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business as usual

Die Hungerspiele des Lynn Irving
von

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1. The Prophet

Lyssa Makrams Gesicht war seit jeher ein guter Indikator für das Arenawetter der bevorstehenden Hungerspiele. Das Beste daran, so befand Yara Ivry, war der Fakt, dass die gute, alte Lyssa es nicht einmal bemerkte. Das hatte sie schon bei Yaras Hungerspielen nicht und vermutlich würde sie es auch nicht mehr lernen.

Dazu fehlten der Fünfzigjährigen Phantasie und Sarkasmus – zwei Dinge, von denen Yara mehr als genug besaß. Vermutlich verwunderte es dementsprechend niemanden, dass die Siegerin der 66. Hungerspiele Bürgermeisterin Irvings dröge Rede damit verbrachte, die Frau neben sich zu mustern und in den Schweißtropfen auf ihrer Stirn zu lesen wie andere Leute in Kaffeesatz. Vielleicht, so beschloss Yara, versprach sie eine Eiswüste. Irgendeinen Ort, an dem Lyssa nicht schwitzen würde, wenn man sie dorthin verbannte, auch wenn das niemand tun würde. Immerhin: Alle liebten Lyssa Makram.

Wegen des Unterhaltungsfaktors, natürlich, nicht wegen ihres Charakters, denn sie hatte keinen.

Mit einer Art morbiden Faszination beobachtete Yara, wie das Make-Up der Frau langsam den Kampf gegen die Hitze verlor. Das der Sommer in Distrikt 4 aber auch immer so unvermittelt kommen musste!

Vermutlich konnten selbst die Zwölfjährigen in der hintersten Reihe Lyssa dabei beobachten, wie ihr langsam die Farbe vom Gesicht lief. Vornehmlich, weil ihr Gesicht auf die großen Leinwände übertragen wurde, die ein paar arme Avox vor der Ernte auf dem Marktplatz aufgestellt hatten, und nicht nur Yara eine kranke Art von Humor hatte, sondern auch das Kamerateam.

Die Kameras jedenfalls fingen jedes Detail ein. Die Schweißperlen, die durch die zentimeterdicke Schicht an Chemie drangen, der ungesund-graue Hautton, der unter dem fleckigen Make-Up zum Vorschein kam, und die blauen Striche, die die neonblaue Perücke überall dort hinterließ, wo ein paar ihrer Haare die nasse Stirn berührten.
 

Yara Ivrys Augen atmeten förmlich erleichtert auf, als die Bürgermeisterin dazu überging, die Gewinner ihres Distrikts zu verlesen. Es war eine lange Liste. Neunundsechzig Hungerspiele hatten eine ganze Reihe von siegreichen Tributen hervorgebracht, eine Reihe, die mit der guten, alten Mags begann und mit den Namen Finnick Odair und Yara Ivry endete.

Die Kameraführung folgte der Dramaturgie. Kurz tauchte Mags Gesicht auf den Leinwänden auf, gefolgt von denen der anderen anwesenden Gewinnern. Alle bekamen ihren eigenen Shot, stellte Yara misslaunig fest. Alle, bis auf die letzten Beiden. Pragmatiker und simplere Gemüter hätten vielleicht geantwortet, dass es einfach daran lag, dass sie die beiden Mentoren der diesjährigen Spiele waren und nebeneinander auf dem Podest saßen und gedankenverloren Händchen hielten, aber Yara wusste es besser.

Ein paar hochrangige Leute aus dem Kapitol mochten sie. Zusammen.

Die Gründe dafür variierten, aber Yara konnte sie sehen, als sie ihre Leinwand-Ebenbilder skeptisch beäugte. Die Leinwand-Yara äugte skeptisch zurück, hielt den Leinwand-Finnick aber genauso wenig davon ab, sachte mit dem Daumen über ihren Handrücken zu streicheln und in die Kamera zu strahlen, wie die echte.

Die Finger von Yaras freier, rechter Hand klammerten sich fester an die Armlehne ihres Stuhls. Ihr Lächeln war so echt, wie Lyssa Makrams jugendliches Äußeres. Finnick und sie mochten gleich alt und Sieger konsekutiver Spiele sein, ihre Gemeinsamkeiten endeten an diesem Punkt. Finnick sah umwerfend aus, Yara nur durchschnittlich. Ihre dunkle Haut gehörte in Distrikt 4 zu den Raritäten, seine bronzefarbenen Haare und grünen Augen zum Standard. Seine gute Laune war ansteckend, ihre finstere Miene verschreckte höchstens kleine Kinder.

Nein, nein, eigentlich war sie Lyssa Makram ähnlicher, als dem Jungen, der ihr als Mentor in ihren Spielen zur Seite gestanden hatte. Auf eine verschrobene Art und Weise war sie genauso exotisch, wie die Frau aus dem Kapitol. Glücklicherweise hatte sie, im Gegensatz zu Lyssa, ein funktionierendes Gehirn. Sonst hätte sie jetzt wohl auch ausgesehen wie ein Fisch.

Und niemand konnte verleugnen, dass Lyssa Makram mit jeder Ernte mehr aussah, wie ein Fisch. Ein Kugelfisch, wie manche Schüler an der Akademie – und nicht zuletzt Yara selbst – unkten. Der Eindruck verstärkte sich zunehmend, als sich Lyssa schließlich von ihrem Sitz erhob und umständlich hinüber zu den beiden Glaskugeln watschelte. Ihr blaues Paillettenkleid jedenfalls unterstrich die Kugelform auf unvorteilhafte Weise und ließ ihre Beine wie eine besonders unförmige Flosse wirken. Die blaue Perücke, die auf ihrem Kopf waberte wie seltsam angelaufener Seetang, machten das Bild perfekt.

Jeder sah das, da war sich Yara sicher. Jeder, nicht nur Yara selbst, die unverhohlen darüber grinste, sondern auch die Erwachsenen auf den Publikumsrängen, die Achtzehnjährigen in der ersten Reihe, die jüngeren Kinder dahinter und nicht zuletzt Finnick Odair, der sich jede Mühe gab, seine Schadenfreude nicht zu zeigen und den nur der kaum merklich zitternde Daumen auf ihrem Handrücken verriet. Die einzige Person, die herrlich unwissend war, war augenscheinlich Lyssa Makram selbst. Entweder das oder sie war eine herausragende Schauspielerin, aber Yara glaubte nicht daran. Immerhin lernten alte Karpfen keine neuen Tricks.
 

„Fröhliche Hungerspiele!“, verkündete Lyssa in ihrem üblichen, viel zu hohen Singsang, als sie die Glaskugeln mit ihren Tippelschrittchen endlich erreichte. „Und möge das Glück stets mit euch sein! Meine lieben Bewohner von Distrikt 4! Ich freue mich so sehr, endlich wieder bei euch zu sein!“

Lügnerin, dachte Yara schadenfroh.

Noch während Lyssa sprach, übertrugen unzählige Kameras ihre leicht gerümpfte Nase in ganz Panem. Nicht, dass irgendwer in Distrikt 4 die gerümpfte Nase hätte sehen müssen, um zu wissen, was sie von ihrem Distrikt dachte. Es war ein offenes Geheimnis, dass Lyssa Makram zwar gerne Fisch aß, ihn allerdings nicht gerne roch. Und gerade jetzt im Sommer trugen die wenigen, schwachen Meeresbrisen das ganz eigene Parfum der Fischfabriken aus den Südvierteln weit in den Distrikt, wo es blieb bis weit in den Herbst.

„Ich hoffe, ihr seid so gespannt, wie ich es bin!“, fuhr Lyssa fort, sich anscheinend nicht bewusst, dass Yara genau auf diesen Satz gewartet hatte – um suggestiv in die Kameras zu gähnen. „Jetzt werden wir die beiden mutigen Tribute küren, die Distrikt 4 bei den diesjährigen Hungerspielen vertreten werden! Kommen wir zuerst zu den Damen!“

Unter den wachsamen Augen des gesamten Distrikts ließ Lyssa ihre Hand, die ausnahmsweise weniger an einen Fisch als vielmehr an einen Kraken erinnerte, in die Glaskugel zu ihrer Rechten sinken. Die Finger schlossen sich um eine Handvoll Zettel wie fünf unförmige Tentakel, öffneten sich wieder und verschwanden zwischen tausenden von Losen. Einen Moment lang wühlte sie zwischen den Zetteln herum. Die meisten davon gehörten zweifellos den Schülern der Akademie – nicht erst seit Yaras Zeiten hatten geloste Kandidaten Vorrang. Für manch einen war das Sammeln von Tesserae eine Art Hobby. Hatte Yara zumindest gehört.
 

Endlich zog Lyssa das Los ihrer Wahl hervor. Dann … ließ sie sich Zeit. So viel, dass es aufhörte dramatisch zu sein. Es wirkte einfach nur noch lächerlich. Genauso, wie die Sorgfalt, mit der ihre plumpen Finger das Papier auseinander falteten und ihre Augen über die Schrift huschten.

„Und das Los fällt auf … Annie Cresta! Annie, komm zu mir Liebling!“

Annie Cresta war definitiv nicht Lyssa Makrams Liebling. Dennoch folgte sie die er Aufforderung.

Die Kameras fanden sie in der Reihe der Achtzehnjährigen, gerade, als sie sich in Bewegung setzte. Keinen Augenblick später übertrugen die Kameras ihren Weg auf das Podest hochauflösend in ganz Panem. Yara hätte auf das hochauflösend verzichten können. Von ihrem Platz aus konnte sie Annie Cresta sehen und ganz ehrlich: Der Anblick genügte ihr vollkommen. Sie musste wirklich nicht auch noch die Schweißtröpfchen zählen können, die auf der Stirn des Mädchens glänzten, oder die letzten Pickel der Pubertät. Theoretisch hätte sie es – mit einem Blick auf die Leinwand – trotzdem tun können. Doch Yara war schlicht nicht interessiert.

Vermutlich ergoss sich Caesar Flickerman, der sicher gerade die Live-Ausstrahlung im Kapitol kommentierte, gerade darüber, was für ein außergewöhnlicher Tribut diese Annie Cresta doch war. Yara war froh, das Geseiere nicht hören zu müssen. Fakt war: In ihren Augen war Annie Cresta nicht außergewöhnlicher, als die neunundsechzig weiblichen Distrikt 4-Tribute vor ihr, Yara eingeschlossen. Tatsächlich stach sie mit ihren braunen, welligen Haaren und dem runden Gesicht absolut nicht heraus. Es hatte schon größere Tribute gegeben und kleinere. Muskulösere. Exotischere. Hübschere. Das Einzige, das tatsächlich auffallend hübsch an ihr war, waren ihre Augen, die in diesem Moment niemand sah. Die Kamera fixierte sich lieber auf Annies zufriedenes Lächeln.

Vermutlich waren Finnick und sie, Yara, die einzigen, denen das Lächeln auf der Leinwand gepflegt den Rücken herunterrutschen konnte. Sie kannten Annie beide, aus der Akademie. Während das Publikum Annie beobachtete, wie sie zu Lyssa Makram aufs Podest stieg, nutzte Finnick die Gelegenheit, sich zu ihr hinüber zu lehnen. Für das Kapitol zweifellos eine vertrauensvolle Geste, sollte zumindest ein Kameramann geistesgegenwärtig genug sein, den Augenblick einzufangen, für sie nicht mehr, als eine Gelegenheit um Informationen auszutauschen. Nur um sicher zu gehen, beugte auch sie sich näher. Kurz suchte Yara seinen Blick.

„Was denkst du?“, fragte sie leise.

Zur Antwort lächelte Finnick. Es war ein Lächeln, von dem nicht viele Menschen sagen konnten, wie zweideutig es tatsächlich war. Dennoch gehörte Yara dazu. Vier, bald fünf gemeinsame Hungerspiele machten das aus einem.

„Sie ist ein nettes Mädchen. Hübsch. Selbstbewusst. Es ist ihr letztes Jahr.“

Yara nickte unmerklich. Sie dachten das gleiche.

„Du?“

„Sie macht einen Fehler“, erwiderte Yara. Sie hörte Lyssa Makrams Stimme, die nach Freiwilligen fragte und blendete sie genauso aus wie Annies Anwort. Yara kannte die Worte, hatte vor ein paar Jahren etwas sehr ähnliches gesagt. Ich nehme die Wahl an, ich will keine Freiwilligen, blah, blah.

Finnick schwieg für einen Moment. Vielleicht erinnerte er sich an seine eigene Ernte und seine eigene Antwort.

„Das kannst du über uns alle sagen“, murmelte er schließlich.

„Ich weiß.“

Längst spürte sie den finsteren Blick, der auf ihr ruhte. Noch so etwas, das sie ihren Spielen und diesen drei verdammten Wochen in diesem verdammten Career-Haufen verdankte: Sie spürte es, wenn man sie beobachtete. Vielleicht war es auch nur eine ungesunde Portion Paranoia, aber es funktionierte. Unter anderem jetzt. Sie wusste, dass Lyssa Makram längst bemerkt hatte, dass sie nicht die Aufmerksamkeit des gesamten Publikums hatte, und sie wusste auch, dass Lyssa das gegen den Strich ging. Und während man einige, auserwählte Katzen gegen den Strich streicheln konnte, war Lyssa ein anderes Kaliber. Yara schenkte Finnick ein sehr zweideutiges Lächeln, dann hob sie den Kopf und überbrückte das letzte bisschen Distanz zwischen ihnen. Ihre Lippen fühlten sich im Vergleich zu den seinen furchtbar spröde an, als sie sich berührten. Es kümmerte sie nicht. Finnicks Daumen strich über ihre Hand und zitterte nicht. Dieser Moment gehörte ihnen und es gab nichts, was das Kapitol dagegen tun konnte.
 

Erst als sie Lyssas überdeutliches Räuspern hörten, lösten sie sich von einander und schauten nach vorn. Mittlerweile starrte nicht nur Lyssa Makram – sie hatten die Aufmerksamkeit ganz Panems. Yara quittierte die peinliche Stille mit einem entschuldigenden Lächeln und einem Zwinkern. In Richtung der Kameras, nicht in Lyssas. Erst dann sah sie zu der Frau, unter deren fleckigem Make-Up sich eine unschöne Zornesröte abzeichnete.

„Entschuldigung“, hörte Yara Finnick mit falschem Bedauern und genauso falschem suggestivem Unterton in der Stimme sagen, „wir dachten, wir seien unbeobachtet.“

„Ja“, fiel Yara mit ein, „dabei sind wir so gespannt darauf, wen wir dieses Jahr in die Arena schicken! Wer ist der Junge?“

Erneut spürte sie Finnicks Daumen auf ihrer Haut, dieses mal mit warnendem Druck. Die Geste war nicht nötig – Yara hatte gesagt, was sie sagen wollte und Lyssa hatte sie ganz offensichtlich nicht verstanden. Statt sich über Yaras Tonfall zu beschweren, schien sie sich tatsächlich an ihre Aufgabe zu erinnern.

„Oh, richtig! Kommen wir zu unseren Gentlemen!“

Lyssa ließ eine leicht überfordert wirkende Annie Cresta stehen und watschelte hinüber zu der anderen Glaskugel. Dieses Mal machte sie keine große Show daraus, welches Los sie wählte. Vielleicht, weil ihr die Ernte längst zum Halse heraushing. Etwas, das Yara verstehen konnte. Sie wollte nach einer erfolgreichen Ernte auch immer kotzen.

Dieses Mal pflückte Lyssa einfach das Los, das ganz obenauf lag, und entfaltete es rasch. Kein großes Tamtam, keine besondere Vorsicht. Nur der Wille, die blöde Nummer hinter sich und die noch blödere Siegerin der 66. Hungerspiele von der Bühne und aus ihrem Blickfeld zu kriegen.

„Und unser glücklicher Tribut ist … Kyle Moss!“

Yara kannte den Namen des Jungen … nicht.

Für einen Moment, in dem jeder nach dem Auserwählten suchte, war es still. Dann löste sich eine Gestalt aus der Gruppe der Dreizehnjährigen und das Tuscheln begann. Ein Blick genügte Yara, um eins zu wissen: Der Junge war kein Career und er wollte auch keiner sein. Seine Statur war zu mickrig für einen Schüler der Akademie, seine Haut zu blass. Für einen Moment fühlte Yara sich, wie sich die Bewohner ärmerer Distrikte jedes Jahr fühlen mussten, bis sie sich daran erinnerte, dass sie hier Distrikt 4 war. Sie konnte darauf wetten, dass sich die älteren Jungen um seinen Platz reißen würden, kaum das er das Podium betrat.

Überraschenderweise hätte sie diese Wette verloren, wäre sie sie eingegangen.

Kyle kam nicht bis zum Podium. Bereits auf seinem Weg, vorbei an der Reihe der Achtzehnjährigen, griff ihn jemand bei der Schulter. Die Kameras übertrugen den Moment nicht nur in ganz Panem, sondern auch auf die Leinwände und ausnahmsweise war Yara froh darüber, denn so bekam sie ein hochauflösendes Close-Up des Jungen, dem die Hand gehörte. Sie kannte ihn. Jeder in Distrikt 4 kannte ihn. Ihn, seine ungewöhnlich grauen Augen und blonden Haare und sein wirklich charismatisches Lächeln.

Yara umklammerte Finnicks Hand etwas fester, denn es war alles, was sie tun konnte, um sich davon abzuhalten auf der Stelle laut zu würgen.

„Ich glaube nicht, dass du da hochgehen musst“, sagte der Achtzehnjährige und seine Stimme hallte über die Anwesende Menge hinweg. Vermutlich war das ein technischer Trick des Technikteams. „Ich melde mich freiwillig.“

Alle schwiegen. Die Bürgermeisterin wurde so blass, wie es nur eine Gewinnerin der Hungerspiele im Angesicht des Kapitols werden konnte. Selbst Lyssa Makram rang für einen Moment um Worte.

„Aber da- das ist gegen das Protokoll!“

Den Blick, den er ihr zuwarf, sah ganz Panem.

„Ich befürchte, das Protokoll kümmert mich nicht“, erwiderte Lynn Irving mit der stoischen Selbstsicherheit, die einer Sieger-Familie eigen war. „Wenn wir Kyle den Weg auf das Podium ersparen können, bin ich dafür, genau das zu tun. Ich melde mich freiwillig als Tribut.“

Yara konnte nicht anders, als den Argumenten des Jungen zuzustimmen. Spontan ekelte sie sich vor sich selbst und davor, das sie Gefahr lief, tatsächlich so tief zu sinken. Bevor sie doch noch unangemessene Geräusche von sich gab, wandte sie sich von der Leinwand ab. Eigentlich hatte sie lediglich vor, zu überprüfen, ob auch Finnick die Haare zu Berge standen, doch ihre Aufmerksamkeit blieb an einer anderen Person hängen. Annie Cresta stand mittlerweile nicht nur etwas überfordert in der Mitte der Bühne, sie war auch weiß wie eine Wand.

Und obwohl Yara es sich abgewöhnt hatte, Mitleid mit ihren Tributen zu empfinden, kam sie nicht umhin, dem Mädchen ein bitteres Lächeln zu schenken.

Es gab keinen Grund, ihr falsche Hoffnungen zu machen.

In der Regel war die Ernte kein Todesurteil für die Tribute aus Distrikt 4, doch alle Regeln hatten ihre Ausnahmen und genau so eine hatte Annies Schicksal gerade besiegelt.

2. The Liar

Alexander Irving war trotz – oder gerade wegen – seines Alters ein eindrucksvoller Mann. Das allerdings hatte nichts mit seinem Äußeren zu tun. Nicht mehr. Es hieß, in seiner Jugend sei er begehrenswert gewesen. Ganz Panem hätte ihn damals bewundert wie heute nur Finnick Odair. Heute war von seiner Schönheit nicht viel geblieben. Über achtzig Jahre hatten ihn geprägt und mit grauen Haaren, Altersflecken und einem stahlharten Blick zurückgelassen.

Letztendlich war es egal. Besonders für all jene, die Friedenswächter waren und keine Fragen zu stellen hatten.

Faris Alston war ein Friedenswächter und er stellte keine Fragen. Er stand von der Tür und er würde dort stehen bleiben. Entweder, bis ihm einer seiner Vorgesetzten einen Befehl gab oder die Zeit um war und die Familie des Mädchens gehen musste. Den Kopf erhoben und die Arme hinter dem Rücken verschränkt, erwiderte er den Blick des Mannes vor ihm.

„Es tut mir wirklich Leid, Sir, aber ich habe meine Anweisungen. Ich darf sie jetzt nicht einlassen.“

Die meisten anderen Bewohner des Distrikts hätten sich damit abspeisen lassen, aber nicht Alexander Irving. Die Jahre als Bürgermeister hatten ihn scheinbar daran gewöhnt, dass seinen Befehlen Folge geleistet wurde. Er baute sich mit all seiner Würde vor ihm auf und obwohl Faris ihn um einen Kopf überragte, fühlte er sich, als müsse er unter dem Blick des Mannes zusammenschrumpfen.

„Ihre Anweisungen sind mir egal, Sir“, antwortete Irving ihm und verzichtete auf alle drohenden Gesten, „Ich sagte Ihnen bereits, es ist dringend. Ich bin im Auftrag meiner Enkelin hier.“

Es war eine unverhohlene Warnung. Dementsprechend behutsam wog Faris seine Optionen ab. Er wusste, welche seiner Enkelinnen der alte Irving meinte und er wusste auch, dass es ihn durchaus in Schwierigkeiten bringen würde, wenn er sich einem direkten Befehl der amtierenden Bürgermeisterin widersetzte, auch wenn er ihrem Befehl eigentlich nicht unterstand. Nicht, dass es nicht auch Probleme bedeuten würde, wenn er dem Drängen des alten Mannes nachgab. Am liebsten hätte er Steen, der mit ihm Wache schob und schwieg, einen bittenden Blick zugeworfen, doch er wusste es besser als sich jetzt die Schwäche zu geben, bei einem Untergebenen Hilfe zu suchen.

Letztendlich war es nicht Steen sondern seine Uhr, die ihn schließlich vor der Misere, eine Entscheidung zu treffen, rettete. Sie piepte leise und verkündete das Ende der Zeit.

„Ich erfülle nur meine Pflicht“, erwiderte er, obwohl es nach seinem Schweigen selbst in seinen Ohren dümmlich klang, und wandte sich demonstrativ der Tür zu. Er klopfte taktvoll, wartete allerdings deutlich weniger taktvoll nicht darauf, hineingebeten zu werden. Er öffnete die Tür mit Schwung. Augenblicklich hatte er die volle Aufmerksamkeit der fünf Anwesenden.

„Die Zeit ist um“, verkündete er.

Eines musste er Crestas Familie zugute halten – keiner von ihnen machte ihm eine Szene, obwohl vermutlich jeder von ihnen wusste, dass ihre Annie nicht zurückkehren würde. Der Vater, ein großer Mann mit dem braunen Haar, das seine Tochter augenscheinlich von ihm geerbt hatte, warf ihm einen finsteren Blick zu, drückte seine Tochter dann aber noch einmal zum Abschied und verließ den Raum. Seine Frau und die beiden jüngeren Mädchen folgten seinem Beispiel.

Unwillkürlich atmete Faris auf. Er hasste dramatische Szenen bei der Verabschiedung und gerade bei früheren Ernten, die er in den ärmeren Distrikten verbracht hatte, hatte er davon mehr als genug erlebt. Leider waren die Crestas sein kleineres Problem. Das eigentliche Problem erinnerte ihn mit einem unfreundlichen Schulterrempler an seine Existenz.

Einen Augenblick später brach ihm eine solide Holztür beinahe die Nase. Für einen Moment musterte Faris die dunkle Maserung des Türblatts und lauschte der Stimme des alten Irving, die unverständlich durch das Holz drang. Er musste nicht verstehen, was der Mann sagte. Er musste auch nicht fragen. Faris wusste auch so, dass er ihn nicht hätte einlassen dürfen. Nicht wegen irgendeinem Befehl, den irgendwer ihm gegeben hatte, sondern weil er es dem Mädchen schuldig war. Ihr und den Mitschülern, die er hinter einer sehr ähnlichen Tür verloren hatte.

Schließlich wandte er sich ab und atmete er die Luft aus, von der er noch nicht einmal wusste, dass er sie angehalten hatte.
 


 

* * *
 

„Wer war es?“

Lynn Irvings Stimme hatte einen angenehmen Klang, ohne die Schärfe seines Urgroßvaters. Annie Cresta zuckte dennoch zusammen, als hätte sie jemand angeschrien. Nach dem, was der alte Irving ihr möglicherweise geflüstert hatte, überraschte es Faris nicht. Die Annie Cresta, die er jetzt zu dem Auto geleitete, das sie zum Bahnhof bringen würde, war nicht die mehr das Mädchen, das vor seinen Augen in den Verabschiedungsraum getreten war. Faris konnte es ihr nicht verübeln.

Sie antwortete nicht.

„Mum kann es nicht gewesen sein“, fuhr der junge Irving unbeirrt fort. „Dad war die ganze Zeit bei mir. Er hat sich nicht rauswerfen lassen, weißt du. Aber wer war es dann? Mein Großvater? Irgendeiner meiner Onkel? Tante Annabelle?“

„Dein Urgroßvater.“

Selbst Lynn – der Alexander Irving zweifellos bereits sein gesamtes Leben lang kannte – schluckte hart. Für einen Moment schwiegen nicht nur die Friedenswächter, sondern auch die beiden Tribute.

„Sorry“, murmelte Lynn schließlich. Faris musste die Ohren spitzen, um seine Worte verstehen zu können. Vielleicht erinnerte sich der Junge plötzlich doch daran, dass auch Friedenswächter Ohren besaßen. Vielleicht rechnete er auch nur mit technischem Abhörgerät. „Was auch immer er zu dir gesagt hat – ich glaube, es ist besser, wenn du es ignorierst.“

Faris hörte Annie lediglich schnauben. Ihrem Profil nach zu urteilen war sie nicht sonderlich überzeugt.

Einer der beiden Friedenswächter, der vor ihnen ging, öffnete die Tür. Nachmittagshitze schlug ihnen entgegen. Der Lärm des Marktplatzes, der noch immer seine neuen Tribute feierte, drang über das Ratsgebäude hinweg bis zu ihnen. Das Fahrzeug stand ein paar Meter entfernt bereit und mit ihm ein weiterer Trupp Friedenswächter.

„Ich meine es ernst.“

Statt Lynn noch einmal zu antworten, schloss Annie zu den beiden führenden Friedenswächtern auf, schweigend. Erst, als sie vor dem Fahrzeug hielten und einer der wartenden Wächter ihr die Tür öffnete, drehte sie sich zu ihm um. Eine Welle kühler Luft folgte ihrer Bewegung aus dem Fahrzeuginneren.

„Ich weiß, Lynn“, sagte sie so leise, dass Faris ihre Worte von ihren Lippen ablesen musste. „Es ändert nur nichts.“

Und mit diesen Worten ließ sie sich in ihren Sitz neben Lyssa Makram fallen. Die Tür schlug hinter ihr zu und schluckte den Wortschwall, der möglicherweise gleich über dem Mädchen hereinbrechen würde, völlig.

Faris Kameraden eskortierten Lynn ebenfalls zu seinem Platz, doch falls der Junge noch einmal die Gelegenheit bekam, das Gespräch aufzugreifen, bekam er es nicht mehr mit. Er hatte sich längst von der Szene ab- und sich seinem wartenden Vorgesetzten zugewandt und salutierte.

„Irgendwelche besonderen Vorkommnisse, Alston?“

„Nein, Sir.“

3. The Honest

Das Kapitol war so lachhaft, es war nicht einmal mehr komisch.

Georgia Reed war gerade drei Tage dort und sie wollte nichts sehnlicher, als zurück nach Hause zu ihren Kühen. Natürlich konnte man eigentlich nichts anderes erwarten, wenn man berücksichtigte, dass sie nur hier war, um in den kommenden Tagen in eine Arena geworfen zu werden und gegen dreiundzwanzig andere Tribute um ihr Überleben zu kämpfen. Doch die Realisation, dass sie jetzt selbst eine Teilnehmerin in diesem Blutbad war, war längst eingesunken. Sie hatte es schon lange geahnt – mit über fünfzig Tesserae auf dem Kerbholz war das Glück nie mit dir.

Nein, es war das Kapitol selbst, dass ihr kalte Schauer über den Rücken jagte. Es waren die Kapitolbewohner, die sich aus Tieren produziertes und an Tieren getestetes Make-Up auf den Körper schmierten. Es war Glamour Secunda, ihre minzgrüne Tribut-Begleitung, die das Konzept von Vegetarismus nicht verstand. Es war Helios Soleil, ihr Stylist, der die Nerven hatte, sie in einem sehr knappen Kuh-Kostüm in einen Streitwagen zu stellen. Und natürlich waren es die halbrohen Steaks auf dem Servierwagen neben ihr.

Wenn es nach ihr ginge, hätte sie das Weite gesucht. Es würde nur nichts bringen. Anscheinend hatten es sich die Köche in die Köpfe gesetzt, so viel Fleisch in die Tribute zu stopfen, wie irgendwie möglich war. Eine ausgewogene, fleischlose Ernährung? Vermutlich war das sogar zuhause in Distrikt 10 besser möglich, als hier. Selbst der Salat auf ihrem Teller enthielt Huhn.
 

Lautes Tellerklappern hinter ihr und ein Schatten in ihrem Augenwinkel warnten sie vor. Einen Augenblick später erschien die Gestalt eines achtzehnjährigen Holzfällers auf den Platz neben ihr. Nolan Bagley setzte sich, ohne sie um Erlaubnis zu fragen. Er musste sie auch nicht fragen, dabei konnte Georgia noch nicht einmal sagen, was sie miteinander verband.

Es war ein stillschweigendes Bündnis, das sie schon in den Minuten vor der Parade geschlossen hatten. Ein Blick hatte genügt, von nackter, frierender Kuh zu nacktem, torkelndem Baum. Seitdem ignorierten sie die Anweisungen ihrer Mentoren und blieben zusammen. Spätestens in der Arena würde das auf sie zurückfallen, aber für den Moment waren sie Verbündete. Komplizen.

In ihrem Augenwinkel sah sie, wie er fragend eine Braue hob.

„Hühnchen“, antwortete sie trocken.

„Tausche gegen Käse, eine Orange und …“, Nolan stach seine Gabel in etwas, das Seetang sein mochte, aber hier im Kapitol konnte man sich nie wirklich sicher sein, „… komisches grünes Zeug?“

„Deal.“

Ohne ihren Entschluss noch einmal zu überdenken, schob sie ihren Teller neben den seinen und begann damit, Hähnchenstreifen aus ihrem Salat zu pulen. Die Geruchswoge, die dabei von seinem Trinkglas zu ihr herüber schwappte, roch nicht so, als sei darin nur Orangensaft.

Skeptisch hob sie den Blick.

„Sag mir nicht, dass …“

„Keine Sorge, ich werde es dir nicht sagen.“

Nein, das würde er nicht. Georgia verzog das Gesicht zu einem schmallippigen Lächeln. Sie schenkte dem Glas keinen weiteren skeptischen Blick.

„Wie bist du da rangekommen?“

Sein Lächeln war Antwort genug.

Der Mentor von 11, vielleicht auch der von 12. Möglicherweise beide.

Tatsächlich wollte sie es genauer gar nicht wissen. Missbilligend griff sie nach ihrem Teller und lehnte sich zurück, auch um das Zeug nicht mehr riechen zu müssen.

„Warum gebe ich mich überhaupt mit dir ab?“, fragte sie trocken. Natürlich kannte sie die Antwort.

„Ich teile mein kostbares, grünes Zeug mit dir?“, erwiderte Nolan leichtfertig. Der Kommentar, der dann folgte, ließ allerdings jegliche Lässigkeit missen. „Außerdem sind die übrigen Tribute A- und B-Kandidaten.“

Georgia ließ den Blick auf ihren Teller sinken.

Die Kategorien. A die Dummen, B die Verheulten. Das Mädchen aus seinem Distrikt gehörte in die Erste, der Junge aus ihrem Distrikt in die Zweite und der Rest … der Rest …

Es blieben nur Nolan, sie selbst und die Careers. Nicht, weil die Careers in der Lage gewesen wären, eine Kuh von einem Ochsen zu unterscheiden. Sie hatten nur zufälligerweise das Glück zu wissen, wie man mit spitzen, scharfen Gegenständen anderer Leute Kehlen durchschnitt. Das klassifizierte sie als Kategorie C – die Gefährlichen. Oder, wie Nolan es gerne betonte, die gefährlichen Dummen. Georgia würde nicht widersprechen. Dafür hatte sie längst zu viel von ihnen gesehen. Man konnte die Careers zugegebenermaßen auch schlecht übersehen. Missmutig stach sie mit ihrer Gabel in das komische, grüne Zeug – ihrer Meinung immer noch Seetang – und überlegte, ob sie es wirklich essen wollte.

Sie kam nicht dazu, sich zu entscheiden.

„Wenn man vom Teufel spricht“, hörte sie Nolans Stimme. Dieses Mal war es nicht mehr, als ein Murmeln und das aus gutem Grund. Der Teufel – oder genauer die Teufel – betraten gerade den Raum. Es war wie schon am Tag zuvor: Das Mädchen aus 1 schritt als erste durch die Tür. Eigentlich wäre sie mit ihren langen, blonden Haaren und ihren noch längeren Beinen ziemlich hübsch gewesen, hätte sie mehr als drei Gesichtsausdrucke besessen: stupide gelangweilt, stupide angeekelt und stupide zu Tode genervt.

Gerade jetzt zeigte sie allerdings einen völlig neuen Ausdruck. Zumindest war Georgia gewillt, ihr einen vierten Ausdruck zuzubilligen, auch wenn das nicht mehr so schön zu ihrem Namen, Trinity, passte: panisch. Auch das wirkte irgendwie stupide. Musste an ihr liegen.

Aber, ja, stupide panisch traf es ganz gut, denn was auch immer in die gute Trinity gefahren war: Sie war eindeutig auf der Flucht und Georgia glaubte sogar schon zu hören, vor wem.

„Ich bin der Anführer!“, bellte eine immer zornige Stimme aus dem Flur, die nur dem Jungen aus 2 gehören konnte. Einen Augenblick lang fragte Georgia sich, seit wann der Careerhaufen einen Anführer hatte. Nach dem Gebaren der letzten Tage sollte eigentlich auch der letzte Tribut wissen, dass die Careers nicht ein Alphatier hatten, sondern sechs. Und zwar sechs, von denen der Großteil nicht bereit war, ernsthaft zu kuschen.

Ein anderer Junge antwortete – entweder der aus 1 oder 4. Im Gegensatz zu ihrem Anführer hatte keiner der beiden eine so markante Stimme, als das Georgia sie allein daran hätte unterscheiden können. Glücklicherweise, denn eine Stimme wie 2 wollte niemand. Leider sprach der Junge, wer auch immer es letztendlich war, zu leise, als dass sie ihn hätte verstehen können.

„Ich erinnere mich daran, gesagt zu haben, dass der Anführer das letzte Wort hat.“

Neben ihr zog nun auch Nolan die Augenbrauen hoch.

„Der Haussegen scheint schon wieder schiefzuhängen“, raunte er ihr zu.

„Hing der je grade?“

Sie kicherten leise, verstummten jedoch jäh, als der Ursprung des Lärms schließlich den Essensraum betrat. Es war tatsächlich der Junge aus 2, ein massiger, großer Typ mit breiten Schultern und kurzen, dunklen Haaren. Er trug mehrere Ringe in beiden Ohren, obwohl Georgia sie in der Nase passender gefunden hätte.

„Ich weiß, das hast du nach der Abstimmung gesagt“, antwortete der Junge aus 4 ihm, eindeutig derjenige, der mit 2 stritt. Das hieß – wenn man 4 beschreiben wollte, dann war stritt vielleicht nicht das richtige Wort. Georgia hatte es schon am Tag zuvor beobachten können: Desto lauter sein Kontrahent wurde, desto ruhiger wurde er. Es stellte sich nur die Frage: war er wirklich so einfältig zu glauben, dass er sein Gegenüber beruhigen konnte, oder ging es ihm nur darum, ihn endgültig auf den Baum zu bringen?

Was auch immer es war – 2 wählte den Baum.

„Ja und daran solltest du dich halten.“

„Genau wie du dich an die Abstimmung. Das Ergebnis lautete vier zu zwei, wenn ich dich daran erinnern darf.“

Okay, er wollte ihn auf den Baum bringen – und es funktionierte nach wie vor prima.

Zu Prima.

Die Faust kam so plötzlich, Georgia sah sie erst, da duckte sich 4 bereits. 2 traf nicht mehr, als solide Wand, aber damit schien er gerechnet zu haben, denn schon schnellte seine andere Hand vor und sie war nicht leer. Georgia riss die Augen auf, als sie realisierte, was 2 in der Hand hielt. 4 wich auch dem Messer aus und drehte ihr den Rücken zu. In einer fließenden Bewegung wuchtete er sich den größeren Jungen auf die Schultern und warf ihn. 2s Aufschlag klang hart. Das Messer schlitterte klirrend außer Reichweite, dann waren beide Jungen ein Knäul auf dem Boden. Schwere Schritte tönten den Gang entlang, ohne, dass es sie kümmerte. Keinen Augenblick später wimmelte der Flur vor Wächtern.

Die Augen aller Anwesenden ruhten in diesem Moment auf dem Gerangel, sogar Nolans, der eigentlich so tat, als interessiere ihn die Sache einen feuchten Kuhmist. Dann, gerade als es einem Friedenswächter gelang, Nr. 4 bei den Schultern zu packen, trat der dritte Junge der Allianz aus der Trainingshalle in den kurzen Flur. Georgia ahnte, dass er seinen Auftritt perfekt abgepasst hatte, gerade rechtzeitig, um von dem Fausthieb abzulenken, den 4 gerade kassierte, aber sie konnte sich dennoch nicht davon abhalten zu starren.

Blue, der Junge aus 1, hatte diesen Effekt, nicht nur auf sie, und sie hasste es. Eigentlich war es nur sein Haar, das herausstach, und eigentlich war es nicht einmal besonders hübsch. Nur auffällig. Und rot, aber natürlich nicht einfach rot, so wie es ein paar ihrer Mitschüler von Natur aus hatten, sondern ein Rot, das sich mit dem Licht änderte. Bei der Ernte war es ein flammendes Kupferrot gewesen, bei der Parade ein tiefes Kirschrot. Jetzt, im Neonlicht des Essensraumes wirkte es ausgewaschen.

Georgia hatte nicht viel Ahnung von Haarfarbe, aber selbst ihr war aufgefallen, dass Blue vermutlich ein sehr ähnliches Zeug verwendete, wie ihr wundervoller Stylist Helios. Allein das war ein Grund, Blue nicht zu mögen. Starren tat sie trotzdem. Sie brauchte einen Moment, um ihren Blick von den blassen, roten Strähnen loszureißen und sich auf andere Dinge zu konzentrieren. Die Art, wie er an Wächtern und seinen sich prügelnden Partnern vorbeischritt, als würde er sie nicht einmal bemerken. Es musste ein Distrikt 1-Ding sein. Die Careers aus diesem Distrikt waren häufig so. Entweder das oder sie endeten wie Trinity.

Die beiden übrigen Mädchen der Allianz folgten ihm. Unauffällig. Georgia hätte sich beinahe gefragt, wie sie es so plötzlich geschafft hatten, neben dem Gespann aufzutauchen. Sie tat es nicht, denn sie wusste warum. Und das war nicht gut.

Sie schnaubte leise.

„Sieh es so, meine vegetarische Freundin, mit dem Haar kannst du ihn in der Arena zumindest nicht verfehlen“, raunte Nolan ihr zu. Alkoholgeruch folgte seinen Worten. „Vorausgesetzt, du kriegst einen Bogen.“

„Das heißt, du wirst mir keinen schnitzen?“

„Ich bin Holzfäller und kein Tischler.“

„Eine Verschwendung, wirklich.“

Der Lärm im Flur nahm beträchtlich ab, während die Wächter die prügelnden Careers endgültig voneinander trennten und sie davon schliffen. Vermutlich bedeutete das für beide Jungen noch Ärger, doch Georgia kümmerte das nicht. Ihre Augen ruhten, trotz ihres kurzen Wortwechsels mit Nolan, nach wie vor auf dem anderen Teil der miteinander tuschelnden Careers. Jetzt, wo die Jungen aus 2 und 4 fehlten, wirkte die Gruppe … entspannter. Trinity war zurück bei ihren Standardausdrücken, in diesem Fall stupide zu Tode genervt. Die beiden anderen Mädchen schienen beide auf die ein oder andere Art unsicher. Und während sie 4 zutraute, sich ernsthaft um den Jungen aus ihrem Distrikt zu sorgen … sorgte sich 2 wohl eher um die Rangfolge in der Allianz. Mit den übrigen beiden Jungen im Gewahrsam der Wächter, blieben nur sie und Blue. Und Blue war ganz offensichtlich der Platzhirsch. Das hieß – sein Haar. Vielleicht war das seine Taktik, aber mit etwas anderem als seinem Auftreten war er noch nicht aufgefallen.

So auch jetzt.

Sie spürte, dass sich seine Aufmerksamkeit auf sie richtete, noch bevor er den Kopf in ihre Richtung drehte. Ihre Haare stellten sich auf, wie die einer Katze angesichts eines Hundes.

„Es ist soweit“, murmelte sie Nolan zu. Der nickte.

Einen Moment später setzte sich Blue in Bewegung, das Mädchen aus 4 an seinen Fersen. Georgia wusste nicht genau, wie sie hieß. Anna vielleicht, oder Anis, vielleicht auch nur Anne – sie wollte es eigentlich gar nicht wissen. Dass ausgerechnet sie ihn begleitete und nicht etwa Trinity, war dennoch ein Zeichen. Genauso, wie das Fernbleiben von 2. Das, was Blue vorhatte, war ein Allianz-Ding und vermutlich der Grund der ominösen Abstimmung. Wenn die Abstimmung mit zwei Gegenstimmen ausgegangen war, so lag jetzt auf der Hand, wer neben dem Jungen aus zwei für Nein gestimmt hatte.

Neben ihr richtete Nolan sich auf – ein ungewohnter Anblick. Dann hatten die beiden Careers sie erreicht. Georgia warf ihrem Partner einen raschen Blick zu, den Nolan nicht erwiderte. Also hatte er sich dafür entschieden. Gut.

„Ich denke, wir sollten die Sache kurz halten“, begrüßte Blue sie.

Nolan neben ihr schnaubte. „Angst, dass euer Anführer zurückkehrt?“

„Vitya ist nicht unser Anführer“, erwiderte das Mädchen aus 4 harsch. Der Versuch, ihre Worte abzumildern, gelang nicht. „Nicht so, jedenfalls.“

„Ja, das hat jeder hier gesehen.“

Das Mädchen zuckte mit den Achseln.

„Das bestreiten wir nicht. Aber deshalb sind wir nicht hier.“

„Wir wissen, warum ihr hier seid“, mischte sich Georgia nun auch selbst ein. Es fiel ihr nicht einmal schwer, ihren Tonfall abfällig zu halten, obwohl sie das noch nie sonderlich gemocht hatte.

Zur Antwort nickte Blue nur und auch 4 sah so aus, als hätte sie es erwartet.

Georgia warf Nolan einen knappen Blick zu. Der verstand den Wink – wenn er den denn überhaupt benötigte.

„Unsere Antwort lautet“, sagte er knapp und betonte das unsere stark, „es ist uns egal, ob ihr nur mich fragen wollt. Ihr habt die Wahl: Entweder, ihr nehmt uns beide, oder ihr lasst es ganz sein.“

Das Mädchen nickte, Blue antwortete nicht einmal mit einer Geste. Aber Georgia spürte seinen Blick auf ihr. Sie erwiderte ihn. Wenn man seine Haare ignorierte – und das war bei dem Lichteinfall leichter – wirkte er nicht mehr so imposant. Er war eher ein Athlet als ein Muskelprotz. Selbst ohne ihn mit seiner bevorzugten Waffe trainieren gesehen zu haben, wusste sie, dass es eine Distanzwaffe sein würde. Nichts zu schweres. Vielleicht Bogen oder Speer.

Von nahem betrachtet war er typisches Distrikt 1-Material, genau wie Trinity – nur von der anderen Seite des Spektrums. Trinity war hübsch, aber hohl. Sie wusste, wie sie mir einem Schwert umgehen musste, aber wenn man nicht innerhalb ihrer Reichweite war, würde sie das schnell überfordern. Ihre Glanzzeit würde das Interview sein und sie würde sie nutzen - sie spielte die hübscher Tribut-Karte. Aber sie tat es, weil sie es musste. Er spielte die hübscher Tribut-Karte ebenfalls, allerdings weil er es wollte.

Schließlich nickte er doch.

„Haben wir einen Deal?“

„Ich fürchte, den haben wir, ja“, sprach Nolan die Worte aus, die ihr Schicksal besiegeln würden. Vielleicht war es gut, dass in seinem Glas nicht nur Orangensaft war.

„Darauf habe ich gehofft“, antwortete Blue. Mittlerweile musste selbst er den Alkohol riechen, aber wenn er es tat, kümmerte es ihn nicht. „Dann sehen wir uns in der Arena.“

Mit diesen Worten war das Gespräch beendet. Blue nickte ihnen noch einmal zu, dann wandte er sich ab und schritt zurück zum Tisch der Careers. Sein rotes Haar glänzte blass im Neonlicht, aber Georgia war erleichtert. Die Haare auf ihren Armen beruhigten sich. Ihn nur noch von hinten sehen zu müssen, war definitiv eine Verbesserung.

Nolan und sie wechselten einen langen Blick.

„D“, sagte er schließlich.

Georgia musste nicht fragen, was er damit meinte. Sie dachte dasselbe.

Unglücklicherweise tat das 4 auch.

„Ihr kategorisiert Tribute mit Buchstaben?“, fragte sie und klang eher unzufrieden als irritiert.

Nolan zuckte mit den Achseln und Georgia spürte, wie sie versucht war, das Gleiche zu tun.

„Ich würde es bevorzugen, kein Buchstabe zu sein“, erwiderte sie.

„Entschuldige, wenn ich nicht überrascht bin.“

Georgia verdrehte die Augen, nicht über das Mädchen, sondern über Nolans Antwort. Vermutlich erwartete er gar nichts anderes.

„Was willst du dann sein?“

„Du meinst ‚Wer willst du dann sein?‘“, gab sie mit einem dünnen Lächeln zurück. Es wirkte weder abfällig noch arrogant. „Die Antwort ist einfach. Sie lautet: Annie Cresta.“

Georgia hob die Augenbrauen, doch ihr Gegenüber interessierte das augenscheinlich nicht. In einer langsamen Bewegung setzte sie sich auf einen der freien Stühle an ihrem Tisch. Vielleicht musste Georgia ihre Einschätzung revidieren. Vielleicht gab es mehr als ein D zwischen den Careers.

4. The Leader

Entgegen all seiner Vorsätze spürte Vitya Nestor, wie er nervös wurde.

Es war ein unangenehmes Gefühl, das in seinen Fingerkuppen begann und rein gar nichts mit den Trainingsbewertungen zu tun hatte, die ausgestrahlt werden würden, sobald Caesar Flickerman mit seiner Einleitung fertig war. Vitya hoffte nur, dass alle anderen glaubten, es hätte etwas mit der Punktebewertung zu tun. Wenn sie es überhaupt mitbekamen, denn er gab sich Mühe, es sich mit vor der Brust verschränkten Armen gar nicht erst anmerken zu lassen.

Tatsächlich aber waren es wirklich nicht die Punkte – sondern der ganze, verdammte Rest. Der Fakt, dass nach der Punktebewertung nur noch die bescheuerten Interviews und dann die Arena auf sie warten würden. Caesar Flickermans dämliches Grinsen. Das überdeutliche Klackern von langen Fingernägeln auf dem überdimensionierten Glastisch, das nicht von der Stylistin Gloria stammte, sondern von ihrem Begleiter Apoll. Brutus und Enobarias finsteres Starren. Siennas eisiges Schweigen, das nur von dem Zischen ihres Feuerzeugs – ein Glücksbringer, den sie nicht würde in die Arena mitbringen können – unterbrochen wurde und das herrschte, seit er sich nicht hatte gegen den Rest der Allianz durchsetzen können. Und sowieso: Diese dämliche Allianz.

Die und das Wissen, dass ihn jeder Anwesende in diesem verdammten Center für den größten Idioten hielt, der das Gebäude je betreten hatte.

Vitya wusste natürlich, dass er kein Idiot war. Wäre er einer, hätte er es nicht bis in die Spiele geschafft. Das Problem war nur: Wenn alle anderen genau das von einem dachten, dann begann man irgendwann damit, es ebenfalls zu tun. Er wusste, dass er kurz davor war, genau das zu tun – und zugegeben, die Prügelei mit diesem dämlichen Lynn trug nicht sonderlich zur Verbesserung seiner Laune bei. Vermutlich hielt er mit seinem blauen Auge den Rekord des Tributs, der als erster in den Spielen von einem Kontrahenten verletzt worden war. Weil diese dummen Wächter ihn festgehalten hatten.

Er ertappte sich dabei, wie seine Hand schon wieder zu seinem Gesicht gleiten wollte, um nach der leichten Schwellung zu tasten. Finster umklammerte er seinen Oberarm fester.

Siennas Feuerzeug zischte erneut, als die kleine Flamme aufloderte, gerade rechtzeitig um ein letztes Mal Flickermans Grinsen zu beleuchten, bevor es von der Bildfläche verschwand. Vitya hörte, wie Sienna sich neben ihm etwas aufrichtete. Ihr Feuerzeug blieb in ihrer Hand, fast so, als wolle sie sich schützen.

Er hätte am liebsten geschnaubt, doch das Bild des ersten Tributs lenkte ihn ab. Blue wurde eingeblendet, was absolut keine Verbesserung war. Die Zehn, die unter seinem Gesicht erschien, machte es höchstens noch schlimmer. Zugegeben – es war nicht so, das Vitya auch nur einen der anderen Careers hätte ausstehen können, nicht einmal Sienna. Blue war lediglich der Schlimmste von ihnen. Natürlich, er sprach nie aus, für wie blöd er ihn hielt, und ließ ihn mit seiner Anführer-Nummer einfach machen. Vitya hätte der Nummer auch glauben können und wollen, hätte Blue nicht gleichzeitig mit jeder Geste seiner übermanikürter Finger, mit jedem seiner freundlichen Lächeln und mit jeder Woge seines überroten Haares ausgestrahlt, was er wirklich dachte. Vitya, du bist der größte Idiot, der mir je untergekommen ist. Und ich liebe es.

Es war wirklich kein großes Wunder, das Vitya ihn nicht leiden konnte, wirklich. Allein jetzt sein verdammtes Lächeln sehen zu müssen, machte Vitya so wütend, dass er beinahe die Bewertung von Blues kleinem, dummen Anhängsel, Trinity, verpasst hätte. Nicht, dass er bei der mickrigen Sieben viel hätte verpassen können, abgesehen von Siennas abfälligem Schnauben.

„Wette, das war der Tittenbonus“, hörte er seine Partnerin neben sich flöten.

Wie von selbst glitt Vityas Blick zu ihr. Auch keine große Verbesserung.

„Etwas, auf das du nicht zu hoffen brauchst.“

Sienna bewegte sich nicht, nahm nicht einmal den Blick von der Leinwand, auf der gerade sein eigenes Gesicht erschien. Sie antwortete nicht – vermutlich das deutlichste Zeichen dafür, dass er getroffen hatte.

Vielleicht war es auch besser so. Wobei – so hatte er alle Gelegenheit, sein Ebenbild auf der Leinwand zu bewundern, mit einer kläglichen Acht darunter. Für die Aufnahme hatte er seine Haare hochstylen lassen, die Trainingskleidung glatt gestrichen und sein grimmigstes Grinsen aufgesetzt. Was sich bei der Aufnahme furchteinflößend angefühlt hatte, wirkte jetzt nur noch bescheuert. Blue schlug ihn selbst in der Kategorie ‚Furchteinflößend‘ um Längen – und das, obwohl er lächelte.

Da klang selbst Apolls Klatschen und sein heiteres „Fantastisch!“ wie Hohn, auch wenn er nicht glaubte, dass Apoll zu so etwas wie Hohn fähig war. Er war einfach immer begeistert. Deutlich aussagekräftiger war das Schweigen ihrer beiden Mentoren.

Genau wie Brutus und Enobaria rührte Vitya sich nicht.

Es war eine Erleichterung, als endlich Siennas Bild erschien und von seinem Versagen ablenkte. Sie hatte niemandem gesagt, was sie in ihrem Einzeltraining gezeigt hatte, doch er vermutete, dass es mit ihrem kleinen Hobby zu tun hatte. Wenn er recht hatte, bedeutete das entweder, dass sie die Spielmacher sehr überrascht oder aber sehr verärgert hatte. Ihr Feuerzeug zischte leise.

Dann erschien die Zahl.

Zehn.

Apollo überschlug sich beinahe vor Applaus und vor Glückwünsche, deren Worte Vitya gar nicht verstehen wollte, und die beiden Stylisten stimmten, glücklicherweise verhaltener, mit ein. Selbst Enobaria schnalzte mit der Zunge – eine anerkennende Geste, auch wenn es angesichts ihrer goldenen Zähne immer etwas seltsam klang. In seinem Augenwinkel sah er, wie selbst der reaktionskarge Brutus sich über den kahlgeschorenen Kopf strich.

„Scheint, als bräuchte sie keinen Tittenbonus“, verkündete selbiger schließlich, kaum das Vitya wieder wegsah. „Im Gegensatz zu dir. Was hast du in diesem Training getrieben? Die Schwerter gestreichelt?“

Vitya biss die Zähne aufeinander.

„Vielleicht hätte ich es tun sollen.“

Der Kommentar brachte ihm ein leises Zischen und eine kleine, flackernde Flamme von Sienna und Schweigen von Apoll. Entgegen seines Vorsatzes, keine Miene zu verziehen, wenn es um Apoll ging – einfach, weil seine Mimik sonst irgendwann weh tun würde – grinste er.

Sein Grinsen blieb auch, während Geek und Freak, die beiden Tribute aus Distrikt 3, deren Namen er sich nicht gemerkt hatte, ihre vier und fünf Punkte kassierten und damit keine Überraschungen boten, noch nicht einmal negative. Erst als das Bild des fünften Careers erschien, verging ihm das Grinsen und das schnell.

Lynn Irving lächelte. Es war nicht so penetrant, wie Blues Lächeln, aber es war nah dran. Spätestens mit der Zehn darunter.

Vitya beschloss zwei Dinge. Erstens: Heute war nicht sein Tag. Zweitens: Er hatte genug gesehen. Was auch immer noch kommen würde, es würde nicht mehr besser werden und das letzte, was er brauchte, waren der Spinner aus 7 oder das Grünzeugmädchen aus 10, die Blue angeschleppt hatte.

Er wartete nicht einmal darauf, dass auch die Nummer sechs ihrer kuscheligen Allianz ihren Auftritt hatte. Das Mädchen war ohnehin nur Career-Frühstück, das war bereits bei der Ernte der beiden unübersehbar gewesen.

Noch bevor Crestas Bild erschien, stand Vitya auf. Er hatte die Couch verlassen, bevor überhaupt jemand auf die Idee kam, ihn zurückhalten zu wollen. Vermutlich, weil niemand ihn ernsthaft zurückhalten wollte.

„Was auch immer in deinem Kopf vorgeht“, hörte er Brutus‘ knurrige Stimme, „es ist eine dumme Idee.“

Ohne stehen zu bleiben, warf er einen Blick über die Schulter. Bis auf Brutus schwiegen sie alle. Apoll entsetzt, Sienna gelangweilt, Enobaria mit Zähnen. Auf der Leinwand schwieg auch Annie Cresta. Mit einem hübschen Lächeln und einer hübschen Neun darunter.

„Ich muss doch meinem Ruf gerecht werden.“

5. The Victor

Denkst du, ich kann die Spiele gewinnen?“

Nicht nur von der Uhrzeit müde lehnte sich Finnick Odair auf das Balkongeländer ihres Appartements. Vor seinem inneren Auge konnte er immer noch Lynn Irving sehen, wie er neben ihm auf dem Geländer saß und die Beine baumeln ließ, obwohl Lynn schon vor Stunden ins Bett gegangen und mittlerweile auf dem Weg in seine ganz eigene Arena war. Sein Anblick überlagerte sich längst mit dem anderer Tribute. Den dreien, die er nicht nach Hause hatte bringen können und Yara, die ihn längst dafür verfluchte, es getan zu haben. Nicht offiziell, natürlich, nicht mal in sein Gesicht.

Ich war vierzehn, als ich in die Arena gegangen bin. Drei Jahre jünger als du. Mein Trainingsscore war niedriger als deiner. Ich bin immer noch hier.“

Die Antwort, die er dem Jungen gegeben hatte, war nur eine halbe Lüge.

Er, Finnick Odair, war immer noch hier. Das Problem war vielmehr: niemand konnte die Hungerspiele ernsthaft gewinnen. Nicht einmal die Arena verließen die Gewinner wirklich. Nicht in ihren Köpfen.

Seufzend warf er einen Blick auf die Straße unter ihm. Von ihrem Appartement aus hatte man keinen Aussicht auf die Stadt des Kapitols, diese war den Tributen der Ärmsten Distrikte vorbehalten, aber selbst das, was man vom vierten Stockwerk aus sehen konnte, konnte einem den Atem rauben. Er erinnerte sich noch daran, wie er an seinem ersten Abend über dem Balkongeländer gehangen und fasziniert auf die bunten Menschen unter ihm gestarrt hatte, die von oben aussahen, wie besonders seltsame Krabben. Heute blendeten ihn die farbenfrohen Perücken, die schrillen Neonreklamen und die leuchtenden Werbeplakate mit den Gesichtern der neuesten Tribute nur noch.

Trotzdem konnte er für einen Moment lang nicht wegsehen. Eine besonders pinke Kapitolbewohnerin, die gerade mit ihrem Sonnenschirmchen unter ihm hinweg eilte, erinnerte ihn an eine der Krabben von vor sechs Jahren. Eine von vielen. Andere folgten. Sah der Mann dort drüben an der Ecke nicht aus wie der ehemaliger Begleiter von Distrikt 3? Nein, das konnte nicht sein, der war schon vor zwei Jahren an einer Fischvergiftung verstorben. Vielleicht nur ein alter Fan, wenn so etwas im Kapitol möglich war. Aber die Frau dahinter … nein. Wenn er eins wusste, dann, wo Danica Izar war.

Finnick atmete ein letztes Mal die nicht mehr ganz so morgendliche Kapitolluft, eine Mischung aus Sauerstoff, Stickstoff, Abgasen und Parfum, dann stieß er sich vom Geländer ab. Die Luft im Appartement war ähnlich stickig, nur hatte das einen anderen Grund. Als er den Fernsehraum betrat, erwartete ihn bereits eisiges Schweigen.

Die beiden Stylisten waren sicher noch in den Räumen unter der diesjährigen Arena und die gute, alte Lyssa bereits zwischen den zahlungskräftigsten Sponsoren. Yara allerdings konnte er bereits von der Tür aus sehen. Sie trug ein besonders kurzes Top und vermutlich einen ebenso kurzen, bunten Rock, von dem er nur nichts sehen konnte, weil sie auf ihrer Couch lag und ihm den Rücken zudrehte. Selbst die langen, schwarzen Haare, die ihr über ihre dunklen Schultern fielen, wirkten eisig. Zu einem anderen Zeitpunkt hätte er Kapitol-Chemikalien dahinter vermutet, doch dieses Mal kannte er den Grund.

Bedächtig machte er einen weiteren Schritt in den Raum.

„Du bist spät“, verkündete Yara, ohne sich zu ihm umzudrehen.

„Ja, du bist spät!“, stimmte ihr eine Stimme von der anderen Seite des Raumes zu.

Für einen Moment schloss Finnick die Augen, bevor er genug Energie gesammelt hatte, um sich Danica Izar zu stellen. Als er die Augen schließlich wieder öffnete, fand er sie genau dort, wo er sie vermutet hatte. Die Beine auf dem Glastisch, in dem echte, bunte Goldfische schwammen, verschränkt, saß sie auf der Couch der Tribute, als gehöre sie ihr.

Annies Platz.

Kurz starrte er noch auf ihre kurzen, ozeanblauen Haare, die zwar gefärbt waren, aber immerhin echt. Die kleinen, möglicherweise falschen, Diamanten, die unter ihren ebenfalls blauen Augen funkelten, ignorierte er hingegen sofort. Schließlich gab er sich einen Ruck.

„Entschuldigung“, sagte er und gab sich besonders viel Mühe dabei, zerknirscht zu klingen. „Es wird nicht wieder vorkommen.“

Widerwillig überbrückte er die Distanz zu Danica und ließ sich auf den Platz fallen, den sie für ihn freigehalten hatte. So wie schon die vier Jahre zuvor.

Danica war eine von drei Mentoren-Wachhunden. Das war zumindest die inoffizielle Bezeichnung und sie war so viel treffender, als die offizielle – Junior Advisors. Als solche war sie dafür zuständig, den ihnen zugeteilten Mentoren Termine für alles Mögliche zuzuweisen, Treffen mit Sponsoren zu organisieren und sie generell zu unterstützen. Außerdem hatte sie das Privileg, einem ausgewählten Mentorenpaar während der Eröffnung und des Blutbads auf die Nerven zu gehen. Ihre Wahl war auch dieses Jahr, das fünfte in Folge, auf Distrikt 4 gefallen. Finnick war klar, warum.

Kaum saß er neben ihr, spürte er, wie ihre Finger seinen Oberschenkel berührten. Er erwiderte die Geste und ließ seine Hand ebenfalls sinken, bis er erst ihre Ringe und dann ihre Haut spürte. Behutsam strich er über die Innenseite ihrer Hand und ihren Unterarm hinauf.

Einen Wimpernschlag später hörte er das Rutschen von Stoff über Leder. Danicas Schulter stieß gegen seinen Oberarm und plötzlich strich ihr Atem über seinen Hals.

„Dass du mich auch immer warten lässt.“

Ihre Stimme war nicht mehr als ein verheißungsvolles Raunen.

„Ich weiß eben, was du an mir magst“, flüsterte er zurück.

Während er sich in die Umarmung sinken ließ und mit einer Hand bereits nach dem ersten Knopf ihrer seegrünen Bluse fischte, betete er inständig, dass Yara ihn mit einem der Schwerter, mit denen sie ihre Spiele gewonnen hatte, abwerfen würde. Natürlich tat sie es nicht. Hätte sie es auch nur vorgehabt, sie hätte es bereits vor Jahren versucht.

Dem ersten Knopf folgten drei weitere. Er ließ seine Finger unter den Stoff gleiten, bis er ihren BH spüren konnte. Es war ein seltsamer Stoff, der sich eher anfühlte wie weiches Gel oder Plastik. Ohne es zu sehen, wusste er, dass sich eine kleine Überraschung darin befand. Was für eine – er wollte es gar nicht wissen.

„Meine Damen und Herren, mögen die siebzigsten Hungerspiele beginnen!“

Beinahe hätte er die Worte gar nicht gehört, doch etwas schreckte ihn auf. Vielleicht war es der Wechsel der Stimme, die aus den Lautsprechern klang. Sie gehörte nicht länger Caesar Flickerman, aber Finnick kannte sie ebenfalls.

Claudius Templesmith.

Unwillkürlich hob er den Kopf von Danicas Schulter. Sein Blick fand die Leinwand. Die Arena.

Er erstarrte und plötzlich sah er die Leinwand nicht mehr. Vor seinen Augen ragte das Füllhorn auf, groß und golden glänzte es in der Sonne. Am Horizont glitzerte noch etwas anderes – Wasser. Der Ozean. Für einen Moment glaubte er, zurück in Distrikt 4 zu sein, dann erinnerte er sich an die Tribute. Sie waren vierundzwanzig und nur einer kam lebend hier heraus. Vielleicht war er der hübscheste Tribut dieser Spiele, vielleicht sogar der mit den meisten Sponsoren, aber neunzehn waren älter als er. Sechzehn waren größer als er. Vierzehn schwerer. Sieben hatten die Parcours in der Trainingshalle schneller absolviert, als er. Mindestens vier konnten besser mit Schwertern umgehen, drei mit Äxten. Zwei waren tödlich mit dem Bogen.

Und dort oben, im Zentrum ihres Kreises, lagen sie – Schwerter, Äxte, Bögen. Waffen, deren Namen er nicht kannte, dabei war er ein Career. Zweifelnd warf er einem Blick zu den Tributen neben ihm. Das Mädchen aus 9 stand zu seiner Linken, der Junge aus 3 zu seiner rechten. Er würde kein Problem für ihn darstellen, aber sie …

Und dann waren da die anderen Careers.

Blake aus 2, ein Hühne, der sein Gehirn in seinen Bizepsen spazieren trug. Goldie, die gar nicht goldige Bogenschützin aus 1. Mary, seine Distriktpartnerin und die älteste Teilnehmerin im Feld. Bellona. Arka.

Wie sollte er sie töten?

Wie sollte er überhaupt töten?

Gab es Speere im Füllhorn?

Der Gong ertönte. Er wollte rennen, aber eine Hand hielt ihn zurück …

und auf der Leinwand begannen die Hungerspiele von Lynn Irving und Annie Cresta.

6. The Messiah

Für eine Ewigkeit stand sie einfach da. Das Schwert in der einen Hand, den Rucksack, mit dem sie mehr als nur einen Hieb abgewehrt hatte, in der anderen. Blue erwiderte ihren Blick, skeptisch. Die Hände, mit denen er einen Speer hielt, waren so rot, wie sein Haar.

Dann, wie auf ein stummes Kommando, ließen sie die Waffen sinken.

Einen Herzschlag später ertönte der erste Kanonenschuss. Ein Zweiter folgte. Stamm begann Annie zu zählen.

Sieben, dann Stille.

Das Blutbad war vorbei und sieben von vierundzwanzig Tribute waren bereits tot. Sie konnte die Namen derer, die bereits gefallen waren, nicht nennen, doch sie sah das Mädchen aus Distrikt 12 immer noch vor sich. Das dunkle Haar, dessen kurze Frisur nicht zu ihrem runden Gesicht passte. Der grüne Rucksack in ihren Händen. Die grauen Augen, die sich weiteten, als sie rücklings ins Wasser fiel.

Annie hätte es schnell beenden können. Stattdessen …

Sie konnte nicht schwimmen.

Im Nachhinein fühlte Annie sich schlecht, weil sie sich ihren Namen während der Interviews nicht gemerkt hatte, doch insgeheim war sie froh darüber.

„Alles in Ordnung bei dir?“

Lynns Stimme klang unendlich weit weg. Sie nickte langsam. Die Augen verschwanden nicht. Warum hatte Yara ihr nichts davon gesagt? Oder Finnick?

Annie spürte, wie jemand – Lynn – eine Hand auf ihre Schulter legte, doch die Geste machte es nicht besser. Ausgerechnet Lynn. Alexander Irvings Urenkel. Maris Irvings Sohn. Ihr Mitschüler, ihr Mittribut, ihr … Sie schüttelte den Kopf, um den Gedanken zu verscheuchen.

„Ich hab dich gesehen“, sagte sie leise. „Kämpfen, meine ich. Du warst echt gut. Du auch, Blue. Und ähm, danke, für …“

… für die Sache mit dem Jungen aus 5.

Blue zuckte nur mit den Achseln.

„Kein Ding.“

Dem Blut an seinen Händen zum Trotz war sein lächeln ansteckend, ansteckend genug, um es dünn zu erwidern. Dabei mochte Annie Blues Lächeln nicht einmal. Vermutlich würde es noch zu Problemen führen, wenn die Anzahl der Tribute abnahm … Doch für den Moment war sie froh über sein Lächeln und darüber, dass das Blutbad vorbei war.

„Hey! Wo bleibt ihr? Denkt ihr, der ganze Krempel schleppt sich von allein?“

Wobei. Vielleicht auch nicht.
 


 

* * *
 

Die Spiele liefen gerade einmal ein paar Stunden und Annie hätte gerne behauptet, dass sie sich endlich beruhigt hatte, doch das wäre eine Lüge gewesen.

Ihre Emotionen hatten sich nur verschoben.

Der Adrenalinrausch war längst abgeklungen und hatte erst Müdigkeit und dann, mit jedem von Vityas Befehlen, Frustration Platz gemacht. Erschöpft ließ sie schließlich den letzten Rucksack fallen und setze sich daneben. Hoffentlich überlegte sich ihr Anführer es sich nicht noch einmal anders, wo sie die Vorräte stapeln sollte.

Erst jetzt erlaubte sie es sich, die Arena mit mehr als einem flüchtigen Blick zu mustern. Anscheinend hatten die Spielemacher das Distrikt-Motto wieder aufgegriffen. Hätte man Annie gefragt, wie sie sich Distrikt 7 vorstellte – möglicherweise hätte sie diese Arena beschrieben. Zu ihrer Linken ragte eine Felswand mit einem riesigen, hölzernen Staudamm auf. Zu allen anderen Seiten erstreckte sich längst nachtschwarzer Nadelwald und quer hindurch schnitt sich ein reißender Fluss. Die letzten Sonnenstrahlen, die über den Damm hinweg glitten, ließen das Füllhorn auf seinem riesigen Floß aus zusammengekeilten Stämmen glänzen. Die dunklen Stege, die sie noch vor kurzem hinauf und hinunter geschlittert war, verschwammen mit der Dunkelheit.

Was zuvor diversen Tributen erlaubt hatte, sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen, würde sie nicht noch einmal retten.

Sie würden das ganze Ding verbrennen.

In der Abenddämmerung konnte sie die Silhouetten von Sienna und Lynn sehen, die das Benzin verteilten, welches sie im Füllhorn gefunden hatten. Wären die beiden Schatten über das Holz glitten und die Kanister leerten, sammelten sich die anderen Mitglieder ihrer Allianz am Ufer. Ihr Anführer, Vitya, beobachtete die Arbeit der beiden, doch die Anderen pausierten, wie sie selbst. Sie konnte Nolan und Trinity dabei beobachten, wie sie die Waffen kontrollierten, und Blue und Georgia, wie sie mit Speer und Bogen den Wald hinter ihnen im Auge behielten. Dafür, dass sie sich mitten in den Hungerspielen befanden, fühlte sie sich erstaunlich friedlich.

Bis sie den Feuerschein bemerkte.

Sofort flackerte ihr Blick zum Floß. Sienna hatte das Ufer augenscheinlich erreicht. Es musste Sienna sein – sie war diejenige mit dem Feuerstarter. Die Flammen zu ihren Füßen loderte längst den Steg entlang, den sie gekommen war. Doch etwas war seltsam. Falsch.

Dann sah Annie auch, was.

Lynn war immer noch auf dem Floß. Für einen unendlich langen Augenblick wirkte er wie erstarrt. Längst warf das Feuer einen gleißenden Lichtschein und Rauch. Annie reagierte, ohne darüber nachzudenken. Sie war auf den Beinen, bevor sie es überhaupt wusste. Sie hörte sich selbst schreien.

„Lynn! Lynn! Sienna, was tust du da? Sienna!“

Ihr Weg endete in Blues ausgestreckten Armen. Es war kein sanfter Aufprall, doch sie ignorierte die Nachricht der Geste. Statt innezuhalten, schlug sie nach ihm. Ein Tritt traf seine Wade, ein Schlag seine Brust, ein anderer seine Wange, alles, was sie erreichen konnte.

Er war widerstandsfähiger, als sein ständiges Lächeln vermuten ließ.

Irgendwann schrie sie frustriert.

„Lass mich – Blue –“

„Du willst dich da nicht einmischen, Annie.“

Erst jetzt sah sie zu ihm auf. Er lächelte nicht und plötzlich wusste sie, was das bedeutete. Sie war nicht dumm. Sie war ein Career. Und das hier waren keine einfachen Streitigkeiten – sondern die Allianz. Annies geballte Faust erlahmte in der Bewegung. Seine Arme schlossen sich um sie und waren für einen Moment das Einzige, das ihre Knie davon abhielt, nachzugeben.

Direkt nach dem Blutbad. Viel zu früh.

Hinter Blue erreichte Lynn das Ufer und kletterte die Böschung hinauf. Annie wollte ihn warnen, doch die Erkenntnis lähmte sie noch immer. Ihr war klar – es war längst zu spät. Mittlerweile war nicht nur Sienna beim Ufer, sondern auch ihr Distriktpartner. Vitya.

„Warum lässt du das zu?“

Blue antwortete nicht. Vielleicht übertönte Lynns Wutschrei aber auch nur, was er sagte.

„Was sollte das?“

Zitternd äugte sie über Blues Schulter.

„Was wohl?“, antwortete Vitya, unangenehm begeistert. „Wir testen, ob du schwimmen kannst, 4.“

„Ja“, ertönte jetzt auch Siennas Stimme. „Und was sollen wir sagen?“

„Sieht aus, als hättest du den Test bestanden. Nur das mit der Richtung, das solltest du noch üben.“

Annie zwang sich dazu, von Lynn zurück in Blues Gesicht zu sehen.

Mittlerweile lächelte er wieder, aber es war ein schmales Lächeln, das nichts mit dem zu tun hatte, das sie von ihm gewohnt war. Jetzt, wo das Feuer die einzige, direkte Lichtquelle war, wirkten die Strähnen, die in sein Gesicht fielen, beinahe schwarz. Das war es also, das das glänzende Distrikt 1-Geplänkel verbarg. Sie konnte über die Ironie weder lachen noch weinen. Stattdessen versuchte sie es erneut.

„Blue“, fragte sie. „Warum jetzt? Das Blutbad ist gerade erst vorbei –“

Dieses Mal reagierte er, doch die Antwort war keine, die sie sich erhofft hatte.

„Ich will Lynn nicht töten“, gestand er, über den Lärm des Gerangels hinter ihm hinweg. In seiner Umarmung spürte Annie, wie er mit den Achseln zuckte. „Du kannst ihn nicht töten.“

Sie presste die Lippen aufeinander, den Blick starr auf seine Augen gerichtet, die die Geste nicht erwiderten. Wie einfach wäre es für ihn, ihr jetzt das Genick zu brechen? Was auch immer ihn davon abhielt, vermutlich war es kein Mitleid.

„Nimm dir ein Schwert und einen Rucksack. Es ist besser, wenn du gehst.“

Jetzt flackerte ihr Blick doch zurück zu Lynn und Vitya, die längst nicht mehr waren, als ein Knäul auf dem Boden. Vielleicht konnte er Vitya besiegen. Vielleicht – nein, sie wusste es besser. Es war nicht nur Lynn gegen Vitya – Sienna stand bei ihnen und johlte. Auch die anderen waren näher gekommen, nur Georgia starrte mit gespanntem Bogen in die Nacht. Selbst wenn Vitya fiel, blieb immer noch Sienna und nach ihr die anderen. Nolan, Trinity, Georgia … und Blue.

Was auch immer er zu dir gesagt hat – ich glaube, es ist besser, wenn du es ignorierst.

Die Worte hallten in ihrer Erinnerung.

Die Augen von Distrikt 12 weiteten sich. Sie konnte nicht schwimmen. Ertrank, wie der Junge aus 5 …

Annie nickte schwach.

Augenblicklich entließ Blue sie aus seinem Griff. Für einen Moment war sie versucht, an ihm vorbei zu stürmen. Er würde sie aufhalten. Selbst wenn nicht – sie hatte keine Chance gegen sechs andere Tribute. Stattdessen wirbelte sie herum und rannte. Im Lauf griff sie nach dem Rucksack, aber nicht nach dem Schwert.

Es war der feige Weg, das war ihr klar. Er würde sie Sponsoren kosten und den Rückhalt ihres Distrikts. Doch sie wollte nicht enden, wie das Mädchen aus Distrikt 12. Nicht jetzt. Nicht hier.

Erst als sie den Waldrand erreichte, drehte sie ein letztes Mal um. Sie hörte noch immer die Rufe der anderen und Lynns Schreie, doch sie verstand sie nicht mehr. Das letzte, das sie sah, war eine erhobene Axt im Feuerschein.

Eine Kanone beendete die Hungerspiele des Lynn Irving.



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Kommentare zu dieser Fanfic (5)

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Von:  maoyan
2013-03-13T22:43:41+00:00 13.03.2013 23:43
Diese ff ist...interessant. Sie ist gut, eindeutig, aber schwer durchschaubar. Auf jeden Fall mag ich die Idee mit den sechs Kapiteln von sechs Charakteren, die ist wirklich schön. Und die Charaktere sind ebenfalls sehr interessant, am liebsten hätte ich jetzt noch eine Fortsetzung bis zum Ende von Annies Hungerspielen. Einfach, weil ich gerne noch mehr Zeit hätte, um die Charaktere zu verstehen zu lernen. Sie sind verdammt interessant, ob sympathisch oder nicht. Vor allem Blue ist ziemlich undurchschaubar - von seinem Aussehen über seine Aktionen, er ist verwirrend. Ich kann nur raten, warum er Annie aufhält, als die anderen Tribute Lynn töten, und vor allem, warum er ihr rät zu fliehen; ich wüsste nicht, was ihm das bringen sollte.
Auch Georgia finde ich wirklich gelungen, wie sie auf alles herabsieht, ohne sich stark überheblich zu verhalten. Sie ist mir sowieso sympathisch, aber auch von ihr hätte ich gerne mehr gelesen. Es schert sie eindeutig einen Dreck, was andere über sie denken, und beachtet nur die Wichtigen Leute.
Lynn wird meiner Meinung nach viel zu kurz erwähnt, es ist schade, dass er so früh stirbt. Er ist irgendwie der Good-boy der Geschicte, eine Art Peeta, und hat von allen am Wenigsten Charakter. Aber, wenn man wollte, könnte man aus ihm eine wirklich spannende Figur machen.
Am besten finde ich Annie Cresta, das ist mal eine ganz andere Beschreibung von ihr. Total interessant, aber leider aufgrund der kurzen Story absolut undurchschaubar. Sie wirkt so ruhig und oft auch unerfahren, aber ich glaube, sie denkt ganz anders als die anderen Tribute. Georgia hat sie nicht umsonst als D eingestuft.
Und, zuletzt, Finnick Odair und Yara. Letztere finde ich persönlich nicht so interessant - sie ist der Stereotyp verändertes Mädchen aus den Hungerspielen, Typ Siegerin. Finnick aber ist sehr authentisch dargestellt. In vielen FinnickxAnnie Geschichten kommt Finnick so ganz anders rüber, aber ich mag deine Vorstellung von ihm sehr gerne - genauso habe ich ihn mir vorgestellt.
Trotz der verwirrenden Charaktere kommt man bei der Geschichte aber gut mit. Sie ist in einem wirklich sehr schönem Schreibstil geschrieben, der flüssig zu lesen ist, trotz einiger Wortwiederholungen. Und obwohl man weiß, wie es ausgeht (mit Lynns Tod), schaffst du es, das es bis zum Ende spannend bleibt.
Zu den Charakterbeschreibungen hätte ich mir ein Bisschen mehr gewünscht, hauptsächlich aber, weil ich von den Charakteren einfach nicht genug kriege. (Ich weiß, ich wiederhole mich.) Wie viel man zu den Charas erwartet ist aber einfach Geschmackssache und nichts groß zu Kritisierendes.
Insgesamt kann ich sagen, das ich deine ff wirklich, wirklich gut finde und mir eine Fortsetzung (oder auch eine zweite ff mit den selben Charas) wünschen würde. Auf jeden Fall ein grßes Lob!
Von:  Kiryava
2013-02-23T17:12:56+00:00 23.02.2013 18:12
Soo ... ich setze mal meinen Kommentar hier fort ;) Hat wieder etwas länger gedauert, tut mir leid, aber ich mag auch nicht einfach irgendwas runterschreiben.
Habe ich bereits erwähnt, dass mir deine OCs sehr gut gefallen? Ja? Egal, ich sag’s nochmal ;)
Georgia Reed (ist das übrigens eine Anspielung auf die Reeds oder darauf, dass sie Vegetarierin ist?) finde ich schon allein vom Konzept her interessant: Sie ist zwar aus Distrikt 10, wo ja, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, hauptsächlich Fleisch produziert wird, aber ist trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – Vegetarierin. Ich könnte mir vorstellen, dass das in einem Distrikt, wo man so viel mit Tieren zu tun hat, irgendwann bei einigen so eine Reaktion auslöst, wenn man die ganze Zeit mit den Tieren, die man essen soll, zusammengelebt hat. Und es ist ja nicht nur, dass sie kein Fleisch bekommen (die jeweiligen Rationen der Unterschichten unterscheiden sich da vermutlich nur geringfügig von Distrikt zu Distrikt), sondern die Entscheidung, es einfach nicht zu tun. Als Hintergrundgedanke für Leute aus 10 funktioniert das erstaunlich gut, ist stimmig, aber mit dem kleinen „Hmm seltsam“-Moment, den ich als Leser gerne mal habe.
Dass sie dann im Kapitol – entsprechend ihres Distrikts – mit Fleisch abgefüttert wird, ist natürlich großes Pech (oder Sadismus, wer weiß).
Ich fand es irgendwie süß, wie Georgia und Nolan ihr Essen tauschen, fast wie in einer Schulkantine oder so. Das zeigt, wie wenig die Jugendlichen eigentlich auf das, was sie in der Arena erwartet, vorbereitet sind. Ebenso dass sie trotz allem Freundschaften, oder eher Bündnisse, schließen, obwohl sie ja wissen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit sterben müssen.
Wie du die Careers beschrieben hast, fand ich auch ziemlich eindrücklich. Der Career aus 2 trifft ziemlich das Klischee, ebenso wie Lynn sich ja auch so verhält, wie man es einem Tribut aus Distrikt 4 zutrauen würde. Aus der Menge heraus stach natürlich Blue (was wohl auch beabsichtigt war). Ich frage mich, wie jemand alleine aufgrund von seiner Haarfarbe auffallen kann, wo doch ungewöhnliche Haarfarben im Kapitol zur normalen Tagesordnung gehören.
Trinity scheint wie das typische Mädchen aus 1, es ist aber vielsagend, wie sie von Blue abgegrenzt wird ( sie spielte die hübscher Tribut-Karte. Aber sie tat es, weil sie es musste. Er spielte die hübscher Tribut-Karte ebenfalls, allerdings weil er es wollte.). Schön fand ich auch, dass noch einmal darauf hingewiesen wurde, dass Annie sich Sorgen um Lynn macht. Das bestärkt nur meinen Verdacht. Annie scheint mir hier allerdings noch ein ziemlich selbstsicherer Tribut, worauf auch immer man das zurückführen mag.
Besonders am Ende des dritten Kapitels, wo sie sich mit Georgia und Nolan über die Klassifizierung von Tributen unterhält. Obwohl sie auch da schon etwas nachdenklicher wirkt, was ja ein großer Unterschied zu ihrem Auftreten ganz am Anfang, während der Ernte, ist. Bevor sie wusste, wer mit ihr in die Arena geschickt werden würde.
Insgesamt wird sich ja langsam an die Darstellung Annies herangetastet. Bevor endlich ein Kapitel aus ihrer Perspektive kommt, hat man erst mal von allen anderen Charakteren einen Eindruck von ihr erhalten. Sowas finde ich immer sehr interessant, weil ich immer gerne weiß, wie dieselben Ereignisse oder Personen für jemand anderen aussehen. Und einen Charakter erstmal durch die Figuren, die ihn umgeben, kennenzulernen macht immer mehr Spaß, als ihn von Anfang an als eindeutig und klar umrissen vorgeklatscht bekommt.
Vitya scheint ja nicht viel von Annie zu halten. Dafür gibt er in seinem Kapitel ein paar vielsagende Details über Blue preis. Er kommt allerdings tatsächlich ungefähr so rüber, wie ich ihn mir aufgrund von Georgias Beschreibung vorgestellt hatte, obwohl er vielleicht doch etwas intelligenter ist, als man annehmen sollte. Schön fand ich, als er festgestellt hat, dass man sich irgendwann selber für einen Idioten hält, wenn es nur genug andere auch tun und dies auch ausdrücken.
Vielleicht liegt es daran, dass ich Finnick sehr gerne mag, aber mir hat sein Kapitel, zusammen mit dem von Yara, am besten gefallen. Du hast in ein paar Seiten seinen Charakter sehr gut eingefangen und ihm einiges an Tiefe verliehen. Vor allem ist es dir sehr gut gelungen, seine Erinnerungen an seine eigenen Hungerspiele einzubinden. Solche Flashbacks überzeugend in einem Text darzustellen ist ja alles andere als einfach. Besonders wie er dann an seine eigenen Hungerspiele denken muss, als er denn Beginn der jetzigen Spiele am Fernseher verfolgen muss, war sehr flüssig und beeindruckend.
Das Fangirl in mir hätte natürlich gern noch ein wenig mehr FinnickxAnnie gesehen, aber das wäre an dieser Stelle wohl ziemlich OoC gewesen, weil er ja in den Büchern selber sagt, dass er sich erst nach und nach in Annie verliebt hat. Allerdings fand ich es super, dass er sich darüber ärgert, dass Danica Izar auf Annies Platz sitzt. Mit Hinblick auf die spätere Entwicklung der Geschichte ist das sehr symbolisch.
Übrigens: Kommen die Mentoren-Wachhunde auch in den Büchern vor, oder hast du die erfunden? ... ich kann mich nämlich an keine Personen mit diesem Beruf erinnern.
Deine Beschreibungen der Arena passen mit den Andeutungen aus dem Buch zusammen. Schließlich war ja das hauptsächliche Merkmal, dass die Arena geflutet wurde und Annie nur durch Schwimmen überlebt hat (was ja durch das Mädchen aus Distrikt 12 schon subtil angekündigt wird). Allerdings musste ich mir den Text dazu zweimal durchlesen, um genau zu verstehen, was eigentlich wo passiert. Es war mir nicht sofort klar, wo Lynn steht und wo Vitya und die anderen, und was genau passiert. Aber jetzt habe ich es kapiert ^_^
Im Grunde ist ja nur der Auftakt der Hungerspiele beschrieben, aber dank der Information, die man aus den vorigen Kapiteln hat, weiß man ziemlich genau, was in den einzelnen Charakteren vorgeht, und kann sich auch denken, wie es zu Annies Zusammenbruch kommen wird.
...jetzt hätte ich richtig Lust, den Rest der Spiele auch noch lesen zu können.
Mir gefällt die FF auf jeden Fall sehr gut, vor allem weil es mal etwas anderes ist. Die verschiedenen Perspektiven sind sehr ansprechend und gefallen mir persönlich auch sehr gut. Auch, dass du so viele unterschiedliche und glaubhafte OCs geschaffen hast, die sich trotzdem in den Hunger Games Canon einfügen. Sonst bin ich ja nicht so ein Fan von OCs, aber hier finde ich sie wirklich sehr passend.
Außerdem war deine Auffassung der reicheren Distrikte spannend, auch mit den kleinen Details, dass z.B. Finnick meint, dass die atemberaubende Aussicht auf das Kapitol den ärmeren Distrikten vorbehalten ist. Diese Hintergrundinformationen, die mir im Buch manchmal gefehlt haben, hast du in dieser FF schön eingeflochten.
Alles in allem eine sehr gelungene FF. Vielen Dank ^_^
Von:  Kiryava
2013-02-07T22:37:24+00:00 07.02.2013 23:37
Hm ja ...eigentlich, vielleicht, eventuell, ursprünglich wollte ich mal Game of Thrones. xD
Ich muss sagen, du hast mich ziemlich überrascht mit dieser FF, da ich ja (nach gefühlten 20 Fragen zu GoT) wirklich fest damit gerechnet hatte, dass du dazu was schreibst. Eigentlich.
Entsprechend war ich dann auch erstmal ein wenig skeptisch, als ich das Fandom gesehen habe (vor allem weil ich besonders dem letzten Band der Hungerspiele nicht besonders wohlgesonnen gegenüberstehe), aber – ich hatte es dir ja bereits im Thread mitgeteilt – du hattest mich bereits ab der ersten Seite. Liegt vielleicht daran, dass ich Charaktere wie Yara liebe. Sie ist so herrlich sarkastisch und gemein. Lyssa Makram tat mir je ehrlich gesagt sogar ein bisschen Leid. Mir hat es super gefallen, wie du Yara etabliert hast, ohne den Leser (also mich) mit der „Das-ist-mein-Charakter-er-verhält-sich-so-und-so-weil“-Keule zu treffen. Es sind eher die kleineren Details, die sie einem näher bringen. Und ihre Beschreibung von Lyssa Makram ist spitze. Man konnte sich die arme schwitzende Frau mit ihrer Perücke und dem „Fischkostüm“ richtig gut vorstellen. Vor allem das Fischkostüm ;)
Besonders spannend finde ich die Beziehung, die Yara und Finnick zueinander haben. Es wird zwar einerseits angedeutet, dass das Kapitol sie zusammen sehen möchte, andererseits scheinen sie sich ja durchaus zu mögen, da sie sich ja küssen. Vor allem wenn man Finnicks und Annies weitere Geschichte bedenkt, lässt das natürlich auf einige Konflikte schließen. Auch warum das Kapitol sie als Paar mag, bleibt ein Rätsel. Finnick ist ja dort selber auch recht ... beliebt. Aber ich nehme an, in den Hunger Games geht es vor allem darum, dass dem Publikum (sprich: dem Kapitol) was geboten wird. Und ein kleines Liebesdrama ist da natürlich genau das richtige.
Deine Darstellung von Distrikt 4 fand ich auch sehr interessant, vor allem weil ich mich mal wieder frage, warum gerade dieser Distrikt zu den Careers gehört. Ich meine, stinkige Fischfabriken sind wahrscheinlich nicht gerade die Vorstellung des Kapitols von einem angenehmen Leben. Oder sollte ich da eine wichtige Information zu übersehen haben?
Abgesehen davon ist es spannend (vor allem im Gegensatz zum Buch, das sich ja ausschließlich auf Distrikt 12 fokussiert), mal zu sehen, wie die Ernte in den Career-Distrikten abläuft. Dass die älteren Jungs aus der Akademie sich um einen Platz in den Hungerspielen reißen, muss man erstmal verdauen, immerhin ist die Chance zu gewinnen selbst als Career nicht besonders hoch (mir persönlich wäre ja schon eine 50/50-Chance zu wenig >____<). Und – was ich als langsamer Leser natürlich auch nicht gleich realisiert habe – dass in den Career Distrikten auch die eigenen Distrikt-Kollegen eine riesige Gefahr darstellen können. Von den ärmeren Distrikten ist man ja eher gewohnt, dass die beiden Jugendlichen sich nicht direkt als Gefahr sehen. Aber dass Annie natürlich wenig begeistert ist, mit (offensichtlich) einem der besten Tribute (noch dazu aus der Sieger-/Bürgermeister-Familie) in die Arena geschmissen zu werden, ist verständlich.
Was es heißt, gegen den Sohn der Bürgermeisterin anzutreten, wurde mir aber eigentlich erst so richtig im zweiten Kapitel klar. Natürlich „unterhält“ sich da die Familie mal mit der anderen Tributin, um die Sicherheit ihres Sohnes zu garantieren. Und dann wird einem auch (im Hinblick auf die Bücher) klar, warum sie sein Tod so fertiggemacht haben muss. Ich vermute jetzt einfach mal, dass der Bürgermeister ihr angedroht hat, ihrer Familie etwas anzutun, wenn sie nicht dafür sorgt, dass Lynn lebend aus der Arena rauskommt. Das ist eine sehr gute Idee, um ihrem Verhalten zu erklären. Vor allem da man ja gerade in Distrikt 4 davon ausgehen muss, dass alle Tribute Careers sind und geschult, in der Arena zu überleben.
Übrigens finde ich den Friedenswächter sehr sympathisch, auch wenn er Annie die Begegnung mit Lyyns Großvater „eingebrockt“ hat. Aber es macht ihn sehr menschlich, dass es ihm leidtut. Und wenn ich ehrlich bin ist es als Friedenswächter wahrscheinlich auch nahezu unmöglich, sich einem so mächtigen Mann zu widersetzen. Wenn sich sogar sein Urenkel für ihn entschuldigt. Arme Annie.
Sorry, dass es mit dem Kommentieren etwas gedauert hat. Zu den weiteren Kapiteln werde ich mich äußern, wenn du sie hochlädst :)
Aber ich kann dir nochmal versichern, dass du mir eine große Freude mit der Geschichte gemacht hast.
Von:  _Delacroix_
2013-02-07T19:52:28+00:00 07.02.2013 20:52
Uh, Kapitel 2 ist da und nein, das war nicht mein persönliches Lieblingskapitel. Aber ich kommentier das jetzt trotzdem, immerhin bin ich durch die Story ja schon einmal komplett durch und da isses eigentlich ziemlich rille, wo ich auf kommentieren drücke.^^

Insgesamt ist es sehr spannend, dass du es geschafft hast, aus den drei Sätzen, die man über diese Hunger Games hört, eine komplette Geschichte zu machen. Die OCs sind durch die Bank eigentlich recht interessant, haben ihre Macken und wenn man weiß was ihnen blüht, hinterlässt es beim Lesen einen faden Beigeschmack. Mir persönlich gefällt Annie als Career auch deutlich besser als als armes, kleines, bedauernswertes Etwas, das nur zufällig aus dem Topf gefischt wurde. Vor allem passt es auch besser zu dem was man vom Distrikt hört.

Ansonsten: Stand die Geschichte zwischenzeitlich mal auf komplett abgeschlossen, oder verstehe ich Coronet nur einfach nicht richtig? Das alles klingt so abgeschlossen. O.o
Antwort von: Arcturus
07.02.2013 20:56
Danke :)

Und ähm, ja, tat sie mal. Ich war zu blöd zum umschalten.
Von:  Coronet
2013-02-06T18:55:02+00:00 06.02.2013 19:55
Hallo :)
Ich werde es gleich zuerst sagen: Ich weiß nicht, was ich von dieser FF halten soll.
Selbst bin ich irgendwo schon ein großer Fan von Distrikt vier, Finnick und Annie, umso neugieriger bin ich deshalb immer auf neue FFs mit den beiden.
Wie eigentlich immer ist dein Schreibstil auch angenehm und weitgehend fehlerfrei, soweit ich das sehen kann.
Ein bisschen abrupt fand ich den Einstieg, ich habe nicht gleich den Zugang der Geschichte gefunden, da ich nicht recht wusste, in welcher Situation sich Yara befindet.
Insgesamt ging es jedoch nach der ersten Seite und du hast mit Yara auch einen guten Charakter entworfen, ich konnte sie verstehen, auch wenn ich mir mitunter ein paar mehr Ausführungen gewünscht hätte, aber gut, so schlimm ist das ja nicht und eher persönliche Ansichtssache.
Es ist nett, dass du den Fokus nicht allzu sehr alleine auf die geschockten/ohnmächtigen/hilflosen Kinder, bzw. zukünftigen Tribute gelegt hast, so etwas in der Art habe ich vorher noch nicht gelesen. Auch finde ich, dass du an der Betreuerin schön die "Schattenseiten" des Kapitols illustriert hast, mit ihrer Perücke und dem verschmierten Make-Up.
Allerdings konnte ich dafür die Beziehung zwischen Finnick und Yara nicht ganz verstehen, wie genau stehen die beiden jetzt zueinander?
Finnick ist ja zudem eher als jemand bekannt, der vom Kapitol zu Liebschaften mit Damen des Kapitols gezwungen wird, von daher erscheint es mir gerade nicht allzu schlüssig, dass er Händchen mit Yara hält.
Annies Auftritt war überraschend, eine Version wo sie Anfangs ein Karriero war habe ich bisher noch nicht gesehen, aber es ist auch eine nette Idee, schließlich ist es ja nicht festgelegt, wie ihr Charakter vor den Spielen war. Auch gefiel es mir, dass sie nicht als überirdisch schön und auf dem ersten Blick zum Verlieben aussah, sondern durchschnittlich. Ebenso mag ich die Erwähnung von den Fischfabriken, die ich mir recht unschön vorstelle, denn auch Distrikt vier hat sicherlich nicht nur schöne Seiten zu bieten, auch wenn es oft als sehr romantisch dargestellt wird.
Dafür hadere ich widerrum ein wenig mit dem Schluss, ich kann den letzten Satz nicht ganz nachvollziehen, warum Annies Tod beschlossen sein soll? Einfach nur wegen dem freiwilligen Tribut, oder habe ich gar etwas überlesen?
Wie dem auch sei, als Ansatz finde ich die Geschichte schon interessant, und mich verwundert es etwas, dass du sie als abgeschlossen gekennzeichnet hast, denn unter den Charakteren ist ja noch unter anderem der Tribut aus D10 aufgeführt, der jedoch nicht vorkam. Handelt es sich dabei also um einen Fehler, oder ist es tatsächlich so abgeschlossen?
Eine Weiterführung würde ich jedenfalls gerne verfolgen, denn wie gesagt, Schreibstil und die Ideen sprechen für die Geschichte.
Allerdings beschleicht mich irgendwie das Gefühl, etwas überlesen zu haben, weswegen ich zu dem Schluss komme, dass ich mit dieser FF, so wie sie momentan ist, doch nicht ganz warm werde, leider.
Liebe Grüße,
Coronet
Antwort von: Arcturus
06.02.2013 20:17
Hi,

danke für deinen Kommentar.

Das mit der Abgeschlossen-Markierung war in der Tat ein Fehler. Ich habe einfach verschludert, dass neu hochgeladene Geschichten ja automatisch auf abgeschlossen gesetzt werden, solang man das nicht ändert. Tatsächlich hat die Geschichte sechs Kapitel - für jeden Charakter in der Charaübersicht einen.
Den Fehler habe ich zwischenzeitlich aber selbst bemerkt und korrigiert.

Auf die anderen Sachen, die du im Kommentar ansprichst, möchte ich dir lieber per ENS antworten. Das macht sich, solltest du ein Interesse an einer Diskussion haben, vermutlich besser. :)

lg
NIX


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