Zum Inhalt der Seite

Zuckerschnecke

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Unpassender Zeitpunkt? Kann man das essen?

Tür zur Kleiderabteilung
 

„Also... wer bist du, Matt?“

Was meinst du?“

„Ich dachte nur“, sagte Matthew unsicher, während er einen Schritt nach dem anderen machte und einen Arm nach vorn ausstreckte, um nicht vor eine Wand zu laufen. „Du hast gesagt, du wärst zum ersten Mal eine Stimme in einem Kopf. Also dachte ich, du musst ja davor irgendetwas anderes...“

Er brach erschrocken ab, als seine Hand im Dunkeln etwas berührte. Hastig tastete er den Widerstand ab und bemerkte, dass es wohl eine Wand sein musste.

Super. Jetzt müssen wir nur noch daran entlang gehen, bis wir die Tür finden.“

„Ich versuche es“, murmelte Matthew und wandte sich nach links, eine Hand weiter an der Wand. Eine Weile lang setzte er vorsichtig einen Fuß vor den anderen, bis er ins Leere griff.

„Hier ist eine Öffnung!“

Bleib an der Wand.“

Matthew gehorchte, wandte sich zur Seite und tastete sich weiter an der Wand entlang. Kaum hatte er das, was vermutlich ein Türbogen war, durchquert, berührten seine Finger im nächsten Raum etwas Glattes.

„Hier ist etwas!“

Ein Lichtschalter?“

„Ich weiß es nicht.“

Hör mal, Schätzelein, das lässt sich ganz einfach überprüfen: Drück drauf. Wenn uns die ganze Scheiße um die Ohren fliegt, war es nicht der Lichtschalter.“

„Ich denke eher, dass es einen Stromausfall gab“, sagte Matthew, leicht eingeschnappt, weil Matt ihn behandelte, als wäre er blöd. „In dem Fall nützt es sowieso nichts, wenn...“

Er drückte auf den Schalter. Einen Moment lang passierte nichts, dann hörten sie ein leises Summen und Lampen unter der Decke flammten auf. Sie waren so hell, dass Matthew die Augen schließen musste.

„Es hat funktioniert!“

Offensichtlich.“

Langsam öffnete Matthew die Augen wieder und versuchte, sich zu orientieren. Sie befanden sich offenbar noch immer im Kaufhaus, und zwar in einer Abteilung für Damenbekleidung. Die Kleiderständer waren teilweise durcheinander gebracht, wirkten aber gespenstisch verlassen, da weder Kunden noch Verkäuferinnen zu sehen waren. Einige Meter weiter befand sich eine Rolltreppe, die still stand.

Wollen wir hoch?“

„Warte“, sagte Matthew und starrte zu einem Ständer mit Kleidern hinüber. „Ich glaube... da drüben hat sich gerade etwas bewegt.“

Was? Ich sehe nichts.“

Unsicher schlich Matthew einige Schritte weiter und rang nach Luft, als er eine junge Frau erkannte, die einen Kleiderbügel in der Hand hielt. Sie sah sich um, offenbar irritiert von der plötzlichen Helligkeit.

„Das ist Natalia!“

Wer?“

„Natalia. Sie ist Ivans Schwester.“

Matt schwieg einen Moment. „Ach, die“, sagte er dann und klang aus irgendeinem Grund verächtlich. „Ihretwegen hat doch der ganze Schlamassel angefangen.“

„Von welchem Schlamassel sprichst du?“

Sie hat kurz vor Weihnachten Panik bekommen, weil sie meinte, sie hätte Angst vor dem Weihnachtsmann.“

„Sie hätte was?“, fragte Matthew fassungslos. „Natalia?“

Na, dieses Mädchen da vorne. Obwohl sie schon ein bisschen verändert aussieht, muss ich sagen...“

„Du musst sie verwechseln.“ Matthew lachte etwas schrill. „Ausgerechnet Natalia würde doch niemals...“

„Was würde ich nicht?“

Er fuhr zusammen. Natalia stand vor ihm, ein Kleid über den Arm gehängt, und betrachtete ihn mit leicht gerunzelter Stirn.

„Ich...“, begann Matthew und spürte, wie er rot wurde.

„Mit wem hast du gesprochen?“

„M-mit niemandem! Ich habe... du muss dich verhört haben! Hier ist doch niemand außer uns! Mit wem hätte ich also reden sollen?“

Er lachte nervös. Natalia legte den Kopf schief.

„Du hast recht“, sagte sie langsam. „Aus irgendeinem Grund ist niemand hier. Hast du eine Ahnung, wieso?“

„Nein. Ich bin einfach aufgewacht, und...“

„Ich war nur kurz in der Umkleide, um ein Kleid anzuprobieren. Vanya hat mich zu Weihnachten eingeladen, und ich brauche dringend etwas zum Anziehen, du verstehst? Aber dann ist plötzlich das Licht ausgegangen, und als ich herauskam, war niemand mehr da. Alles menschenleer.“

„Wie hast du bemerkt, dass niemand da war? Es war doch alles dunkel.“

„Ich habe eine Taschenlampe.“ Natalia streckte die Hand aus und zeigte Matthew eine kleine Taschenlampe, nicht größer als ein Stift. „Immer nützlich, so etwas dabei zu haben.“

Matthew riss die Augen auf.

„Willst du sie haben?“, fragte Natalia und sah sich um. „Hier ist ja jetzt wieder Licht. Ich werde noch ein bisschen stöbern, solange mich niemand stört.“

„Hältst du das nicht für einen etwas unpassenden Zeitpunkt, um shoppen zu gehen?“, rutschte es Matthew heraus.

Natalia zog eine Augenbraue hoch. „Im Gegenteil. Ich bin völlig ungestört und habe jede Menge Zeit. Die optimale Gelegenheit, das optimale Kleid zu finden, glaubst du nicht?“

„Nun, wenn man... es so sieht...“

„Willst du die Taschenlampe nun oder nicht?“

„Ja, sehr gerne!“

„Bitte schön“, sagte sie knapp und drückte ihm die Lampe in die Hand. „Ich bin dann wieder weg.“

„Aber wenn keine Verkäuferinnen da sind“, sagte Matthew zaghaft, „wie willst du dann einkaufen?“

Sie warf ihm einen scharfen Blick zu. „Wenn niemand hier ist, der Anspruch auf all diese Klamotten erhebt, sind sie wohl Allgemeingut. Oder was meinst du?“

Er wagte es nicht, zu widersprechen. „Das... kann man natürlich so sehen. Ich werde mich dann auf den Weg machen.“

Natalia nickte, ließ ihn aber nicht aus den Augen. Matthew schluckte und begann, sich zu entfernen. Ihm war nicht wohl dabei, ihr den Rücken zuzudrehen. Sie war einfach zu gruslig.

„Du!“, rief sie ihm nach, kaum hatte er einige Schritte gemacht.

Warum kennt sie deinen Namen nicht?“, knurrte Matt. Matthew versuchte, ihn zu ignorieren, und sah sich noch einmal um.

„Ja?“

„Warum hast du einen Hockeyschläger dabei?“

Verblüfft betrachtete Matthew den Schläger in seiner Hand. „Das... ach, das ist... einfach so!“

Er lachte. Natalia zog die Augenbrauen hoch, sagte aber nichts mehr, sondern wandte sich einem Ständer mit Röcken zu. Der Schläger war sperrig und schwer, dachte Matthew, als er sich zum Gehen wandte. Vielleicht sollte er ihn besser zurücklassen.

Auf gar keinen Fall! Hockeyschläger geben ausgezeichnete Waffen ab. Und du solltest nichts wegwerfen, was du vielleicht gebrauchen könntest.“

„Die Taschenlampe scheint mir aber wesentlich sinnvoller als der Schläger zu sein“, maulte Matthew. „Und könntest du nicht aufhören, ständig meine Gedanken zu lesen? Es verwirrt mich, wenn du auf Fragen antwortest, die ich gar nicht gestellt habe.“

Du bist hier derjenige mit einer Stimme in seinem Kopf. Das ist nicht meine Schuld, klar? Also hör auf meinen Rat, behalte den Schläger und geh weiter. Pass nur auf – wenn du gleich beginnst, gruslige Geräusche zu hören und überall verstreute Batterien für die Taschenlampe aufzusammeln, befindest du dich vermutlich in so einem verfluchten First-Person-Horror-Videospiel.“

„Einem was?!“

War nur ein Witz. Meine Güte, du bist so leicht zu verschrecken, dass es beinahe niedlich ist.“

Matthew wurde rot. „Also dann!“, sagte er und knipste die Taschenlampe probeweise an und wieder aus. „Gehen wir?“

Gehen wir.“

„Wohin?“

Solange keiner von uns eine bessere Idee hat – nein, hier bleiben und mit der Taschenlampe SOS blinken ist keine bessere Idee...“

„Das habe ich gar nicht gedacht!“

...einfach immer dem Näschen nach. Wie wäre es zum Beispiel, wenn du die Rolltreppe nach oben gehst?“

„Also gut“, seufzte Matthew und dachte daran, dass er noch vor wenigen Stunden geglaubt hatte, er würde seinen Nachmittag mit einem hektischen und ermüdenden, aber ganz normalen Weihnachtseinkauf verbringen, um danach nach Hause zu gehen und am Kamin eine Tasse Tee zu trinken.

Manchmal ist das Leben ein Arschloch“, stimmte Matt ihm zu.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück