nach Ciina zu kommen. Die Zentauren haben das gemerkt und sich verzogen." Alle schwiegen mehrere Augenblicke. "Und wer war das hier dann?", fragte Sierrana in die Runde und machte eine weit ausholende Geste auf die Reste der Zentaurenlichtung.

Na dann überlegen wir mal...", spottete Gimpf gekünstelt. "Welche Wesen legen sich mit jedem Volk der Welt an und nutzen die Zeit der Drachen um Zerstörung anzurichten? Wer war vor kurzem hier? Wer hat Waffen und genug Skrupellosigkeit um das hier klein zu schlagen?" Natürlich war jedem sofort klar auf was der Zwerg anspielte. "Die Dhrakons!", murmelte Sierrana. "Erraten, Kleine! Wundert mich nicht wenn sich diese Biester sogar mit den Drachen verbünden würden." "Mit den Drachen verbünden? Wie soll das gehen? Drachen können doch nicht reden oder denken, oder?" Xiantas' Blick verdüsterte sich noch mehr. "Darauf würde ich nicht wetten. Die Drachen sind Instinkt geleitet, aber schlau. Die Dhrakons können schließlich auch reden und sie sind sozusagen die evolutionäre Vorstufe der Drachen." Er schwieg wieder und starrte ins Leere.

"Das wird ein Problem. Dhrakons sind zahlreich, sehr zahlreich. Wenn sie wirklich unsere Feinde sind..." Icen führte seinen Satz nicht zu Ende, denn Risae unterbrach ihn. "Natürlich sind es unsere Feinde! Wir haben doch eben gegen sie gekämpft!" Der Magier schaute sie teils ernst, teils betrübt an. "Dass Dhrakons andere Leute angreifen, ist normal. Wir haben nur eine Vorhut von ihnen erwischt, die sich gestört fühlte." "Eine Vorhut?" "Ja, sie alle hatten helle rote Schuppen. Ich weiß nicht wie das funktioniert, aber Dhrakons haben je nach Alter und Rang einen bestimmten Farbton. Rote Farben deuten auf junge, relativ unerfahrene Krieger oder Späher hin."

Noch eine ganze Weile standen die 7 Abenteurer stumm da, dann verließen sie die Zentaurenlichtung und durchschritten den Grünblattwald durch einen kleinen Umweg. Keiner war sehr scharf drauf, durch die Trümmer des früher so schönen Ortes zu schreiten. Als sie schließlich die östliche Grenze des Waldes erreicht hatten und sich vor ihnen wieder die weite Grassteppe fortsetzte, beschloss Icen erst einmal eine Pause zu machen. Sie alle waren erschöpft von dem Kampf mit den Dhrakons, besonders Sierrana schien durch dein Einsatz ihrer Flügel immer noch etwas benommen zu sein. Sie ließ sich sofort auf den Boden sinken und schlief fast augenblicklich ein. Der Rest der Truppe sah ein, dass es sinnlos war weiter zu gehen, weshalb sie den Rest des Tages einfach nur da saßen, ihren Gedanken nachhingen, über Nichtigkeiten quatschten oder in Pimpf's und Gimpf's Fall versuchten das magische Schwert ,Ilashar' zu erbeuten. Die Zwillinge versuchten es tollpatschig wie eh und je, so dass Kagem nur einmal kurz aufblicken musste und die Zwerge daraufhin erschrocken davon kullerten.

Schließlich wurde es Nacht. Zum ersten Mal seit Beginn ihrer Reise stellten sie Wachen auf, da sie ab jetzt nicht nur auf Drachen, sondern auch auf Dhrakons aufpassen mussten.

Am nächsten Morgen waren alle frisch gestärkt, auch Sierrana hatte sich wieder völlig erholt, so dass sie bereits relativ früh aufbrachen und die Zentaurenlichtung sowie den Grünblattwald mit gedrückter Stimmung hinter sich ließen. Xiantas schwieg, doch trotzdem wirkte er auf eine gewisse Weise nicht so erschüttert, wie es die anderen gestern noch gedacht hätten.

Als Risae ihn darauf ansprach, lächelte der Zentaur gequält. "Das ist der Kreislauf des Lebens. Es ist natürlich, dass alles irgendwann einmal endet. Das Leben, Träume oder Orte, alles vergeht einmal. Was jedoch nicht heißt, dass mich der Verlust nicht schmerzt. Ich akzeptiere es einfach und bewahre die Zentaurenlichtung in meinem Herzen." Risae dachte lange über diese Worte nach und schien sie schließlich sogar zu verstehen, so dass ihr der Verlust ihrer Heimat in Zukunft ebenfalls nicht mehr so stark schmerzte.

Nach und nach vergingen die Tage, in denen die Truppe immer weiter wanderte und nur am Abend rastete, um etwas Proviant zu essen, sich auszuruhen oder in Risaes Fall um den Schwertkampf zu trainieren. Es hatten sich sogar Gimpf und Pimpf bereit erklärt ihr etwas beizubringen.

Schließlich brach der 7. Tag an. "Heute ist es soweit... Heute kommen wir an...", murmelte Kagem als sie aufbrachen. Sierrana hörte das und trat neben ihn. "Was ist soweit?" Der Schwertkämpfer versuchte ein gleichgültiges Gesicht wie immer zu machen, was ihm aber nicht recht gelingen wollte. "Es ist... naja... ach nichts...", stammelte er trübselig. Offensichtlich wollte er nicht weiterreden, denn er wandte seinen Blick von Sierrana ab und lief stumm weiter. Die junge Ain versuchte noch mehrmals ihm eine Antwort zu entlocken, allerdings vergebens. Also fragte sie Risae, diejenige die ihn scheinbar am längsten kannte. Sie erzählte alles über den Drachenangriff, ihr zerstörtes Dorf und auch über Asyan.

Sierrana schwieg lange. "Kein Wunder, dass er so verschlossen ist. Ihr habt viel durchgemacht." Risae nickte bestätigend. In Sierrana's Augen erschien Trauer. "Du magst ihn sehr, oder?", fragte die Ain. Risae schien kurz verdutzt, lächelte aber dann. "Ja..." Doch als sie die aufgerissenen Augen ihrer Gefährtin sah, fügte sie hastig hinzu. "Nicht wie du denkst... Er ist eher... wie ein großer Bruder für mich." Zur Verwunderung des Rotschopfes atmete Sierrana erleichtert aus und lächelte jetzt ebenfalls. Mit wehenden Haaren lief sie wieder an die Spitze der Truppe, da sie die schärfsten Augen von ihnen hatte. Es dauerte nicht lange bis sie stehen blieb und ihnen ein Zeichen gab. "Da hinten ist das Dorf!"

Schweigend gingen sie weiter, bis zu den verkohlten Überresten des Dorfeingangs. Der Ort hatte sich seit Risae und Kagem ihn verlassen hatten nicht verändert. Noch immer waren Trümmer und abgebrannte Häuser überall verstreut. Noch weiter hinten konnte man die vielen groben Holzkreuze sehen, die Kagem für jeden begrabenen Dorfbewohner aufgestellt hatte. Es war unheimlich still. Keiner traute sich etwas zu sagen, man hörte nur den leichten Wind und das Knirschen der sandigen Erde unter ihren Füßen.

Dann, ohne Vorwarnung, durchschnitt ein lautes Zischen die Stille und ein langer schwarzer Pfeil bohrte sich direkt vor Kagems Füße. "Was zur Hölle...?" Der Schwertkämpfer hob den Kopf und starrte in die Richtung aus der das Geschoss angeflogen kam. Ein hässlicher geschuppter Kopf lugte hinter den niedrigen Resten einer Mauer hervor. Schon im nächsten Augenblick sprang der Dhrakon aus seinem Versteck und schickte ihnen einen zweiten Pfeil entgegen, doch die Truppe hatte die Lage schnell verstanden und sich rechtzeitig hinter verschiedenen Trümmern gerettet. "Verdammt, jetzt sind diese Bastarde sogar schon hier, als ob sie auf uns gewartet hätten!", fluchte Icen wütend. Immer mehr Köpfe tauchten jetzt hinter Vorsprüngen, Mauern oder Häusern hervor und die Dhrakons schossen bald so viele Pfeile, dass ein regelrechter Hagel auf die 7 versteckten Krieger niederprasselte. Sie steckten in der Falle!

"Was nun?", fragte Sierrana, als sie hinter einem Haus hervorschnellte und einen Dhrakon mit einem Pfeil spickte. Bevor die anderen Monster reagieren konnten, zog sie sich wieder zurück. "Keine Ahnung.", gab Icen wahrheitsgemäß zu. Sierrana und Xiantas konnten mit ihren Bögen und Pfeilen zwar einige Dhrakons zu Fall bringen, doch es waren einfach zu viele, nicht zu vergleichen mit der kleinen Vorhut im Grünblattwald. Sie befanden sich in einer Pattsituation, denn weder die 7er Truppe, noch ihre Feinde wagten sich aus ihren Verstecken, da sie sonst schöne Zielscheiben abgeben würden. Minuten vergingen ohne dass sich jemand rührte.

Dann erhob sich ein scharfer Ruf in der Menge der Dhrakons. "Bringt mir diese Mistfliegen! Der Rotdrache Enyxanshen will Rache für seinen ermordeten Bruder!" Die Stimme war kalt, voller Bosheit und Hass. Sie gehörte einem Dhrakon, der im Schatten einer Häuserwand stand. Anders als die Restlichen hatte er nachtschwarze Schuppen, die ihn regelrecht mit dem Schatten verschmelzen ließen, nur seine listigen Augen blitzten erkennbar. "Wenn Pfeile nichts nützen, nehmt die Schwerter!" Kagem und die anderen hatten keine Zeit sich über den schwarzen Dhrakon zu wundern, geschweige denn über die Tatsache, dass diese Biester scheinbar wirklich mit den Drachen zusammenarbeiteten. Denn schon im nächsten Augenblick stürmten ihnen die Dhrakons mit gezückten Waffen und einem gellenden Schrei entgegen. Es hatte keinen Sinn sich bei so einer Übermacht zu verstecken. Die 7 Kämpfer würden einzeln nur leichte Beute abgeben. Wie auf Kommando traten alle 7 aus ihren Verstecken und stellten sich genau vor die Dhrakons. Sierrana hielt sich mit gespanntem Bogen im Hintergrund, Gimpf und Pimpf zogen herausfordernd brummend ihre Äxte hervor, Xiantas, Risae und Kagem umklammerten ihre Waffen und starrten die heranrasenden Dhrakons an. Doch bevor es zum richtigen Kampf kam, sprang Icen vor sie. Er grinste lauernd. "Eis, Element der Kälte! HALTE SIE AUF!!!", schrie er und streckte seinen Stab vor sich aus, den blauen Kristall an der Spitze auf die Angreifer gerichtet. Der Kristall flammte in blauem Licht auf und im nächsten Augenblick schoss ein gleißender Strahl aus Kälte, Schnee und Eis hervor, der eine breite Schneise in die Feinde schlug. Dhrakons wurden von Eissplittern durchbohrt oder fielen eingefroren und leblos zu Boden. Furcht befiel die Kreaturen, sie wollten schon fliehen als der schwarze Dhrakon im Hintergrund schrie: "Feiglinge werden mit dem Tot bestraft! Bringt mir ihre Köpfe!"

Von ihrem Anführer überzeugt wandten sich die Monster wieder ihren Feinden zu und rasten ungehalten auf sie zu.

Icen fluchte. Der Zauberer schickte noch einige magische Eisstrahlen auf die Gegner, doch keiner war so stark wie der erste, scheinbar war die Macht des Magiers begrenzt. Seine Kameraden sahen das. Auch sie mischten sich jetzt in den Kampf ein und prallten mit der kleiner gewordenen Truppe Dhrakons zusammen. Das Klirren von Stahl und die Schreie gefallener Dhrakons erfüllte die Luft. Wie Berserker mähten die Zwergenbrüder durch die Reihen der Feinde, Risae kämpfte verbissen und Xiantas schlug mit seinem Kampfstab um sich.

Auch Kagem schwang schreiend sein Schwert, wobei der Edelstein am Griff diesmal nicht schwarz, sondern feuerrot strahlte. Mit jedem seiner Hiebe schlug der Schwertkämpfer drei vom roten Licht geblendete Feinde nieder.

Risae merkte jetzt auch den Unterschied von dem Icen gesprochen hatte. Die Dhrakons mit den roten Schuppen waren noch leichte Gegner, während sie mit vereinzelten Gelbgepanzerten ihre Probleme hatte. Nur mit Mühe konnte sie ihre riesigen Schwerter parieren und einen Treffer landen. Doch trotz allem schienen die Dhrakons erneut unterlegen. Besonders Kagem mit ,Ilashar' und Icen mit seinen magischen Angriffen schickten ihre Gegner massenhaft in den Staub.

Man hörte die wütenden Rufe des Schwarzgeschuppten, der sich bis jetzt nicht am Kampf beteiligt hatte. "Ihr Trottel! Tötet sie! Enyxanshen will sie tot sehen!" Aber auch wenn die Bestien noch so hart kämpften und ihren Gegnern mehr oder weniger schlimme Schnittwunden zufügten, sie hatten keine Chance mehr.

"Dann mach ich das eben selber! Sterbt ihr Narren!", zischte der Schwarze tödlich, bevor er einen riesigen Bogen hervor zog. Er war tief schwarz, wie sein Besitzer und mindestens auch so groß wie er. Entschlossen zielte der Dhrakon auf Kagem.

"Nein!", schrie Sierrana, als sie seine Absicht erkannte und schoss einen Pfeil auf ihn ab. Doch bevor das Geschoss seinen Körper traf, blitzte es plötzlich kurz auf und der Pfeil fiel brennend zu Boden. "Wie...?" Auch Icen feuerte jetzt seinen magischen Eisstrahl, doch auch dieser Angriff prallte kurz vor dem Schwarzen ab, als ob der Dhrakon eine unsichtbare Mauer oder ein Schutzschild um sich hatte. Die Kreatur grinste boshaft, legte seelenruhig einen schwarzen Pfeil an die Sehne und schoss ihn ab. Bevor Kagem wusste was geschah, durchfuhr ein scharfer Schmerz seine rechte Schulter und die Wucht des einschlagenden Geschosses riss ihn um. Noch im Fallen bohrte sich ein zweiter Pfeil durch seine Brust. Kagem wurde übel, alles verschwamm und er hörte nur noch die entsetzten Schreie seiner Kameraden. Dann wurde alles schwarz um ihn...
 

"NEIN!" Sierrana und Risae waren den Tränen nah, als Kagem mit einem dumpfen Schlag auf dem Boden aufschlug. Er hatte die Augen geschlossen, man konnte nicht einmal sagen ob er noch lebte. Blut trat unaufhaltsam aus den beiden Wunden, in denen die Pfeile bis zu ihren gefiederten Enden steckten. "Du Schwein...", Gimpf zitterte vor unterdrückter Wut, schlug die letzten drei Dhrakons mit einem einzigen Axtstreich nieder und raste zusammen mit seinem Bruder auf den Schwarzgeschuppten zu. Dieser grinste sichtlich amüsiert. "Das war's! Ruhe in Frieden..." Der Dhrakon ließ ein schauriges Lachen vernehmen, dass den Umstehenden einen eisigen Schauer über den Rücken laufen ließ. "Enyxanshen wird zufrieden sein! Der Narr ist tot! Der Drachentöter..." Das letzte Wort spuckte er regelrecht aus. "...war auch nicht mehr als ein kleiner Wurm! Nicht mehr lange und ich werde zusammen mit den Drachen herrschen! Ich, Negro der Dhrakonführer!" Seine Worte wurden immer lauter, bis er fast schrie. "Und auch wenn ihr die erste Schlacht gewonnen habt..." Er blickte auf die vielen erschlagenen Dhrakons, die leblos dalagen. "...den Krieg werden wir gewinnen." Der Dhrakonführer schnippte kurz mit den Fingern, legte noch eine hämische Verbeugung hin und verschwand plötzlich wie durch Geisterhand.

Verwirrt schauten sich Gimpf, Pimpf und Icen um, doch Negro blieb verschwunden. Die verzweifelten Rufe der anderen ließ sie schnell auf andere Gedanken kommen. "Kagem! Kagem! Wach auf!" Sierrana rüttelte verzweifelt an dem Schwertkämpfer, doch dieser regte sich nicht...
 

Kagem schlug die Augen auf. Und fragte sich im nächsten Augenblick ob er das wirklich getan hatte, denn um ihn herum war nur Schwärze. Er erkannte nichts, rein gar nichts. "Wo bin ich?", flüsterte der Kämpfer verwirrt. Seine Stimme klang unwirklich und hallte zwei- dreimal in seinen Ohren wieder. Unsicher lief er einige Meter durch die völlige Dunkelheit, auch das Geräusch der Schritte reflektierte sich. Seltsam war, dass er keine Schmerzen hatte obwohl er sich genau an die zwei Wunden der Pfeile erinnern konnte.

Als er noch ein Stückchen ging, konnte er vor sich einen kleinen Lichtpunkt erkennen. Kagem lief noch ein bisschen schneller und das Licht kam rasch näher. Es schien eine Art Eingang oder Tor. Mehrere schwarze Silhouetten zeichneten sich dort ab. Immer eiliger lief der Schwertkämpfer voran und entdeckte bald, dass Menschen vor dem Lichtportal standen. Als er dann das Gesicht der ersten Person erkannte, riss er ungläubig die Augen auf und hielt abrupt an. "Asyan...", flüsterte er kaum hörbar. Sein Gegenüber nickte. "Es tut mir Leid, Kagem. Du hast es nicht geschafft... Du stirbst gerade..." "WAS?" "Das hier ist die Pforte ins Jenseits..."

An der Schwelle des Todes

Kapitel X - An der Schwelle des Todes
 

"Es tut mir Leid, Kagem. Du hast es nicht geschafft... Du stirbst gerade..." "WAS?" "Das hier ist die Pforte ins Jenseits..."

Kagem versuchte das alles vergeblich unterzuordnen. Jenseits? Tod? Er erinnerte sich noch an den schwarzen Dhrakon und die Pfeile, aber sollte er wirklich gestorben sein? Verwirrt musterte er Asyan, der geduldig vor ihm stand. Seine Erscheinung wirkte echt, aber bei genauerem Hinsehen war er leicht durchsichtig. "Was... ist mit dir geschehen?" Asyan lächelte leicht. "Ich bin tot. Da hinten, das Lichttor, ist der Eingang zum Jenseits. Komm, ich kann nicht lange hier draußen bleiben. Lass uns gehen." Asyan reichte seinem Freund die Hand, doch dieser zögerte. "Ich... ich kann nicht..."
 

"Kagem! Kagem! Wach bitte auf!" Noch immer rief Sierrana verzweifelt nach dem bewusstlosen Kagem, doch dieser regte sich immer noch nicht. "Er ist ganz kalt...", brachte sie unter erstickter Stimme hervor. "Benutz deine Magie!" Icen war hinzu getreten und legte eine Hand auf die Schulter der Ain. Diese nickte eifrig. Genau wie damals im Krankenzimmer schloss sie konzentriert die Augen und murmelte unverständliche Wörter, bis eine blaue Aura ihre Hände umgab. "Heilung.", hauchte sie kaum hörbar und legte ihre Handflächen nah an die Wunden des Kämpfers, die sich daraufhin langsam schlossen.
 

"Ich kann nicht sterben." Stille trat zwischen Kagem und Asyan, keiner sagte ein Wort. Dann konnte man ein dumpfes weit entferntes Rufen wahrnehmen. Eine weibliche Stimme, die nach dem Schwertkämpfer rief. "Sie haben Angst um dich.", stellte Asyan fest. Er lächelte wieder verständnisvoll. "Scheinbar hast du gute Freunde gefunden." "Kannst du jetzt verstehen, warum ich nicht sterben darf? Ich muss helfen die Drachen zu besiegen." Sein Freund nickte, in seinen Augen lag etwas Verstehendes.

"Tja, aber dafür musst du zurück ins Leben." Wie auf Kommando durchbrach ein zartblauer Nebel die Schwärze hinter ihnen. "Du hast Glück. Hier stehst du an der Schwelle zum Tod, doch noch bist du nicht völlig gestorben. Deine Freundin kann dich noch heilen." Der blaue Nebel verdichtete sich jetzt um Kagem und zog sich immer enger. Der Blonde spürte, dass er gleich wieder zu Bewusstsein kommen würde. "Deine Zeit ist wohl noch nicht gekommen. Geh zurück zu deinen Kameraden." "Mach's gut, Asyan. Es war schön dich noch einmal sehen zu dürfen. Nicht jetzt, aber irgendwann komme ich zurück." Sein Freund nickte. "Ich werde auf dich warten. Habe nämlich nicht vor hier wegzugehen." Er grinste keck, so wie er es früher immer getan hatte. Schon im nächsten Augenblick wurde Kagem von Sierrana's Heilungsmagie zurück ins Leben gezogen.
 

Murrend öffnete Kagem die Augen. Er blinzelte ein paar Mal, bevor er in die erleichterten Gesichter seiner Gefährten sah. "Ein Glück, du lebst!" Der Kämpfer wollte sich aufrichten, doch ein scharfer Schmerz in seiner Brust ließ ihn zusammenfahren. "Bleib noch liegen." Sierrana hatte sich neben ihn gesetzt. "Die Verletzungen waren sehr schwer, deshalb braucht mein Heilzauber noch ein wenig Zeit bis er sich völlig entfaltet." Kagem tat wie ihm geheißen und legte sich wieder hin. Sein Schwert befand sich neben ihm und er beobachtete die Zwergenbrüder, die schon wieder gierige Blicke auf ,Ilashar' geworfen hatten.

Also pausierte die Truppe um sich von dem Kampf zu erholen. Sierrana behandelte die kleineren Wunden der anderen, während sich Icen neben Kagem setzte und ihm alles erzählte, was dieser durch seine Bewusstlosigkeit verpasst hatte. "Dieser Negro hilft also den Drachen...", stellte der Schwertkämpfer am Ende des Gespräches fest. Der Magier nickte. "Ich schlage vor, dass wir erstmal hier bleiben. Es lohnt nicht heute weiter zu gehen, besonders mit deinen Verletzungen." Alle stimmten ein und richteten ein improvisiertes Lager in Kagems alter, noch stehender Hütte ein, denn um die Mittagszeit herum fing es mal wieder an zu regnen. Für den Jungen war es ein merkwürdiges Gefühl wieder in seinem Haus zu stehen, nichts hatte sich verändert.

Die Flügeltüren seines Schrankes waren noch immer offen und sogar das Buch ,Monster im Eis' lag unverändert in der Ecke, genauso wie Kagem es damals dahin gepfeffert hatte. Stumm ließ er sein Blick durch das Zimmer schweifen und legte sich erschöpft auf die Strohmatte an der linken Wand. Es wurde ein wenig eng als sich schließlich insgesamt sechs Leute und ein Zentaur im Haus befanden, doch irgendwie fand jeder einen Platz wo er sich setzen konnte. Icen, Risae und Sierrana plauderten ein wenig, die anderen schauten gedankenverloren aus dem Fenster und auf das gleichmäßige Trommeln der Regentropfen. Schnell wurde es dunkel und die Truppe legte sich früh schlafen, um am nächsten Tag wieder völlig munter zu sein. Trotzdem stellten sie auch dieses Mal wieder Wachen auf.

Es musste etwa gegen Mitternacht gewesen sein, als Sierrana aus dunklen Träumen erwachte. An dem lauten Prasseln konnte man erkennen, dass es draußen noch immer regnete. Die Ain schaute sich um. Gimpf und Pimpf schnarchten lautstark vor sich hin, Xiantas lag mit angewinkelten Hufen vor dem Kamin und Risae sowie Icen lagen auf der weichen Strohmatte. Doch von Kagem fehlte jede Spur.

Ein knarrendes Geräusch ließ sie aufspringen. Die Tür stand einen Spalt breit auf und wurde von dem Wind hin und her gerüttelt. "Kagem?", flüsterte Sierrana beunruhigt.

Sie ging vorsichtig nach draußen in den strömenden Regen. "Kagem?", rief die Ain nun etwas lauter. In Sekundenschnelle war sie völlig durchnässt, besonders ihre Flügel hingen schlaff an ihrem Rücken. Sie war schon drauf und dran umzukehren und die anderen über Kagems Verschwinden zu informieren, als sie aus den Augenwinkeln eine Gestalt vor einem der groben Holzkreuze entdeckte.

Bei näherem Hinsehen konnte Sierrana ihn eindeutig als Kagem identifizieren. Er hatte ihr den Rücken zugekehrt und starrte stumm auf das Grab vor ihm. Der Regen hatte ihn völlig durchgeweicht und feine Wasserperlen tropften ihm von den Haaren. Trotzdem bemerkte er ihre Anwesenheit. "Was tust du hier?", fragte er ohne sie anzusehen. "Ich habe dich gesucht." Nervös strich sich die Ain eine nasse blonde Strähne aus dem Gesicht und trat einen Schritt näher. "Liegt... liegt hier dein Freund?" Kagem blieb lange still, bevor er kaum erkennbar nickte. "Woher...?" "Risae hat mir alles erzählt." Der Junge schwieg wieder. Lange standen die beiden im strömenden Regen ohne sich zu rühren oder etwas zu sagen.

"Nun, ich geh wohl besser wieder. Ich kann verstehen wie schwer es ist einen Freund zu verlieren, du möchtest bestimmt lieber alleine sein." Nervös wandte sich Sierrana zum Gehen, doch Kagem hielt sie zurück. "Schon gut. Ich trauere nicht mehr um ihn." Die Ain schaute ihn fragend an. "Als ich bewusstlos war, habe ich Asyan gesehen. Es geht ihm gut." Verwirrt über diese Aussage wollte Sierrana zu einer Frage ansetzen, doch Kagem brachte sie plötzlich mit einer Handbewegung zum Schweigen. "Was ist das?" Er deutete nach Westen, wo ein heller Lichtpunkt in der Grassteppe erschien. Kurz darauf folgten weitere Lichter, die über der ganzen Breite der Steppe auftraten. "Fackeln!", schrie Sierrana entsetzt. Sie verengte ihre Augen, um ihre übernatürlich gute Sehstärke ein weiteres Mal zum Einsatz zu bringen. "Dhrakons!" Kagems Gesicht verdüsterte sich und ohne weitere Worte sprintete er zurück in seine Hütte, wobei er Sierrana gestikulierte, dass sie folgen sollte. Blitzschnell riss der Junge die Tür auf, so dass sie lautstark gegen die Wand krachte und alle Schlafenden überrascht aufsprangen.

"Schnell!", trieb Kagem sie an. "Da kommt eine Truppe Dhrakons! Sie haben uns noch nicht gesehen, doch wenn das so bleiben soll müssen wir weg!" Sofort waren alle hellwach, packten hastig ihre Sachen zusammen und stürmten aus dem Haus gen Osten. "Wo müssen wir lang?", fragte Xiantas. Icen musste schreien, damit seine Antwort nicht von dem andauernden Regen verschluckt wurde. "Immer weiter nach Osten. Wir folgen einem schmalen Pfad, der im Norden und Süden von Gebirgen umringt ist! Danach kommt die Engelstadt ,Angelian'!" Er deutete nach hinten auf die nun deutlich erkennbaren Fackellichter. "Doch wir werden die Stadt erst in wenigstens 2 Tagen erreichen und in der Grassteppe sind wir ihnen hilflos ausgeliefert. Also ist unsere einzige Möglichkeit der Gebirgspass. Wir müssen uns dort verstecken und darauf hoffen, dass die Dhrakons uns nicht bemerken." "Auf keinen Fall!", protestierte Xiantas sofort. "Wenn sie ihre erschlagenen Brüder im Dorf finden, werden sie nach uns suchen. Dann wird uns alles Verstecken nichts nützen!"

"Und was tun wir dann?" "Rennen! So schnell es nur geht!" Xiantas preschte los, doch Icen war nicht wirklich überzeugt. "Das ist Wahnsinn! Die Dhrakons werden uns einholen!" "Sich verstecken ist genauso wahnsinnig!" Unweigerlich musste Icen losrennen, damit er Xiantas nicht aus den Augen verlor. Auch die anderen rasten davon. Der Magier sah sich noch einmal um, die leuchtenden Fackeln hatten jetzt das Dorf erreicht und schon im nächsten Augenblick hörte man laute Wutschreie. Die Dhrakons hatten ihre toten Artgenossen gefunden...

Icen wirbelte herum. Hektisch streckte er seinen Stab vor sich aus, die kristallene Spitze direkt auf den Boden vor ihm gerichtet. Wie beim Kampf vorhin erstrahlte der Kristall in blauem Licht. "Eiswand!", flüsterte der Zauberer und im nächsten Augenblick schoss reines Eis aus dem Ende seines Stabes. Es festigte sich über der ganzen Breite des Gebirgspasses und bildete schon bald eine meterdicke, undurchdringliche Wand.

Zufrieden nahm Icen seinen Stab wieder in beide Hände und rannte seinen vorgelaufenen Kameraden hinterher. "Das sollte sie eine Weile aufhalten..."
 

Derweil in den dunklen Tiefen einer Höhle, weit entfernt vom Dorf und dem Gebirgspass.

"Negro...", ertönte eine tiefe grollende Stimme, die die Höhle zum erzittern brachte. Der schwarzschuppige Dhrakon kniete mit gesenktem Kopf. "Ehrwürdiger Enyxanshen, der Narr, der es gewagt hat euren Bruder zu töten, schmort jetzt für seine Taten in der Hölle." Der Rotdrache, der noch ein gewaltiges Stück größer war als sein Bruder, verengte seine rot leuchtenden Augen zu schmalen Schlitzen. "Willst du mich zum Narren halten, mieser Dhrakon?" Negro blickte verwundert auf. Er konnte sich nicht erklären was Enyxanshen meinte. Der Drache ließ seine gespaltene Zunge hervorschnellen. "Ich spüre die Präsenz dieses Mensches deutlicher denn je. Er scheint nicht nur völlig gesund, sondern auch von seiner Trauer geheilt." Der schwarze Dhrakon riss entsetzt die Augen auf. "WAS? Ich habe ihm einen Pfeil mitten durch die Brust gejagt!" "Einer seiner Begleiter hat ihn geheilt..." Negro runzelte nachdenklich die Stirn, dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. "Dieses geflügelte Miststück! Sie muss ein Halbengel sein!"

Enyxanshen zischte wütend. "Du hast versagt, dummer Dhrakon! Doch ich bin umsichtig! Ich gebe dir eine neue Chance... bring mir ihre Köpfe!" Negro verbeugte sich eilig und raste hastig aus der Höhle. "Und wage es ja nicht noch einmal zu versagen!", brüllte der Rotdrache ihm noch hinterher.
 

Die Morgendämmerung brach bereits an und die ersten Strahlen der Sonne breiteten ihre Wärme aus. Die Abenteurergruppe rannte noch immer gehetzt durch eine Steppe, die der Landschaft nahe des Grünblattwaldes glich, den Gebirgspass hatten sie etwa vor 2 Stunden hinter sich gelassen.

"Ich kann nicht mehr.", keuchte Risae und fiel langsam aber sicher hinter den anderen zurück. "Stopp Leute! Kurze Pause!", rief Icen aus und alle ließen sich ohne weitere Umschweife erschöpft nieder. Sie nahmen schnell etwas Proviant aus Xiantas' umgehängten Taschen und verputzten es hastig. Nach 5 Minuten des Durchschnaufens zwang Icen sie wieder auf die Beine. Risae schien dem Kolaps nahe, sie murrte gequält etwas vor sich hin. "Xiantas? Kann ich nicht vielleicht mal... bei dir aufsteigen?" Der Zentaur sah aus als hätte das Mädchen ihn tödlich beleidigt und hob abwehrend die Hände. "NIEMALS!" Kagem sah ihre Gefährtin durchdringend an. "Risae, du fragst einen Zentauren ob du auf ihm reiten darfst?" Seine Stimme klang, als ob sie verrückt geworden wäre. "Wieso? Ist das so schlimm?"

Alle Blicke richteten sich auf sie. "Natürlich ist das schlimm.", antwortete Kagem, "Vor vielen Jahren wurden Zentauren bei Kriegen missbraucht. Man zwang sie dazu, dass sie als Reittiere dienten und meist sogar gegen die eigenen Zentaurenbrüder der Feinde kämpfen mussten. Sie wurden rücksichtslos als Werkzeuge verwendet, ohne dabei auf ihre Gefühle, geschweige denn ihre Leben zu achten." Kagem schaute Xiantas an, dessen Miene sich zusehends verfinsterte. "Deshalb legt jeder Zentaur den Schwur ab niemals zu töten oder jemanden auf sich reiten zu lassen."

Risae schwieg eine Weile. "Tut mir Leid, Xiantas. Ich-" "Schon in Ordnung. Du wusstest es ja nicht." Der Zentaur lächelte warmherzig und schenkte dem Mädchen einen aufmunternden Blick. Icen meldete sich jetzt lautstark zu Wort. "Ich will ja nicht stören, aber wir sollten uns langsam wieder in Bewegung setzen!" Erschrocken bemerkten die anderen wie sie wertvolle Zeit verschwendet hatten und rannten wieder weiter. Die Truppe lief den ganzen Tag lang, mit nur den notwendigsten 5 Minuten langen Pausen. "Wenn wir so weitermachen, könnten wir ,Angelian' sogar noch vor dem nächsten Morgengrauen erreichen." Icen's Ankündigung spornte alle noch einmal kräftig an. "Wieso befindet sich eigentlich hier eine Engelstadt? Die liegen doch normalerweise viel weiter im Süden.", fragte Sierrana im Rennen, sie atmete schwer doch rannte unermüdlich weiter. "'Angelian' ist eine Art Stützpunkt für den Krieg der Engel gegen die Dhrakons. Dieser Kampf dauert schon mindestens 5 Jahre an und es steht kein Sieger fest. Deshalb verteilen sich die Engel an strategischen Punkten." Da das Reden beim Sprinten zuviel Energie verbrauchte, konzentrierten sie sich ab jetzt nur noch aufs Laufen und redeten nicht mehr.

Als die Nacht hereinbrach und der Mond am höchsten stand, entdeckten sie zu ihrem Entsetzen viele leuchtende Fackeln hinter sich. Noch waren sie weit entfernt, doch im Laufe der Zeit machten sie mehr und mehr Raum gut. Die Dhrakons, getrieben von Wut und Hass, setzten ihnen so schnell hinterher, dass sie mit ihren donnernden Schritten eine große Staubwolke aufwirbelten.

Die Nacht neigte sich dem Ende entgegen, als Sierrana als erste die hölzernen Palisaden der Stadt ,Angelian' sah. Hohe Gebäude, teils aus Stein teils aus Holz, drängelten sich eng aneinander gereiht auf einem kleinen erhöhten Hügel, mitten in der freien Grassteppe. Wie ein Fels in der Brandung ragte die Stadt hervor und die hölzernen Wälle bildeten 3 hintereinander stehende Abwehrlinien, wie Gürtel die sich um ,Angelian' schnürten. "Schneller!", befahl Icen hektisch, wobei er seine Worte gestikulierend unterstützte. Doch das Dhrakonheer war inzwischen so nah und ,Angelian' noch so weit weg. Jeder legte seine letzten Kräfte in einen verzweifelten Sprint. Und dann sahen sie zum zweiten Mal, wie sich Sierrana in die Lüfte erhob und ihre Flügel spannte. Schnell wie ein Pfeil schoss sie auf die Stadt zu. "Ich hole Hilfe!"

Schon in wenigen Augenblicken war die Ain zu einem Punkt zusammengeschrumpft, sie hatte die Palisaden bereits erreicht. Doch es schien zu spät. Sierrana war in Sicherheit, aber die anderen würden es nicht schaffen, denn die Dhrakons waren nur noch wenige Meter von ihnen entfernt. Gimpf und Pimpf waren die ersten, die brüllend herumwirbelten und ihre Äxte zogen. Wenn sie hier und jetzt sterben sollten, würden sie es diesen Biestern nicht leicht machen. Auch Icen, Xiantas, Kagem und sogar Risae schlossen sich diesem Beispiel an. Schon im nächsten Moment waren sie von Dhrakons umringt. Rücken an Rücken kämpften die Krieger, schlugen mit ihren Waffen, parierten Schläge, verteilten Tritte und wehrten sich verbissen. Für eine Sekunde hatte Risae sogar die Hoffnung sie könnten gewinnen, doch immer wenn ein Dhrakon fiel, traten drei neue an seine Stelle. Und als ihre Arme immer schwerer wurden und ein Schwerthieb schließlich ihr Bein traf, so dass sie zu Boden stürzte, waren auch die letzten verzweifelten Hoffnungsschimmer weggeblasen. Die Schwertkämpferin schaute auf und erkannte, wie die Kreaturen einem Wesen Platz machte. Negro!

"So endet also eure kurze Reise!", zischte er hämisch. Er ließ sich Zeit, als er seinen riesigen schwarzen Bogen vom Rücken nahm, einen Pfeil an die Sehne legte und ihn direkt auf ihr Herz fixierte. Auch Risaes Gefährten waren inzwischen zu Boden gegangen. Der schwarze Dhrakonführer genoss diese Situation sichtlich. Er deutete auf 5 seiner Artgenossen, die jetzt ebenfalls ihre Bögen auf jeweils einen der am Boden liegenden Abenteurer richteten. Negro hob seine Stimme zu einem stolzen Ruf. "Hiermit verurteile ich euch, die sich gegen die Zeit der Drachen auflehnen, im Namen des Rotdrachens Enyxanshen ZUM TODE!" Er hob einen Arm und gab den Dhrakons das Zeichen zum Feuern. "Sterbt!!!", zischte er boshaft...

Angelian, Stadt der Engel

Kapitel XI - Angelian, Stadt der Engel
 

Er hob einen Arm und gab den Dhrakons das Zeichen zum Feuern. "Sterbt!!!", zischte er boshaft...
 

Risae starrte Negro fest in die kalten Augen und wartete auf den Pfeil, der sich tödlich in ihr Herz bohren würde. Doch stattdessen strahlte plötzlich ein weißer Blitz, heller als alles was sie je gesehen hatte, über das Schlachtfeld und blendete sowohl die Dhrakons, als auch die 6 Gefährten, die die Augen nicht rechtzeitig geschlossen hatten. Risae und die anderen taumelten halb blind umher, besonders Gimpf und Pimpf hörte man wütend fluchen, wenn sie gegen jemanden stießen.

"Was war das bloß?" Die Truppe versucht wild blinzelnd etwas zu erkennen, ohne Erfolg. Nur farbige verschwommene Punkte tanzten vor ihren Augen. Dann war ihnen so, als ob zarte Hände sie packten und sachte vom Boden hoben. Kagem hörte das Rauschen von Schwingen und viele helle Stimmen, die hastig durcheinander redeten. "Ich habe doch gesagt, dass ich Hilfe hole." Das war eindeutig die Stimme von Sierrana. Instinktiv bewegte sich Kagem so wenig wie möglich, als er ohne Bodenkontakt durch die Lüfte getragen wurde, seinem Gefühl nach in Richtung ,Angelian'. Unter ihm waren die wütenden Schreie der Dhrakons zu hören, darunter auch Negros eiskalte Stimme. "Verdammt! Wo sind sie? Ich sehe nichts!" Icen neben ihm lachte schadenfroh.

Sie flogen eine kurze Zeit lang, in der sich die Augen der Truppe auch langsam wieder besserten. Kagem konnte erkennen, dass jeder von ihnen von zwei geflügelten Gestalten, scheinbar Engeln, getragen und durch die Luft geflogen wurde. Sie näherten sich tatsächlich ,Angelian' und segelten schließlich über die schützenden Palisaden in die Stadt. Behutsam wurden sie dort auf dem Boden abgesetzt. Ihre Augen hatten sich nun wieder normalisiert, nur die Zwergenbrüder fluchten noch mit zusammengekniffenen Augen und schlugen sich die Köpfe an Wänden oder anderen Köpfen.

Kagem nutzte die Zeit, die die Zwerge noch brauchten, um sich ihre Retter noch einmal genauer anzusehen. Scheinbar hatten sie es hier wirklich mit richtigen Engeln zu tun, sie alle trugen silberne Rüstungen, wie auch Sierrana sie hatte und besaßen sowohl Bogen als auch Schwert. Sie waren groß gewachsen, hatten blonde oder weiße Haare und Augen in allen möglichen Farben. Am auffälligsten waren ihre Flügel auf dem Rücken, die nicht weiß waren, sondern in allen Farben glitzerten, so wie Kagem es bei Sierrana nur einmal kurz in Ciina gesehen zu hatte. Endlich beruhigten sich Gimpf und Pimpf, sahen sich erstaunt um und musterten genau wie er die Engel.

"Willkommen in ,Angelian'.", grüßte einer von ihnen, der sich vor die Gruppe positionierte. Er hatte lange Haare, die golden bis zu seiner Hüfte fielen und grüne Augen. Sein Wesen strahlte Weisheit und Stolz aus, obwohl er äußerlich erst aussah wie Anfang 20. "Mein Name ist Federnor. Ich bin der Verwalter dieser Stadt." Kagem und die anderen deuteten eine Verbeugung an, während Sierrana unbeweglich und starr neben Federnor stand. "Wir erhielten eine Botschaft über eure Aufgabe und dass ihr hier vorbeikommen würdet." Der Engel musterte jeden einzelnen von ihnen genau. "Bedankt euch bei Djin und Sierrana. Durch die Nachricht waren wir auf eure Ankunft vorbereitet und konnten deshalb schnell auf Sierranas Hilferuf reagieren."

"Was war das eigentlich für ein grelles Licht?", fragte Gimpf unhöflich dazwischen, wobei Pimpf zur Unterstützung eifrig nickte. "Genau! Was war das für üble Zauberei?" Federnor fixierte die Brüder mit seinem Blick und starrte sie eindringlich an. "Diese üble Zauberei, wie ihr sie nennt, hat euch eure winzigen Hintern gerettet." Die Zwerge sprangen empört auf ihn zu, doch bevor sie Federnor erreichten stellten sich ihnen ein Dutzend Schwerter entgegen. Mehrere Wachen hielten die Waffen drohend in der Luft und verzogen keine Miene. "Ihr solltet es euch zweimal überlegen, bevor ihr mich angreift. Immerhin haben ich und meine Leute euer Leben gerettet. Wenn es euch interessiert, mit Hilfe unser Engelskräfte."

Federnor und die Zwergenbrüder tauschten böse Blicke aus, doch letzen Endes traten Pimpf und Gimpf wieder einen Schritt zurück, so dass auch die Engelswachen ihre Schwerter sinken ließen. "Gut, wenn das geklärt ist können wir ja wieder normal miteinander reden. Meine Männer vertreiben gerade eure Verfolger, ihr müsst euch darüber keine Gedanken machen." Tatsächlich konnte man im Hintergrund das Rauschen von Schwingen, das Zischen der Pfeile, das Klirren vieler Waffen und die Schreie der fallenden Dhrakons wahrnehmen. Schon nach kurzer Zeit hörte man viele Füße die sich rasch entfernten, dann wurde es still. Die Dhrakons waren geflohen!

Fast im gleichen Augenblick kam ein weiterer Engel von der Holzpalisade geflogen, sein Schwert und der silberne Brustpanzer waren Blut beschmiert. "Federnor, die Feinde wurden erfolgreich vertrieben." "Irgendwelche Probleme?" "Keine nennenswerten." Federnor schien zufrieden und nickte anerkennend. "Dann stellt frische Wachen auf. Die anderen sollen sich ausruhen. Und stellt sicher, dass im Großgebäude 7 Gästezimmer zur Verfügung stehen." Ohne Umschweife steckte der angeschlagene Engel sein Schwert weg und folgte der Hauptstraße von ,Angelian' bis er aus ihren Blickfeldern verschwand.

"Nun gut, ich habe ebenfalls noch einiges zu erledigen." Entschuldigte sich Federnor. "Bis eure Zimmer hergerichtet sind, kann Sierrana euch ja die Stadt zeigen." Auch das Stadtoberhaupt drehte ihnen mit wehenden Haaren den Rücken zu und verließ sie, während die Truppe verwirrt auf Sierrana sah.

"Du kennst dich hier aus?" "Ja." "Aber... du hast gefragt wieso hier eine Engelsstadt steht. Wieso hast du das gefragt, wenn du die Stadt kennst?" Die Ain schwieg eine Weile und schien über ihre Antwort nachzudenken. "Diese Stadt wurde von den Engeln mit Hilfe ihrer Kräfte aus dem Süden hierher versetzt. Ihr ursprünglicher Name ist ,Nailegna' eine kleine Stadt am Rande des südlichen Engelsreiches. Ich... ich habe dort früher gelebt, bis die Dhrakons uns so stark belagerten, dass ich nach Ciina geschickt wurde um Hilfe zu holen. Doch gleichzeitig fiel ,Nailegna' unter dem Ansturm der Feinde, so dass alles was noch zu retten war bis hierher versetzt wurde."

Risae musste mal wieder feststellen, dass sie von der Welt kaum etwas wusste, zum Beispiel das Engel solch mächtige Wesen waren und mit ihren Kräften ganze Gebäude verlegen konnten. "Heißt das du kanntest auch Federnor schon vorher?" Sierrana zuckte bei diesem Namen zusammen. Sie wirkte sehr angespannt und in ihren Augen lag etwas, das Kagem nicht richtig einordnen konnte. Vielleicht Trauer, oder auch Bitternis. "Ja...", antwortete sie schließlich tonlos. Jeder merkte sofort, dass ihr der Teil mit Federnor sehr unangenehm schien, also fragte auch keiner weiter nach. Stattdessen ließen sie sich von ihr die Stadt zeigen. Sierrana führte sie über die Hauptstraße, die durch ganz ,Angelian' verlief, vorbei an dem dreifachen Abwehrring aus Palisaden und Aussichtstürmen, sowie den engen Gassen, die zwischen einzelnen Häusern waren. Die Gebäude schienen ziemlich unüberlegt angeordnet, was die Hast, in der die Engel die Stadt versetzt hatten, verdeutlichte. Am Schluss der Besichtigung führte Sierrana die Gruppe durch eine Ansammlung aus Engel und Halbengeln zu dem riesigen Gebäude in Stadtzentrum. Einfallsreicher Weise wurde es Großgebäude genannt.

Die Ain trat ohne zu zögern durch die doppelte Flügeltür aus Stein und befand sich mit den anderen nun in der Vorhalle des Hauses. Bedienstete wuselten überall umher, tauchten hinter Türen auf und verschwanden im nächsten Augenblick wieder in einer anderen. Überhaupt befanden sich überall Eingänge und Abzweige in andere Zimmer, in der Mitte des Saals schlängelte sich eine Wendeltreppe in höhere Stockwerke. Das System erinnerte Kagem an den großen Baum auf der Zentaurenlichtung. Doch hier war die Inneneinrichtung prachtvoll eingerichtet, man hätte es von Außen gar nicht erwartet.

Es verging kaum ein Augenschlag, als schon eine Art Empfangsdame auf sie aufmerksam wurde, die Gruppe ansteuerte und sich zur Überraschung aller vor Sierrana verbeugte. "Werte Herrin, die bestellten Gästezimmer sind bereits vorbereitet. Sie befinden sich im zweiten Stock." Verwundert schauten alle auf die alte Frau, sie sprach so förmlich, so verunsichert, geradezu ehrfürchtig mit Sierrana. Die Ain nickte kurz und bedeutete der Bediensteten damit, dass sie wieder ihrer Arbeit nachgehen durfte. Diese verschwand mit gesenktem Kopf in einer nahe liegenden Tür.

"Was ging denn jetzt ab? Die tut ja so, als ob Sierrana ne Heilige wäre.", stellte Icen verblüfft fest und wandte sich gleichzeitig fragend an die Geflügelte. Doch diese stieg ohne etwas zu sagen über die Wendeltreppe in den zweiten Stock. Verwirrt marschierten die anderen hinterher. "Sierrana, was hast du denn auf einmal?" Sie wirkte nicht mehr munter und freundlich wie sonst, sondern total bedrückt. Ohne ihnen noch etwas zu sagen, trat sie in das erstbeste Gästezimmer und knallte die Tür lautstark hinter sich zu. Man hörte wie sie abschloss.

"Was hat sie nur? Seit wir hier sind, ist sie so merkwürdig ruhig." Kagem starrte nachdenklich auf die Tür, die verschlossen vor ihnen stand. "Nicht dass sie so ein Depri wie unser Kagem wird." "Ich bin nicht deprimiert!" "Ja, ja...", wank Risae grinsend ab und deutete auf die restlichen Gästezimmer, die ihnen zur Verfügung standen. "Wie auch immer. Ich bin dafür, dass wir uns erstmal ausruhen. Sierrana braucht vielleicht nur etwas Zeit für sich." Alle nickten zustimmend und suchten sich eines der Zimmer aus, in das sie sich einrichteten. Als Kagem sein Gästezimmer betrat, musste er sich erstmal erstaunt umsehen. Es war mit einer Inneneinrichtung bestückt, die selbst dem Schlafgemach eines Königs würdig gewesen wäre. An den Wänden standen feine hölzerne Möbel und der Boden war mit einem weichen, überall bestickten Teppich verlegt. Den größten Teil des Raumes nahm ein gewaltiges Himmelbett, das von roten Samtvorhängen umgeben war, ein. Die Wände selbst waren weiß wie Marmor und schienen auf mystische Weise zu glitzern. Eine weitere Tür schien ins Bad zu führen, denn Risae schrie Nebenan aus ihrem eigenen Zimmer unüberhörbar, dass sie endlich wieder mal baden konnte.

Noch eine Weile stand Kagem staunend im Zimmer, dann warf er sich einfach so wie er war aufs Bett. Sie alle waren schließlich fast zwei Tage lang gelaufen ohne wirklich zu schlafen. Ehe der Schwertkämpfer auch nur seine Waffe abgelegt hatte, war er schon ins Reich der Träume entschwunden.
 

Erst am späten Nachmittag erwachte Kagem wieder. Da er sein Schwert auf dem Rücken getragen hatte, schmerzte dieser jetzt furchtbar. Stöhnend wälzte sich der Junge aus dem Bett, aber trotz allem fühlte er sich durch dieses Schläfchen unglaublich ausgeruht. Frisch gestärkt verließ Kagem sein Zimmer und traf im Flur prompt auf Xiantas, der sich mit zwei Engeln unterhielt.

"Gibt es denn keine andere Möglichkeit mich irgendwo unterzubringen?" Kagem ging noch einen Schritt näher heran und grüßte den Zentauren freundlich. "Was gibt's?" "Ach, es gibt hier einfach kein Zimmer, das für Zentauren passend wäre.", antwortete Xiantas frustriert. Sein Kamerad grinste amüsiert. "Wie wäre es in einem Stall?" Zu seiner Überraschung erhoben jetzt die beiden Engel das Wort. "Das haben wir auch schon vorgeschlagen." "Ich bin doch kein Pferd!" "Wir sind eben nicht auf Zentauren eingestellt!" "In einer Stadt sollte das aber Standart sein!" "Wir können froh sein, dass wir Teile von ,Nailegna' überhaupt noch retten konnten. Da war eben nicht jede Kleinigkeit drin!" "Kleinigkeit?!"

Die Streitenden merkten gar nicht, wie sich Kagem vorsichtig entfernte, die Wendeltreppe hinab stieg und das Großgebäude verließ. Er schlenderte einfach so durch die Straßen der Stadt und besah sich jede Kleinigkeit, die sie bei ihrer Tour gestern nicht gesehen hatten, genauer. Er hatte kein festes Ziel, sondern wollte sich einfach etwas die Füße vertreten und sich entspannen, um die düsteren Gedanken über Drachen, die Dhrakons, Negro und ihrer Reise wenigstens eine kurze Zeit lang zu vergessen.

Scheinbar hatte er nicht als einziger diese Idee, denn nach kaum 10 Minuten lief ihm Icen über den Weg. Der Magier grüßte ihn freundlich und erzählte, dass er eine Botschaft über den Verlauf der Reise an Djin geschickt hätte, um sie immer auf dem Laufenden zu halten. Zusammen machten sich die beiden wieder auf den Rückweg zum Großgebäude.

"Hast du eigentlich noch mal Sierrana gesehen?", fragte Kagem grade heraus, als sie in die Eingangshalle traten. "Nein. Sie hat sich den ganzen Tag über in ihrem Zimmer eingeschlossen. Ich frag mich echt was hier los ist." Im zweiten Stock angekommen, verzog sich Icen in die Bibliothek, die sich ebenfalls in dieser Etage befand, während der Schwertkämpfer unschlüssig auf dem Flur stand. Eigentlich wollte er einfach nur zurück in sein Zimmer gehen, doch irgendetwas sagte ihm, dass es falsch wäre. Nach reiflicher Überlegung fasste sich Kagem ein Herz und klopfte an Sierranas Zimmertür, denn er wollte endlich erfahren was mit ihr los ist. Es kam keine Antwort auf sein Klopfen, also lehnte er sich mit sanfter Gewalt gegen die Tür, die daraufhin ohne Vorwarnung lautlos aufschwang. Der Raum sah genauso aus wie sein eigener, doch Sierrana war nicht da. Nur der Wind wirbelte und spielte leicht mit den weißen Vorhängen, die an den Seiten eines offenen Fensters angebracht waren.

Sofort als er dieses große Fenster, durch das ein normaler Mensch ohne Mühe steigen konnte, sah, war ihm klar wohin sich die Ain verkrochen hatte. Vielleicht hatte Risae mit ihrer Vermutung gar nicht so Unrecht, denn Sierrana war scheinbar, genau wie er es gerne machte, auf das Dach gestiegen. Ohne viel darüber nachzudenken hielt sich Kagem am Fensterrahmen fest und bugsierte sich mit einem gewaltigen Satz aus dem Fenster direkt auf das flache Dach darüber. Der Schwertkämpfer sah sich in seiner Vermutung bestätigt, als vor ihm eine zierliche Gestalt mit zwei weißen Flügeln saß, wobei sie ihm den Rücken zukehrte. Sierrana...

Die Ain hatte seine Anwesenheit bemerkt, drehte sich jedoch nicht um. "Was willst du?", fragte sie traurig. "Wissen was mit dir los ist. Seit wir hier sind bist du so komisch." "Das geht dich nichts an!", fauchte sie plötzlich mit viel bedrohlicherer Stimme. "Wieso? Wir sind Kameraden, und Freunde. Außerdem sehe ich doch, dass dich etwas bedrückt. Also wieso sollte es mich nichts angehen?" "Verschwinde einfach!" Wieder hatte sich ihr Tonfall geändert, er klang jetzt fast flehend. "Verschwinde!" Kagem hörte nicht auf sie, sondern setzte sich einfach neben Sierrana auf die Dachkante und ließ seine Beine frei baumeln. "Sierrana, ich bin nicht gerade der Gesprächigste oder der Offenherzigste, doch ich kann gut zuhören. Wenn du reden willst, tue es einfach."

Lange saßen die Beiden nur schweigend nebeneinander ohne sich anzusehen. Dann aber seufzte die Ain. "Es ist Federnor..." "Ferdernor? Was ist mit ihm?"

Sie öffnete den Mund um zu antworten, doch heraus kam nur ein erstickter Laut. Lange überlegte sie, wie sie es richtig formulieren konnte und entschloss sich einfach zu der kurzen direkten Wahrheit. "Ich bin ihm als Frau versprochen." "WAS?" Sierrana schaute traurig in die Ferne. "Ich wollte das gar nicht. Aber er hat mir gedroht, dass er ohne meine Einwilligung meine Eltern arbeitslos machen würde. Mein Vater war ein einfacher Soldat und Mutter die Besitzerin eines kleinen Ladens. Es wäre ihm als Stadtverwalter ein Leichtes gewesen, sie auf die Straße zu schicken. Diese Vereinbarung ist abgesichert und schriftlich festgehalten. Damals als die Dhrakons ,Nailegna' angegriffen haben, nutzte ich das Durcheinander um nach Ciina zu fliehen, denn meine Eltern wohnen inzwischen in einer anderen Stadt, wo Federnor nichts zu sagen hat. Doch jetzt, wo ich unbeabsichtigt wieder hier gelandet bin... Federnor wird mich nicht noch einmal gehen lassen."

Sierrana seufzte tief und traurig, dann wandte sie sich mit flehenden Augen an Kagem. "Bitte erzähl keinem davon. Das ist meine Angelegenheit." Der Schwertkämpfer nickte verstehend. "Versprochen." Die Ain lächelte dankbar. Danach saßen sie noch eine lange Zeit auf dem Dach, schweigend und sich den Wind durch die Haare wehen lassend. "Wir sollten wieder rein gehen." Kagem stand auf und sprang mit einem geschickten Hechter durch das Fenster zurück in Sierranas Zimmer. Die Ain schwebte ihm mit Hilfe ihrer Flügel hinterher.

Kaum waren die beiden wieder im Raum, da öffnete sich schon die Tür und Icen trat herein. "Ah gut, Kagem ist auch gleich hier. Besprechung in der Bibliothek.", sagte der Magier knapp, bevor er auch schon wieder abzischte. Sierrana und Kagem tauschten fragende Blicke, dann nickten sie gleichzeitig und gingen in die Bibliothek. Der riesige Saal war mit mehreren Reihen hölzerner Bücherregale eingerichtet und ein blauer Teppich bedeckte den Boden. Auch hier bestanden die Wände aus dem glitzernden weißen Stein wie in den Gästezimmern. Eine rundliche Frau hinter dem Tresen fragten sie nach ihren Kameraden, worauf sie lächelnd in die hinterste Ecke der Bibliothek deutete. An einem der unzähligen runden Tische, die überall im Saal verstreut waren, saßen Icen, Risae, Xiantas und die Zwergenbrüder.

Sierrana und Kagem setzten sich zu ihnen und warteten gespannt auf Icen, der zwischen einigen Büchern, Briefen und Pergamentrollen grübelte. Als er merkte, dass alle 7 Krieger versammelt waren, hob er seinen Blick und musterte sie. "Schön, alle sind versammelt." Nachdenklich runzelte er die Stirn. "Ich habe eine Nachricht von Djin bekommen. Wir müssen Morgen aufbrechen." Alle schauten ihn enttäuscht an. Gimpf und Pimpf ließen ihre zwei Hühnerkeulen, die sich die beiden aus der Küche geholt hatten, entrüstet sinken. "Ja ja...", maulte Icen. "Ich weiß es wäre euch lieber noch ein wenig hier zu bleiben. Aber nach allem was Djin mir geschrieben hat, wissen die Dhrakons und die Drachen inzwischen von unserem Auftrag. Ich weiß nicht wie oder woher, aber sie wissen es." Der Magier dämpfte seine Stimme zu einem Flüstern. " Die Engel haben mit dem Krieg gegen die Dhrakons schon genug zu tun. Wir bringen diese Stadt mit unserer Anwesenheit nur unnötig in noch größere Gefahr." Nach kurzer Stille nickten alle zögernd, während Gimpf und Pimpf herzhaft in ihre Hühnerkeulen bissen. "Nun gut, packt am besten noch heute eure Sachen, damit wir im Morgengrauen aufbrechen können."

Genau in diesem Augenblick trat der Engel Federnor an ihren Tisch. "Ich will euch nicht von eurer Mission abhalten, doch Sierrana wird hier bleiben..."

erneutes Aufeinandertreffen

Kapitel XII - erneutes Aufeinandertreffen
 

Genau in diesem Augenblick trat der Engel Federnor an ihren Tisch. "Ich will euch nicht von eurer Mission abhalten, doch Sierrana wird hier bleiben..."
 

Alle Blicke legten sich auf den Stadtverwalter ,Angelian's, der sie ernst anstarrte. "Was soll das heißen?", fragte Icen verwirrt. "Das soll heißen, dass Sierrana nicht länger mit Gesindel wie euch reisen wird." Dabei schweifte Federnor über die Gruppe, die am Tisch saß und blieb unweigerlich an den Zwergenbrüdern hängen, die noch immer lautstark ihr Hühnerfleisch verzehrten. Der Engel schnaubte verächtlich, was Gimpf und Pimpf dazu veranlassten wütend aufzuspringen. "Gesindel? Wer ist hier Gesindel?", riefen sie mit vollen Mündern. "Mit eurem Verhalten habt ihr das bereits beantwortet.", meinte Federnor abfällig.

"Also, Sierrana! Komm mit!" Xiantas, der nicht wie die anderen am Tisch sitzen konnte sondern daneben stand, verschränkte die Arme und musterte den Engel genau. "Was erlaubt dir eigentlich, dass du dir die Entscheidung unserer Gefährtin anmaßt?", fragte der Zentaur, denn wie Kagem es versprochen hatte wusste er nichts von dem Gespräch auf dem Dach.

Federnor machte sich erst gar nicht die Mühe darauf zu antworten, sondern zog eine Schriftrolle aus seiner Tasche und legte sie für alle gut sichtbar auf den Tisch. Es war der Vertrag über die Ehe, in den Sierrana eingewilligt hatte. Alle Kameraden außer Kagem starrten ungläubig auf den Fetzen Papier.

"Tja, dann ist ja alles geklärt." Federnor steckte die Schriftrolle wieder ein und packte Sierrana kraftvoll am Arm. "Komm jetzt mit!" Sofort war Kagem von seinem Stuhl aufgesprungen und versperrte ihm den Weg. "Wohin bringst du sie?", fragte er wütend. "Sie kommt mit mir in den Palast des Stadtverwalters. Ich habe dort ein schönes Zimmer für sie." Obwohl es so schien, als würde Federnor nicht schlecht mit Sierrana umgehen, ließ die Ain traurig den Kopf hängen. Kagem entging das nicht.

"Hast du schon einmal daran gedacht, dass Sierrana das gar nicht will?!" "Sie wird bei mir bleiben! Sie weiß genau, dass in unserem Volk der Vertragsbruch hart bestraft wird! Jetzt geh zur Seite!" Doch Kagem rührte sich nicht. "Nun bin ich mir sicher. Du denkst überhaupt nicht an die Gefühle anderer. Schon als wir hier ankamen und du dem völlig erschöpften Engel aus dem Kampf sofort neue Aufträge zugeteilt hast, war mit klar wie herzlos du bist!" Federnor verengte seine Augen zu dünnen Schlitzen. "Junge...", flüsterte er zornig. "...du redest dich um Kopf und Kragen. Geh mir aus dem Weg!" Wieder blieb Kagem bewegungslos zwischen ihm und der Tür stehen. "Du hast es so gewollt.", zischte Federnor und im gleichen Augenblick wimmerte Sierrana verängstigt. "Kagem! Pass auf!" Doch da war es schon zu spät. Wie aus dem nichts tauchten zwei Engelswachen hervor. Die erste verpasste ihm einen Faustschlag in den Magen, der Kagem röchelnd zu Boden gehen ließ, dann trat ihm der zweite so kräftig ins Gesicht, dass der Schwertkämpfer krachend gegen das Bücherregal hinter ihm geschleudert wurde. Bücher und Holzsplitter flogen umher, während Federnor zusammen mit Sierrana und seinen zwei Wachen die Bibliothek verließ.

"Kagem!" Icen und die anderen stürmten sofort zu ihm, während er sich ächzend aus den Trümmern des Regals aufrappelte und sich das Blut aus dem Mundwinkel wischte. "Was für ein Mistkerl!", brummte Gimpf, heftig unterstützt von Pimpf. Risae besah sich die kleinen Verletzungen, die Kagem davongetragen hatte. "Bist du okay?", fragte sie besorgt. Der Junge antwortete nicht. "Was tun wir jetzt?", warf Xiantas stattdessen ein. Icen überlegte, er überlegte lange bevor sein Entschluss, so unmenschlich er auch sein mag, feststand. "Wir werden Morgen aufbrechen. Ob mit oder ohne Sierrana." Sofort brachen seine Kameraden in wildes Gebrabbel und Proteste aus. Sie wollten ihre Gefährtin auf keinen Fall hier lassen. "Ruhe!", rief Icen jetzt. "Es ist schwer, ich bin auch nicht begeistert darüber. Doch unser Auftrag geht vor. Drachen und Dhrakons sitzen uns im Nacken, wir können nicht mehr hier bleiben!" "Aber..." "Ist euch das Schicksal Sierranas mehr wert, als das der ganzen Welt?"

Darauf antwortete keiner von ihnen mehr. Sie alle ließen betrübt ihre Köpfe hängen, willigten aber schließlich in Icens Entschluss ein. Alle, bis auf Kagem. "Ihr wollt sie wirklich im Stich lassen?", fragte er wütend. Icen stellte sich genau vor ihn. "Djin hat uns diesen Auftrag auferlegt und wenn wir versagen, wird wahrscheinlich die ganze Welt von den Drachen terrorisiert. Das wird Sierrana nicht wollen! Wir sind so oder so schon viel zu lange hier!" In Kagems Augen flackerte der Zorn, wahrscheinlich musste er sich zurückhalten um nicht auf den Magier los zugehen. "Verdammt!", schrie er stattdessen, bevor er sich umdrehte und aus der Bibliothek stürmte, wobei er die Tür so stark zuschlug, dass sie fast aus den Angeln gehoben wurde. Risae wollte ihm nachsetzen, doch Xiantas legte eine Hand auf ihre Schulter und als sie ihn anschaute, schüttelte der Zentaur leicht mit dem Kopf. "Lass ihn alleine..."
 

Sierrana wurde von Federnor in ein turmähnliches Gebäude, dem Palast des Stadtverwalters, geführt. Dort angekommen brachten zwei junge Engelswachen sie höflich, aber bestimmt durch die verschiedenen Gänge zu einer großen Tür, hinter der sich ihr neues ,Zuhause' befand. Ein Zimmer von ungeheuren Ausmaßen, eingerichtet mit wertvollen Möbeln, samtenen Teppichen und den typischen weißen glitzernden Wänden. Es war groß genug um mindestens 5 Leuten ausreichend Platz zu bieten, weshalb der Raum auch ein wenig leer wirkte, denn es gab nicht genug Möbel und Dinge um alle freien Stellen zu füllen.

Die beiden Engelswachen verließen Sierrana mit gesenktem Haupt und schlossen die große Tür hinter sich. "Das ist es also.", flüsterte die Ain traurig, während sie die Inneneinrichtung der Wohnung betrachtete. Schnell verlor sie ihr halbherziges Interesse, so dass sie einen reich verzierten Stuhl ans Fenster stellte und sich hinsetzte. Ihre Flügel lagen schlaff am Rücken, ihre langen blonden Haare wehten durch den leichten Luftzug, der durch das Fenster kam, und ihre Augen starrten gedankenverloren auf die Sonne, die sich langsam in einen roten glühenden Feuerball verwandelte und am Horizont unterging.

Sierrana wusste, dass sie nicht mehr zu ihren Freunden konnte, denn Federnor war sicher schlau genug um aus ihrer ersten Flucht nach Ciina gelernt zu haben. Tatsächlich war sich die Ain ziemlich sicher, dass die zwei Engel von vorhin noch immer vor der Tür standen und Wache hielten. Sie war eingesperrt wie eine Gefangene...
 

Icen und die anderen hatten inzwischen die Bibliothek verlassen und jeder packte schweren Herzens seine Reisesachen. Sie kauften frischen Proviant, den sie in die Taschen Xiantas' verstauten und füllten ihre Rucksäcke mit gewaschener Kleidung. Den fertigen Gepäckstapel brachten sie in Icens Zimmer unter, doch Kagem hatte sich bisher noch nicht blicken lassen.

Risae machte sich noch daran, Sierranas Sachen, die noch immer in ihrem Gästezimmer lagen, herzurichten und sie zu den anderen Rucksäcken zu stellen. Auch der wertvolle Bogen und ihre silbernen Arm- und Beinschienen, sowie den Brustpanzer legte Risae dazu. "So, das wär's", stellte das Mädchen stolz fest. Sie schaute noch einen kurzen Moment traurig auf Sierrana's Gepäck, dann verabschiedete sie sich von ihren Kameraden und zog sich in ihr Zimmer zurück. Nach und nach legten sich auch die anderen schlafen. Bis auf Kagem.

Er hatte die ganze Zeit schweigend auf seinem Bett gelegen und die anderen nicht mehr gesehen. Als er hörte wie sich auch Xiantas (man hatte ihm inzwischen ein improvisiertes Lager hergerichtet) als letzter von ihnen zurückzog, stand Kagem's Entschluss fest:

Er würde Sierrana auf keinen Fall hier lassen!

Lautlos schlich der Schwertkämpfer aus seinem Bett, verließ das Zimmer und trat vorsichtig aus dem Großgebäude, hinein in die nächtliche Finsternis. Er erinnerte sich noch an Sierranas Führung, weshalb es ihm keine große Schwierigkeit war den Palast des Stadtverwalters zu finden. Am Eingang standen jeweils rechts und links zwei Engel. Es würde schwer werden ungesehen in das Gebäude zu gelangen. Allerdings hatte Kagem gelernt, dass der offensichtlichste Weg nicht immer der beste war. Die Räume und Fenster des Palastes waren alle in eine Richtung ausgelegt, was ihm sein Vorhaben sehr erleichterte: Er würde die Wand hochklettern und durch das Fenster in Sierranas Zimmer eindringen. Er wusste nicht in welchem Stock sich die Ain befand, doch da alle Fenster an der gleichen Wand waren, musste er nur jedes einzelne abklappern.

Kagem stellte sich direkt an die östliche Palastwand, ohne dabei von Engeln gesehen zu werden, und betrachtete die Klettertour auf die er sich eingelassen hatte. "Na dann...", seufzte der Schwertkämpfer und begann mit diesen Worten den Aufstieg. Zum Glück waren die Fensterbretter dicht gestaffelt, so dass er genug Halt fand...
 

Risae musste gerade erst eingedöst sein, als ein Geräusch sie aufschrecken ließ. Das ohrenbetäubende Klingeln der riesigen Stadtglocke, die nur im Notfall geschlagen werden durfte. "Alarm!", kreischte eine magisch verstärkte Stimme durch ganz ,Angelian'. "Jedes kampffähige Wesen der Stadt wird gebeten sich umgehend auf den Palisaden einzufinden!"

Mit einem Satz sprang Risae aus ihrem Bett und zog sich in Rekordschnelle ihre Kleidung an. Sie schnallte sich noch schnell ihr Schwert, das sie damals von Kagem bekommen hatte und seither behütete wie einen Schatz, an den Gürtel, bevor sie die Zimmertür aufriss und auf den Flur raste. Fast zeitgleich stürmten auch Xiantas, Icen, Gimpf und Pimpf aus ihren Schlafquartieren. "Wisst ihr was los ist?", fragte Risae beunruhigt. Icen's Gesicht verdüsterte sich. "Ich wusste es! Wir waren schon viel zu lange hier!", fluchte der Magier. "Bestimmt sind es Dhrakons oder sogar Drachen die uns töten wollen!" In den Augen der Kameraden machte sich Furcht breit, doch trotzdem waren sie bereit zu kämpfen da sie bei Feinden vor den Toren sowieso nicht so einfach aus der Stadt fliehen konnten. "Was ist mit Kagem?", fragte Risae verwirrt, denn dieser war noch nicht zu ihnen gestoßen. Xiantas öffnete die Tür vom Gästezimmer des Schwertkämpfers und sah kurz hinein, dann wandte er sich wieder den anderen zu. "Er ist nicht da!" "Was soll das heißen?" "Das Bett ist leer!" Der Zentaur dachte kurz nach. "Bestimmt ist er schon früher als wir losgelaufen! Gehen wir!"

Mit diesen Worten rannten die 5 in Richtung Palisade, schon bald umringt von Engeln und einigen anderen Wesen der verschiedensten Völker, die durch den Aufruf ebenfalls zum Abwehrring der Stadt unterwegs waren...
 

Kagem entging die Notglocke und die darauf folgende Durchsage natürlich nicht. Er hatte seine Klettertour gerade erst begonnen, und ruhte sich auf dem breiten Fensterbrett des dritten Stockwerks aus. Sein Blick schweifte nach unten auf die Straße, wo sich immer mehr Leute, vor allem Engel, sammelten und zu den Palisaden liefen. Auch die Wachen, die vor dem Palast gestanden hatten waren darunter. "Na toll, hätte ich unten gewartet, könnte ich mich durch den Eingang schleichen", maulte er genervt, doch jetzt wieder runterzuklettern wäre Wahnsinn. Als er genauerer darüber nachdachte, fiel ihm auf dass er über den Abstieg sowieso noch nicht nachgedacht hatte.

"Na super, ich kann also nur weiterklettern... oder..." Kagems Blick ruhte auf dem Fenster, das direkt vor ihm in die Wand eingelassen war. Kurz spähte er durch die Scheibe und stellte fest, dass niemand in dem dazugehörigen Zimmer war. Perfekt!

Mit einem gezielten Ellenbogenschlag hatte Kagem das Glas in seine Bestandteile zerlegt und war in den Raum gesprungen. Durch den Tumult draußen würde der Krach bestimmt nicht auffallen. Schnell durchschritt er das Zimmer, öffnete die glücklicherweise unabgeschlossene Tür und schlich sich auf den Flur. Kurz stand Kagem unschlüssig da, dann kamen ihm zwei Engel in silbernen Rüstungen von der Treppe des oberen Stockwerks entgegen. Schnell verbarg der Schwertkämpfer sein Gesicht, denn es waren die beiden Wachen, die ihn in der Bibliothek vermöbelt hatten. Sie nahmen überhaupt keine Notiz von ihm, sondern stürmten gehetzt den Gang entlang, bevor sie hinter der nächsten Biegung verschwanden.

Kagem beschleunigte seine Schritte und stieg über die Treppe hoch in das vierte Stockwerk, aus dem die Engel scheinbar hergekommen waren. Wo die Wachen gewesen waren, da war auch Sierrana. Tatsächlich erkannte er schon im nächsten Moment die große Doppeltür, bewacht von zwei jungen Engeln, die sich trotz des Ausrufes von vorhin nicht von der Stelle rührten. Hier musste Sierrana sein...
 

Icen, Risae, Xiantas, Gimpf und Pimpf hatten die hölzernen Palisaden der Stadt erreicht und meldeten sich bei einem Halbengel, der die Anwesenden zählte und jedem einen Platz auf der Mauer zuteilte. Er bot den 5 Freunden eine noch freie Stelle an der Brustwehr an, die Waffen die der Halbengel ihnen geben wollte lehnten sie jedoch dankend ab. "War Kagem schon hier? Ein Mensch, blonde kurze Haare, 17 Jahre, trägt ein Schwert auf dem Rücken?", fragte Risae noch, als sie gerade gehen wollten. Der Halbengel schüttelte geistesabwesend den Kopf, bevor er sich den anderen angekommenen Kämpfern zuwandte.

"Dann ist Kagem doch nicht vorgerannt.", flüsterte das Mädchen ihren Kameraden besorgt zu. "Wo steckt er?" "Ich habe keine Ahnung", gab Xiantas zu. ", doch darum müssen wir uns später kümmern. Jetzt wird erstmal gekämpft!" Entschlossen riss der Zantaur seinen Kampfstab in die Luft, dann galoppierte er die Rampe der Palisade, bestehend aus Holz und Steinen, empor. Die Zwergenbrüder stürmten hinterher, ihre riesigen Streitäxte gezogen, und Icen umklammerte seinen mannsgroßen Magierstab. Risae schaute nach einmal betrübt zurück, wobei sich ihr Blick auf den Palast des Stadtverwalters legte, als ob sie wüsste wo Kagem war, dann stieg auch sie auf die Brustwehr des Abwehrringes...
 

Sierrana saß immer noch traurig am Fenster. Die Notglocke im Stadtzentrum dröhnte durch das laute Klingeln, so dass die Ain schon bald ein dumpfes Rauschen in ihren Ohren wahrnahm. Sie kümmerte sich nicht darum. Vor etwa einer Viertelstunde hatte sie versucht, die Wachen zu überzeugen ebenfalls zu den Palisaden zu dürfen, doch die beiden Engel hatten sie kopfschüttelnd zurückgehalten, wahrscheinlich hätten sie wenn es sein musste sogar Gewalt angewandt.

Ein lautes Poltern, ein erstickter Schrei und zwei dumpfe Schläge, die wie zu Boden fallende Körper klangen, ließen sie auf ihrem Stuhl zusammenfahren. Dann wurde die Tür zu ihrem Zimmer quietschend geöffnet und Kagems erschöpftes Gesicht lugte herein. "Sierrana, ich komme um dich hier rauszuholen..." "Kagem? Was? Wie? Warum?", stammelte die Ain verwirrt zusammen, doch der Schwertkämpfer brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. "Wir haben keine Zeit. Bei den Unruhen werden wir erst mal unbemerkt bleiben, doch wer weiß wie lange." Der Junge schleifte die beiden Engelswachen, die er mit zwei gezielten Schlägen ins Reich der Träume geschickt hatte, direkt ins Zimmer um sie wie Staub unter das Bett zu kehren.

"Kagem, wieso tust du das?" Er hielt in seiner Bewegung inne, sah sie jedoch nicht an. "Ich würde dich für nichts auf der Welt zurücklassen!" Sierrana schoss die Röte ins Gesicht. Wie hatte er das gemeint?

"Schnell jetzt!", flüsterte er eindringlich, sah noch einmal ob der Flur draußen leer war, packte die Ain sanft aber bestimmt am Arm und rannte mit ihr zusammen aus dem Zimmer...
 

Es war kalt auf der Palisade. Der Wind pfiff eisig durch die Luft, so dass sich Risae ihren Umhang enger um den Körper wickelte. Jetzt standen sie schon mindestens zehn Minuten hier oben, ohne dass irgendjemand auch nur gesagt hatte warum sie hier waren.

Doch dann erschienen in der Dunkelheit der Nacht vor ihnen unzählige leuchtende Fackeln, genau wie die 5 Kameraden es schon damals bei ihrer Flucht erlebt hatten. Schnell kamen sie näher und waren erst in Sichtweite der Engel und Halbengel, dann konnten auch Risae und die anderen Genaures erkennen. Hunderte von Dhrakons näherten sich ihnen mit Waffen, Rüstungen und roten Drachenbildern auf schwarzen Fahnen, dem Wappen der Dhrakons. "Bewohner von ,Angelian'!", schrie eine magisch verstärkte, hasserfüllte Stimme. Negro...

"Übergebt uns die Stadt und wir werden euch am Leben lassen!" Von irgendwo her erklang nun Federnors Stimme, ebenfalls lauter als natürlich, so dass sie sogar bis in die hintersten Ecken der Palisade zu hören war. "Abschaum der Welt, verschwindet aus unseren Augen, oder sterbt!" "Sag was du willst, Federnor. Wir stehen unter dem Bündnis mit den Drachen!" Man konnte erkennen wie Negro seinen Arm zum nächtlichen Himmel streckte. Wie aus dem Nichts schossen zwei riesige Schatten, noch schwärzer als die Dunkelheit, über ihren Köpfen hinweg. Für wenige Augenblicke wurde der Ort von einer glühenden Feuersalve erhellt. In der Luft schwebten zwei hässliche, rotgeschuppte Drachen. Unter den Reihen der Verteidiger machte sich das blanke Entsetzen breit.

Risae flüsterte Xiantas ängstlich zu. "Oh mein Gott, was sollen wir tun? Es sind tatsächlich unsere Feinde. Sie wollen wohl die Engelsstadt und uns gleichzeitig vernichten. Und wo zum Henker ist Kagem, was sollen wir ohne ihn tun?" Der Zentaur brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. "Still!"

Icen murmelte einige kurze Wörter und das merkwürdige tätowierte Symbol auf seiner Stirn erstrahlte in blauem Licht. "Negro!", schrie der Zauberer jetzt ebenfalls mit magisch verstärkter Stimme. "Was erhoffst du dir davon?", fragte er wütend. "Was erhoffst du dir von den Drachen?" Man hörte das schallende Lachen des Dhrakonführers, so voller Bosheit, dass es selbst den tapfersten Kriegern einen eisigen Schauer über den Rücken liefen ließ. "Was ich mir erhoffe? MACHT! Wenn all die schwachen Völker von der Welt verschwunden sind, wenn Menschen, Elfen, Engel, Zentauren, Zwerge und all das andere Gesindel ausradiert wurde, werde ich über einen Großteil dieser Welt herrschen!" In Icen's Augen stand der blanke Hass. "Mit Drachen an deiner Seite?! Das ist Wahnsinn! Drachen sind grausame Kreaturen! Sie kennen kein Erbarmen, keine Gnade, keinen Respekt oder Verbündungen! Sie werden euch nie einen Teil der Welt überlassen!"

Negro lachte nur noch lauter, er merkte nicht wie die Augen der Drachen über seinem Kopf für eine winzige Sekunde lang hämisch aufblitzten. "Schweig, elender Narr!", schrie der Dhrakonführer ungeduldig. "Ihr wollt nicht auf uns hören, also sterbt! Los Leute, stürmen wir ,Angelian'!" Seine Untergebenen brüllten kampfeslustig. "AUF IN DIE SCHLACHT!!!"

Schlacht um Angelian

Kapitel XIII - Schlacht um Angelian
 

"AUF IN DIE SCHLACHT!!!"
 

Der Kampfschrei der Dhrakons, gebrüllt aus hunderten von Kehlen, kennzeichnete den Startschuss, auf den die Engel auf den Wällen nur gewartet hatten. "Feuer!", schrie Federnor's magisch verstärkte Stimme, so dass seine Untergebenen augenblicklich ihre Bögen spannten und eine Wolke aus Pfeilen, die hell wie kleine Kristallsplitter glänzten, abschossen. Mit tödlicher Präzision rissen die Geschosse erst Reihen der Dhrakons von den Füßen.

Doch auch die Monster zögerten keinen einzigen Moment und preschten zu den Holzpalisaden vor ihnen, ihre Fackeln triumphierend hin und her schwingend.

Federnor stand gut sichtbar auf einem erhöhten Ansichtsposten, hob die Hand und gab weitere Befehle. "Bogenschützen, Feuer!" Wieder ging ein Hagel aus Pfeilen auf die Dhrakons nieder, aber sobald einer von ihnen fiel, sprangen die anderen ungehalten über ihm hinweg und rannten einfach weiter. "Wir müssen unseren Vorteil ausspielen", rief Federnor. ",erste Gruppe Nahkämpfer, ausschwärmen!" Sofort hoben gut 50 Engel von ihren Standorten ab und bildeten eine eng gestaffelte Flugtruppe, die flügelschlagend über dem Schlachtfeld Kreise zogen, ihre leuchtenden Schwerter gezückt. Die zwei Drachen, die bis jetzt unbeteiligt am Himmel schwebten, rissen ihre gewaltigen Mäuler auf. Auch wenn sie nicht so groß waren wie der Drache aus Ciina, so standen sie ihrem großen Artgenossen in Gefährlichkeit an nichts nach. Man konnte kurz ein Geräusch wie bei einem dampfenden Kessel hören, dann spieen die Drachen ihre höllischen Feuer. Die fliegende Engeltruppe rettete sich panisch in verschiedene Richtungen, vergebens. Sie schrieen kurz vor unerträglichem Schmerz, dann fielen sie wie Steine zu Boden. Auf den Wällen herrschte das blanke Entsetzen.

Die Dhrakons hingegen, jubelten wild und erreichten mit triumphierendem Gebrüll den ersten Abwehrring aus Holzpalisaden, wo sie die Mauern mit ihren Fackeln erbarmungslos anzündeten. Das Holz knisterte und loderte durch den Wind noch zusätzlich verstärkt schon bald in glühenden Flammen. Jeder der auf ihnen stand, versuchte sich lebend in Sicherheit zu bringen. Engel flogen, von blindem Hass getrieben, den Fackel tragenden Dhrakons entgegen, Wesen anderer Völker flüchteten hektisch aus den Feuern und Federnor versuchte vergeblich Ruhe und Ordnung in die Sache zu bringen. Auch Risae, Icen, Xiantas, Pimpf und Gimpf hatten vorher auf der brennenden Palisade gestanden und befanden sich jetzt genau zwischen der Dhrakonarmee und der Vorderseite des zweiten Abwehrringes, also genau in der Falle. Viele Krieger ,Angelians' kämpften inzwischen nach Leibeskräften gegen die Kreaturen, um den zweiten Wall nicht auch noch zu verlieren. Das metallische Klirren vieler aufeinanderschlagender Schwerter zerriss die Luft. Die Zwergenbrüder waren die ersten der Kameraden, die sich brüllend den Kriegern anschlossen. "Zeit ein paar Schädel zu spalten!", schrieen die beiden wild, während sie kraftvoll mit ihren Äxten um sich schlugen.

Risae hatte Angst, lähmende Angst. Sie beneidete die beiden Zwerge für ihre entschlossene, ungestüme Art loszukämpfen. Auch sie wollte ,Angelian' verteidigen, doch ihre Beine wollten sich nicht bewegen. Kälte stieg in ihr auf, so dass sie nicht nur der Furcht wegen zitterte, bis Icen an ihre Seite schritt und beruhigend eine Hand auf ihre Schulter legte. "Das ist okay." Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. "Du bist jung und hast noch nie so eine Situation erlebt. Wenn du nicht kämpfen willst, musst du es nicht." Doch das Mädchen mochte das nicht hören und zwang sich ein grimmiges Lächeln ab. Jetzt endlich schaffte sie es, ihr Schwert aus der Gürtelscheide zu ziehen, es fest in beide Hände zu nehmen und sich den Dhrakons entgegen zu stellen. Icen lächelte, zum ersten Mal seit geraumer Zeit wieder. Seine sorglose Art war seit dem Aufbruch aus Ciina immer etwas gedämpft gewesen. "Jetzt wird gekämpft!", flüsterte er sich selber zu und griff in die lederne Tasche auf seinem Rücken. Heraus zog er ein langes Schwert. Die Tasche musste magisch verzaubert sein, denn sonst würde diese Waffe niemals darein passen. Icen grinste bei Risae's sprachlosem Gesicht. Dann warfen sie sich beide in die feindlichen Massen. Risae schwang ihr Schwert, trotz des erst kürzlich begonnen Trainings, mit erstaunlicher Schnelligkeit und streckt einen Dhrakon nach dem anderen nieder. Sie rammte ihre Waffe einem in den Körper, zog es flott wieder heraus und schlug den nächsten mit der flachen Seite ihrer Klinge gegen den Kopf, so dass dieser besinnungslos zu Boden stürzte. Der nächste musste durch einen waagerechten Hieb aufgeben.

Icen kämpfte mit Stab und Schwert an Risae's Seite, überrascht von ihrer Geschicklichkeit. Dann wandte auch er sich den Dhrakons zu, wobei er eine Schnelligkeit präsentierte, die die Feinde in lähmendes Entsetzen versetzte. Seine Bewegungen waren nur schemenhaft zu erkennen, während die Dhrakons haufenweise von Schwerthieben getroffen oder von Eiszaubern gefrostet zu Boden stürzten. Auch die meisten Engel tummelten sich inzwischen auf dem Schlachtfeld, da sie bei den Palisaden viel zu gute Zielscheiben für die Drachen abgaben. Sie hofften sich zwischen den Dhrakons schützen zu können, da die Drachen es bestimmt nicht wagen würden Feuer zu speien, wenn sie auch ihre Verbündeten treffen könnten. Weit gefehlt...

Ohne zu zögern ließen die riesigen Kreaturen am Himmel ihre Flammensalven hervor schießen und verbrannten Engel sowie Dhrakons gleicher Maßen. "Was soll das?", schrie Negros magisch verstärkte Stimme. "Passt gefälligst auf meine Männer auf!" Die Drachen sahen tückisch auf den Dhrakonführer herab, sie zögerten, aber kreisten schließlich abwartend über dem tobenden Kampf. "Verzeihung...", zischte einer der Rotdrachen mit seiner hasserfüllten Stimme, die allen das Blut in den Adern gefrieren ließ. Sogar die Dhrakons zuckten kurz zusammen. Xiantas, der sich ebenfalls in die Schlacht gestürzt hatte, sah kurz zu den geflügelten Echsen auf und es war ihm, als würden ihre Augen amüsiert blitzen. Sie schienen die Dhrakons nicht nur aus Versehen mit verbrannt zu haben.

"Kämpft weiter!", befahl Federnor von seinem Aussichtspunkt aus, er hatte jetzt sein Schwert gezogen, das in weißem Feuer glühte. "Beschützt ,Angelian'!" Der Engelführer spannte seine großen Flügel die genau wie sein Schwert grell aufblitzten und die Dhrakons blendete. Federnor schoss schnell wie ein Pfeil auf das Schlachtfeld nieder, sein Schwert ausgestreckt, die Flügel angezogen. Die Verteidiger der Stadt schlossen neuen Mut durch diese Aktion und sie kämpften mit doppelter Härte gegen die geblendeten Dhrakons. Schon nach wenigen Minuten rückte der Sieg in greifbare Nähe.

Bis Negro der Schwarzgeschuppte in das Geschehen eingriff...

In der Hand trug er ein riesiges Zweihänderschwert. Die scharfe Klinge aus schwarzem Metall leuchtete im blassen Mondlicht und der Griff war makaberer Weise aus dem Knochen eines Halbriesen geformt. Der Dhrakonführer schritt ruhig, aber unaufhaltsam durch die kämpfende Menge, er achtete nicht auf Engel oder seine sterbenden Untergebenen. Xiantas, der nicht weit entfernt stand und gerade einen Dhrakon per Kampfstabschlag in den Magen ausknockte, witterte seine Chance. Der Zentaur zog seinen Bogen aus der Halterung an seinem Pferdekörper und legte einen Pfeil auf die Sehne. "Das ist für die Zentaurenlichtung...", flüsterte er entschlossen und dachte im Zielen an seine von den Dhrakons zerstörte Heimat. Sein Auge visierte Negro's Bein an, denn egal wie sehr er diese Kreatur hasste, seine Achtung vor dem Leben verbot Xiantas ein Lebewesen zu töten.

Er schoss den Pfeil ab, doch das Geschoss ging bevor er den Dhrakonführer erreichte in Flammen auf und prallte an einer scheinbaren unsichtbaren Wand ab. "Verdammt!", fluchte der Zentaur. "Genau wie bei unserem ersten Treffen." Negro blickte ihn einen kurzen Moment lang an, ein grässliches Grinsen auf den Lippen. Dann wandte er sich wieder um, wobei Xiantas endlich auch sein Ziel erkennen konnte. Federnor, der den Engeln in der Nähe allein durch seine Anwesenheit Mut und Kraft schenkte. Die Drachen oben am Himmel zogen weiterhin ihre Bahnen, warteten ab und griffen nicht mehr an. Sie schienen das Schauspiel vor den Toren ,Angelians' inzwischen als amüsant zu empfinden. Auch Icen und die anderen kämpften an der Seite Federnors und den Engeln. Doch von Kagem fehlte immer noch jede Spur. "Ausgerechnet jetzt! Die Dhrakons sind zwar nun in Unterzahl, aber da sind immer noch zwei Drachen und Negro! Wir brauchen Kagem!"

Xiantas preschte rasend zu dem Knäuel aus Engeln, roten Dhrakons und seinen Gefährten, wobei er seinen hölzernen Kampfstab über seinem Kopf wirbeln ließ. Blitzschnell schlug er die überraschten und zum Teil noch geblendeten Kreaturen nieder. Federnor atmete schwer, rammte sein Schwert mit aller Kraft in die Hüfte eines Dhrakons und sah nur flüchtig auf, als Xiantas zu ihnen stieß. Der Engel schien die unerwartete Hilfe nicht wirklich zu erfreuen. "Jetzt ist das Gesindel, das Sierrana mitgeschleift hat, ja fast vollständig", zischte er sauer. Tatsächlich waren auch Icen, Risae, Gimpf und Pimpf unter der kleinen Gruppe von Kämpfern, die bisher noch nicht ernsthaft verletzt oder gar tot waren. Um sie herum tummelten sich Dhrakons, die hasserfüllt aus ihren Augen starrten.

"Leute...", begann Xiantas hektisch. "Negro kommt hierher! Er hat es auf Federnor abgesehen! Bringt euch in Sicherheit!" Der Zentaur wedelte wild mit den Armen, doch selbst wenn sie wollten, die übrig gebliebenen Verteidiger ,Angelians' konnten unmöglich durch den Gürtel aus Dhrakons, der sie umgab, durchbrechen. "Du solltest dir lieber um dich selbst Sorgen machen...", flüsterte eine eisige Stimme hinter ihm. Xiantas wirbelte herum und sah Negro's Zweihänder auf ihn herabsausen. Er konnte die Waffe nur mühsam mit seinem Stab parieren, doch die Klinge rutschte das ebene Holz entlang und schnitt tief in Xiantas' rechten Vorderhuf. Der Zentaur ging mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden und konnte sich nicht mehr aufrappeln. "Wie kommt er so schnell hierher?", schrie Icen verwirrt. Er starrte den Dhrakonführer durchdringend an, dann weiteten sich seine Augen im plötzlichen Verstehen. "Er beherrscht Magie...", flüsterte der Zauberer ehrfürchtig. Negro grinste breit. Er wirbelte sein Schwert in seiner Hand und plötzlich, vor aller Augen, verschwand er...

"Vorsicht! Das Vieh kann Teleport!", schrie Icen und drehte hektisch seinen Kopf um den neuen Standort des schwarzen Dhrakons auszumachen. Negro stand belustigt hinter Federnors Rücken. Alle Engel in der Umgebung wollten ihrem Führer zu Hilfe eilen, doch Federnor wirbelte herum und schlug auf den Dhrakonführer, der mühelos abwehrte. "Haltet mir die anderen Dhrakons vom Leib! Den schwarzen nehme ich! Niemand mischt sich ein!", kommandierte Federnor. Alle gehorchten und bildeten eine Mauer, die Federnor, Negro und auch die Gefährten von den Dhrakons abschnitten.

"Wie dumm...", belustigte sich Negro. "...du glaubst es alleine mit mir aufnehmen zu kön-?" Mitten im Wort wurde er von einem Eisstrahl unterbrochen, der auf ihn zuraste, jedoch wie die anderen Versuche wirkungslos verpufften. "Jetzt bin ich sicher!", kreischte Icen, der den Zauber abgefeuert hatte. "Das Vieh benutzt einen Schutzzauber vor normalen und magischen Geschossen! Also müssen wir ihn im Nahkampf besiegen!" "Was anderes bleibt uns sowieso nicht mehr übrig!", brummten Pimpf und Gimpf grimmig. Ächzend wehrte sich Federnor gegen den Dhrakonführer, doch den Schwerthieben der Kreatur hatte er nichts entgegenzusetzen. Ein halbes Dutzend Schläge konnte der Engel noch abwehren, dann, bevor jemand eingreifen konnte, bohrte sich der schwarze Stahl tief in seine Brust...

Federnor's Körper fiel mit einem dumpfen Schlag zu Boden, Blut sickerte auf die staubige Erde. Der Verwalter ,Angelians' war tot. Negro stand da, nicht keuchend, nicht erschöpft, nur ein zufriedenes Lächeln auf dem schuppigen Gesicht. "Ihr werdet alle sterben." Jedem überkam eine Panik, die alles zuvor in den Schatten stellte. Den Engeln verließ der Mut, die Gefährten starrten fassungslos auf Federnors Leiche und Risae flüsterte entsetzt. "Kagem, wo bleibst du? Wir brauchen dich hier..."
 

Sierrana und Kagem stahlen sich heimlich aus dem Großgebäude und hörten bereits von der Straße aus die Geräusche des Kampfes. Zwei riesige Gestalten am Himmel veranlassten den Schwertkämpfer dazu, seine Augen zu Schlitzen zu verengen. "Drachen!"

Sierrana klammerte sich an Kagem's Arm fest, sie hatte Angst. Er legte seine Hand beruhigend auf ihre. "Ich muss gehen. Die Leute da draußen kämpfen und leiden und sie werden die Drachen nicht besiegen können. Du hast es in Ciina gesehen. Nur mein Schwert ,Ilashar' ist dazu fähig ihnen Einhalt zu gebieten." Die Ain schluckte ihre Zweifel beiseite. "Ich komme mit." Die beiden nickten sich zu. Dann stürmten sie die Straße entlang und an der Rampe hoch auf die Palisaden. Es bot sich ein grauenvoller Anblick. Die Palisaden waren leer, der erste Abwehrring verbrannt. Auf der Ebene vor ihnen kämpfte eine kleine Gruppe von etwa 100 Dhrakons gegen eine ebenso kleine Gruppe Engel. Der Rest der einstmals riesigen Heere lag verletzt oder tot überall herum. Der Geruch von Blut hing in der Luft. Und oben am Himmel flogen noch immer seelenruhig die beiden Drachen...
 

Negro grinste hämisch, hob sein schwarzes Schwert über den Kopf und fixierte Xiantas, der noch immer am Boden lag und sich die blutende Wunde an seinem Vorderhuf hielt. "Bestelle Federnor schöne Grüße!", lachte der Dhrakonführer grausam. Er wollte seine Waffe auf den Zentauren herabsausen lassen, doch sie bewegte sich nicht. Gimpf und Pimpf hatten ihre Äxte überkreuzt und Negro's Schwert verkeilt, so dass es fest hing. Der Schwarzgeschuppte schrie wütend auf und wirbelte herum, wobei er gleichzeitig mit aller Kraft an seiner Waffe zog. Die Zwergenbrüder wurden durch die Wucht umgerissen, ihre Kampfäxte zischten meterweit davon. "Mischt euch nicht ein!", brüllte Negro hasserfüllt und gab den Zwillingen einen Tritt, der die beiden in den Staub schickte. "Ich muss etwas tun.", murmelte Icen. Der Magier formte mit seinen Händen verschiedene Zeichen, bis die Finger von einer weißen Aura umgeben wurden. "Bannspruch!" Er zielte mit seinen Handflächen auf den Dhrakonführer, der sich ein zweites Mal vor Xiantas aufgebaut hatte. Man sah eine blaue Kugel aufblitzen, die Negro umgab und von dem Bannspruch aufgelöst wurde. "Ich habe den Schutzzauber entfernt!", triumphierte Icen und starrte dem schwarzen Dhrakon herausfordernd ins Gesicht. Dieser verzog sein Gesicht, die Ader an seiner Stirn trat hervor und pulsierte bedrohlich, während er sich von dem zusammengekauerten Zentaur abwandte. "Du wagst es, MENSCH?!" Das letzte Wort spuckte er regelrecht. Er stürzte auf den Magier zu, doch Icen hatte seinen Stab erhoben und sprach einen weiteren Zauberspruch. Ein Strahl aus Eis und Schnee entfuhr der Spitze und da Negro's Schutzformel entfernt war, traf der Strahl seinen Körper wie einen Donnerschlag. Der Dhrakonführer wurde umgerissen, er rutschte ein Furche hinterlassend über den Boden. Doch schnell rappelte er sich wieder auf und raste noch wütender los, diesmal war es ihm egal wen er traf, er wollte nur noch töten. "Sterbt endlich ihr quiekenden kleinen Ratten!" Negro fixierte erneut Icen, der nicht mehr rechtzeitig reagieren konnte. Xiantas lag verletzt am Boden. Gimpf und Pimpf hatten von dem Flug das Bewusstsein verloren. Da kam plötzlich Risae von der Seite gesprungen und schlug dem Dhrakonführer mit der flachen Seite der Klinge vor die Brust, so dass sein Angriff zum dritten Mal scheiterte. Negro ächzte, erhob sich jedoch wieder und wischte sich das Blut aus dem Gesicht. "Verdammt!", keuchte er. "Helft mir gefälligst!" Sein Befehl ging an die Drachen, die gemütlich zuschauten und bei genauerer Betrachtung zu grinsen schienen. "Kämpf doch selber...", zischten die beiden. Dann taten sie etwas, womit keiner gerechnet hätte: Sie flogen einfach davon. Sie wandten ,Angelian' den Rücken zu und verschwanden am Horizont.

"Was? Bleibt hier! Wir haben ein Abkommen!", kreischte Negro wutentbrannt. "Ich hab es dir gesagt." Icen stützte sich zitternd auf seinen Stab, seine Zauber hatten viel Kraft gekostet. "Mit Drachen kann man sich nicht verbünden! Sie sind grausame Kreaturen ohne Ehre!" "HALT'S MAUL!", brüllte der Dhrakonführer. "Haltet alle das Maul! Ich brauch sie nicht! Ich töte euch alle auch ganz alleine!" In seinen kalten Augen loderte ein wahnsinniges Feuer. Er riss die Arme in die Luft, warf seinen Kopf in den Nacken und sog scharf die Luft ein. "FAHRT ZUR HÖLLE!!!" Jedes einzelne Wort betonte Negro klar und deutlich, dann ließ er seinen Kopf nach vorne schnellen und öffnete sein Maul, so dass die gelben Zähne im Mondlicht blitzten. Eine Hitzewelle schlug den Gefährten entgegen, gefolgt von einem gewaltigen Flammenstrahl.

"Er kann Feuer speien!", kreischte Risae entsetzt. Im letzten Moment konnten sie und Icen den verletzten Xiantas aus der Gefahrenzone schleppen. Der Feueratem züngelte knapp an ihnen vorbei. Pimpf und Gimpf lagen immer noch bewusstlos einige Meter entfernt. "Sterbt! Sterbt! Sterbt!" Negro schien verrückt und lachte ungehalten. Wieder setzte er zum Feuerangriff an, doch diesmal grinste er und zielte auf die regungslosen Zwergenbrüder. "Nein!" Die Zwillinge waren bewegungsunfähig. Sie konnten nicht fliehen. Sie würden verbrennen. Sie würden sterben...

Icen versuchte Negro aufzuhalten, doch der Dhrakonführer war zu weit entfernt um ihn rechtzeitig zu erreichen. Entsetzt schloss Risae die Augen, damit sie diesen Anblick nicht sehen musste, als ein Zischen die Luft durchschnitt und Negro schmerzvoll aufschrie. Die Kämpferin öffnete die Augen und sah einen weißen, gefiederten Pfeil in dem schwarzgeschuppten Arm der Kreatur stecken. Dunkles Blut benetzte den Boden. Negro warf seinen Kopf herum und starrte in die Richtung, aus der das Geschoss abgefeuert wurde. Da stand sie in ihrem schimmernden silbernen Brustpanzer, die blonden Haare mit den vereinzelten geflochtenen Strähnen wehten im Wind. Sierrana. Sie stand noch immer in der Position, in der sie den Pfeil abgeschossen hatte. "DU?", schnaubte Negro. "Schon wieder kommt mir dieses geflügelte Miststück in die Quere!"

Der Dhrakonführer war am ausrasten, jetzt waren seine Gegner schon zu sechst. Sierrana setzte einen neuen Pfeil auf die Sehne und schoss. Doch Negro legte nur gelassen seinen Kopf zur Seite, so dass der Pfeil einfach vorbeirauschte. "So einfach wird das nicht! Niemand besiegt mich!" Er hatte das letzte Wort kaum ausgesprochen, als ein Schwerthieb sein Bein traf. Es war nur ein kleiner Schnitt und er brachte ihn nicht einmal zum Schwanken. Negro wirbelte herum. "Du auch noch?"

Alle Gefährten außer Sierrana jubelten kurz überrascht auf. "Kagem! Endlich bist du da!"
 

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Puh, endlich ein neues Kapitel fertig. In letzter Zeit war in der Geschichte ziemlich viel Metzelei und Kampf, was ich in Zukunft ein wenig mehr ausgleichen möchte. Natürlich will ich auch das euch die Geschichte gefällt, also schreibt mir bitte Kommis mit Lob oder Kritik, was euch gefällt und was nicht.

Also dann, bis zum nächsten Kapitel...

Der Giftpfeil

Kapitel XIV - Der Giftpfeil
 

Alle Gefährten außer Sierrana jubelten kurz überrascht auf. "Kagem! Endlich bist du da!"
 

Da stand der Schwertkämpfer, mutig und völlig entschlossen. Icen hatte sich erschöpft gegen einen Felsen gelehnt, seine magischen Kräfte waren aufgebraucht. Xiantas lag immer noch mit dem blutenden Huf auf dem Boden. Die Zwergenbrüder waren in einigen Metern Entfernung bewusstlos geworden. "Risae.", rief Kagem seiner Gefährtin zu. "Kümmere dich um Icen und die anderen, sie können sich nicht mehr wehren wenn Negro sie angreift. Den Rest übernehme ich!" "O-okay..." Fast im gleichen Augenblick stolperte Sierrana zitternd zu Boden. "Was? Sierrana?", rief Risae verängstigt, doch Kagem beschwichtigte sie mit einer einfachen Handbewegung. "Keine Angst. Sie ist nur erschöpft, weil sie ihre Flügel benutzt hat um schneller herzukommen. Pass auf sie auf." Seine Stimme war auf einmal sehr sanft und fürsorglich. Dann wandte er sich mit blitzenden Augen zu Negro. Der Dhrakonführer lachte grausam.

"Du willst es alleine mit mir aufnehmen, Mensch?", zischte er heimtückisch. "Der Zentaur hat es versucht, der Magier hat es versucht, die Zwerge haben es versucht, Federnor hat es versucht. Und?" Er streckte stolz seine Brust heraus und bäumte sich zu voller Größe auf. "Glaubst du mehr Erfolg als sie zu haben?" "Ja.", antwortete Kagem ohne Umschweife. ,Ilashar' blitzte im schwachen Mondlicht, als es aus seiner Schwerthülle am Rücken des Schwertkämpfers gezogen wurde. Beide Gegner belauerten sich. Negro schnalzte mit seiner gespaltenen Zunge. Er hob sein schwarzes Schwert zum Angriff. Der Dhrakonführer stürmte plötzlich auf Kagem zu und ließ seine Waffe mit unglaublicher Geschwindigkeit auf ihn niedersausen. Stahl klirrte, Funken sprühten, als der Schwertkämpfer den Angriff blockte.

In Negro brodelte eine ungebändigte Wut auf, die seine Gedanken benebelte und nur noch darauf aus war, seine Feinde zu vernichten. "Jetzt sterbt doch endlich!", keifte er zwischen zusammengebissen Zähnen. Wieder schlug er zu, immer und immer wieder, doch jeder noch so harte Schlag wurde von Kagem geblockt. Der Schwertkämpfer wirbelte zur Seite um einem weiteren Hieb zu entgegen und stach nun seinerseits mit ,Ilashar' zu. Negro duckte sich unter der Klinge hindurch und riss sein gewaltiges Maul auf. Kagem wusste schon worauf das hinauslief und konnte so dem hervor schießenden Feueratem rechtzeitig entgehen. Er hechtete von den Flammen weg, um sich sofort wieder aufzurappeln und auf den Dhrakonführer zuzurasen. Negro, noch völlig unvorbereitet, wurde von Kagem's Klinge durchbohrt. Die schwarze Kreatur schrie in Todesqual, das Schwert steckte bis zum Schaft in seiner Brust. "So endet es also.", keuchte er. Auf seinem Gesicht lag ein gequältes Lächeln, als er kraftlos zu Boden fiel. Sofort bildete sich eine tiefrote Blutlache, die sich rasch ausbreitete. "Naja, immer noch besser als von Enyxanshen getötet zu werden, weil ich unfähig war." "Enyxanshen?" Kagem trat ein wenig näher und ging vor Negro in die Hocke. "Wer soll das sein?" In der Hoffnung etwas Genaueres über die Drachen zu erfahren, rutschte der Schwertkämpfer nah an ihn heran. Blitzschnell hatte der Dhrakonführer ihn mit einer seiner klauenartigen Hand gepackt. "Euer Vorhaben ist sinnlos...", hustete er mühsam, ein wenig Blut lief aus seinem Mund. "Wir wissen was ihr vorhabt. Wir wissen, dass ihr zum Götterturm wollt. Es ist so sinnlos. Völlig sinnlos. Wir werden nämlich Uto..." Das folgende keuchende Lachen schien das Letzte, was Negro je tun würde, als ihn plötzlich ein rotes Licht umgab. Kagem musste schützend die Augen schließen und als das Licht versiegte und der Schwertkämpfer wieder gucken konnte, war der schwarze Dhrakon einfach verschwunden.
 

Enyxanshen war wütend, wirklich wütend. Die Engelstadt hatte bis jetzt standgehalten und jetzt musste er auch noch diesen unfähigen Negro per Zauberspruch in seine Höhle warpen. "Warum habt ihr mich hergeholt?", keuchte der Dhrakonführer Blut spuckend. Die Stimme des Rotdrachen dröhnte in der ganzen Höhle. "Du hättest dem Menschen fast von unserem Plan erzählt... Es wäre ein zu großes Risiko gewesen. Doch da jetzt keine Verwendung mehr für dich besteht und du versagt hast, kann ich da weitermachen wo der Mensch aufgehört hat." Enyxanshen riss sein gigantisches Maul auf, ein feuriges Glimmen trat aus den tiefen seines Rachens. "Warte!", versuchte Negro zu erklären. "Es war nicht meine Schuld! Die Drachen, die du mir zur Seite gestellt hast! Sie haben mich einfach verraten und sind weggeflogen!" "Ich weiß..."

Es folgten der brennende Flammenatem und der Todesschrei des Dhrakonführers, der von dem glühenden Feuer verbrannt wurde. Dann war es wieder still in der Höhle des Rotdrachen.
 

Auf dem Schlachtfeld herrschte ein eisiges Schweigen. Jeder, egal ob Engel oder Dhrakon, hatte mitten in der Bewegung innegehalten, erstaunt über Kagem's Sieg und dem roten Licht, das Negro verschlungen hatte und nur das blutbeschmierte Schwert ,Ilashar' zurückließ. Niemand rührte sich. Niemand sprach auch nur ein Wort. Risae wagte kaum zu atmen, als alle Blicke auf Kagem ruhten, der schwer keuchend seine Waffe aufhob und sich den erstarrten Dhrakons zuwandte.

"Es ist vorbei!", rief er für jeden Einzelnen gut hörbar. "Negro, euer Führer, ist tot und ihr seit in der Unterzahl. Es hat keinen Sinn weiterzukämpfen. Geht und erzählt den Drachen, dass wir sie niemals gewinnen lassen werden." Nach diesen Worten machte sich eine Unruhe breit, ein Schnattern, das schnell zu einem empörten Kreischen anschwoll. "Dieser Mensch wagt es Negro zu töten und uns dann auch noch Befehle zu erteilen!", schrie ein Dhrakon mit grünen Schuppen. Man konnte in der Schlacht bereits die Erfahrung machen, dass die Kreaturen mit dieser Färbung speziell im Umgang mit Pfeil und Bogen ausgebildet waren.

"Das wirst du bereuen!" Ehe jemand reagierte, hatte der Dhrakon seinen Bogen von der Schulter gefischt und einen schwarzen Pfeil auf die Sehne gelegt. Dann schoss er...

Unaufhaltsam flog das Geschoss vorbei an Köpfen, an schockierten Gesichtern und verletzten Engeln, die nicht mehr die Kraft hatten sich zu wundern. Risae schrie. Die Dhrakons jubelten. Kagem sah entsetzt wie der Pfeil direkt auf seine Brust zuflog. Er spürte sein Herz rasen, das Blut rauschte in seinen Ohren und innerlich machte er sich schon auf die eintretenden Schmerzen gefasst. Doch im letzten Augenblick, indem sich Risae schon entsetzt die Hände vors Gesicht schlug, sprang eine Gestalt von der Seite heran und riss Kagem mit einem Hechter von den Füßen. Durch einen Wirbel aus Federn erkannte der Schwertkämpfer zwei weiche, weiße Flügel und lange blonde Haare. "Sierrana!"

Die Ain hatte Kagem im Sprung mit ihrem Körper abgeschirmt, allerdings landeten beide durch diese Aktion unsanft auf dem Boden. Der Schwertkämpfer stöhnte durch den harten Aufprall, gleichzeitig jedoch war er erleichtert nicht von dem Pfeil getroffen worden zu sein. Als er sich seiner Retterin zuwandte, hatte im Hintergrund wieder der Kampf Engel gegen Dhrakons angefangen. Sierrana zitterte vor Anstrengung und hatte trotzdem ein erschöpftes Lächeln aufgesetzt. "Das war knapp... Jetzt sind wir wegen Ciina damals quitt..." Kagem blinzelte verblüfft. Sie meinte den Vorfall mit dem Drachen, bei dem er sie vor dem Feueratem geschützt hatte. Sierrana errötete unter dem fragenden Blick des Schwertkämpfers, doch bevor er darüber nachdenken konnte, zuckte die Ain unter plötzlichen Krämpfen zusammen. Sie schrie vor Schmerzen auf, ihre Augen wurden trübe und starrten ins Leere. Erst jetzt erkannte Kagem, dass der auf ihn gerichtete Pfeil in ihrem Rücken steckte. Sierrana hatte ihn nicht nur gerettet, sondern auch den Angriff selbst abgefangen. Sie zitterte immer heftiger, feiner Schweiß lag auf ihrer Stirn und sie spuckte Blut. Das war keine normale Pfeilverletzung, das war... "Gift!", schrie Kagem entsetzt. "Einen Heiler! Wir brauchen sofort einen Heiler!" Auf diesen Ruf hin drehten sich einige der kämpfenden Engel um, als sie jedoch Sierrana verletzt vorfanden, wandten sie sich wieder kopfschüttelnd den Dhrakons zu. "Was soll das? Helft ihr doch!" Kagem hatte den Kopf der Ain in seinen Schoss gebetet und strich ihr geistesabwesend eine Haarsträhne aus dem mit Blut und Dreck verklebten Gesicht. Jetzt kam Icen humpelnd und auf seinen Stab gestützt zu ihnen herüber. "Man kann ihr nicht mit Heilungsmagie helfen.", krächzte er kraftlos. "Mischlinge wie Halbengel oder Halbelfen kann man nicht per Magie heilen, da sich das Vermischen verschiedener Rassen auf die für Heilungsmagie empfängliche Aura eines Wesens auswirkt.", erklärte der Magier heiser. "Wir müssen Sierrana in den Krankenflügel des Großgebäudes bringen." "Da durch?", fragte Kagem zweifelnd und gleichzeitig besorgt, während er auf die kämpfende Menge deutete, die sich zwischen ihnen und Angelian befand.

Zögernd nickte Icen. "Der Pfeil war mit einem starken Giftzauber bestückt. Wenn wir uns nicht beeilen..." Der Magier beendete den Satz nicht, jeder konnte sich seinen Teil dazu selbst denken. Icen eilte mit raschelnder Robe zu Xiantas, der noch immer verletzt am Boden lag. "Kannst du aufstehen? Wir müssen Sierrana so schnell wie möglich von hier wegbringen." Der Zentaur hielt sich verkrampft den Vorderlauf, versuchte aufzustehen und taumelte ein Stück vorwärts. Er stand mit zitternden Beinen da. "Aufstehen geht gerade so, aber laufen, geschweige denn rennen, wird schwierig. Die Wunde brennt wie Feuer..." Icen runzelte die Stirn, dann schien ihm eine Idee zu kommen und er tippte mit seinem Stab sachte auf die Wunde. Xiantas zuckte zusammen, sagte jedoch nichts. Blaues Licht ging von dem Kristall an der Spitze des Magierstabes auf den Zentauren über. "Ich habe die Wunde ein wenig gekühlt. Die Schmerzen müssten wenigstens kurzfristig nachlassen." Xiantas nickte dankend und ließ sich widerwillig Sierrana auf den Pferdeleib spannen. Es war nicht so, als ob jemand den Zentauren reiten würde, allerdings fühlte er sich wie ein Packesel. Risae und auch die Zwergenbrüder Gimpf und Pimpf, die ihr Bewusstsein wiedererlangt hatten, waren inzwischen zu ihnen gestoßen.

"Schnell jetzt!", befahl Kagem scharf. Xiantas trug Sierrana, während die 5 anderen Gefährten sie schützend umringten. In dieser Formation stürmten sie in die Masse aus Kriegern, wobei Risae, Kagem, Icen, Gimpf und Pimpf die feindlichen Dhrakons auf Distanz hielten. Sie schwangen ihre Waffen mit aller Kraft die sie noch hatten, doch ab einem bestimmten Punkt blieben sie stecken. Immer mehr Dhrakons wurden auf sie aufmerksam und wollten besonders Kagem an den Kragen, um ihren toten Anführer zu rächen. Die Situation erschien hoffnungslos, bis sich plötzlich ein großer Engel, mindestens zwei Meter groß, vor ihnen aufbaute und seine gewaltigen Schwingen ausbreitete. Er hatte stoppeliges Haar, das silbrig glänzte. Seine muskulösen Arme schwangen eine weiße Hellebarde von riesigen Ausmaßen mit solch einer Kraft, dass jeder getroffene Dhrakon mehrere Meter davon geschleudert wurde. "Wenn ihr Sierrana retten wollt, müssen wir uns beeilen. Folgt mir!", rief er ihnen mit seiner tiefen Stimme zu. Trotz der unerwarteten Hilfe des silberhaarigen Engels, kamen die Gefährten dem Stadttor nur sehr langsam näher. Zu langsam. Sierrana's Krämpfe wurden immer schlimmer, so dass Xiantas Mühe hatte sie auf sich zu halten und ihrer hitzigen Stirn nach zu urteilen bekam sie Fieber. Die Gefährten kämpften ausdauernd und obwohl es eindeutig sichtbar war, dass die Dhrakons nicht mehr gewinnen konnten, gaben sie nicht auf.

In Kagem staute sich ein unbändiger Zorn. Er war wütend wegen den Drachen. Wütend wegen den Dhrakons. Wütend, weil er zugelassen hatte, dass Sierrana verletzt wurde. Und wütend darüber, dass sie es vielleicht nicht mehr rechtzeitig schafften um sie zu retten...

Der Edelstein im Griff seines Schwertes brannte in einem roten Licht. "GEHT MIR AUS DEM WEG!!!" Die Worte schlugen wie ein Blitz ein, Ilashar entflammte im gleichen intensiven Rot wie der Edelstein. Und dann plötzlich wurden alle, wirklich alle Dhrakons in einem Umkreis von 50 Metern zu Boden gerissen, als hätte eine Schockwelle sie erfasst. Obwohl die Gefährten völlig baff waren, trieb die Sorge um Sierrana sie durch das jetzt freie Schlachtfeld weiter. Es war merkwürdig, denn nur die Dhrakons waren gestürzt, Engel standen da als wäre nichts geschehen. Hatte Kagem das bewirkt? Der Schwertkämpfer wirkte genauso verwirrt wie alle anderen, allerdings hatte sein Blick sich schnell von dem Wunder abgewandt und fixierte nur noch besorgt Sierrana's fiebriges Gesicht. Zu acht, der silberhaarige Engel mit der Hellebarde war immer noch bei ihnen, erreichten sie schließlich erschöpft das Stadttor Angelians. Der Riese rief den wenigen verbliebenen Verteidigern auf dem Tor einige schnelle Worte in der Sprache der Engel zu, woraufhin diese hastig öffneten. Die Truppe raste weiter, die Straßen entlang direkt auf das Großgebäude zu. Sie traten ein und fanden prompt eine Engelfrau, die sich ängstlich in eine Ecke gekauert hatte. Als sie jedoch sah, dass es sich bei den Ankömmlingen nicht um Feinde handelte und sie eine Verletzte bei sich hatten, rappelte sie sich auf und deutete ihnen ein kleines Zimmer. Xiantas trippelte als erstes in den Raum und legte Sierrana vorsichtig auf das darin befindliche Bett. Die Engelsfrau dachte scheinbar angestrengt nach. "Eine Ain... vergifteter Pfeil scheinbar... das wird schwierig...", murmelte sie vor sich hin, dann öffnete sie einen der hölzernen Schränke neben sich. Zum Vorschein kamen allerhand Salben, Tränke, Bandagen und einige Instrumente bei denen wohl selbst ein Dhrakon ängstlich geworden wäre.

Sie entledigte Sierrana ihres silbernen Brustpanzers und dem blauen Oberteil, wobei sich die männlichen Begleiter beschämt abwendeten. Dann legte sie ihre Patientin auf den Bauch und begann ihre Rückenwunde zu behandeln. Den Pfeil hatte Kagem bereits vorher so sanft wie möglich entfernt, Sierrana schien es nicht einmal wahrgenommen zu haben. Im gleichen Augenblick, indem die Engelfrau ihre Arbeit beendete und nicht gerade hoffnungsvoll "Den Rest muss die Zeit zeigen" sagte, versiegten am Stadttor die letzten Kampfgeräusche. Die Schlacht war gewonnen, Angelian hatte standgehalten...
 

Die helle Mittagssonne schien durch zwei gewaltige Fenster aus Marmor in die Bibliothek des Großgebäudes. Icen saß an einem der runden Holztische, den Kopf grübelnd über ein kleines Buch gebeugt. Es handelte sich um sein ganz eigenes Zauberbuch, welches von einem dünnen blauen Einband zusammengehalten wurde. Auf der Vorderseite prangte das gleiche verschlungene Symbol, das auch in Icens Stirn tätowiert war.

Der Magier versuchte wie an jedem Tag seine darin geschriebenen Zaubersprüche zu lernen, sie auswendig zu können, doch etwas unterbrach ihn immer wieder in seiner Konzentration. Es war kein rauschendes Siegesfest der Engel, ganz im Gegenteil: auf den Straßen Angelians war es totenstill. Selbst das Summen einer Fliege schien in dieser Stille unnatürlich laut zu dröhnen.

Ständig tauchten in Icens Geist Erinnerungen von der gestrigen Nacht, also direkt nach der Schlacht auf. Der Magier war nach Sierranas Behandlung auf die Straße gegangen, wo ihm auch gleich Engelskrieger, die Waffen und Rüstungen vom Blut der Feinde gefärbt, entgegen kamen. Sie trugen verwundete Halbengel, die wie Sierrana nicht geheilt werden konnten, oder Tote, mit denen sie Seite an Seite gekämpft hatten. Den Schluss bildeten 6 stämmige Krieger, sie trugen Federnors Leichnam unter einem weißen Leinentuch verborgen. Nach und nach traten Engelsfrauen und Kinder aus ihren verbarrikadierten Häusern, angelockt von diesem Zug der Trauer. Keine Freude über den Sieg stand in ihren Augen, sondern nur ein tiefes Entsetzen, das sich bei ihnen festgesetzt hatte. Viele der Anwesenden weinten, wenn sich einer der Toten als Freund, Verwandter oder Ehemann herausstellte.

Von Grauen gepackt schüttelte Icen den Kopf. Er wollte sich nicht mehr an diese schrecklichen Momente erinnern, sie am liebsten einfach vergessen. Gleichzeitig schlug er auch sein Zauberbuch zu, er würde dafür heute keine Nerven mehr aufbringen können. Immer noch saß der Schrecken fest in den Gliedern des Magiers, so dass er alle Kraft aufbringen musste um sich aus seinem Stuhl zu erheben. Er ließ sein Zauberbuch in eine der vielen Innentaschen seiner Robe gleiten, griff nach dem hölzernen Stab an seiner Seite und verließ die Bibliothek langsam.

Nun war Icen entschlossener denn je seinen Auftrag zu erfüllen, um allen anderen Völkern der Welt diese unvorstellbare Grausamkeit des Krieges zu ersparen...

Zasion der Reisende

So, ich melde mich aus meinen Aufenthälten in Mallorca und Flensburg zurück, frisch gestärkt und bereit endlich wiedermal weiterzuschreiben. Hier kommt also Kapitel 'XV - Zasion der Reisende'. Viel Spaß.
 

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Kapitel XV - Zasion der Reisende
 

Icen schritt durch den leeren Gang des Großgebäudes, nur das gleichmäßige Klopfen seines Magierstabes auf den Boden war zu hören. Die Engel der Stadt hatten sich in ihre Häuser zurückgezogen, um über Gestorbenen zu trauern, sich zu erholen oder um das Erlebte wenigstens für kurze Zeit aus ihren Köpfen zu bekommen. Seine Freunde waren wohl auch auf ihren Zimmern. Icen konnte es ihnen nicht verübeln, jeder brauchte Zeit, damit er die letzten Erlebnisse verdauen konnte. Dennoch wollte der Magier so schnell wie möglich weiterziehen, sie hatten ihren Auftrag die Rassenkugel der Drachen im Götterturm zu zerstören schon viel zu lange vernachlässigt. Seine Freunde waren ihm ans Herz gewachsen, auch Sierrana, doch sie durften nicht nur wegen ihr in Angelian bleiben und ihre Mission vergessen.

Beim Gedanken an die Ain musste Icen seufzen. Sierrana lag durch den Giftpfeil in einer Art Koma. Der Ärztin vom Vortag nach zu urteilen konnte sie jeden Augenblick aufwachen, sie könnte aber genauso in ein paar Tagen sterben. Das Gift konnte nicht vollständig aus ihrem Körper entfernt werden, alles hing von Sierranas Lebenswillen ab.

Und sie konnten einfach nicht mehr warten, dachte Icen. Heute würde er die Gefährten davon überzeugen müssen, besonders Kagem. Dieser hatte ja schon damals bei Federnor klargemacht nicht ohne die Ain zu gehen. Erst hatte sich der Magier gefragt, wieso Kagem so an Sierrana hing, doch als er dann gestern nach Sierranas Verwundung gesehen hatte mit welch sorgenvollem Blick er sie angeschaut hatte, da war für Icen alles klar gewesen.

Völlig in Gedanken vertieft merkte der Magier gar nicht, wie er sich unbewusst Sierranas Zimmer näherte. "Wenn ich schon mal hier bin...", murmelte er leise, dann öffnete er die Tür und trat ein. Sierrana lag auf dem gleichen Bett wie gestern, mit einem weißen Nachthemd bekleidet, und schlief ruhig vor sich hin. Ihre Sachen, die silberne Rüstung, Bogen und Köcher waren ordentlich in eine Ecke geräumt worden. Es überraschte Icen nicht wirklich, dass auch Kagem im Zimmer war. Der Schwertkämpfer saß auf einem Stuhl direkt neben dem Bett und sah den Magier nur flüchtig an.

"Wie geht es ihr?", fragte Icen betrübt. Kagem öffnete gerade den Mund, als eine dritte, tiefe Stimme für ihn antwortete. "Unverändert. Weder gut noch schlecht. Aber es sieht nicht so aus, als ob sie bald aufwachen würde." Es war der silberhaarige Engel, der ihnen bei der Schlacht geholfen hatte. Er hatte sich ihnen bereits gestern als ,Zasion, der Reisende' vorgestellt. Icen schloss gequält die Augen. Diese Antwort hatte er erwartet. Seine Augen fixierten Kagem. "Du weißt, wir müssen weiter und unseren Auftrag erfüllen." Der Schwertkämpfer seufzte. "Das ist mir klar. Doch wie ich schon mal gesagt habe, ohne Sierrana gehe ich nicht. Was ist, wenn wir gehen würden und sie zurückbliebe. Was ist, wenn sie hier alleine sterben würde...wegen mir..." Seine Stimme brach ab. "Ihre Verletzung ist doch nicht deine Schuld!"

"Doch!", beharrte Kagem. "Sie ist verletzt, weil sich mich geschützt hat. Ich sollte von dem Pfeil getroffen werden." Er deutete wütend auf Sierrana. Seine Stimme bebte. "Ich sollte an ihrer Stelle hier liegen!" "Hör auf! Wenn Sierrana dich hören könnte. Sie ist für dich dazwischen gegangen. Sie hat es für dich getan. Glaubst du sie würde wollen, dass du dir auch noch Vorwürfe machst?" "Aber..." "Und genauso wenig würde sie wollen, dass ihretwegen die Gruppe zerbricht und ihren Auftrag nicht beenden kann. Wir müssen zusammen bleiben!" "Trotzdem würdest du Sierrana hier lassen?!"

Zasion, der dem heranwachsenden Streit aufmerksam zugehört hatte, trat nun zwischen die beiden. "Jungs..." Der Engel hob beschwichtigend die Arme. "...jetzt beruhigt euch erst mal wieder. Ich weiß nicht worum es hier geht, doch wenn ihr unbedingt weiter streiten wollt, tut das bitte draußen." Er zeigte mit einem Daumen auf die Tür hinter ihm. Icen schüttelte den Kopf. "Nicht nötig." Der Magier wandte sich erneut an Kagem. Es tut mir leid, aber die Mission geht vor. Morgen verlassen wir Angelian." Dann, mit einem letzten traurigen Blick auf Sierrana, verließ Icen das Krankenzimmer.

Kagem ließ sich zurück in seinen Stuhl fallen, Zasion setzte sich neben ihn. "Von was hat der Magierknabe gerade geredet?" Kagem wollte zu einer Antwort ansetzen, als der Engel an dem Schwertkämpfer vorbeispähte, dessen Waffe erblickte und einen überraschten Aufschrei ausstieß. "Das ist Ilashar! Das Schwert des jungen Kriegers, der in Ciina den Drachen tötete!" Als Zasion begreifend auf Kagem starrte, wurden seine blau schimmernden Augen groß. "Du warst das? Dann seid ihr die Gruppe, die zum Götterturm gesandt wurde! Und Sierrana gehört auch dazu?" Ein wenig misstrauisch erwiderte Kagem Zasions Blick. "Woher weißt du das?", fragte er vorsichtig.

"Es gibt nicht viel, das mir verborgen bleibt." Der Engel fuhr sich stolz durch sein kurzes Silberhaar. "Ich habe überall meine Quellen und Informanten. Ich komme viel herum, bin immer unterwegs. Deshalb nennt man mich ,Zasion der Reisende'." Scheinbar wollte er noch etwas sagen, doch ein schwaches Wimmern ließen ihn und Kagem aufhorchen. Sierrana wälzte im Schlaf unruhig ihren Kopf hin und her. Ihre Stirn glühte vor Fieber, es schien ihr wieder schlechter zu gehen. Die Ain murmelte unverständlich vor sich hin und hob ihren rechten Arm ins Leere. Sanft ergriff Kagem ihre Hand, doch Sierrana schien es nicht wahrzunehmen. Ihr Wimmern schwoll zu einem Stöhnen an, bis sie regelrecht schrie, gefangen in ihren grausamen Fieberträumen.

"Hol die Ärztin!", befahl Kagem panisch. "Die Ärztin sagte, wenn das Gift wieder ausbricht, so wie jetzt, kann man ihr nicht mehr helfen.", entgegnete Zasion nicht weniger ängstlich. Sierrana schrie immer lauter, Kagem war sich sicher das es im ganzen Großgebäude zu hören sein musste. Ihre Hand verkrampfte sich schmerzhaft um die ihres Kameraden. "Wach auf. Bitte, wach auf.", flüsterte der Schwertkämpfer ruhig aber dennoch eindringlich.

Ilashar, unbeachtet in einer Ecke liegend, glühte plötzlich in rotem Licht. Kagem schloss die Augen, so dass er nicht bemerkte wie auch seine Hände rot leuchteten. Als ob sie von einem Bann befreit worden wäre, hörte Sierrana schlagartig auf zu schreien und lag ruhig in ihrem Bett. "Endlich.", murmelte Kagem erleichtert, die Hand der Ain noch immer festhaltend. Er öffnete wieder die Augen und schaute direkt auf Zasion, dessen Kinnlade vor Überraschung offen stand.

"W-wie hast du?", stotterte der Engel verwirrt. Kagem sah ihn aus verständnislosen Augen an. "Was ist los?" Zasion deutete sprachlos auf Ilashar. "Dein Schwert hat geleuchtet und dann deine Hände. Du musst sie irgendwie von dem Gift geheilt haben. Schon die Schockwelle beim Kampf gegen die Dhrakons war merkwürdig, da hat dein Schwert genauso geglüht." Kagem schien noch verwirrter als vorher. Er starrte erst auf seine Waffe in der Ecke, dann auf seine Handflächen. Alles schien normal. "Bist du sicher?", fragte er tonlos. Zasion antwortete mit einem Kopfnicken. "Darf ich dein Schwert mal sehen?", fügte der Engel noch hinzu.

Auf Kagems Wink hin nahm er Ilashar, das in dessen ledernder Scheide steckte, in die Hand. Er versuchte das Schwert aus der Hülle zu ziehen, doch zu seiner Überraschung war es wie festgeklebt. Der Engel zog und rüttelte mit aller Kraft, bis sein Gesicht anlief und die Armmuskeln sich spannten, doch nichts half. "Was zum...?", keuchte Zasion erschöpft. Kagem nahm ihm Ilashar aus der Hand.

"Tut mir Leid", entschuldigte sich der Schwertkämpfer, bevor er seine Waffe mühelos aus der Scheide zog. "Ich habe es vergessen. Bis jetzt konnte niemand außer mir dieses Schwert ziehen." Er reichte Zasion die blitzende Klinge, der Engel schien gar nicht mehr aus dem Staunen heraus zu kommen. "Also ich habe schon wirklich viel auf meinen Reisen gesehen, aber so etwas ist-" Ein neuerliches Wimmern unterbrach ihn. Kagem und Zasion mussten sofort daran denken, dass es Sierrana wieder schlechter ging. Doch bei genauerem Hinhören erkannten die beiden, dass das Stöhnen eher wie bei einem zu früh geweckten Menschen, Beziehensweise einer Ain, klang. Sierrana wachte auf! Die Ain blinzelte ein paar Mal, dann öffnete sie vollends die Augen.

Das erste was sie sah war, dass zwei Personen an ihrem Bett saßen. Zum einen Kagem mit einem erleichterten Lächeln auf den Lippen. Sie konnte bei diesem Anblick nicht anders als ebenfalls zu lächeln, obwohl sich ihr Kopf so anfühlte, wie wenn ein Zwerg fröhlich mit seinem Hammer darauf rumgekloppt hätte.

Die andere Person war ein Mann, seinen bunt glitzernden Flügeln nach zu urteilen ein Engel. Er überragte Kagem um fast zwei Köpfe und hatte kurzes silbernes Haar, das das hereinschienende Sonnenlicht reflektierte. Seine Augen leuchteten blau wie der Himmel, sein Kinn war scharf und kantig und eine kreuzförmige Narbe auf seiner Stirn, sowie erste Falten im Gesicht zeigten, dass er schon viel erlebt haben musste. Anders als andere Engel trug er keine traditionelle, weiße Kleidung, keine silberne Rüstung und keine von Engeln geschaffene Waffe, sondern ein braune Lederhose, ein helles Wolloberteil und eine Fellweste. Auf den Rücken des Engels war eine gewaltige Hellebarde geschnallt, die sichelförmige Axtklinge glitzerte genau wie seine Haare.

Sierrana erkannte ihn. Sie kannte diesen Engel. Es war "Zasion!", schrie sie überrascht. "Das wir uns so bald wieder sehen! Wie kommst du hierher?" Kagem saß völlig baff daneben. Zasion hatte nicht erwähnt, dass die beiden sich kannten. Sierrana wandte sich nun dem Schwertkämpfer zu, warf sich ihm kurzerhand um den Hals und vergrub ihr Gesicht in seiner Schulter. "Es geht dir gut. Oh den Göttern sei dank, es geht dir gut!" Sie schluchzte kurz und Kagem spürte wie ihre Tränen nass auf seine Kleidung tropften.

"Ich hatte solche Angst, dass du doch noch verletzt wirst. Wenn der Pfeil dich getroffen hätte. Ich wäre-" "Alles ist gut.", unterbrach Kagem sie sanft. Er strich ihr beruhigend durch das blonde Haar. "Nichts ist passiert. Alle sind wohlauf." Er warf einen Blick zur Tür. "Nach deinem Geschrei dachte ich, sie würden hier alle auf der Matte stehen." "Ich hab geschrieen?" Kagems Gesicht verhärtete sich. "Oh ja. Das Gift, das am Pfeil angebracht war, schien bei dir wieder ausgebrochen zu sein. Ich hatte schon Angst du würdest sterben, bis du einfach ruhig wurdest und aufgewacht bist."

"Es war das Schwert!", mischte sich Zasion ein. "Es hat rot geleuchtet und du bist aufgewacht. Ich sage dir: das Schwert ist was ganz Besonderes!" Alle Drei schauten auf das Schwert, das wieder in einer Ecke lag. Keiner von ihnen ahnte wie besonders diese unscheinbare Waffe wirklich war...
 

Kurze Zeit später trafen dann auch die restlichen Gefährten, erfreut über Sierranas Genesung, ein. Besonders Icen war darüber zutiefst erleichtert. Die Anderen wussten nichts von seiner Entscheidung Sierrana zurück zu lassen, das war eine Sache die Kagem, Zasion und er im stummen Einverständnis für sich behielten. "Jetzt will ich aber wissen woher ihr euch eigentlich schon kennt.", entschied Kagem als sich alle im Zimmer versammelt hatten und wandte sich an Sierrana und Zasion. "Das ist ganz einfach.", erklärte der Engel. "Sierrana lief mir während einer meiner endlosen Wanderungen über den Weg. Sie war auf dem Weg nach Ciina. Ich habe sie eine Weile lang begleitet. In Gesellschaft reisen ist einfach schöner als alleine. Und mein Reiseziel ist sowieso nie wirklich festgelegt."

Sierrana nickte bestätigend. "Und was hast du danach gemacht?" "Reisen. Bis hierher." "Und was machst du jetzt?" "Reisen. Ich darf nicht lange in Angelian bleiben." Das aufmerksame Auge von Kagem oder auch Xiantas konnte Trauer in seinem Gesicht ablesen. Wenn auch nur ganz kurz, denn der Engel ließ erst keine Zeit um darüber nachzudenken. "Wenn wir schon dabei sind. Ihr wollt zum Götterturm, richtig? Wie wäre es wenn ich euch begleite? Ich wollte sowieso weiter in den Osten." Niemand hatte etwas gegen einen weiteren Heiler und Kämpfer einzuwenden und da Zasion ehrenhaft schien, war sein Vorschlag auf Anhieb angenommen.

Den restlichen Tag lang verbrachten die Acht jeweils auf unterschiedliche Weise. Sierrana musste noch zur Aufsicht etwas länger im Bett liegen bleiben, Zasion und Kagem leisteten ihr Gesellschaft. Der Engel und die Ain erzählten von ihrer damaligen Reise nach Ciina, während Sierrana und Kagem ihre bisherigen Abenteuer schilderten. Wie sie den Drachen in Ciina besiegten, von ihrer Abreise, vom ersten Kampf bei der zerstörten Zentaurenlichtung, der Schlacht in Kagems altem Dorf, von Negro dem Dhrakonführer und ihrer Flucht nach Angelian. Kagem erzählte sogar von seinen Erlebnissen an der Schwelle des Todes, eine Geschichte die selbst Sierrana neu war.

Risae hatte sich schon früh zurückgezogen, um wieder mit Xiantas den Schwertkampf zu trainieren. Auf ihre Bitte hin stieß auch Icen zu ihnen, um eine kurze aber beeindruckende Vorstellung mit seinem Schwert hinzulegen. Wo sich Gimpf und Pimpf rum trieben wusste keiner, vielleicht schärften die beiden irgendwo ihre heißgeliebten Äxte. (In Wirklichkeit hatten sich die beiden Zasions Hellebarde ,ausgeliehen', damit sie diese tolle Schmiedearbeit in ihrem Zimmer begutachten konnten.)

Der Tag neigte sich dem Ende entgegen und die Gefährten gingen früh zu Bett, denn am nächsten Morgen wollten sie frisch gestärkt aufbrechen. Sie wollten Angelian so schnell wie möglich hinter sich lassen. Nach Federnors Tod war der Vertrag, der Sierrana festhielt, verfallen. Sie wussten ja nicht, dass sie von einem viel größeren Grauen erwartet wurden...
 

Kagem erwachte spät an diesem Morgen. Es war nicht seine Art, er war eigentlich ein Frühaufsteher und beobachtete die ruhige, schöne Morgendämmerung. Doch diesmal stand die Sonne schon hoch am Himmel, ihre Strahlen fielen durch das Zimmerfenster auf sein Gesicht. Kagem fühlte sich wie erschlagen. Sein Kopf dröhnte, die Glieder waren völlig kraftlos und seine Augenlieder so schwer wie Blei. Fast im gleichen Augenblick indem er aufwachte, klopfte es draußen an der Zimmertür. "Hier ist Sierrana.", erklang die helle, zarte Stimme der Ain. "Kommst du langsam mal? Alle sitzen schon beim Frühstück." Als Antwort bekam sie nur ein gequältes Stöhnen. "Mein Gott, was treibst du denn so lange?" Sierrana ging es offensichtlich wieder blendend. Voller Tatendrang öffnete sie die Tür und trat ein. Ihre Augen wurden groß.

"Du liegst noch im Bett?", fragte sie ungläubig. "Ich finde Kagem den Schwertmeister schlaftrunken in seinem Zimmer? In welchem Traum bin ich hier gelandet?" "Witzig...", krächzte Kagem mühsam, während Sierrana grinsen musste. "Jetzt komm schon", maulte die Ain mit gespieltem Ernst. "Alle warten." "Mir geht es nicht so gut." "Ach komm schon." Sie trat an sein Bett, packte seinen Arm und half ihm sich aus dem Bett zu quälen. "So und jetzt werf dir ein bisschen Wasser ins Gesicht und zieh dich an. Ich gehe schon vor. Aber sei in 10 Minuten da sonst..." Sie beendete die Drohung nicht, denn sie wusste, dass sie Kagem nie etwas Fieses antun könnte oder wollte. Dazu mochte sie ihn zu sehr. Viel zu sehr.

Sierrana spürte wie sie errötete, wie so oft in seiner Gegenwart. Schnell schob sie Kagem mit dem Rücken zu ihr ins Bad, hoffend dass er es nicht bemerkt hatte. Dann lief sie eilig aus dem Zimmer. "Beeil dich!" Der Schwertkämpfer torkelte mühsam zu der bereitstehenden Wasserschale im Bad und spritzte sich wie befohlen etwas Wasser ins Gesicht. Er spürte das frische kühle Nass auf seiner Haut und seine Lebensgeister erwachten mit einem Schlag. Die Müdigkeit, die Trägheit, die Schwere, alles verschwand aus seinem Körper. Zurück blieb nur ein mulmiges Gefühl wegen dieser Müdigkeitsattacke, die ihn nachdenklich stimmte.

Wie Sierrana es verlangt hatte, trat Kagem zehn Minuten später in den Esssaal, den einige Engel für sie vorbereitet hatten. Die gesammelte Mannschaft saß schon am Tisch und verschlang fröhlich das Frühstück. Kagem setzte sich auf den freien Stuhl zwischen Sierrana und Icen und griff sich eine Scheibe Brot mit Käse. "Endlich auf den Beinen?", neckte ihn die Ain zu seiner Linken. "Ja..." "Was war denn los?", fragte Gimpf über den Tisch hinweg. Sein Bruder beschäftigte sich intensiv mit der Platte voller kalter Braten. "Nichts... nur übermüdet..."

"Na dann ist ja gut...", murmelte Gimpf, der sich jetzt ebenfalls eine Hühnerkeule in den Mund schob. "Ach, ehe ich es vergesse." Der Zwerg schmatzte kräftig und schluckte das Fleisch mit einem genießerischen Blick herunter. "Zasion, deine Hellebarde liegt noch bei uns im Zimmer. Du kannst sie dir nach dem Essen abholen." Der Engel, der rein haute als wenn es um sein Leben ginge, schaute die Zwillinge fassungslos an. "Ihr hattet sie? Ich hab das ganze Haus auf den Kopf gestellt!" Pimpf kicherte und klopfte seinem Bruder auf die Schulter. "Alleine wegen der tollen Schmiedearbeiten überall hat sich die Reise gelohnt."

Zasion schüttelte nur verständnislos den Kopf und begann wieder alles Essbare vom Tisch in sich reinzustopfen. "Mein Gott, du musst ja fast einen Hungertod gestorben sein.", murrte Sierrana erstaunt. "Naja" Zasion grinste. "Ich bin von Ciina über die nördliche Grenze des Engelreiches bis hierher gewandert. Ohne Proviant hat sich das ganze ein wenig schwierig erwiesen." "Wieso hattest du keinen Proviant dabei?" "Vergessen." "Vergessen? Was bist du für ein Reisender, wenn du ohne Proviant losziehst? Wie hast du bis heute überlebt?"

Zasion grinste noch ein wenig breiter. "Das ging schon irgendwie." "Apropos Proviant.", schaltete sich Risae ein. "Was nehmen wir für unsere weitere Reise mit?" "Brot, gesalzenes Fleisch, Trockenfisch und getrocknete Früchte. Dazu natürlich noch unsere Wasserschläuche.", zählte Icen auf. Er verzog ein wenig enttäuscht das Gesicht. "Die Engel haben uns nicht mal aus Dankbarkeit etwas geschenkt. Ich musste alles kaufen." Der Magier warf einen ledernen Beutel aus dem es ein wenig klimperte auf den Tisch. "Wir haben kaum noch Goldmünzen. Ab jetzt also sparsam damit umgehen. Ich kann zwar verstehen, dass die Bewohner Angelians jede Münze für den Wiederaufbau ihres Verteidigungsringes brauchen, trotzdem ärgerlich..."

Die Gefährten beendeten nach einer Weile das Frühstück, jeder genoss noch einmal ruhig und ausgiebig gegessen zu haben, wahrscheinlich das letzte Mal für einige Zeit. Besonders Risae war darüber tief betrübt, sie maulte den ganzen Morgen vor sich hin. Nach und nach hatte jeder aus der Truppe sein Gepäck geschultert und seine Waffen aufgeschnallt, sie waren Abreisefertig.

Um etwa 10 Uhr morgens ließ die 8er Truppe Angelian hinter sich und reiste weiter nach Osten.

Icen's Bürde

Kapitel XVI - Icen's Bürde
 

Um etwa 10 Uhr morgens ließ die 8er Gruppe Angelian hinter sich und reiste weiter nach Osten.
 

Der Tag war schwül und die Grassteppe vor ihnen eben, so dass sie schnell voran kamen. Die bedrückende Stimmung, die in Angelian geherrscht hatte, viel von ihnen ab. Sie wanderten voll frischer Zuversicht, redeten nebenher und hatten den quicklebendigen Zasion schnell als einen von ihnen anerkannt. Nur Icen lief ein wenig bedrückt neben der Gruppe her.

Ehe sie sich versahen brach auch schon die Nacht herein und die Gefährten schlugen schnell ihr Lager auf. Gimpf zauberte aus seinem Rucksack zwei Feuersteine hervor, mit denen er aus gesammelten Ästen ein gemütliches Lagerfeuer entzündete. Die Truppe nahm etwas Proviant aus Xiantas' Satteltaschen zu sich, dann verstummten langsam die einzelnen Gespräche und alle bis auf Kagem und Icen legten sich schlafen. Die beiden jungen Kämpfer hatten sich bereit erklärt die erste Wache zu übernehmen, denn da sie es sich nicht leisten konnten überrascht zu werden, setzten sie jetzt Doppelwachen ein. Icen hatte sich im Schneidersitz niedergelassen, seinen Stab im Schoß gebettet, während Kagem sein Schwert begutachtete.

"Ich frage mich ob es wirklich besondere Fähigkeiten hat, wie Zasion gesagt hat. Was meinst du?", fragte der Schwertkämpfer nachdenklich. Icen schwieg. "Icen?" Der Magier regte sich nicht und starrte geistesabwesend in die knisternden Flammen des Lagerfeuers. "Icen?" "Was?", schreckte er auf. Sein Blick wanderte zu Kagem. "Tut mir Leid...hast du was gesagt?" Die beiden Jungen starrten sich stumm an, der Schwertkämpfer hob fragend die Augenbrauen. "Was ist los mit dir, Icen? Du bist schon den ganzen Tag so weggetreten." "Nichts...", beteuerte der Magier, doch sein anschließendes Seufzen bewies, dass doch etwas los war. "Komm sag schon." Icen seufzte erneut.

"Es ist nichts... Mir kommen einfach ein paar Zweifel über unseren Auftrag." "Wieso?", fragte Kagem ehrlich verblüfft. Sonst war es doch immer der Magier, der sie unermüdlich weiter trieb und die Mission über alles stellte. "Es sind die Ereignisse in Angelian. Sie haben mir gezeigt wie groß und nah die Bedrohung der Drachen und Dhrakons schon ist. Machen wir uns nichts vor. Hätten die zwei Drachen Negro nicht verraten, wäre die Stadt gefallen. Und selbst jetzt ist Angelian so geschwächt, dass ein zweiter Angriff alles überrennen würde." Kagem senkte den Kopf. Icen hatte Recht. Auch der Schwertkämpfer hatte diese Gedanken schon gehabt. Doch der Magier redete weiter, scheinbar konnte er endlich seine Seele erleichtern.

"Ich mach dir nichts vor, Kagem. Wir haben nicht mal ein Viertel unserer Strecke geschafft. Vielleicht wird alles schon zu spät sein, wenn wir den Götterturm erreichen." Icen raufte sich mit den Händen durch die Haare, zum ersten Mal war echte Verzweiflung in seinen Augen. Kagem saß still da. Er wollte dem Magier sagen, dass alles gut wird, dass sie es schon schaffen werden. Doch war er sich dessen überhaupt selbst sicher? Schon seit Ciina brannte ihm eine Frage auf der Seele, die er bisher nicht zu stellen gewagt hatte. Konnte er es jetzt?

"Icen...ich denke schon lange darüber nach und verstehe etwas nicht ganz." Er machte eine kurze Pause. "Wenn wir beim Götterturm sind... Wie zerstören wir die Rassenkugel der Drachen? Wie kommen wir überhaupt rein?" "Mit meiner Magie.", antwortete Icen platt, doch Kagem spürte, dass das nicht alles war. "Wirklich? Ist das alles? Kann jeder dahergelaufene Magier in den Turm spazieren und eine ganze Rasse auslöschen?"

"Natürlich nicht!" "Wie geht es dann? Erzähl es mir! Opferst du uns vielleicht? Oder hast du Macht von der wir nichts wissen?" Die beiden jungen Männer starrten sich fast feindselig an. Es war wie bei ihrem Streit in Sierranas Krankenzimmer. Icen musste einsehen, dass Kagem beide Male Recht hatte. Bei genauerem Hinsehen stellte der Magier fest, dass in seinen Augen einfach nur Sorge um seine Gefährten stand.

"Es ist nichts dergleichen." Icen brach ab und fuhr sich mit der Zungenspitze nervös über die trockenen Lippen. Konnte er es Kagem erzählen? Es ihm anvertrauen? Ein Blick in dessen Gesicht brachte die Antwort: JA! Vielleicht war Kagem sogar der Einzige der es für sich behalten konnte, der Einzige mit dem er seine Bürde teilen konnte.

"Der Weisenrat und die Elementargilde Ciinas beinhalten die mächtigsten Magier der Welt. Sie wussten, man kommt nur mit ungeheurer Macht in den Götterturm, einer Macht die nicht einmal der Erzmagier besitzt. Also verbanden die 10 mächtigsten Magier Ciinas ihre Kräfte und schlossen diese in ein Amulett ein."

Icen zog eine dünne Goldkette, die Kagem nie zuvor gesehen hatte, unter seine Robe hervor. Ein faustgroßer, schmuckloser Anhänger in Form eines Zehnecks hing daran. "Du willst mir erzählen...?", krächzte Kagem fassungslos. Icen nickte. "Es ist das besagte Amulett."

"Es kann dich umbringen!", keuchte Kagem. Er erstarrte kurz, als Pimpf sich murmelnd in seinem Schlafsack herumwälzte, doch glücklicherweise weiterschlief. "Ich weiß nicht viel über Magie. Aber es ist weitesgehend bekannt, auch unter den einfachen Bauern, dass eine eingesetzte Macht, die die Kraft deines Körpers übersteigt, dich töten kann. Und dieses Amulett übersteigt sicher deine Grenzen."

"Möglich", murmelte Icen. "Vielleicht sterbe ich, vielleicht auch nicht. Und selbst wenn ich mich opfern muss, das ist kein Vergleich zum Rest der Welt!" In Kagems Kopf hämmerte es. Das konnte er einfach nicht glauben! Icen war bereit zu sterben, wenn es sein musste? Ein beklemmendes Gefühl der Fassungslosigkeit breitete sich in ihm aus. Das konnte doch nicht sein! Der Magier schien Kagems Gedanken von seinem Gesicht lesen zu können.

"Kagem? Hast du schon einmal die Stadt Utopion, das Zentrum unserer Welt gesehen, den einzigen Ort an dem alle Rassen Seite an Seite leben? Oder Tydran, den Baum der Ewigkeit? Oder einfach nur irgendein kleines Dorf, indem fröhliche Kinder vor sich hin spielen? All die Wunder dieser Welt dürfen nicht zerstört werden. Und wenn mein Leben enden muss um sie zu erhalten, bin ich bereit dieses Opfer zu zahlen."

Icen meinte es wirklich ernst. Er würde sich opfern, wenn es dazu kommen müsste. Er wird die Macht des Amulettes einsetzen, auch wenn er dabei vielleicht draufgehen könnte. "Das ist...", begann Kagem ohne zu wissen was er eigentlich sagen wollte. Icen legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Kann ich mich darauf verlassen, dass dieses Gespräch unter uns bleibt?" "Ich..." "Bitte", flehte der Magier ernst. "Ich werde schon nicht sterben. Doch solange dieses Risiko nur ein wenig besteht und die anderen es wissen, werden sie mich davon abhalten die Macht des Amuletts zu nutzen. Das darf nicht passieren..."

Kagem schaute Icen lange in dessen blaue Augen, sah die Entschlossenheit und Hoffnung darin. Dann schluckte der Schwertkämpfer und nickte schließlich langsam. "Klar... klar werde ich das für mich behalten."

Den Rest ihrer Wache lang blieben die beiden Jungen still. Nachdem etwa zwei Stunden vergangen waren, erhoben sie sich schweigend und weckten Zasion und Sierrana für ihre Schicht. Während Icen schnell auf seinem Schlafplatz einschlief, blieb Kagem noch lange wach. Er wollte und brauchte Schlaf ohne Frage, doch zuviel schwirrte in seinem Kopf herum. Letztendlich stand er doch wieder auf und setzte sich zu Sierrana und Zasion ans Feuer. Der Ain fiel sofort auf, dass Kagem noch mehr Sorge als gewöhnlich in seinen Augen trug. Er starrte verloren in die Flammen des Lagerfeuers. Zasion redete ausgelassen mit ihr in der Sprache der Engel, die sie eigentlich kaum benutzte, doch sie nahm nur halbherzig an dem Gespräch teil und lugte immer wieder zu dem Schwertkämpfer herüber. Am Ende ihrer Wache ging Sierrana zu den Schlafplätzen herüber um die Zwerge für ihre Schicht zu holen.

Sie warf einen weiteren Blick zu Kagem herüber: er war endlich eingeschlafen. Lächelnd hob sie die Decke des Schwertkämpfers auf und legte sie ihm vorsichtig um die Schultern, darauf bedacht ihn nicht zu wecken. Er brauchte Schlaf, von ihnen allen wahrscheinlich am dringendsten. Er sorgte sich ständig um alle außer sich selbst...

Als Gimpf und Pimpf heranstolperten und einen Blick auf den schlafenden Kagem warfen, witterten sie ihre Chance. Diesmal würden sie Ilashar endlich genau unter die Lupe nehmen können. Die Zwerge warteten ungeduldig bis Sierrana und Zasion eingeschlafen waren, dann schlichen sie sich an ihren Kameraden und nahmen ihm sein Schwert vorsichtig vom Rücken. Ihre Aktionen waren von dem scheppernden Geräusch ihrer mit Ketten, Riemen und Schnallen besetzten Lederwamse begleitet.

"Mach schon, zieh es aus der Hülle!", flüsterte Gimpf gespannt. Sein Bruder hatte den Schwertgriff umklammert und rüttelte wie verrückt. "Geht nicht!", stöhnte er schließlich. "Was soll das heißen?" Gimpf hatte Mühe seine Stimme leise zu halten. Endlich durften sie diese geniale Schmiedearbeit in Händen halten und konnten sie nicht mal ansehen?

"Gib her!", keifte Gimpf. "Glaubst du, du kannst es besser?", giftete Pimpf zurück. "Würde mich nicht wundern, du Stümper!" "Stümper? Du stinkender Kiotz!" "Möchtegernschmied!" "Halber Meter!" Die Brüder waren immer lauter geworden und jetzt hatte Pimpf einen großen Fehler gemacht. Obwohl die beiden relativ groß für ihre Rasse waren, reagierte jeder Zwerg sehr empfindlich auf seine Größe. "WAS FÄLLT DIR EIN?", grölte Gimpf. Beide fuhren herum als Kagem kurz stöhnte und sich rekelte.

Pimpf ließ augenblicklich Ilashar fallen und die Brüder hechteten zurück auf ihre Plätze am Lagerfeuer, einen Moment bevor Kagem die Augen öffnete. "Was los?", murmelte er schläfrig. "N-nichts... was meinst du? Hier war nichts.", erwiderte Gimpf scheinheilig. "Na dann..."

Den Rest ihrer Wache blieben die Zwerge ruhig auf ihren Plätzen sitzen.
 

Am nächsten Morgen brach die Gruppe ohne irgendwelche Zwischenfälle auf (Obwohl Kagem doch etwas verwundert war, dass Ilashar einfach auf dem Boden lag). Sie marschierten weiter durch das weite Grasland, Minute reihte sich an Minute, Stunde an Stunde, Tag an Tag. Und je weiter sie in den Osten vordrangen, desto mehr nahm man die Veränderung, die durch das Land zog, wahr. Zuerst nur ganz flüchtig, kaum mehr als ein wenig versengtes Gras und einzelne verkohlte Baumstümpfe. Doch die Schäden nahmen zu und bald wanderten die Gefährten nur noch durch völlig verbrannte Steppen und Wälder, einmal erreichten sie sogar die Ruinen eines noch immer ein wenig in Flammen stehenden Dorfes. Es war klar was hier geschehen war. Die Drachen hatten gewütet...

Ein weiteres Problem das ihre Reise erschwerte war die heranwachsende Kälte. Jeden Tag sank die Temperatur mehr, in den Nächten bildete sich inzwischen sogar Frost und ihre Atem stiegen als kleine Wölkchen auf.

"Verdammt Icen, wieso hast du uns nicht gesagt, dass es so kalt werden würde?", fluchte Gimpf, als er mit steifen Fingern seine Feuersteine gegeneinander schlug, um einen Funken zu entzünden.

Der Magier steckte seine Hände geistesabwesend in die Taschen seiner Robe. "Sei nicht so empfindlich. Morgen erreichen wir die Stadt Bor. Dort können wir uns Umhänge und warme Decken besorgen." Gimpf gab nun vollends auf ein Feuer zu entzünden und starrte Icen beleidigt an. "Zwerge vertragen einfach keine Kälte.", grummelte er in seinen Bart.

"Ihr kommt doch aus dem Hohen Norden. Das Gebirge dort ist ständig mit Schnee bedeckt." "Zwerge leben in dem Tunnelsystem, das tief in die Berge führt. Dort haben wir die Erdwärme und Schmelzöfen die alles warm halten." Der Zwerg setzte mit einem Mal einen träumerischen Blick auf. "Hach ja. Warmer Braten und einen kühlen Krug Bier. Das wär's jetzt."

"Tja, wir haben nur noch Trockenfrüchte.", warf Xiantas ein. Gimpf verzog sein Gesicht zu einer Grimasse. "Apropos... Ist dir eigentlich nicht kalt? So mit freiem Oberkörper und so?" Der Zentaur schüttelte langsam den Kopf. "Unser Volk ist dagegen unempfindlich."

Der Zwerg grummelte weiterhin in seinen Bart und wickelte sich so dick wie möglich in seinen Schlafsack ein. Icen lachte ungeniert. "Ah, ich bin wirklich froh, dass mein Magieelement Eis mich vor der Kälte immun macht."
 

Wie Icen es gesagt hatte, erreichten sie am nächsten Morgen die Stadt Bor. Diese war noch völlig unberührt von Feuer und Tod. Die Drachen schienen nicht bis hierher vorgedrungen zu sein. Tatsächlich war Bor eine kleine quicklebendige Stadt, die bisher weites gehend von Kriegen vorschont geblieben war. Das war wahrscheinlich auch der Grund, warum es hier keinerlei Befestigungen zur Verteidigung gab.

Bor bestand aus willkürlich zusammen gewürfelten Häusern in allen Formen und Farben, durchzogen von kleinen Gassen und engen Straßen, die mit bunten Seidentüchern überspannt waren. Direkt im Zentrum der Stadt prunkte ein gewaltiger Springbrunnen aus durchsichtigem Kristall, der größte Stolz der Bewohner. Von dort aus führten 4 Straßen in alle Himmelsrichtungen davon. Auf diesen 4 großen, von Bäumen umrandeten Alleen fand der Markt statt, für den Bor so berühmt war. Die Stadt importierte und exportierte, Händler aus allen Teilen der Welt mieteten Stände um Nahrung, Kleidung, Stoffe, Waffen, Abenteuerausrüstungen, Krüge, Gefäße, und alle Arten von bekannten und unbekannten Haushaltsutensilien zu verkaufen.

Die Gefährten liefen beeindruckt durch die ordentlich gepflasterten Straßen, umgeben von feilschenden Händlern, spazierenden Bewohnern und vorbeifahrenden Pferdewagen. Eine kleine Gruppe Kinder tollte um den Kristallbrunnen herum und ramponierte Krieger sammelten sich um einen Stand der ansässigen Monsterjäger der Stadt. Ganz Bor schien eine harmonische und friedliche Kleinstadt. Doch dieses Bild löste sich bei genauerem Umsehen schnell in Rauch auf...

Ein Blick in die dunklen Gassen, die zwischen Häuserwänden verborgen lagen, entblößte verdreckte Leute in schmuddeligen Kleiderfetzen, die ziemlich krank und abgemagert aussahen. Einige von ihnen wagten sich auf die Marktstraße um zu betteln. Kagem fiel gleich auf dass sie Kleidung trugen, die für diese Gegend untypisch waren. Bei diesen Leuten handelte es sich offenbar um Flüchtlinge, die sich vor den Drachen nach Bor gerettet hatten. Kaum hatte Kagem seinen Blick wieder auf die Marktstraße gelenkt, erreichte der Schrei einer weiblichen Stimme sein Ohr: "Dieb! Haltet ihn! Ein Dieb!"

Eine Frau mittleren Alters rannte durch die Straßen und folgte einem gehetzt aussehenden Mann, der eine Tragetasche in der Linken und ein bronzenes Rohr in der Rechten hielt. Der scheinbare Dieb raste den Gefährten entgegen und machte sich dabei sehr rücksichtslos den Weg frei. Ein Korb voller Obst stürzte durch ihn zu Boden und verstreute seinen Inhalt über die Straße, Männer und Frauen wurden brutal aus dem Weg geschoben und eines der spielenden Kinder stürzte kopfüber in den Kristallbrunnen. Dann stellte sich ihm Sierrana in den Weg, doch der Dieb fackelte keine Sekunde. Mit dem Bronzerohr zog er ihr im Rennen eine über den Kopf, so dass die Ain gegen die nahe liegende Hauswand krachte. Ein feines Rinnsal Blut sickerte unter ihrem blonden Haarschopf hervor. Der Mann rannte weiter und grinste boshaft. "Das kommt davon, Mischlingspack!"

Doch plötzlich hielt der Dieb mitten in seiner Bewegung inne, als sich ihm die silberne Klinge eines Schwertes in den Weg stellte. "Keinen Schritt weiter.", drohte Kagem. "Niemand schlägt einen aus unserer Gruppe." In den Augen des Mannes blitzte Hass auf, doch er machte keine Bewegung, denn die Spitze Ilashars verharrte sehr nahe an seiner Brust.

Schnell hatte die bestohlene Frau zu ihnen aufgeholt, dicht gefolgt von den rot uniformierten Männern der Stadtgarde. Sie führten den Dieb ohne weitere Worte ab, erkundigten sich nur noch ob sie mit Sierrana alleine klar kommen würden. Kagem nickte und die Garde zog ab. Der Schwertkämpfer kniete sich neben die Ain. "Alles klar?" "Ja... nur etwas schwindelig." "Hey Zasion!", rief Kagem zu dem etwas abseits stehenden Engel. "Bitte heile sie doch schnell." "Du weißt, dass wir Mischlinge nicht heilen können." "Mist, das hatte ich vergessen."

Nach kurzem Überlegen nahm Kagem schließlich seinen Rucksack von den Schultern, kramte etwas darin herum und zog einen zusammengerollten Verband hervor. "Damit wird es auch gehen." Vorsichtig wickelte er den Verband um Sierranas Stirn und bedeckte damit die relativ harmlose Platzwunde. "Danke.", flüsterte die Ain verlegen. Kagem wollte wieder aufstehen, doch mit einem Mal war er in ihren blau-grauen Augen gefangen. Und auch sie erwiderte den Blick ohne sich davon lösen zu können. Es war ein magischer Augenblick, beide fühlten das. Ohne sein Zutun fand Kagems Hand die ihre und drückte sie leicht.

Noch nie zuvor waren sich ihre Gesichter so nahe...

Noch nie zuvor spürten sie den angenehm warmen Atem des anderen auf ihrer kalten Haut...

Noch nie-

Plötzlich schoss ein dunkelhaariger Mann heran, stieß Kagem unsanft mit der Schulter und schickte ihn so zu Boden. Wieder erschallte das vertraute "DIEB! DIEB!" aus der Menge und der Mann stürmte fies lachend weiter. "Was ist das nur für eine Stadt? Zwei Diebstähle mitten am Tag und dabei sind wir gerade erst angekommen.", murmelte Risae eingeschüchtert, als sie Kagem mit einem Handgriff auf die Beine hob. Im Kopf des Schwertkämpfers wirbelten die Gedanken wild herum. Was war das gerade eben? Er konnte sich einfach nicht von ihren leuchtenden Augen lösen. Er hätte sie fast... Kagem schüttelte den Kopf um diese Gedanken abzuschütteln. Doch eins war ihm bewusst geworden. Er empfand für die Ain mehr als für jeden anderen der Gefährten...

Sierrana stand ebenfalls sehr langsam und etwas zittrig auf, eine Hand ungläubig an ihren Kopfverband gelegt.

Als die Gefährten dann endlich bereit waren weiter die Stadt zu erkunden, griff Icen entsetzt in eine seiner Taschen, dann hastig in die anderen. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen. "Unser Geld ist weg!"

Von Monsterjägern und Dieben

Kapitel XVII - Von Monsterjägern und Dieben
 

Als die Gefährten dann endlich bereit waren weiter die Stadt zu erkunden, griff Icen entsetzt in eine seiner Taschen, dann hastig in die anderen. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen. "Unser Geld ist weg!"
 

Alle Augen legten sich auf den Magier. "Das ist doch nicht dein Ernst!", schrie Risae schrill. "Leider doch." Pimpf legte seinen Kopf schief und starrte in die Menge, die sie umgab, als ob der Dieb im nächsten Augenblick mit einem Erkennungsschild daraus hervorspringen würde. "Das heißt kein Proviant, keine Unterkunft und keine warmen Decken!", maulte der Zwerg.

"Wir müssen den Diebstahl bei der Stadtgarde melden.", meinte Xiantas. Der Zentaur presste seine Taschen nun sehr aufmerksam an sich. "In dieser Gegend? Ohne zu wissen wer es war, geschweige denn wie er aussah?" "Dann müssen wir uns neues Geld beschaffen." "Wie denn?"

Gimpf starrte Icen durchdringend an. "Schick Djin einen Brief. Sie schickt uns bestimmt ein paar Goldmünzen!" "Das Ganze würde mehrer Tage dauern."

Kagem hörte dem Gespräch gar nicht zu, sein Blick hing an dem Monsterjägerstand, an dem sie schon vorhin vorbeigekommen waren. Eigentlich waren es kaum mehr als vier Eckpfeiler die mit einem gelben Tuch überspannt waren und eine hölzerne Wand als Rücken. Kleine Tische bogen sich unter dem Gewicht von Schwertern, Speeren, Dolchen, Armbrüsten, Bögen, Pfeilen, Seilen und Netzen, die zum Verkauf angeboten wurden. Tonnenweise Pergament und Schriftrollen türmten sich auf weiteren Tischen und Steckbriefe gefährlicher Monsterarten bedeckten die Wand fast vollständig. Die Besitzer des Standes waren zwei stämmige Männer mittleren Alters, wahrscheinlich berufliche Monsterjäger. Der erste hatte braunes Haar und einen übel zugerichteten Arm, der in einer Schlinge ruhte, der zweite war blond und dort wo sein linkes Auge hätte sein sollen, klaffte nur ein schwarzes unheimliches Loch. Die beiden Krieger nahmen einem weiteren Mann ein zappelndes Bündel (ein gefangenes Monster) ab und gaben ihm einige Goldmünzen in die ausgestreckte Hand.

"Ich könnte uns Geld besorgen.", murmelte Kagem geistesabwesend. Zasion beendete abrupt sein Gerede davon, dass sie gar kein Geld brauchten, da er auf seinen Reisen auch immer völlig blank war und es ihm mehr oder weniger gut ging.

"Was meinst du?", fragte Risae neugierig. "Ich könnte außerhalb der Stadt Monster jagen. Dort hinten kann man welche für gutes Gold eintauschen. Wozu war ich Monsterjäger?" Risae hob fragend eine Augenbraue. Die anderen schienen begeistert, doch sie hatte ihre Zweifel. "Glaubst du wirklich, dass das eine gute Idee ist?" "Wieso nicht?" "Naja... also... Als Asyan und du in unserem Dorf Monsterjäger wart... ihr wart..." "...schlecht? Oh ja, das waren wir." Kagem lächelte flüchtig. "Asyan hat die Hälfte der Monster durch sein ständiges Gerede und Geschrei verscheucht. Den Rest wollte er immer lebend, also mit bloßen Händen, fangen. Meist hatte er Verbrennungen von Feuersalamandern oder Schnitte von Stachlerkröten. Wir haben fast nie etwas erlegt." Beim Gedanken an seinen damaligen Kameraden und Freund wurde Kagem wieder etwas ernster. Es schmerzte immer noch ein wenig über ihn zu reden.

"Aber wenn ich mir Mühe gebe, werde ich schon irgendwo ein paar Viecher auftreiben. Für ein paar Decken wird es auf jeden Fall reichen." "Es sollte jemand mitkommen.", schlug Xiantas vor, doch Kagem schüttelte entschieden den Kopf. "Nein, nein. Je weniger jagen gehen, desto wahrscheinlicher ist die Chance keine Monster vorzeitig zu verschrecken. Außerdem kennt sich keiner von euch wirklich mit Monsterjagd aus. Es ist wirklich besser wenn ich alleine gehe." "Gut", schloss Icen. "Wo und wann treffen wir uns wieder?" "Gebt mir zwei Stunden. Ihr könnt euch solange hier beim Markt rum treiben."

Zasion stellte sich dazu und hob provokativ die Hand. "Ich kenn ein gutes Wirtshaus gleich die Straße runter. Es heißt ,Zum friedlichen Falken'. Der Besitzer ist ein alter Freund von mir, er wird uns einen Sondertarif für die Zimmer machen." "Dann sehen wir uns dort." Mit diesen Worten verabschiedete sich Kagem vom Rest der Gruppe und lief hinüber zum Stand der zwei Monsterjäger.

"Was darf es sein?", fragte der einäugige Besitzer grob. "Ich will ein paar Monster erlegen. Was für Kreaturen gibt es in dieser Gegend und wie viel bekomme ich dafür?" Anstatt zu antworten tippte der Monsterjäger abfällig auf eine Liste neben ihn:

Stachlerkröten (harmlos) 50 Goldmünzen pro Kopf

Sumpfwürmer (gefährlich) 250 Goldmünzen pro Kopf

Kiotz (sehr gefährlich, siehe Jermy's Auge) 300 Gm pro Kopf

...

"250 Goldmünzen für einen Sumpfwurm? Das ist genau das Richtige!" Kagem betrachtete den blonden Monsterjäger, der anscheinend Jermy hieß. "Ich brauche nur ein Seil und drei Netze." Der Einäugige brummte verstimmt, holte aber gehorsam die Ausrüstung von einem der Tische und tauschte sie gegen das letzte Überbleibsel von Kagems Privatgeld. Auch der Mann mit dem zerfetzten Arm gesellte sich zu ihnen. "Junge, ich würde dir davon abraten Sumpfwürmer zu jagen. Vor allem mit der spärlichen Ausrüstung, die du gekauft hast." Kagem wank ab. "Das ist kein Problem. Wo finde ich welche." "Im Westen. Doch ihre Anzahl ist unglaublich gestiegen. Außerdem gibt es in dem Sumpfwald Kiotz, wie Jermy und ich feststellen mussten." Er deutete auf seinen eingebundenen Arm. "Ach was, kein Problem." Und schon stopfte Kagem seine Einkäufe in den Rucksack und lief die westliche Marktstraße zum Stadttor hinunter.

Es vergingen knapp zehn Minuten da stand er auch schon in einem Wirrwarr gigantischer Bäume, dessen Wipfel bis in den Himmel hinauf zu reichen schienen. Es roch modrig und die stickige Luft machte Kagem das Atmen ungewöhnlich schwer. Überall hing Moos und schleimiges Grünzeug an den verkrüppelten Ästen der Bäume, die Umgebung war von einem leicht grauen Nebelschleier umgeben, der den ganzen Sumpf in unheimliches Licht tauchte. Kein Sonnenlicht trat in diesen Wald, obwohl es mitten am Tag war. Außerdem war es ungewöhnlich ruhig. Nur das ekelhafte Schmatzen, das Kagems Schritte in dem matschigen Boden verursachten, hallte mehrfach wiedergegeben durch die unheimliche Stille.

Der Schwertkämpfer blieb vor einem stinkenden Tümpel aus grünem Sumpfwasser stehen. Viele kleine Wasserkreise kräuselten sich auf der Oberfläche. "Okay, hier gibt es Sumpfwürmer.", murmelte er leise und stellte seinen Rucksack an einen schlammigen Baum. "Los geht's!" Als ob das ein Startschuss gewesen wäre, sprang Kagem in den Teich und tauchte mit kräftigen Schwimmzügen gut zwei Meter in die Tiefe. Sofort sah er huschende Bewegungen überall um sich herum, grün-weiß schleimige Körper und blitzende Reißzähne. Sumpfwürmer wurden bis zu 70cm Meter lang und endeten in einem einzigen riesigen Maul. Kagem griff blitzschnell nach einer dieser Kreaturen, doch der Wurm schnappte nach der Hand und hinterließ eine brennende Wunde. "Mist!", gurgelte der Schwertkämpfer und schwamm zurück an die Wasseroberfläche, wo er gierig die Luft ein sog.

"Jetzt wird's brenzlig!" Kagem wusste, dass Sumpfwürmer eigentlich scheu waren, doch sobald sie Blut rochen, konnte kaum jemand sie mehr halten. Schon spürte er, wie sich eine der Bestien um seine Hand wickelte und erneut in seine linke Hand biss, ein weiteres, besonders großes Exemplar schlang seine Beine zusammen. Kagem prustete, er hatte nicht damit gerechnet, dass diese Biester gleich so aggressiv waren! Er wurde unter Wasser gedrückt, strampelte wie verrückt um sich loszureißen, doch immer mehr Sumpfwürmer klammerten sich an den Schwertkämpfer. Seine noch freie Rechte klammerte sich an Ilashar's Schwertgriff und zog die Waffe hervor. Er schlug kräftig zu, darauf bedacht keine der Bestien zu treffen, da das zusätzliche Blut nur noch mehr anlocken würde. Der Angriff erschreckte die Kreaturen wenigstens und sie ließen kurz von Kagem ab, so dass dieser genug Zeit hatte einen Sumpfwurm zu packen und schnell davon zu schwimmen. Bevor er wieder geschnappt werden konnte, hatte er sich an das rettende Ufer geschleppt und kroch erschöpft und geschwächt durch den weichen Schlamm. Ein triumphales Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. Jetzt würde es ganz einfach werden!

Er drückte zufrieden den zappelnden Sumpfwurm in seiner Hand, es war ein relativ kleines Exemplar. Schnell hatte er ihn an das vorhin gekaufte Seil gebunden und kletterte geschwind auf einen Baum, wo er das andere Seilende an einen über dem Tümpel hängenden Ast band. Seine Beute baumelte jetzt hilflos hängend kurz über der Wasseroberfläche.

Seelenruhig verband sich Kagem seine geschundene Hand, dann nahm er wieder Ilashar in die Rechte und stellte sich nah an das Ufer. Er beugte sich ein Stück vor und piekte den Sumpfwurm, der über dem Teich hing, einmal kräftig (aber nicht verletzend) in die Seite. Die Kreatur ließ ein markerschütterndes Quieken los.

Kagem war zufrieden. Er wusste genau, dass das ängstliche Gequietsche seine Artgenossen anlocken würde. Tatsächlich verging kaum ein Augenblick, als es auch schon im Wasser blubberte und brodelte. Schleimige Enden der Würmer wanden sich suchend über der Oberfläche. "Jetzt!" Kagem schleuderte eines der gekauften Netze auf die wuselige Stelle und die gefangenen Sumpfwürmer gingen gurgelnd unter. Das Netz war an den Seiten mit Gewichten beschwert, sie würden nicht entfliehen können. Der Schwertkämpfer sprang wieder ins Wasser, diesmal umsichtiger, bevor er das Netz unten zusammenknotete und wie einen Sack voller glitschiger Sumpfwürmer an Land zog. Die ganze Prozedur wurde noch zweimal wiederholt, bis alle drei Netze voll mit Sumpfwürmern waren.

Kagem tauchte gerade nach dem dritten und letzten Netz, er hatte die Zeit gut eingeschätzt und würde pünktlich wieder zurück bei den anderen sein. Noch einmal fragte er sich warum soviel Geld für Sumpfwürmer gezahlt wurde, obwohl sie doch relativ leicht zu fangen waren. Der Schwertkämpfer tauchte zufrieden am Ufer auf und sah sich plötzlich einem Wesen mit grüner Haut, schwarzen Glubschaugen und klauenartigen Händen gegenüber. Ein Kiotz! Ehe Kagem reagieren konnte, hatte der Waldkobold schon seinen rostigen Speer in der Hand und schlug damit auf seine Stirn ein.

Blut besprenkelte den schlammigen Sumpfboden...
 

Die Gefährten saßen nervös an einem Tisch im friedlichen Falken und wurden immer ungeduldiger. Über drei Stunden waren schon vergangen, doch von Kagem war noch nichts zu sehen. "Er hat gesagt in zwei Stunden ist er wieder hier", bemerkte Sierrana sorgenvoll. Jeder wusste, dass Monsterjäger ein überaus gefährlicher Beruf sein konnte und viele von ihnen nicht immer zurückkehrten.

"Meinst du es ist etwas... passiert?", fragte Risae unsicher. Icen schüttelte übertrieben heftig den Kopf. "Unmöglich. Er hat Drachen und Dhrakons besiegt, ohne dass ihm etwas passiert ist." "Das lag aber nicht zuletzt an Sierranas Heilmagie", korrigierte Xiantas. "Er wird nur etwas mehr Zeit brauchen als er gedacht hätte." "Und wenn ihm doch etwas passiert ist und er Hilfe braucht?", flüsterte die Ain. "Ich...ich gehe zu diesem Stand und frage ob er irgendetwas Wichtiges gesagt hat." Ohne die Reaktion der anderen abzuwarten, stürmte Sierrana aus dem Lokal, dicht gefolgt von Risae und Zasion, die ihr hinterher eilten. Der Rest würde weiterhin im friedlichen Falken den Posten halten.

Als die drei beim Monsterjägerstand ankamen, fielen ihre Blicke auf die schrecklichen Verletzungen der Besitzer. Konnte das Kagem etwa auch passiert sein? Zasion, der den einäugigen Jermy von einer seiner früheren Reisen zu kennen schien, war schnell in ein Gespräch mit ihm verwickelt. Nach einem kurzen Wortgefecht ging er zurück zu seinen zwei weiblichen Gefährten. "Kagem ist in den westlichen Wald gegangen um Sumpfwürmer zu jagen. Jermy meinte es soll dort ziemlich gefährlich sein. Hoffentlich ist alles in Ordnung bei ihm." Die drei starrten sich an und dachten wahrscheinlich dasselbe: wenn Kagem inzwischen fast vier Stunden weg war, war wahrscheinlich nicht alles in Ordnung...

"Was tun wir jetzt?" "Ihn suchen!", drängelte Sierrana. Risae hüpfte von einem Bein aufs andere und rieb sich vorsichtig die Hände. Die Kälte hier war wieder deutlich spürbar. "Sollten wir nicht noch warten?", fragte Zasion überlegend. "Kagem wird schon zurückkommen. Und wo sollten wir denn suchen? Der Wald ist groß. Außerdem ist es verdammt kalt. Wie sollen wir-" "Dort!" Unterbrach in Risaes Geschrei. Das Mädchen deutete mitten auf die Marktstraße, wo die Menge einem blondhaarigen Jungen Platz machte. "Kagem!", rief Sierrana erleichtert. Der Schwertkämpfer schleppte sich bis zu ihnen herüber, bevor er erschöpft keuchend in die Knie ging. Seine linke Hand war mit einem improvisierten Verband umwickelt und drückte auf eine heftig blutende Wunde an seiner Stirn. Seine Kleidung war nass und voller Schlammspritzer.

"Kagem! Mein Gott! Was ist passiert?" Ohne zu zögern ließ sich die Ain neben ihm nieder und legte ihre Hände sanft auf den Schnitt über seinem Auge. Die inzwischen gewohnte blaue Aura schloss die Wunde in wenigen Sekunden. "Danke.", murmelte er als sie sich beide erhoben. "Also, was ist passiert?" "Ein Kiotz hat mich auf dem Rückweg überrascht. Ein bisschen konnte ich noch ausweichen, sonst hätte mein Kopf jetzt wohl ein Loch." Er seufzte resignierend. "Auf jeden Fall konnte ich danach erst mal nicht weitergehen, wahrscheinlich wäre ich sonst vor Überanstrengung abgeklappt. Aber ansonsten war die Jagd sehr erfolgreich."

Erst jetzt fielen den anderen die drei voll gestopften Netze auf, die Kagem aneinander gebunden und hinter sich her geschliffen hatte. Der Schwertkämpfer, vom Heilspruch frisch gestärkt, schulterte seine gefangenen Sumpfwürmer und ließ sie für Jermy und seinen Kumpanen gut sichtbar auf einen der Tische fallen. Die beiden Monsterjäger machten große Augen. "Nicht möglich! Siehst du das Arne?" Der Mann mit dem zerfetzten Arm, Arne, nickte schluckend. "Ich seh's! Wie viele sind das?"

"41 frisch gefangene Sumpfwürmer.", antwortete Kagem lächelnd. "Ach ja, und einen Kiotz." Er deutete auf eins der Netze, wo zwischen den vielen glibschigen Würmern ein grünhäutiger Arm hervorlugte. Jermy fiel fast sein zweites Auge heraus. "Arne, das ist er! Der Kiotz, der uns damals angegriffen hat! Ich erkenne die sichelförmige Narbe an dem Arm! Siehst du?" "Ja", knurrte Arne. Die beiden starrten sich lange gegenseitig an, bis ihnen einfiel, dass sie Kagem noch bezahlen mussten. "41 Sumpfwürmer plus einen Kiotz, das macht.... 10550 Goldmünzen!!!" Mit dem Kopf schüttelnd reichte Jermy ihm mehrere 500er Münzen und eine 50er. Kagem stopfte alles eilig in seinen ledernen Geldbeutel. Arne reichte ihm außerdem einen wertvoll aussehenden Dolch in einer Lederhülle, die mit einem Riemen an Arm oder Bein befestigt werden konnte. "Ich schenke ihn dir. Als Dank für den Kiotz."

Kagem bedankte sich und verließ zusammen mit Zasion, Risae und Sierrana den Stand. "Wozu kaufen die Typen eigentlich Monster?", fragte Risae, mal wieder nicht richtig durchblickend. "Sie verarbeiten einiges weiter. Zähne und Klauen beispielsweise für Schmuck. Ich glaube Kiotzhaut kann für leichte Rüstungen verwendet werden. Und die Sumpfwürmer töten sie. Die Viecher waren wirklich sehr zahlreich, sie verhindern damit, dass sich die Biester zur Plage entwickeln. Außerdem kann man die glaub ich essen." "Iiiiiih..."

Die 4 erreichten das Lokal zum friedlichen Falken und traten ein, wo sie von den anderen auch gleich mit Fragen gelöchert wurden.
 

Überraschend wie schnell ein Tag zu Ende gehen konnte. Nachdem Kagem alles mehrfach erzählt und erklärt hatte und sie sich alle noch mal auf dem Markt umgesehen und mit dicken Decken sowie frischen Proviant versorgt hatten, wurde es auch schon langsam dunkel. "Es ist normal, dass es soweit im Osten schon sehr früh dunkel wird.", beruhigte Icen. Schnell erledigten die Gefährten noch ihre persönlichen Angelegenheiten. Sierrana und Xiantas stockten ihren Pfeilvorrat auf, Kagem genehmigte sich einen neuen weißen Kriegermantel da sein alter ja in Ciina zerfetzt wurde, Icen suchte Schriftrollen neuer Zaubersprüche, Risae sah sich einfach nur um, wo Zasion war wusste keiner und die Zwergenbrüder besorgten sich jeweils eine zweite warme Decke ("WIR ZWERGE VERTRAGEN KEINE KÄLTE!!!", grölten sie beleidigt).

Danach fanden sie sich wieder im friedlichen Falken ein und bekamen Dank Zasions Kontakt zum Besitzer ein einzelnes großes verbilligtes Zimmer. Damit war das neue Geld schon wieder größtenteils verbraucht, doch immerhin standen sie nicht völlig blank da. Nacheinander legten sie die Kameraden schlafen...

Doch Kagem erwachte mitten in der Nacht. Im ersten Augenblick fragte er sich was ihn geweckt hat, bis er eine Bewegung aus den Augenwinkeln wahrnahm. Von seiner Position aus konnte er erkennen, dass alle in ihren Betten lagen. Noch jemand anders war im Zimmer und untersuchte leise ihr Gepäck. Kagem konnte in der Dunkelheit nur die Umrisse der Person erkennen, die inzwischen Kagems Lederbörse in der Hand hielt und sie unauffällig in seine Hosentasche gleiten ließ. Schon wieder ein Dieb! Der Einbrecher ließ seinen Blick über Zasions Hellebarde schweifen und blieb an Ilashar hängen. Vorsichtig kroch der Dieb zu dem Schwert, doch auch bei ihm zeigte sich, dass er die Waffe nicht aus der Hülle ziehen konnte um sie zu begutachten. "Was?", entfuhr es ihm leise. Der Stimme nach war es ein Mann. Kagem dankte Arne dafür, dass er ihm den Dolch geschenkt hatte. Diesen hatte er nämlich vorsorglich schon an seinem Arm befestigt.

Der Schwertkämpfer wartete, bis die Aufmerksamkeit des Diebes auf Risaes Schwert in seiner Hand gerichtet war, dann sprang Kagem schnell und lautlos wie eine Katze aus seinem Bett und hielt dem Unbekannten seinen Dolch an die Kehle. "Was treibst du hier, Dieb? ", zischte er leise. Der Mann gefror mitten in der Bewegung. "Da war wohl jemand wach.", flüsterte der Dieb ohne jegliche Nervosität. "Halt ja dein Maul und wecke nicht deine kleinen Freunde." "Ich glaube nicht, dass du mir befehlen solltest. Ich habe nicht den Dolch an der Kehle." "Dafür habe ich meinen Wurfdolch auf deine Mischlingsfreundin gezielt. Schneidest du mir in den Hals, wird mein Dolch leider ihr schönes Gesicht etwas zerkratzen.", konterte der Dieb skrupellos. Kagem erstarrte, denn das Blitzen des fingerlangen Wurfdolchs war gut zu erkennen. "Du stehst auf sie, oder?", hakte der Typ lässig nach. "Ich habe euch heute auf der Straße gesehen, als ich deinem Magierfreund die Börse geklaut habe. Störte ich da gerade bei irgendetwas?" Seine Stimme triefte vor Häme. Langsam gewöhnte sich Kagem an die Dunkelheit und was er sah bestätigte die Aussage. Der Dieb war dieser Schwarzhaarige, der ihn umgerempelt hatte...

"So und jetzt werfe das Messer weg und wecke niemanden auf. Es sei denn du willst, dass deine Freundin ein schönes Loch im Gesicht hat.", fuhr der Mann ungerührt fort. Kagem tat wie ihm geheißen und legte den Dolch vorsichtig auf den Boden. Jetzt war er unbewaffnet. Der Dieb grinste boshaft.

"Und wenn es dich nicht stört, würde ich gerne hier weitermachen. Ich war gerade dabei eure Ausrüstung zu durchforsten..."
 

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Soviel also zu Kapitel 17.

Doch was passiert jetzt? Wird Kagem alles regeln können? Wird Sierrana verschont bleiben? Welche Rolle spielt der mysteriöse Dieb? Und sind die anderen Gefährten wirklich solche Schnarchtüten, dass sie nicht merken wie sie ausgeraubt werden?

Das alles und viel mehr bei Drachenbrut - Kapitel XVIII !!! (Kommis sind wie immer erwünscht!!! *Hundeaugenblick* Bitte!!!)

Flammen in Bor

Kapitel XVIII - Flammen in Bor
 

Der Dieb grinste boshaft. "Und wenn es dich nicht stört, würde ich gerne hier weitermachen. Ich war gerade dabei eure Ausrüstung zu durchforsten..."
 

Die Situation sah nicht sehr gut aus. Kagem war unbewaffnet und der Dieb hatte seinen Wurfdolch noch immer auf Sierrana gerichtet, während er mit seiner freien Hand leise das Gepäck durchstöberte. Dass die anderen Gefährten dabei genau neben ihm schliefen, schien ihn nicht zu stören. Der Typ machte das nicht zum ersten Mal, er war völlig ohne Skrupel. Und er würde bestimmt auch nicht zögern Sierrana im Notfall zu töten...

"Hey, wie heißt du eigentlich?", versuchte Kagem ihn hinzuhalten. Vielleicht würde bald jemand von den anderen aufwachen, wenn der Dieb lange genug blieb. "Ne blödere Frage konntest du wohl nicht stellen?", zischte er belustigt. "Glaubst du ich sage dir meinen Namen, damit die Stadtwache dann gemütlich nach mir suchen kann? Für wie bescheuert hältst du mich?" Dann plötzlich blitzten die Augen des Diebes misstrauisch auf. "Oder hast du was vor? Denkst du deine Freunde hören dein Gerede und wachen doch noch auf? Das kannst du stecken lassen, mein Schlafgas hat sie ausgeknockt. Warum du wach werden konntest bleibt mir schleierhaft." Schlafgas also! Keine Wunder dass niemand was merkte. "Ich warne dich! Keine faulen Tricks oder deiner Freundin geht es schlecht! Ich hab den Wurfdolch!" "Hör auf! Nimm... nimm lieber mich als Geisel!"

Der Dieb schnaufte abfällig. "Och bitte, nicht die Scheiße! Machst einen auf selbstlosen Held oder was? Euch Typen hasse ich am meisten! Schon heute Morgen auf der Straße hätte ich dir und deinen Freunden am liebsten eine reingehauen! Kommt hier aufsehenerregend und voll ausgerüstet an und kümmert euch genau wie alle anderen ein Dreck um die Armen und Flüchtlinge, die in den Gassen wie Fliegen verrecken. Hauptsache ihr habt euer Geld und warme Decken!" Bei den letzten Worten warf er einen wütenden Blick auf die Zwerge.

Kagem schaute ihn lange schweigend an. "Du bist verbittert.", stellte er ruhig fest.

"Halt's Maul!", schrie der Dieb hasserfüllt. Wenn Kagem bis jetzt geglaubt hatte das mit dem Schlafgas wäre nur ein Bluff gewesen, hatte er Unrecht, denn seine Gefährten schliefen trotz des Gebrülls weiter. "Du hast keine Ahnung! Du weißt nicht wie es ist auf der Straße langsam zu krepieren ohne das es jemanden schert! Du bist nur-"

Ein Ohren zerreißender Knall schnitt sein Wort ab. Alles schien unter dem schmetternden Geräusch zu erbeben und rote Lichtblitze fluteten von draußen ins Fenster. Beide Männer waren sprachlos, schockiert und fragten sich was zum Teufel jetzt schon wieder los war. Doch Kagem schaltete einen Tick schneller und nutzte die Fassungslosigkeit des Diebes um ihn mit einem Ellenbogenschlag das Messer aus der Hand zu schleudern. Ein weiterer Hieb ließ den Schwarzhaarigen gegen die Wand krachen. Wieder ertönte ein Knall, der Kagems Trommelfell zu zerreißen schien. Und endlich... endlich erwachten die Gefährten. Selbst das Schlafgas konnte sie bei diesem Geräuschpegel nicht in ihren Betten halten. Die 7 sprangen auf und fanden eine völlig verrückte Szene vor. Draußen schien plötzlich der Weltuntergang angefangen zu haben und Kagem rangelte mit einem Unbekannten. Zumindest war er für fast alle unbekannt. Zasion machte große Augen als er den Schwarzhaarigen erkannte. "Ladron? Du?" Der Dieb hob erkennend den Kopf, doch seine Augen blieben kalt.

"Du kennst ihn?", fragte Kagem entgeistert. "Gibt es auch jemanden, den du nicht kennst?" Zasion grinste, obwohl die Zeit nicht gerade passend war. "Was ist hier passiert?", brummte Gimpf. "Die Frage ist eher: was passiert das draußen?", korrigierte Kagem und deutete aus dem Fenster, wo immer noch rotes Licht und Donnerschläge die Stadt erschütterten. Icen schob die Gardinen zur Seite und starrte nach draußen. Sein Blick verdüsterte sich. "Feuer...", flüsterte der Magier. "...und... DRACHEN!!!" Das letzte Wort schrie er plötzlich, während er wild gestikulierend auf die Tür deutete. "Raus hier! Alle raus hier! Sie greifen die Stadt an und brennen alles nieder! Wir müssen weg!"

Entsetzen machte sich unter ihnen breit. "Was wollen sie hier?" "Alles vernichten..." In Rekordtempo hatten die Kameraden ihre Sachen aufgeschultert (sie hatten glücklicherweise in Kleidung geschlafen) und stürmten aus dem Zimmer, Zasion trug seinen benebelten Bekannten, Ladron den Dieb. Als sie den friedlichen Falken hinter sich gelassen hatten, konnten sie die riesigen Schatten am Himmel fliegen sehen, begleitet von Angstschreien der Stadtbewohner. Mehrmals schoss ein Flammenstrahl von oben herab und steckte Gebäude mit seinem tödlichen Feuer in Brand. Dann grollte eine magisch verstärkte, grausame Stimme durch ganz Bor.

"Ich bin Enyxanshen der Rotdrache, Anführer der Drachen und neuer Befehlshaber der Dhrakons! Bewohner Bors stellt euch eurem sicheren Tod!!!" Kagem wirbelte im Rennen herum und starrte in den Himmel, der dunkle Schatten des riesigen Drachens zeichnete sich gut sichtbar ab. Enyxanshen? Den Namen hatte Negro damals erwähnt. Ein namenloses Grauen breitete sich in seinem Körper aus. Dieser Drache war anders als die anderen. Eine unvorstellbare Macht ging von ihm aus...

"Kagem!", schrie Icen hektisch. "Komm endlich! Wir müssen die Stadt verlassen, sonst kriegen die Drachen uns!" "Du meinst sie sind wegen uns hier?", keuchte der Schwertkämpfer, als er zu seinen Freunden aufschloss und mit ihnen die Marktstraße entlang rannte. "Nein! Aber wenn sie uns nebenbei verbrennen, würde sie das nicht gerade enttäuschen! Kagem, sie wissen, dass wir zum Götterturm wollen. Negro hat das gesagt. Also müssen wir damit rechnen, dass sie wissen wie wir aussehen und dass wir hier sind. Also komm endlich!" Kagem nickte.

Um ihn herum waren Hilfe- und Schmerzensschreie, flammende Infernos fraßen die Häuser der Stadt, Säulen stürzten ein, Balken krachten auf den Weg und der geliebte Kristallbrunnen im Zentrum Bor's war nur noch ein Haufen Glassplitter. Der berühmte Markt bestand inzwischen aus brennenden Ruinen. Überall Tote, überall Trümmer, überall Lärm und Flammen, überall nur Feuer und Tod.

Kagem glaubte zu ersticken, die Stadt sah aus wie ein Schlachtfeld. Es war mehr als er ertragen konnte. Alles erinnerte an sein zerstörtes Heimatdorf. Er rannte weiter, sein Kopf betäubt, die Sinne benebelt. Die Schreie der Bewohner drangen nur noch wie durch Watte an seine Ohren. Er rannte, nur weg, einfach weg von diesem Ort. Zusammen mit den Gefährten durchquerten sie das Osttor der Stadt und flüchteten in die schützende Dunkelheit der kalten Nacht. Sie stolperten hastig weiter. Es dauerte eine Viertelstunde bis sie Unterschlupf fanden. Pimpf bemerkte als erster den schmalen Eingang, der zu einer kleinen Höhle in den mit Gras bewachsenen Hügel vor ihnen führte. Der Eingang lag nach Osten ausgerichtet, so dass er von Bor aus nicht zu erkennen sein würde. Nur deshalb wagten sie es ein Feuer zu entzünden. Wachen waren in dieser Nacht unabdinglich, denn obwohl es unwahrscheinlich war, bestand die Angst, dass die Drachen wussten wo sie sich aufgehalten hatten und sie nun verfolgten um das Ärgernis aus dem Weg zu schaffen.

Kagem und Icen hatten wieder die erste Wache übernommen, doch der Magier war schnell eingeschlafen. Kagem nahm es ihm nicht übel, er hatte sich verausgabt indem er eine magische Schneedecke über den Höhleneingang gezaubert hatte, so dass er sich nicht von der Umgebung abzeichnete. Ja genau, östlich von Bor lag Schnee!

"Hoffentlich macht dieser Ladron keinen Ärger.", murmelte Kagem düster. Der Dieb war mitgekommen und schlief in einer abgelegen Ecke. Er schien Zasion zu kennen und der Engel beteuerte, dass Ladron ein guter Kerl war. Wenn er sich da hoffentlich nicht irrte. Im Schein des Lagerfeuers konnte Kagem ihn zum ersten Mal richtig betrachten. Der Dieb hatte verfilztes schwarzes Haar, das hinten durch ein verdrecktes Band zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden wurde. Seine Kleidung war genauso schmuddelig und teilweise zerfetzt, überall waren vollgestopfte Taschen mit allerlei seltsamen Inhalt. Braune Augen ruhten unter den geschlossenen Liedern, sein Gesicht war ebenso mit Dreck beschmiert.

"Scheinbar kommt er von der Straße... Musste er deshalb klauen?" Ein Knacken hinter ihm ließ seine Hand instinktiv zu Ilashar wandern, doch Sierranas helle Stimme entspannte ihn wieder. "Darf ich mich setzen?" Auf Kagems Nicken hin ließ sich die Ain neben ihn auf den kalten Höhlenboden nieder. Beide starrten lange wortlos in die knisternden Flammen, jeweils in ihre neue Felldecke gehüllt. Schließlich brach Kagem die eingesetzte Stille. "Kannst du nicht schlafen?" "Ja... Ich muss immer wieder an Bor denken. Ich beneide die anderen dafür, dass sie einfach schlafen können." Kagem lächelte flüchtig. "Mir geht es genauso.", gestand er. Sierrana faltete die Hände in ihren Schoß. "Ich meine, wir haben schon erlebt wie Drachen kämpften und Leute starben. Doch zum ersten Mal habe ich gesehen, dass es diesmal keine Krieger waren, sondern ganz normale Bauern und Frauen. Sogar Kinder waren dabei."

Die Ain schluchzte leise und Tränen liefen ihre zarten Wangen herab. Sie hatte zuviel gesehen, zuviel ertragen. Kagem legte vorsichtig einen Arm um ihre Taille und drückte sie tröstend an seine Seite. Sierrana legte erschöpft ihren Kopf auf seine Schulter, ihr blondes Haar fiel glänzend herab. Noch eine Zeit lang wurde die Ain von lautlosen Schluchzern geschüttelt, bis sie sich langsam beruhigte.

"T-tut mir Leid", flüsterte sie. "Ich wollte nicht weinen..." "Das ist schon in Ordnung. Es ist nur natürlich." Sierrana drehte ihren Kopf und blickte in Kagems blaue Augen, die verständnisvoll leuchteten. "Danke.", hauchte sie kaum hörbar. "Wofür?" "Einfach dafür, dass du bei mir bist..." Sie verlor sich ein weiteres Mal in seinen Augen, die so unvorstellbar viel Wärme ausstrahlten. Dann lehnte sie sich vorsichtig ein Stück vor und küsste ihn sanft auf die Lippen. Als sie sich nach kurzer Zeit wieder trennten, sah Kagem ein wenig überrascht aus. Doch dieser Gesichtsausdruck machte schnell einem Lächeln platz und er zog Sierrana noch ein Stück näher an sich. "Dann bedanke ich mich auch bei dir..."

Die Ain kicherte kurz, bevor sie ihren Kopf wieder auf seine Schulter legte. "Schlaf ruhig...", flüsterte Kagem leise. "Vor uns liegt noch ein weiter Weg. Ich werde jemanden bitten deine Schicht zu übernehmen." Als er ihr noch zärtlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht wischte, war Sierrana bereits friedlich eingeschlafen. Ihr Körper zitterte ein wenig vor Kälte, so dass Kagem seine Decke teilweise auch über sie legte, bevor er den Rest seiner Wache gedankenverloren ins Feuer starrte.

Zasion, der mit Ladron die nächste Wache übernahm, erwachte von ganz alleine. Der Engel hatte eine Art innere Uhr, die ihn immer zum gewollten Zeitpunkt weckte. Eine beneidenswerte Fähigkeit. Er setzte eine leicht verwirrte, aber auch freudige Miene auf, als er Kagem und Sierrana sah. "Hat ja lange gedauert", bemerkte er grinsend und ließ sich vor dem Feuer nieder. Ladron postierte sich genau gegenüber von Kagem. Der Schwertkämpfer beobachtete den Dieb misstrauisch. Ladron entging das nicht. "Traust du mir nicht?", zischte er hämisch. "Wie könnte ich? Du hast versucht uns auszurauben und gedroht Sierrana zu töten..."

Zasion wehrte mit einer Handbewegung ab. "Ach, Ladron meinte es nicht so. Oder?" "Natürlich nicht...", erwiderte der Dieb heimtückisch. "Und wieso kommt er mit?", fragte Kagem. "Ich finde das auch nicht gerade toll, aber meine Heimatstadt ist zufällig von Drachen niedergemäht worden! Wieso sollte ich euch also nicht bei eurem Vorhaben helfen?" "Helfen?" "Ja, helfen." Die beiden starrten sich feindselig an, bis Kagem den Blickkontakt abbrach. "Mach doch was du willst." Der Schwertkämpfer hielt Sierrana immer noch an sich gedrückt und schlief nach einiger Zeit einfach ein...
 

Kagems Befürchtungen, dass Ladron die Gefährten ausgeraubt haben könnte und verschwunden wäre, erfüllten sich überraschenderweise nicht. Also brach die inzwischen auf 9 Kopf angewachsene Gruppe am nächsten Morgen ohne Zwischenfälle auf (abgesehen davon, dass Kagem seinen neuen Dolch von einer gründlichen ,Inspektion' der Zwergenbrüder abholen musste).

Die Luft außerhalb der Höhle war eisig und der schneebedeckte Boden betäubte ihre Füße. Jeder hatte sich in seine Felldecke gewickelt, Gimpf und Pimpf in jeweils zwei. Der Tag zog sich unnatürlich in die Länge, bis jeder von ihnen völlig entkräftet war und am liebsten einfach halt gemacht hätte. Dabei war es gerade mal mitten am Nachmittag. Icen und Xiantas, die als einzige unempfindlich gegen die Kälte waren und auch keine Decken besaßen, liefen vorne weg. Kagem, der Sierrana wärmend an sich hielt, folgte in einigem Abstand. Risae sah dem Paar lächelnd hinterher. Es wurde Zeit, dass sie sich gefunden hatten.

Nachdem sich die Gefährten eine weitere halbe Stunde vorwärts geschleppt hatten, erkannten sie alle gleichzeitig einen weißen Turm, der am Horizont wie ein mahnender Finger aus Marmor emporragte. In der Hoffnung vielleicht einen warmen Platz zum Ausruhen zu finden, legten sie einen Zahn zu und marschierten zielstrebig durch den Schnee. Etwa eine Stunde verging als sie bei dem Gebilde eintrafen, die Sonne tauchte es in dezentes Licht.

Der Turm war gewaltig, mindestens 100 Meter hoch, und ein kreisrunder, ebenfalls aus Marmor bestehender Steinwall umringte das ganze wie ein schützender Gürtel. Ein kunstvoller Torbogen in der Mauer führte durch den Hof, der den Turm umgab. Dieser Eingang war mit einem zartblauen Flimmern, ähnlich dem damaligen Schutzschild Negros, ausgefüllt. "Ein Schutzzauber.", flüsterte Icen ehrfürchtig. "Und ein unglaublich mächtiger. Ich glaube nicht, dass ich ihn mit meinem Bannspruch entfernen kann..." Im gleichen Moment, indem der Magier diese Worte aussprach, erstrahlte das blaue Flimmern kurz in weißem Licht und verschwand dann völlig. Verdutzt starrte Icen auf den nun freigelegten Eingang. "Derjenige, der den Schutzzauber gesprochen hat, muss ihn gerade entfernt haben."

"Das heißt wir sind willkommen.", flötete Zasion gut gelaunt. "Kennst du den Hausherren?", fragte Icen unsicher. "Ausnahmsweise nicht. Ich habe den Turm noch nie zuvor gesehen..." Vorsichtig traten die Kameraden durch den Torbogen und in den Hof, der keinerlei Spuren von Schnee aufwies. Plötzlich ertönte ein Knall hinter ihnen, das Tor war wieder mit dem Schutzzauber versiegelt. Aus dem hinteren Teil des Hofes, der vom Turm verdeckt wurde, hörte man laute Fußstapfen und vereinzelte nichtmenschliche Schreie. "Eine Falle?!", schrie Kagem und zog ohne zu zögern sein Schwert. Seine Freunde taten es ihm gleich. Dann kam das erste Wesen in Sichtweite. Es sah aus wie ein Greif, mit den Vorderbeinen, Flügeln und dem Kopf eines riesigen Adlers, sowie dem Körper und den Hinterbeinen eines Löwen. Doch hatte diese Kreatur eine glühend rote Färbung, die für diese Spezies völlig unbekannt ist. Direkt dahinter kam ein zweites Geschöpf, völlig in blau-grau und ein drittes, das golden glänzte.

Icens Augen weiteten sich vor Unglauben. "Das sind Mago! Greife, die nicht auf natürlichem Weg geboren, sondern durch Magie erschaffen wurden! Wahrscheinlich sind es die seltensten Lebewesen dieser Welt!" Immer mehr Geschöpfe traten aus dem Schatten hervor, bis sich die Gefährten von mindestens zwei Dutzend Mago der verschiedensten Farben umgeben waren. "Selten?", bemerkte Ladron abfällig. "Eigentlich schon." Risae wich ein Stück zurück, das Schwert in der Hand, als sie die gekrümmten Schnäbel der magischen Greife bedrohlich aufblitzen sah. "Sind sie gefährlich?", fragte sie zitternd.

"Sehr gefährlich...", schluckte Icen. "...und unsterblich..." "Na toll!", knurrten die Zwergenbrüder gleichzeitig. "Wer soll uns so eine Falle stellen können?", überlegte Kagem sachlich und stellte sich schützend vor Sierrana. "Ich habe keine Ahnung. Man sagt es dauert 50 Jahre und ungeheure Zauberkraft um auch nur einen Mago zu erschaffen."

Der völlig rot leuchtende Mago kam immer näher, so dass Kagem ihn fast berühren konnte, und schlug herausfordernd mit den Flügeln. Ein Schrei wie der eines Raubvogels entwich seiner Kehle. Die Kreatur knickte bereits die Vorderläufe ein, machte sich zum Sprung bereit, als eine laute Stimme die Luft durchschnitt. "Zurück, Feuersturm!" Und der Mago wich tatsächlich zurück. "Auch die anderen! Lasst meine Gäste in Frieden!" In den Raubvogelaugen der Kreaturen blitzte es untertänig, dann verzogen sie sich ruhig trottend wieder in den hinteren Teil des Hofes, wo sie nicht zu sehen waren.

"Tretet doch ein.", sprach die offenbar magisch verstärkte Stimme und im gleichen Augenblick öffnete sich die Doppelflügeltür, die ins Innere des Turmes führte. "Das riecht nach einer Falle...", murmelte Kagem, wobei er keine Anstalten machte sein Schwert wieder wegzustecken. Sierrana legte ihm eine Hand auf die Schulter, damit er sie ansah. "Wenn der Hausherr uns Böses will, hätte er die Mago nicht zurückgerufen." "Wahrscheinlich hast du Recht."

Zögernd schritten die Gefährten durch das Tor. Eine junge Frau in schneeweißer Robe lächelte ihnen entgegen. "Willkommen im Turm des Erzmagiers." Icen traute seinen Ohren nicht. Er sprang auf und packte das Mädchen an den Schultern. "Das... das ist doch nicht wahr, oder?" "Oh doch.", antwortete sie unsicher, ihr langes rabenschwarzes Haar bildete einen starken Kontrast zu ihrer hellen Robe. "Das ist der Sitz des Erzmagiers Gab. Und ich bin Hinda, sein Lehrling." "Unvorstellbar...", murmelte Icen. In seinen Augen blitzte Begeisterung, eine Begeisterung wie sie noch nie zuvor bei ihm gesehen wurde. "Was ist los Icen?" "Was los ist? Wir sind im Turm des Erzmagiers, dem größten Zauberer der Welt! Man sagt er ist unsterblich und lebt seit Anbeginn der Zeit! Und sein Turm ist verzaubert, so dass er jeden Tag an einem anderen Ort erscheint! Das wir hier sind ist einfach unglaublich!"

Hinda lächelte. "Du bist Icen, Elementarmagier aus Ciina. Und ihr wollt zum Götterturm. Meister Gab hat euch bereits erwartet, ihr sollt zu ihm in die Haupthalle kommen." Icen zitterte vor unterdrückter Begeisterung. Sie würden den Erzmagier Gab sehen, den größten Magier aller Zeiten...
 

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Oh Gott, ich habe Kagem und Sierrana wirklich zusammengebracht. Man hat bestimmt gemerkt, dass ich so was nicht besonders gut schreiben kann, aber zu jeder Fantasy-Geschichte gehört eine kleine Romanze einfach dazu. Alles in allem muss ich sagen, dass Drachenbrut sich doch schon länger hinzieht als ich bis jetzt geplant hatte, aber das Schreiben an dieser Geschichte macht wirklich Spaß.

Wie immer würde ich mich über Kommis riesig freuen.

Beim Erzmagier

Kapitel XIX - Beim Erzmagier
 

Icen zitterte vor unterdrückter Begeisterung. Sie würden den Erzmagier Gab sehen, den größten Magier aller Zeiten...
 

Hinda lächelte und öffnete die Tür hinter ihr, die in die Haupthalle führte. Sie winkte die anderen Gefährten durch und folgte ihnen als Schlusslicht. Es war warm dort und roch leicht nach Kräutern und Gewürzen. Sie befanden sich jetzt im größten Raum des Turmes, der Boden war mit weißen und schwarzen Kacheln belegt und die Decke bestand aus einer kunstvollen riesigen Kuppel. In jede Wand waren Fenster mit farbigem Glas eingelassen, durch die das Sonnenlicht bunt herein schien. Direkt vor ihnen führte sowohl links als auch rechts eine Treppe auf eine höher gelegenes Podest, auf dem sich eine große Orgel befand. Die vielen silbernen Pfeifenrohre führten die Wand hinauf fast bis zur Decke.

Und vor dem Instrument stand ein Mann in der gleichen weißen Robe, wie sich auch Hinda trug. Er kam mit bedächtigen Schritten die Treppe hinunter und kam direkt vor der Gruppe zum stehen. Es war ohne Zweifel Gab der Erzmagier. Es war schwer sein Alter zu schätzen, er wirkte nicht jung, aber auch nicht alt. Er war... zeitlos. Seine Haare schimmerten weiß wie der Marmor des Turmes und die grünen Augen blitzten wie zweie glänzende Smaragde. Er blickte einen nach den anderen von ihnen abschätzend an.

"Icen, Elementarmagier aus Ciina..... Risae, die Schwertkämpferin..... Xiantas, Zentaur des Grünblattwaldes..... Gimpf und Pimpf aus dem Hohen Norden..... Zasion der Reisende..... Ladron aus Bor..... Sierrana, Ain von Nailegna....." Der Erzmagier murmelte erkennend die Namen, bis er beim letzten Gefährten länger verweilte. "Und Kagem, der Träger des Drachenherrschwertes Ilashar."

Alle starrten Gab fassungslos an. "Drachenherr?", flüsterte Risae verwirrt und schaute Xiantas fragend an. "Die Sagenfigur aus den Schriftrollen Kin's. Erinnerst du dich? Derjenige der zusammen mit dem legendären weißen Drachen in die Schlacht zieht und in der Prophezeiung von Djin erwähnt wurde.", erklärte der Zentaur. Risae wandte sich wieder an den Erzmagier. "Das Schwert des Drachenherrn? Soll das heißen... Kagem ist der Drachenherr?" "Natürlich!", jubelte Zasion und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. "Deswegen kann nur er es aus der Schwertscheide ziehen!" Gimpf und Pimpf schauten sich viel sagend an.

Gab musterte Kagem sehr lange ohne ein Wort zu sagen. "Nein, er ist nicht der Drachenherr.", antwortete er schließlich. "Keiner von euch ist es..." "Aber die Hülle...", protestierte Zasion. Der Erzmagier nahm Kagem Ilashar aus der Hand und zog es ohne Anstrengung aus der Scheide. "Es gibt einige Personen, die genug Macht in sich haben um die Kraft des Drachenherrschwertes teilweise zu nutzen. Kagem hat großes Potenzial in sich, doch ist nicht der Drachenherr. Allerdings spüre ich, dass er unbewusst die Macht Ilashars schon mehrmals genutzt hat. 4 Mal um genau zu sein. Beim Kampf auf der Zentaurenlichtung, die Schockwelle bei der Schlacht um Angelian, um Sierrana vom Gift zu heilen und um nicht von dem Schlafgas Ladrons betroffen zu werden." "Immer wenn der Edelstein rot leuchtete.", murmelte Kagem. "Aber woher wisst ihr davon?" "Fast nichts bleibt mir als Erzmagier verborgen. Es war übrigens eine kluge Entscheidung vor Enyxanshen zu fliehen, denn er hat es sich seit Ciina zur Aufgabe gemacht euch zu töten."

"Wer ist das eigentlich?", warf Ladron unhöflich ein. "Der Rotdrache Enyxanshen ist einer der ,mächtigen 5 Drachen'." "Mächtige 5 Drachen?" "Ja, es sind die Drachenbrüder mit dem größten Machtpotenzial von allen. Auch sie sind in den Schriftrollen Kin's erwähnt. Die Rotdrachen Enyxanshen, Onsanshen, Kahuanshen und Lioanshen, den Kagem in Ciina tötete. Außerdem noch der legendäre weiße Drache Greanshen."

"Aber dann sind doch die Schriftrollen Kin's wirklich wahr.", keuchte Risae. Der Erzmagier nickte. "Um genau zu sein sind die Schriftrollen nichts weiter als die Geschichte, die sich vor 5000 Jahren abspielte. Das Siegel, in das der Drachenherr die Drachen damals verbannte, hat sich vor einiger Zeit gelöst. Wunderte es euch niemals, dass die Drachen alle auf einen Schlag auftauchten?"

"Ich muss zugeben, ich habe die Schriftrollen Kin's nicht gelesen.", murmelte Risae. Xiantas erklärte ihr alles wieder einmal schnell. "Alles in allem geht es darum, dass Drachen genau wie heute die Welt überfluteten, angeführt von vieren der mächtigen 5 Drachen. Der Drachenherr Kin reiste zum Feuergipfel, dem Wohnsitz Greanshen's. Mithilfe dieses weißen Drachens zog er in die Schlacht und verbannte alle Drachen in die Unterwelt, gefangen durch ein mächtiges Siegel."

"Dieses Siegel hat sich jetzt gelöst? Und die Drachen leben immer noch?" "Ja", beantwortete der Erzmagier knapp. Es setzte eine unangenehme Stille ein, keiner wusste so recht was er sagen sollte.

"Nun, ich denke es wird euch gut tun ein warmes Bad zu nehmen und wieder in einem richtigen Bett zu schlafen. Hinda, führe sie bitte zu unseren Gästezimmern." "Natürlich, Meister Gab." Die Magierin führte die Gruppe lächelnd zurück in die Vorhalle, bog nach links in einen Gang ab und deutete auf eine Wendeltreppe, die sich nach oben ins nächste Stockwerk wand. "Hier entlang." Die Gefährten folgten Hinda die Treppe empor und sahen sich nun in einem Flur, zu dessen beiden Seiten mehrere Türen in weitere Räume führten.

"Es sind Einzelzimmer, sucht euch einfach eins aus." Sie lächelte freundlich und zog sich selber in ein 10. Zimmer zurück. "Tja Leute, wo auch immer das Bad ist, es gehört mir als erstes!", jubelte Risae begeistert. Sie warf ihr Gepäck in ihren Raum und ging pfeifend zu Hindas Zimmer. Die Magierin öffnete die Tür, bevor Risae überhaupt anklopfte. "Ich gehe jetzt zum Studieren in die Bibliothek. Komm mit. Das Bad liegt im gleichen Flur." "Woher..." "Der Erzmagier unterrichtet mich. Vorhersehung ist äußerst praktisch." Hinda lächelt wieder bei Risaes verdutztem Gesicht. Im gleichen Augenblick sprang auch Icen wieder aus seinem Zimmer. "Du darfst gerne mit in die Bibliothek, Icen.", sagte Hinda wissend. Der Magier sah genauso verwirrt aus wie Risae, konnte sich jedoch schnell erklären wieso die Zauberschülerin es wusste.

Die drei liefen den Gästezimmergang entlang, bis zu einer Abzweigung. Hinda deutete für Risae nach links. "Dort ist das Bad." Mit Icen ging sie nach rechts und öffnete eine große, halbrunde Tür.

Die Bibliothek im Turm des Erzmagiers gilt als die größte der Welt. Jedes Wesen, das auch nur ein wenig von der Zauberkunde versteht, träumt davon einmal dort zu sein und in den unzähligen Schriften, Büchern und Aufzeichnungen zu wühlen. Ein Traum, der für Icen nun in Erfüllung ging. Der Magier stöberte mit unersättlicher Neugier in den bis zur Decke reichenden Bücherregalen, entschied sich schließlich für einige Schriftrollen, die ihn besonders interessierten, und ließ sich an einem Tisch nieder.

Hinda beobachtete lächelnd, wie Icen sein eigenes Zauberbuch hervorholte und etwas mit einem Federkiel hineinkritzelte, wahrscheinlich ein Zauberspruch, den er sich aneignen wollte. Die Magierin machte eine kurze Handbewegung. Ein Buch löste sich aus dem Regal, schwebte wie durch Geisterhand in der Luft und flog schließlich zielsicher in Hindas ausgestreckte Hand. Der Einband verkündete Grundlagen der Vorhersehung, Band 2. Sie setzte sich neben Icen an den Tisch und begann ebenfalls zu lesen.
 

Nachdem sich jeder gebadet und ausgeruht hatte (oder auch in der Bibliothek stöberte), trafen sich die Gefährten gemeinsam mit Hinda und Erzmagier Gab in der Haupthalle, wo inzwischen ein großer rechteckiger Tisch stand. Sie aßen gemütlich zu Abend und vergaßen wenigstens für kurze Zeit ihre anstrengende Reise. Zumindest solange bis Ladron das Thema rücksichtslos anschnitt. Er war bis jetzt kaum von dem Schmerz der vielen Gefahren betroffen und die anderen trauernden Gefährten scherten ihn nicht. "Ich frage mich schon die ganze Zeit, Erzmagier...", zischte er abfällig. "Wenn du wirklich so mächtig und großartig bist, warum gehst du nicht zum Götterturm und zerlegst die Rassenkugel der Drachen mit einem Fingerschnippen?"

"Es ist mir nicht gestattet das Schicksal der Welt zu entscheiden. Außerdem bin ich an den Turm des Erzmagiers gebunden. Er erscheint jeden Tag an einem anderen Ort. Wenn ich ihn verlasse, bin ich dazu verdammt ohne Zauberkraft ziellos durch die Länder zu wandeln, ohne Hoffnung den Turm jemals wieder zu finden."

"Und?", schnappte Ladron kalt. Zasion brachte ihn mit einer beruhigenden Geste zum Schweigen. Überraschenderweise hörte er darauf. "Und was ist mit Hinda? Wie kam sie hierher?" Die Magierin lächelte, wie so oft. "Solange Meister Gab im Turm ist, kann er entscheiden wo der Turm erscheint, solange sich der Standort jeden Tag ändert und er Leute aufnimmt, die dafür würdig sind. Es ist kein Zufall, dass er heute vor euch auftauchte, genauso wenig wie damals, wo er mich in einem Wäldchen unweit des Reiches der Avoire aufnahm und anbot mich zu unterrichten."

"Aviore?", fragte Risae ahnungslos. "Vogelmenschen.", flüsterte Xiantas aus dem Mundwinkel. Schweigen hüllte den Rest des Essens ein. Nachdem sie alle zu Ende gespeist hatten, sprach Icen ihre Reise doch noch einmal kurz an. "Erzmagier Gab, wir haben maximal ein Drittel unserer Reise hinter uns. Könnt ihr uns nicht vor dem Götterturm absetzen?" "Nein, tut mir Leid. Wie gesagt, kann ich den Ort des Turmes nur bestimmt, wenn ich Würdige aufnehme, nicht absetze. Das Einzige, was ich euch zur Hilfe bieten kann, sind meine Mago. Sie werden euch sehr schnell in die Nähe des Götterturmes bringen können."

Risae schluckte schwer. "Ihr meint fliegen? Auf diesen... Wesen?" "Ja.", meinte der Erzmagier einsilbig. Hinda, die Risaes schockierten Gesichtsausdruck sah, lächelte mal wieder. "Keine Angst. Meister Gab's Mago sind sehr gut gezüchtet. Sie werden euch nichts tun." "Na dann..."

"Wenn alles geklärt ist, kann nun jeder wieder seine Wege gehen." Gab hatte die Worte kaum ausgesprochen, da war Icen auch schon wieder Richtung Bibliothek gestürmt. Hinda folgte amüsiert lächelnd.

"Ach Kagem." Der Schwertkämpfer hatte sich wie alle anderen von seinem Platz erhoben, hielt jedoch bei der Stimme des Erzmagiers inne. "Es gibt noch etwas, das ich mit dir bereden muss. Allein." Kagem setzte sich verwirrt wieder hin. Die Gefährten, die die Haupthalle verließen, blickten ebenso überrascht zurück, Sierrana wollte schon wieder zurücklaufen, doch der Erzmagier versicherte es würde nicht lange dauern. Nur in den Augen Ladrons lag völlige Gleichgültigkeit.
 

Kagem kehrte etwa eine halbe Stunde später in sein Zimmer zurück. Sierrana wartete schon vor der Tür auf ihn, doch was sie sah war erschreckend. Die Sorge in den Augen des Schwertkämpfers, die in den letzten Tagen ein wenig verschwunden war, brannte nun stärker als jemals zuvor. Sein Gesicht war blass und völlig ausdruckslos, er wirkte sehr erschöpft. Was hatte ihm der Erzmagier bloß erzählt?

"Was hast du?" Ohne ein Wort zu sagen umarmte Kagem Sierrana und verharrte in dieser Position. "Was hast du?", fragte die Ain noch einmal. "Ich... ach es ist nichts." Sie kannte ihn inzwischen lange genug um zu wissen, dass Kagem nichts erzählte was er nicht wollte. Also hielt sie ihn einfach nur fest, bis er sich von selbst löste und ein Lächeln zustande brachte. "Tut mir Leid, ich hab mich gehen lassen. Mach dir keine Sorgen." "Wenn du das so sagst, ist es aber bestimmt etwas über das man sich Sorgen machen sollte." "Nein wirklich, es ist nichts..." "Was hat dir der Erzmagier erzählt?" "Nichts wichtiges... es ist wirklich alles in Ordnung, okay?"

Kagem strich ihr sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht, gab ihr einen kurzen Kuss und zog sich in sein Zimmer zurück. Seufzend ging Sierrana in das Schlafgemach nebenan, erstaunt ihre Lippen berührend. Auch die restlichen Kameraden legten sich nach und nach schlafen, als letztes Icen. Er weckte noch Hinda, die über ihren Aufzeichnungen eingeschlafen war, bevor die beiden Magier zu Bett gingen.

Der Turm des Erzmagiers war ruhig und niemand ahnte was Gab Kagem offenbart hatte.
 

Am nächsten Morgen frühstückten alle erfrischt und ausgeschlafen. Jedem viel auf, dass sich Kagem wieder verändert hatte und er so wenig redete wie noch nie. Nach dem Essen führte der Erzmagier sie hinaus auf den Hof, der den Turm umschloss. Außerhalb des Mauerrings wütete ein Schneesturm, während es auf dem Hof völlig windstill war und sogar saftige grüne Grasflächen wucherten.

Hinda beantwortete die Frage, die Risae auf der Zunge lag. "Der Turm ist verzaubert, so dass der Hof vom Klima draußen unabhängig ist. Meister Gab hat das eingerichtet, damit seine Mago hier leben können. Sie sind seine große Leidenschaft." Der Erzmagier lächelte schwach. "Wie ich gesagt habe, werde ich euch meine neun besten Mago zur Verfügung stellen." Er pfiff einmal kurz und scharf. "Donnerschlag! Feuersturm! Regenschauer! Flutwelle! Lichtblitz! Sternengold! Silberschweif! Eiskristall! Tornado! Kommt zu mir!" Es verging keine Sekunde bevor die Mago aus dem hinteren Teil hervorkamen. Die Gefährten verstanden auch warum diese Tiere solch merkwürdige Namen trugen, denn sie passten sehr gut zu ihrem Aussehen. Beispielsweise hieß das rot glühende Wesen ,Flammensturm' oder der blau leuchtende Mago war ,Flutwelle'.

"Sucht euch jeder einen aus. Ich werde ihnen sagen, sie sollen euch sicher zum Götterturm bringen. Solange stehen sie euch gehorsam zur Seite." Der Erzmagier flüsterte jedem der Mago kurz etwas zu und diese nickten verstehend, ihre Vogelaugen fixierten die Gruppe. Nachdem das erledigt war, begutachtete Gab den Schneesturm, der draußen herumwirbelte, die Gegend verwüstete und weiße Flocken herumschleuderte. "Hmm... kein gutes Wetter um die Reise fortzusetzen."

Der Erzmagier machte nur eine kurze Handbewegung und rief klar und deutlich: "Klarwetter!" Augenblicklich teilte sich die schwarze Wolkenfront und ließ helles Sonnenlicht durchkommen. Der Schnee nahm ab, der Wind wurde schwächer und die grauen Wolken schienen reihenweise zu verpuffen. Ehe sich die Gruppe versah, lachte die Sonne am Himmel, umgeben von strahlendem Blau. "Viel besser", lächelte Gad glücklich. "Also... steigt auf."

Zasion warf sich sofort auf den erstbesten Mago, Lichtblitz. Er hatte scheinbar keine Bedenken. "Kommt schon!", versuchte der Engel die anderen anzuspornen. "Ich bin schon mal auf einem Greif geflogen. Ein tolles Erlebnis und völlig ungefährlich. Die Tiere sind superschlau und passen auf ihre Passagiere auf."

Ladron betrachtete die magischen Greife mit etwas Abscheu in den Augen. "Magie...tzz..." Der Dieb sprang auf das Tier mit Namen ,Regenschauer' und hielt sich an dessen Nackenfedern fest. Auch die anderen Gefährten suchten sich jetzt ein Tier und kletterten auf den stämmigen Rücken. Außer der Zentaur, Xiantas, der ein wenig hilflos vor dem letzten freien Mago ,Silberschweif' trippelte. "Also... was ist mit mir? Der Mago wird mich kaum tragen können."

Hinda tippte sich nachdenklich mit dem Finger gegen die Wange, während der Erzmagier keine Reaktion der Überraschung zeigte. "Kein Problem. Xiantas, knicke bitte deine Hufe ein, damit du sozusagen auf den Pferdebauch liegst." Der Zentaur tat wie ihm geheißen. Gab machte wieder eine kurze Handbewegung und Xiantas fand sich auf einmal eingewickelt in ein riesiges Tuch, nur der menschliche Oberkörper schaute noch hervor. "Was wird das?", fragte er ein wenig nervös. Der Erzmagier machte eine erneute Handbewegung und die Enden des Tuches banden sich von selbst, wickelten sich aneinander und verknoteten sich zusammen mit ebenfalls erschienenen weißen Bändern.

Silberschweif der Mago erhob sich mit ein paar Flügelschlägen hoch in die Luft, wo sich ein langes weißes Band um den Körper des Mago wickelte und dann das Xiantas-Päckchen fest knotete. Der Zentaur baumelte jetzt wie ein eingeschnürter Sack unter Silberschweif, verbunden durch ein festes Band. "Das ist nicht euer Ernst?", rief Xiantas nervös und starrte hinunter auf die anderen. Seine Stimme hatte die sonstige innere Ruhe völlig verloren.

"Der Zentaur hat doch wohl keine Höhenangst. Er sollte aufpassen, dass er nicht runterfällt.", bemerkte Ladron bissig. "Vielleicht solltest lieber du aufpassen.", gab Risae wütend zurück. "Halt den Rand, Mädel!" Icen drehte sich auf seinem Mago ,Eiskristall' herum und starrte Ladron feindselig an. "Sei vorsichtig, Dieb!" "Das sagt der Richtige, mieser Trickser. Leg dich nicht mit mir an..." Die Drohung in der Stimme war unverkennbar. Icen war schon drauf und dran seinen Magierstab auf ihn zu richten, als sich Zasion dazumischte. "Es ist gut jetzt. Ladron, bitte halte dich etwas zurück." Tatsächlich hörte der Dieb auf ihn und starrte den Magier nur noch bedrohlich an.

"Er meint es nicht so, Icen...", versuchte Zasion zu beruhigen.

"Ja ja, ist schon gut...", murmelte Icen sauer. "...aber er strapaziert eindeutig die Stimmung der Gruppe." Noch einmal blitzten sich Dieb und Magier wütend in die Augen, dann wandte sich die Aufmerksamkeit der Gefährten wieder zu Hinda und dem Erzmagier. "Da ihr jetzt bereit scheint...", sagte Gab mit einem Seitenblick auf Ladron. "Könnt ihr eigentlich losfliegen. Die Mago werden euch verstehen, egal was ihr ihnen sagt. Sie werden euch nahe an den Götterturm bringen, etwa eine Tagesreise davon entfernt. Sie können nicht näher fliegen, da die konzentrierte Macht sie dort schädigen könnte." "Das geht in Ordnung.", meinte Icen lächelnd. "Es war wirklich interessant hier. Wenn es geht würde ich gerne irgendwann noch mal hierher kommen." Der Magier warf bei seinen Worten einen kurzen Blick zu Hinda herüber.

Die junge Magierin lächelte. "Wir werden dafür sorgen, dass der Turm des Erzmagiers eines Tages wieder vor dir erscheinen wird."

Alle verabschiedeten sich freundlich, mit Ausnahme von Ladron der nur knapp mit dem Kopf nickte. Kagem gab ihnen ebenfalls ein kurzes Nicken und ein schwaches "Macht's gut.", seine ersten Worte an diesem Tag. Was auch immer der Erzmagier ihm gesagt hatte, es muss etwas Schlimmes gewesen sein. Sierrana schaute ihn besorgt an. "Los!", rief Icen den Mago zu. Die magischen Greife schlugen mit ihren farbigen Flügeln, glitzernde Feder hinterlassend und stiegen pfeilschnell hoch in die Luft. Sie schnellten durch die Luft und der Turm des Erzmagiers schrumpfte hinter ihnen in Sekundenbruchteilen zu einem kleinen Punkt zusammen...
 

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Naja, was soll ich zu diesem Kapitel sagen. Es ist nicht sehr spannend oder Aktion geladen, aber das musste jetzt sein, um den Weg für die nächsten Episoden zu legen.

Man darf sich freuen auf Drachenbrut - Kapitel XX !!!

Kampf in der Luft

Kapitel XX - Kampf in der Luft
 

Die magischen Greife schlugen mit ihren farbigen Flügeln, glitzernde Feder hinterlassend und stiegen pfeilschnell hoch in die Luft. Sie schnellten durch die Luft und der Turm des Erzmagiers schrumpfte hinter ihnen in Sekundenbruchteilen zu einem kleinen Punkt zusammen...
 

Ein eisiger Wind schlug den Gefährten wie scharfe Messer ins Gesicht. Schon nach kurzer Zeit fühlten sich ihre Gesichter vollkommen taub an und sie mussten sich tief hinter die Hälse ihrer Mago ducken. Jeder hätte wahrscheinlich gerne mit Xiantas getauscht um in dem schützenden Tuch zu liegen, alle außer Xiantas selbst. Der Zentaur hatte die Augen geschlossen und sich tief in seinem hängenden Bündel verkrochen. Er war wohl nicht für das Fliegen geboren.

Icen warf immer wieder prüfende Blicke zu Ladron herüber. Dem Dieb schien sogar dieser schneidende Wind völlig gleichgültig zu sein. Er schirmte sich zwar auch hinter dem Hals seines Mago ,Regenschauer' ab, doch seine dunklen Augen blieben völlig tot. Wer war dieser Mann? Und warum begleitete er sie wirklich?

Ein entsetzter Schrei ließ den Magier alarmiert herumwirbeln. Risae starrte entsetzt in Richtung des Horizontes hinter ihnen und deutete auf zwei kleine Punkte, die am Himmel flogen. "Was ist das?", rief die Schwertkämpferin ängstlich. Sierrana und Zasion verengten ihre übernatürlich scharfen Engelaugen zu schmalen Schlitzen und erkannten gleichzeitig um was es sich handelte. "DRACHEN!!!" Die Mago schienen die heraufziehende Gefahr zu spüren, denn sie schlugen jetzt deutlich schneller mit ihren Flügeln und schossen wie Pfeile durch die Luft. "Bleibt ruhig!", schrie Icen über den vorbeifegenden Sturm. "Mago sind mindestens genauso schnell wie Drachen. Man wird uns nicht einholen!"

Mit einem beunruhigenden Gefühl im Magen flogen die Gefährten auf ihren magischen Greifen davon, immer wieder ängstliche Blicke nach hinten werfend. Mal verschwanden die Punkte kurz, mal tauchten sie wieder auf, doch sie waren nie so nah, als dass jemand außer Zasion und Sierrana sie wirklich als Drachen deuten konnten. Sie setzten ihren Flug fort bis spät in die Nacht hinein, die leuchtenden Färbungen der Mago zeichneten sich gut sichtbar gegen die Dunkelheit ab.

Und dann kam, was kommen musste. Kagem spürte als erstes wie die Bewegungen seines Tieres ,Flammensturm' immer langsamer und eckiger wurden. Er teilte es Icen mit und auch der Magier hatte bereits gespürt, dass die Mago erschöpft waren. Sie mussten landen. Icen gab jedem die Mitteilung durch und obwohl niemand begeistert war mit Drachen im Nacken zu pausieren, hatten sie keine andere Wahl. Die Gefährten riefen ihren jeweiligen Mago den Befehl zum Landen. Ohne Umschweife glitten die magischen Greife in kleinen Spiralen bis zur Erde hinunter, sie landeten in einer von toten Bäumen umgebenen Lichtung.

Es wurde sich darauf geeinigt ein Feuer zu machen, denn die Mago neben ihnen leuchteten wie helle Fackeln und mussten schon von weiter Entfernung aus zu sehen sein. Die Flammen würden dagegen regelrecht unauffällig wirken. Gimpf wollte wie gewohnt seine Feuersteine aus dem Rucksack holen, doch merkwürdigerweise fand er sie nicht. "Sie sind weg!", grölte der Zwerg wütend. Ladron trat aus dem Schatten eines knorrigen Baumstammes und entzündete boshaft grinsend einen Funken mit Hilfe zweier Feuersteine...

"Du!", donnerte Gimpf. "Du hast meine Steine gestohlen!" Ladron hob scheinheilig die Hand. "Ich doch nicht. Diese hier habe ich schon seit Ewigkeiten." "Lügner!", kreischte der Zwerg. Er riss dem Dieb wutentbrannt die Steine aus der Hand und zeigte ihm kleine eingeritzte Buchstaben. Gimpf "Siehst du?! Ich habe meinen Namen eingraviert, genau damit euresgleichen ihn nicht einfach klauen kann!" "Unseresgleichen? Du hast keine Ahnung, kleiner Fußabtreter!" Man wusste nicht ob das Wort ,kleiner' oder ,Fußabtreter' größere Wirkung zeigte, doch auf jeden Fall wurde Gimpf wütend, sehr wütend...

Mit Zorn im Gesicht griff er die Streitaxt von seinem Rücken und sprang auf Ladron zu. Der Dieb duckte sich unter dem Hieb hindurch und schlug in der gleichen Bewegung seine Faust in den Magen des Zwerges. "Aufhören!", schrie Icen. Pimpf hielt seinen strampelnden Bruder fest, während Zasion Ladron beruhigte. Die beiden wären am liebsten gleich wieder aufeinander losgegangen. Kagem nahm ohne dass jemand Notiz davon nahm die umstrittenen Feuersteine und brachte das ersehnte Lagerfeuer zum Brennen...
 

Kagem musste wohl irgendwann eingeschlafen sein, denn Icen weckte ihn hektisch. Er konnte nicht länger als eine Stunde geschlafen haben, denn er fühlte sich müder als zuvor. Schwerfällig rappelte sich der Schwertkämpfer auf und lief hinüber zu den bereitstehenden Mago. "Was ist los?", fragte er Sierrana träge. Die Ain, erfreut darüber dass Kagem von sich aus wieder redete, deutete in den nächtlichen Himmel. Ein sichelförmiger Mond schien im silbernen Licht. "Die Drachen sind schon viel zu Nahe gekommen. Wir müssen weiter!" Erst jetzt erkannte Kagem die flatternden Schatten in einiger Entfernung, sie waren deutlich näher...

Ohne weitere Zeit zu vergeuden sprang er auf seinen roten Mago ,Feuersturm', während Icen das brennende Lagerfeuer mit einem Schneezauber seines Stabes erstickte. Die Gefährten versammelten sich und gaben ihren magischen Greifen den Befehl zum Weiterfliegen und obwohl die Tiere gar nicht begeistert schienen, gehorchten sie bedingungslos.

Die 9er Gruppe schoss wieder davon, die Lichtung nicht mehr als ein dunkler Schatten hinter ihnen. Man konnte jetzt sogar das wütende Brüllen der zwei Drachen hören, das vom Wind bis an ihre Ohren getragen wurde. Ein eisiger Schauer lief Risae den Rücken herunter.

Die Nacht neigte sich dem Ende zu, als die Mago ein zweites Mal deutlich langsamer wurden. Es hatte keinen Sinn. Auch wenn die magischen Greife genauso schnell wie Drachen waren, so hatten sie eindeutig weniger Ausdauer. Kein Wunder, denn Drachen mussten mit ihren ungeheuer großen Schwingen nur sehr selten schlagen um ihren Körper in den Lüften zu halten, währenddessen Mago ihre Flügel fast ununterbrochen in Bewegung hielten. Es war unvermeidbar, dass die Drachen sie einholen würden.

Ehe sich die Gefährten versahen, konnte man schon die rot glühenden Augen, die glänzenden Schuppen und die mit Reißzähnen besetzten Mäuler der beiden Kreaturen sehen. "Haltet ein!", kreischte der erste Rotdrache mit seiner grausamen Stimme. "Haltet ein und ergebt euch eurem unweigerlichen Ende! Enyxanshen befiehlt, euch zu vernichten! Niemals werdet ihr die nahende Zeit der Drachen aufhalten können!"

"Oh doch!" Icen wirbelte auf ,Eiskristall' herum und sah die Drachen so nahe hinter sich, dass ihr Feueratem ihn mühelos verbrennen könnte. Doch bevor es dazu kam, hatte der Magier seinen Stab schon zwischen die Augen des sprechenden Drachen gezielt. Icen entflammte vor Entschlossenheit, als der neue Zauber aus der Bibliothek Gab's in sein Bewusstsein schlüpfte.

"Oh Eis, Element der Kälte. Leihe mir deine Macht und erfriere die grausamen Feinde!", schrie Icen aus voller Kraft. Der Kristall am Ende seines Stabes entflammte in blauem Licht, der Drache kreischte geblendet und ein wirbelnder Strahl aus Eis und Schnee schoss durch die Luft. Die geballte Ladung der Magie traf den rotschuppigen Drachenkopf wie ein Vorschlaghammer. Dickes Eis überzog den gigantischen Körper des Drachen und gefror seine Flügel. Das Monstrum stürzte hilflos zu Boden, schlug in den Wald unter ihnen ein und zerdrückte dabei Bäume wie kleine Streichhölzer.

Alle starrten Icen mit offenen Mündern an. Der Magier grinste, direkt bevor sich seine Hand um die Brust verkrampfte, sein Atem ging stoßweise. Feiner Schweiß benetzte seine Stirn und die Sinne schwanden ihm. Alles verschwamm zu wirren Farben, er drohte das Bewusstsein zu verlieren. Der Zauber war verdammt mächtig, doch auch sehr belastend für den Körper. ,Eiskristall' spürte wie sein Herr schwächer wurde und versuchte sofort ruhiger zu fliegen, um ihn sicher auf dem Rücken zu halten.

Der zweite Drache kreischte hasserfüllt, seine Augen blitzten voll purer Mordlust. "Verdammter, Magier!!!" Der Drache schlug kräftig mit den Schwingen, schnellte mitten in die Gruppe der Mago und schlug mit seinen scharfen Klauen zu. Icen spürte einen brennenden Schmerz quer über seine ganze Brust, bevor ihm endgültige Dunkelheit umfing. Der Magier wurde vom Rücken seines Mago geschleudert. Der Drache stieß ein grollendes Lachen aus und öffnete sein gewaltiges Maul, die Flammen seines Feueratems züngelten bereits ungeduldig im Rachen. Er stieß eine Woge roten Feuers hervor, die den fallenden Magier zu verbrennen drohte.

"Tut doch etwas!", rief Risae mit Tränen verschmiertem Gesicht. Alles schien stillzustehen. Unaufhaltsam züngelte der Flammenstrahl näher auf Icen zu um ihn zu einem Häufchen Asche zu verbrennen...

Bis Risaes Mago ,Flutwelle' mit geradezu überirdischer Geschwindigkeit den Schnabel aufriss. Ein Strahl schäumenden Wassers brach hervor, traf auf den Flammenatem des Drachen und ließ diesen zu einem ungefährlichen Dampfwölkchen erlöschen. "Es sind wirklich Tiere voller Magie...", flüsterte sie ehrfürchtig.

Im gleichen Augenblick rauschte ,Eiskristall' in kleinen Spiralen herab, um seinen Herren wohlbehalten aufzufangen. Icen blutete heftig aus seiner aufgeschlitzten Brust, ein dünnes Rinnsal Blut lief ihm aus dem Mundwinkel herab.

"Zasion!", rief Kagem und deutete auf den verletzten Magier. Der Engel verstand sofort, sprang von seinem Mago ,Lichtblitz' ab und breitete seine farbigen Flügel aus. Zasion flog zu Icen herüber um seine Wunden zu heilen, doch bevor er ,Eiskristall' erreichte schoss ein geschuppter Schweif aus dem Nichts hervor und schlug ihm mit aller Kraft gegen den linken Flügel. Man hörte ein Knacken, dass die Nacht durchschnitt wie ein Gewehrschuss, gefolgt von Zasions lautem Schmerzensschrei. Der Flügel war gebrochen.

"Ladron!", schrie Kagem diesmal dem Dieb zu. "Schnell! Schnapp dir Zasion!" Ladron lächelte boshaft. "Wieso?", fragte er kalt. "Was? Verdammt, es ist keine- ach verdammt!" Mit einem wütenden Blick riss Kagem ,Feuersturm' herum und deutete auf den Engel, der schon bedrohlich nahe auf den Boden zugeflogen war. Der Mago schnellte sofort nach unten mit der letzten Kraft die er aufbringen konnte und Kagem fing Zasion schützend auf. Das Gesicht des Reisenden war schmerzverzerrt.

Die beiden Kämpfer schauten hinauf zu dem Drachen, der sich ein erbittertes Duell mit den Mago lieferte. Die Tiere enthüllten der Reihe nach ihre magischen Fähigkeiten und bombadierten den Feind mit Blitzstrahlen, Wasserfontänen und Wirbelstürmen. Aus unzähligen Wunden lief das dunkle Blut des Drachens herab, wie ein makaberer roter Sprühregen. Doch die Kreatur war vom Kampfrausch besessen. Der Rotdrache schlug, riss und fetzte mit seinen Klauen, Zähnen oder Flügeln. Die Mago hatten Mühe den Angriffen zu entgehen, denn auch wenn ihre magischen Angriffe Wirkung zeigten, konnten sie den Drachen nicht zum Absturz bringen. Kagem sah mit Zorn, dass sich Ladron ganz dezent aus dem Kampfgeschehen raus hielt und zischte mit ,Feuersturm' wieder in die Höhe. Noch in dem Flug, der Kagem vor Anspannung am Atmen hinderte, zog er Ilashar mit einem sirrenden Geräusch aus der Scheide, sprang vom Rücken seines Mago und trieb das Drachenherrschwert bis zum Schaft in das Gelenk des linken Drachenflügels.

Der Rotdrache schrie auf vor Schmerz, seine Schwinge hing leblos herab, und er stürzte wild mit den Klauen rudernd Richtung Boden. Es war nur noch ein gewaltiger Knall zu hören, der gewaltige Leib des Drachens zerquetschte eine zweite Umgebung voller Bäume und blieb tot liegen, wobei das Licht in seinen Augen erlosch. Stille trat ein. "Wo ist Kagem?", fragte Sierrana mit vor Angst zitternder Stimme.
 

Nachdem die Gefährten wieder festen Boden unter den Füßen hatten und Zasion sich, sowie Icen geheilt hatte, fingen sie an Kagem zu suchen. Er war nach dem Angriff auf den Drachen nicht wieder zurück auf seinen Mago gesprungen. Daraus folgte, dass der Schwertkämpfer noch in der Nähe des Drachens sein musste. Alle suchten eine geschlagene halbe Stunde und machten sich innerlich auf das Schlimmste gefasst. Sierrana ging mit Risae. Das rothaarige Mädchen musste ihre Freundin, die bitterlich weinte, trösten und immer wieder versichern, dass alles in Ordnung wäre.

Doch die Hoffnung Kagem zu finden schwand, als bereits überall außer unter dem Drachen gesucht worden war. "Das kann nicht sein... das darf nicht sein...", wimmerte Sierrana sie machte sich erst gar keine Mühe die Tränen wegzuwischen, die bereits Spuren in ihr Dreck verschmiertes Gesicht gezeichnet hatten.

Plötzlich erschien ein Spalt roten Lichtes unter dem Leib des riesigen Drachens. Der ganze Körper erbebte, hob sich wie durch Geisterhand in die Luft und schwebte haltlos herum, erfasst von diesem intensiven roten Licht. Darunter kauerte eine kleinere Gestalt. "Kagem!", rief Sierrana erleichtert. Der Schwertkämpfer hielt Ilashar in der Hand, das ebenfalls rot strahlte. Scheinbar nutzte er ein weiteres Mal die Kräfte des Drachenherrschwertes. Kagem keuchte schwer und schleppte sich humpelnd zu den Gefährten. Der Drachenkörper fiel hinter ihm wieder haltlos zu Boden.

"Oh Kagem!" Sierrana warf sich dem blonden Kämpfer glücklich um den Hals, doch löste sich schnell wieder als er schmerzvoll aufstöhnte. "T-tut mir Leid...", stotterte sie verlegen errötend. Kagem wank ab. "Schon gut." Der Schwertkämpfer hustete gequält und hielt sich die Hand vor den Mund als er ein wenig Blut spuckte. "Bist du schwer verletzt? Leg dich hin!" Kagem ließ sich auf dem harten Erdboden nieder und blieb ruhig liegen, bis Sierrana ein weiteres Mal ihre Heilkräfte eingesetzt hatte.

"Ich frage mich warum es immer mich erwischt.", meinte Kagem kopfschüttelnd und steckte sein Schwert weg. "Das kommt daher, dass du dich immer rücksichtslos in die Gefahr wirfst. Mach mir nicht noch einmal so eine Angst. Das dumme Schwert wird dich nicht immer vor Schaden bewahren." Sierrana lächelte sanft und Kagem erwiderte das Lächeln. "Herzzerreißend...", zischte Ladron abfällig. Kagem wirbelte herum und starrte den Dieb hasserfüllt an. "Mit dir muss ich sowieso noch reden! Warum hast du Zasion nicht geholfen? Er wäre fast gestorben!" "Dann hätte er besser aufpassen sollen..." "Was redest du da?" Ladron wank desinteressiert ab.

"Ich riskiere doch nichts für einen von euch. Jeder muss sich um sich selbst kümmern, das ist die Regel die ich kennen gelernt habe! Mir egal, wenn ihr zu unvorsichtig seid." "Was fällt dir ein?!" Gimpf und Pimpf war wieder ihr Temperament durchgegangen. Sie zogen ihre Äxte und hätten ihn wahrscheinlich sogar verletzt, doch bevor sie ihn attackieren konnten, hatte Ladron ein langes Schwert gezogen, welches sie vorher noch nicht bei ihm gesehen hatten.

Es hatte eine Klinge aus schwarzem Stahl und den Griff, geformt aus einem Knochen. Es erinnerte auf unheimliche Weise an Negros Zweihänder. "Ein Dhrakonschwert!", keuchte Pimpf. "Du trägst ein Dhrakonschwert?!" Alle Gefährten sprangen ein Stück von ihm weg, sogar Zasion. "Was wird hier gespielt?", flüsterte Kagem. "Was geht hier vor? Wer bist du? Ein Spion? Oder sollst du uns umbringen?"

Ladron lachte eisig, auf so eine unheimliche Weise, dass es Risaes Nackenhäarchen zu berge stehen ließ. "Hey hey hey... keine voreiligen Schlüsse. Ich bin Dieb. Das Schwert habe ich von so einer Drachenfratze gestohlen." "Schwachsinn!", posaunte Gimpf. "Glaub was du willst. Vor einigen Wochen kam so eine Drachenfratze nach Bor, vermummt versteht sich. Mir gefiel das Schwert eben..." "Lügner!", brüllte Pimpf, doch Icen brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. "Lass gut sein, Pimpf. Es könnte sein. Der Dhrakon war vielleicht ein Späher, der sehen wollte ob Bor irgendwelche Verteidigung zu bieten hat."

Ladron schnaubte abfällig und entzündete mit ,seinen neu gefundenen' zwei Feuersteinen ein Lagerfeuer. Pimpf hob eine Augenbraue. "Wozu? Die Drachen brauchen keine Späher, sie vernichten einfach nur ohne Plan das was ihnen vor die Schnauze läuft." "Wenn du das glaubst, bist du noch dümmer als ich dachte, Zwerg. Die Drachen vernichten die Städte nach einem Muster." Die anderen Gefährten starrten Ladron verwirrt an. "Ein Muster?" Ladron schüttelte über diese Dummheit nur ungläubig den Kopf. Er zog eine Karte aus seinem schmuddeligen Rucksack und breitete sie vor den Gefährten auf dem Boden aus. Es war eine Karte, die die bisher erforschte Welt zeigte. Der Dieb tippte auf Bor im Osten.

"Die Drachen haben hier angegriffen, im Osten von Ciina bis Bor. Außerdem beim Engelreich im Süden, ins besondere die Stadt Nailegna, die daraufhin teilweise verlegt wurde. Dann im Hohen Norden, wo sie jedoch keinen großen Schaden anrichten konnten. Und im westlichen Avior-Reich."

"Woher weißt du das alles?", fragte Kagem misstrauisch. Ladron zuckte mit den Schultern. "Auf der Straße hört man viel.", meinte er gleichgültig. "Und was für ein System steckt dahinter?", hakte Icen weiter nach. Der Dieb schüttelte wieder ungläubig den Kopf. "Seht ihr es nicht?"

Kagem starrte angestrengt auf die Karte. Etwas schlich sich in seinen Kopf, ein Gedanke den er bis jetzt nicht für wichtig empfand. Es waren die letzten Worte, die Negro gesprochen hatte. Wir wissen was ihr vorhabt. Wir wissen, dass ihr zum Götterturm wollt. Es ist so sinnlos. Völlig sinnlos. Wir werden nämlich Uto...

Und dann das Gespräch neulich mit Icen... Hast du schon einmal die Stadt Utopion, das Zentrum unserer Welt gesehen, den einzigen Ort an dem alle Rassen Seite an Seite leben?

"Sie ziehen einen Ring um Utopion, dem Zentrum der Welt...", flüsterte Kagem begreifend. "Exakt!", bestätigte Ladron und schnippte mit dem Finger. "Utopion ist die mächtigste Stadt der Welt und liegt genau im Zentrum. Die Drachen wissen, wenn sie Utopion zerstören ist der Widerstand aller Völker gebrochen. Wenn sie Utopion zerstören, können sie auch alle anderen Städte vernichten. Sie ziehen einen Ring um die Stadt, damit ihre Versorgungsstraßen abgeschnitten werden. Wenn Utopion geschwächt ist, ziehen sie ihre Truppen aus allen Richtungen gleichzeitig heran."

Eine unangenehme Stille trat ein. Ladron rollte seine Karte zusammen und stopfte sie zurück in seinen Rucksack. Er achtete nicht auf die anderen, sondern setzte sich einfach an das von ihm entzündete Feuer. "WO HAST DU SCHON WIEDER MEINE FEUERSTEINE?!", brüllte Gimpf aus voller Kehle. Es war schon fast witzig, wie der Zwerg wütend auf Ladron losging und Zasion die beiden auseinander treiben musste.

Kagem setzte sich derweil neben Sierrana an die wärmenden Flammen und drückte sie sanft an sich. Die Ain lächelte glücklich, während Kagems Blick ohne Unterbrechung auf Ladron ruhte. Ihm ging einfach nicht aus dem Kopf, was der Erzmagier ihm in seinem Turm erzählt hatte...
 

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Ach ja, ein bisschen gemein bin ich schon. Was hat der Erzmagier Kagem wohl erzählt? Ansonsten ist dieses Kapitel eigentlich eine Szene, die ich nur kurz anschneiden wollte, aber wie immer hat sich das ganze länger hingezogen als erwartet. Seit gespannt wie die Geschichte weitergeht, in Kapitel XXI !!!

Im Lager des Feindes

Kapitel XXI - Im Lager des Feindes
 

Kagem setzte sich derweil neben Sierrana an die wärmenden Flammen und drückte sie sanft an sich. Die Ain lächelte glücklich, während Kagems Blick ohne Unterbrechung auf Ladron ruhte. Ihm ging einfach nicht aus dem Kopf, was der Erzmagier ihm in seinem Turm erzählt hatte...
 

Auch Icen ließ sich kraftlos neben das Lagerfeuer fallen. Er seufzte matt. "Man, ein Problem jagt das nächste... Wir müssen uns beeilen, wenn Utopion nicht angegriffen werden soll." Der Magier raufte sich durch die Haare, seufzte ein weiteres Mal und drehte sich zu Kagem und Sierrana. Ein verständnisvolles Lächeln erschien auf seinem Gesicht.

Die Ain schlief bereits, ihr Kopf ruhte auf Kagems Brust. Der Schwertkämpfer erwiderte Icens Blick, während er gleichzeitig durch Sierranas blonde Haare strich. "Was ist?", flüsterte Kagem, um seine Ain nicht zu wecken. "Was hat dir der Erzmagier erzählt? Ich will es endlich wissen!", fragte der Magier geradeheraus. Das Gesicht des Schwertkämpfers verdüsterte sich. "Ich kann es dir nicht sagen... Versteh mich nicht falsch, ich vertraue dir völlig. Doch niemand soll davon wissen, nur wenn es nicht mehr anders geht. Verstehst du?"

Icen nickte, obwohl er ganz und gar nicht verstand. Was zum Henker hatte ihm der Erzmagier erzählt?! "Warum beobachtest du Ladron?", fragte der Magier, um das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. Selbst jetzt als Kagem direkt darauf angesprochen wurde, wand er seinen Blick nicht von dem Dieb ab. "Ich traue ihm nicht...", flüsterte er misstrauisch. Seine Stimme zeigte, dass noch mehr dahinter steckte.

"Ich meine, wir kennen ihn kaum. Ich verstehe immer noch nicht warum er uns begleitet. Und wieso hat er Zasion nicht geholfen, obwohl die beiden sich schon länger kennen? Das er ein Dhrakonschwert trägt ist mir auch suspekt. Ich traue ihm nicht..."

"Das kann ich verstehen." Icen lehnte sich an einen der kahlen, nicht von Drachen erdrückten Baumstämme und wühlte seine Decke aus der magischen Tasche. Selbst dem Magier wurde es in den eisigen winterähnlichen Nächten zu kalt. Sierrana hatte im Schlaf intuitiv ihre Flügel um sich geschlungen, während Kagem noch seine Decke über ihnen ausbreitete.
 

Der Schlaf bis zum nächsten Morgen erschien den Gefährten nach der nervenaufreibenden Verfolgungsjagd wie das Schönste auf der Welt. Zasion erwachte durch seine innere Uhr als erstes und weckte die anderen, bevor die Truppe sich mit frischem Proviant stärkte und sich auf die Mago schwang. Auch die magischen Greife waren völlig erholt, so dass sie den Tag über sehr schnell flogen und die Gefährten ihrem Ziel rasch näher kamen. "In diesem Mordstempo brauchen wir weniger als eine Woche.", hatte Icen ihnen erfreut mitgeteilt.

Es wurde jetzt immer darauf geachtet, den Mago genügend Pausen zu lassen und ihnen Zeit zur Erholung zu gönnen. Doch trotz dieser Stopps und dem immer kälter werdenden Klima traf das ein, was ihnen Icen vorhergesagt hatte: Am Morgen des siebten Tages zeichnete sich ein gewaltiger Turm am Horizont ab. Für einen Augenblick dachten sie schon der Turm des Erzmagiers wäre wieder vor ihnen aufgetaucht, doch dieses Bauwerk war größer, viel größer...

Auch wenn die Mago die Gefährten bereits einen Tagesmarsch vor dem Götterturm auf schneebedecktem Gebiet absetzten, erkannten sie alle die unglaubliche Größe. Der Turm erhob sich vom Boden aus hoch in den Himmel, wo er von einer dicken Wolkendecke verschlungen wurde. Es sah aus als hätte er kein Ende, als würde er direkt zu den Göttern führen...

Alle stiegen von ihren magischen Greifen ab, Xiantas wühlte sich erleichtert aus seinem Tragebeutel. Icen hatte sich zu den Mago gestellt und redete ihnen kurz zu. "Ich denke Erzmagier Gab hat euch schon alles gesagt. Wartet einfach bis wir zurückkommen." ,Eiskristall' ruckte kurz mit dem Kopf, was man gutgläubig als Nicken bezeichnen konnte. Icen checkte seine Ausrüstung: Stab, Schwert, Tasche und Zauberbuch, mit dem er sich noch ein letztes Mal die Zaubersprüche darin eingeprägt hatte. Kagem schnallte Ilashar fest, Risae prüfte ihr Schwert, Xiantas wirbelte spielerisch seinen Kampfstab, Gimpf und Pimpf rückten ihre Lederrüstungen zurecht, Ladron schulterte seinen schmuddeligen Rucksack, Zasion hatte seine Hellebarde aufgelegt und Sierrana strich sich nervös eine blonde Strähne aus dem Gesicht.

Es wurde Zeit für den letzten Abschnitt ihrer Reise...
 

Die Gefährten liefen zügig, aber nicht gehetzt durch den Schnee. Ein Hügel verdeckte die Sicht auf den Fuß des Götterturmes, blattlose Bäume standen verstreut überall herum und ein eingefrorener See glänzte rechts von ihnen. Die Sonne stand hoch am grauen Himmel, als die Gruppe den großen Hügel hinaufstieg und zum Fuße des Götterturmes herabsah. Der Anblick erschreckte sie heftiger als alles was sie jemals zuvor durchlebt hatten.

Der Eingang des Turmes war von einem Dhrakonlager versperrt...

"Zurück, zurück!", presste Icen hinter zusammengebissenen Zähnen hervor. Die Gefährten stolperten den Hügel wieder ein Stück hinab, so dass sie von den Zelten und Holzhütten aus nicht zu sehen waren. "Nein... nein!", keuchte der Magier entsetzt. "Was machen die hier? Wir sind doch so kurz davor. So kurz davor... Wie sollen wir da unbemerkt durchkommen?" Er fiel auf die Knie und hämmerte mit der Faust auf den kalten Boden ein. "Wieso sind die hier? Verdammt!"

"Und jetzt?", fragte Ladron kalt, es war fast so etwas wie ein spöttisches Lächeln auf seinen Lippen. Gimpf und Pimpf ließen sich diesmal nicht auf einen Streit mit dem Dieb ein, sondern setzten entschlossene Mienen auf. "Wir werden uns da durch kämpfen!", brüllten sie gleichzeitig. "Nein!", unterbrach Kagem sie scharf. "Das ist Selbstmord. Da unten sind mindestens hundert Dhrakons!" Er legte seine Stirn nachdenklich in Falten. "Wir müssen uns einschleichen. Aber natürlich nicht alle. Icen geht auf jeden Fall, Zasion und ich kommen mit." "Wieso?", flüsterte Sierrana ängstlich. Ganz gegen ihre Bitte sprang Kagem schon wieder mitten in die Gefahr.

"Icen muss die Kugel zerstören, er ist also unverzichtbar. Wenn irgendwas schief läuft, kann Zasion uns heilen oder wegfliegen um euch zu warnen. Und ich kann uns im Notfall mit Ilashar's Kräften raus hauen.", erklärte Kagem.

"Das ist Wahnsinn. Bitte. Tut das nicht. Sie werden euch entdecken bevor ihr den Turm erreicht.", flehte Sierrana. Kagem schaute ihr in die verzweifelten blauen Augen und legte eine Hand sanft auf ihre Wange. "Wir können so nahe am Ziel nicht aufhören." "Aber es muss einen anderen Weg geben! Zasion könnte Icen reinfliegen!" "Dafür ist auch er nicht kräftig genug..." "Dann geht in der Nacht oder sucht einen anderen Eingang oder-" "Shhh... Es gibt keinen anderen Weg. Mir wird nichts passieren. Ich verspreche es." "Aber-"

Sierrana wurde ein zweites Mal unterbrochen, diesmal indem Kagem ihr einen kurzen Kuss gab. "Ich verspreche es, vertraue mir." Die Ain nickte ein wenig zitternd, während Kagem kurz lächelte und sich Xiantas zuwandte. "Ich verlasse mich hier auf dich. Wenn irgendetwas nicht in Ordnung scheint, versteckt ihr euch in dem Wald am See." "Verstanden... Passt auf euch auf."

Der Schwertkämpfer nickte, verabschiedete sich reihenweise von Risae, Gimpf und Pimpf (nicht von Ladron) und wandte sich an Icen und Zasion. "Bereit?" Magier und Engel nickten zustimmend und die drei schlichen sich wieder den Hügel hinauf. Icen sprach einen seiner Illusionszauber, der sie für nichtmagische Augen mit dem schneebedeckten Boden verschmelzen ließ.

So geschützt krochen sie den Abhang herunter und verharrten hinter einem Zelt. "Bist du sicher, dass uns niemand sehen kann, solange wir von Schnee umgeben sind?", flüsterte Kagem leise. "Ja, wir müssen nur darauf achten von niemandem zertrampelt zu werden. Und auf keinen Fall aufstehen!", murmelte Icen zurück. Die drei kauerten weiterhin auf dem Boden, entgingen unangenehmen Kontakten mit Dhrakons und drangen langsam aber sicher immer mehr zum Eingangstor des Götterturmes vor. Gerade als sich Kagem schon sicher war, dass alles glatt gehen würde, erschallte eine magisch verstärkte Stimme durch das Lager, die sie zusammenzucken ließ. "Eindringlinge im Lager!!!"

Sofort war die Hölle los. Aus den Bauten stürmten unzählige Dhrakons wie farbige Ameisen und irrten ziellos umher, auf der Suche nach den Eindringlingen. Icen fluchte leise, während Kagem hastig einem herantrampelnden Klauenfuß davon rollte. Bei dieser Aufregung würde es unmöglich sein, die Götterturmpforte ungesehen zu öffnen. Icen wollte den anderen gerade ,Rückzug' zuflüstern, doch ein gelber Dhrakon bog im gleichen Augenblick um eine Ecke und raste den Weg, auf dem sie kauerten, entlang.

Icen und Kagem rollten instinktiv zur Seite, doch Zasion hatte weniger Glück. Der Dhrakon trat mitten in seine für ihn unsichtbare Hand. Der Engel keuchte vor Schmerzen und die Kreatur über ihm hielt inne. "Wer ist da?", rief der Gelbgeschuppte verwirrt. Seine grässlichen roten Augen wanderten zu dem Schnee unter ihm, bewusst trat er noch einmal auf die gleiche Stelle. Zasion konnte einen Schmerzensschrei zwar unterdrücken, doch der Dhrakon hörte wie jemand scharf die Luft einsog.

Selbst ein Idiot wäre jetzt darauf gekommen, dass etwas nicht stimmte. "Eine Illusion, wie?", zischte die Kreatur grinsend. Ein weiteres Mal trampelte der Dhrakon auf seinem unsichtbaren Gegner rum, diesmal um einiges härter. Zasion konnte es nicht mehr unterdrücken und sprang gequält schreiend auf. Jetzt, da der Engel nicht mehr von Schnee umgeben war, löste sich Icens Zauber schlagartig auf.

Kagem wollte blindlings losstürzen, doch Icen hielt ihn mit überraschender Härte zurück, denn ein zweiter und ein dritter Dhrakon erschienen. "Da ist einer!", jubelten sie, zückten ihre schwarzen Schwerter und stürzten auf Zasion los. Der Engel griff seine Hellebarde mit beiden Händen, die sichelförmige Klinge glänzte im Sonnenlicht. "Kommt nur!", rief der Reisende provokativ. Er warf einen kurzen Blick auf die Stelle wo Icen und Kagem lagen und bedeutete ihnen stumm abzuhauen. Der Magier zögerte keine Sekunde, doch Kagem schüttelte entschieden den Kopf. Icen packte den Kragen seines Kriegermantels.

"Wir müssen gehen!", zischte der Magier so leise wie möglich. "Gleich wimmelt es hier von Dhrakons. Sie dürfen uns nicht kriegen." "Aber Zasion..." "...kann auf sich selbst aufpassen.", unterbrach Icen hektisch. Wie um seine Aussage zu unterstützen stürzte in der gleichen Sekunde ein Dhrakon verletzt zu Boden. Zasion kämpfte verbissen gegen mehrere Feinde gleichzeitig, sein einziger Vorteil waren seine übermenschliche Muskelkraft und die gewaltige Hellebarde.

"Komm jetzt!", flüsterte Icen, der schon ein kleines Stück weiter gekrabbelt war. Kagem seufzte geräuschlos und folgte dem Magier. Die beiden krochen hektisch wieder zum äußeren Teil des Dorfes, die Kampfgeräusche, die Schreie und das Aufeinanderschlagen von Stahl wurden immer leiser. Die zwei Jungen hatten fast die Grenze erreicht, als ein blauer Dhrakon sich ihnen in den Weg stellte und boshaft grinste. Sein linkes Auge war das gewöhnliche rote dieser Kreaturen, doch sein rechtes Auge glühte in grünem Licht.

"Leider Pech ihr beiden, mein Auge ist magisch. Ich kann euch sehen." Icen und Kagem sprangen schockiert auf, ein sehr, sehr großer Fehler. Die Illusion verschwand schlagartig. "Wie dumm, jetzt können auch meine Kameraden euch sehen..." Der Dhrakon schnalzte belustigt mit seiner gespaltenen Zunge und wie auf Kommando hörten sie einen triumphierenden Schrei, gefolgt von unzähligen trappelnden Füßen. Ehe sich Icen und Kagem versahen, waren sie auch schon von einem Dutzend geifernder Dhrakons umgeben...
 

Die anderen Kameraden beobachteten die Szene geduckt vom Hügel aus. Sie konnten nur wage erkennen, dass die Dhrakons wie Ameisen aus ihren Häusern und Zelten gestürmt kamen. Selbst Sierrana mit ihren übernatürlich scharfen Augen sah nicht mehr als die anderen. Kurze Zeit später züngelten am Rand des Lagers blaue Strahlen und rote Blitze hervor. Icens Magie und die Kräfte Ilashars.

"Da stimmt was nicht.", murmelte Xiantas. "Es ist was schief gelaufen. Alle in den Wald!" Alle saßen da, unfähig sich zu rühren und starrten auf das Schauspiel der magischen Mächte, die dort unten entfesselt wurden. Der Zentaur konnte sie nicht zum Gehen bewegen. Stattdessen sah er drei Gestalten den Hügel hinauf stürmen. Dhrakons. Sierrana stolperte ein Stück zurück. Dann, von plötzlicher Entschlossenheit gepackt, griff sie nach ihrem Bogen und legte einen Pfeil auf die Sehne. Sie schoss einen der Dhrakons ab, so dass die Kreatur den Abhang hinunterstürzte. Auch Xiantas schoss einen Pfeil ab, traf den Feind jedoch nur am Arm, denn der Zentaur hielt sich an seinen Schwur nie zu töten. Der verletzte Dhrakon fiel geschockt in Ohnmacht.

"Der nächste für uns! Der nächste für uns!", brüllten die Zwergenbrüder begeistert. Doch ehe sie ihre Äxte zum Einsatz bringen konnten, durchbohrte Sierrana den dritten Dhrakon mit einem weiteren Pfeil. Gimpf und Pimpf grummelten enttäuscht. Xiantas deutete den Hügel hinunter, zwei weitere Gestalten rannten zu ihnen hoch. Der Zentaur legte bereits einen neuen Pfeil an, doch Sierrana drückte seinen Bogen zur Seite.

"Es sind Kagem und Icen!", rief sie erleichtert. Die zwei Gefährten kamen keuchend und schnaufend vor ihnen an. Beide bluteten aus mehreren kleineren Wunden, ihre Gesichter waren beschmiert mit Schnee und Dreck. Ilashar glühte in rotem Feuer, während Icen aussah, als würde er jeden Augenblick abklappen. Er hatte viel Magie benutzt.

"K...kommt...wir müssen zum Turm, es ist unsere einzige Chance... Sie haben uns entdeckt und werden uns jagen. Wenn wir jetzt nicht gehen, gehen wir nie...", keuchte Kagem. Sierrana trat auf ihn zu, um seine Verletzungen zu heilen, doch der Schwertkämpfer hielt ihr Handgelenk sanft aber bestimmt fest. "K...keine Zeit für Heilung. Sie haben Zasion gefangen. Wir müssen jetzt gehen..."

"W...wo ist Ladron?", fügte Icen schwer atmend hinzu. Der Dieb war nicht da. Sie schauten sich verwirrt um und fanden Ladron hinter einem Wald aus kahlen Bäumen hervorkommen. "Wo warst du?", brummte Gimpf misstrauisch. Der Dieb zeigte keine Reaktion, als er Icen und Kagem sah. "Ich musste kurz hinter die Büsche..." Alle stöhnten auf. Doch Kagems Blick verfinsterte sich. Ehe ihn jemand aufhalten konnte, stürzte er auf Ladron zu und schlug ihn zu Boden. Der Schwertkämpfer packte den Dieb am schmuddeligen Hemd und schüttelte ihn durch. "Ich wusste es!", schrie er hasserfüllt.

"Kagem, was ist los?", fragte Sierrana zitternd, doch er schien sie gar nicht zu hören. So wütend hatte sie ihn nie erlebt. "Du bist es!", schrie Kagem. "Du bist es! Du bist der verdammte Verräter!" "Wovon redest du, man?" Ladron zeigte keine Spur Angst, doch zum ersten Mal blitzte echte Verwirrung in seinen Augen auf, wenn auch nur ganz kurz. "Du bist der Verräter! Der Erzmagier hat es mir gesagt! Er hat gesagt, dass einer von uns ein Verräter ist und ich ihn finden muss!", schrie Kagem weiter und verkrallte seine Hände so stark in die Kleidung des Diebes, dass seine Knöchel weiß hervortraten.

"Wovon zum Teufel, redest du? Warum sollte ich der Verräter sein? Wie kommst du auf mich?" Alle starrten bewegungslos auf die beiden. Sierrana verstand endlich, warum Kagem seit dem Erzmagier so verstört war. Doch war das alles?

"Wie ich darauf komme? Du folgst uns aus unklaren Gründen! Du hättest Sierrana vielleicht getötet! Du hättest Zasion sterben lassen! Du hast dich nicht am Kampf gegen die zwei Drachen beteiligt! Du trägst ein Dhrakonschwert! Du bist zufällig gerade nicht da, wenn sie im Lager auf einmal wissen, dass wir unter ihnen sind! Was brauchst du noch?!" "Ich bin kein Verräter!", schrie Ladron zurück.

"Und ob du der Verräter bist! Wer sollte es sonst sein?" "Ich bin nicht der Verräter!" "Sag mir, wer soll es sonst sein?!" Die beiden starrten sich so hasserfüllt an, dass man die Luft förmlich knistern hören konnte. Ladrons Augen blitzten kalt, dann wirbelte er herum. "Ihr könnt mich mal! Ihr alle könnt mich mal!" Und der Dieb rannte weg von den Gefährten und dem Lager...

Kagem blieb keine Zeit darüber nachzudenken, was Ladron vorhatte und ob er vielleicht doch nicht der Verräter war, denn eine neue Dreiergruppe Dhrakons kam den Hügel hinauf. Der Schwertkämpfer schwang Ilashar und die ungeheuren Kräfte des Drachenherrschwertes entluden sich in einem roten Blitz, der die Bestien von den Füßen riss und den Abhang hinunterschleuderte. Kagem deutete seinen Kameraden, dass sie sollten ihm folgen sollten. "Jetzt oder nie!" Er stürmte den Hügel hinab, schlug die entgegenkommenden Dhrakons mit Deckung durch Icens Magie und Sierranas Pfeilen nieder und erreichte das Lager.

Die Zwergenbrüder hatten sich zu ihm gesellt, sie brüllten vor Kampfeslust. Ihre Äxte mähten die Feinde nieder. Xiantas galoppierte heran, überrannte einen Dhrakon einfach und schlug den nächsten mit seinem Kampfstab gegen die Brust. Das ganze Lager war in Aufruhr, doch sie konnten die 7 heranstürmenden Krieger einfach nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Selbst Risae kämpfte mit einer Entschlossenheit, die sie selbst überraschte. Ihr herumsausendes Schwert erzeugte ein Geräusch, das wie ein begleitender Gesang des Todes in der Luft lag. Mindestens zwei Dutzend Dhrakons in allen Farben pflasterten ihren Weg, bevor sie die Pforte des Götterturmes erreichten, die angeblich nur von den Göttern selbst geöffnet werden konnte.

Die Gefährten gaben Icen Rückendeckung und sahen so nicht, wie der Magier das Amulett der zehn Magier Ciinas unter seiner Robe hervorzog und mit einer Hand umklammerte. Nur Kagem verstand warum plötzliches weißes Licht so intensiv entbrannte, dass es selbst ihre geschlossenen Augenlieder durchdrang. Im ersten Moment sahen alle auf dem Kampffeld nur flimmernde Punkte und hörten wie sich die tonnenschweren Türflügel der Pforte quietschend öffneten. Icen schrie seinen kämpfenden Gefährten zu, sie sollen hereinkommen und nach und nach gehorchten sie diesem Befehl. Nachdem Kagem als letzter von ihnen im Turm war, stürmten sie sofort weiter, verfolgt von einer Horde mordlustiger Dhrakons.

"Was machen wir jetzt? Schaffen wir es mit denen im Nacken die Rassenkugel der Drachen zu zerstören?", rief Risae außer Atem zu. Icen schüttelte den Kopf und drehte sich fast im gleichen Moment herum, seinen Stab erhoben. Das blaue Licht aus dem Kristall erhellte den Turm wie ein Blitz. "Eiswand!" Pures Eis schoss aus der Stabspitze, breitete sich auf dem Boden aus und türmte sich zu einer dicken Mauer aus gefrorenem Wasser auf, die den Eingang des Götterturmes völlig blockierte. Drei Dhrakons hatten es vorher ins Innere des Bauwerks geschafft. Sierrana und Xiantas streckten zwei mit ihren Pfeilen nieder, während Pimpf dem dritten seine Axt in den Leib trieb. Die Bestie ging gurgelnd zu Boden. Dann war es still.

Die Eismauer würde nicht ewig halten, das war klar. Doch erstmal hatten sie ein wenig Ruhe. Vielleicht begriffen die Gefährten erst jetzt was sie eigentlich geleistet hatten. Die meisten ließen sich erschöpft auf dem Boden nieder. Sierrana heilte die gröbsten Verletzungen, doch nicht alle. Auch ihre Kräfte waren nicht unerschöpflich.

Icen schnaufte mehr als sie alle, er schwitzte stark und seine Arme hatte er verkrampft um sich geschlungen. Sein Gesicht war schmerzverzerrt. Seine Magie und die Kraft des Amulettes hatten seinem Körper alles abverlangt. Nach einiger Zeit, in der nur dumpfe Schläge gegen die Eiswand zu hören waren, brachte der Magier ein leichtes Lächeln zustande. "Wir haben es geschafft. Wir sind im Inneren des Götterturmes. Endlich hat dieser Alptraum ein Ende..."
 

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Ja, meiner Meinung nach endlich mal wieder ein Kapitel, mit dem ich sehr zufrieden bin.

Die Geschichte neigt sich dem Ende entgegen, noch zwei oder drei Episoden. Glaubt aber nicht, dass das Schlimmste überstanden ist, es warten noch einige Überraschungen.

Also seit gespannt auf Kapitel XXII !!!

Ist alles aus?

Kapitel XXII - Ist alles aus?
 

Nach einiger Zeit, in der nur dumpfe Schläge gegen die Eiswand zu hören waren, brachte der Magier ein leichtes Lächeln zustande. "Wir haben es geschafft. Wir sind im Inneren des Götterturmes. Endlich hat dieser Alptraum ein Ende..."
 

Die Gefährten lagen noch eine Zeit lang erschöpft auf dem Boden. Kagem nutzte die Gelegenheit um sich etwas umzusehen. Nach dem imposanten Äußeren und den Legenden, die sich um diesen Turm rankten, hätte der Schwertkämpfer ehrlich gesagt etwas mehr erwartet. Die Wände bestanden aus schwarzem Stein, der ein unheimliches Licht auszusenden schien. Boden und Deckenkuppel waren aus dem gleichen glitzernden Marmor wie die Gebäude der Engelsstadt Angelian. Ansonsten gähnte nur Leere in der Eingangshalle des Götterturmes.

"Wo ist die Rassenkugel der Drachen?", fragte Kagem, seine Stimme hallte unnatürlich Laut durch den Raum. Wahrscheinlich in einem der höheren Stockwerke.", meinte Icen schwach und deutete mit der Hand auf eine breite Treppe, die sich bis ins Unendliche zu schlängeln schien. Xiantas stöhnte bei diesem Anblick, Zentauren konnten sich nicht gut mit Treppen anfreunden.

"Wir sollten los. Die Eiswand wird nicht ewig halten." Kagem hatte sich erhoben und beobachtete seine Kameraden, mit denen er durch soviel Gefahr gegangen war. Mit denen er soviel erlebt hatte und mit denen er Seite an Seite gekämpft hatte. Feuer und Tod, die die Drachen übers Land gebracht hatten, würden verschwinden wie ein dunkler Traum. Der Alptraum würde endlich zu Ende sein... hoffentlich...

Die Gefährten quälten sich auf die Füße, immer noch kraftlos von dem letzten Kampf. Doch sie begannen den Aufstieg der Treppe ohne zu meckern. Icen fiel ein Stück zurück, er keuchte als wäre er gerade eine Meile gesprintet und seine Hand verkrampfte sich immer fester um die Brust. "Alles klar?", flüsterte Kagem so, dass niemand sonst es hören konnte. "Das Amulett hat deinen Körper stark strapaziert. Kannst du die Macht wirklich noch einmal benutzen?" "Ja", antwortete Icen knapp. Der Magier sah den fragenden Blick seines Freundes und versuchte zu lächeln. "Keine Angst. Ich werde zwar sehr geschwächt sein. Doch sterben ist für mich nicht drin."

Kagem sah immer noch besorgt aus, doch gab sich damit zufrieden. Er schloss zu Sierrana auf und legte einen Arm um ihre Taille. Die Ain kicherte ein wenig.

Das Treppensteigen stellte sich als furchtbare Quälerei heraus. Sie wussten nicht ob sie eine halbe Stunde oder auch nur zehn Minuten gelaufen waren, doch es kam ihnen vor wie eine Ewigkeit. Die Zwerge und Xiantas hatten die meisten Probleme beim Erklimmen der Stufen. Doch auch den anderen wurden die Beine schwer wie Blei, die Muskeln verkrampften sich schmerzvoll.

Gerade als Risae anfing die Stufen leise vor sich hin zu zählen, konnte man das Ende des grauenvollen Aufstiegs erkennen. Die Treppen hörten abrupt an einem schmalen Türbogen auf, nach Xiantas' Schätzung mussten sie etwa auf halber Höhe des Turmes sein. Kagem trat als erster in die riesige Halle, bei der sie angelangt waren, und es verschlug ihm vor Erstaunen fast den Atem. Es war nicht der Saal, der ihn so faszinierte, denn dieser bestand ebenso wie alles hier aus schwarzen Wänden und einem weißen, polierten Boden.

Es waren die riesigen, orange glühenden Kugel, die schwerelos im Raum hingen. Helles Licht wirbelte im Inneren der Kugeln, so dass es fast aussah als würde darin etwas leben. Die Gebilde hatten einen Durchmesser von mindestens 4 Metern.

Sierrana trat neben Kagem und hielt im ersten Augenblick genau wie er gespannt den Atem an. "Das ist... unglaublich schön..." Die Ain hatte erwartet, dass die Rassenkugeln vielleicht so groß wie eine Faust oder ein Ball waren, doch die Wirklichkeit übertraf ihre Vorstellung um Längen.

"Und welche davon ist jetzt die Rassenkugel der Drachen?", murrten Gimpf und Pimpf. Sie schienen nicht halb so angetan wie bei einer seltenen Schmiedearbeit. Icen trottete an ihnen vorbei, den Stab als Stütze benutzend, und starrte in die erste orangefarbene Kugel. Einige Zeit lang schien gar nichts zu geschehen, doch dann bildeten die wirbelnden Lichter im Inneren ein klares Muster. Es war ein Zentaur. Der Magier schritt zur nächsten Kugel und das Schauspiel wiederholte sich, mit der Ausnahme, dass die Lichter diesmal einen Menschen darstellten.

Icen lief durch die Reihen der Kugeln und blickte einer Völkerrasse nach der anderen in die Augen. Dann machte er vor einer leicht rötlichen Kugel halt. "Das ist sie..." Er berührte die glatte Struktur mit seiner Hand und seufzte erleichtert. "Nach all der Trauer, all der Qual und all dem Schmerz haben wir es endlich geschafft..." Xiantas horchte plötzlich auf, sein Körper verkrampfte sich. "Habt ihr das gehört?" Der Zentaur lauschte wieder. Leises Fußgetrappel... "Die Dhrakons stürmen die Treppe hoch, sie müssen die Eiswand beseitigt haben! Schnell Icen, zerstöre die Kugel! Schnell!" Der Magier trat einen Schritt von der Kugel zurück.

"Ich muss erst prüfen ob Schutzzauber darauf liegen. Wenn meine Magie auf mich zurückreflektiert wird, gucken wir dumm aus der Wäsche. Außerdem können uns die Dhrakons nichts mehr tun. Sie sind zum Teil Drachen, wenn die Kugel erstmal zerstört ist, werden sie ziemlich lange ausgeknockt sein."

Icen hielt den Stab vor sich ausgestreckt und murmelte leise. Sein Blick schien die Kugel zu durchbohren. Dann ließ er seinen Stab wieder sinken, ein blaues Licht flackerte kurz im Kristall auf. "Kein Schutzzauber... ich kann sie hier und jetzt zerstören..." "Dann beeil dich!", drängelte Xiantas. Das Getrappel war nun deutlich näher gekommen, begleitet von einzelnen nicht verständlichen Stimmen.

Der Magier zog mit seiner rechten Hand das Amulett hervor und hielt den Stab in der linken. Er umklammerte das zehneckige Schmuckstück, murmelte kurz vor sich hin und schrie direkt als die ersten Dhrakons den Raum erreichten aus voller Kehle. "Weisen Ciinas, gebt mir eure Macht!!!" Wie zuvor am Tor erstrahlte die ganze Halle in weißem Licht, so intensiv, dass jeder, egal ob Freund oder Feind, die Augen schloss. Der Stabkristall schien das Licht in sich aufzusaugen und schon bald glühte die Spitze weiß, statt dem üblichen Blau.

"Die Zeit der Drachen ist vorbei!", schrie Icen mit einer Entschlossenheit, die ihn selbst erstaunte. Kagem folgte der Szene gebannt, doch plötzlich fiel ihm etwas auf. Er wirbelte herum. Die Dhrakons, die im Raum standen, konnten scheinbar wieder klar sehen, aber griffen trotzdem nicht an. Wieso nicht? Sie mussten doch sehen, dass Icen es fast vollbracht hatte und dabei war die Drachen zu vernichten. Wieso standen sie dann seelenruhig da?

"Es ist zu einfach.", schoss es ihm durch den Kopf. Icen holte bereits mit seinem Stab aus, um die Macht der Weisen mit einem einzigen Schlag gegen die Kugel zu entfesseln. Und im gleichen Augenblick, in dem der Magier bereits halb jubelnd seinen Schlag ausführte, mischte sich eine weitere Stimme in seinen Schrei... "Reflektionszauber!"

Es folgte eine Explosion aus weißen, blauen und roten Lichtblitzen. Die Gefährten mussten entsetzt ansehen, wie sich in Sekundenbruchteilen ein Schutzschild um die Rassenkugel der Drachen aufbaute, Icen konnte seinen Angriff nicht mehr stoppen, schlug gegen den Reflektionszauber und wurde von der zurückgeschleuderten Kraft der Ciina-weisen durch die Luft geschleudert. Der Magier krachte mit unglaublicher Härte gegen die gegenüberliegende Wand und rutschte mit dem Rücken daran herunter. Blut sickerte unter seinem Haarschopf hervor...

"NEIN!" Kagem wirbelte herum, um denjenigen zu sehen, der den Schutzzauber geworfen hatte, und starrte in die blauen Augen eines silberhaarigen Engels. "Zasion!" Der Schwertkämpfer konnte es nicht glauben. Hatte er falsch gelegen? Hatte er den Falschen als Verräter beschuldigt? Er hörte wie Risae hinter ihm ängstlich wimmerte. Sierrana war zu Icen gelaufen, um seine Verletzung zu kurieren, doch die Ain war so erschöpft und die Wunde so schwer, dass sie kaum etwas tun konnte. Xiantas, Gimpf und Pimpf starrten ihren einstigen Gefährten, der eben die einzige Chance zur Vernichtung der Drachen zerstört hatte, genauso entsetzt an wie Kagem es tat. "Zasion? Warum?", brachte der Schwertkämpfer gequält hervor.

Zu seiner Überraschung hatte der Engel einen schmerzvollen Blick aufgesetzt. "Eure Mission war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Ich wollte... ich wollte nur einmal auf der Seite der Sieger stehen. Du weißt nicht wie ich zum Reisenden wurde, Kagem. Ich musste es werden, denn man verbannte mich vor langer Zeit aus dem Engelreich. Und das nur weil ich eine Rebellion gegen Federnors tyrannischen Vater anführte. Er gab dem Volk kaum Nahrung und scherte sich nicht um sie. Ich kämpfte für das Gute und wurde deswegen verbannt. So läuft es auf dieser Welt, die Guten verlieren, obwohl sie nur für ihre Überzeugungen kämpfen. Ich entschied mich diesmal für die Seite der Bösen, weil es von Anfang an feststand, dass sie gewinnen würden."

"Wieso sagst du das? Wieso glaubst du unsere Mission hätte nicht funktioniert? Wir waren so kurz davor!", schrie Kagem ungehalten. Zasion senkte betreten den Kopf. "Icen hätte nie genug Macht aufbringen können, um die Kugel zu zerstören." "Du verdammter Idiot! Er hatte doch das Amulett! Er hatte das Amulett!" Kagem musste gegen die heißen Tränen der Verzweiflung ankämpfen, die sich in seinen Augen zu sammeln drohten. "Das Amulett beinhaltete die Macht der Weisen Ciinas! Er hätte die Kugel damit zerstören können! Er war so kurz davor! Du hast alles zunichte gemacht!" Zasion riss entsetzt die Augen auf. "Du lügst! Du willst mich nur verwirren!" "Nein, verdammt! Du hast alles zerstört!" Er hörte wie Sierrana verzweifelt Icens Namen flüsterte, doch der Magier rührte sich nicht. "Er stirbt! Wegen dir!", brüllte Pimpf.

Zasion schaute kurz auf und ließ seinen Kopf dann sofort wieder traurig hängen. "Das wollte ich nicht..." Gimpf sprang an Kagems Seite. "Komm her, Verräter! Wenn ich hier sterben muss, nehme ich dich mit in die Hölle!" Es war ein Startschuss, auf den die Dhrakons nur gewartet hatten. Gleichzeitig zogen sie alle ihre schwarzen Schwerter. Doch Zasion stellte sich ihnen in den Weg. "Die Bedingung war, sie nicht zu töten...", sagte der Engel ruhig. Einer der Dhrakons schnaubte verächtlich.

"Deine Arbeit ist getan, Geflügelter. Jetzt sterben sie alle." "Nein! Ihr habt gesagt, ihr würdet sie nur aufhalten, nicht töten." Pimpf sprang wütend auf. "Wie naiv bist du, Zasion? Die ganze Zeit haben sie versucht uns zu töten! Du hast mit uns gekämpft..." Der Zwerg stoppte. Ihm fiel etwas ein. "Du hast mit uns gekämpft. Du hast Sierrana in Angelian gerettet. Wenn du der Verräter bist, wieso hast du das getan?"

"Niemand sollte sterben, deswegen habe ich Sierrana geholfen. Und ich sollte mit euch kämpfen, um keinen Verdacht zu hegen. Meine einzige Aufgabe war es, den Dhrakons Informationen zu geben. Wo wir sind, was wir vorhaben..." "Halt den Mund!", schrie Sierrana, die zitternd aufgestanden war. "Ich ertrag das nicht. Wie konntest du das tun? Wir sind Freunde!"

"Das Wissen über unseren Aufenthalt im Lager?", fragte Kagem bebend weiter. "Per Brief verraten.", antwortete Zasion reuig. "Deine Gefangennahme?" "Inszeniert." "GENUG!", kreischte einer der Dhrakons erzürnt. "Ihr sterbt jetzt! Es ist egal, wie der Geflügelte euch verraten hat." "Nein!" Zasion stellte sich den bösartig stierenden Kreaturen erneut in den Weg. "Mach jetzt keine Dummheiten, Geflügelter. Jetzt geh aus dem Weg!" Der Dhrakon hob sein Schwert und raste auf Kagem zu, doch Zasions gewaltige Hellebarde schmetterte ihn zurück. "Ihnen wird nichts passieren! Hört auf!" Die anderen Dhrakons schnatterten aufgeregt. "Was tust du Geflügelter? Sie werden sterben! Wenn du damit nicht einverstanden bist, wirst auch du sterben!" "Dann soll es so sein..."

Kagems Gedanken rasten ungeordnet durcheinander. Was ging hier ab? Gerade eben entpuppte sich ihr Gefährte als Verräter und jetzt kämpfte er wieder gegen die Dhrakons. "Ich habe nur unter der Bedingung, dass ihnen nichts geschieht, für euch spioniert. Doch wenn ihr sie anrühren wollt..." Der Engel schwang drohend seine Hellebarde.

"Zasion...", flüsterte Risae überrascht. "Geht! Vielleicht habe ich einen Fehler gemacht. Vielleicht hätte Icen die Kugel wirklich zerstören können. Vielleicht war die Mission doch nicht unmöglich. Doch das ist jetzt vorbei. Es geht nur noch darum, dass ihr überlebt. Geht! Ich halte sie auf!"

Ohne dass jemand Notiz davon nahm, hatte sich Icen schwerfällig erhoben und legte jetzt eine Hand auf Zasions Schulter. "Ich halte sie auf. Zasion, du gehst!" "Icen?! ...Nein, ich muss meinen Fehler wieder gutmachen." Der Magier verhärtete seinen Griff. "Wenn du hier bleibst, stirbst du! In den Tod kann sich jeder fliehen! Büße im Leben! Geh!" "Was ist mit dir?" "Die Kraft des Amulettes zerstört meinen Körper. Es stand von Anfang an fest, dass ich sterbe. Auch wenn ich jetzt fliehen würde."

"Dann hast du mich belogen!", schrie Kagem, die Verzweiflung durchfuhr lähmend seinen Körper. Alles lief aus dem Ruder... "Du hast gesagt, du stirbst nicht!" Die anderen Gefährten standen nur fassungslos um die drei Krieger und schienen die Situation gar nicht richtig zu erfassen. Icen lächelte traurig. "Hättest du es sonst zugelassen?" Bevor Kagem antworten konnte, hob der Magier seinen Stab. "Geht jetzt!... Eiswand!" Ein weiteres Mal baute sich eine Mauer aus dichtem Eis auf, genau zwischen Icen und den restlichen Gefährten. Der Magier war nun auf seiner Seite alleine mit den Dhrakons.

"Warte! Nein!", weinte Risae voller Trauer, sie schlug mit ihrer Faust gegen das Eis, das Icen von ihnen trennte. Sie schlug solange bis ihre Hand blutig aufgescheuert war und Xiantas sie wegziehen musste. Dem rothaarigen Mädchen liefen die Tränen an den Wangen herab. Auch Sierrana weinte um den verlorenen Kameraden und Kagem nahm sie tröstend in die Arme, obwohl er es selber kaum fassen konnte. Die Zwerge starrten nur völlig entsetzt ins Leere. Zasion war auf die Knie gefallen. "Ich wollte nur einmal auf der richtigen Seite stehen. Ich wollte nicht, dass jemandem etwas passiert", wiederholte er immer wieder.

Hinter der Eiswand verstummten währenddessen die Kampfgeräusche. Einige Herzschläge lang war es still, dann schlugen viele Klauen gegen die magische Mauer. Icen war gefallen...

Kagem zwang sich auf die Füße und half auch Sierrana beim Aufstehen. "Wir müssen fliehen..." Seine Stimme klang ungewöhnlich flach. Er zog vorsichtshalber sein Schwert und sah die anderen Gefährten abwartend an. "Los, wir müssen gehen." Er deutete auf einen Gang, der aus der Halle führte, doch die Gruppe starrte ihn nur an, als wären sie gar nicht wirklich anwesend. "Na los! Icen soll nicht umsonst gestorben sein!", schrie er wütend. Diese Worte schienen Wirkung zu zeigen, denn Xiantas, Risae und die Zwergenbrüder erhoben sich und stolperten zu dem schmalen Gang.

Kagem schluckte seinen Ärger herunter und reichte letztendlich Zasion die Hand, damit er leichter aufstehen konnte. Der Engel sah ihn nur mit endlosem Schmerz an, dann rappelte er sich auf und schlich den anderen hinterher. Die Truppe lief durch die Gänge, ohne Hoffnung oder Glauben. Icen war tot, das wussten sie alle. Er hatte alleine gegen gut 80 Dhrakons gekämpft, der Magier konnte nicht mehr leben. Der Gang endete abrupt hinter einer Biegung und der Anblick, der sich den Gefährten bot, wischte die letzten Hoffnungsschimmer beiseite. "Sackgasse...", murmelte Kagem.

Der Gang führte auf eine Art Balkon, der an der Außenseite des Turmes hing. Es gab kein Geländer, doch die Plattform bot sicher Platz für gut 50 Leute. Der graue Himmel bedeckte die Sonne über ihnen vollständig, ein eiskalter Wind flog durch ihre Haare.

Risae ließ sich wimmernd auf den Boden fallen und weinte solange, bis sie selbst dazu zu erschöpft war. Pimpf und Gimpf zogen ihre Äxte. "Es geht zu Ende, doch nicht ohne einen letzten glorreichen Kampf!" Sierrana vergrub ihr Gesicht in Kagems Schulter und ließ ihren Tränen freien Lauf. "Ist alles aus?", schluchzte sie leise. Kagem strich ihr durchs Haar und beantwortete im Stillen ihre Frage. "Nein", flüsterte er, so dass selbst die Ain es nicht hören konnte. Er erinnerte sich wieder an das Gespräch des Erzmagiers. Gab hatte es gesagt. Er hatte ihm gesagt, was zu tun sei wenn der Verräter nicht rechtzeitig gefunden würde.

Kagem schloss kurz die Augen und atmete tief ein. Er hatte Angst davor es zu tun, doch nun gab es nur noch diesen Weg...
 

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Was für eine dramatische Wende... Ladron ist abgehauen, Icen ist tot und Zasion entpuppt sich als unglücklicher Verräter. Und was für einen Ausweg hatte der Erzmagier Kagem erzählt? Findet es heraus in Kapitel XXIII !!!
 

P.S. : Tja mitsuki11, hast mit Zasion als Verräter voll ins Schwarze getroffen. War das so offensichtlich?

Jetzt oder nie...

Kapitel XXIII - Jetzt oder nie...
 

Kagem schloss kurz die Augen und atmete tief ein. Er hatte Angst davor es zu tun, doch nun gab es nur noch diesen Weg...
 

"Sie kommen gleich!!!" Gimpf, der in den Gang zurückgelaufen war um die Lage zu checken, stürmte ihnen entgegen. "Wie viele?", fragte sein Bruder, der geradezu erwartend die Axt schwang. "Mindestens zweihundert Dhrakons." Kagem hatte Sierrana ein Stück von sich geschoben und war aufgesprungen. "Zweihundert?" "Ja, das ganze Lager muss auf den Beinen sein."

"Dann geht es jetzt zu Ende...", flüsterte Zasion hoffnungslos. Wut auf sich selbst war das einzige Gefühl, dass in seinem Herzen noch platz fand. Wie konnte er so blind gewesen sein? "Gibt es keinen anderen Weg? Können wir nicht irgendwie fliehen?" "Nein", gestand Kagem ein. "Was ist mit Springen?" "Unmöglich, diese Plattform liegt viel zu hoch." "Oder die Mago?" "Sie werden nicht kommen." "Oder-" Kagem brachte den verzweifelten Engel mit einer Handbewegung zum Schweigen. "Es gibt keinen Weg. Nichts wird uns retten. Das Einzige, was du tun kannst, ist mit Sierrana zu verschwinden. Ihr könnt beide fliegen und sicherlich entkommen."

Zasions Gesicht hellte sich auf. "Ja. Und dann holen wir zwei die Mago und-" "Unmöglich.", unterbrach Sierrana schwach. "Das würde viel zu lange dauern. Kagem will, dass wir beide fliehen..." Der Schwertkämpfer nickte ernst, während Zasion und Sierrana im gleichen Augenblick den Kopf schüttelten. Der reisende Engel wirkte verstört. "Niemals! I-ich bin an alle dem schuld. Niemals würde ich ohne euch fliehen.", erwiderte Zasion grob.

"SIE KOMMEN!!!", brüllte Gimpf aus voller Kehle. Er zog seinen Kopf aus dem Gang, nahm die Axt in beide Hände und winkte die anderen Gefährten zu sich. "Der letzte Kampf!", posaunte der Zwerg. "Es ist eine Ehre an eurer Seite sterben zu dürfen! Wir werden ihnen eine Schlacht bereiten, die sie nicht so schnell vergessen!"

Kagem postierte sich neben Gimpf und seinen Bruder Pimpf, zog Ilashar mit einem sirrenden Geräusch aus der Scheide und beobachtete, wie das Schwert im schwachen Sonnenlicht glänzte. Sein Blick wanderte hinauf in den blauen Himmel. Es gibt nur noch eine Möglichkeit... Doch wenn kein Drache auftaucht wird auch das nicht funktionieren... Der Schwertkämpfer schloss die Augen um sich zu beruhigen. So durfte er erst gar nicht denken.

"SIE KOMMEN!!!", brüllten die Zwerge ein weiteres Mal. Kagem schnappte aus seinen Gedanken und machte sich bereit. Auch Risae zog ihr Schwert, Zasion griff nach der Hellebarde und Sierrana und Xiantas legten Pfeile an ihre Bögen. Schon im nächsten Augenblick stürmten die ersten Dhrakons hinter der Ecke hervor, direkt auf die Plattform. Zwei der Kreaturen wurden bereits von den Pfeilen der Gefährten erwartet, ein dritter fiel durch Gimpfs Axt. Die übrigen Dhrakons zögerten bei dem Anblick keine einzige Sekunde, sondern sprangen einfach über ihre Artgenossen hinweg und stürzten sich mit schwarzen Schwertern und Krummsäbeln auf die Gefährten. Die Parteien prallten mit der Kraft eines Donnerschlages zusammen. Stahl klirrte, Funken sprühten und dunkles Dhrakonblut besprenkelte den Boden, als ihre erste Front von der Erfahrenheit der Gefährten niedergemäht wurde. Kagem spürte die inzwischen vertraute Kraft Ilashars, die sich im roten Licht des Schwertes materialisierte. Das Drachenherrschwert glühte hell wie Feuer.

"Wir müssen den Gang halten! Die Dhrakons dürfen nicht auf die Plattform! Sie dürfen uns nicht umzingeln!", schrie Kagem den anderen zu, während er einen Gelbgeschuppten erschlug. Die Gefährten reagierten, als hätten sie dieses Manöver schon tausend Mal gemacht. Gleichzeitig stürmten sie vor, trieben die Dhrakons mit ihren Attacken zurück in den Gang und stellten sich nebeneinander unter den Torbogen, so dass sie die Plattform hinter ihnen abschirmten. Es war das einzige, das sie tun konnten. Wenn sie auf dem balkonartigen Gebilde kämpften, wäre schon bald jeder von mindestens einem halben Dutzend Dhrakons umzingelt. Wenn sie aber den Gang verstopften, würde sich die Masse der Dhrakons gegenseitig behindern.

Kagem verschaffte sich mit einem Querschlag Luft, um kurz zu der Plattform hinter ihm und dem Himmel darüber zu spähen. Kein Drache... Doch für sein Vorhaben brauchte er einen Drachen!

Seine Gedanken wurden unterbrochen, als ein Pfeil dicht an seinem Ohr vorbei zischte und den angreifenden Dhrakon vor ihm gurgelnd zu Boden gehen ließ. Er musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass dieser weißgefiederte Pfeil von Sierrana stammte. Die Ain hatte sich mit Xiantas etwas weiter hinten positioniert, damit sie ungehindert ihre Pfeile verschießen konnten.

Kagem verlor völlig das Zeitgefühl. Wie mechanisch kämpfte er immer weiter, schlug, stach und trat wie verrückt. Der Boden vor ihm war bereits völlig bedeckt von Dhrakonleibern und ihrem dunklen Blut. Es schlich sich schon fast wieder Hoffnung bei ihm ein, eine verzweifelte Hoffnung das Unmögliche doch möglich zu machen. Doch sie wurde zerschmettert, als Risae neben ihm keuchend auf die Knie fiel. Das Schwert glitt aus ihrer entkräfteten Hand und schlug klirrend auf den Marmorboden. Das Mädchen hatte ihre Grenzen erreicht...

Kagem, der selbst jeden Moment zusammenzubrechen drohte, wirbelte entsetzt herum. Ein Dhrakon witterte seine Chance bei der Rothaarigen und schlug begeistert mit seinem schwarzen Krummsäbel zu. Kagem parierte mit größter Not den Hieb, während im gleichen Augenblick ein Pfeil Sierranas in die Brust der Kreatur stach. Das Geschoss durchschlug sein Herz, der Dhrakon war sofort tot.

Doch zum Entsetzen Kagems fiel der leblose Körper vorne über und das schwarze Schwert bohrte sich in Risaes Seite. Panisch schob das Mädchen den Dhrakon von sich, doch es war zu spät. Mit zitternden Händen griff sie sich an die Hüfte und besah sich ihre Finger. Blut klebte daran. Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen, doch der Schock war so groß, dass sie nicht einmal vor Schmerzen das Gesicht verzog.

"Zasion!" Kagem spähte herüber zu dem Engel. "Ich brauche Hilfe!" "Die brauche ich selber!", rief der Reisende zurück, als er unter einem Dhrakonschwert hindurchtauchte und den Besitzer in der gleichen Bewegung mit seiner Hellebarde erschlug. Drei weitere Dhrakons hielten Zasion in Schach.

"Sierrana!", rief Kagem als er verstand, dass der Engel nicht zu ihm durchdringen konnte. Ein Pfeil zischte wieder an ihm vorbei, um einen heranstürmenden Dhrakon zu erlegen, dicht gefolgt von Sierrana. Die Ain ließ sich neben Risae fallen und besah sich so schnell wie möglich die Wunde, während Xiantas ihnen mit seinen Pfeilen ein wenig Deckung gab.

"Das sieht übel aus. Ich muss-" Sie konnte ihren Satz nicht zu Ende führen, denn ein Stab schlug ihr in die Magengrube, mit solch einer Wucht, dass sie nach hinten taumelte. Kagem drehte sich zu dem Angreifer, doch der Stab traf ihn hart an der Stirn und er rutschte verletzt über den glatten Boden. Blut lief aus einer Platzwunde sein Gesicht herab. Noch halb benommen von dem Schlag drehte sich Kagem wieder um und erkannte nun einen feixenden Dhrakon. In seiner Klaue hielt er den Stab. Icens Stab.

"Ihr seid zäh.", meinte der Blaue. Er verpasste Risae einen Tritt, der auch sie durch die Luft beförderte und zu Sierrana und Kagem schickte. Die Schwertkämpferin stöhnte vor Schmerz, ihre Wunde blutete heftig. "Fast so zäh wie euer Magier. Er hat viele von uns erledigt, bevor ich ihn endlich töten konnte."

Risae wurde von Grauen geschüttelt. Icen war also wirklich tot. Sierrana stöhnte benommen, während Kagem hasserfüllt aufsprang. "Mörder!" Er wischte sich das Blut vom Gesicht, hob sein Schwert und sprang auf den Dhrakon zu. Von der schnellen Attacke überrascht, wurde die Kreatur von Ilashar durchbohrt.

Ein unvorstellbarer Zorn schien Kagem zu durchfluten und er starrte die Dhrakons vor ihm aus feurigen Augen an. Die geschuppten Kreaturen erstarrten. Im ersten Augenblick hatte es den Anschein, als würden sie vor Kagems plötzlichem Hass zurückweichen, doch kurz darauf legte sich ein riesiger Schatten über die Plattform. Kagem wirbelte herum. Er sah zwei riesige Schwingen, rote Schuppen und mehrere Reihen spitzer Reißzähne. Ein Drache schwebte über ihnen dahin, seine roten Augen wanderten abschätzend von den Dhrakons zu den geschundenen Gefährten.

Jeder, selbst die Dhrakons, wurden von Angst gepackt. Der Drache riss ohne ein Wort zu sagen sein Maul auf, aus dem bereits gierige Flammen züngelten. "Vorsichtig!", schrie Kagem. "Kommt zu mir!" Während die Dhrakons panisch tiefer in den Gang zurück krochen, schlugen sich die Gefährten zu dem Schwertkämpfer durch. Kagems Beine drohten nachzugeben. Ihn verließen die Kräfte und er wusste, dass sein Körper nicht mehr lange durchhalten würde. Erzmagier Gab hatte ihm erzählt, dass auch Ilashar eine starke Magie in sich hatte. Kagem musste bei der Benutzung der besonderen Fähigkeiten seines Schwertes immer achtsam sein, damit er nicht den Fehler wie Icen machte und mit der eingesetzten Macht seinen Körper überforderte.

Trotzdem... jetzt oder nie... Der Drache brüllte ungestüm, als sich ein immer helleres Feuer in seinem Rachen sammelte. Dann ließ er seinen berüchtigten Flammenstrahl hervor schießen, um die Gruppe, die sich wie Schafe aneinander drängten, zu verbrennen. Kagem schloss die Augen und seine Hoffnung ruhte auf dem Schwert, dass er fest umkrampft hatte. Ilashar entbrannte in rotem Licht, das Drachenfeuer schlug gegen einen unsichtbaren Widerstand, züngelte zu den Seiten davon und verdampfte in dickem Qualm.

Kagem lächelte grimmig. Jetzt würde es darauf ankommen... Er hörte Sierrana wegen des Rauches qualvoll würgen, während sie mit Zasion vergebens versuchte noch etwas Heilungsmagie an Risae zu betreiben. Die Gefährten konnten kaum die Hand vor Augen sehen und man hörte ständig wie die Zwergenbrüder mit den Köpfen gegeneinander schlugen und wütend fluchten.

Als sich der graue Rauch wieder legte, verzog sich die grauenvolle Fratze des Drachens voller Überraschung. "Wie?", zischte die Kreatur verwirrt, seine gespaltene Zunge zuckte kurz hervor. Die Dhrakons im Hintergrund wagten sich nicht zu bewegen, sie fürchteten den bevorstehenden Wutausbruch des Drachens wie nichts anderes. Drachen nahmen nie Rücksicht auf ihre ,Verbündeten'...

Kagem schritt ruhig über die Plattform, er hatte kaum noch Kraft sein Schwert zu halten. Seine Beine wollten ihm am liebsten den Dienst versagen, sein Kopf schien zu platzen und warmes Blut lief noch immer aus der Platzwunde an der Stirn. Er hielt etwas abseits von den Gefährten, mitten auf der Plattform an. Der Drache schwebte nur wenige Meter über ihm dahin. Jetzt oder nie...

"Hey Schuppenmaul!", schrie Kagem, nachdem er tief Luft geholt hatte. Hinter sich sogen die Gefährten scharf die Luft ein und der Schwertkämpfer war sich sicher Sierrana ängstlich keuchen zu hören. Doch jetzt gab es kein zurück. "Dein Feuer bringt dich hier nicht weiter! Außerdem ist es nicht sehr beeindruckend!" Der Drache brüllte voller Abscheu über das provokante Auftreten dieses Mensches.

"Wenn du mich besiegen willst...", schrie Kagem weiter, während er sein Schwert hob. "...dann komm her!" Er winkte den Drachen herausfordernd mit einer Hand heran. Der Drache, blind und rasend vor Zorn, ging ohne nachzudenken darauf ein. "Verdammter Mensch!!!", kreischte er hasserfüllt, faltete seine Flügel dicht an seinen schuppigen Leib und schoss ohne Vorwarnung schnell wie ein Pfeil auf Kagem zu. Die Gefährten riefen ihrem Freund wild durcheinander zu, schrieen er solle abhauen, solle verschwinden und was er sich dabei gedacht hätte. Doch der Schwertkämpfer blieb weiterhin mit erhobenem Schwert bewegungslos stehen. Der Drache schrie fürchterlich, seine roten Augen glühten unheimlich, seine hervor gestreckten Klauen blitzten tödlich auf.

Erst im letzten Augenblick, als Sierrana schon entsetzt die Hände vor die Augen schlug um nicht mit ansehen zu müssen wie Kagem von den Klauen zerfetzt wurde, ließ sich der Schwertkämpfer hintenüber auf den Boden fallen. Verdutzt flog der Drache über ihn hinweg, Kagem riss sein Schwert hoch. Ein schauriges Geräusch zerschnitt die Luft, als Ilashar die dicken Bauchschuppen des Drachen durchdrang und ihn vom Halsansatz bis hinunter zum Schweifende aufschlitzte. Der Drache wollte aufschreien vor Schmerz, doch nur ein gurgelndes Geräusch entwich seiner zerschnittenen Kehle. Er schlug mit einem ohrenbetäubenden Knall auf die Plattform auf, rutschte den glatten Marmor entlang und donnerte mit einer Wucht gegen die Wand, die den ganzen Turm erzittern zu lassen schien.

Dhrakons und Gefährten starrten den sterbenden Drachen fassungslos an. Dann wanderten alle Blicke zu Kagem. Der Schwertkämpfer lag immer noch mit dem Rücken auf dem Boden, seine Brust hob und senkte sich unregelmäßig. Jetzt oder nie... Kagem stöhnte, als er sich mühsam erhob. Seine Beine waren schwer wie Blei, die Muskeln verkrampften sich schmerzhaft. Ehe er sich versah war Sierrana an seine Seite gesprungen und stützte ihn liebevoll.

Die Dhrakons folgten den Gefährten starr mit ihren Blicken, doch keiner von ihnen wagte sich zu bewegen. Gimpf und Pimpf grölten stolz. "Habt ihr gesehen? Habt ihr das gesehen?"

"Sehr beeindruckend..." Ein blauer Dhrakon war vorgetreten, sein linkes Auge glühte in mysteriösem grünem Licht. Eine unheimliche Ausstrahlung schien von ihm auszugehen. "Die Fähigkeiten dieses Schwertes haben mich schon vorhin im Lager fasziniert. Wirklich beeindruckend." Der Dhrakon klatschte abfällig mit seinen klauenartigen Händen. "Und auch ihr habt gezeigt, dass ihr ganz besondere Wesen seid. Ungewöhnlich stark... und mutig... und überaus zäh. Ihr würdet wohl alles tun um die Zeit der Drachen aufzuhalten." Seine Stimme hat einen abfälligen Ton, während er jeden einzelnen der Gruppe abschätzend anstarrte.

"Und auch wenn ihr noch so viele Drachen tötet, es bringt euch überhaupt nichts." Sein grauenhaftes Gesicht verzog sich zu einem bösartigen Grinsen. "Denn jetzt...", zischte er flüsternd. "...WERDET IHR ENTGÜLTIG STERBEN!!!" Die Dhrakons im Gang waren wie von einem Bann befreit. Sie kreischten wild durcheinander, schnatterten in ihrer unverständlichen Sprache und schwangen triumphierend schwarze Schwerter und Krummsäbel. Der Blaue schien eine Art Befehlshaber, denn kaum hatte er ein lässiges Zeichen gegeben, da stürmten alle Dhrakons mit wildem Kampfgeschrei auf die Plattform. Gimpf, Pimpf, Xiantas und Zasion sprangen sofort auf und warfen sich gegen die heranstürmenden Horden. Sierrana mobilisierte ihre letzten Heilkräfte um Risaes Wunde ein wenig zu versorgen, bevor sie ihre Flügel ausbreitete und in die Luft abhob, um aus sicherer Entfernung weiterhin ihre Pfeile abzufeuern. Risae, immer noch etwas geschwächt, hielt sich nahe bei Xiantas.

Kagem kämpfte sich mit der Kraft der Verzweiflung durch die Massen der verschiedenfarbigen Dhrakons. Die Plattform wimmelte von ihnen. Jetzt oder nie... Kagem biss die Zähne zusammen. Er war so kurz davor, jetzt durfte er nicht schlappmachen. Sein Ziel war klar. Seine Augen hingen ununterbrochen an dem riesigen Körper des Drachens, der inzwischen sein Leben ausgehaucht zu haben schien. Neben ihm fiel ein roter Dhrakon unter Sierranas Pfeil, einen zweiten, gelben erschlug er mit der flachen Seite seiner Schwertklinge.

Unaufhaltbar wühlte er sich durch das Gewirr der Kämpfenden, niemals den Drachen aus den Augen verlierend. Er hatte den schuppigen Körper fast erreicht, konnte seine Hand schon beinahe danach ausstrecken, als ein Schrei seine Aufmerksamkeit erregte. Er legte seinen Kopf in den Nacken und konnte gerade noch erkennen, wie ein schwarzes Langschwert hoch in die Luft geworfen wurde und Sierranas rechten Flügel durchbohrte. Die Ain stürzte vom Himmel wie ein Stein und zog im Fallen das Schwert aus ihrer Schwinge. Der Flügel war von einem langen Schnitt verunstaltet, der ihr das weitere Fliegen unmöglich machte.

Fast zu spät erkannte Kagem, dass die Ain nicht auf der Plattform aufschlagen würde, sondern daneben. Panisch sprang der Schwertkämpfer an die nahe liegende Kante der Plattform und streckte seine Arme nach Sierrana aus. Die Ain fiel und fiel, sah wie Kagem auf der Kante neben ihr versuchte sie abzufangen und streckte ihm ihrerseits die Hände entgegen. Sie hatten sich fast, ihre Fingerspitzen berührten sich beinahe, doch Kagem konnte Sierrana nicht packen. Panisch griff er nach irgendeinem Halt und spürte etwas kaltes Stählernes. Seine Hände verkrampften sich darum, doch ein scharfer Schmerz hätte ihn fast dazu bewegt wieder loszulassen.

Kagem hatte die Klinge des schwarzen Schwertes, das Sierrana immer noch festhielt, erwischt. Der scharfe Stahl schnitt tief in seine Handflächen.

"Zasion!", schrie der Schwertkämpfer unter Schmerzen. Der gerufene Engel blickte kurz zu ihnen herüber und schaltete glücklicher weise schnell. Er warf einen Dhrakon mit seinen muskulösen Armen zur Seite, kickte einen weiteren über die Plattformkante und stürmte zu seinen Kampfgefährten. Kagem versuchte mit aller Kraft nicht von Sieranas Gewicht mit in die Tiefe gezogen zu werden, die Klinge bohrte sich tief in seine Hände, so dass Blut das Dhrakonschwert herab lief, und er hatte das Gefühl seine Arme wurden ihm ausgerissen.

Zasion rannte zu ihnen, schlug einen heranschleichenden Dhrakon nieder und warf seine Hellebarde unachtsam zur Seite. Da der Reisende ein reiner Engel war, konnte er ohne Probleme zu Sierrana herab fliegen und sie von unten schieben, damit Kagem entlastet wurde. Gemeinsam schafften die beiden Krieger es, die Ain wieder auf die Plattform zu heben.

"Danke...", keuchte Sierrana erleichtert. Einen Moment lag saß sie einfach nur still da, dann fielen ihr Kagems Hände wieder ein. Sie griff nach ihnen und schaute sich analytisch die Innenflächen an. Die Klinge hatte sich mit zwei Schnitten tief ins Fleisch gebohrt. "Das ist meine Schuld... Warte, ich heile das sofort." "Nein.", sagte Kagem ruhig. Er zog seine Hände vorsichtig weg. "Das ist perfekt..." Sierrana starrte ihn an, als wäre er verrückt geworden.

"Was soll das Kagem? Ich-" "Es tut mir Leid.", flüsterte er plötzlich. Seine Stimme klang traurig. Etwas Endgültiges lag darin. Für Sierrana klang es wie ein Abschied.

Kagem sprang auf, sein eigenes Schwert lag irgendwo herum, doch mit seinen zerschnittenen Händen würde er es sowieso nicht greifen können. Ein roter Dhrakon kam ihm entgegen, sein schwarzes Schwert mit beiden Klauen umklammert. Kagem schlug ihm blitzschnell mit dem Ellenbogen gegen die Schläfe, so dass der Geschuppte bewusstlos zu Boden ging wie ein nasser Sack. Kagem kämpfte sich mit bloßen Fäusten weiter, bis er vor dem Körper des gefallenen Drachen zum Stehen kann.

Die ganze Welt schien sich zu verlangsamen. Er hörte die Kampfgeräusche hinter sich, das Klirren von Stahl, das Sirren von Bögen, Schmerz- oder Jubelschreie und die grölenden Stimmen der Zwerge, die alle übertönten. Die Geräusche vermischten sich mit dem Rauschen in seinen Ohren. Alles um ihn herum schien zu verschwimmen. Es gab nur noch ihn und den Drachen... Jetzt oder nie...

Kagem berührte mit seiner Hand die kühlen Schuppen des geflügelten Giganten. Dann drückte er seine verwundete Handfläche gegen die blutende Verletzung des Drachen. Das Blut von Mensch und Monster vermischte sich...

Alle die auf der Plattform standen sahen nur noch eine Explosion aus weißem Licht, hell wie eine zweite Sonne, die in allen Teilen der Welt zu sehen war. Gefährten und Dhrakons schlossen geblendet die Augen. Um sie herum war nur noch weißes Licht, wie in einem unwirklichen Traum.

Und dann hörten sie eine Stimme, vertraut und doch so fremd, alt und jung, weise und unerfahren. Sie schien sich direkt in ihre Köpfe zu schleichen.

Geht Dhrakons, Vettern der Drachen. Geht zurück hinter die Grenzen eures Reiches und haltet euch raus aus der entscheidenden Schlacht um diese Welt...

Sierrana drehte sich verwirrt im Kreis, doch überall war nur blendendes, weißes Licht. Sie konnte hören wie Gimpf und Pimpf ein weiteres Mal mit den Köpfen zusammen stießen und lauthals fluchten. Als das Licht nach einer endlosen Ewigkeit wieder verschwand, standen nur noch die sieben Gefährten auf der Plattform. Sie konnten das Trappeln zahlloser Klauenfüße hören, die schnell durch den Turmgang und die Treppe liefen.

"Was ist passiert?", fragte Risae leise, während sie ihre Hände auf ihre im Kampf erneut aufgegangene Verletzung an der Seite presste.

Wie um ihre Frage zu beantworten, schritt ihnen eine weiß leuchtende Gestalt entgegen. Sie trug ein Schwert. Blonde Haare wirbelten in den eisigen Winden. Ein langer weißer Kriegermantel flatterte umher. "Kagem?" Der Schwertkämpfer hielt genau vor den versammelten Gefährten inne.

"Junge, was ist passiert?", grummelte Gimpf verwirrt. "Du bist so-"

"Ich bin...", unterbrach Kagem. Seine Stimme war eine andere und doch dieselbe. Es war die Stimme, die sie in ihren Köpfen gehört hatten.

"Ich bin... der Drachenherr."
 

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Tadaa, Bühne frei für den Drachenherr Kagem! Wer wissen will, was das Ganze hier auf sich hat, sollte sich bereit halten für den schicksalhaften, finalen und letzten Teil von Drachenbrut: Kapitel XXIV - der letzte Kampf !!!

Bald...

der letzte Kampf

Es ist mir eine Ehre das letzte und extra lange Kapitel von Drachenbrut präsentieren zu dürfen. Genießt es Leute!!!
 

Kapitel XXIV - der letzte Kampf
 

"Ich bin...", unterbrach Kagem. Seine Stimme war eine andere und doch dieselbe. Es war die Stimme, die sie in ihren Köpfen gehört hatten.

"Ich bin... der Drachenherr."
 

Auf der balkonartigen Plattform des Götterturmes wurde es geradezu unheimlich still. Der eisige Wind umschwirrte die Gefährten, während sie einfach da standen und versuchten das eben Erfahrene zu verstehen. "Der Drachenherr?" Risaes Stimme war weniger als ein Flüstern.

Kagem nickte ruhig. "Aber wie?", brummte Gimpf in seinen Bart. "Der Erzmagier hat gesagt du wärst es nicht. Keiner von uns wäre es." Der Schwertkämpfer steckte sein Schwert weg. Die vielen Schnitte aus dem Kampf und die Wunden an seinen Handflächen waren verschwunden. Ein beruhigendes weißes Leuchten umgab Kagem wie eine magische Aura. "So ist es. Gab sagte dies. Und er sagte es mir als ich mich damals alleine mit ihm unterhielt. Er erzählte mir von dem Verräter und dass es meine Aufgabe sei ihn rechtzeitig zu finden. Doch das war nicht alles..." In seiner ruhigen Stimme schwang jetzt ein wenig traurige Bitterkeit mit.

"Er starrte in meine Augen, als würde er nach etwas suchen. Hör zu Kagem, sagte er. Es gibt zwei Wege die du durchschreiten kannst. Der eine ist den Verräter aufzuhalten, damit eure Mission die Rassenkugel der Drachen zu zerstören nicht scheitert. Doch falls dir das nicht gelingt, gibt es noch einen anderen Weg. Du musst der Drachenherr werden... Ich war genauso verwirrt wie ihr jetzt und sagte ihm, dass er vor kurzem behauptet hatte, ich wäre nicht der Drachenherr.

Das habe ich gesagt. Deswegen musst du auch der Drachenherr werden. Ich sehe, dass du großes Potenzial in dir hast, verborgene Kräfte, die dem Drachenherrn würdig wären. Doch es gibt eine Vorraussetzung, die du nicht erfüllst... teilweises Drachenblut..."

Risae erinnerte sich zurück zum Anfang ihrer Reise, als Djin ihnen in Ciina die wahre Prophezeiung erzählt hatte und Kagem erklärte was der Drachenherr sei. Ein Wesen, das die Drachen durch sein teilweises Drachenblut kontrollieren konnte.

"Der Erzmagier erklärte mir, was ich zu tun hatte: Du musst also, wenn es keine andere Lösung mehr gibt, dein Blut mit dem Blut eines Drachens vermischen. Dadurch werden deine Kräfte erweckt. Deine Aufgabe wird es sein, die Drachen mit einem Siegel in die Unterwelt zu bannen, genau wie Kin es vor 5000 Jahren getan hatte. Du musst nach Utopion reisen, wo sich alle Drachen zum Angriff sammeln. Dort wirst du sie alle mit einem Schlag bannen können."

"Ist doch toll!", posaunte Gimpf. "Wozu dann überhaupt dieser Aufwand? Du hättest das Blut von den zwei Rotdrachen, die wir mit den Mago besiegten, nehmen können." Kagem lächelte gequält und schüttelte langsam den Kopf.

"Ich hatte bis zum letzten Augenblick gehofft, dass ich den Verräter finden würde, um das zu umgehen. Denn Gab sagte mir, dass es auf gar keinen Fall so einfach ist. "Sei gewarnt, Kagem. Auch wenn du der Drachenherr wirst, ist alles ein wenig kompliziert. Du wirst die Dhrakons und die meisten Drachen mühelos befehligen können, doch einige sind so mächtig, dass sie sich dir widersetzen könnten und du kämpfen musst. Außerdem... gibt es einen Haken. Die Kräfte des Drachenherrn sind so gewaltig, dass du wahrscheinlich das mächtigste Wesen auf Erden wärst. Doch dein Körper wird diese Macht nicht lange aushalten...

Das heißt: Egal ob du die Drachen verbannst oder nicht... du wirst dabei sterben..."

Wieder trat eine Stille ein, diesmal nicht wegen Verwirrung, sondern einem fassungslosen Entsetzen. Selbst der Wind schien bedächtig zu schweigen. "Das... das ist nicht wahr... sag, dass das nicht wahr ist...", wimmerte Sierrana. Das schwarze Dhrakonschwert, das die Ain bis jetzt festgehalten hatte, fiel klirrend auf den glatten Marmorboden. "Es... tut mir Leid..." Für einen Moment war Kagems Stimme wieder völlig die alte, ohne die merkwürdige Veränderung, die die Kräfte des Drachenherrn brachten. "Es gibt kein zurück mehr. Die Drachen dürfen nicht siegen." "Nein! Wir werden uns gemeinsam etwas überlegen! Ohne, dass du dich opferst! Und du weißt doch nicht mal, wie du nach Utopion kommst!", schrie Sierrana verzweifelt.

Kagem schüttelte bedächtig den Kopf, sein Arm deutete hinauf in den Himmel. Zuerst erkannten die Gefährten nichts, doch nach einiger Zeit bildete sich ein kleiner Punkt am Horizont, der rasch näher kam. Es dauerte nicht lange, bis sie erkannten was da heran flog. "Ein Drache." Xiantas hob bereits seinen Bogen und legte einen Pfeil auf die Sehne, doch Kagem drückte die Waffe sanft hinunter. Als sich die Blicke des Zentauren und des Schwertkämpfers trafen, schüttelte Kagem ein weiteres Mal beruhigend den Kopf. "Sieh..." Er deutete weiterhin mit dem Finger auf den inzwischen gut erkennbaren Drachen.

Xiantas sah zwei riesige Schwingen, silbern glänzende Klauen und weiße Schuppen. Weiße Schuppen! "Das ist...", flüsterte Risae erstaunt. "...der legendäre, weiße Drache Greanshen..." Der Drache segelte ruhig durch die kalte Ostluft und landete erhaben mit den riesigen Klauen auf der Plattform. Greanshen war der einzige der Drachen, bei dem die Gefährten keinerlei Angst oder Abscheu empfanden. Seine weißen Schuppen glitzerten im Sonnenlicht wie heller Diamant und die blauen, leicht geschlitzten Augen waren hell und klar wie das Wasser im Kristallbrunnen Bor's. Es war ein atemberaubender Anblick, der sie mit einer merkwürdigen, inneren Ruhe erfüllte.

"Sei gegrüßt, Meister." Die Stimme des Drachen war nicht das übliche Zischen wie bei seinen Artgenossen, sondern hell und klar. "Ich spürte euer Erscheinen. Meine Brüder, die roten Drachen, sammeln sich bei Utopion. Ich vermute ihr wollt dorthin gelangen?"

Kagem nickte ohne seinen Blick von den Gefährten abzuwenden. Der riesige, weiße Drache hinter ihm erschien für den Schwertkämpfer merkwürdigerweise wie das Normalste der Welt. Ein trauriges Lächeln erschien auf seinem Gesicht.

"Das... ist wohl das Ende unserer Reise. Es hat mich glücklich gemacht den Weg mit euch zu beschreiten. Doch von nun an ist es allein meine Aufgabe." Seine Miene wurde ernst, als er zwischen Risaes Händen, die an ihre Seite gepresst waren, Blut hervorsickern sah. Er machte einen Schritt auf die rothaarige Schwertkämpferin zu und legte seine Hand auf die ihren, ein weißes Glühen flackerte kurz auf. Risae nahm ihre Hände verwundert von ihrer Seite, die Wunde war verschwunden...

"Leb wohl." Er drückte ihr eine kurze Umarmung auf. Der Reihe nach wandte er sich auch den anderen Gefährten zu, strubbelte den Zwergenbrüdern lächelnd durch die Haare, gab Xiantas einen Abschiedshandschlag und versicherte dem aufgelösten Zasion, dass nichts davon seine Schuld sei. "Du hast nur das getan, was du für richtig hieltest." Dann wandte sich Kagems Blick zu der letzten der Gefährten.

"Sierrana...ich..." Kagem konnte nicht sprechen. Seine Kehle fühlte sich fürchterlich trocken an. Er war noch nie gut in Abschieden gewesen und dieser hier war wohl der schlimmste, den er je machen musste. Kagem öffnete wieder den Mund um zu sprechen, doch ihm fielen einfach keine Worte ein, die der Ain auch nur ein wenig Trost spenden konnten.

"Meister? Es wird höchste Zeit. Utopion wird wahrscheinlich gerade in diesem Augenblick angegriffen, die Stadt wird bald fallen..." Kagem nickte schwerfällig, seine Augen hingen gequält an Sierrana. "Nur einen Moment noch...", flüsterte der Schwertkämpfer. Er ging einen kurzen Schritt auf Sierrana zu und legte ihr sanft eine Hand auf die zarte Wange. Die Ain bewegte sich nicht. Sie war wie gelähmt von der Erkenntnis, Kagem nie wieder zu sehen. Sie spürte wie sich ihre Augen mit Tränen füllten, doch sie machte sich keine Mühe diese zu verbergen, als sie ihre Wangen herab liefen. Alles schien jetzt sowieso egal.

"Es tut mir Leid..." Kagem wischte Sierranas Tränen vorsichtig weg, beugte sich langsam zu ihr herunter und küsste sich sanft. Kagem spürte, wie die Ain den Kuss erwiderte, doch ansonsten rührte sich Sierrana keinen Millimeter. Als er sich wieder von ihr löste, kamen ihm für einen kurzen Moment Zweifel an seiner Entscheidung. Sierranas Gesicht war Tränen verschmiert und in ihren Augen stand die Verzweiflung, die sie fühlen musste. "Meister... Es wird Zeit", drängte Greanshen im Hintergrund.

Kagem nickte wieder. "Leb wohl...", flüsterte er leise. Dann drehte sich der Schwertkämpfer herum und schritt auf den weißen Drachen zu. Greanshen breitete eine Schwinge aus, so dass sein Meister auf seinen schuppigen Rücken klettern konnte und knapp hinter dem Nackenansatz Halt fand.

Wieder kamen ihm Zweifel ob er richtig gehandelt hatte. Doch dann dachte er wieder an Icen, der ohne zu zögern genauso gehandelt hatte. Die Gedanken an den toten Magier versetzten ihm einen Stich im Herzen. Kagem sah herab auf die Gefährten. Er sah Zasion, der auf die Knie gefallen war, mit der Faust auf den Marmorboden schlug und immerzu "Es tut mir Leid" wimmerte.

Und vor allem sah er Sierrana, die hemmungslos in Risaes Schulter schluchzte. Auch der Rotschopf vergoss stille Tränen. "Es wird Zeit... Ich muss gehen... All die Wunder dieser Welt dürfen nicht zerstört werden. Und wenn mein Leben enden muss um sie zu erhalten, bin ich bereit dieses Opfer zu zahlen." Kagem wählte bewusst die gleichen Worte, die Icen ihm während ihres Gespräches damals anvertraut hatte.

Greanshen entfaltete auch seine zweite Schwinge und stieß sich schließlich von der Plattform ab, bevor die Gefährten oder Kagem noch etwas sagen konnten. Schnell schrumpfte der Drachenherr auf dem Rücken des legendären weißen Drachens zu einem glitzernden Punkt am Horizont zusammen.

Zurück blieben sechs völlig aufgelöste Gefährten. Zasion schleuderte seine Hellebarde mit einem Wutschrei davon, bevor er kraftlos in sich zusammensackte. Noch immer auf den Knien raufte sich der Engel durch sein silbernes Haar, mit der grausamen Gewissheit, dass alles hier seine Schuld war. Sein Blick wanderte zu Xiantas, der schweigend am Plattformrand stand, zu den Zwergenbrüdern, die merkwürdig weggetreten ins Leere starrten, und zu Sierrana, die von Schluchzern geschüttelt wurde, während Risae sie festhielt.

Zasion erhob sich schwach, seine Beine schienen wackelig und viel zu dünn. Mit dem schlurfenden Geräusch seiner schweren Lederstiefel, schritt der Engel zu den zwei weiblichen Gefährten. Er legte eine Hand auf Sierranas Schulter, versuchte sie irgendwie zu trösten, doch bevor ihm irgendetwas einfiel, schlug die Ain seine Hand unwirsch weg. "Geh weg!" Ihre Stimme klang ungewöhnlich schrill. Frische Tränen liefen ihre Wangen herab. "Bleib weg! Wenn du nicht wärst... Alles wäre gut! Kagem wäre hier! Icen wäre hier!"

Sie schluchzte und vergrub ihr Gesicht wieder in Risaes Schulter. Zasion stand geschockt da. Er hatte gewusst, dass es seine Schuld war, doch trotzdem war es so verletzend, es von einem anderen zu hören. Risae sah ihn fast mitleidig an, während sie durch Sierranas blondes Haar strich. ,Lass ihr Zeit' schien ihr Blick sagen zu wollen. Zasion verstand, obwohl er trotzdem noch furchtbar erschüttert war. Der Engel ging zum Gang, der in den Turm führte, und setzte sich mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt. Er zog die Knie an, stützte seine Ellenbogen darauf und vergrub das Gesicht in den Händen.

Lange Zeit verharrte er so. Er wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, vielleicht eine Stunde, vielleicht sogar noch mehr. Kagem musste inzwischen auf und davon sein. Zasion hatte Utopion schon mehrmals während seiner Reisen durchquert, es war wahrscheinlich die schönste Stadt der Welt und seiner Rechnung nach musste sie mit einem Drachen in etwa drei Stunden zu erreichen sein.

Die Zeit schien auf grausame Weise dahin zu schleichen, bis Zasion das Geräusch von flatternden Flügeln ausmachte. Er nahm die Hände vom Gesicht und schaute in den Himmel. Mehrere auffallend leuchtende Punkte zeichneten sich ab. Sie flogen zielsicher auf die Plattform zu, für einen Moment kam ihm sogar der grausame Verdacht es wären weitere Drachen. Doch als sich Zasion neugierig erhob und zu den anderen Gefährten hinüber schritt, erkannte der Engel, was ihnen da in Wirklichkeit entgegen kam. Die Mago!

"Wie ist das möglich? Gab hat gesagt, sie würden nicht näher an den Turm fliegen, weil sie geschädigt werden könnten." Der Engel verengte seine Augen zu schmalen Schlitzen, ein Anzeichen, dass er seine übernatürliche Sehschärfe einsetzte. Er konnte erkennen, dass jemand auf dem Rücken eines Mago saß. "Da ist jemand... es ist Ladron...", enthüllte Zasion überrascht.

Tatsächlich landete der Dieb auf dem Rücken Regenschauers wenig später in Begleitung der anderen magischen Greife auf der Plattform. "Was tust du hier?", grummelte Gimpf. Ladron legte sein gehässiges Grinsen auf. "Es hat mich interessiert, wer der Verräter ist. Ich bin es jedenfalls nicht..." Der Dieb sah sich seelenruhig um. "Scheinbar war es der Magier. Oder der Mischlings-Liebhaber? Wo sind die beiden?" Niemand antwortete. Die Zwergenbrüder bebten vor Zorn, während Sierrana noch herzzerreißender weinte.

"Ich war es." Zasion stand etwas abseits, mit hängendem Kopf. Ladrons Grinsen war mit einem Schlag von seinem Gesicht gewischt. Seine Augen funkelten abscheulich. "Du? Ich rede auf die Mago ein, damit sie mich hierher fliegen und du..." Eine merkwürdige Veränderung schien mit dem Dieb vorzugehen. Für einen Moment sah er aus wie ein aufgeschrecktes, verängstigtes Kind. Doch wirklich nur für einen Augenblick. Dann glitzerten seine braunen Augen wieder abstoßend.

"Was ist hier passiert?"
 

"Es geht viel in euch vor, Meister...", grollte Greanshen. Seine Stimme zeichnete sich merkwürdig klar gegen den pfeifenden Wind ab. Kagem hatte sich tief hinter den schuppigen Hals des Drachen gebeugt, um ein wenig gegen die grausame Kälte in der Luft geschützt zu sein. "Wie meinst du das?", fragte der junge Krieger. Der Weißdrache schien innerlich zu lächeln. "Ich sehe es in euren Gedanken..." Kagems Augen weiteten sich verblüfft. "Es besteht eine Bindung zwischen uns, die das möglich macht. Vor 5000 Jahren konnte Kin auch meine Gedanken lesen. Ihr seid zwar etwas jünger als er damals, doch es müsste auch euch möglich sein."

5000 Jahre. Kagem hatte sich bereits mehrmals gefragt, was diese unglaublich alten Drachen in dieser Zeit getrieben hatten. Er wollte die Frage gerade stellen, als ihn eine merkwürdige Gewissheit erfüllte. Greanshen hatte all die Zeit gewartet, darauf, dass das Siegel verschwindet, seine Brüder erneut über das Land kommen und er wieder in die Schlacht ziehen muss.

"Seht ihr?", erkundigte sich der weiße Drache wissend. "Es geht doch." Kagem blieb still. Seine Gedanken kreisten um die vergangenen Kämpfe, um die Gefährten, um Sierrana und um die Aufgabe die vor ihm lag. "Glaubst du, ich kann die Drachen bannen?" Greanshen schien kurz in sich zu gehen. Dann nickte er mit seinem großen Kopf, so dass Kagem Mühe hatte sich fest zu halten.

"Ihr habt das gleiche Potenzial, das auch in Kin steckte. Doch die Zeit wird knapp. Es wird bereits um Utopion gekämpft, ich spüre es. Wir müssen uns beeilen, damit alle Drachen an einem Ort versammelt sind. Dann werdet ihr es schaffen." "Wie weit ist es noch bis Utopion?"

Greanshen deutete ein Kopfrucken an. "Nicht mehr weit. Es müsste bald am Horizont auftauchen."

Und das tat es tatsächlich...
 

"Verdammtes Schwein!" Ladron, dem alle Ereignisse geschildert wurden, schlug Zasion mit aller Kraft ins Gesicht. Der Engel ging zu Boden, ohne Schmerzensschrei, ohne Gegenwehr. Seine Lippe war aufgeplatzt und ein dünner Blutfaden lief ihm das Kinn herab.

"Dummer Idiot!", schrie Ladron aufgebracht. "Wieso du? Wieso ausgerechnet du? Ich dachte du bist jemand, dem ich vertrauen konnte. Du hast dich doch als einziger darum gekümmert, dass ich damals in der Gosse fast verreckt wäre. Und dabei bist du in Wirklichkeit der Böse? Ich weiß, ich bin ein Dreckskerl, ich schere mich um niemanden und kenne nur die Regel jeder muss für sich selbst sorgen. Doch das ist nichts gegen dich! Wieso du? Wieso, Zasion? Kannst du den Untergang der ganzen Welt verantworten?!"

Ladron war so laut und wütend, dass selbst die Zwergenbrüder vor ihm zurückwichen. "Und du, Mischling!" Sierrana sah verwirrt auf, als der Dieb sich vor ihr aufbaute. "Hör auf zu heulen! Wenn du deinen möchtegern Helden nicht verlieren willst, dann geh hinterher und kämpfe! Wer weiß was du retten kannst, wenn er sich nicht mit seinen neuen Kräften überfordert!"

Sierrana blinzelte verwirrt und wischte nach kurzer Starre ihre Tränen weg. "Du... du hast Recht..." Die Ain wirkte ziemlich verwundert von Ladrons Aufforderung. "Ja, lasst uns gehen! Vielleicht können wir noch ankommen, bevor die Schlacht anfängt!", jubelten Gimpf und Pimpf.

Doch das...konnten sie nicht...
 

Utopion wurde dem Ruf der schönsten Stadt der Welt wirklich gerecht. Gebäude aus weißem Marmor, farbigem Stein oder einem glasartigen Material standen in breiten Staffeln nebeneinander, durchzogen von Straßen, die mit prächtigen Mosaiken bedeckt waren. Ein gewaltiger weißer Turm, die Heimat der ortsansässigen Magier, stach aus der Stadt wie marmorner Stachel. Um die Stadt herum schlängelte sich eine Mauer aus dem glasartigen Material, wie bei einigen der Gebäude. Der Wall wurde in regelmäßigen Abständen von Abwehrtürmen durchzogen. Die Verteidigungsanlage glitzerte durch das Sonnenlicht in allen erdenklichen Farben.

Es gab nur eine Tatsache, die den Glanz dieser Stadt trübte. Utopion befand sich im Krieg! Kagem sah mit Schrecken auf das Gewimmel vor den Toren der Stadt, gegen das die Schlacht in Angelian ein fröhliches Treffen gewesen war. Auf den grünen Grassteppen, die Utopion umgaben, tummelten sich Dhrakons aller Farben. Sie kämpften gegen eine erbitterte Gegenwehr von Zwergen, Zentauren und Menschen. Elfen standen nebeneinander auf den Zinnwällen, während sie die Dhrakons zielgenau mit Pfeilen beschossen. Geschwader von Engeln und Avioren schwirrten durch die Luft. Es war ungelogen, dass in Utopion alle guten Rassen der Welt nebeneinander lebten.

Greanshen ging ohne ein Kommentar in den Angriff über, riss sein gewaltiges Maul auf und ließ einen weißen Blitzstrahl daraus hervor schießen. Der Boden unter ihnen explodierte förmlich, als das magische Geschoss in die Reihen der Dhrakons einschlug und mehrere niederstreckte.

"Die Dhrakons sind kein Problem.", brüllte der weiße Drache. "Befehlt ihnen zu gehen, bevor ihr euch um die Drachen kümmert, Meister." Kagem sah sich bitter um. Es zischten mindestens fünfzig, vielleicht sogar sechzig Rotdrachen durch die Luft, zerfetzten Aviore und Engel mit ihren Klauen und versprühten ihren tödlichen Feueratem. Mehrere Gebäude standen bereits in Flammen. Auf dem Dach des Magierturmes hatten sich die besten Zauberkundigen versammelt, von wo aus sie Zaubersprüche zum Löschen der Brände, zum Schutz der Stadt oder zum Bekämpfen der Drachen einsetzten.

Einer der Rotdrachen wurde von den Blitzschlägen mehrer Magier erfasst und fiel mit zerfetzten Schwingen den Himmel herab. Als er auf der Grassteppe aufschlug, begrub er Dhrakons und Verteidiger Utopions unter sich. Enyxanshen, mit Abstand der größte Rotdrache, heulte vor Wut und schleuderte einen Feuerball in die Menge. Es war egal, dass auch einige Dhrakons in dem Inferno verbrannten. Drachen scherten sich nicht um Dhrakons. Sie waren nur ein Mittel zum Zweck. Billige Kämpfer, die die Drecksarbeit erledigten, bevor sie selbst dran glauben mussten.

Ein nicht enden zu wollender Hagel aus Elfenpfeilen kam von den Wällen herab geflogen. Zentauren schlugen die Dhrakons mit ihren geweihten Kampfstäben nieder, ohne sie jedoch zu töten. Zwerge, von ihrem kriegerischen Temperament gepackt, ließen die Äxte sprechen. Menschen verteidigten die Stadt bis zum letzten Atemzug. Aviore und Engel stürzten sich in aussichtslose Luftkämpfe mit den Drachen. Aber egal wie viele Dhrakons sie erschlugen, der Strom aus geschuppten Kreaturen wollte kein Ende nehmen. Der Boden war übersät von Dhrakonleibern und dunklen Blut, doch für jeden Gefallenen trat ein neuer an seine Stelle.

"Ihr habt nicht viel Zeit, Meister!" Greanshen hatte Recht. Die heranstürmenden Horden von Dhrakons drängten Axt schwingende Zwerge, Stab tragende Zentauren und kriegerische Menschen langsam aber sicher zurück. "Rückzug!", schrie eine magisch verstärkte Stimme. Kagem konnte sie erstaunlicher Weise zuordnen. Es war Djin aus Ciina... "Zentauren! Zieht euch hinter die Wälle zurück!" Das war... der Zentaurenkönig aus dem Grünblattwald... "Wie kommen sie hierher?", murmelte Kagem verwirrt. Unter ihm verwandelte sich der Rückzug in panische Flucht.

Der Schwertkämpfer hatte keine Zeit darüber nachzudenken, er spürte Greanshens Gedanken, die vor Ungeduld zu brennen schienen. "Es wird Zeit, Meister!" Kagem nickte. Er zog Ilashar aus der Scheide auf seinem Rücken, das Drachenherrschwert entflammte in weißem Licht. "Hört auf zu kämpfen!", schrie der Schwertkämpfer, sich auf merkwürdige Weise bewusst, dass jeder in der Umgebung es klar und deutlich hören konnte.

Tatsächlich hielten alle Dhrakons und Drachen wie betäubt inne, während Utopions Krieger sich kurz verwirrt umsahen, bevor sie in den Schutz der Stadt flüchteten. Die Tore schlossen sich donnernd hinter dem letzten, hereinstürmenden Zwerg.

"Geht Dhrakons, Vettern der Drachen. Geht zurück hinter die Grenzen eures Reiches und haltet euch raus aus der entscheidenden Schlacht um diese Welt..." Es waren die gleichen Worte wie beim Götterturm und hatten genau die gleiche Wirkung. Man konnte beobachten wie die Augen der Dhrakons glasig wurden, bevor sich jeder, egal ob gelb, blau, rot oder grün geschuppt, herumdrehte und sich von Utopion entfernte. Die Rotdrachen am Himmel heulten vor Wut. "Was soll das?", schrie Enyxanshen. "Kommt zurück! Ich befehle euch zurückzukommen!" Doch die Dhrakons marschierten teilnahmslos über die Grassteppe und verschwanden unter den verwunderten Augen der Utopionaner am Horizont.

Der Kopf Enyxanshens zuckte herum, bis sein Blick den des Weißdrachen traf. "Bruder...?", zischte der mächtigste aller Rotdrachen hasserfüllt. "Was mischt du dich ein? Und wen hast du da bei dir?"

Kagem richtete sich auf Greanshens Rücken etwas auf. "Ich bin Kagem! Du solltest mich kennen, denn ich war es, der deinen Bruder Lioanshen in Ciina tötete. Jetzt kehre ich zurück, um euch als Drachenherr zu bannen, genauso wie es Kin vor 5000 Jahren getan hatte!"

"SPRICH DIESEN NAMEN NICHT AUS!!!", kreischten die Rotdrachen gleichzeitig. Enyxanshens Augen funkelten entsetzlich. "Greanshen... Bruder... reicht es dir nicht, dass du uns 5000 Jahre Unterweltverbannung gebracht hast?! Willst du wirklich, dass sich alles wiederholt? Hast du dafür all die Zeit beim Feuergipfel auf der Lauer gelegen? NIEMALS!!!"

"Was ihr tut, ist nicht richtig. Jede Rasse hat das Recht auf dieser Welt zu leben.", erwiderte Greanshen ruhig. Unten am Boden lauschten die Utopioner verwirrt den Stimmen, die sich so klar in ihren Köpfen abzuzeichnen schienen. Besonders Djin, die mit den anderen Magiern auf der Turmspitze stand, beobachtete dieses unglaubliche Schauspiel. Ihr Blick hing an Kagem, der sich so verändert zu haben schien.

"Nein, nur Drachen dürfen existieren! Der Abschaum muss verschwinden!" Enyxanshen schlug immer heftiger mit den Flügeln. Der Drache wurde sichtbar ungeduldig. "Was gibt dir das Recht, das zu beurteilen?", rief Kagem anklagend. Enyxanshen schnaubte abfällig durch seine Nüstern, so dass kleine Rauchwölkchen daraus hervorpufften. "Du, Mensch, hast gar nichts zu melden! Ich gebe zu damals vor 5000 Jahren wurden wir von Kin überrumpelt, doch heute steht uns nur ein kleiner Mensch gegenüber, der Held spielen will... Es wird uns ein Vergnügen sein dich endlich für den Mord an meinen Bruder Lioanshen zur Rechenschaft zu ziehen. Drachenherr hin oder her..."

Gut ein Dutzend Rotdrachen umzingelten auf einmal Greanshen und seinen Meister. Die geflügelten Kreaturen rissen ihre Mäuler auf, so dass ihre scharfen Zähne hervor blitzten, und Feuerstrahle zischten blitzschnell aus ihren Kehlen. Das Feuer schien von allen Seiten gleichzeitig zu kommen, Greanshen sah sich hektisch nach einem Fluchtweg um, doch es gab scheinbar keinen.

Kagem verstand, dass es nun an ihm lag. Er ließ Ilashar über seinem Kopf wirbeln wie ein Windrad und die magischen Energien des Schwertes erzeugten einen Abwehrschild, der die Feuerbälle wirkungslos abprallen ließ. "Ihr lernt schnell, Meister.", sprach Greanshen anerkennend. Kagems Atem ging schwer. Er spürte bereits die Strapazen die durch die Kräfte des Drachenherrn verursacht wurden. "Ich...muss mich wohl beeilen...", murmelte der Schwertkämpfer keuchend.

"Enyxanshens wütendes Gesicht verwandelte sich in eine grauenvolle Fratze. "Noch einmal!", befahl er triumphal. "Er mag vielleicht wirklich der Drachenherr sein, doch genau wie Kin damals hält sein Körper die Kräfte nicht aus. Wir lassen ihn gar nicht erst zum Zug kommen! Greift an!" Die Rotdrachen nickten eifrig mit ihren riesigen Schädeln und klappten ihre Mäuler ein zweites Mal an, Feuer sammelte sich in ihren Kehlen.

"Halt!", rief Kagem mit fester Stimme. Er hatte das Schwert mit ausgestrecktem Arm gehoben, so dass die Spitze in den Himmel zeigte. Und tatsächlich brachen die Drachen ihren Angriff ab. Mit den Mächten des Drachenherrn konnte Kagem sie kontrollieren.

"Nein! So einfach lasse ich es nicht enden!", tobte Enyxanshen. Seine gewaltige Schnauze öffnete sich ruckartig. "Stirb Bruder! Stirb Drachenherr!" Kagem und Greanshen wurden völlig überrumpelt von der Flammensalve, die Enyxanshen trotz der blockierenden Kräfte des Drachenherrn abfeuern konnte. Der Weißdrache wich reflexartig ein Stück nach links aus, doch der Feueratem erwischte ihn dennoch mit voller Härte an der Flanke. Greanshen brüllte vor Schmerz, vergaß für einen Augenblick seinen Meister und bäumte sich auf. Die plötzliche Bewegung schleuderte Kagem vom Rücken. Er roch den widerlichen Gestank von verbranntem Fleisch und sah die klaffende Wunde des Weißdrachens, die seine rechte Seite verunstaltete. Beißender Rauch kräuselte sich von den zerfetzten Schuppen.

Dann fiel Kagem, er fiel eine Ewigkeit lang, fiel dem Erdboden entgegen und bereitete sich darauf vor, dass sämtliche Knochen bei dem Aufprall zersplittern würden. "So schnell soll es nicht enden!" Der Drachenherr riss sein Schwert empor, weißes Licht durchflutete die Umgebung und verlangsamte kaum merklich seinen Fall. Greanshens blaue Augen blitzten unter Schmerzen zu seinem rot geschuppten Bruder, Hass flammte in ihnen auf. Dann wandte er sich um und stürzte wie ein Falke mit eingezogenen Flügeln herab. "Meister!" Enyxanshen schickte ihm eine weitere Feuersalve hinterher, doch Greanshen wich elegant aus und verkürzte den Abstand zu seinem fallenden Herrn.

Kagem war vielleicht noch fünfzig Meter vom Erdboden entfernt, bevor der Weißdrache geschickt unter ihn segelte und auf dem Rücken auffing. Kagem stöhnte, der Aufprall war immer noch fürchterlich hart gewesen. Sein Kopf dröhnte, feiner Schweiß lief ihm die Stirn herab und er atmete stoßweise. Er hatte nicht mehr viel Zeit...

"Lass mich absteigen!" Greanshen gehorchte kommentarlos, er wusste was sein Meister vorhatte. Der weiße Drache landete mit einem harten Ruck auf der Grassteppe, die durch die ganzen Flammenstöße seiner Brüder bereits zu einer aschigen Wüste verbrannt war. Greanshen faltete eine seiner gewaltigen Schwingen aus und Kagem rutschte die dünne lederne Haut des Flügels hinunter. Er wusste ganz genau, was zu tun war.

"NEIN!!!", kreischte Enyxanshen schockiert. "NIEMALS!!!" Er wollte seinen Feueratem ein drittes Mal losschicken, doch die unsichtbaren Mächte des Drachenherrn schienen sein Maul verschlossen zu halten. Greanshen lächelte grimmig. "Meister, tut was euch euer Instinkt sagt."

Kagem nickte ernst. Sein Unterbewusstsein verriet ihm was zu tun sei. Er griff Ilashar mit beiden Händen, riss das Schwert hoch in die Luft und stieß es, begleitet von weißem Licht, mit der Spitze voran in den Erdboden. Die Rotdrachen kreischten panisch, als das weiße Licht so hell aufblitzte, dass es ganz Utopion für einen Moment lang erblinden ließ. Ein scharfes Knacken durchschnitt die Luft, gefolgt von einem heftigen Reißen. Als das Licht wieder versiegte, hatte Kagem Ilashar tief in den Boden gerammt. Funken sprühten und tiefe gegabelte Risse teilten die Erde, die vor dem feststeckenden Schwert lag. Der Spalt wurde breiter, vergrößerte sich immer mehr, bis vor Kagem eine tiefe Schlucht klaffte, schwarz wie die Nacht. Sie schien bis in die tiefsten Eingeweide der Welt zu reichen. Flammen züngelten in unregelmäßigen Abständen daraus hervor und mehrmals hatte Kagem den Eindruck, blass flackernde Gestalten herumschweben zu sehen. Der Weg zur Unterwelt...

Den Utopionanern krochen eisige Schauer den Rücken herunter. Es war eine groteske Szenerie, die sich vor den Toren der Stadt abspielte. Ein einzelner junger Krieger, der auf einem legendären Drachen ankam, vertrieb die Dhrakons, gegen die Utopions Kämpfer keine Chance hatten, ohne sichtliche Mühe und nun ließ dieser auch noch ein gigantisches Loch in der Grassteppe entstehen.

"Jetzt... wird es Zeit...", schrie Kagem stoßweise. "...dass ihr Drachen dorthin zurückkehrt, wo ihr hingehört! Geht! Ich befehle es euch! Ich, der Drachenherr!" Die Rotdrachen wurden von einer weiteren Welle weißen Lichtes erfasst und wie bereits zuvor bei den Dhrakons verschleierten sich ihre Augen zu einer trägen Gefühllosigkeit. Einer nach dem anderen beugte sich dem Befehl Kagems. Mit eingezogen Flügel niedersausend oder langsam herabschwebend verschwanden sie der Reihe nach in dem dunklen tiefen Loch der Unterwelt.

Kagem fiel auf die Knie, es verschwamm plötzlich alles vor seinen Augen, ihm wurde übel und alles drehte sich. Die Kräfte des Drachenherrn waren zuviel für seinen Körper. Er sah nach oben in den Himmel, eigentlich nur reflexartig, doch zu seinem Entsetzen schwirrten immer noch zwei Rotdrachen oben am Himmel.

Du wirst die Dhrakons und die meisten Drachen mühelos befehligen können, doch einige sind so mächtig, dass sie sich dir widersetzen könnten und du kämpfen musst...

"Verdammt...", murmelte Kagem schwach, während er sich den Schweiß von der Stirn wischte. Greanshen stand noch genau an der Stelle, an der er seinen Meister abgeladen hatte, die Brandwunde an der Seite sah übel aus. "Meister! Enyxanshen und Onsanshen, meine Brüder, gehorchen euch nicht!" Kagem rappelte sich gequält auf und stützte sich auf sein feststeckendes Schwert. "Ich weiß. Der Erzmagier Gab hat mich davor gewarnt, dass es passieren könnte!"

"Ich verstehe!" Ohne weitere Zeit zu verlieren stieß sich Greanshen unter Schmerzen vom Erdboden ab und schoss pfeilschnell durch die Luft. Mit blitzenden Augen fixierte der Weißdrache seinen Bruder Enyxanshen und kollidierte mit ihm. Die Drachen kreischten schrill, als sie sich mit Schwingen, Zähnen und Klauen die Schuppen zerfetzten. Dunkles Blut tropfte vom Himmel.

Gleichzeitig stürzte sich Onsanshen mit einem noch lauteren Brüllen herab, seine roten Augen blitzten kalt. Kagem erkannte fast zu spät, dass der Rotdrache es auf ihn angelegt hatte und hechtete mit einem Sprung zur Seite, bevor die Klauen Onsanshens in erreichen konnten. Noch im Flug riss der Drache seinen Kopf herum und öffnete sein gigantisches Maul, doch Kagem zwang ihn mit einer Handbewegung, es wieder zu schließen.

Enyxanshen, der aus unzähligen Wunden blutete und sich in seinen ebenso verletzten, weißschuppigen Bruder verkeilt hatte, brüllte zu seinem zweiten Bruder herab. "Als Drache kann er dich größtenteils kontrollieren! Verwandle dich! Ich..." Der Rest ging in einem gurgelnden Laut unter, als Blut aus seinem Maul tröpfelte.

Doch Onsanshen hatte verstanden. Der Rotdrache landete boshaft grinsend direkt vor Kagem. "Morph!" Kagems Augen weiteten sich vor Erstaunen, als Onsanshen in rotes Licht getaucht wurde. Die erkennbaren Umrisse des Drachens wurden kleiner, die gesamte Gestalt schmaler. Die roten Schuppen schienen zu schmelzen, sich zu verformen. Vor Kagem stand kein Drache mehr, sondern ein Mensch...

Onsanshen hatte kurzes schwarzes Haar. Er war groß und stämmig, trug lederne Schnürstiefel, die bis zu den Knien reichten, und eine schwarze Hose. Sein Brustpanzer und die Armschienen bestanden scheinbar aus den rötlichen Schuppen seines Drachenkörpers. Einzig und allein die rot glühenden Augen verrieten außerdem seine eigentliche Abstammung als Drache.

"Überrascht?", stichelte Onsanshen feixend. "Es ist töricht zu glauben, wir Drachen könnten nichts weiter als fliegen und Feuer speien." Der Drache in Menschengestalt schnippte mit dem Finger und ein Schwert mit langer, roter Klinge erschien aus dem Nichts in seiner Hand. "Ich verabscheue diesen Verwandlungstrick, aber so wirst du mich nicht so einfach kontrollieren können." Onsanshen vollführte ein paar spielerische Luftschläge mit seinem Schwert, bevor er sich herausfordernd an Kagem wandte. "Was ist los? Lass uns kämpfen!"
 

"Stirb doch einfach, Bruder!", keifte Enyxanshen wütend, als er seine Klauen ein weiteres Mal im Körper Greanshens versenkte. "Die 5000 Jahre am Feuergipfel haben dir wohl nicht gut getan. Du bist langsamer geworden." "Du doch auch...", grollte der Weißdrache. "Schwachsinn! Mich führt mein Hass! Mein Hass auf dich! Mein Hass auf Kin! Mein Hass auf diesen Menschen da unten! Mein Hass auf diese verdammte Welt!!!" Enyxanshens langer Schweif schlug wie ein Vorschlaghammer auf Greanshen ein, so dass der Weißdrache davon geschleudert wurde. Enyxanshen richtete das geöffnete Maul auf seinen Bruder.

"Pfeile! Feuer!", erschallte eine magisch verstärkte Stimme. Das Sirren mehrerer Elfenbögen war zu hören, gefolgt von dem Zischen zahlloser Pfeile, die Enyxanshen überraschend sicher trafen. "Weiterfeuern!", ertönte die magische Stimme jubelnd. Es war Djin... "Helft Kagem und dem legendären Drachen!"
 

Onsanshens Miene verfinsterte sich, als er sah wie Enyxanshen unter Beschuss genommen wurde. Dann wanderte sein Blick wieder zu Kagem, der Ilashar mit Mühe aus der Erde gezogen hatte. Die beiden Krieger starrten sich kurz an, dann stürmten sie beide gleichzeitig aufeinander los. Onsanshen griff als erstes an, Kagem parierte den Schlag, doch der menschliche Rotdrache hatte solch eine Kraft, dass der Drachenherr nach hinten taumelte. Geschwächt wie er war, konnte er auch die folgenden Angriffe nur mühsam blocken. Kagem spürte wieder die Übelkeit, die ihm drohte das Bewusstsein zu rauben, sein Arm reagierte immer langsamer und schließlich traf Onsanshens Schwert seine linke Hüfte.

Kagem stolperte unter Schmerzen zurück, Blut benetzte den Boden. "Wie öde... Kin hatte wenigstens eine gewisse Klasse.", höhnte Onsanshen, während er sein Schwert mit beiden Armen über dem Kopf hielt. Instinktiv machte Kagem einen Schritt vorwärts und stieß Ilashar in Onsanshens linkes Bein. Der Drachenmensch stieß einen erschütterten Schrei aus, bevor er zurückwich und sich ungläubig die Wade befühlte. Als er sich seine Hand besah, klebte Blut daran. "Nun gut... nicht schlecht..."

Scheinbar noch motivierter als vorher, hieb er wieder auf Kagem ein, doch dieser, durch seinen Treffer ermutigt, parierte den Schlag sicher. Die beiden schlugen aufeinander ein, ihre Schwerter kreuzten sich Funken sprühend, sie blockten, parierten, hieben, stachen, schlugen und traten. Die zwei waren nach kurzer Zeit übersät von kleineren Blessuren. Doch die Drachenherrkräfte ließen Kagem schließlich erlahmen. Onsanshen kreischte triumphierend, legte all seine Kräfte in den nächsten Schlag und zerbrach Ilashar mit seinem roten Schwert. Die Drachenherrklinge zerbarst in hunderte Scherben, die wie ein feiner Regen aus Splittern auf den zu Boden gegangenen Kagem herabrieselten. "Vorbei!!!", brüllte Onsanshen siegreich.

Er trat seinem gefallenen Feind abfällig in die Brust, so dass er stöhnend ein paar Meter davon rollte. "Vorbei!!! Die Drachen siegen!!!" Für einen Moment sah man in Onsanshens Gesicht die hässliche Fratze seines Drachenkörpers. Er hob sein rotes Schwert und schritt seelenruhig auf Kagem zu. "Tja, Drachenherr..." Den Titel spie er regelrecht aus. "...es endet hier!"

"Richtig... doch nicht für mich...", keuchte Kagem. Sein Blutverlust von der Schwertwunde war extrem hoch und aus seinem Mund lief ebenfalls die rote Flüssigkeit. In einer plötzlichen Bewegung griff er in den Ärmel seines weißen Kriegermantels, zog den versteckten Dolch daraus hervor und stieß ihn mit seiner restlichen Kraft Onsanshen in die Brust. Der menschliche Drache schrie vor Schmerz und Überraschung, dann fiel er tot zu Boden. Kagem versuchte sich mehrmals aufzurichten, doch sein Körper wollte ihm nicht mehr gehorchen. Es war vorbei, er spürte Schmerz, Übelkeit, Schwindel und Bewusstlosigkeit wie eine einzige Welle auf ihn einschlagen. Es ging zu Ende...
 

Greanshen schlug wie besessen mit den Flügeln um sich in der Luft zu halten. Seine Wunden brannten und schmerzten unerträglich, während Enyxanshen trotz seiner Verletzungen und den heran fliegenden Pfeilen noch relativ sicher am Himmel schwebte. "Ich hab es dir gesagt, mein Hass führt mich!" Enyxanshen krachte mit unvorstellbarerer Wucht gegen seinen Bruder. Man hörte ein Bersten, wie als hätte sich der Weißdrache alle Knochen gebrochen. Ihm schwanden die Sinne. "Leb wohl, Bruder...", flüsterte Greanshen.

Enyxanshen lachte sein abscheuliches Lachen. "SIEG!!!" Doch plötzlich streckte Greanshen ein letztes Mal seine Klauen nach dem Rotdrachen aus und bohrte sich mit den silbernen Krallen in dessen Fleisch. Enyxanshen brüllte grauenvoll. "Was hast du vor, Greanshen?" Die blauen Augen des Weißdrachen blitzten auf. "Ich sterbe... doch dich nehme ich mit...", flüsterte er. Dann fielen die beiden Drachenbrüder ineinander verkeilt vom Himmel. Enyxanshen versuchte sich loszureißen, doch Greanshen hielt sich mit verbissener Kraft fest. Zusammen stürzten die zwei in das tiefe Loch zur Unterwelt, das wie ein Portal zur Hölle in der Erde klaffte...
 

Kagem hörte den furchtbaren Schrei Enyxanshens, eine Mischung aus Hass, Furcht, Schmerz und Qual und eine leise Stimme, die sich in seinen Kopf schlich. "Leb wohl, Meister..." Der Drachenherr spürte die unsichtbare Verbindung mit dem Weißdrachen abbrechen und zum ersten Mal seit Asyans Tod liefen ihm Tränen die Wangen herab. Es war merkwürdig, er kannte Greanshen kaum und doch spürte er bei ihm eine innere Verbundeinheit, anders als Liebe oder Freundschaft. Es war eine Art Seelenverwandtschaft.

"Meister, erschafft das Siegel... bannt meine Brüder...", flüsterte die Stimme des Weißdrachen ein letztes Mal, bevor sie für immer verstummte. Kagem quälte sich auf die Füße. Seine Hand war auf die Wunde an seiner Seite gepresst, doch das Blut sickerte unaufhaltsam zwischen den Fingern hervor. Er warf einen letzten Blick auf den toten Onsanshen und den Dolch, der in seiner Brust steckte. Er musste Jermy und Arne, den beiden Monsterjägern von Bor für die Waffe danken...

Schließlich stolperte Kagem zu dem Rand des Unterweltportals. Hitzige Luft und grausame, durchsichtige Schatten drangen von unten herauf und mehrmals hatte Kagem das Gefühl, dass rot glühende Augen versuchten aus dem Loch zu kriechen. "Schluss... aus... Ende... vorbei...", keuchte er schwer atmend. Er riss beide Arme hoch über den Kopf, weißes Licht entflammte ein allerletztes Mal und Kagem schrie befreit. Er schrie alles raus, die Trauer, den Schmerz und die Qual, er schrie über Asyans Tod, schrie über die Zerstörung seines Dorfes, über Icens Tod, über Greanshens Opfer, über den Abschied von Sierrana und die grausame Gewissheit, dass er hier und jetzt sterben musste. Alles gebündelt in einem einzigen langen Schrei.

Kagem bemerkte gar nicht, wie der Boden unter seinen Füßen zu beben begann und sich die tiefe Schlucht zur Unterwelt langsam verschloss und versiegelte. Das Rumpeln verstummte, hinterließ keine Spur in der Grassteppe, die darauf hinwies, dass dort ein finster klaffendes Loch gewesen war. Dann war es still...

Auf den Mauern Utopions herrschte ein bedrückendes Schweigen. Kein Geräusch war zu hören, die Brände und Schreie in der Stadt waren erloschen. Kagems Sinne schwanden, so dass seine Umgebung zu einem undurchsichtigen Wirbel aus Farben zusammenschmolz. Der junge Krieger stolperte ein paar Schritte, bevor er kraftlos zu Boden fiel. "Heiler! Schnell, rettet ihn!" Der magisch verstärkte Schrei Djins drang nur gedämpft an Kagems Ohr. Der Schwertkämpfer lächelte gequält, wissend, dass kein Heiler ihm helfen konnte. Dann stürzte er zu Boden und seine Augen schlossen sich.

Kagems Lebenslicht erlosch...
 

"Da ist Utopion!", riefen die Zwergenbrüder gleichzeitig. "Aber wo sind die Drachen? Und die Schlacht? Wir... wir sind zu spät...", stellte Gimpf entsetzt fest. Die sieben Gefährten auf ihren Mago segelten ruhig immer tiefer auf den Erdboden zu. Gleichzeitig öffneten sich die Tore Utopions und eine Gestalt eilte scheinbar auf die Gefährten zu, dicht gefolgt von Engeln und weiß gekleideten Magiern. Sierranas magischer Greif Sternengold landete als erster, doch die Konzentration der Ain war vollkommen auf eine Person gerichtet, die regungslos einige Meter entfernt dalag. Kagem...

Auch die restlichen Gefährten entdeckten der Reihe nach ihren Kameraden. Sierrana rannte ohne auf sie zu achten los, ihre Augen füllten sich mit neuen Tränen. "Kagem! Kagem!" Sie ließ sich direkt vor dem Schwertkämpfer auf die Knie fallen und berührte seine Wange. Sein Gesicht war blass und kalt, die Augen geschlossen, keine Atmung...

"Nein! NEIN!", schrie sie unter erstickten Schluchzern, während ihre Hände blau glühten und die Aura in Kagems Körper leitete. Doch die Heilkräfte wirkten nicht. Er war tot.

"Nein!" Ihr Kopf sank verzweifelt auf seine Brust und sie zitterte unter ihren Schluchzern. "Zu spät...", murmelte Gimpf, der mit den anderen Gefährten hinter der weinenden Ain stand. Der Zwerg kniff wütend die Augen zusammen, doch er konnte seine Tränen nicht mehr zurückhalten. Auch Risae, Zasion und Pimpf weinten um ihren gefallenen Kameraden. Während Xiantas ein heiliges Gebet an den Gott des Waldes schickte, konnte man selbst in den kalten Augen Ladrons ein wenig Trauer deuten.

Es dauerte nicht lange, da hatte die Truppe von Utopion auch zu ihnen aufgeschlossen. Die Gefährten erkannten sofort die Gestalt, die vorneweg lief. Es war Djin. Das Oberhaupt des Weisenrates von Ciina trug ihren weißen Stirnreif mit einem eingelassenen blauen Edelstein in der Mitte. Ihre traditionelle blau-weiße Robe schimmerte im Sonnenlicht, während ihre langen braunen Haare leicht im Wind wehten.

"Djin?", fragte Risae fassungslos. Die Weise nickte, mindestens genauso überrascht. "Wie kommst du hier her?" Djin wollte wahrscheinlich zu einer Antwort ansetzen, doch verwarf sie sofort wieder und deutete stattdessen auf Kagem. "Keine Zeit! Wir müssen ihn heilen, bevor..." "Er ist schon tot!", unterbrach Sierrana schluchzend, ohne ihren Kopf von Kagems Brust zu nehmen.

Djins Augen weiteten sich entsetzt. Nach langem Schweigen musterte sie die Gruppe. "Wer sind diese beiden?" Sie deutete auf Zasion und Ladron. "Und wo ist Icen? Ich-" Sie stockte ein weiteres Mal, als sie die unglaublich traurigen Gesichter der Gefährten sah. "Ich...verstehe...", brachte sie heiser hervor. "Was ist passiert?"

Xiantas, der von allen noch am meisten gefasst war, schilderte wie Icen im Götterturm gestorben war um die anderen zu retten. Zasion erwähnte er erstmal nicht. "Aber wie kommst du hierher?", fragte der Zentaur nach dem Ende seines Berichtes.

"Der Turm des Erzmagiers Gab erschien vor kurzem direkt bei Ciina. Der Erzmagier suchte nach Personen, die würdig waren Utopions Krieger zu führen. Der Zentaurenkönig ist auch da. Und der Herrscher der Aviore: Signa. Und Federnors Bruder, der neue Stadtverwalter Angelians. Der Erzmagier sammelte uns auf und konnte sie durch einen kleinen Trick hier abladen. Er musste die Regeln des magischen Turmes ganz schön strapazieren." Djin warf einen traurigen Blick auf Kagem. "Was ist passiert? Warum war Kagem so mächtig. Er sagte er sei der Drachenherr und da war noch der weiße Drache..."

Xiantas nickte und schüttelte im nächsten Moment den Kopf. "Es ist eine lange Geschichte. Wir sollten sie nicht hier erzählen." Djin nickte und wandte sich an die Heiler, die sie begleitet hatten. "Tragt diesen Krieger. Er hat uns alle gerettet und verdient ein würdiges Begräbnis in der Stadt." Vier stämmige Engel nickten zustimmend und schritten herüber zu Kagems Leichnam, doch Sierrana ließ nicht zu, dass sie ihn auch nur irgendwie berührten. "Nein... nehmt ihn mir nicht weg...", flüsterte sie verzweifelt. Zasion legte der Ain eine Hand auf die Schulter, doch Sierrana schlug auch diese weg. "Geh weg! Geh einfach weg! Ohne dich würde er noch leben!", schrie sie schrill und als sie sich umdrehte, war in ihrem Tränen verschmierten Gesicht Wut zu erkennen.

Zasion ließ seinen Kopf hängen. "Ich weiß...", murmelte er reuig. "...doch ich weiß wie ich wiedergutmachen kann." Die Ain hörte überrascht auf zu weinen, während die vier Engel erschreckte Mienen aufsetzten. Zasion lächelte traurig. "Es gibt einen Heilzauber, der nur reinblütigen Engel vorbehalten ist..." Die vier Engel sahen sich in ihrer Vermutung bestätigt und schüttelten heftig die Köpfe.

"Tu es nicht! Es ist verboten!" "Was kümmert mich das Verbot? Wegen mir ist er gestorben, ich habe keine Wahl... Sierrana, geh zur Seite..." Die Ain stolperte tatsächlich ein bis zwei Schritte von Kagem weg, zu verwirrt um sich diesem Befehl zu verweigern.

Zasion kniete sich neben den Leichnam des Schwertkämpfers, die Arme an seine eigene Brust gedrückt. Er sprach unverständliche Worte in der Sprache der Engel, wiederholte sie wie bei einem Singsang, bis sein Hände glühten. Er nahm sie von der Brust und eine kleine weiße Kugel schien aus seinem Körper aufzutauchen. Zasion hielt sie mit seinen Händen, sein Atem ging plötzlich sehr unregelmäßig, und führte die Kugel langsam zu Kagem, wo sie in seine Brust einzutauchen schien, solange bis sie völlig verschwunden war.

Zasion der Reisende stieß scharf die Luft aus, während im ersten Augenblick sonst gar nichts geschah. Doch dann, zum Erstaunen aller, hustete Kagem plötzlich und öffnete die Augen...

"K...Kagem?...Wie?", stotterte Sierrana. Der Schwertkämpfer richtete sich stöhnend auf und schaute sich um. "Sierrana? Was machst du hier? Wie kommst du hierher?" Er besah sich seine linke Handfläche. "Warum lebe ich noch?"

"Es ist ein Zauber. Er holt Tote zurück ins Leben...", erklärte Zasion keuchend. Sierranas Gesicht hellte sich bei diesen Worten so plötzlich auf, dass sie wie eine völlig andere Person aussah. "Du lebst! Du lebst!" Die Ain schlang ihre Arme um Kagems Hals und küsste ihn stürmisch. Kagem, gerade erst ins Leben zurückgekehrt und noch ein wenig perplex, erwiderte den Kuss leicht. Djin beobachtete die Szene überrascht, aber auch ein wenig amüsiert. "Wann haben sich die beiden denn gefunden?"

Als sich Sierrana wieder von Kagem löste, trug sie ein strahlendes Lächeln auf dem Gesicht. Kagem strich ihr die Tränen, die jetzt vor Freude ihre Wangen herab liefen, weg. "Warum weinst du denn?", meinte er lächelnd. "Du Idiot...", brummte die Ain mit gespieltem Ernst. "Immer das gleiche mit dir. Stürze dich niemals wieder so rücksichtslos in die Gefahr." "Versprochen... nie mehr..." Kagem rappelte sich auf und reichte Sierrana eine Hand, um ihr beim Aufstehen zu helfen. Die Ain nahm sie dankend an und stand ebenfalls auf.

Gerade als Die Gefährten, Djin und ihre Männer nach Utopion laufen wollten, hielt sich Zasion gequält die Brust, sein Gesicht war aschgrau. Dann fiel er kraftlos zu Boden. "ZASION?!"
 

Zasion der Reisende starb noch bevor sein Körper den Boden berührte. Der Engel hatte den verbotenen Zauber der Totenerweckung eingesetzt, doch um das Lebenslicht eines Verstorbenen wieder zum Brennen zu bringen, muss man sein eigenes dafür hergeben. Zasion hatte sich für Kagem geopfert.

Der Engel wurde am nächsten Tag als einer der großen Helden, die die Drachen besiegt hatten, begraben. Niemand, außer den Gefährten und Djin, wusste davon, dass Zasion eigentlich fast die ganze Aufgabe zum scheitern gebracht hätte. Es war eine Geschichte, die man ihm verziehen und vergessen hatte und die für immer ihr Geheimnis bleiben sollte. Tage nach Zasions zeremonieller Beifügung in die Gräber der großen Krieger, feierte schier die ganze Welt den Sieg über die Drachen. In jeder Stadt wurden berauschende Feste abgehalten, Lieder wurden gesungen, es gab Getränke und Speisen für jedermann und Utopion verlieh jedem der Gefährten ,den Orden des Mago', die größte Auszeichnung, die einem Wesen verliehen werden konnte.
 

Man sagt, dass seit jenen Tagen die Völker und Rassen der Welt ihre Umgebung mit anderen Augen betrachteten. Man sagt sie sahen seitdem jeden Tag, jede Stunde und sogar jede Minute in ihrer friedlichen Welt als Geschenk an, einfach weil sie verstanden, dass genau dies nicht selbstverständlich war...

Und selbst wenn das Siegel der Unterwelt in 5000 Jahren wieder erlöscht und selbst wenn die Rotdrachen dann immer noch leben, werden die Völker dieser Rasse wieder für diese Welt kämpfen.

Damit dreht sich das endlose Rad der Zeit...
 

Wir leben in einer Welt...

in der Magie an der Tagesordnung steht...

In einer Zeit...

in der glorreiche Helden mit dem Schwert für Gerechtigkeit kämpfen...

Meist auch mit Erfolg...

Doch es wird die Zeit kommen...

In der riesige Feuerwesen das Land überfluten...

Und die ganze Welt in lodernde Flammen stürzen wird...

Keiner wird diesem Schicksal entgehen können...

Was danach geschah

Epilog - Was danach geschah
 

Die Tage in Utopion verflogen nach dem Sieg über die Drachen in rauschenden Festen, eines prächtiger als das andere. Doch nach und nach mussten die Gefährten einsehen, dass jeder von ihnen nun bald ihre eigenen Wege gehen würde.
 

Als erstes verabschiedete sich Ladron. Er verschwand eines Nachts einfach aus seinem Zimmer und hinterließ nur eine kleine Nachricht:

Lebt wohl, ihr Deppen. Mich hält hier nichts mehr...

Der Dieb wanderte lange ziellos umher, bis ihn ein Wink des Schicksals wieder nach Bor führte. Er half den Überlebenden Bewohnern die Stadt erneut aufzubauen, bevor er sich in eines der kleineren Häuser einnistete. Bald hallten wieder die "DIEB! DIEB!" Rufe durch die Straßen von Neu-Bor.
 

Xiantas zog es zusammen mit dem Zentaurenkönig zurück in seine Heimat. Sie kamen nach einer langen Reise im Grünblattwald an, der sich bereits gut von der damaligen Verwüstung der Dhrakons erholt hatte. Für den Zentaurenkönig stand fest, dass Xiantas von all seinen kämpferischen Pflichten entlassen war, doch der alte Krieger folgte immer wieder dem Ruf der Schlacht, besonders bei den Kämpfen gegen einzelne versprengte Gruppen von Dhrakons. Seinen Schwur nicht zu töten hat er niemals gebrochen...
 

Gimpf und Pimpf, von den vielen Abenteuern erschöpft, doch gleichzeitig unglaublich stolz, traten ihre Rückreise in den Hohen Norden an. In dem warmen Höhlensystem unterhalb der Berge wurden die beiden Zwerge bereits mit warmen Braten erwartet.

Die Erlebnisse der Brüder waren natürlich bis hierher gedrungen, doch sie versäumten es niemals in einer Kneipe, auf Wunsch ihre gefahrvollen Abenteuer erneut zu erzählen, auch wenn sie bei jeder Version einige wenige Kuriositäten hinzufügten.
 

Die lange Reise mit den Gefährten hatte Risae gezeigt, wie wenig sie eigentlich über die Welt und ihre Bewohner wusste. Daher beschloss das Mädchen ein ähnliches Leben wie das Zasions anzutreten. Sie wanderte durch die Reiche der Aviore, Engeln, Menschen, Zwergen oder Zentauren und war bereits nach kurzer Zeit in jeder Stadt ein gerngesehener Gast.

Risae erzählte dann den Kindern Geschichten von den Wundern der Welt oder handelte teilweise mit seltenen Waren, um ihre Reisen zu finanzieren. Später erzählte man sich, sie habe mehr von der Welt gesehen als jeder andere, und ihre selbst gezeichnete Weltkarte wurde bald in fast jedem Haushalt verwendet.
 

Sierrana und Kagem blieben als einziges in Utopion zurück. Beide wussten nicht richtig, wo sie hätten hingehen können, Kagems Dorf war zerstört, während Sierrana auch nicht nach Angelians zurückkehren wollte. Letztendlich ließen sich die beiden in Ciina nieder. Die zwei bewohnten ein schönes Haus am Stadtrand, von wo aus Kagem seinem wieder aufgenommenen Beruf als Monsterjäger nachgehen konnte, während Sierrana als Heilkundige beliebt wurde.

Die beiden führten ein glückliches Leben und heirateten zwei Jahre später, getraut von der Weisen Djin höchstpersönlich.
 

Von Zasion zu berichten fällt schwer. Es gibt viele Vermutungen und Spekulationen, was nach dem Tod mit ihm geschah, doch die bisher am weitesten verbreitete Version ist, dass die Götter dem Engel durch seine selbstlose Tat verziehen haben und ihm ein Leben nach dem Tod schenkten. Beweis dafür ist, dass immer mehr Menschen ein Vision vom Gott des Vergebens und Handelns gesehen haben wollen, bei der er von einem stämmigen silberhaarigen Engel begleitet wurde...
 

Als letztes fehlt natürlich der Magier Icen. Es wurde ein Expeditionsteam von Utopion losgeschickt, die Icens Leichnam identifizieren sollten. Doch im Götterturm fand man nur seinen Stab und das zersplitterte Amulett der Weisen. Icen selbst blieb verschwunden.

Seit diesem Augenblick an wird an der Tafel der Elementarmagier Ciinas immer ein Platz frei gelassen, für den Fall, dass Icen eines Tages in ihre Reihen zurückkehrt...
 

-----------
 

So, damit endet die Geschichte Drachenbrut. Es hat mir riesigen Spaß gemacht an dieser Geschichte zu arbeiten und ich habe mir bereits fest vorgenommen eine weitere eigene Geschichte zu schreiben. Daher würde ich mich freuen, wenn ihr mir ein abschließendes Kommentar schreiben würdet. Was euch besonders gefallen hat oder was ich in meiner nächsten Geschichte noch besser machen könnte, etc.
 

Perro



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Kommentare zu dieser Fanfic (61)
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Von: abgemeldet
2007-08-28T16:55:04+00:00 28.08.2007 18:55
hi^^
deine ff war einfach hammer.
Ich hätte Icen, der wahrscheinlich jetzt nicht tod war, am ende Riase trefen lassen. Ich könnte mir gut vorstellen, das die ein paar werden hätten können. Egal jetzt.
Sonst war alles einfach klasse.
Du schreibst echt supi.
Freue mich auf deine neue ff^^
bis dann bb
Von: abgemeldet
2007-08-28T13:23:40+00:00 28.08.2007 15:23
hi
oh man nicht Icen den fand ich am besten und ich hab gehofft das er und Risae vvlt mal zu samen kommen *schmoll*
Na ja was solls
Trotzdem ist deine ff einfach hammer geil^^
bb
Von: abgemeldet
2007-08-27T20:50:50+00:00 27.08.2007 22:50
jap das war ein echt hammer Kapi.
Süß ein Halbengel^^
bb
Von: abgemeldet
2007-08-27T20:38:11+00:00 27.08.2007 22:38
hiui
spannend echt spannend
ich hab nichts zu krtisieren und das ist auch gut so.
Aber mich interssiert es was Risae zu ihm noch sagen wollte, doch leider wurden sie unterbrochen *schmoll*
Ach was solls vllt erfahre ich es später und Kagem auch *g*
bb^^

Von: abgemeldet
2007-08-27T20:19:06+00:00 27.08.2007 22:19
hi
wieder echt hammer^^
Jetzt sind es drei die nach Ciina
oder so gehen.
*g*
bb

Von: abgemeldet
2007-08-27T19:57:39+00:00 27.08.2007 21:57
hi
das kapi ist echt spannend und hammer ^^
Will mehr, deswegen les ich jetzt gleich weiter.
Zu kritisieren gibt es nicht, da es ja so super ist.
bb
Von: abgemeldet
2007-08-27T19:09:48+00:00 27.08.2007 21:09
Ohaiyo
Deine ff ist echt super,
deswegen lese ich gleich mal weiter^^
bb
Von: abgemeldet
2007-08-27T19:08:47+00:00 27.08.2007 21:08
hi
das ist echt ein hammer kapi^^
du schreibst echt gut und mit viel fantasie.
bb ^^
Von: abgemeldet
2005-07-24T20:38:13+00:00 24.07.2005 22:38
Wah! Wie absolut geil! Ich hätte einmal sogar wirklich fast angefangen zu heulen, als Kagem sich von Sierrana verabschiedet hat und dann lief bei mir im Hintergrund auch noch das Titellied von Titanic. Wie unglaublich passend XD.
Eins hätte ich zu bemängeln: Drachen sind gute Wesen *heul*
Warum stellen die meisten Autoren sie als böse Wesen da? Unfair -.-
Aber wenigstens war Greanshen gut.
Ich als Drachenfreund finde die Story trotzdem atemberaubend und nicht vorraussehbar.
Ein riesen Lob und ich werd mich jetzt mal an deine nächste Story machen.
bye
Elayne
Von: abgemeldet
2004-07-28T10:33:32+00:00 28.07.2004 12:33
ach ja!! ein happy end! ^-^
dein glück! hättest du kagem genau wie dafem sterben lassen, wär ich dir an den kragen gegangen!
ich finde aber du hättest etwas näher auf die anderen charas eingehen können. mir is eigentlich immer noch nich ganz klar, warum z.b. die zwerge mit in der legende standen...ham ja eigentlich nich viel gamacht...
naja..also diese story hier kann zwar mit krone der finsternis nich mithalten, aber sie is trotzdem schön zu lesen und ich würd sie jedem weiterempfehlen!


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