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Meine Creepypastas

Paranormale (Horror) Geschichten
von

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Scarecrow Jack Teil 3: Rooms

Halloween rückte näher und Officer Morgan hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um endlich eine verwertbare Spur zum Scarecrow Killer zu finden. Er ließ sich nicht von der Paranoia der Bewohner anstecken, sondern suchte nach Fakten und Beweisen. Für ihn stand fest, dass es sich um einen Menschen und nicht um eine Vogelscheuche handelte und für ihn war Jackson Cohan, der vor zwanzig Jahren bei einem Waldbrand ums Leben kam der einzige Verdächtige. Vor kurzem hatte man die mumifizierte Leiche von John Cohan gefunden, dem Onkel des Verdächtigen. Dieser war vor zwanzig Jahren mit diversen Messerstichen getötet worden und vor kurzem hatte man seine Leiche als Vogelscheuche verkleidet und auf dem alten Feld aufgestellt, wo zuvor „Scarecrow Jack“ gestanden hatte. Ich selbst habe schon mehrmals die Vogelscheuche zu Gesicht bekommen und ein Mal hatte nicht viel gefehlt, dass sie mich umgebracht hätte. Lediglich Charles’ schnelles Eingreifen hatte das Schlimmste verhindert und ich zog mir ein paar tiefe Schnittwunden von der Klingenhand zu. Diese mussten genäht werden und sogleich kam Officer Morgan ins Krankenhaus, um meine Aussage aufzunehmen. Leider konnte ich ihm nicht viel sagen, außer, dass der Killer haargenau wie die Vogelscheuche „Scarecrow Jack“ aussah. Unser Haus wurde genau durchsucht und ich erzählte Officer Morgan von den Schüssen. Aber es fand sich kein Blut, lediglich Dreck und etwas Ungeziefer. Die Spurensicherung fotografierte die Fußspuren, die der Vogelscheuchenmörder hinterlassen hatte und sammelte ein paar Proben der Dreckklumpen ein. Während das Haus auf den Kopf gestellt wurde, saß ich auf der Veranda und sah zur alten Farm hinüber. Wieder stand die Vogelscheuche da, als wäre sie nie weg gewesen. Auf die Entfernung konnte ich keine Details erkennen, aber ich spürte, dass sie mich schadenfroh angrinste. Wie ich dieses Ding hasste. Gemeinsam mit Charles hatte ich beschlossen, sie endlich für immer loszuwerden und sie zu Kleinholz zu verarbeiten. Weder ich noch Lewis hatten in den letzten Nächten Schlaf gefunden und nun war ein Punkt erreicht, an dem wir alles loswerden wollten, was mit dem Serienmörder in Verbindung stand. Und dazu gehörte auch diese Vogelscheuche. Ich beobachtete sie argwöhnisch, wie sie langsam im Winde hin und her schaukelte und die Vögel von Feldern verscheuchte, auf denen sowieso nie wieder etwas wachsen würde. Nur eine Aaskrähe hockte auf der Stange und gab immer wieder ein lautes Krächzen von sich. Immer mehr setzten sich auf die Stange und begannen zu krähen. Und irgendwie schien es mir so, als würden sie mir etwas zurufen. Mir schoss ein paranoider Gedanke durch den Kopf: „Die Aaskrähen wissen, dass du als nächstes sterben wirst. Sie warten nur darauf, über dich herzufallen.“ Ich wusste, dass das vollkommen verrückt und paranoid war, aber inzwischen fühlte ich mich nirgendwo mehr sicher. Und die Leute in Annatown schienen das Gleiche zu denken und zu fühlen wie ich. Sie gingen mir aus dem Weg und auch Madison ging einfach an mir vorbei und ignorierte meine Anrufe. Mich beschlich langsam das Gefühl, als hätten sie von Anfang an beabsichtigt, dass ich durch meinen Umzug das nächste Opfer werden sollte, damit sie verschont blieben. Natürlich klang das völlig bizarr und abwegig, aber inzwischen wusste ich auch nicht mehr, was ich noch glauben sollte. Tatsache war, dass alle in der Stadt ein Geheimnis hüteten und die Vogelscheuche hatte auch damit zu tun. Und wenn mich nicht alles täuschte, hatte vielleicht auch Jackson Cohan damit zu tun, sollte er tatsächlich der Scarecrow Killer sein. Nein, er musste es einfach sein. Wer konnte es denn sonst sein? Da ich immer noch Angst um meinen Sohn hatte, wollte ich selber etwas unternehmen und nicht bloß darauf warten, dass die Polizei etwas herausfand. Zwar war Officer Morgan sehr engagiert und zielstrebig, aber auch er konnte die Tatsache nicht abstreiten, dass die Polizei schon seit vier Jahren vergeblich den Vogelscheuchenmörder suchte. Ich nahm Charles’ Gewehr und machte mich auf den Weg zur alten Cohan Farm. Dabei machte ich jedoch einen weiten Bogen um das Feld herum, wo die Vogelscheuche stand und hörte in meinem Hinterkopf wieder dieses unheimliche Lied, welches sie gesungen hatte.

Das Farmhaus sah aus, als wäre es schon seit einer halben Ewigkeit verlassen. Die Fensterscheiben waren zerstört, das Holz wirkte vertrocknet und überall stand das vertrocknete Unkraut bis zu den Knien. In der Ferne hörte ich das laute Krächzen der Aaskrähen und der Wind blies mir kalt entgegen, sodass ich meinen Mantel fester zuziehen musste. Die Atmosphäre hatte etwas Bedrückendes und zugleich Unheimliches an sich und ich fühlte mich in einen düsteren Horrorfilm versetzt. Die Haustür war verschlossen und ich sah schon, dass die Scharniere verrostet waren, was bedeutete, dass es nur etwas Kraft brauchte, um die Tür aufzubekommen. Gerade wollte ich mich ans Werk machen und ergriff schon den Türknauf, da rief mir jemand zu „Wird das, was Sie da tun, etwa das, was ich vermute?“ Ich drehte mich erschrocken um und sah erleichtert, dass es nur Officer Morgan war. Mit der Polizei hatte ich sowieso lieber Ärger als mit der Vogelscheuche. „Ich wollte mich hier nur ein wenig umsehen, das ist alles.“

„Aha, und dazu brauchen Sie ein Gewehr?“

„Nur zum Schutz. Ich habe keine Lust, ebenfalls mit Bonbons ausgestopft zu werden wie die anderen. Ich glaube, dass da mehr an meiner Theorie dran ist und nun will ich nach Beweisen suchen.“

„Dann hatten wir beide das Gleiche im Sinn. Ich finde Ihre Theorie auch sehr interessant, deshalb bin ich hierher gekommen. Nun, wenn ich ehrlich sein muss, bin ich auch aus dem Grund hier, weil ich Sie vor diesem Psychopathen schützen will, der es offenbar auf Sie abgesehen hat.“ Erleichtert darüber, dass ich wegen Einbruchs keinen Ärger bekam und auch, dass mir der Officer seine Hilfe sogar anbot, atmete ich durch und gemeinsam widmeten wir uns der Tür. Dank Officer Morgans Kraft gelang es uns, die Tür zu öffnen und ins Haus zu gelangen. Von drinnen wehte uns ein modriger und zugleich fauliger Gestank um die Nase und mir wurde schlecht. Sofort presste ich mir ein Taschentuch gegen die Nase und fragte mich, warum es hier so fürchterlich stank. Wir gingen ins erste Zimmer, welches offenbar die Küche war. Dort fanden wir auch die Ursache für diesen Gestank: Die Lebensmittel lagen noch alle da und waren hoffnungslos verschimmelt und zersetzt. Es war sogar schon so verfault, dass das Ungeziefer es größtenteils schon aufgefressen hatte. Demnach müssten die Lebensmittel schon seit mehr als zehn oder fünfzehn Jahren dort liegen. Sogar das Essen stand noch auf dem Herd, wobei mir nicht ganz einleuchten wollte, warum die Cohans einfach so abgehauen waren und das Haus so zu hinterlassen. Diese Frage konnte mir Officer Morgan beantworten. „Es scheint so, als hätten sie gar nicht mehr die Chance gehabt, die Küche auszuräumen.“

„Wollen Sie etwa damit sagen, dass…“

„Ja. Es passt eben sehr gut zusammen: John Cohans mumifizierte Leiche wird gefunden und es stellt sich heraus, dass er seit knapp zwanzig Jahren tot ist und das Essen hier sieht auch so aus, als wäre es aus dem gleichen Jahrgang. Ich schätze, dass die Cohans nicht fortgezogen sind. Sie wurden ermordet und ihre Leichen blieben verschwunden. Stellt sich mir die Frage, wo Mrs. Cohans Leiche abgeblieben ist.“

„Vielleicht ist sie irgendwo im Haus.“ Die Dielenbretter knarrten unter unseren Schritten und überall fanden wir Ungeziefer. Mal waren es Kakerlaken oder Asseln, hier und da huschte eine Maus oder eine Ratte vorbei. Ich überwand meinen Ekel und gemeinsam gingen wir ins Wohnzimmer, wo der Anblick nicht weniger schlimm war. Der Sessel und das Sofa waren aufgeschlitzt worden und in der Ecke lag eine tote Katze, die noch nicht lange da war, dazu sah der Kadaver noch sehr frisch aus. Ein höllischer Gestank kam von der Tür im Wohnzimmer her, welche in den Keller führte. Im Holz waren tiefe Kratzer, als wäre sie mit einer Klinge bearbeitet worden. Man sah auch sofort, dass es immer vier nebeneinander liegende Schnitte waren, als stammten sie von Krallen. Oder aber vom Scarecrow Killer. Ich sah zu Officer Morgan, der seine Pistole zog und sich langsam der Tür näherte. Vorsichtig öffnete er die unverschlossene Tür und schaute hinunter in die Dunkelheit. Wir betätigten den Lichtschalter, jedoch funktionierten im Haus weder Strom noch Wasser. Stattdessen nahm der Officer seine Taschenlampe und ging voran. Ich folgte ihm mit relativ kurzem Abstand, da ich keine Lust hatte, von hinten überrascht zu werden. Der Gestank war entsetzlich und ich fürchtete, dass er noch viel schlimmer werden würde, je tiefer wir in den Keller gehen würden. Vorsichtig stiegen wir Schritt für Schritt die Stufen runter, während Officer Morgan mit der Taschenlampe leuchtete und die Pistole bereithielt. Schließlich hatten wir das Ende der Treppe erreicht und zu unserer Überraschung hatte der Gestank ein wenig nachgelassen. Vielleicht hatten wir uns aber auch bereits daran gewöhnt. Der Keller war großräumig, besaß keine Fenster und einen sehr altmodischen Heizofen. In einer Ecke hing an der Wand ein Kreuz, allerdings hatte man es verkehrt herum aufgehängt und darüber war mit altem, eingetrocknetem Blut geschrieben „Es gibt keinen Gott!“ Vor dem Kreuz stand ein kleiner Altar mit heruntergebrannten Kerzen, etwas weiter weg lag eine Matratze, auf der sich die Ratten tummelten. Ich schrie bei diesem Anblick auf und flüchtete in Richtung Treppe. Officer Morgan sah sich das Getummel genauer an und rief mir zu „Keine Sorge, da liegen nur ein paar tote Tiere, mehr nicht.“

„Toll, das beruhigt mich wirklich“ gab ich sarkastisch zurück und wartete, bis der Polizeibeamte fertig war. Allerdings sah er sich den Keller noch eine Weile an und fand schließlich nicht weit von der Matratze entfernt einen Schuh… einen Kinderschuh. Auf mein Drängen hin verließen wir den Keller und im Wohnzimmer berichtete er von seinem Fund. Er zeigte mir den Schuh und ich erkannte ihn trotz seines verrotteten Zustandes als einen von Jacksons Schuhen wieder. „Und was hat es mit dem Schuh nun auf sich?“

„Tja, ich hatte da so eine Bemerkung meines Vaters im Hinterkopf, der damals Jackson nach Hause gebracht hat, nachdem er von dort weggelaufen war. Er hatte leise vor sich hin gemurmelt „Wenn man so darüber nachdenkt, stimmte was mit der ganzen Familie nicht.“ Über die Eltern und die Vergangenheit von Jackson habe ich nicht viel in Erfahrung bringen können, weil sämtliche Akten längst im Archiv sind und die meisten Polizisten von damals schon im Ruhestand sind. Ich habe mich mehr über John und Teresa Cohan informiert und herausgefunden, dass sie der „Vereinigung der wahren Christen“ angehören. Das ist eine radikale, christliche Sekte, die sogar die Hexenverbrennung wieder einführen will. Ich selbst habe schon drei Razzien mitgemacht, bei denen diese Vereinigung der schweren Kindesmisshandlung und Körperverletzung beschuldigt wurde. Vier Kinder wurden gerettet und sie haben die Hölle durchlebt, das können Sie mir glauben. Ihre Körper waren von Peitschenhieben zernarbt, manche hatten entzündete Verletzungen und wurden dadurch schwer krank. Ich fürchte, Jackson ist dasselbe passiert und man hat ihn hier unten eingesperrt. Irgendwann hatte er es geschafft, sich zu befreien und ist fortgelaufen. Eine Polizeistreife hat ihn aufgegabelt und zurückgebracht.“

„Aber warum denn?“

„Jackson weigerte sich, den Grund für seinen Ausriss zu nennen. Er sagte gar nichts und als man ihn in den Wagen bringen wollte, ist er durchgedreht und hat sich so heftig zur Wehr gesetzt, dass mein Vater vier Leute brauchte, um ihn festzuhalten. Einem Polizisten hat er in den Arm gebissen und einem anderen die Nase gebrochen. Er war wie ein wildes Tier. Inzwischen kann ich gut nachvollziehen, warum sich der Junge so verhalten hat.“

„Ich verstehe nicht, warum er überhaupt zu seiner Tante kam. Ich meine, es muss doch einen Grund dafür geben.“

„Das weiß ich, aber leider ist der Fall schon zwanzig Jahre alt und danach werden die Akten ins Archiv gebracht. Bedauerlicherweise ist vor dreieinhalb Jahren ein Feuer ausgebrochen und mehrere Akten wurden zerstört. Darunter war auch die Fallakte Cohan. Die einzige Möglichkeit besteht darin, die Polizisten zu befragen, die damals dafür gesorgt haben, dass Jackson von seiner Familie getrennt wurde. Problem ist nur, dass fast alle tot sind. Der Sozialarbeiter des Jugendamtes sowie auch der Pfarrer, der den Jungen betreute als auch zwei der Polizisten wurden Opfer des Scarecrow Killers.“

„Und was ist, wenn der Killer auch das Archiv in Brand gesteckt hat, um die Akten über Jacksons Vergangenheit zu vernichten? Vielleicht wollte er ja verhindern, dass die Polizei die anderen Beteiligten in Sicherheit bringt.“ Officer Morgan nickte bedächtig und gab zu, dass er darauf auch schon gekommen war. Die Schwierigkeit lag jedoch darin, dass es keine Beweise gegen Jackson Cohan gab, nur einige Indizien und die waren so lange wackelig, bis sich herausstellte, dass es damals nicht seine Leiche war, die im Wald gefunden wurde. Sollte es sich tatsächlich nicht um Jacksons Leiche handeln, dann war er der Killer, ganz ohne Zweifel. Doch was war, wenn er es nicht gewesen sein konnte, weil er damals wirklich bei dem Brand starb? Das könnte zum Problem werden. Mir spukten die Worte des Pfarrers wieder durch den Kopf. Er hatte mit fester Überzeugung gesagt, er hätte die Vogelscheuche gesehen und sie wäre das Karma von Annatown. Was meinte er bloß damit? Welches Geheimnis hüteten die Bewohner bloß? Schließlich gingen wir die marode Treppe nach oben, wo die Schlafzimmer, das Bad und auch Jacksons Kinderzimmer lagen. Auf dem Boden lag ein alter Teppich, der vor zwanzig Jahren in einem schönen rot geleuchtet haben mochte, der aber nun in einem grünlichbraunen Farbton dahinmoderte. Das Schlafzimmer der Cohans war klein, dennoch hübsch eingerichtet und auch hier mit einem kleinen Altar versehen. Das Bett jedoch war aufgeschlitzt worden, die Kissen und Decken lagen zerrissen und zerfetzt auf dem Boden und die Matratze wies einen riesigen dunklen Fleck auf, der höchstwahrscheinlich Blut war. „Sieht so aus, als seien sie hier ermordet worden“, murmelte ich und ergriff instinktiv Officer Morgans Arm. „Meine Güte… so viel Blut.“

„Vermutlich hat Jason sie im Schlaf überrascht und ihre Leichen im Bett liegen gelassen, bis sie mumifizierten. Nur warum wurde John Cohans Leiche als Vogelscheuche verkleidet? Das verstehe ich noch nicht wirklich.“ Wir verließen das Schlafzimmer und gingen in Richtung Bad, wo wir mehrere verweste Tierkadaver fanden, die allesamt ausgenommen worden waren. Schnell verließen wir den Raum wieder und erreichten schließlich Jacksons Zimmer. Mit Blut stand an der Tür geschrieben „Nicht reinkommen!“ Die Tür war die einzige im Haus, die abgeschlossen war und wieder einmal brauchte ich die Hilfe von Officer Morgan, um sie aufzukriegen. Das, was uns dahinter erwartete, war bei weitem schlimmer als in den anderen Räumen. Das Kinderzimmer war eine kalte, nackte Zelle mit vergitterten Fenstern. Es gab keine Tapeten, keine Farbe, keine Wärme. Nur eine alte Matratze auf dem harten Boden mit einer löchrigen alten Decke. Das hier war kein Kinderzimmer sondern eine Zelle. Die Wände waren mit Botschaften vollgekritzelt, die nur einen Teil von dem wiedergaben, was Jackson vor zwanzig Jahren durch den Kopf gegangen war.

„Schrei kleines Schweinchen, schrei!“

„Sie haben mich das tun lassen!“

„Es gibt keinen Gott“

„Sie alle sollen sterben“

„Ich kann nicht damit aufhören.“
 

Wir lasen uns die Botschaften durch, die für mich als Mutter einfach nur schockierend und beängstigend waren. Diese Dinge, die da an die Wand geschrieben waren, das waren Spiegel von Jacksons völlig kranker Psyche. Ich hatte ja schon immer gewusst, dass Jackson nicht normal gewesen war, aber das hier toppte einfach alles. „Meine Güte“, murmelte Officer Morgan und sah sich im Zimmer um. „Die Zeit hier muss ihn wirklich geprägt haben. Wenn ich mir das hier ansehe, würde ich fast sagen, dass es seinen Verstand gekostet hat.“

„Nicht ganz. Er war schon so seltsam, als er zu seiner Tante gezogen ist. Ich glaube, dass das hier nur der Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Nein, irgendetwas muss passiert sein, bevor er hierher kam.“ Officer Morgan ging zu der Matratze hin und zog sie beiseite. Er entdeckte eine lockere Diele, die er herauszog und beiseite legte. Seinen Blick konnte ich nur schwer in der Dunkelheit erkennen, jedoch glaubte ich so etwas wie Beunruhigung zu erkennen. „Können Sie mal kurz kommen und die Taschenlampe halten?“ Ich trat mit einigem Widerwillen näher und leuchtete in das Loch hinein. Vorsichtig holte Officer Morgan eine Tüte heraus, in der sich etwas Rundes befand. Er holte den Inhalt heraus und ich ließ schreiend die Taschenlampe fallen, als ich sah, dass es ein Kopf war. Officer Morgen selbst reagierte da um einiges gefasster und legte den Kopf zurück in die Tüte. „Ein Frauenkopf und schon völlig verrottet. Das muss der Kopf von Teresa Cohan sein. Fragt sich nur, wo der Rest von ihr geblieben ist und warum er in diesem Loch war.“ Wieder griff Officer Morgan ins Loch und holte eine zweite Tüte heraus, in der sich ein altes Skizzenbuch befand. Im Lichte der Taschenlampe erkannte ich, dass es Jacksons Skizzenbuch war, welches er immer zur Schule mitgenommen hatte. Neugierig durchblätterte der Polizist die Seiten, welche genau das Gleiche wiedergaben, wie es in dem Zimmer hier aussah. Die erste Seite stellte zwei Menschen dar, eine Frau und einen fetten Mann. Der fette Mann hatte ein grimmiges Gesicht und hatte ein Beil oder ein Messer in der Hand. Er trug eine weiße Schürze mit roten Flecken und die Frau war dürr und abgemagert. In einem großen Abstand zu den beiden war ein Junge mit schwarzem Haar zu sehen, der gewisse Ähnlichkeiten mit Jackson hatte. Offenbar hatte er sich zusammen mit seinen Eltern gemalt. Nur irgendwie wirkten sie nicht wie eine glückliche Familie, man sah deutlich, dass da eine eisige Distanz zwischen den dreien herrschte. Anscheinend war Jackson unter echt schwierigen Familienverhältnissen aufgewachsen. Die nächste Seite zeigte mehrere zerstückelte Menschen, einen blutroten Himmel und schwarze Wolken. Die nächsten Seiten zeigten Krähen, die auf verdorrten Bäumen saßen über einem Fluss aus Blut. Jackson hatte noch schlimmere Bilder gemalt. Brennende Häuser, Kinder auf Scheiterhaufen und eine zerstückelte Frau. Eine weitere Zeichnung zeigte den Hof unserer alten Schule, zusammen mit der Schaukel und dem Klettergerüst. Doch anstatt, dass Kinder dort spielten, lagen dort Leichen, die von den Krähen gefressen wurden. Und am alten Schulbaum, wo sonst immer bunte Bänder befestigt waren, hingen Menschen an Galgenstricken herunter. Jedes darauf folgende Bild offenbarte immer schlimmere Schrecken, bis schließlich nur noch Bilder von Vogelscheuchen zu sehen waren. Vogelscheuchen, umgeben von riesigen Krähenschwärmen auf einem gigantischen Friedhof. Das allerletzte Bild zeigte das, was ich selbst vorausgeahnt und doch gefürchtet hatte: Es zeigte Jackson, der selbst auf einem Scheiterhaufen brannte. Jahrelang hatte niemand eine Erklärung dafür gefunden, wie der Waldbrand vor zwanzig Jahren geschehen konnte. Keine einzige Leiche wurde gefunden, bis auf die von Jackson. Nun wurde auch Officer Morgan blass im Gesicht und er sah das Bild noch eine Weile an. „Deshalb ist er weggelaufen“, murmelte er und steckte den Skizzenblock ein. „Er wusste, dass sie ihn töten würden.“

„Dann… dann haben sie ihn tatsächlich wie eine Hexe auf einem Scheiterhaufen verbrannt? Das ist doch krank!“

„Wahrscheinlich war es Jacksons gestörtes Verhalten, was dazu geführt hat. Sie glaubten offenbar, er wäre vom Teufel besessen und daraufhin hat die „Vereinigung der wahren Christen“ ihn hingerichtet, um ihn zu erlösen. Jackson musste es wahrscheinlich mitgehört haben, wie sie darüber gesprochen haben und als er das erfuhr, ist er weggelaufen.“

„Aber warum hat er denn nicht gesagt, was sie ihm antun wollten?“

„Weil irgendetwas passiert ist, dass er einfach nicht mehr in der Lage war, es jemandem zu sagen. Es muss einen Schlüsselmoment in seinem Leben gegeben haben, dass er unfähig wurde, sich anderen Menschen mitzuteilen. Und als er wieder zurückgebracht wurde, hat er nur noch eine einzige Möglichkeit gesehen: Seine Tante und seinen Onkel zu töten. Wenn ich so an die Tierkadaver denke, die wir gefunden haben, glaube ich, dass Jackson bereits Übung im Töten hatte. Offenbar hat er schon früh ein soziopathisches Verhalten entwickelt. Naja, als er dann die beiden umgebracht hat, wollte er weglaufen, stieß aber auf die Vereinigung und die brachte ihn in den Wald, um ihn auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen. Dabei gab es einen unerwarteten Zwischenfall, bei dem sich das Feuer immer weiter ausbreitete und den ganzen Wald niederbrannte.“ Mir wurde ganz anders, als ich darüber nachdachte und ich wusste nicht, was ich von der ganzen Sache halten sollte. Ich war fassungslos über diese Geschichte und konnte nicht glauben, dass es tatsächlich eine Sekte in Annatown gab, die Jackson damals getötet haben soll. Außerdem verstand ich nicht, warum all die Jahre niemand Verdacht geschöpft hatte. Irgendjemand hätte doch merken müssen, was für kranke Sachen auf der Cohan Farm abgingen. Oder war es etwa das schreckliche Geheimnis von Annatown, dass man davon gewusst und absichtlich geschwiegen hatte? Ich wurde von einem Schauer ergriffen und wollte so schnell wie möglich das Haus verlassen. Officer Morgan begleitete mich und rief sofort die Kollegen an, um das Haus zu durchsuchen und den Kopf in die Autopsie zu bringen.
 

Zwei Tage später sollten wir erfahren, dass der Kopf, den er im Zwischenboden gefunden hatte, nicht der Kopf von Teresa Cohan war, sondern von ihrer Schwester Lilith. Das bedeutete im Klartext, dass es der Kopf von Jacksons Mutter war. Er hatte ihren Kopf im Zwischenboden unter seiner Matratze versteckt. Teresas Leiche blieb nach wie vor verschwunden und selbst eine gründliche Durchsuchung der Farm blieb erfolglos. Ich saß lange mit einer Flasche Wein auf der Veranda und starrte zur Farm hinüber. Immer und immer wieder schossen mir zwei Fragen durch den Kopf, die mich noch sehr lange verfolgen sollten. Wer hatte Jacksons Mutter enthauptet und warum hatte er ihren Kopf im Zimmer versteckt? Aber dies sollte mich erst später beschäftigen. Zu dem Zeitpunkt, als wir noch nichts über die genauere Identität des Kopfes wussten, machte ich mir genug Gedanken über die Sache mit Jackson und fragte mich, wie Menschen nur so unsagbar grausam sein und ein Kind derartig misshandeln konnten. Und außerdem beschäftigte mich die Tatsache, dass man Jackson wieder zurückgebracht hatte, obwohl man von den Machenschaften der Sekte wusste. Auf dem Weg nach Hause merkte ich, dass ich Kopfschmerzen hatte und mir war schlecht. Da es dunkel wurde, bot Officer Morgan an, mich bis zur Haustür zu begleiten. Ich bemerkte sofort, dass im Haus kein Licht brannte und das verwunderte mich. Zwar wusste ich, dass Lewis an diesem Tag bei einem Freund schlief, aber Charles musste doch noch wach sein. Die Haustür stand auch offen. Officer Morgan zog seine Waffe und ging als Erstes hinein. Ich folgte ihm und hörte ein manisches Kichern von irgendwo her, gefolgt von einem leisen Gesang, den ich als das Totengräberlied wieder erkannte. Der Scarecrow Killer war hier. Officer Morgan gab einen Funkspruch durch und forderte sofortige Verstärkung an. Zwar wies er mich an, sofort das Haus zu verlassen, aber ich wollte unbedingt wissen, ob es Charles gut ging oder ob der Killer ihn auch schon umgebracht hatte. Langsam gingen wir den Flur entlang und ich hörte, dass die Stimme aus dem Wohnzimmer kam. Ich ging zur Seite, während Officer Morgan die Tür einen Spalt breit öffnete und hineinlugte. Er zog seine Pistole, dann stieß er die Tür auf und rief „Keine Bewegung! Hände über den Kopf und weg von der Leiche!“ Leiche? Als ich das hörte, stürmte ich ins Wohnzimmer hinein und glaubte schon, Charles sei tot, doch es war gar nicht er. Auf dem Boden lag Madison, ausgeweidet und ihr Körper und ihre Kehle mit Bonbons und Süßkram vollgestopft. Sie sah entsetzlich aus. Ihre Augen und ihre Nase waren abgeschnitten worden, ihr Gesicht und ihre Kleider zerfetzt und ein Arm lag etwas weiter weg, offensichtlich abgetrennt. Über ihr kniete der Vogelscheuchenmörder, seine Hände waren Klingen, schärfer als Skalpelle und die Zähne waren spitz gefeilt, das schwarze Haar verlieh ihm etwas noch Unheimlicheres. Am Mantel als auch am Pullover und am Schal klebte Blut, lediglich sein Hut, an dem eine dicke Tarantel krabbelte, war halbwegs sauber. Zwei monströse gelbe Augen starrten und an uns ein teuflisches Grinsen zierte dieses unechte Stoffgesicht. „Na, habt ihr euch gut amüsiert?“ fragte der Killer mit einer rauen und Furcht einflößenden Stimme, die einer Krähe nicht unähnlich klang. „Hat euch der kleine Ausflug Spaß gemacht?“ Langsam richtete sich die unheimliche Gestalt in ihrer ganzen, abscheulichen Größe auf. Sie reichte fast bis an die zwei Meter heran. Die Klingenhände leuchteten blutrot im Lichte der Abendsonne und ein widerlicher Gestank ging von ihr aus. „Ich sage es nicht noch mal“, sagte Officer Morgan und trat vorsichtig näher. „Hände über den Kopf, auf die Knie und keine Spielchen.“

„Glaubst du im Ernst, dass du mich mit diesem Spielzeug beeindrucken könntest, Bulle? Nein, ich habe ganz andere Spielzeuge und zwar sehr viele.“

„Das ist die letzte Warnung!“ rief Officer Morgan mit mahnender Stimme und machte sich bereit zu schießen. „Jackson, das Spiel ist aus. Es ist besser du ergibst dich.“ Als der Scarecrow Killer das hörte, brach er in ein wahnsinniges Gelächter aus, welches auch den Polizisten erschaudern ließ. Der Killer legte beim Lachen den Kopf in den Nacken und lachte so laut, als wolle er es die ganze Welt wissen lassen. Dann aber wandte er den Blick wieder zu uns und begann spielerisch die Finger zu bewegen. „Das ist eure Schlussfolgerung? Ach bitte, das kann doch wohl nicht euer Ernst sein. Jackson ist tot, er ist damals bei dem Brand ums Leben gekommen. Sie haben ihn gegrillt wie ein Spanferkel. Ihr habt ja keine Ahnung, nicht die geringste. Aber was will man schon von dummen kleinen Schweinchen erwarten?“ Sofort ging er auf uns zu und erhob seine Klingenhand zum Angriff, in diesem Moment schoss Officer Morgan und traf ihn in die Brust und mitten in die Stirn. Der Scarecrow Killer verharrte in der Bewegung, blieb wie erstarrt stehen, doch dann fing er sich wieder. Officer Morgan und ich konnten es nicht fassen. Das waren tödliche Schüsse, die ihn hätten umbringen müssen. Jeder Mensch wäre sofort umgefallen, warum er nicht? Die Antwort war entsetzlicher als alles, was ich mir in meinen schlimmsten Alpträumen hätte ausmahlen können. Aus den Einschusslöchern in seinem Körper kroch Ungeziefer heraus. Aus dem Stirnloch wand sich ein Tausendfüßler heraus und krabbelte ihm über das Gesicht und verschwand schließlich in seinem Mund. Eine Hand voll Schaben fiel aus den Brustlöchern und ein paar Würmer wanden sich umher. Ich schrie auf, als ich das sah und glaubte schon fast, den Verstand zu verlieren. Das, was da vor uns stand, war kein Mensch in einem Vogelscheuchenkostüm. Es war eine richtige Vogelscheuche, in deren Inneren Ungeziefer hauste. Eine Spinne krabbelte aus dem Mantel hervor und verschwand wieder darin, Officer Morgan schoss noch einmal, doch der Schuss ging einfach durch den Kopf der Vogelscheuche hindurch und schleuderte weiteres Ungeziefer ins Freie. „Glaubt ihr es jetzt, da ihr es seht? Die Leute in dieser Stadt haben es von Anfang an begriffen, nur ihr beide nicht. Aber es gibt Dinge, die man nicht mit Logik und Wissenschaft beantworten kann. Und gegen eine Vogelscheuche könnt ihr mit euren lächerlichen Spielzeugpistolen nichts ausrichten.“ Ich stolperte zurück und spürte, wie ein erneuter Asthmaanfall sich anbahnte. Meine Atmung wurde immer schneller, jedoch wurde immer weniger Sauerstoff in die Lungen gepumpt. Zitternd griff ich nach dem Inhalator in meiner Tasche und versuchte, das Gerät zu bedienen, doch ich hatte meine Hände kaum noch unter Kontrolle. Das alles konnte nur ein schrecklicher Alptraum sein. Es gab keine lebendigen Vogelscheuchen, es musste ein Trick dahinter stecken. Aber wie sollte das denn gehen, wenn selbst Kopfschüsse nichts ausrichten konnten und statt Blut nur Ungeziefer herausquoll? In der Ferne waren bereits Polizeisirenen zu hören, doch selbst die Verstärkung könnte diesem Monster nichts anhaben. Scarecrow Jack hätte uns leicht umbringen können, jedoch entschied er sich anders und sprang durchs Fenster. Officer Morgan eilte hin und wir sahen, wie die Vogelscheuche über die Häuserdächer sprang und in der Ferne verschwand. Ich kauerte zitternd da, kämpfte mit den Tränen und hielt den Inhalator fest umklammert. Auch Officer Morgan, der bis vorhin noch so beherrscht war, stand die Angst ins Gesicht geschrieben. Apathisch starrte er ins Leere, bis die Kollegen das Zimmer stürmten und das Blutbad sahen. „Hey Vince, alles in Ordnung? Was ist passiert?“ Doch das Einzige, was der Officer zu Stande brachte, waren die Worte „Eine Vogelscheuche… es ist tatsächlich eine Vogelscheuche…“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Miyavj
2013-11-13T12:22:39+00:00 13.11.2013 13:22
Einfach super, "schön schaurig" :)
Ab dem Lied hatte ich die ganze Zeit die Melodie von diesem "Come little Children" im Ohr (vielleicht auch weil ich Nightmare on Elm Street nich gesehen habe..) Ist die Parallele zum Boogieman von Burton auch gewollt?
Antwort von:  Sky-
13.11.2013 20:24
Ja, das auch. Der Boogieman war für viele meiner Bekannten die wohl schlimmste Halloweenfigur von allen. Aber ich hatte nur vor Jack Angst. Nightmare on Elm Street ist mein absoluter Lieblingshorrorklassiker neben dem Exorzisten und Nightmare before Christmas ist mein unangefochtener Liebling von Tim Burton. Und beides habe ich zusammen mit einer Vogelscheuche kombiniert, die zwar Horrorpotential hat, aber trotzdem total vernachlässigt wird. Aber schön, dass jemandem die Verbindung mit Boogieman auffällt-^^-
Antwort von:  Miyavj
13.11.2013 20:32
Das ist ja das witzige.. oder auch verrückte ^^' Ich schaue eigentlich garkeine Horrorfilme, aber Burton ist da so die absolute Ausnahme ^_^
Von:  Lyrael_White
2013-11-01T07:16:08+00:00 01.11.2013 08:16
*schauder*
Die beschreibungen des Hauses sind sehr Stimmungsvoll, ich habe die ganze Zeit darauf gewartet, das irgendwas sie anspringt.
Das der Scheuch sie allerdings im Wohnzimmer erwartet damit hatte ich nicht gerechnet

>machte ich mir genug Gedanken über[...] Auf dem Weg nach Hause merkte ich,dass ich Kopfschmerzen hatte

An dieser Stelle scheint ein Teil des Satzes zu fehlen.
Antwort von:  Sky-
01.11.2013 13:07
Danke für den Hinweis. Ich hab das Kapitel stückweise reinkopiert, damit es nicht zu lange dauert und weil ich sowieso Probleme mit dem Internet hatte. Offenbar wurde ein Teil ausgelassen. Hab den Fehler inzwischen behoben-^^-


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