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Wenn Liebe dich findet

Chelsea&Vaughn
von

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Der Fremde

1. Der Fremde
 

Es war Sommer und wahrscheinlich der heißeste Tag des Jahres. Erbarmungslos schienen kräftige Sonnenstrahlen auf die Erdoberfläche hinab. Keine einzige Wolke befand sich am Himmel, sodass sie ungehindert scheinen konnte.

Dennoch hieß es für die Inselbewohner, der kleinen Insel mitten im Ozean, mit dem Namen Sonnenschein-Insel, unermüdliches Arbeiten, sowohl auf den Feldern, in den Geschäften oder am Strand. Jeder Inselbewohner erfüllte mit eiserner Disziplin seine Aufgabe und trug somit zum gemeinschaftlichen Leben bei.
 

Im unmittelbaren Zentrum der Sonnenschein-Insel befand sich ein kleiner Tierladen, der in den letzten zwei Jahren ordentlich Profit abwarf, um deren Besitz ausbauen zu können. An Tierbedarf konnte man alles kaufen, was man für sein eigenes Vieh oder Haustier benötigte. Hinter dem Laden befanden sich die Ställe für die Tiere. Zurzeit bewohnten sechs Milchkühe, zwei Kälber, drei Schafe, vier Lämmer, zwei Pferde, zwanzig Hühner, ein Hahn und zahlreiche Küken diese Ställe. Die meisten Tiere blieben nur vorübergehend bis sie ausgewachsen waren und somit verkauft werden konnten.

Julia, die Tochter der Besitzerin, Mirabelle, war mit Tieren und der verbundenen Arbeit großgeworden. Vor fünf Jahren hatte ihre Mutter beschlossen auf diese Insel zu ziehen und eigenen Tierladen zu eröffnen. Anfangs war es für beide anstrengend gewesen, aber mit der Zeit gewannen sie eine regelmäßige Kundschaft und betrieben Handel mit den Nachbarsinseln und dem Festland.

Bedauerlicherweise geht die Zeit nie spurlos an einem vorbei. Julias Mutter wurde älter, was sich zunehmend bemerkbar machte. Am Ende eines arbeitsreichen Tages sank sie erschöpft in ihren Sessel nieder und rieb sich ihre müden Glieder. Ihren Ehemann hatte sie vor Jahren durch einen Unfall verloren und sonst gab es keine männliche Hilfe im Haus.

Also hatte Mirabelle entschieden, eine zusätzliche Hilfe für die Tierzucht zu suchen. Sie dachte diesbezüglich an ihren Neffen, der ebenfalls mit Tieren großgeworden war und mit Sicherheit eine hervorragende Arbeitskraft abgeben würde. Somit hatte sie ihm einen Brief geschrieben und erwartete die nächsten Tage seine Ankunft.
 

Im nördlichen Teil der Insel befand sie eine Ranch. Diese Ranch wurde von den Geschwistern Mark und Chelsea geführt. Neben der Zucht von Tieren, wie Hühner und Kühe, zogen sie auch Feldfrüchte heran. Gerade im Sommer war jeder Tropfen Wasser für die Pflanzen unerlässlich. Meistens mussten sie morgens und abends bewässert werden, was eine mühselige Arbeit war.
 

„Diese verdammte Hitze!“, fluchte Chelsea. „Ich gehe bald ein. Am liebsten würde ich einen Ausritt in die Wälder zur Quelle unternehmen, anstatt in der brütenden zu stehen und dabei zuzugucken wie meine Haut verbrennt.“
 

„Was glaubst du, was ich am liebsten täte?“, rief ihr Bruder Mark zu. „Ich könnte mir ebenfalls einen schöneren Zeitvertreib vorstellen, aber die Arbeit ist nun mal wichtig. An der führt kein Weg dran vorbei.“
 

„Ich weiß, Bruder. Aber mal einen Tag nichts tun, wäre zur Abwechslung nicht verkehrt.“
 

„Ich verstehe dich. Nur wer würde dann die ganze Arbeit machen? Jetzt jammer nicht weiter rum und gieß zu Ende. Sonst vertrocknen uns die ganzen Pflanzen und dann können wir sie nicht mehr verkaufen.“
 

„Schon gut, schon gut. Aber Bruder, wir brauchen dringend eine Bewässerungsanlage mit Schläuchen, die wir auf dem Boden auslegen können. Sobald wir genug Geld haben, muss die unbedingt her!“
 

Chelsea liebte die Farmarbeit. Ihre Eltern hatten ebenfalls eine geführt. Sobald sie und ihr Bruder alt genug waren, zogen sie auf die Sonnenschein-Insel und gründeten ihre eigene Ranch, die Starry Sky-Ranch (Sternenhimmel). Dieser Name war von ihr gekommen. Seit sie denken konnte, war Chelsea eine hoffnungslose Träumerin. Oft war sie nachts wach und betrachtete die Sterne und den Mond in all ihrer Pracht. Als kleines Kind hatte sie geträumt, zu ihnen zu fliegen, um sie einmal zu berühren, was leider nicht möglich war. Trotz ihrer Träumereien liebte sie ihr Leben, so wie es gerade war, mit der Ranch, ihrem Bruder und all ihren Freunden. Daran wollte sie auch nicht das Geringste ändern.
 

Nachdem Chelsea und Mark sämtliche Felder bewässert hatten, beschloss Chelsea einige Besorgungen im Dorf zu erledigen, während Mark noch einmal bei den Tieren vorbei schauen wollte, bevor er sich in den Wald begab um Holz zu sammeln, der als Vorrat für den Winter dienen sollte. Also sattelte Chelsea ihr Pferd, Shadow, und spannte den Wagen ein.
 

Der Ritt zum Dorf war nicht weit und Chelsea begrüßte jeden, dem sie begegnete.
 

„Guten Tag, Chelsea.“, grüßte Taro, der Bürgermeister sie. Er war nicht nur der Bürgermeister, sondern auch für das Lieferantengeschäft zuständig, welches er zusammen mit seiner Tochter, Felicia, und seinen Enkeln Elliot und Nathalie betrieb.

„Wie läuft die Arbeit bei der Hitze? Ganz schön anstrengend, nicht wahr?“
 

„Das können sie laut sagen. So ist nun mal der Sommer, wenn es nicht viel regnet.“
 

„Mach dir deswegen keine Sorgen. Ich bin mir sicher, dass es bald wieder regnen wird. Sehr bald sogar.“
 

„Na, wenn sie das sagen, wird es wohl stimmen, Taro. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag! Ich muss jetzt weiter.“ Chelsea winkte zum Abschied und setzte ihren Weg fort.
 

Bei Chen, im Gemischtwarenladen, kaufte sie viele Lebensmittel ein und einiges an Saatgut.

Danach begab sie sich zum Tierladen, um neues Futter zu besorgen und Julia einen Besuch abzustatten. Sie wusste schon länger, dass es ihrer Mutter nicht so gut ging, nur ihre Arbeit hatte es nicht zugelassen, eher zu ihr zu gehen.
 

„Guten Tag! Ist jemand da?“

Chelsea betrat den Laden. Die Klingel an der Eingangstür kündete ihr Kommen an.
 

„Hallo, Chelsea! Lange nicht gesehen.“

Julia kam aus dem hinteren Teil des Ladens und trat auf Chelsea zu. „Wie geht es dir? Läuft die Arbeit gut?“
 

„Ja, zwar ziemlich anstrengend, aber es geht. Und bei dir?“
 

„Es Könnte besser sein.“ Julia seufzte.
 

„Was ist denn los? Ist irgendetwas passiert?“, fragte Chelsea besorgt.
 

„Nun ja, du weißt, dass es meiner Mutter nicht so gut geht. Das Alter. Sie ist zwar nicht krank, leider aber nicht mehr die jüngste. Zusätzlich setzt ihr die Hitze zu. Dabei habe ich ihr gesagt, dass sie soviel wie möglich im Haus oder im Laden bleiben soll. Ich würde schon klarkommen, aber sie ist ja so stur. Sie kann einfach nicht ohne ihre Arbeit.“
 

„Das tut mir Leid. Kann ich irgendetwas für euch tun?“
 

„Das ist lieb von dir. Doch was ist mit eurer Ranch? Du und dein Bruder haben doch auch alle Hände voll zu tun. Gerade im Sommer.“
 

„Schon, aber kann ich nicht trotzdem irgendetwas tun?“
 

„Nein, danke. Wir sind schon auf der Suche nach einer zusätzlichen Arbeitskraft. Er müsste die Tage bald kommen.“
 

„Das ist doch super! Dann werdet ihr entlastet und deine Mutter kann sich richtig erholen.“
 

„Genau, das hoffe ich auch. So,“, Julia klatschte zuversichtlich in die Hände, „genug geplaudert für`s erste. Was kann ich für dich tun?“
 

Chelsea musste lachen. So gefiel ihr Julia am Besten. Immer voller Tatendrang. Mit Julias Hilfe hatte Chelsea schnell die Sachen zusammen, die sie brauchte. Als ihr Wagen beladen war, trat Mirabelle hinter dem Haus hervor und grüßte sie.
 

„Oh! Hallo, Chelsea. Wir haben uns ja ewig nicht gesehen.“
 

„Das stimmt. Die Rancharbeit hatte es nicht eher zugelassen euch zu besuchen.“
 

„Das kann ich mir vorstellen.“ Mirabelle lächelte. „Wie geht es Mark?“
 

„Danke, gut. Genauso nervig, wie eh und je.“
 

„Haha, ihr zwei. Schön, dass ihr euch so gut versteht.“

Sie redeten noch eine Weile miteinander. Dann machte sich Chelsea ans Bezahlen und ritt schließlich nach Hause.
 

Am nächsten Morgen gaben vereinzelt Wolken ein wenig Hoffnung, dass der Tag nicht ganz so warm wie gestern werden würde. Zumindest durch den zusätzlichen Schatten erträglicher.

Bis zum Nachmittag verlief alles seinen gewohnten Gang. Denny, der das Strandhaus bewohnte, war gerade am Angeln als ein Handelsschiff am Pier anlegte. Neugierig schaute Denny rüber. Es wunderte ihn, dass ein junger Mann in Cowboystiefeln und mit Cowboyhut von Bord ging. Noch dazu mit Gepäck. Der Fremde sah sich neugierig um, bis er Denny entdeckte und auf ihn zuging.

„Hallo. Wo befindet sich Mirabelles Laden?“
 

Ein komischer Typ, dachte Denny. Sein Hut war ihm halb ins Gesicht gezogen, sodass man seine Augen kaum erkennen konnte. Seine Stimme war tief. Insgesamt machte er nicht gerade einen sympathischen Eindruck, doch Denny, der ein ziemlicher Optimist war, schob diesen Gedanken fort und begrüßte den Fremden freundlich.
 

„Hallo! Willkommen auf der Insel! Mein Name ist Denny. Ich bin hier der Fischer. Das Tiergeschäft findest du den Weg da vorne hoch. An der zweiten Biegung musst du rechts abbiegen, dann steht es auch schon direkt vor die.“
 

„Danke.“ Der Fremde wandte sich zum gehen als ihn Denny noch fragte: „Bleibst du länger hier? Ich meine wegen dem Gepäck?“

„Mal sehen.“
 

„Und wie ist dein Name?“

Der Fremde hatte sich bereits von Denny abgewandt als er seinen Namen verriet. „Vaughn.“

Und dann war er verschwunden.

Nicht gerade gesprächig, der Gute, dachte Denny. Kurz darauf widmete er seine volle Aufmerksamkeit wieder dem Fischen und vergaß die Begegnung mit Vaughn.
 

Vaughn fand schnell Mirabelles Laden und betrat ihn zugleich, worauf die Klingel ertönte.
 

„Ich komme, einen Augenblick.“, rief Julia von weiter hinten im Laden. „Oh, Sie habe ich ja noch nie gesehen. Was kann ich für Sie tun?“
 

„Guten Tag. Ich bin auf der Suche nach meiner Tante, Mirabelle. Ich hatte einen Brief von ihr erhalten.“
 

„Ach so.“ Julia lächelte. „Du bist also Vaughn. Der Neffe meiner Mutter und somit mein Cousin. Komm herein. Ich führ dich zu ihr. Ich heiße übrigens Julia. Freut mich dich kenn zu lernen.“
 

Beide gaben sich die Hand. Julia redete munter drauflos als sie Vaughn zu den Ställen und ihrer Mutter führte. Mirabelle freute sich riesig ihren Neffen wieder zu sehen. Sie vergoss ein paar Freudentränen als sie ihm um den Hals fiel. Vaughn wurde sein Zimmer, den Rest des Ladens und die Ställe gezeigt. Währenddessen redete Mirabelle ohne Punkt und Komma, so aufgeregt war sie und froh, Vaughn nach all der Jahre wieder zu sehen.

Vaughn hörte höflich zu, sprach aber nur, wenn er direkt gefragt wurde. Er konnte noch nicht sagen, ob er sich auf dieser Insel auf Dauer niederlassen würde. Bisher hatte er schon an mehreren verschiedenen Orten gelebt. Allerdings nie für lange. Er war ein Einzelgänger. Daran sollte sich auch nichts ändern.

Die erste Begegnung

Hi!
 

Ich begrüße jeden, die meine Fanfiction lesen. Ich hoffe, dass sie auch gefallen wird und ihr diese Geschichte verfolgen werdet.

Mir selber macht es unglaublich Spaß, darüber zu schreiben. Befinde mich im Besitz sämtlicher Harvest Moon Spiele, deswegen ein großer Fan davon! Gerade Chelsea und Vaughn hatten es mir angetan. Daher diese Idee zur Fanfiction.

Also, ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und hoffe auf eure Kommentare!
 

Eure Jane-pride
 


 

2. Die erste Begegnung
 

„Oh, Mann, Elliot! Geht es vielleicht noch langsamer?“
 

Nathalie konnte an diesem Vormittag keine ausreichende Geduld für ihren Bruder, Elliot, aufbringen. Es war heiß und die Sonne brannte ihr jetzt schon aufs Gemüt. Seit einer geschlagenen Stunde waren sie nun schon dabei den Wagen vor ihrem Geschäft mit Kisten zu beladen, die zum Strand gebracht werden sollten. Um 11 Uhr wollte das Handelsschiff ablegen. Allerdings war es Nathalie schleierhaft, wie sie es pünktlich zum Schiff schaffen sollten, wenn ihr Bruder (mal wieder) den Schildkröten Konkurrenz machte.
 

„Sag mal, Brüderchen,“, Nathalie war sichtlich verärgert, „möchtest du einen neuen Rekord im Kriechen aufstellen? Das kann doch nicht so schwer sein.“
 

„Jetzt hör auf zu meckern.“, meldete sich Elliot keuchend zu Wort. „Diese Kiste ist verdammt schwer. Du könntest mir ja ausnahmsweise mal helfen.“
 

„Vergiss es! Ich übernehme schon genug von deinen Aufgaben und muss hinter dir herräumen, weil du der größte Tollpatsch bist, den ich kenne.“
 

Das hätte Nathalie nicht sagen sollen. Kaum waren die Worte ausgesprochen, stolperte Elliot über einen Stein, verlor das Gleichgewicht und fiel hin. Der Inhalt, der gesamten Kiste, verteilte sich auf den Boden, direkt zu Nathalies Füßen. Es folgte ein gewaltiges Donnerwetter von Nathalie, welches auf Elliot einschlug, dass nur durch das Auftauchen von Julia unterbrochen wurde.
 

„Na, was macht ihr zwei denn schon wieder? Braucht ihr vielleicht Hilfe?“
 

Elliot errötete bei Julias Anblick. „Oh, Julia…d-danke, aber…“
 

„Falls du weißt, wo man zwei linke Füße austauschen kann, wäre ich dir mit dieser Info sehr verbunden.“
 

Wenn es überhaupt noch möglich war, errötete Elliot noch mehr, er war sowieso schon, den ständigen Vorwürfen seiner Schwester ausgeliefert, obwohl er älter war. Doch vor den Augen Julias so bloßgestellt zu werden, war ihm unendlich peinlich. Am liebsten wäre er in einem Mäuseloch verkrochen.
 

„Ach, Nathalie, jetzt sei doch nicht so. Der Tag hat noch nicht mal richtig angefangen und schon verbreitest du miese Laune.“
 

„Dafür kann ich nichts. Für den ganzen Schlamassel ist nur ER verantwortlich.“
 

Julia seufzte. „Ihr seid unverbesserlich. Ich werde euch helfen die Sachen wieder einzusammeln. Dann geht es schneller. Einverstanden Elliot?“
 

Mit einem Lächeln wandte sie sich an Elliot. „J-ja, klar! D-d-danke, Julia!“
 

Armer Elliot. In Julias Gegenwart wurde er immer recht nervös, gerade wenn sie ihn so anlächelte wie eben. Er war und blieb ein hoffnungsloser Fall. So empfand es zumindest seine Schwester. Obwohl sie ihn permanent ärgerte und neckte, hatte sie schon seit längerem das Gefühl, dass ihr Bruder in Julia verliebt sein musste. Anscheinend wusste er es selber noch nicht einmal. Große Hoffnung hegte Nathalie nicht. So, wie sich ihr Bruder benahm, konnte daraus nie was werden.

Dank Julias Hilfe war die Kiste schnell wieder gepackt und konnte auf den Wagen beladen werden. Trotz der Verzögerung schafften sie es noch rechtzeitig zum Strand.
 

Gegen Mittag, als die Sonne wieder ihre wärmsten Strahlen auf die Erde sandte, war Chelsea gerade dabei im Farmhaus das Mittagessen vorzubereiten. Zu einem aufwändigen Essen hatte Chelsea heute keine Lust. Dafür war es ihr schon warm genug, ohne dass sie lange am Herd stehen musste. Also machte sie eine einfache Gemüsesuppe, die schnell zubereitet war. Sie war gerade fertig, als ihr Bruder zur Küche herein kam.
 

„Mann ist das heiß!“ Erschöpft setzte sich Mark auf einen Küchenstuhl und legte seinen Kopf auf den Tisch ab.
 

„Jetzt beschwer dich mal nicht. Das Essen ist fertig.“
 

„Gott sei Dank! Ich sterbe bereits vor Hunger!“
 

Sofort war Mark wieder hellwach. Wenn es ums Essen ging, war er immer Feuer und Flamme. Chelsea lächelte bei Marks Anblick in sich hinein. Es freute sie, dass ihr Bruder ihr Essen so gerne aß. So leicht konnte man ihn zufrieden stellen.
 

„Ach, bevor ich es vergesse.“ Mark kramte aus seiner Hosentasche einen Brief hervor. „Charlie war gerade hier. Er verteilt Einladungen zu Mirabelles Geburtstag. Sie soll diesen Samstag stattfinden und wir sind herzlichst eingeladen.“
 

„Das hört sich toll an.“ Begeistert klatschte Chelsea in die Hände. „Ich werde ihr Blumen besorgen und diese Orangenkekse backen, die sie so gerne mag.“
 

„Eine ausgezeichnete Idee. Mach für mich gleich eine Portion mit. Mal sehen, vielleicht werde ich ihr was schnitzen, wenn ich es rechtzeitig schaffe.“
 

„Dann lernen wir auch endlich ihren Neffen kennen. Moment, ich glaube sein Name ist Vaughn.“
 

„Mirabelle hat einen Neffen?“ Überrascht schaute Mark seine Schwester an.
 

„Ja. Er kam vor drei Tagen. Elliot hat es erzählt, als er gestern hier war. Sie sind ja unmittelbare Nachbarn. Ich freue mich so, Mark! Endlich mal wieder ein neues Gesicht auf der Insel.“
 

„Na dann, dürfen wir gespannt sein.“
 

Die nächsten Tage vergingen wie im Flug, sodass schnell der Samstag kam. Die Feier sollte gegen Abend stattfinden, in der Hoffnung, dass die Temperatur dann angenehmer war. Denn noch immer war der ersehnte Regen nicht eingetroffen. Doch laut Taro, konnte es nicht mehr all zu lange dauern.
 

„Ich sag´s euch,“, sprach er zu Mirabelle, „heute Nacht wird es regnen. Ihr werdet es schon sehen.“
 

„Das hoffen wir alle, lieber Taro.“, erwiderte Mirabelle. „So langsam wird´s Zeit. Die armen Pflanzen gehen sonst völlig ein.“
 

Nach und nach erschienen sämtliche Gäste. Die wenigen, die Vaughn noch nicht kannten, zeigten reges Interesse an ihm, doch er blieb so einsilbig, dass keiner ein langes Gespräch mit ihm führte.
 

„Mirabelle, die Neffe ist aber ziemlich reserviert, oder?“, fragte Felicia, die engste Freundin von Mirabelle.
 

„Das mag sein. Ich weiß es nicht so genau, aber ich denke, dass er einfach noch ein wenig braucht, bis er sich an das Leben hier gewöhnt hat. Immerhin ist es für ihn eine komplette Umstellung, vom Festland auf eine Insel. Vorher lebte er nur in der Stadt. Ich weiß, was für eine Umgewöhnung für mich es war, als ich vor fünf Jahren hierher kam.“
 

„Da hast du wohl Recht. Geben wir ihm einfach noch Zeit. Bis jetzt hat sich jeder hier eingelebt, da wird er keine Ausnahme sein.“
 

Chelsea und Mark waren unter den letzten Gästen, die eintrafen. Nachdem sie ihre Geschenke bei Mirabelle abgegeben hatten, begab sich Chelsea auf die Suche nach Julia, um sie zu begrüßen. Mark hingegen, gesellte sich zu Elliot und Denny. In der Nähe vom Hühnerstall wurde Chelsea fündig.
 

„Hallo, Julia! Hier steckst du also.“
 

„Hi, Chelsea. Das wurde aber auch Zeit, dass ihr kommt.“
 

„Sorry, wir dachten, wir könnten gar nicht mehr kommen. Wir mussten unsere Hühner einfangen. War nicht ganz einfach.“
 

„Hauptsache ihr seid jetzt da. Komm mit, ich stelle dir meinen Cousin vor.“
 

Beide Mädchen kämpften sich durch die Gäste auf der Suche nach Vaughn. Hin und wieder wurden sie zu einem kleinen Plausch angehalten, bis sie letztendlich Vaughn, alleine an einem Tisch sitzend, fanden.
 

„Hi, Vaughn. Warum bist du so allein? Ich möchte dir meine Freundin Chelsea vorstellen. Sie und ihr Bruder leiten die Starry Sky-Ranch, von der ich dir erzählt habe.“
 

Vaughn blickte nur kurz auf, als er Chelsea begrüßte.
 

„Hallo, Vaughn!“ Chelsea dagegen war herzlicher. „Ich habe bereits viel von dir gehört und hatte mich so darauf gefreut, dich kennen zu lernen.“
 

„Mmh.“
 

„Also wirklich, Vaughn. Ein bisschen mehr kannst du schon mit jemanden reden.“ Julia drehte genervt die Augen. Seit Vaughns Ankunft war nicht viel aus ihm heraus zu bekommen, was sich Julia nicht erklären konnte. So ein schweigsamer Mensch war ihr noch nie untergekommen. Ein Rufen lenkte ihre Aufmerksamkeit von Vaughn ab. Sie ließ Chelsea und ihren Cousin allein zurück. Chelsea war verunsichert, sie wusste nicht, was sie tun sollte.
 

„Stört es dich, wenn ich mich zu dir setze?“, wagte sie einen neuen Versuch.

„Wenn du meinst.“
 

Chelsea setzte sich Vaughn gegenüber. Für einige Minuten herrschte Stillschweigen.
 

„Du kommst vom Festland, oder? Mein Bruder und ich auch. Unsere Eltern leben noch dort. Vor zwei Jahren sind wir hierher gezogen. Mit jedem Tag gefällt es uns besser hier.“
 

Chelsea redete einfach munter drauflos, obgleich sie keine Ahnung hatte, ob Vaughn ihr auch zuhörte. Er zeigte keinerlei Reaktion.
 

„…Und wie alt bist du?“, fragte Chelsea.
 

„20.“
 

„Oh, dann bist du ja drei Jahre älter als ich. Im Herbst werde ich erst 18.“
 

„Mmh.“
 

„Hast du Geschwister?“
 

„Nein.“
 

„Schade. Also ohne meinen Bruder wüsste ich manchmal nicht, was ich tun sollte, ER ist immer da, wenn ich Probleme habe. Er ist zwei Jahre älter.“
 

Zum ersten Mal schaute Vaughn Chelsea richtig an. Sie selbst bemerkte es nicht. Sie dachte gerade liebevoll an ihren Bruder und nahm diese Regung nicht wahr.
 

„Hast du eine Freundin?“
 

„Was? Was soll die Frage? Hör endlich auf mich zu nerven.“
 

Anscheinend sichtlich genervt, erhob sich Vaughn vom Tisch und ging davon. Chelsea blieb allein zurück ohne zu wissen, womit sie Vaughn verärgert haben sollte.
 

Die Geburtstagsfeier wurde ein voller Erfolg. Eine dreistöckige Torte war von Julia bei Pierre, dem Courmetkoch der Insel, in Auftrag gegeben worden. Jeder bestaunte das Kunstwerk und man sparte nicht mit Lobeshymnen. Trotz des Zwischenfalls oder was auch immer das mit Vaughn war, genoss Chelsea die Party in vollen Zügen. Ab und zu hielt sie Ausschau nach ihm. Jedes Mal stand er alleine in irgendeiner Ecke. Einmal bekam sie mit, wie Julia versuchte ihn zu bewegen an der Gesellschaft teilzunehmen, jedoch ohne Erfolg. Chelsea wollte auch versuchen zu Vaughn zu gelangen und mit ihm reden, aber keiner der Gäste ließ sie gehen. Jedermann unterhielt sich gerne mit Chelsea. Sie war freundlich, aufgeschlossen und zu jedem hilfsbereit, sodass die Inselbewohner allesamt Chelsea mochten. Durch die Beanspruchung der anderen, entging ihr, wie Vaughn hin und wieder einen verstohlenen Blich zu ihr warf. Auch sonst fiel es niemandem auf.

Kein Fisch für Lanna

So, ein neues Kapitel. Ich hoffe, es gefällt euch.

Viel Spaß beim Lesen!
 

Eure jane-pride
 


 

3. Kein Fisch für Lanna
 

Taro hatte Recht behalten. In der Nacht nach Mirabelles Geburtstagsfeier setzte tatsächlich der lang ersehnte Regen ein und dauerte auch noch den gesamten folgenden Nachmittag an. Nach dieser Abkühlung sanken die Temperaturen um einige Grad tiefer, wodurch das routinemäßige Stöhnen und Schwitzen der letzten Tage ausblieb. Auch die darauf folgenden Tage hielt sich das angenehme Wetter.
 

Im östlichen Teil der Insel, nahe dem Festplatz, befand sich ein buntes Haus, welches sich von all den anderen Häusern abhob. In diesem Haus wohnte die Sängerin, Lanna, die auf die Insel gezogen war, um vom ganzen Starrummel eine Auszeit zu nehmen. Auf dem Festland war sie ein gefeierter Star gewesen, die mit ihrer herrlichen Stimme jeden verzauberte. Was nicht alle wussten, war die Tatsache, dass Lanna nicht nur gerne leidenschaftlich sang, sondern auch eine begeisterte Anglerin war. Aus diesem zusätzlichen Grund, entschied sie sich für die Sonnenschein-Insel, um sich ausgiebig ihrem zweiten Hobby zu widmen. Da es ein angenehmer, herrlicher Tag werden würde, entschloss sich Lanna zum Strand zu gehen und am Pier zu angeln. Also packte sie ihre Angelausrüstung ein und machte sich auf dem Weg, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen.
 

Es war noch recht früh am Morgen, als Lanna am Strand ankam. Mit aller Ruhe und ein Liedchen summend, bereitete sie ihre Angel vor, um einen möglichst großen Fisch zu angeln, den sie heute noch speisen wollte. Lanna holte mit ihrer Angel weit aus und warf die Schnur mit dem Angelhaken ins Meer.

Jetzt musste sie nur noch warten…
 

<>
 

Vaughn gewöhnte sich schnell an die Arbeit, sowohl im Tiergeschäft als auch bei der Aufzucht von Tieren. Hauptsächlich war er für die Tiere direkt zuständig, was ihm nur all zu lieb war. Er kannte diese Arbeit und musste somit nicht die Kundschaft im Laden bedienen. Konversation betrieb Vaughn äußerst ungern. Er war lieber allein, höchstens in der Gesellschaft von Tieren, die ihm angenehmere Zeitgenossen waren. Die Tiere wiederum gewöhnten sich genauso schnell an Vaughn und fassten mit jedem Tag weiteres Zutrauen. Vaughn war gerade dabei den Viehstall auszumisten als Julia zu ihm trat.
 

„Vaughn?“

„Ja?“
 

„Heute Nachmittag so gegen 15 Uhr läuft ein Handelsschiff am Pier ein. Mutter hatte einige Waren bestellt. Würdest du die Sachen dann abholen? Meine Mutter und ich werden im Laden gebraucht.“

„Geht klar.“
 

„Gut, danke.“ Julia wollte sich gerade abwenden, als sie es sich spontan anders überlegte. „Sag mal, Vaughn.“
 

Vaughn hielt kurz in seiner Arbeit inne. „Was gibt es noch?“
 

„Hast du dich mittlerweile eingelebt? Mit der Arbeit hast du keine Schwierigkeiten, das sehe ich. Ich meine allgemein. Gefällt dir die Insel?“
 

Es dauerte bis Vaughn eine Antwort darauf gab. Als er zu sprechen anfing, hatte er seine Arbeit wieder aufgenommen.
 

„Es ist ein ruhiger Ort, im Vergleich zur Stadt, drüben auf dem Festland. Alle sind freundlich und hilfsbereit untereinander, soweit ich es beurteilen kann.“
 

„Das freut mich zu hören. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, weil du immer so still bist und kaum mit den Leuten sprichst.“
 

Julia lächelte zufrieden. „Wenn ich irgendwas für dich tun kann oder du mal Hilfe brauchst, lass es mich wissen. Unser Leben auf der Insel geht Hand in Hand. Du zählst genauso dazu wie jeder andere auch.“
 

Mit diesen Worten drehte Julia sich um und verschwand rüber in den Laden. Vaughn dachte noch ein wenig über diese Worte nach. Ihm war sehr wohl, die Harmonie, die durch das gemeinschaftliche Leben auf der Insel herrschte, aufgefallen. Auf eine gewisse Weise musste er sich eingestehen, dass es ihn beruhigte. In der Stadt war es viel lauter und hektischer gewesen, was ihn manches Mal zu erdrücken drohte, aber hier… Hier war alles anders. Was genau, und was er dabei empfand, konnte er nicht sagen.
 

<>
 

„So, endlich fertig. Das war der letzte Stall.“ Zufrieden legte Chelsea die Mistgabel zur Seite und betrachtete ihr Werk. Aufgrund des Wetters war sie mit der Arbeit früher fertig geworden als sonst. Die Feldfrüchte hatten ebenfalls noch genügend Wasser gespeichert und benötigten kein weiteres. Die Ställe waren allesamt ausgemistet und auch Toto, deren Wachhund, freute sich schwanzwedelnd, dass er wieder soviel Aufmerksamkeit von seinem Herrchen bekam. Spontan entschied sich Chelsea einen Ausritt mit Shadow zum Strand zu machen. Sie hatte ihr Pferd gerade fertig gesattelt, als ihr Bruder in den Pferdestall trat.
 

„Hi, Mark. Begleitest du mich zum Strand?“
 

„Nee, ein andermal. Ich werde noch für eine Stunde Holz hacken bevor es wieder zu warm dafür wird.“
 

„Na gut, wie du meinst. Gegen Abend bin ich wieder zurück.“
 

„Alles klar, viel Spaß!“
 

<>
 

Es war bereits nach 15 Uhr und Vaughn wartete immer noch am Pier auf das Handelsschiff. Gedankenverloren streichelte er die Stute Beauty, mit der er her geritten war. Etwas abseits von ihm nahm er ein aufgeregtes Fluchen war, welches allmählich lauter wurde. Vaughn konnte es nicht länger ignorieren und ging auf Lanna zu, von der das Fluchen stammte.
 

„Das gibt es doch nicht! Ich fang gleich an zu heulen. Es ist weit nach Mittag und noch immer hat kein Fisch angebissen. Wieso bloß? Wo sind all die Fische?“
 

„Hallo. Brauchst du Hilfe?“ Lanna hatte nicht gemerkt, wie Vaughn an ihre Seite getreten war und schrak zusammen.
 

„Hey! Was fällt dir ein mich so zu erschrecken? Ich hätte einen Herzinfarkt kriegen können!“
 

„Wie jetzt?“, fragte Vaughn sichtlich perplex. „Brauchst du Hilfe oder nicht?“
 

„Kennst du dich denn mit Fischen aus?“
 

„Nicht wirklich.“, gab Vaughn zögernd zu. „Wo ist denn das Problem?“
 

„Das Problem? Das Problem!“ Lanna geriet immer mehr in Rage. „Seit heute morgen stehe ich hier und versuche mir mein Essen zu angeln, aber kein Fisch beißt an. Ich verstehe das nicht. Ich habe doch alles richtig gemacht.“
 

Nachdenklich schaute Vaughn Lanna an. „Hast du es an einer anderen Stelle probiert?“
 

„Natürlich! Für wie blöd hältst du mich? Och, manno! Was stimmt denn nicht?“
 

Kurz darauf fing Lanna an zu weinen. Ihrer Enttäuschung über den heutigen Tag ließ sie freien Lauf. Vaughn, der mit so einer Situation gänzlich überfordert war und damit nicht gerechnet hatte, wusste nicht, wie er reagieren sollte. Abgesehen davon, konnte er sich auch kein Reim darauf machen, was Lanna falsch gemacht hatte. Ihrer Schilderung zu urteilen, war daran kein Fehler zu entdecken.
 

„Jetzt hör doch mal…“, startete Vaughn einen neuen Versuch, brach aber mitten im Satz ab. Chelsea, die den Strand gerade erreicht hatte, hörte Lannas Weinen und ritt auf die beiden zu.
 

„Na sowas. Was ist denn hier los?“
 

Vaughn, der froh war, dass jemand anders erschienen war, atmete erleichtert auf. Gleichzeitig bewunderte er Chelseas Hengst. Er war pechschwarz und richtig groß. Ebenfalls bewunderte er Chelsea, die ihn reiten konnte. Bestimmt war es schwierig gewesen, so ein Pferd zu zähmen.
 

„Hallo, Vaughn! Seit Mirabelles Geburtstagsfeier haben wir uns nicht mehr gesehen. Hast du dich schon eingelebt?“ Erwartungsvoll sah sie ihn an.
 

„Ja…ja. Alles bestens.“ Vaughn, der immer noch Shadow anstarrte, war von dieser Frage gänzlich überrumpelt.
 

„Das freut mich. Möchtest du vielleicht…“
 

„Hey!“, unterbrach Lanna die beiden. „Ich bin auch noch da, oder habt ihr mich völlig vergessen?“ Sie war mehr als beleidigt. Schließlich war sie diejenige, die hier ein Problem hatte.
 

„Ups! Tut mir Leid, Lanna. Was ist denn überhaupt los? Warum weinst du?“
 

„Es beißt kein verdammter Fisch an.“ Sofort fing Lanna wieder an zu weinen. Chelsea versuchte, so gut es ging, sie zu trösten.
 

„Ist ja gut, Lanna. Jetzt beruhige dich erstmal wieder. Atme ganz tief ein und aus.“
 

Lanna tat, wie ihr geheißen wurde und atmete zweimal ganz tief ein und aus.
 

„Danka, Chelsea. Es geht mir etwas besser. Aber mein Fisch! Ich wollte selbstgefangenen Fisch essen.“
 

„Mit der Angel ist alles in Ordnung, nicht wahr?“
 

„Sicher. Gestern hatte ich mir einen brandneuen Angelhaken gekauft und bin mächtig stolz darauf gewesen, ihn heute auszuprobieren.“
 

„Also, mehr weiß ich vom Angeln auch nicht. Lass mich mal überlegen.“

Nachdenklich blickte Chelsea aufs Meer. Für einen kurzen Moment herrschte Schweigen.
 

„Also,“, sprach Vaughn in die Stille hinein, „wenn ihr mich nicht braucht, würde ich dann wieder gehen.“
 

„Nichts da! Du bleibst gefälligst hier!“, herrschte Lanna ihn aufbrausend an, wobei sowohl Vaughn als auch Chelsea zusammen zuckten.

„Lanna, sachte sachte. Wir finden schon eine Lösung.“, versuchte Chelsea das aufgelöste Mädchen erneut zu besänftigen.
 

„Ach, und wann? Ich will endlich meinen Fisch haben!“
 

Vaughn verstand die Welt nicht mehr. Wie konnte man nur so kindisch sein? Außerdem, wie war er bloß in diese Situation hineingeraten? Er wartete hier nur aufs Handelsschiff, welches nach wie vor noch nicht aufgetaucht war. Dabei war es bereits halb 4 Uhr.
 

„Jetzt weiß ich es!“, rief Chelsea begeistert aus. Die andern beiden blickten sie erwartungsvoll an.
 

„Wir können doch einfach Denny fragen. Er angelt doch tagein, tagaus. Wenn einer weiß, was wir tun können, dann er.“
 

„Aber klar! Warum bin ich denn nicht gleich darauf gekommen? Ich werde gleich mal zu ihm rüber gehen.“

Und weg war Lanna.
 

„Dann passen wir solange auf ihre Sachen auf. Was meinst du, Vaughn?“
 

Er nickte. Zumal er sowieso noch aufs Handelsschiff warten musste.
 

„Übrigens, Vaughn. Womit hatte ich dich denn neulich verärgert? Du wirktest ganz schön genervt.“
 

„Wie?...Ach so, auf der Feier. Nichts Besonderes. Alles in Ordnung.“
 

„Ganz sicher? Das sah mir nämlich nicht danach aus.“
 

„Es ist wirklich nichts. Brauchst dir keine Gedanken mehr deswegen zu machen.“

Vaughn drehte sich zum Meer und zog seinen Hut weiter ins Gesicht.
 

„Wieso versteckst du dein Gesicht?“

„Wie bitte?“
 

„Dein Gesicht. Warum zeigst du es nicht? Wenn es nicht so versteckt wäre, würdest du bestimmt sympathischer wirken.“
 

„Wie? Ich…“
 

Vaughn wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. So etwas hatte noch nie jemand zu ihm gesagt. Sehnlicher, als zuvor, wünschte Vaughn sich das Handelsschiff herbei, damit er endlich von hier verschwinden konnte. Die Situation wurde ihm immer unangenehmer. Es dauerte auch nicht mehr lange, da kam Lanna mit Denny im Schlepptau zurück.
 

„Hi, Denny! Schön dich wieder zu sehen.“
 

„Hallo, Chelsea. Ganz meinerseits. Grüß dich, Vaughn.“
 

„Jetzt ist Schluss mit dem Begrüßen! Was wird denn nun mit meinem Fisch?“
 

„Ganz ruhig, Lanna. Ich schaue mir das mal an.“

Fachmännisch untersuchte Denny Lannas Angel. Die anderen schauten schweigend dabei zu.
 

„Und? Was ist nun?“ Ungeduldig wippte Lanna mit ihren Füßen auf und ab.
 

„Nur Geduld.“, antwortete Denny. „Ach! So ist das!“
 

„So ist was? Jetzt spann uns nicht länger auf die Folter!“
 

„Du hast den Köder vergessen.“, verkündete Denny ihr. Verwirrt starrte Lanna ihn an.
 

„Den Köder? Was meinst du?“
 

„Zum Angeln benötigt man einen Köder. Ein Haken allein reicht nicht. Sonst beißen die Fische nicht an.“
 

„Oh,“, langsam begriff Lanna. „Und wo bekomme ich die Köder her?“
 

„Chen verkauft sie bei sich im Laden. Ich leihe dir für heute ein paar von meinen. Ich bin gleich wieder da.“
 

Peinlich berührt, entschuldigte sich Lanna für ihr ganzes Theater bei Chelsea und Vaughn und bedankte sich tausendmal für ihre Mühen.
 

„Auch dir vielen Dank Vaughn!...Ich weiß, ich werde dich Vaughnie nennen. Irgendwie passt das zu dir.“
 

„Was??? Kommt überhaupt nicht in Frage! Ich heiße Vaughn und nicht anders!“
 

„Ach, Vaughnie.“, neckte Lanna ihn aufs Neue.
 

Bevor Vaughn noch etwas erwidern konnte, ertönte die Sirene vom Handelsschiff und legte bald darauf am Pier an. Vaughn, mehr als erleichtert, verabschiedete sich. Chelsea, die die ganze Zeit gelacht hatte, winkte ihm hinterher.
 

„Bis zum nächsten mal, Vaughn! Ich freue mich schon darauf!“
 

Einen kurzen Blick warf Vaughn noch zurück und widmete sich dann wieder seinen eigenen Gedanken.
 

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Lanna und Denny angelten folglich zusammen, bis sie genügend Fische gefangen hatten und Lanna wieder vollauf zufrieden gestimmt war. Chelsea blieb lange bei ihnen und lachte herzlichst über Lannas freudigen Gesichtsausdruck, als sie ihren ersten Fisch an Land gezogen hatte. Alle drei hatten gewaltigen Spaß und versprachen sich, das bei Gelegenheit gemeinsam zu wiederholen.

Die Prinzessin Elisa

Hallo, liebe Leser!

Diesmal ein recht langes Kapitel. Ich finde, dies ist mein bestes bisher. Aber, lest selbst.

Viel Spaß dabei!

Eure

Jane-pride
 

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4. Die Prinzessin Elisa
 

Die Zeit raste nur so dahin. Seit einem Monat lebte Vaughn nun auf der Sonnenschein-Insel. Richtige Bekanntschaft hatte er noch nicht geschlossen, worauf er, zugegeben, keinen all zu großen Wert legte. Ihm genügte unbeirrt die Gesellschaft der Tiere, mit denen er jeden Tag zu tun hatte, die inzwischen volles Vertrauen zu Vaughn gefasst hatten.

Mirabelle, seine Tante, freute sich über diese positive Entwicklung. Mittlerweile hatte sie sich auch an Vaughns Reserviertheit gewöhnt, die ihr dennoch Sorgen bereitete.

Unerklärlicherweise hatte sie das Gefühl, dass ihr Neffe etwas vor ihr und allen anderen in seinem Umfeld verbarg. Gelegentlich, wenn sie ihn heimlich beobachtete, meinte sie etwas wie Einsamkeit in seinem Gesicht gesehen zu haben. Zwar nur für einen kurzen Moment, denn meistens war Vaughn zu sehr auf seine Arbeit konzentriert, weswegen seine Gedanken fest darauf gelegt waren, doch der Schatten war da gewesen. Diesbezüglich war sich Mirabelle ganz sicher.

Selbstverständlich kannte sie ein wenig die Bedingungen unter denen Vaughn aufgewachsen und großgezogen wurde. Ihr Schwager, der Ehemann ihrer Schwester, somit der Vater von Vaughn, soll ziemlich streng gewesen sein, was seine Erziehungsmethoden anbelangte. Trotzdem konnte das allein, nicht der Grund für Vaughns Unnahbarkeit sein. Sicher, er war nicht unhöflich zu ihren Nachbarn, doch er hielt nach wie vor die Leute auf Abstand. Keiner konnte sich ihm ohne Weiteres nähern. Er verschloss sich vor jedem.

Mirabelle seufzte, wie so oft, wenn sie daran denken musste. Sie machte sich nun mal Sorgen, wie sie fand, auch berechtigte.

Dennoch hoffte sie, und zwar inständig, dass es irgendwann jemanden gelingen würde, Vaughns Herz zu erweichen. Ihm einen Grund zu verschaffen, sich freiwillig demjenigen zu öffnen. Ganz egal, wer es sein würde. Sie wollte, dass ihr Neffe glücklich ist, das allein war ihr wichtig.
 

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„Och, Papa! Jetzt spiel endlich mit mir! Bitteeee!“
 

„Tut mir Leid, Liebes. Ich muss arbeiten. Taro benötigt dringend ein neues Regal für sein Geschäft. Das kann nicht warten.“
 

„Ach, dieses blöde Regal! Ich will, dass du mit mir spielst. Mir ist so langweilig. Ach bitte, Papa!“
 

„Wie gesagt, es geht leider nicht. So gerne ich euch möchte. Du musst dir jemand anderen suchen.“
 

Gannon, der einzige Handwerker der Sonnenschein-Insel, musste seine gesamte Geduld aufbringen, um seine Tochter, Elisa, zu beschwichtigen. Es tat ihm unwahrscheinlich Leid, ihre Bitte abzuschlagen, aber die Arbeit hatte für heute Vorrang. Bereits gestern hatte Taro nach dem angeforderten Regal gefragt, weswegen sich Gannon heute besonders ins Zeug legen musste, da Taro ein wenig angedeutet hatte, dass es drängte.
 

„Jetzt hör schon auf, Papa! Komm und spiel mit mir. Ich bin doch deine Prinzessin und eine Prinzessin lässt man nicht lange warten!“, drängelte Elisa unermüdlich weiter.
 

„Schluss jetzt!“ Gannon verlor allmählich seine Geduld. „Es geht heute nicht. Ich habe keine Zeit, um mit dir zu spielen. Wie oft muss ich mich denn noch wiederholen, bist du es verstanden hast?“
 

„Aber, aber…“
 

„Jetzt fang nicht auch noch an zu weinen! Das musst du verstehen, Elisa. Dafür habe ich gerade keinen Nerv.“

Mit tränenüberfüllten Augen lief Elisa aus der Werkstatt. So wütend war ihr Vater noch nie, ihr gegenüber gewesen. Niemals zuvor hatte er sie angeschrien gehabt.

Gannon taten seine harten Worte und sein dazugehöriger strenger Ton Leid. Am liebsten wäre er seiner Tochter hinterher gerannt. Leider wartete das Regal auf ihn. Er konnte keinen weiteren Tag vertrödeln. Elisa würde wieder kommen, wenn sie sich beruhigt hatte. Da war er sich ganz sicher.
 

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Weiter westlich der Insel gab es einen dichten Wald, der bis zum Berg verlief, indem man angeblich, seltenes Erz finden konnte, wenn man sich nur tief genug ins Innere des Berges wagte. Mehrere Bergleute kamen deswegen auf die Insel, um ihr eigenes Glück zu suchen. Jeder hatte dabei nur eins im Sinn, einen äußerst wertvollen Fund zu machen, um damit gleichzeitig berühmt und reich zu werden.

Bisher ohne Erfolg. Dennoch gaben die Hartnäckigen unter ihnen nicht auf. Irgendwann würde es einem von ihnen schon gelingen und an sein Ziel kommen.
 

Mitten im Wald gab es eine Stelle mit mehreren Himbeersträuchern. Chelsea und Mark befanden sich gerade vor Ort, um genügend Beeren zu pflücken, damit Chelsea Marmelade daraus kochen konnte. Sie waren so vertieft, reichlich davon zu pflücken, dass keiner von ihnen die heraufziehende dunkle Wolkenfront bemerkte.
 

„Ist dein Korb schon voll, Chelsea?“

„Fast. Es fehlen noch ein paar. Und bei dir?“

„So gut wie…Oh nein! Verdammt!“
 

„Was ist denn los?“
 

Verärgert über seine Unachtsamkeit, hatte Mark nicht gemerkt, wie seine Hose sich in einer der Büsche verheddert hatte. Mit einem kräftigen Ruck zog er daran, wodurch die Naht seiner Hose gerissen war.
 

„Na toll! Jetzt habe ich ein Loch in der Hose.“
 

„Das ist doch kein Problem. Das kann ich zu Hause wieder zu nähen. Dann sieht die Hose gleich wieder wie neu aus.“
 

„Ich danke dir, Chelsea. Wollen wir uns dann nach Hause begeben? Mir ist die Lust vergangen.“
 

„Einverstanden. Soweit ich sehe, müssten es genug Himbeeren sein. Daraus kann ich einige Gläser Marmelade kochen.“
 

Zufrieden traten also beide den Rückweg an. Sie waren kaum einige Schritte gegangen, als Chelsea einen Regentropfen auf ihrer Nasenspitze spürte.
 

„Huch! Fängt es etwa an zu regnen?“
 

„Sieh mal rauf, Chelsea! Das sieht mir nach einem heftigen Schauer aus.“
 

„Tatsache. Wir sollten uns beeilen. Ich bin nicht erpicht darauf mir eine Erkältung oder Schlimmeres einzufangen.“
 

„Mir geht es genauso. Los! Beeilen wir uns.“
 

Einen Teil des Weges waren sie gerannt, als der Regen von einer Minute auf die andere heftiger wurde. Er war so kraftvoll, dass das Blätterdach dem nicht ausreichend standhalten konnte. Es dauerte auch nicht lange und beide waren völlig durchnässt. Somit beschlossen sie, einen vorübergehenden Unterschlupf zu suchen. Zum Glück wusste Mark, dass sich in der Nähe eine kleine Höhle befand. Den Wald kannte er fast wie sein eigenes zu Hause. Allerdings staunten sie nicht schlecht, als sie die Höhle erreichten, denn da war bereits jemand.
 

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Den gesamten Nachmittag hindurch schuftete Gannon unerbittlich. Er war so intensiv in sein Handwerk vertieft, dass er den andauernden Regen nicht bemerkte. Kein einziges Mal sah er aus dem Fenster.

Erleichtert und zufrieden wischte sich Gannon den Schweiß von der Stirn und betrachtete mit Stolz sein Bauwerk. Sicher, es war für viele nur ein simples Regal, dennoch freute er sich jedes Mal wahnsinnig, wenn eines seiner Werke vollendet war. Jedes einzelne wurde mit viel Liebe und Hingabe gebaut. Holz und Stein waren Gannons ganzes Leben. Abgesehen von seiner kleinen Tochter.

Apropos, kleine Tochter. Wie spät war es überhaupt? Sie müsste längst wieder zurück sein. Ob sie immer noch sauer auf ihn war? Der besorgte Vater mochte gar nicht daran denken, geschweige denn daran, ob ihr was zugestoßen war. Erst da entdeckte Gannon den Regen, der unaufhaltsam vom Himmel fiel. Sie wird doch wohl nicht draußen sein, bei dem Wetter!

Hastig lief Gannon zum Telefon. Der Telefonhörer verschwand fast in seiner riesigen Hand. Schnell betätigte er einige Tasten, als auch schon nach kurzem Tuten, das Freizeichen ertönte und jemand das Gespräch entgegen nahm.
 

„Hallo? Hier bei Chen.“
 

„Ja. Guten Tag, Chen. Ich bin´s Gannon.“
 

„Hi, Gannon! Was kann ich für dich tun?“
 

„Ist meine Tochter, Elisa bei dir? Spielt sie eventuell mit Charlie?“
 

„Nein, tut mir Leid, sie ist nicht hier. Den ganzen Tag war sie nicht hier gewesen.“
 

„Mmh. Danke, Chen. Ich…“
 

„Ist denn irgendetwas passiert?“
 

„Nicht direkt…Wir hatten Streit, weil ich keine Zeit für sie zum Spielen hatte. Taro wartete schon ungeduldig auf sein neues Regal.“

„Ich verstehe. Hast du schon bei Mirabelle oder Pierre angerufen? Bei ihnen hält sie sich doch auch gerne auf.“

„Nein, noch nicht. Ich werde es gleich versuchen“
 

„Ich werde bei den übrigen in unserer Nachbarschaft anrufen. Irgendeiner muss sie schließlich gesehen haben. Bei dem Regen sollte sie nicht alleine draußen rumlaufen.“
 

„Das denke ich auch. Allmählich mache ich mir Sorgen. Ich war wohl zu streng zu ihr gewesen.“
 

„Jetzt mach dir keine Vorwürfe. Es ist nicht deine Schuld. Sie wird schon wieder auftauchen. Vielleicht ist sie bereits auf dem Weg nach Hause.“
 

„Das hoffe ich, Chen, das hoffe ich. Vielen Dank für deine Hilfe. Ich melde mich gleich wieder bei dir.“
 

„Ist gut. Kopf hoch, Großer! Alles wird gut.“
 

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„Vaughn? Du hier? Was machst du hier?“ Chelsea und Mark waren mehr als erstaunt Vaughn hier draußen zu treffen. Doch auch Vaughn war nicht weniger überrascht, so unerwartet Besuch zu bekommen.
 

„Dasselbe könnte ich euch fragen. Was verschlägt euch bei dem Wetter hierher?“
 

„Wir waren Beeren sammeln und hatten nicht bemerkt, wie der Himmel sich zugezogen hatte. Also kamen wir hierher.“, erklärte Mark. Er und Chelsea hatten beide Körbe auf dem Boden abgestellt.
 

„Na, herrlich.“, seufzte Chelsea. „Jetzt sitzen wir wohl erstmal hier fest.“
 

„Sieht echt nicht so aus, dass der Regen bald aufhören wird, soweit ich es durchs Blätterdach erkenne.“, bestätigte ihr Bruder. „Aber erzähl doch mal, Vaughn, was du hier so treibst. Bist du öfter im Wald?“
 

„Ja. Mir gefällt die Natur. Es ist so ruhig hier.“
 

„Ach wirklich!“, überrascht blickte Chelsea ihn an. „Das wusste ich noch gar nicht.“
 

„Wie dem auch sei. Ich unternahm einen Spaziergang, als der Regen plötzlich einsetzte. Durch Zufall entdeckte ich diese Höhle.“
 

„Da hast du Glück gehabt. Wenn man sich im Wald nicht auskennt, kann man sich schnell verlaufen. Trotz der Umstände freue ich mich dich wieder zu sehen.“
 

Vaughn war nicht in der Lage, Chelseas Aussage zu deuten, was er ihr damit sagen wollte und schaute verwundert in ihr fröhliches Gesicht. Obwohl sie recht nass vom Regen war, strahlte sie eine Lebendigkeit aus, die Vaughn in ihren Bann zog. Irgendetwas war anders an diesem Mädchen, dass wusste er. Was er allerdings nicht sagen konnte, was es war. Immer wenn er das braunhaarige Mädchen sah, lachte sie. Nie schien sie schlechter Laune zu sein. Kurz erinnerte er sich daran, wie sie Lanna am Strand beruhigt hatte. Das hatte ihn zutiefst beeindruckt. Aber auch das große, schwarze Pferd hatte er nicht vergessen.
 

„Na dann, Leute,“, verkündete schließlich Mark. „dann warten wir hier, bis der Regen aufgehört oder zum größten Teil nachgelassen hat.“

Die andern beiden nickten zustimmend.
 

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Unruhig lief Gannon bei Taro zu Hause auf und ab. Er hatte weder bei Mirabelle oder Pierre etwas Neues erfahren, noch konnte Chen etwas über Elisas Verbleib in Erfahrung bringen.
 

„Jetzt beruhige dich, Gannon. Setz dich hin und nimm eine Tasse warmen Tee, der wird dir gut tun.“, versuchte Felicia besänftigend auf den Großen einzureden.
 

„Genau, Gannon.“, stimmte auch Chen ihr zu. „Elisa wird ganz sicher jeden Moment zurück kommen. Du wirst sehen.“
 

„Ach ja! Und wann? Sie ist doch noch so klein. Ein unschuldiges Kind.“ Gannon schlug sich die Hände vors Gesicht und schluchzte. Bei so einem großen, breiten Menschen hörte es sich fast schon bedrohlich an. Ohne Vorwarnung, jaulte er mit einmal auf, dass Taro glatt vom Stuhl fiel.
 

„Oh, nein! Mein armes Kind. Was habe ich nur getan? Nie wieder werde ich sie anschreien. Ich werde immer dann mit ihr spielen, wenn sie es wünscht. Ich werde ihr ein Puppenhaus bauen mit einer Prinzessin, die genauso bezaubernd ist wie sie. Ich werde…“
 

„Jetzt reiß dich aber mal zusammen. Du bist doch ein Mann!“ Inzwischen war Taro wieder aufgestanden und konnte das Gejammer kaum noch ertragen.
 

„Elisa ist ein gescheites Mädchen. Sie wird so schlau gewesen sein und sich zumindest einen Unterschlupf gesucht haben, wo sie vorm Regen geschützt ist. Ich schlage vor, dass wir noch eine halbe Stunde warten, dann ist es 18 Uhr. Sollte sie bis dahin nicht zurück sein, werden wir uns aufmachen und nach ihr Suchen.“
 

Gannon schnäuzte, für etliche Nachbarn hörbar, in ein Taschentuch, welches Felicia ihm gereicht hatte.
 

„Danke, Taro. So machen wir das. Ich werde mich zusammenreißen. Für meine Prinzessin.“
 

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„Hatschie.“

„Gesundheit.“, kam es von Mark und Vaughn gleichzeitig.
 

„Danke. So langsam wird mir kalt. Am Besten ich gehe ein wenig auf und ab.“
 

„Tu das. Eine Erkältung wäre ziemlich fehl am Platz. Jetzt in der Hochsaison.“
 

„Schön zu wissen, dass du dir solche Sorgen um mich machst, Bruder. Mein Wohl liegt dir wahnsinnig am Herzen, wie?“
 

„Jetzt übertreib mal nicht. So habe ich es doch gar nicht gemeint.“
 

„Du musst dich nicht entschuldigen. Es war ironisch von mir gerade gewesen.“
 

„Ich weiß. Trotzdem ziehe ich dich gerne auf.“
 

„Hihi.“
 

Vaughn beobachte den Umgang der Geschwister untereinander und empfand mit einem Mal Sehnsucht, so etwas auch erlebt zu haben. Unwillkürlich musste er an seinen Vater denken. Seine Miene verdüsterte sich.
 

„Vaughn! Ist alles okay? Du siehst so traurig aus.“ Besorgt ging Chelsea vor Vaughn in die Knie, der mit angewinkelten Beinen auf dem Boden saß.

„Wie? J-ja. Es ist nichts weiter. Ich war gerade in Gedanken.“
 

„Dann waren das aber keine schönen Gedanken. Kann ich was für dich tun?“
 

„N-nein. Wirklich nicht. Ich sagte doch, es ist alles gut. Eine unwichtige Erinnerung, nichts Besonderes.“
 

„Bist du dir sicher?“
 

„Ja!. Wie oft willst du es noch hören?“ Gereizt stand der junge Mann auf und wandte sich von Chelsea ab. Warum nervte sie ihn nur so, mit ihren Fragen?
 

„Aber…“, versuchte es das Mädchen erneut, wurde aber von ihrem Bruder zurückgehalten.
 

„Lass es gut sein, Schwesterherz. Anscheinend möchte er nicht darüber reden.“
 

Chelsea gab sich geschlagen, konnte ihre Gedanken allerdings nicht von Vaughn abwenden. Was war nur mit ihm los? Ständig ist er so distanziert. Er sah gerade so traurig aus, so einsam. Irgendetwas quält ihn, das fühle ich. Aber was? Ob ich Julia danach fragen sollte? Lieber nicht. Vaughn würde es nicht wollen. Außerdem, eventuell weiß es Julia sogar selber nicht. Letztens hatte sie sich bei ihr beklagt, dass ihr Cousin kaum mit ihr sprechen würde.
 

„Jedes kleine Detail muss man ihm aus der Nase ziehen! Dieser Typ ist so stur! Wenn ich nicht wüsste, dass er Sprechen könnte, würde ich fast denken, dass er keine Stimme hat. Ich sag´s dir Chelsea, der Typ ist so anstrengend! Und dann seine Haare! Ständig fallen sie ihm ins Gesicht. Zusätzlich mit seinem Hut ist kaum was, von seinem Gesicht vorhanden!“
 

„Meinst du nicht auch, dass Vaughn noch ein bisschen Zeit braucht, bis er sich an das Inselleben gewöhnt hat?“
 

„Das glaube ich nicht. Daran kann es nicht liegen. Er lebt bereits einige Wochen hier. Ganz bestimmt liegt es nicht daran. Es Ist sein Wesen, Chelsea. Sein Charakter. Ein gottverdammter sturer Esel!“
 

Irritiert, dachte Chelsea über dieses Gespräch nach. Könnte ihre Freundin damit Recht haben? Moment mal, was war das für ein Geräusch? Es kam aus dem Wald.
 

„Habt ihr das eben auch gehört?“
 

„Was denn Chelsea?“, fragte ihr Bruder.
 

„Da war ein Geräusch, als ob… Da! Da war es wieder.“
 

„Ich kann nichts hören. Moment, warte Chelsea! Wo willst du hin? Verdammt! Nie tut sie das, was man ihr sagt.“
 

Ohne auf Marks Einwände einzugehen lief Chelsea in den Regen. Sie hoffte, die richtige Richtung gewählt zu haben, aus der das Rufen kam. Sie rannte quer durch den Wald. Plötzlich wurde das Geräusch lauter. Es kam näher. Sie bog um einen letzten Baum und da entdeckte sie…Elisa!
 

„Elisa! Was machst du hier? So ganz allein?“
 

„Hmmm.“ Schnief, schnief. „Bist du das, Chelsea? Ich habe mich verlaufen und jetzt finde ich nicht mehr aus diesem Wald heraus.“

Tränen rannen ihr über das Gesicht. Das aufgelöste, völlig durchnässte kleine Mädchen konnte nicht aufhören zu heulen.

„Ruhig, Elisa. Ganz ruhig. Es wird alles wieder gut. Ich bin bei dir.“

Behutsam nahm Chelsea Elisa in den Arm und hob sie hoch. Mit ihr zusammen ging sie zur Höhle zurück.

Mark und Vaughn staunten nicht schlecht, als Chelsea mit Elisa im Arm zurückkam. Gerade Vaughn überkam ein unbeschreibliches Gefühl, als er die beiden vor sich sah. Der liebevolle Anblick von Chelsea und ihr warmes Gesicht, welches auf Elisa gerichtet war. Dieser Anblick löste etwas in ihm aus. Es fühlte sich warm und…gut an. Dieses Gefühl hatte er schon einmal gehabt, vor sehr langer Zeit. Er konnte nicht sagen, wann das gewesen war.
 

Endlich hörte der Regen auf. Alle vier zusammen konnten nun ins Dorf zurück kehren. Elisa befand sich während dessen auf Marks Rücken. Es war ihre Bedingung gewesen.
 

„Hopp, hopp, Mark. Schneller, schneller. Du bist mein Pferdchen, also hopp hopp!“
 

„Ich mach schon so schnell ich kann, erhabene Prinzessin. Schneller geht es aber nicht.“
 

Alle lachten. Selbst Vaughn fand es sehr lustig. Als sie die Brücke zum Dorf erreichten, kamen ihnen auch schon Chen und ein hektischer Gannon entgegen.
 

„Elisa! Meine kleine Elisa! Komm her zu Papa.“
 

Die Freude war auf beiden Seiten sehr groß. Gannon bedankte sich überschwänglich bei Mark, Chelsea und auch Vaughn. Er versprach bei Gelegenheit, sich bei ihnen zu revanchieren.
 

<>
 

„Du. Papa?“
 

„Ja, mein Liebes?“
 

„Ich bin doch deine Prinzessin, oder?“
 

„Natürlich bist du das.“
 

„Dann möchte ich ein echtes Prinzessinnenschloss haben, mit allem drum und dran. Du kannst doch so gut zimmern.“

Glaub an dich!

5. Glaub an dich!
 

Die Hälfte des Sommers war bereits vergangen. Viele Inselbewohner freuten sich darüber, weil es gleichzeitig bedeutete, dass die heißesten Tage im Jahr nun vorüber waren. Dennoch gab es für diese Jahreszeit noch viel zu tun. Das jährlich stattfindende Kuhfest stand vor der Tür. Jeder war deswegen aufgeregt, nicht nur die Teilnehmer, sondern auch die Schaulustigen. Es wurde viel spekuliert, wer dieses Jahr gewinnen würde. Wer würde die gepflegteste und zufriedenste Kuh präsentieren? Reichlich Wetten wurden dafür abgeschlossen. Sogar die Kühe spürten, dass etwas im Gange war. Die Nervosität ihrer Züchter war auch für sie zu spüren.
 

Elliot, der das große Fest genauso wenig abwarten konnte, wie alle anderen, ging pfeifend seiner Arbeit nach. Er beglückwünschte sich innerlich, dass ihm heute noch kein Malheur geschehen war. Vielleicht war dies aber auch dem Umstand zu verdanken, dass seine Schwester, Nathalie, nicht im Hause war. Folglich konnte sie nicht auf ihren älteren Bruder rumhacken. Eine Wohltat für den sensiblen jungen Mann. Er war gerade dabei die letzte Kiste im Lager zu verstauen, als seine Mutter von hinten an ihn heran trat.
 

„Du, Elliot.“
 

Elliot erschrak dermaßen, dass seine Arme nach oben fuhren, samt der Kiste, die er auf den Schreck vergessen hatte. Die Kiste, die gottseidank nicht schwer war, drehte sich in der Luft um die Hälfte ihrer eigenen Achse, sodass die Öffnung zu Elliot gewandt war. Es resultierte, dass der gesamte Inhalt auf Elliot landete. Darunter befanden sich verschiedene Putzmittel, die er zuvor noch benutzt hatte.
 

„Oh nein! Mein Kopf.“
 

„Liebling, ist alles in Ordnung?“

Besorgt trat Felicia näher an ihren Sohn ran.
 

„Das wird schon. Höchstens eine Beule, mehr nicht.“, antwortete Elliot, der sich die schmerzende Stelle am Kopf rieb.
 

„Es tut mir Leid. Ich wollte dich nicht erschrecken.“
 

„Schon gut, Mutter. Ich war auch ziemlich verträumt gerade. Aber bitte erzähl das nicht Nathalie, ja? Sie würde mich nur wieder tadeln.“
 

„Natürlich. Aber du weißt, dass sie dich auf ihre eigene Art sehr gern hat, oder?“
 

„Sicher, weiß ich das. Ich liebe ebenfalls meine kleine Schwester. Auch wenn sie immer so aufbrausend ist.“
 

„Das freut mich, als Mutter, ehrlich zu hören.“

Nebenbei wurde die Kiste mit ihrem Inhalt im Regal untergebracht.
 

„Was wolltest du denn von mir? Du schienst mich was fragen zu wollen.“, wandte sich Elliot an seine Mutter.
 

„Ach ja! Das hatte ich schon beinahe vergessen. Ich habe einen Apfelkuchen für Julia gebacken. Die Ärmste ist mit ihren Nerven völlig am Ende, demnach, was ihre Mutter erzählt. Du weißt doch, dass Julia zum ersten Mal beim Kuhfest mit macht.“
 

„Davon habe ich gehört. Das hat sie mir gestern Abend noch erzählt. So aufgeregt kam sie mir aber nicht vor.“
 

„Sie beherrscht sich wohl recht gut. Den Kuchen habe ich ihr zur Aufmunterung gemacht. Würdest du ihn rüberbringen? Ich habe noch soviel im Haushalt zu tun, dass ich die Zeit jetzt nicht übrig habe.“
 

„K-k-klar doch! G-Gern! Ich gehe sofort rüber.“

Felicia grinste. Selbstverständlich wusste sie um die Gefühle ihres Sohnes bescheid. Es musste nur Julias Name fallen, worauf Elliot schnell errötete und anfing zu Stottern. Genauso wie eben. Natürlich war die Hausarbeit nur ein Vorwand von ihr. Denn hin und wieder, dachte sie, müsste man dem jungen Glück ein wenig nachhelfen.
 

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Du meine Güte! Die Ranch scheint mir jedes Mal um ein Stück größer geworden zu sein, wenn ich hier bin. Nathalie hatte an diesem Nachmittag beschlossen einen Spaziergang zu machen, da ihre Arbeit längst erledigt war. Das ihr Bruder länger brauchte als sie, geschah ihm nur Recht. Immer hin konnte sie nicht ständig seine Fehler ausbaden. Dafür war sie nicht verantwortlich. Ach ja, ihr großer, tollpatschiger Bruder, dachte sie und musste lachen. Manchmal war es doch ein Vergnügen, ihn so verzweifelt bei der Arbeit zu sehen.

Nathalies Spaziergang führte sie zur Starry Sky-Ranch. Die letzten Tage hatte sie sich immer mal wieder vorgenommen, bei Mark und Chelsea vorbeizuschauen. Sie bewunderte die beiden. Obwohl sie ebenfalls Geschwister waren, im selben Alter wie sie und Elliot, schienen sie nie irgendwelche Probleme untereinander zu haben. Zusammen leiteten sie sogar eine Ranch! Und das ohne Unterstützung von ihren Eltern. Einfach so. Nathalie konnte darüber nur staunen. Wenn sie sich dabei, sie und ihren Bruder vorstellte, konnte es nur Krieg geben. Demnach, ein unmögliches Unterfangen, was gar nicht erst in die Tat umgesetzt werden sollte.

Nathalie durchquerte das Tor der Ranch, als auch schon Toto, deren Wachhund, auf sie zugelaufen kam. Schwanzwedelnd begrüßte er sie.
 

„Hallo, Toto! Wo sind denn Frauchen und Herrchen? Kannst du mich zu ihnen führen?“

Als hätte Toto sie verstanden, bellte er kurz zur Bestätigung und lief an den Feldern vorbei zu den Ställen.

Prachtvolle Felder, dachte Nathalie. Sie zu pflegen muss harte Arbeit sein.

Sie folgte Toto bis zu den Ställen, wo er auch auf sie wartete.
 

„Ach du bist es! Ich wunderte mich schon, warum Toto so aufgeregt gewesen ist. Komm doch rein, Nathalie.“
 

„Hi, Mark.“

Nathalie trat zu ihm in den Viehstall. Ein unangenehmer Geruch stieg ihr in die Nase.
 

„Oh mein Gott! Das stinkt ja hier. Wie kannst du das hier drinnen nur aushalten?“
 

„Haha! Man gewöhnt sich mit der Zeit daran. Dann riecht man es einfach nicht mehr.“
 

„Tut mir Leid, aber ich halte diesen Gestank nicht aus. Ich werde draußen warten.“
 

„Ist gut. Ich bin sowieso gleich fertig, dann leiste ich dir Gesellschaft.“

Fluchtartig verließ Nathalie den Stall. Mark wiederum musste bei diesem Anblick lachen. Schade, dass er keine Fotokamera dabei hatte. Nathalies Gesicht war Goldwert gewesen. Es freute ihn, dass sie auch eine empfindliche Seite hatte. Sie tut zwar immer so stark und hasste es Fehler zu machen, aber tief in ihr drinnen, schlummert wohl auch ein weicher Kern.

Mit schnellen Griffen erledigte Mark seine Arbeit im Stall und trat dann hinaus in die Sonne.

Plötzlich blieb er stehen. Einige Meter vor ihm stand Nathalie und schaute verträumt aufs Sonnenblumenfeld, welches er und seine Schwester zum ersten Mal in diesem Jahr kultiviert hatten. Nicht besonders groß von der Quadratfläche her, aber die Blumen waren eine einmalige Pracht.

Wie er das Mädchen da so stehen sah, vernahm Mark eine leichte Gefühlsregung, die sich in seinem Herzen befand. So kam es ihm vor. Ihm wurde wohlig warm ums Herz. Einen so unbeschwerten, glücklichen Ausdruck hatte er an ihr noch nie gesehen. Es bestätigte seine Vermutung, dass das pinkhaarige Mädchen vor ihm, eine liebenswerte Seite besaß.

Kurzerhand beschloss er, aus unerklärlichen Gründen, diese Seite näher zu erforschen. Er wollte Nathalie besser kennen lernen, um jeden Preis.
 

„So, ich bin fertig.“, rief er ihr zu und ging ebenfalls zum Sonnenblumenfeld.
 

„Gut. Du bist ziemlich hart im Nehmen, wenn du das da drin länger als eine Sekunde aushältst.“
 

„Übertreib mal nicht. Es gibt Schlimmeres.“
 

„Was sollte es Schlimmeres geben? Dieser Gestank verleitet einen auf der Stelle tot umzufallen!“
 

„Haha! Das ist die Nathalie, die ich kenne. Aber da ich mit sowas großgeworden bin, stört mich das nicht mehr.“
 

„Ihr nehmt dieses Jahr nicht am Kuhfest teil, oder?“, fragte Nathalie neugierig.
 

„Nein. Die Tiere haben wir erst seit einem Jahr. Für sowas erschien es uns noch zu früh. Julia nimmt aber teil, habe ich gehört.“
 

„Das stimmt. Sie ist schon ganz aufgeregt. Heute Morgen gestand sie mir, die letzte Nacht nicht gut geschlafen zu haben.“
 

„Die Arme. Aber ich bin mir sicher, dass sie es schaffen wird.“
 

„Ich auch. Sie arbeitet auch verdammt hart für ihre Tiere.“
 

„Wenn man die Arbeit liebt, erträgt man alles, die guten und die schweren Seiten. Und wie ist es bei dir?“
 

„Wie? Was meinst du?“
 

„Na, deine Arbeit. Gefällt dir das Transportwesen?“
 

„Nun ja,“, Nathalie zögerte kurz. Das hatte bisher noch niemand gefragt. Es war immer selbstverständlich, dass sie ihre Arbeit tat, aber ob sie ihr auch gefiel? Das wusste sie, musste sie sich soeben eingestehen, selber nicht so genau.
 

„Ich bin hauptsächlich für die Buchführung verantwortlich. Das nervt schon manchmal.“
 

„Das glaube ich dir sofort. Mir geht es da nicht anders.“
 

„Du führst auch Buch über eure Ranch?“
 

„Klar. Einer von uns muss es ja. Ich bin der Leidtragende. Chelsea hat diesbezüglich keine Geduld und irgendwie steigt sie da auch nicht durch. Aber, ich will mich nicht beklagen. Dafür bin ich kein guter Koch. Chelsea dagegen, ist darin einfach nur super!“
 

„Ihr versteht euch sehr gut, nicht wahr? So etwas fällt jedem sofort auf. Wie ihr euch gegenseitig ergänzt.“
 

„Stimmt. Ohne Chelsea wäre das ganze hier doppelt so schwer.“
 

Wenn es doch nur bei meinem Bruder und mir genauso wäre. Ich würde ebenfalls so gerne jemanden haben, auf den ich mich hundertprozentig verlassen könnte, bedauerte Nathalie.
 

„Ist alles okay? Du guckst so traurig.“
 

„Nein, nein. Alles okay.“

Schnell wandte Nathalie ihr Gesicht ab. Er sollte sie nicht so verletzlich sehen.

Mark bemerkte Nathalies Stimmungsschwank. Aus seiner Hosentasche zog er eine Rosenschere und schnitt einer der Sonnenblumen den Kopf ab. Dann überreichte er Nathalie die Blume.
 

„Hier. Für dich. Damit sie dich daran erinnert zu lachen.“
 

Nathalie war davon so perplex und überrascht, dass sie erstmal einen Schritt zurück trat. Sie schaute von der Sonnenblume zu Mark und fühlte eine plötzliche Wärme in sich aufsteigen. Zaghaft lächelte sie und nahm schließlich die Blume an.
 

<>
 

Elliot war mehr als nervös, als er zu Mirabelles Haus ging, um Julia den Kuchen vorbei zu bringen. Zögernd klopfte er an die Tür und wartete. Nach einer quälenden Minute öffnete Mirabelle die Tür.
 

„Das ist ja eine Überraschung! Guten Tag, Elliot! Komm doch rein.“
 

„G-gern. Vielen Dank.“
 

„Falls du zu Julia willst, sie sitzt hinter dem Haus auf der Terrasse.“
 

„D-danke. Den Kuchen hier hatte meine Mutter für sie gebacken, um ihr Mut für morgen zu machen.“, erklärte Elliot seinen Besuch.
 

„Das ist aber nett. Geh damit doch schon mal zu Julia. Ich bringe Teller und Besteck. Eine kalte Limonade steht auch noch im Kühlschrank.“
 

Elliot brachte ein unbeholfenes Nicken zustande, wobei seine Hände so zitterten, dass er fast den Kuchen hätte fallen lassen. Das hätte ihm gerade noch gefehlt. Langsam durchschritt er das Wohnzimmer auf die Terrassentür zu. Da sah er seine Angebetete auf einer Hollywoodschaukel sitzen. Zögernd schlich der junge Mann sich heran, wobei seine Hände krampfhaft den Kuchen umklammerten.
 

„H-h-hi! Julia!“

Erschrocken fuhr Julia hoch.
 

„Elliot? Hast du mich vielleicht erschreckt. Schleich dich doch nicht so heran.“
 

„T-tut m-mir schrecklich Leid. D-das war k-keine Absicht. Entschuldige bitte vielmals.“
 

„Ist schon gut, du brauchst dich nicht so oft zu entschuldigen.“, sanft lächelte sie ihn an.

„Was hast du da mitgebracht?“
 

„Oh! D-das ist ein Apfelkuchen. M-meine Mutter hat ihn extra für dich g-gebacken. Er soll als Aufmunterung für morgen dienen.“
 

„Wirklich? Dann sag ihr, vielen lieben Dank! Das freut mich riesig! Ach, morgen schon.“, betrübt sah Julia auf ihre Hände. Elliot hatte inzwischen Platz genommen, saß seiner Angebeteten gegenüber und der Kuchen befand sich auf dem Tisch zwischen den beiden.
 

„Stimmt irgendwas nicht?“, fragte der junge Mann besorgt.
 

„Es ist nur…weißt du Elliot. Ich mache mir gewaltige Sorgen, wenn ich an das morgige Fest denke.“
 

„Aber warum? Ist dein Tier krank?“
 

„Nein, das zum Glück nicht. Emma geht es gut. Es ist nur…“ Julia brach hier ab. Sie konnte Elliot doch schlecht sagen, dass sie Angst hatte, morgen von den Schiedsrichtern und allen anderen, die zuschauten ausgebuht oder ausgelacht zu werden. Das sie wohlmöglich sagen würden, sie hätte sich nicht gut genug um Emma, ihre Kuh, gekümmert.
 

„Julia. Kann ich etwas tun? Ich ertrage es nicht dich so zu sehen.“
 

„Ach Elliot. Lieb, dass du dir Sorgen machst. Ich…ich habe einfach Angst morgen zu versagen. Dass die mich alle auslachen werden.“

Jetzt war es doch raus. Sie hatte es ihm gesagt. Elliot selbst, blickte sie erstaunt an.
 

„Und darüber zerbrichst du dir den Kopf?“

Verwundert hob Julia ihren Kopf und sah Elliot direkt an. Er schien empört zu sein.
 

„Davor hast du Angst? Julia, die Leute haben sich mein ganzes Leben lang nur über mich lustig gemacht. Unter anderem meine Schwester. Ich gebe ja zu, dass ich ungeschickt und tollpatschig bin, trotzdem bin ich jedes Mal aufgestanden, auch wenn es mir schwer fiel. Natürlich war ich manchmal durch ihre Worte verletzt, aber was sollte ich dagegen tun? Oft stand ich alleine da. Aber gerade deswegen, war ich gezwungen aus eigener Kraft wieder aufzustehen. Dabei hatte mir keiner geholfen.

Du, Julia, bist sehr hart im Nehmen, das weiß ich. Du bist fleißig, ordentlich und immer dabei fröhlich, mit dem was du gerade tust. Du liebst deine Arbeit und deine Tiere, und das spüren sie. Ich bin mir sicher, dass eure Tiere dich sehr gern haben. Denn sie spüren, wie lieb du zu ihnen bist und du ihnen nur das Beste wünscht.“
 

Elliot musste tief Luft holen, so hastig und schnell hatte er gesprochen. Er konnte selber nicht einmal glauben, was er gerade getan hatte. Er, der schüchterne, ungeschickteste Junge der Weltgeschichte, sprach Julia Mut zu. Zumindest versuchte er es. Als er sie schließlich wieder ansah, erkannte er dass Julia lächelte und ihr eine kleine Träne über die Wange lief.
 

„Mensch, Julia! J-jetzt w-wein doch nicht. Ich wollte nur…“
 

„Ist schon gut, Elliot. Ich freue mich gerade, deswegen weine ich.“
 

„W-wie meinst du das?“
 

„Ich freue mich über deine Ehrlichkeit. So etwas Schönes hatte noch nie jemand zu mir gesagt, soweit ich mich erinnere. Es ist toll, dass du so an mich glaubst, Elliot. Ich danke dir, für all deine netten Worte. Das habe ich gebraucht.“
 

Nun blickte auch Elliot zufrieden. Zwar lief er wieder rot an, wie eine Tomate, aber das war ihm zum ersten Mal egal. Er hatte es tatsächlich geschafft, Julia Mut zu machen. In diesem Moment war es für ihn das größte Glücksgefühl auf Erden.

Hinter der Terrassentür, wo die beiden niemanden sehen konnten, stand Mirabelle mit dem Geschirr in der Hand und lächelte das junge Paar an.
 

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Das Kuhfest wurde für die Sonnenschein-Insel ein voller Erfolg. Viele Gäste kamen zu diesem Anlass auf die Insel. Es wurde gelacht, gefeiert, gespeist, jeder konnte das bekommen, was das Herz begehrte.

Julias Aufregung und Sorgen hatten sich, Dank Elliot, gelegt. Siegesgewiss trat sie mit Emma vor der Juri auf und wurde für all ihre Mühen belohnt. Neben drei weiteren Kandidaten belegte Julia den ersten Platz. Emma wurde eine rosa Schleife angelegt und Julia bekam einen großen Blumenstrauß überreicht. Familie und Freunde freuten sich mit ihr. Sie beglückwünschten sie überschwänglich.

Allem voran Elliot.
 

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Dieses Mal sind Chelsea und Vaughn nicht vorgekommen, was ich bewusst so gedacht hatte.

Nicht nur die beiden, sondern auch die anderen Charaktere sind mir wichtig. Außerdem dachte ich mir, dass sich eine weitere Liebesgeschichte neben den beiden ganz gut machen würde.

Ich hoffe, dass es euch gefallen hat.

Ich verspreche, dass Chelsea und Vaughn beim nächsten Mal wieder dabei sind.
 

Vielen Dank fürs Lesen!
 

Eure jane-pride

Vaughns erster Besuch

Hi!
 

Ich möchte nicht viel sagen. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen.
 

Eure

Jane-pride
 

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6. Vaughns erster Besuch
 

„Ist das wirklich wahr? Unser Elliot hat das zu dir gesagt?“

Neugierig lauschte Chelsea Julias Erzählung. Nachdem sich der Trubel um das Kuhfest einen Tag später gelegt hatte, stattete das Ranchmädchen ihrer Freundin einen Besuch ab, um ihr zum wiederholten Mal, zu ihrem Sieg zu gratulieren.
 

„Ja, das hat er. Ich war genauso überrascht wie du jetzt.“
 

„Das glaub ich dir sofort. Elliot ist ja sonst extrem schüchtern.“
 

„Ja, aber auch…ähm. Du, Chelsea?“

„Ja?“
 

„Kann ich dir etwas anvertrauen? So unter Freundinnen?“

Das junge Mädchen errötete. Es schien ihr unangenehm zu sein, was sie sagen wollte. Gespannt wartete Chelsea, bis ihre Freundin zu reden anfing.
 

„Ich kann nicht genau sagen, was es ist, aber…Seitdem Elliot hier war und das gesagt hat, da hatte ich so ein merkwürdiges Gefühl, dass…Chelsea, ich weiß einfach nicht, was es ist. Es fühlt sich so…gut…und warm an, wenn ich an ihn denke, verstehst du.“
 

„Oh.“ Chelsea lächelte ihre Freundin herzlichst an. „Also, wenn ich dich so ansehe, würde ich fast glauben, dass du in Elliot verliebt bist.“
 

„Wie? Meinst…meinst du das im ernst?“
 

„Es sieht für mich zumindest danach aus, aber, normalerweise müsstest du es am besten wissen, Julia.“
 

„Ich…“ Julia dachte über Chelseas Worte nach. Könnte sie Recht haben? War es tatsächlich Liebe, die sie spürte, wenn sie an Elliot denken musste? Für sie war er immer ein netter und zuvorkommender Nachbar gewesen, auch wenn er ein wenig unbeholfen war. Irgendwie machte ihn das nur noch liebenswürdiger. Liebenswürdiger? Verliebe ich mich wirklich in Elliot? Julias Herz fing mächtig an zu klopfen bei diesem Gedanken. Bisher war sie noch nie verliebt gewesen, woher sollte sie dann wissen, ob es Liebe ist, die sie empfand. Seine aufbauenden Worte, die er ihr einen Tag vor dem Fest gemacht hatte, hatten in ihr etwas bewegt. Sie hatte sich danach so stark gefühlt. Jedes Wort nahm sie in ihr Herz auf. Es war ein unglaubliches Gefühl gewesen. So neu und auch gut. Nie wieder wollte sie es loslassen. Nie wieder.

Dann wurde Julia nachdenklich.
 

„Was soll ich denn jetzt tun, Chelsea? Ich war noch nie verliebt gewesen, das wäre das erste Mal und außerdem…wie soll ich ihm gegenübertreten? Ich weiß schließlich nicht, wie er für mich fühlt.“
 

„Hmm, ich verstehe, was du meinst. Aber ich denke, dass du dir darüber keine Gedanken zu machen brauchst. Verhalte dich so normal wie immer, dann denke ich, wirst du am Ehesten merken, was er für dich empfindet. Vielleicht bringt Elliot sogar wieder den Mut auf und gesteht dir seine Gefühle. Versuche einfach soviel Zeit wie möglich mit ihm zu verbringen.“
 

„Vermutlich hast du Recht. Ich bin mir selber immerhin auch noch nicht sicher. So wird es wohl am besten sein, für uns beide. Danke, Chelsea. Eine Bitte habe ich aber, kein Wort davon zu Elliot oder sonst jemanden, ja? Ich möchte nicht, dass die Leute über uns reden, einverstanden?“

„Sicher doch. Ich werde schweigen. Bei mir ist dein Geheimnis sicher. Ich freue mich, dass du dich mir anvertraut hast. Das bedeutet mir ebenfalls wahnsinnig viel.“
 

In diesem Moment kam Vaughn in den Laden und entdeckte die beiden Mädchen, die vergnügt miteinander tuschelten.
 

„Hallo. Chelsea, du hier?“
 

„Oh! Hi, Vaughn! Wie geht es dir?“
 

„…Gut. Warum fragst du?“
 

„Ach, nur so. So oft sehen wir uns ja leider nicht. Da fällt mir ein Vaughn, was ich dich bereits länger fragen wollte.“

Neugierig schaute der junge Mann Chelsea an. Was könnte sie von ihm wollen?
 

„Hättest du nicht mal Lust, meinen Bruder und mich auf der Ranch zu besuchen? Ich würde mich wahnsinnig darüber freuen. Hast du Lust?“
 

„Ich…ähm…“ Vaughn war von dieser Einladung völlig überrumpelt. Sollte er sie annehmen? Bisher hatte ihn noch keiner zu sich nach Hause eingeladen. Nicht das er es erwartet hätte. Im Gegenteil. Doch bei Chelsea war es anders, aber warum? Irgendetwas zog ihn an. Jedes Mal, wenn er ihr begegnete. Sie strahlte eine Freundlichkeit aus, die er nicht begreifen konnte, ihn aber in seinen Bann nahm. Irgendwie fühlte er sich in Chelseas Nähe wohl.

Ohne es richtig zu merken, nahm er ihre Einladung an.
 

„Super! Da freue ich mich aber! Morgen, dann? Am Nachmittag? Ich werde uns einen Kuchen backen. Ach, herrje, die Küche! Ich muss sie ja noch aufräumen. Am Besten sofort. Bis dann, Julia! Und wir sehen uns morgen, Vaughn. Tschüss, ihr beiden.“

Damit war sie blitzartig aus dem Geschäft verschwunden.
 

„Was für eine Energie sie hat. Immer wieder bemerkenswert. Findest du nicht auch, Vaughn? Vaughn? Alles okay bei dir?“
 

„Wie? Oh! Klar! Alles gut!“
 

Sein Kopf war gesenkt, als er ebenfalls den Laden, in Richtung Ställe, verließ. Diesbezüglich war sein Gesicht schwer zu erkennen, da er seinen Hut erneut ins Gesicht gezogen hatte. Wie so oft, wenn ihm etwas unangenehm war.

Julia war erstaunt, ihren Cousin so zu sehen. Bisher war er noch nie so durcheinander gewesen. Plötzlich kam ihr ein Gedanke. Könnte es vielleicht sein, dass Vaughn Chelsea mochte? Das er Gefallen an ihr gefunden hatte?

Sie beschloss, ihren Cousin im Auge zu behalten.
 

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Am nächsten Tag erschien Vaughn zur abgemachten Zeit am Tor der Starry Sky-Ranch. Bis zu diesem Zeitpunkt war er sich noch nicht sicher gewesen, ob er überhaupt kommen sollte. Vor einer Stunde hatte er noch überlegt, den Besuch abzusagen, was ihm aber zu unhöflich erschien. Außerdem musste er zugeben, dass er neugierig auf die Ranch war, die Chelsea und Mark zusammen leiteten. Mittlerweile lebte er nun schon seit 5 Wochen auf der Sonnenschein-Insel, da wollte er schon gerne einen Blick auf die Ranch werfen.

Vaughn durchschritt gerade das Tor, als er von weitem ein braunhaariges Mädchen auf sich zu rennen sah. Es war Chelsea.
 

„Hi, Vaughn! Schön, dass du bereits da bist. Ich wollte dich unbedingt am Tor schon in Empfang nehmen.“
 

Wieder strahlte Chelsea über das ganze Gesicht. Wie konnte man immer gute Laune haben? Gleichzeitig beruhigte diese Tatsache, Vaughn, auch wenn er nicht sagen konnte, warum. Es hätte ihn erstaunt, wenn es anders wäre. In diesem Moment fiel ihm zum ersten Mal ein angenehmer, blumiger Geruch auf. Dieser schien von Chelsea zu kommen. Das muss ihr Parfum sein, dachte Vaughn. Es riecht gut. Moment mal! Dachte er das gerade wirklich? Hatte er gerade wirklich gedacht, dass er findet, dass Chelsea gut riecht? Irgendetwas stimmte mit ihm nicht. In ihrer Gegenwart bekam er die eigenartigsten Gedanken. Was war nur los mit ihm? Irgendeine Erklärung muss es dafür doch geben.

Es überraschte ihn nach wie vor noch, die Einladung ohne Weiteres angenommen zu haben. Das junge Mädchen vor ihm übte eine Anziehung auf ihn aus, die ihm unbegreiflich war. Er genoss ihre Nähe und ihr heiteres Wesen.
 

„Dann komm mit, Vaughn. Ich zeig dir alles.“

Weitere Gedanken konnte er sich diesbezüglich erstmal nicht machen. Entschlossen zog sie Vaughn mit sich mit.
 

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Chelsea zeigte Vaughn jedes einzelne Feld, welches sie und ihr Bruder angelegt hatten. Angefangen bei den Erdbeerfelder, bis hin zu den Tomaten- und Maisfeldern. Aber auch das Sonnenblumenfeld ließ sie nicht aus. Dazu erzählte sie ihm alle möglichen Details, zum kultivieren der einzelnen Felder, wie anstrengend es bei diesem warmen Wetter war und auf was man alles, bezüglich der Bodenbeschaffenheit und der Düngergabe beachten musste. Sie berichtete auch, dass sie leider noch keine automatische Bewässerungsanlage besaßen, weswegen sie alles per Hand gießen mussten.

Vaughn staunte darüber nicht schlecht und meinte, dass das doch zu anstrengend zu zweit sei, ob sie keine zusätzliche Hilfskraft in dieser Saison einstellen.
 

„Das können wir uns leider nicht leisten. Noch nicht. Wir besitzen zwar viel Ackerland, können aber aufgrund von zwei Personen, nicht sämtliche Fläche nutzen. Daher legen wir nur so viel an, wie wir es auch arbeitsmäßig schaffen.“, erklärte Chelsea.
 

„Habt ihr nicht auch Tiere, die ihr versorgen müsst?“, hakte Vaughn nach.
 

„Ja, aber nicht soviele, wie bei euch im Laden. Zurzeit besitzen wir zwei Kühe, zehn Hühner und einen Hahn, zwei Hengste und unseren Wachhund Toto. Damit haben wir schon alle Hände voll zu tun.“
 

„Einen Wachhund sagst du? Den habe ich aber noch nicht gesehen.“
 

„Mein Bruder hat ihn auf seinem Spaziergang in den Wald mitgenommen. Er besorgt gerade Brennholz für den Winter. Besser zu früh, als zu spät, sagt er immer.“
 

„Ach so.“
 

Danach setzte Chelsea ihren Rundgang fort. Jetzt waren die Ställe dran. Zuerst schauten sie bei den Hühnern rein, dann bei den zwei Kühen, die auf der Weide grasten und zum Schluss sahen sie sich die Pferde an, die ebenfalls zufrieden auf ihrer Weide grasten.
 

„Wie alt sind die Hengste denn?“, fragte Vaughn neugierig, nachdem er sie einige Minuten lang angesehen hatte. Sie beeindruckten ihn aufs Neue. Shadow kannte er ja bereits, doch der andere Hengst war nicht weniger anmutig und elegant. Er war ebenfalls komplett schwarz, bis auf einen weißen Fleck am Gesäß des Tieres. Beide Hengste sahen einfach nur unbeschreiblich schön aus.
 

„Sie sind jetzt beide 6 Jahre alt. Shadow hast du ja bereits gesehen. Der da neben ist sein Bruder Sparky. Den reitet mein Bruder immer. Vor vier Jahren haben wir sie beide mit auf diese Insel genommen.“
 

„Es muss schwierig gewesen sein, sie zu dressieren.“, bemerkte Vaughn, mehr zu sich selbst als zu Chelsea.
 

„Du irrst dich. Die Hengste sind auf der Ranch meiner Eltern gezüchtet worden. Weswegen sie schon von klein auf an uns gewöhnt waren.“
 

„Ach so. Züchten eure Eltern mehrere Pferde?“
 

„Eine Zeit lang schon, aber vor sechs Jahren erkrankten mit einem Mal mehrere Pferde gleichzeitig, wodurch letzten Endes viele von ihnen den Tod fanden. Das hat meinen Vater so sehr mitgenommen, dass er keine weiteren Pferde züchten wollte. Die zwei hier vor uns hatten Glück. Es war die letzte Geburt von Vaters einziger Stute gewesen, die nicht erkrankt war. Leider gebar sie zwei Hengste. Weitere weibliche Pferde besaß mein Vater nicht mehr und deren Mutter war schon zu alt geworden. Vor knapp drei Jahren war auch sie gestorben.“
 

„Das ist ja schrecklich. Und was betreiben deine Eltern sonst so, wenn sie keine Pferde mehr züchten?“
 

„Eine ganz normale Farm, kleiner von der Quadratmeterzahl, als diese hier. Hauptsächlich kultivieren sie Gemüsepflanzen. Einige Kühe, Hühner und Schafe haben sie auch noch. Ansonsten aber nichts. Ihr Augenmerk war ausschließlich die Pferdezucht gewesen.“
 

„Interessant.“
 

„Interessierst du dich sehr für Pferde, Vaughn?“
 

„Ja, schon als ich ein kleiner Junge war, haben mich Pferde fasziniert. Ich finde, es sind die stolzesten Geschöpfe, die es gibt. Allerdings habe ich erst mit 12 Jahren reiten lernen können, vorher war es aus familiären Gründen nicht möglich gewesen. Mein Vater…“

Plötzlich stockte Vaughn. Soviel hatte er gar nicht preisgeben wollen. Beinahe hätte er von seinem Vater gesprochen und das ist nun wirklich etwas, was niemanden anging.
 

„Ist alles okay bei dir, Vaughn? Du siehst so blass aus.“ Besorgt trat Chelsea einen Schritt näher an Vaughn heran. Dieser wiederum hatte für einen Moment vergessen, wo er sich befand, dass er immer noch auf der Starry Sky-Ranch war. Seine Erinnerungen an seinen Vater hatten ihn kurz aus dem Konzept gebracht.
 

„Es geht schon. Es ist nichts weiter.“
 

„Möchtest du darüber reden? Manchmal hilft das.“
 

„Nein!“ Entschlossen schüttelte Vaughn seinen Kopf. Seine plötzliche Schärfe in seiner Stimme, ließ Chelsea kurz zusammen zucken. So hatte sie ihn schon mal erlebt. Im Wald in der kleinen Höhle. Da hatte er den gleichen Gesichtsausdruck gehabt, wie eben.

Wieder überkam dem jungen Mädchen das Gefühl, das Vaughn etwas verbarg. Etwas quälte ihn. Doch sie wusste auch, dass sie ihn nicht zwingen konnte, sich ihr zu öffnen, wenn er es nicht freiwillig wollte.

Trotzdem wollte Chelsea ihm unbedingt helfen. Sie wusste nur noch nicht, wie sie das anstellen sollte.
 

„In Ordnung. Dann lass uns auf die Terrasse gehen. Mein Bruder müsste auch bald zurück sein. Und du musst unbedingt den Kuchen probieren, den ich gebacken habe. Ich habe ihn zum ersten Mal gemacht. Ein Rezept von Pierre.“

Und so führte sie ihn zum Haus und warteten dort gemeinsam auf Mark.
 

<>
 

Der Kuchen schmeckte fantastisch. Zwar war es Vaughn peinlich, dies offen zuzugeben, konnte aber auch nicht leugnen, dass dem nicht so war.
 

„Das freut mich.“ Chelsea errötete leicht. „Die Erdbeeren sind vom unseren Feld, die ich für den Kuchen verwendet habe.“
 

„Da sieht man mal wieder, dass wir ausgezeichnete Farmer sind.“, lobte Mark gleichzeitig seine Schwester und sich selber. „Und was hältst du von unserer Ranch, Vaughn?“
 

„Ich finde sie gut. Ihr steckt viel Arbeit in sie hinein.“
 

„Na, das will ich doch hoffen. Immerhin wollen wir sie nach und nach erweitern, wenn sich unsere Produkte weiterhin so gut verkaufen, könnte es sehr wahrscheinlich sein, die Felder nächstes Jahr zu erweitern.“
 

„Meinst du, dass dann auch eine Bewässerungsanlage möglich wäre?“, fragte Chelsea hoffnungsvoll. „Das Gießen raubt einem die meiste Zeit.“
 

„Vielleicht. Wenn keine Reparaturen anfallen.“
 

„Hoffentlich, hoffentlich!“
 

„Braucht ihr dann aber nicht mehr Arbeitskräfte, wenn ihr weiter ausbaut?“, fragte Vaughn Mark.
 

„Mal schauen. Wir werden ja nicht gleich, um das doppelte die Felder erweitern. Bloß ein Stück mehr.“
 

„Glaubst du, dass es uns gelingen wird, irgendwann eine solche Ranch zu besitzen, die so groß ist und die beste Ware liefert, dass uns jeder auf den Nachbarinseln und auf dem Festland kennen wird, Bruder?“
 

„Ja, doch. Warum nicht? Wir können es zumindest versuchen.“
 

Chelsea lächelte in sich hinein. Der Gedanke gefiel ihr. Man merkte ihr an, dass sie das Ranchleben in vollen Zügen genoss. Sie wollte nichts anderes. Dies war ihr Leben. Wer weiß, dachte Chelsea, vielleicht lebe ich sogar eines Tages mit meiner eigenen Familie hier. Ach, wäre das schön.

Unauffällig beobachtete Vaughn, Chelsea. Er sah ihr an, dass sie gerade in Gedanken war. Ihr Gesicht errötete leicht, wobei ihr das ihrem Aussehen eine zusätzliche Note verlieh. In diesem Moment sah sie einfach nur…süß aus. Ohne Zweifel war sie ein bemerkenswertes Mädchen, das viel Feingefühl besaß. Stets war sie freundlich, hilfsbereit und zuvorkommend. Jeder, der sie näher kannte, musste so von ihr denken, ob er nun wollte oder nicht. Es blieb ihm gar nichts anderes übrig, dieses Mädchen in sein Herz zu schließen.

Vaughn sah es ihr an, konnte es in diesem Moment allerdings noch nicht richtig fassen. Er spürte lediglich, dass sie anders war, als die Mädchen, die er bisher kennen gelernt hatte. Chelsea war etwas Einzigartiges. So jemanden konnte man so schnell nicht wieder finden.

Unwillkürlich musste Vaughn lächeln.
 

„Oh! Dein Gesicht!“, rief Chelsea aus.
 

„Was…was ist damit?“, fragte Vaughn irritiert.
 

„Du lächelst, oder?“
 

„Wie? Das musst du dir eingebildet haben.“ Der junge Mann mit dem Hut errötete und zog ihn wieder vors Gesicht.
 

„Nein, das habe ich nicht.“, beharrte Chelsea. Sie war jetzt leicht bockig. „Du hast gelächelt, das habe ich genau gesehen.“
 

„Du irrst dich.“ Ihm war es einfach unendlich peinlich. Am liebsten wäre er aufgestanden und verschwunden.
 

„Warum genierst du dich so? Es steht dir, wirklich.“
 

Das war zu viel für Vaughn. Sein Gesicht lief rot an, wie eine Tomate. Hastig sprang er vom Tisch auf und verließ die Ranch ohne sich großartig zu verabschieden.

Chelsea wollte ihn noch zurückrufen, doch Vaughn reagierte nicht.
 

„Was habe ich denn falsch gemacht?“ Traurig starrte das junge Mädchen Vaughn hinterher, der, im wahrsten Sinne des Wortes, fluchtartig das Weite suchte.
 

„Ich nehme mal an, das Vaughn Komplimente nicht all zu gut vertragen kann. Du warst zu direkt gewesen.“, versuchte Mark das Verhalten zu erklären.
 

„Aber…Ich habe es doch nicht böse gemeint.“
 

„Ich denke, das weiß, Vaughn. Trotzdem scheint ihm sowas nicht leicht zu fallen, nette Worte anzunehmen. Du musst langsamer auf ihn zu gehen, Schwesterherz. Nicht jeder ist so offen und ehrlich, wie du. Das erschreckt viele.“
 

„Mmh. Wenn du meinst. Ich versuche ihn doch bloß besser kennen zu lernen. Er schweigt recht viel. Außer, wenn es um Pferde geht. Da war er sehr gesprächig gewesen.“
 

„Dann unterhalte dich doch häufiger darüber mit ihm. Vielleicht würde er sogar einen Ausritt mitmachen, wer weiß. All zu schlau bin ich auch noch nicht aus ihm geworden. Aber er scheint mir kein schlechter Kerl zu sein.“
 

„Das finde ich auch.“ Chelsea nickte bestätigend.

Sie würde auf jeden Fall weiterhin versuchen, Vaughn besser kennen zu lernen. Vielleicht schafft sie es sogar, dass er sich ihr gegenüber öffnete, was seinen Vater betraf. Irgendetwas scheint ihn diesbezüglich Sorgen zu machen, da war sich Chelsea sicher.

Sie konnte es sich nicht erklären, aber sie mochte Vaughn. Darum würde sie auch nicht aufgeben und versuchen, dass sie irgendwann Freunde werden. Das braunhaarige Mädchen war sich ziemlich sicher, dass ihr das gelingen würde.

Verwirrung

7. Verwirrung
 

Eine bedrohliche Gestalt baute sich vor ihm auf. Es war ein großer, muskulöser, breitschultriger Mann. In seiner linken Hand hielt er einen Gürtelriemen. Das unschuldige Kind vor ihm wusste genau, was ihn erwartete. Ängstlich schloss es seine kleinen Augen, die sich bereits mit Tränen füllten.

Ein pfeifendes Geräusch sirrte durch die Luft. Der Aufprall von Leder auf nackter Haut durchbrach die nächtliche Stille.

Eine Träne quoll aus dem linken Auge, des Kindes hervor…
 

Eine Erinnerung, die bereits viele Jahre zurück liegt.

Dennoch fuhr er manches Mal noch nachts aus dem Schlaf hoch, wenn die Einsamkeit ihn überrollte. Sie war dann wieder zum greifen nah, wie in jenen Tagen, als er noch ein Kind war.
 

Ein unschuldiges Kind, welches bedingungslos seine Eltern liebte.

Seine Mutter, der reinste Engel, das bezauberndste Geschöpf, was es gab.

Sein Vater, so groß und stark, der schwere Holzbalken tragen konnte.

Ja, dieses Kind liebte seine Eltern.

Und seine Eltern liebten ihn.
 

Doch in manchen Nächten war dieser große Mann ein komplett anderer.

Ein Flasche mit scharfer Flüssigkeit hielt er dann in den Händen.

Das Kind bekam Angst. Rief nach seiner Mutter.

Doch sie kam nicht zu ihm.

Der große Mann hatte die Zimmertür abgesperrt…
 

Vor der Tür kauerte eine zerbrochene Frau, die bitterlich um ihr Kind weinte.

Das Kind konnte das Weinen seiner Mutter nicht hören.

Es schrie in die nächtliche Stille.

Die Frau hörte das Wehklagen. Sie war machtlos. Sie konnte nichts gegen diesen großen Mann tun.

Tränen der Trauer, Tränen der Hoffnungslosigkeit, Tränen des Schmerzes flossen ins Unendliche.
 

Wenn die Erinnerung ihn überkam, atmete er schwer.

Er, der nun lange kein Kind mehr war, stand dann erneut den Tränen nahe, die er verzweifelt zurück hielt.

Er wollte diesen Schmerz nicht.

Er fühlte dann Wut in sich aufsteigen, die ihn zu erdrücken drohte.

Sein Herz verkrampfte sich. Das Pochen seines Herzens stieg in seinen Kopf. Drohte ihm den sättigenden Sauerstoff zu entziehen.
 

Nichts konnte diese demütigenden Erinnerungen, die mit soviel Leid und Trauer verbunden waren, verschwinden lassen.

Nichts brachte ihm die Erlösung. Die Rettung aus diesem Teufelskreis.

Ein ewig währender Kampf, den er alleine ausfechten musste.
 

Doch dann…
 

Was war auf einmal geschehen?
 

Das Kind, welches in einer dunklen Ecke seines Zimmers kauerte, blickte auf und spürte ein warmes Licht auf ihn scheinen.

Es hüllte ihn ein, geborgen in einer warmen liebevollen Umarmung.

Nun brauchte das Kind sich nicht mehr zu fürchten.

Seine Gebete, seine Hoffnungen wurden erhört.
 

Doch woher kam dieses Licht? , fragte sich das Kind.
 

Der junge Mann, der in seinem Bett lag und darüber grübelte, konnte die Antwort nicht finden.
 

Er sah ebenfalls dieses Licht.

Er konnte es greifen.

Es umgab ihn mit einer innigen Liebe und Zärtlichkeit.

Woher kam dieses unbeschreibliche Gefühl?

Es schien, als wäre es in der Lage seine Seele zu heilen.

Seine unschuldige Kinderseele zu heilen, die vor langer Zeit geschunden wurde.
 

Mit einem Mal waren der vertraute Schmerz und die tiefe Trauer verschwunden. Die Hoffnungslosigkeit und die Demütigung wie weggeblasen.

Alles verpuffte, wie eine Seifenblase, die schon lange darauf gewartet hatte.
 

An deren Stelle traten Freude, Glück, Wärme und auch…Liebe.
 

Konnte das sein?

Konnte das alles wahr sein?
 

Durfte er nach etlichen Jahren wieder hoffen, nachdem er so lange im Dunkeln war?
 

Keiner durfte ihm zu nahe treten. Nie ließ er jemanden an sich ran.

Eine weitere Enttäuschung wäre zu groß gewesen. Würde das unschuldige Kind in ihm auslöschen.

Für immer.
 

Die Angst konnte nicht ganz von ihm weichen. Ein Rest blieb zum Selbstschutz.
 

Doch er wollte dieses goldene Licht in sich aufnehmen, woher es auch immer kam.

Er wollte diese Freude und Wärme besitzen, die ihm solange verwehrt gewesen war.
 

Seine Gedanken verwirrten ihn.

Er schmunzelte.

Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht.
 

Er musste an das braunhaarige Mädchen denken.

Er dachte an ihr Lachen, welches in sein Herz drang, jedes Mal, wenn er sie sah.

Ihre strahlenden blauen Augen blickten ihn direkt an ohne sich ein einziges Mal von ihm abzuwenden.

Diese Augen, spiegelten ihr inneres Wesen wieder, welches voller Fürsorge, Hingabe und unendlicher Freundlichkeit war.

Es zeigte Anteilnahme.
 

Sein Herz pochte wieder im richtigen Takt.

Es normalisierte seinen Puls, der nun gleich und regelmäßig war. Sein Atem war ruhig.
 

Das Bild dieses Mädchens erschien klar vor seinem inneren Auge. Es tröstete ihn. Es ließ ihn hoffen.

Dieses Mädchen, welches er einfach nicht verstehen konnte.

Ihr Wesen war ihm ein Rätsel, spendete aber soviel Wärme und Liebe, dass er nicht anders konnte, und sich eingestehen musste, dass er in ihrer Nähe sein wollte. So oft ihm das möglich war.
 

Doch er hegte noch Zweifel an seinen Gefühlen.

Solche Gefühle bereiteten ihm Unbehagen.

Zugleich spendeten sie ihm soviel Leben, welches er schon fast geglaubt hatte, verloren zu haben.

Damals als Kind.
 

Das Kind, welches verzweifelt gehofft hatte. Keiner konnte dieses Kind von seinem Leiden befreien.

Bisher war es niemandem gelungen.
 

Doch das Licht hatte auch ihn erreicht. Es sah den Schmerz in seinem Herzen und nahm es einfach auf.
 

Das Kind wischte sich die zahlreichen Tränen vom Gesicht.

Es stand vom kalten Boden auf, öffnete zaghaft die Zimmertür und rannte in das weinende Gesicht seiner Mutter, die ihn mit offenem Armen empfang.
 

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Auch an dieser Stelle möchte ich nicht zu viel verraten.

Diese Erinnerung war mir sehr wichtig und wird in einem späteren Kapitel noch mal aufgegriffen.
 

Vielen Dank fürs Lesen!
 

Eure

jane-pride

Ein Rivale?

8. Ein Rivale?
 

Zum Ende der Sommerzeit zeigte sich das Wetter noch einmal von seiner besten Seite. Die Inselbewohner durchlebten ihren Alltag mit der gleichen Gelassenheit, wie sie in den letzten Jahren war. Die verschiedenen Geschäfte konnten einen akzeptablen Umsatz machen, aber auch die Starry Sky-Ranch warf einen hohen Gewinn ab. Viele Urlauber auf der Insel, waren für die Wirtschaft ein zusätzliches Einkommen, welches in diesem Jahr einen neuen Rekord erzielt hatte.

Die Zufriedenheit der Einheimischen steigerte sich dadurch.

Gerade Pierre, der jüngste Sprössling einer der bekanntesten Gourmet-Familien, und somit der berühmteste Koch auf der Sonnenschein-Insel, profitierte ganz gut von den Besuchern. Mit vielen von ihnen, die von weiter weg kamen, tauschte er Rezepte und Erfahrungen aus. Von Tag zu Tag schoss seine Stimmung in unermessliche Höhen. Wenn es etwas gab, was Pierre begeisterte, dann war es alles Essbare, was man auf der Erde finden konnte und die verschiedenen Variationen, die sich aus zusammengestellten Zutaten ergaben. Folglich schwebte er im Paradies. Er hatte viele neue Rezepte erbeutet, gelegentlich welche davon ausprobiert und sie ein wenig verfeinert, wenn es ihm angebracht erschien.

Denn jedes Rezept ließ sich, laut Pierres Erfahrung, verbessern, wenn man über eine ausreichende Erfahrung im Umgang mit den passenden Gewürzen verfügte.

Seine Leidenschaft galt einzig und allein dem Kochen. Im einzigen Restaurant, im Osten der Insel, zauberte er von morgens bis abends die fantastischsten Gerichte. Jeder Einzelne war von seinen Köstlichkeiten überwältigt, sodass man mit dem Lob nicht sparte. Für den jungen Koch, der gerade 18 Jahre alt war, war es immer wieder eine Freude, wenn sein Essen angepriesen wurde. Etwas Schöneres konnte er sich in solchen Momenten einfach nicht vorstellen.

Pierre lebte allein auf der Insel. Seine Familie besaß eine ganze Kette von Restaurants in der umliegenden Umgebung. Demnach war seine ganze Familie überall bekannt, weswegen sie auch ein hohes Ansehen genießen durften.

Trotz seiner Herkunft, war Pierre ein quirliger, teilweise ungeduldiger Junge, der sich über seine Zukunft keine all zu vielen Gedanken machte. Er war noch jung, hatte eine Leidenschaft, die er jeden Tag mehr entfaltete. Sorgen kannte er nicht. Es sei denn ihm würde ein Gericht nicht gelingen, aber dies kam nie bei ihm vor. Kochen war seine Perfektion. Er lebte sie, wie sein eigenes Leben. Besser könnte es für ihn gar nicht sein.
 

<>
 

Ein einfacher Zufall sorgte an diesem Sommertag dafür, dass Pierre und Vaughn sich über dem Weg liefen. Es war nicht so, dass sie sich völlig fremd waren, jedoch hatten sie auch noch nicht viel miteinander gesprochen gehabt.

Vaughn trat gerade aus Mirabelles Laden. Die Tür, die er aufstieß, prallte gegen Pierres Lebensmitteltüte, die er vor sich am Bauch trug. Durch den Zusammenstoß fielen ein paar seiner Zutaten aus der Tüte auf dem Boden.
 

„Oh nein! Bloß schnell aufheben!“
 

Vaughn, der es so schnell gar nicht bemerkt hatte, wunderte sich, auf einmal Pierre vor ihm am Boden kriechen zu sehen.
 

„Was? Entschuldige. Ich helfe dir.“
 

„Ist kein Problem. Ich habe bereits alles wieder aufgesammelt. Zum Glück sind die Lebensmittel gut verpackt, sodass sie keinen Schaden erlitten haben.“

Zufrieden stand Pierre wieder auf.
 

„Machst du Besorgungen, Vaughn?“

„Nein. Ich wollte ein wenig in Richtung Wald gehen.“
 

„Dann können wir ein Stück zusammengehen. Ich gehe denselben Weg.“
 

„Bist du unterwegs, um Taro zu besuchen?“
 

„Nein. Chelsea.“
 

„Wie jetzt? Chelsea? Warum?“ Vaughn stand die Überraschung deutlich ins Gesicht geschrieben. Natürlich war ihm bekannt, dass Chelsea so gut wie mit jedem Inselbewohner befreundet war. Dennoch überraschte es ihn, dass auch Pierre zu ihnen zählte. Besser gesagt, dass sie so guten Kontakt zueinander besaßen, dass er sie besuchen ging.

Bei diesem Gedanken spürte Vaughn einen leichten Stich. Irgendetwas an diesem Umstand passte ihm nicht.
 

„Du gehst zu Chelsea? Mit den Lebensmitteln?“, hakte er neugierig nach.
 

„Ja. Neulich habe ich ihr von einem neuen Rezept erzählt, welches ich unbedingt ausprobieren wollte. Und da kam uns die Idee, es gemeinsam zu kochen.“
 

„So ist das also.“, flüsterte Vaughn.
 

„Hast du was gesagt, Vaughn? Tut mir Leid, ich habe dich nicht verstehen können.“
 

„Ist nichts weiter. Dann wünsch ich euch zwei gutes Gelingen.“

Vaughn war gerade dabei den Weg zum westlichen Teil der Insel einzuschlagen, als Pierre ihn spontan fragte: „Möchtest du vielleicht mitkommen? Du könntest unser Vorkoster sein. Dann haben wir sofort eine Beurteilung, ob das Gericht genießbar ist oder nicht.“
 

„Mmh. Ich weiß nicht. Ich störe bestimmt nur. Außerdem ist Mark doch anwesend. Er kann euer Versuchskaninchen sein.“
 

„Eben nicht. Das ist ja unser Problem.“
 

„Wie? Mark wird nicht dabei sein?“

Das war für Vaughn nun gar nicht nachvollziehbar. Wie konnte Mark seine jüngere Schwester allein mit einem jungen Mann lassen? Noch dazu für mehrere Stunden, während sie anscheinend zusammen kochten? Das ging doch nicht. Wer weiß, was sie alles gemeinsam machen.

Vaughn spürte zum ersten Mal so etwas wie Eifersucht. Der Gedanke daran, dass Chelsea allein mit Pierre bei sich zu Hause war, konnte er nicht akzeptieren. Kurzerhand stimmte er Pierres Vorschlag zu.
 

„Okay, ich komme mit und probiere euer Essen.“
 

„Super! Vielen Dank, Vaughn!“
 

Pierre strahlte über sein ganzes Gesicht, als er und Vaughn den Weg zur Starry Sky-Ranch einschlugen.
 

<>
 

Mark befand sich während dessen im Wald zusammen mit Nathalie. Er hatte in Erfahrung gebracht, dass sie regelmäßig Spaziergänge in den Wald unternahm. Gelegentlich hatte er sie auch mal getroffen, wenn er Holz sammeln war oder dergleichen.

In diesem Fall war es eine Art Verabredung, die sie miteinander hatten, was für Nathalie nicht so war. Sowohl ihre Mutter, als auch ihr Großvater, sahen es beide nicht gerne, wenn so ein junges Mädchen wie Nathalie, allein in irgendeinem Wald herumstolzierte. Selbst ihr Bruder empfand es für besser, wenn sie jemand begleiten würde. So geschah es, dass Mark bei einem dieser Gespräche dazu gestoßen war und seine Begleitung zugesagt hatte. Nathalies Mutter und ihr Großvater waren sofort einverstanden. Nur Nathalie sträubte sich anfänglich ein wenig. Seit kürzerem fühlte sie sich so eigenartig, wenn Mark in ihrer Nähe war. Es beunruhigte sie, nicht zu wissen, was es war. Normalerweise konnte Nathalie immer ganz gut beschreiben, was sie gerade empfand, wenn sie wütend auf ihren Bruder war oder beleidigt. Das waren Empfindungen, die ihr vertraut waren. Aber dieses hier…

Damit konnte sie nichts anfangen. Das Lächeln von Mark machte es auch nicht einfacher. Die Vorstellung mit ihm allein im Wald spazieren zu gehen, gefiel ihr gar nicht. Anscheinend blieb ihr nichts anderes übrig, da ihre Familie darauf bestand.
 

So wanderten beide an diesem sonnigen Nachmittag im Wald umher, auf dem Weg zur Göttinnen-Quelle. Es dauerte auch nicht mehr lange und sie hatten die Quelle erreicht.

Es war eine atemberaubende Quelle. Ihre Wasseroberfläche war kristallklar, die Bäume drum herum spiegelten sich darauf wieder. Man konnte Fische im Wasser schwimmen sehen. Das Angeln selber war hier verboten. Über diese Quelle erzählte man sich, dass in ihr die Erntegöttin leben soll. Angeblich, so wird es überliefert, widerfährt jedem, der der Erntegöttin ein Geschenk machte, großes Glück jeglicher Art, je nachdem, was das Herz am Meisten begehrte.
 

„Es ist schön hier, nicht wahr? So friedlich.“, brach Mark nach einiger Zeit die Stille.
 

„Mmh, ja. Irgendwie schon.“
 

„Irgendwie schon? Nathalie sei doch nicht so schüchtern. Findest du es schön hier, ja oder nein?“
 

„Was soll das? Hör auf mich anzumachen.“
 

„Ich mache dich doch gar nicht an. Ich verlange nur eine einfache Antwort von dir.“ Lachte Mark.
 

„So weit ich weiß, habe ich sie dir vor ein paar Sekunden gegeben.“, erwiderte Nathalie gereizt.
 

„Was ist denn los? Habe ich etwas falsch gemacht?“
 

„Nein…Ja. Äh, nein. Natürlich nicht.“ Nathalie wusste es selber nicht, warum sie so verwirrt war. Sie konnte in seiner Gegenwart keinen klaren Gedanken mehr fassen. Es gelang ihr einfach nicht, so sehr sie sich auch bemühte. Was ist nur los mit mir? , fragte sie sich. Ich kenne Mark doch schon so lange. Bisher hatten wir uns immer sehr gut unterhalten können. Warum denn jetzt nicht mehr? Was ist anders?

Plötzlich musste Nathalie an die Sonnenblume denken, die sie vor kurzem, als sie Mark auf der Ranch besucht hatte, von ihm bekommen hatte. Sie war überrascht gewesen. Eigentlich hatte sie sie gar nicht annehmen wollen. Es war ihr zu peinlich gewesen. Trotzdem hatte sie die gelbe Blume angenommen. Diese Blume befand sich in einer Vase auf ihrem Schreibtisch. Jeden Tag hatte sie diese Blume betrachtet. Selbst als es regnete, war für sie die Sonne im Zimmer gewesen. Der Anblick stimmte sie jedes Mal aufs Neue fröhlich, wenn sie zuvor traurig gewesen war. Und bei jedem Anblick der Blume, hatte sie Marks Gesicht vor sich gesehen.

Ihr Herz vollführte ständig einen Freudentanz, wenn sie an ihn dachte. Dann überkam sie dieses unbeschreibliche Gefühl, welches ihr angenehm wohlgesonnen war. In solchen Momenten sehnte sie sich nach seiner Nähe, wollte einzig allein seine Stimme hören, die ihr so vertraut war und sie etwas spüren ließ, welches ihr noch nicht bekannt war. Solche Gefühle hatte sie für keinen Menschen zuvor entwickelt. Warum bei ihm? Was hatte er an sich, dass ihr Herz erweichen ließ? Für diesen einen Menschen. Für diesen jungen Mann.
 

„Nathalie, geht es dir gut?“

Marks besorgte Frage holte das pinkhaarige Mädchen aus ihren Gedanken zurück.
 

„Was? Doch es ist alles in Ordnung. Ich glaube, ich gehe dann wieder.“
 

Rasch erhob sich Nathalie vom Boden. Sie hatte sich gerade von Mark abgewandt, ohne ihn dabei anzusehen, als sie einen Griff um ihr linkes Handgelenk spürte. Abrupt drehte sie sich zu ihm.
 

„Nathalie, was ist los?“ Marks Ton war fordernd. Er sprach mit solch einer Ernsthaftigkeit diese Frage aus, die Nathalie an ihm zuvor noch nie aufgefallen war. Kannte sie ihn überhaupt? Völlig perplex lief Nathalie eine Träne übers Gesicht.
 

„Aber, Nathalie! Du musst doch nicht weinen. Wenn du es mir nicht sagen willst, musst du es nicht. Es würde mich nur freuen, wenn du dich mir anvertrauen würdest.“
 

„Quatsch! Ich weine nicht. Ich habe bloß etwas im Auge. Das ist alles.“, antwortete Nathalie trotzig.
 

„Bist du dir sicher?“
 

„Natürlich bin ich das. Ich möchte jetzt nach Hause. Mir ist eingefallen, dass ich noch etwas zu erledigen habe.“
 

„Bist du denn nicht gerne mit mir zusammen?“
 

„Wie?“ Verwirrt sah das junge Mädchen Mark an. Enttäuschung war in seinem Gesicht zu sehen.

„Wie? Ich…doch, schon. Nur…“
 

„Was nur?“
 

„Ich weiß es nicht. Wirklich nicht. Bitte, Mark, lass mich jetzt los.“
 

Dem jungen Farmer blieb keine andere Wahl. Er ließ sie los und kaum löste sich sein Griff, kehrte Nathalie ihm den Rücken zu und lief davon.

Enttäuscht legte sich Mark mit dem Rücken aufs Gras und starrte den Himmel an. Es gelang ihm nicht in Nathalie einzudringen. Sie verschloss sich vor ihm, was ihn fast resignierte.

Wie sollte er näher an sie rankommen? Es muss doch eine Möglichkeit geben. Denn das Mark in Nathalie verliebt war, darin bestand kein Zweifel mehr. Dieses Mädchen verzauberte ihn. Wenn er sie Lachen sah, verlor er jeden logischen Gedanken. Was dann einzig und allein zählte war sie. Er wollte sie in seine Arme schließen, sie beschützen und sie für immer bei sich haben. So schnell würde Mark auch nicht aufgeben. Irgendwann würde es ihm schon gelingen ihr Herz zu erobern. Ganz bestimmt.

Ihm kam gerade eine Idee. Vielleicht könnte sie klappen.
 

<>
 

Vaughn konnte es immer noch nicht fassen. Seit fast zwei Stunden saß er auf der Küchenbank in Chelseas Küche und musste mit ansehen, wie sie und Pierre ein Essen zubereiteten. Jedes kleine Detail, jede Feinarbeit wurde besprochen. Wie das Gemüse geschnitten werden sollte, wobei jedes Stück gleich groß sein musste, bei welcher Temperatur gebraten oder gekocht wird. Noch dazu warf Pierre seine fachlichen Ausdrücke in den Raum, mit denen Vaughn nichts anfangen konnte. Mal abgesehen von seiner Anwesenheit, die ihn aufgrund seiner zappeligen Art, ziemlich auf die Nerven ging, ärgerte ihm zusehends Chelseas Verhalten. Man sah ihr deutlich an, dass sie mit Begeisterung gerne kochte und es ihr große Freude bereitete, etwas Neues auszuprobieren, was Vaughn nachvollziehen konnte. Inzwischen kannte er Chelsea soweit, dass er sehr wohl wusste, dass sie gerne kochte und backte. Was er allerdings nicht verstehen konnte, war die Tatsache, dass das Mädchen mit Begeisterung an Pierre hing. Alles, was er sagte und tat, jeden Schritt den er vorführte, alles wurde von ihren blauen Augen aufgenommen, die dabei funkelten, als hätte der junge Koch ihr das bestgehütete Geheimnis zum Kochen verraten. Vaughn war absolut nicht in der Lage, dieses Benehmen zu begreifen. Je länger er hier schon saß und je länger er sich das ansah, umso unwohler wurde ihm, umso mehr stieg Eifersucht in ihm hoch, die er als solche noch nicht wahrnahm. Er wusste nur, dass es ihm nicht gefiel das braunhaarige Mädchen so nah an einem anderen jungen Mann zu sehen, während sie ihn so offensichtlich anhimmelte. Er atmete gerade ganz tief ein und aus, um den brodelnden Vulkan in ihm zu beruhigen, als er Chelseas Stimme ganz nah bei sich vernahm.
 

„Vielen Dank, Vaughn, dass du dich bereit erklärt hast unser Essen zu probieren. Das bedeutet mir sehr viel. Ich hoffe, du teilst uns deine ehrliche Meinung mit.“ Freundlich lächelte sie ihn an. Der junge Mann, deren Gedanken bis eben noch woanders waren, errötete leicht, ihr Gesicht so nah vor ihm zu haben, während sie sich über den Tisch zu ihm gebeugt hatte.
 

„Kein Problem. Purer Zufall.“ Beschämend zog er sich seinen Hut vors Gesicht.
 

„Mach das nicht.“, bat ihn Chelsea.
 

„Wie bitte?“
 

„So erkennt man doch dein Gesicht nicht richtig, wenn du den Hut ständig davor ziehst.“
 

„Ich…also ich. Das habe ich mir so angewöhnt.“
 

„Und warum?“
 

„Weil…ach! Darum einfach. Hör auf mich das ständig zu fragen.“

In diesem Moment rief Pierre vom Herd: „Chelsea probier mal die Sauce. Sie ist fertig.“

„Ich komme.“
 

Ganz dicht trat das junge Mädchen an Pierre heran. Er wiederum reichte ihr einen Löffel an, den er ihr in den Mund führte.

Für Vaughn war der Anblick zu viel. Beim Aufstehen schob er den Küchentisch halb von sich und schnellen Schrittes war er aus der Küche verschwunden.

Chelsea, die sich wegen des Geräusches erstreckt hatte, lief kurzerhand hinter Vaughn her, um ihn aufzuhalten. Pierre blickte ziemlich ratlos drein und blieb allein bei seiner Sauce zurück.
 

„Vaughn! Vaughn! Nun bleib doch stehen! Was hast du denn auf einmal? Bitte warte!“

Atemlos rannte sie ihm hinterher. Sie waren schon fast am Tor angelangt, als Vaughn endlich stehen blieb. Keuchend holte Chelsea Luft, ehe sie erneut zu ihm sprach.
 

„Was hast du denn? Warum bist du weggelaufen?“
 

„Da fragst du noch?“, rief Vaughn wütend aus. Mit geballten Fäusten drehte er sich zu dem Mädchen um. Diese erschrak, Vaughn so wütend zu sehen.

„Was ihr beide da treibt, kann sich keiner mit ansehen.“

„Hä? Was meinst du?“
 

„Euer Benehmen, wie ihr euch anlächelt, euch die Zutaten anreicht und dergleichen. Eure Blicke.“

Was redete er da? Hatte er jetzt völlig den Verstand verloren?
 

„Vaughn,“, hakte Chelsea vorsichtig nach, „kannst du Pierre nicht leiden?“
 

„Ich…Nein, das ist es nicht. Es ist nur…“
 

Deine Blicke, wollte Vaughn eigentlich sagen. Wie du ihn ansiehst. Als könnte er dir alles geben, was du dir wünscht. Als würdest du an ihm hängen. Dabei möchte ich doch, dass…
 

Wie du mich gerade ansiehst. Deine blauen Augen blicken mich verwundert an. Geduldig erwartest du eine Antwort von mir. Doch ich…
 

Von einer Sekunde auf die andere, ohne wirklich darüber nachzudenken, zog er Chelsea an sich und nahm sie in seine Arme. So dicht an ihm, atmete er ihren Duft ein, der so wunderbar blumig war. Eine Hand legte er ihr aufs Haar, welches herrlich weich war.

Das junge Mädchen war zu überrascht, um zu reagieren und ließ es einfach geschehen. Sie bemerkte ein Gefühl in ihr hoch steigen, welches sie nicht deuten konnte. Es fühlte sich so fremd und gleichzeitig so angenehm an, dass sie es in diesem Moment einfach nur genoss. Auch Vaughn genoss ihre Nähe. Er war wie in Trance, als er die Umarmung löste.
 

Verwirrt sah er Chelsea an, die ebenfalls durcheinander war.
 

„Ich…ich…“, stammelte Vaughn.

„Ich muss jetzt gehen. Tut mir Leid.“
 

„Vaughn, warte…“
 

Doch Vaughn war bereits verschwunden. Was war das gerade gewesen? , fragte sich Chelsea. Warum hatte er mich umarmt? Sonderbar. Aber, was war das für ein Gefühl gewesen, als er mich im Arm hielt? Es war ein schönes Gefühl. Es zeugte von soviel Wärme und Geborgenheit. Was kann das nur sein?
 

Noch lange blieb das Mädchen am Tor stehen und starrte den Weg hinunter.

Es fiel ihr erst wieder ein, dass sie Besuch hatte, als ihr Bruder vor ihr auftauchte und lachend auf sie zulief.
 

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Dieses Kapitel finde ich besonders gut gelungen. Ich hoffe ihr seid der gleichen Ansicht.

So viel Verwirrung und Chaos in den Gefühlen.
 

Danke fürs Lesen!
 

Eure

jane-pride

Marks Geständnis

9. Marks Geständnis
 

Wie konnte er nur so dumm sein? Was in aller Welt war in ihn gefahren, aus einer Gefühlsregung heraus, das braunhaarige Mädchen in die Arme zu schließen?

Was hatte er sich dabei gedacht?

Diese und noch mehr Gedanken rasten seit drei Tagen in Vaughns Kopf umher. Seitdem er bei Chelsea zu Besuch war, um das Versuchskaninchen für ihres und Pierres gemeinsames Gericht zu spielen, konnte er an nichts anderes mehr denken. Es war ihm peinlich, nur daran zu denken, und schon errötete sein Gesicht. Zu jedem in seiner Umgebung war er grantig und abweisend. Sowohl seine Tante als auch seine Kusine wunderten sich über sein sonderbares Verhalten in den letzten Tagen. Sicher, er war die meiste Zeit über, seit seiner Ankunft, nicht gerade gesprächig gewesen, aber so brummig und aufbrausend hatte man ihn noch nicht vorher erlebt gehabt. Er sprach mit niemandem. Außer zu den Tieren.

Julia hatte ihn einmal dabei erwischt, wie er mit einer der Kühe sprach, wobei sie keine Ahnung hatte, was für sinnloses Zeug er da von sich gab. Sie verstand nur den Namen Chelsea und das wunderte sie. War zwischen den beiden etwas vorgefallen?

Sogar ihre beste Freundin verhielt sich eigenartig. Sie hatte versucht, mit Chelsea über Vaughns komisches Verhalten zu reden, aber auch sie benahm sich abweisend, was sich Julia nicht erklären konnte. Somit blieben ihr und ihrer Mutter, Vaughns Verhalten ein Rätsel.

Doch was war los mit den beiden? Hatten sie sich gestritten oder sonst irgendwas in der Art?

Wie auch immer. Julia ging deren Benehmen gewaltig auf die Nerven. Zudem passte es ihr nicht, dass ihre beste Freundin nicht mit ihr reden wollte, wogegen sie etwas unternehmen musste. Ein Gespräch zwischen den beiden, würde gewiss alles klären und ihr Cousin würde nicht weiterhin, wie ein geisteskranker durch die Gegend laufen und versuchen seine Probleme mit den Kühen zu besprechen, die nur zurück muhten.

Eine Konfrontation der beiden würde bestimmt helfen. Nur wie sollte sie es anstellen?

Ihr Cousin war seit Tagen nicht mehr aus dem Haus gegangen. Entweder war er bei den Tieren oder in seinem Zimmer gewesen. Das würde schwierig werden, dachte Julia. Was konnte sie nur tun? Plötzlich kam ihr ein Gedanke. Daraufhin lachte sie innerlich und beglückwünschte sich für ihren genialen Einfall.
 

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Nathalie war ziemlich ratlos. Ihre Gefühle waren das reinste Chaos. Keinen klaren Gedanken konnte sie fassen. Schon seit den Morgenstunden saß sie auf ihrem Bett in ihrem Zimmer und hielt einen Brief in den Händen. Mehrere Male hatte sie ihn schon durchgelesen. Dennoch konnte sie ihn noch nicht wirklich begreifen. Die Worte ergaben für sie keinen Sinn, von deren Bedeutung ganz zu schweigen.

Was sollte sie tun? Wie sollte sie darauf reagieren?

Sie wusste genau, was in diesem Brief steht, konnte es bisher noch nicht realisieren. Einerseits kam es ihr, wie ein schlechter Scherz vor. Doch würde er so mit ihren Gefühlen spielen? Andererseits waren es genau diese Worte, die in diesem Brief verwendet wurden, die sie sehnlichst hören wollte. Das musste sie sich eingestehen, ob sie nun wollte oder nicht. Es berührte sie, bis in die tiefsten Fasern ihres Herzen. Wild pochend nahm es diese Worte auf, ohne dass sie sich dagegen wehren konnte. Geduldig wartete es darauf, mehr davon zu bekommen.

Ihre Gefühle fuhren Achterbahn. Schmetterlinge flatterten in ihrem Bauch und verursachten ein angenehm kribbelndes Gefühl. Je mehr Nathalie davon spürte, desto mehr wollte sie. Sehnsüchtig durchfluteten sie, die schönsten und zugleich wärmsten Gefühle der Welt. Sie fühlte sich geborgen und aufgehoben. Trotzdem hatte sie wahnsinnige Angst.

Sollte sie zu ihren Gefühlen stehen? Noch nie hatte sie so für jemanden empfunden. Noch nie war ihr jemand so nahe getreten, wie dieser blonde junge Mann, der mit seinem unwiderstehlichen Lächeln, ihr Herz eroberte. Es war einfach geschehen.

Das pinkhaarige Mädchen konnte es nicht länger leugnen. Ohne es zu wollen, hatte sie sich verliebt und das so sehr, dass ihr Herz vor Liebe überschwoll. Es begehrte diesen jungen Mann, der einfach in ihr Leben geschlichen war.

Noch einmal las Nathalie den Brief, den sie für keine Sekunde aus den Händen legen konnte:
 

Meine liebe Nathalie,
 

es tut mir unendlich Leid, wenn ich dich neulich an der Göttinnen-Quelle verärgert haben sollte. Bitte, glaube mir, dass es nicht meine Absicht gewesen ist.

Ich war so glücklich darüber, mit dir spazieren zu gehen, mit dir allein sein zu können, dass meine Gefühle für dich beinahe außer Kontrolle gerieten.

Seit längerem muss ich andauernd an dich denken. Dein Gesicht, welches so zufrieden mit den Sonnenblumen auf unserer Ranch strahlte, kann ich einfach nicht mehr vergessen. Ich bekomme diesen Anblick nicht mehr aus meinem Kopf.

Du hast etwas in mir verändert, Nathalie.

Ich bitte dich, dass du dich noch einmal mit mir an der Göttinnen-Quelle triffst.

Heute, um 17 Uhr. Ich bitte dich inständig zu kommen.

Ich werde auf dich warten.
 

Dein Mark
 

<>
 

Mit den Gedanken völlig woanders, streichelte Chelsea ihr Pferd, Shadow. Sie stand mit ihm am Strand und schaute aufs offene Meer hinaus. Es war ein windstiller Tag bisher gewesen. Einzelne Wolken wanderten am Himmel und spiegelten sich auf der Meeresoberfläche wieder. Verträumt verfolgte Chelsea dieses Schauspiel. Langsam wanderten die Wolken weiter.

Worüber Julia wohl so dringend mit ihr reden wollte? Heute Mittag hatte sie plötzlich bei ihr angerufen und verkündet, dass es keinen Aufschub duldete. Chelsea, die ihre beste Freundin schon so lange kannte, hatte sie noch nie so ernst sprechen hören. Ihr blieb folglich keine andere Wahl als zuzustimmen. Aber warum am Strand? Bei ihr zu Hause wäre es doch auch gegangen. Merkwürdig, dachte Chelsea.

Mal abgesehen davon, dass ihre Gedanken ständig zu Vaughn wanderten. Warum nur?

Seit seiner Umarmung konnte sie an nichts anderes mehr denken. Sie versuchte sein Verhalten an jenem Tag nachvollziehen zu können, was ihr allerdings nicht gelang. Ihr war schon aufgefallen, dass Vaughn beim letzten Besuch stiller als sonst gewesen war und die ganze Zeit über miesepetrig dreingeschaut hatte. Sein eigenartiger Blick hatte sie verunsichert, weswegen sie versuchte ihn aufzumuntern, was ihr jedoch nicht richtig gelungen war.

Dann war er mit einem Mal aufgesprungen und davon gelaufen. Es blieb Chelsea schleierhaft. Sie konnte diesen jungen Mann nicht eindeutig ergründen. Er war so anders, als die anderen.

Elliot war tollpatschig, aber ein herzensguter Mensch. Denny ein begeisterter Angler, der das Meer bewunderte. Pierre ein begnadeter Koch, auch wenn er ziemlich ungeduldig sein konnte.

Und Vaughn…

Vaughn war eindeutig anders, als die anderen. Wie anders, wusste Chelsea nicht. Sie konnte ihn einfach nicht verstehen. Seine reservierte Art, die niemanden an sich ranließ. Dann sein trauriger, schmerzerfüllter Blick, den sie bereits zweimal an ihm bemerkt hatte, wenn er in Gedanken versunken war.

Was verbarg, Vaughn? Was quälte ihn so, dass er mit niemanden darüber sprechen konnte?

Chelsea wollte ihm so gerne helfen, ihn verstehen können, aber sie wusste einfach nicht wie.

Sie kam nicht näher an ihn heran. Dabei spürte sie hin und wieder ein eigenartiges Gefühl, wenn sie an ihn denken musste. Etwas bewegte sich dann in ihr, was sie keinem bekannten Gefühl zuordnen konnte. Sie mochte Vaughn, das wusste sie. Nur was bedeutete dieses merkwürdige Gefühl?
 

Plötzlich wurde Chelsea aus ihren Gedanken gerissen, als sie ein Wiehern neben sich vernahm. Erschrocken sah sie zur Seite. Neben ihr war Vaughn aufgetaucht, der sie ebenfalls überrascht ansah.
 

„Du, hier?“, fragte der junge Mann auf dem Pferd verwundert.
 

„Und du? Was führt dich hierher? Wo bleibt Julia?“
 

„Du wartest auf Julia?“
 

„Ja. Sie wollte sich hier mit mir treffen. Sie sagte, es sei dringend.“
 

„Komisch. Dasselbe hatte sie zu mir auch gesagt.“
 

„Wie? Also jetzt verstehe ich gar nichts mehr.“
 

Verwirrt sahen sich beide an. Mit einem Mal war ihnen klar, was das zu bedeuten hatte. Julia hatte eins und eins zusammengezogen, das deren eigenartiges Verhalten mit ihnen zu tun haben musste und sie, ohne deren Wissen, an den Strand gelockt hatte, damit sie miteinander reden mussten.

Schlaue, Julia, gestand Chelsea sich ein. Vor ihr konnte man aber auch nichts verheimlichen.
 

„Also, ich gehe dann wieder.“, brach Vaughn das Schweigen.
 

„Warte, Vaughn!“ Entschlossen hielt Chelsea ihn am Arm fest. „Bitte, geh nicht. Ich muss mit dir reden.“

Vaughn sah hinunter in ihr Gesicht und konnte so viel Verlangen in ihrer Bitte erkennen, dass er wie erstarrt stehen blieb. Diese samtig blauen Augen, die nur auf ihn gerichtet waren, er konnte sich ihnen nicht einfach entziehen. Erneut spürte er den Drang, dieses Mädchen in die Arme zu schließen, ließ es allerdings bleiben. Es wäre ihm zu peinlich, sie erneut wieder zu überfallen. Nie wieder könnte er ihr in die Augen sehen.
 

„Gut.“, sagte er schließlich. „Ich bleibe.“
 

„Das freut mich.“ Chelsea lächelte erleichtert. „Setzen wir uns.“
 

Beide setzten sich in den Sand und starrten erstmal eine Weile aufs Meer hinaus, bis Chelsea zu reden anfing.
 

„Sag mal, Vaughn, versteh das bitte nicht falsch, aber bist du gerne auf dieser Insel?“

Irritiert über diese Frage, schwieg Vaughn ein wenig, bevor er zu sprechen begann.
 

„Du bist die erste, die mich das fragt.“, gestand er. „Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht genau. Ich habe schon an so vielen Orten gelebt, dass ich befürchte den Überblick verloren zu haben. Diese Orte waren anders, als diese Insel. Hier ist es ruhig und friedlich. Ich mag meine Arbeit hier. Auch meine Tante und meine Kusine. Sie bemühen sich sehr um mich. Das habe ich vorher nicht gekannt.“
 

„Was meinst du damit? Wenn du es mir erzählen willst, natürlich.“, setzte Chelsea schnell hinzu. Sie wollte nicht, dass er wieder davon lief.
 

„Es ist schwierig. Meine Mutter war immer für mich da gewesen. Sie war eine gute Mutter. Sie hatte ihr bestes gegeben.“
 

„Hatte?“
 

„Ja, sie ist gestorben, als ich 12 war. Es war ein Unfall gewesen.“ Vaughn senkte seinen Blick und sprach nur noch zu seinen Füßen.
 

„Das tut mir Leid, Vaughn. Davon wusste ich nichts.“
 

„Woher auch. Nur Mirabelle weiß davon, ansonsten niemand.“
 

„Darf ich fragen, was mit deinem Vater ist?“

Wieder verhärtete sich Vaughns Gesicht. Ausdruckslos blickte er geradeaus. Chelsea war nicht in der Lage, diesen Blick zu deuten.
 

„Es tut mir Leid. Ich wollte nicht so aufdringlich sein.“
 

„Das bist du nicht.“ Vaughn wandte sein Gesicht zu Chelsea und lächelte sie zum ersten Mal an. „Ich weiß nicht wieso, aber in deiner Nähe fühle ich mich so wohl. Ich kann dir gar nicht böse sein. Auch wenn ich es anfangs nicht bemerkt habe.“
 

„Oh.“ Chelsea errötete leicht. „Das freut mich zu hören. Ich mag dich auch, Vaughn. Ich fände es schön, wenn wir Freunde werden.“
 

Freunde?, dachte Vaughn und sah das braunhaarige Mädchen verträumt an. Ich kann mir nicht helfen, aber…ich denke, dass du mir viel mehr bedeutest. Allerdings weiß ich nicht, wie ich damit umgehen soll.
 

„Freunde?...Ja, warum nicht?“
 

<>
 

Nervös, wie Mark noch nie zuvor in seinem Leben gewesen war, wartete er an der Göttinnen-Quelle auf Nathalie. Er hoffte inständig, dass sie kommen würde. Seit ihrem letzten Treffen, an genau diesem Ort, wollte er ihr unbedingt sagen, welche Gefühle er für sie hegte. In den letzten drei Tagen waren seine Gedanken nur damit beschäftigt gewesen. Nachts träumte er von ihr. Wäre seine Arbeit nicht, die ihn zwang morgens aufzustehen, würde er gar nicht mehr aufwachen wollen, solch starken Gefühle empfand er. Es hatte ihn riesige Überwindungskraft gekostet, ihr diesen Brief zu schreiben. Kein Auge hatte er deswegen die ganze Nacht zugemacht. Weiterhin hatte er Bedenken.

Er hatte Angst, dass sie nicht kommen würde und er ihr nie wieder in die Augen sehen könnte. Was ist, wenn sie es für einen Scherz hielt? Konnte er mit seinen Empfindungen und Beobachtungen daneben liegen?

Nathalie verzauberte ihn jedes Mal aufs Neue, wenn sie in seiner Nähe war. Er konnte nicht länger warten. Diese Gefühle konnte er nicht länger für sich behalten. Er musste es ihr sagen. Sobald sie auftauchen würde. Wenn sie auftauchen würde.
 

Seine Armbanduhr zeigte bereits 17:05 Uhr an, und noch immer war von Nathalie keine Spur. Doch er beschloss zu warten. Sie würde gewiss bald kommen, ganz bestimmt. Etwas anderes wollte er sich gar nicht erst ausmalen.

Nach weiteren endlosen Minuten hörte er plötzlich ein Geräusch hinter sich. Gespannt drehte er sich um. Da stand sie, direkt vor ihm. Das pinkhaarige Mädchen, welches ihre Haare zu einem Zopf gebunden hatte, wie sie es immer tat, stand einige Meter entfernt vor ihm. Beschämt blickte sie Richtung Boden.

Ein vollkommeneres Geschöpf hatte Mark, in diesem Augenblick, noch nie zuvor gesehen. Sie war gekommen. Seine Nathalie, war tatsächlich gekommen.
 

„Entschuldige, dass ich mich verspätet habe. Ich war…“
 

„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.“, unterbrach Mark sie. „Ich freue mich, dass du gekommen bist.“
 

Nathalie nickte. Dabei errötete leicht ihr Gesicht. Eine Weile standen sie sich schweigend gegenüber.
 

„Willst du nicht näher kommen?“ Bei Marks Frage schreckte das verschüchterte Mädchen auf. Sie war unfähig sich zu rühren.
 

„Dann komme ich eben zu dir.“ Entschied sich Mark, nachdem er bemerkt hatte, dass Nathalie sich nicht bewegen würde.

„Ich muss dir etwas sagen, Nathalie. Und ich bitte dich, mir einfach nur zuzuhören, bis ich fertig bin, okay?“

Der junge Farmer stand nun unmittelbar vor ihr, die abermals beschämt zu Boden schaute, aber bestätigend nickte.

„Danke.“ Mark räusperte sich und errötete ebenfalls, bevor er zu sprechen begann.
 

„Das, was ich dir jetzt sage, wollte ich dir schon so lange sagen, aber irgendwie fand ich nie den richtigen Zeitpunkt oder den passenden Mut dazu. Aber jetzt, kann ich es nicht länger für mich behalten. Also,…“ Er holte noch einmal tief Luft, bis er dann fortfuhr.
 

„Seit längerem muss ich unentwegt an dich denken. Du gehst mir einfach nicht mehr aus dem Kopf und das will ich auch gar nicht. Als du so verträumt auf die Sonnenblumen geschaut hast, als du mich an diesem Tag besuchen warst, da war etwas mit mir geschehen, was ich anfangs nicht erklären konnte. Ich konnte es nicht in Worte fassen, was da mit mir geschah. Ich wusste nur, dass plötzlich etwas anders war. Dein Anblick, der mir bis dahin nie an dir aufgefallen war, veranlasste mich dazu, dich unbedingt näher kennenlernen zu wollen, richtig kennenlernen zu wollen. Du warst mir immer als ein fleißiges, ernstes Mädchen vorgekommen, aber immer wenn du gelacht hast, strahlte dein Gesicht soviel Freude aus, dass ich nicht anders konnte, als mich jeden Tag nach deinem Lachen zu sehnen. Jeden Tag wollte ich in deiner Nähe sein. Die Tage, an denen ich nicht bei dir sein konnte, erschienen mir so leer, als würde etwas Wichtiges fehlen. Doch in deiner Nähe ist es nie so.

Genauso wie jetzt.“

Verliebt lächelte Mark Nathalie an.
 

„Bitte, Nathalie, sieh mich an.“
 

Langsam hob Nathalie ihren Kopf. Es dauerte, bis sie sich traute ihm in die Augen zu sehen. Seine Worte hatten sie zutiefst berührt. Sie wollte mehr von Mark hören. Viel mehr.
 

„Du musst wissen, Nathalie, dass ich…dass ich…dich liebe. Ich liebe dich.“
 

Prompt füllten sich Nathalies Augen mit Tränen. Sie konnte es nicht kontrollieren. Es geschah einfach. Sie versuchte sie wegzuwischen, doch es kamen immer wieder neue nach. Ihre Gefühle strömten aus ihr heraus, die sie solange versucht hatte zu unterdrücken. Doch jetzt, als sie diese Worte hörte, konnte sie sie nicht mehr zurück halten.
 

„Oh Mark.“
 

Sie lief ihm in die Arme und weinte sich darin aus. Behutsam drückte er sie an sich und ließ ihren Tränen freien Lauf. Zuerst war er erschrocken über ihre Tränen gewesen, doch als er sie lächeln sah, war er sofort beruhigt gewesen.

Auch er konnte es noch nicht richtig fassen, Nathalie seine Gefühle gestanden zu haben.

Als das junge Mädchen sich einigermaßen beruhigt hatte, hob Mark mit einer Hand ihr Kinn an, sodass sie sich tief in die Augen sahen.

Langsam näherten sich ihre Lippen, bis sie sich sanft zu einem zärtlichen Kuss schlossen.
 

<>
 

In dieser Nacht lag Vaughn lange wach. Er machte sich gar nicht erst die Mühe, einschlafen zu wollen. Seine Gedanken waren immer noch bei seinem Gespräch mit Chelsea, welches beide am Strand geführt hatten.

Als er sie entdeckt hatte, wollte er zuerst umkehren, doch als sich ihre Blicke trafen, konnte er nicht mehr. Es überraschte ihn immer wieder aufs Neue, welche Anziehung dieses Mädchen auf ihn ausübte. Sie war so jung und unschuldig, aber gleichzeitig voller Liebe und Verständnis. Sie hatte ihn nicht weiter gedrängt, mehr von sich und seiner Familie zu erzählen, als er bemerkte, dass er nicht darüber reden wollte. Das imponierte ihm. Dennoch bekam er für einen kurzen Moment das Bedürfnis, ihr alles zu erzählen, doch letzten Endes hatte er sich nicht getraut. Seine Vergangenheit war ihm zu schmerzlich, dass er nicht in der Lage war, sich ihr anzuvertrauen. Obwohl er dieses Verlangen hatte, auch wenn es nur sehr kurz war.

Er verstand es selber nicht, wie dieses fröhliche Mädchen ihn so verwirren konnte. Zuvor war ihm das noch nie passiert.

Freunde, dachte er. Es stimmte, er wollte mit ihr befreundet sein. In ihrer Nähe sein. Ihren Duft einatmen und beschützen. Das alles empfand er für sie.

Unwillkürlich musste er an Pierre denken, wie er und Chelsea gemeinsam ein Gericht zubereitet hatten. Wie nah standen sie sich? Waren sie nur Freunde oder steckte mehr dahinter?

Vaughn konnte sich diese Gedanken diesbezüglich nicht erklären. Er wusste bloß, dass er es nicht leiden konnte, wenn ein anderer Mann in Chelseas Nähe war, abgesehen von ihrem Bruder. Diese Vorstellungen passten ihm nicht.

Doch, was sie am Ende bedeuteten, konnte er noch nicht ahnen. Er mochte Chelsea, das konnte er nicht leugnen. Und er wollte sie so schnell wie möglich wieder sehen.

Unbedingt.
 

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Hallo!
 

Dieses Kapitel fand ich recht schwierig zu schreiben. Ich hoffe, dass ich mich nicht zu oft wiederholt habe.

Was die Liebeserklärung angeht, fand ich auch diese als eine große Herausforderung. Beim Durchlesen habe ich mir gedacht, dass es schön wäre so etwas in echt zu hören.

Ach ja…

Ich hoffe, dass es euch gefallen hat.
 

Eure

jane-pride

Die Strandparty

10. Die Strandparty
 

Der Sommer neigte sich sichtlich dem Ende entgegen. Die Tage wurden allmählich kürzer und milder. Jeder wartete gespannt auf die Buntfärbung der Blätter an den Bäumen.

In diesen letzten Sommertagen hatte Lanna die Idee eine Strandparty zu organisieren. Leider war sie diesbezüglich zu unbegabt, dass sie sich Hilfe suchen musste. Denny erwies sich hierbei als besonders hilfreich. Auch ihm gefiel die Idee, gerade weil ein Großteil der Feier vor seinem Haus stattfinden sollte. Für die Spiele wollte er höchstpersönlich sorgen und Pierre wurde dazu überredet, sich um die Verköstigung der Leute zu kümmern. Mit Eifer machte er sich an die Arbeit.

Nachdem das gröbste bereits geplant war, holten sich die drei die Zustimmung von Taro, ihrem Bürgermeister. Ihm gefiel ebenfalls dieser grandiose Einfall und überließ die Planung hauptsächlich den jungen Leuten. Lanna konnte ihre Freude kaum verbergen und lud so viele Leute, wie möglich ein.

Der Tag an dem die Party schließlich stattfinden sollte, rückte immer näher. Jeder war in neugieriger Erwartung, da es Lanna sogar geschafft hatte, eine Überraschung am späten Abend des Festes zu organisieren. Was es war, verriet sie niemanden. Somit stieg die Spannung und jeder Einzelne ging mit großer Vorfreude zum Fest.
 

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Die Party begann pünktlich um 16 Uhr. Nacheinander erschienen die Gäste. Bis 17 Uhr war ausnahmslos jeder eingetroffen.

Es wurden verschiedene Partyspiele angeboten, die in sicherem Abstand aufgebaut worden. Direkt vor Dennys Haus wurde eine Musikanlage aufgestellt, die pausenlos die angesagtesten Songs spielte, wofür extra ein Limbostand aufgebaut war. Diverse weitere Spiele waren Hufeisen werfen, Sackhüpfen, Pantomime, Eierlaufen und vieles mehr. Jung und alt erfreuten sich an den verschiedenen Attraktionen und versuchten ihr Können und Geschick vor den anderen unter Beweis zu stellen. Es wurde gelacht, getanzt in vollem Ausmaß. Elliot erwies sich bei jedem Spiel als der Ungeschickteste, was ihm allerdings nicht soviel ausmachte, da Julia stets an seiner Seite war und ihn anfeuerte. Einen glücklicheren jungen Mann gab es dann nicht.

Pierre zeigte mal wieder sein gesamtes Können, was die Speisen anbelangte. Es gab verschiedene Variationen von Gemüsespießen und Fleischspießen, sämtliche Salate, mariniertes Fleisch und Geflügel, frischen Fisch, der vor aller Augen gegrillt wurde, den Denny gefangen hatte und noch unzählige andere Zubereitungen, dessen Namen schwer zu merken waren. Pierre vermischte verschiedene Küchen in eine einzige Kreation. Man konnte sich nicht satt genug daran sehen.
 

Mark und Nathalie blieben die meiste Zeit zusammen. Beide hatten beschlossen ihre Beziehung vorerst geheim zu halten, um sich selber in Ruhe näher zu kommen, bevor Freunde und Familie hinein reden konnten. Nathalie war das nur Recht. Immerhin war es ihre Bitte an Mark gewesen. An jenem Tag, an dem Mark ihr seine Liebe gestand, geschah alles so schnell und plötzlich, dass das junge Mädchen noch Zeit brauchte, um alles richtig zu begreifen. Sie liebte Mark, dass wusste sie nun. Dennoch wollte sie es noch nicht an die große Glocke hängen. Seitdem verbrachten Mark und sie jede freie Minute zusammen. Beide genossen die Nähe des anderen und lernten Stück für Stück mehr vom jeweiligen anderen kennen. Nathalie war überglücklich, hatte sich allerdings noch nicht getraut Mark zu sagen, dass sie ihn ebenfalls liebte. Selbstverständlich wusste Mark, was Nathalie ihm gegenüber empfand, aber ausgesprochen hatte sie es noch nicht. Der junge Farmer bedrängte sie auch nicht. Er konnte nachvollziehen, dass sie einfach noch Zeit brauchte. Zudem war er sich ziemlich sicher, die Worte von ihr noch zu hören. Er war ebenfalls zu glücklich, um das negativ zu sehen. Egal wie lange es dauern würde, er würde darauf warten.
 

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Vaughn stand etwas abseits vom Geschehen. Außer am Hufeisen werfen hatte er sich an keiner anderen Tätigkeit beteiligt. Sämtliche Überredungskünste von Mirabelle waren hier vergeblich.
 

„Möchtest du etwa den ganzen Abend hier rum stehen und aufs Meer hinaus starren? Geh unter die Leute, unterhalte dich mit ihnen.“
 

„Es ist alles gut, Tante. Du brauchst dich nicht um mich zu kümmern. Wenn mir danach ist, werde ich auf die Leute zugehen. Jetzt genieße ich ein wenig die Ruhe.“
 

„Das kannst du nachher auch noch. Soviel du willst. Dadurch entgeht dir vieles, Vaughn. Ich möchte doch nur nicht, dass du die ganze Zeit so alleine bist.“
 

„Wirklich, Tante, das macht mir nichts aus. Ich bin daran gewöhnt. Außerdem…“
 

„Ach, papperlapapp! Hör schon auf dich rauszureden. Ich weiß! Ich werde Chelsea suchen. Vielleicht kann sie dich ja überzeugen. Ihr versteht euch doch so gut, habe ich Recht?“ Und weg war sie. Vaughn konnte sie nicht davon abhalten, obwohl er erneut versuchte Einwände dagegen vorzubringen.

Es stimmte schon, dass er sich mit Chelsea gut verstand. In den letzten Tagen hatten sie sich öfters gesehen gehabt und unterhalten. Aber da war immer jemand anders mit dabei gewesen. Jetzt würde er mit ihr allein sein. Irgendwie beunruhigte ihn das, auch wenn er sich gleichzeitig freute. Es war alles zu verwirrend für ihn. Er wurde aus seinen Gefühlen einfach nicht schlau.
 

„So, da wären wir. Chelsea, ich verlass mich auf dich. Bring diesen sturen Esel zur Vernunft.“
 

„Alles klar, Mirabelle. Ich werde es versuchen.“ Das junge Mädchen lachte. Sofort verlor sich Vaughn in diesen Anblick.
 

„Du musst nicht mit Gewalt hier sein, wenn du es nicht willst. Mirabelle war nur der Meinung, dass mir Gesellschaft gut tun würde.“
 

„Da stimme ich ihr auch zu. Aber keine Sorge, Vaughn, ich bin freiwillig zu dir gekommen. Bis eben stand ich noch bei Lanna und Denny, die gerade anfingen zu streiten, als deine Tante kam. Darüber war ich dann doch ziemlich erleichtert von ihnen weg zu kommen. Zumal ich den Grund für ihren Streit nicht nachvollziehen kann.“
 

„Ach so.“ Ein kurzes Schweigen trat ein. „Und? Gefällt dir die Party?“, fragte Vaughn plötzlich.
 

„Ja, sie gefällt mir sehr gut.“, antwortete Chelsea ehrlich. „Lanna, Denny und Pierre haben sich mächtig ins Zeug gelegt und etwas Tolles auf die Beine gestellt in so kurzer Zeit.“
 

„Stimmt. Dafür kann man sie nur loben.“
 

„Übrigens hast du den Schokoladenpudding probiert den Pierre gemacht hat? Er ist einfach köstlich! Ich liebe ja alles, was mit Schokolade zu tun hat.“
 

„Ist das so, ja?“ Ihm gefiel nicht, dass Chelsea wieder von Pierre sprach. Wie konnte sie ihn nur so bewundern? Er ist doch noch ein halbes Kind mit seinem Milchgesicht. Vaughn wusste, dass er gerade unfair war, aber er konnte nicht anders. Ihm gelang es einfach nicht das braunhaarige Mädchen zu verstehen.
 

„Ja. Mein Bruder zieht mich immer damit auf, aber ich kann einfach nicht anders. Wenn ich Schokolade sehe, muss ich einfach zugreifen. Hihi.“
 

Und wieder dieses Lachen. Dieses Lachen, welches sein Herz berührte.
 

„Du, Chelsea?“
 

„Ja?“
 

„Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll, aber…“ Vaughn zog seinen Hut weiter ins Gesicht, damit Chelsea es nicht so genau sehen konnte. Die Frage war ihm unangenehm, aber irgendwie brauchte er Gewissheit.
 

„Wie steht ihr zueinander? Du und Pierre, meine ich?“

Jetzt war die Frage raus. Peinlicher konnte es ihm gar nicht sein.
 

„Wie? Du meinst, du willst wissen, ob Pierre und ich mehr sind als nur Freunde?“
 

„So habe ich das nicht gemeint. Ich bin bloß neugierig. Ihr scheint euch sehr gut zu verstehen.“
 

„Mmh. Also, Pierre und ich sind nur Freunde. Nichts weiter. Ab und zu habe ich bloß eine Schwäche für sein Essen. Ich hole mir häufig Tipps von ihm, wenn ich mit einem Gericht nicht weiter weiß.“
 

„Das ist alles?“
 

„Ja. Außerdem interessiert sich Pierre sowieso nur für sämtliche Zutaten und Gerichte. Etwas anderes hat bei ihm keinen Platz.“
 

„Mmh.“
 

„Alles okay, Vaughn?“
 

„Wie? Ja klar. Alles gut.“

Er war sichtlich erleichtert. Ein Stein fiel ihm vom Herzen.
 

Chelsea musterte Vaughn. Doch sein Gesicht war nicht richtig zu erkennen, doch sie meinte ihn lächeln zu sehen. Was war das auch für eine eigenartige Frage? , dachte das junge Mädchen. Konnte es sein, dass Vaughn eifersüchtig war? Moment Mal, was ist das nun wieder für ein Gedanke? Vaughn und eifersüchtig? Auf Pierre? Wegen ihr? Das kann gar nicht sein. Bestimmt hatte sie sich das gerade eingebildet. Aber warum, gefiel ihr der Gedanke? Empfand sie mehr für Vaughn, als sie ahnte? Gewiss, sie mag ihn, sogar sehr, aber…
 

Konnte das möglich sein? Chelsea war sich nicht sicher. Im Sommer war soviel geschehen, seit seiner Ankunft und bisher hatte sie sich noch nie darüber Gedanken gemacht. Einerseits war es abwegig, andererseits sehnte sie sich manchmal nach einer Schulter, an der sie sich anlehnen konnte, wenn sie erschöpft von der Arbeit war. Manche Nächte erschienen ihr einsam. Doch, könnte Vaughn derjenige sein? Sie kannte ihn noch nicht genug, um das mit Sicherheit sagen zu können. Inzwischen sprach er zwar mehr mit ihr und den anderen, aber dennoch blieb er bis zu einem gewissen Punkt unnahbar.
 

Chelsea seufzte.
 

„Alles okay mit dir? Fühlst du dich nicht wohl?“
 

„Was? Äh…nein. Alles prima.“
 

„Ganz sicher?“
 

„Ja. Mach dir keine Sorgen.“
 

„Dann bin ich aber froh.“
 

Dieses Mal konnte Chelsea sein Lächeln sehen. In diesem Moment fühlte sie ihr Herz gewaltig pochen. Was war nur los mit ihr? Dieses Lächeln bewirkte eine Reaktion in ihr, die sie vorher noch nie gehabt hatte. Doch sie musste sich eingestehen, dass ihm das Lächeln stand. Es ließ ihn offener und herzlicher erscheinen, als er sonst wirkte. Aus irgendeinem Grund wollte Chelsea sein Lächeln öfter sehen.
 

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Unauffällig beobachtete Julia die beiden. Ihr fiel die Wandlung in Vaughns Verhalten gegenüber Chelsea auf, was ihr sehr zusagte. Ihre beste Freundin hatte einen positiven Einfluss auf ihren Cousin. Ob ihr das eigentlich bewusst war? Vermutlich nicht, dachte Julia. Chelsea denkt immer zuerst an andere. Nie an sich selbst, weswegen ihr ihre Wirkung auf Männer bestimmt nicht auffiel.

Julia lächelte zufrieden, als Elliot an ihre Seite trat.
 

„Julia? Weißt du, wann die Überraschung losgehen soll?“
 

„Nein. Aus Lanna ist nichts rauszukriegen, was mich allerdings schwer wundert. Normalerweise kann sie nie ein Geheimnis für sich behalten.“
 

„Das stimmt. Ich habe dir einen Brownie mitgebracht. Hoffentlich hast du ihn noch nicht probiert.“
 

„Oh, danke, Elliot. Du bist immer so aufmerksam.“
 

„Für dich immer.“ Prekär schaute Elliot zur Seite. Er spürte wie sein Gesicht rot anlief. Julia lächelte bei diesem Anblick. Auch ihr wurden von Tag zu Tag ihre Gefühle für Elliot bewusster. Doch nach wie vor traute sie sich nicht, ihn darauf anzusprechen. Es war ihr peinlich, soviel Mut konnte sie nicht aufbringen. Außerdem wusste sie nicht, was Elliot für sie empfand. Zuerst mit der Sprache rauszurücken, erschien ihr unangebracht.
 

Mein lieber, Elliot, dachte Julia, was soll ich nur tun? Gib mir doch ein Zeichen. Irgendeinen Hinweis. Ich bin so ratlos. Manchmal auch traurig deswegen. Dann freue ich mich wieder dich zu sehen, wenn du mich ansiehst und lächelst. Es ist das schönste, was ich je gesehen habe.
 

Vertieft in ihre Gedanken biss Julia ein Stück vom Brownie ab. Den Geschmack ließ sie im Munde zergehen. Sie würde Geduld mit Elliot haben müssen.

Viel Geduld.
 

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An einen der provisorisch aufgestellten Tische und Bänke saßen die Erwachsenen versammelt und beobachteten das bunte Treiben, um sich herum.
 

„Ich muss gestehen, dass ist eine der besten Feste, die wir je veranstaltet hatten.“, warf Taro in die gesellige Runde hinein.
 

„Da stimme ich dir zu, Vater. So viel Spaß hatten wir schon lange nicht mehr.“, antwortete Felicia.
 

„Dem stimme ich ebenfalls zu. Es ist eine große Freude unseren Kinder und angehenden Erwachsenen zuzusehen, wie sie sich amüsieren. Selbst Charlie und Elisa streiten ausnahmsweise mal nicht.“
 

„Genau, Chen. Eine Wohltat für die Ohren. Ich hatte anfangs Bedenken, aber es scheint alles friedlich zu sein.“
 

„Wohl wahr, Gannon. Zur Abwechslung mal schön nicht den Kindern hinterher laufen zu müssen.“
 

„Das ist mir auch aufgefallen, dass sie sich heute besonders gut verstehen. Aber auch Elliot ist heute anders als sonst. Findest du nicht auch, Felicia?“, wandte sich Mirabelle an ihre Freundin.
 

„Ja, das ist mir auch aufgefallen. Aber in der Nähe deiner Tochter verhält sich mein Elliot immer anders. Ich nehme an, dass er mit aller Kraft versucht sie zu beeindrucken.“
 

„Das könnte aber auch in letzter Zeit daran liegen, dass Nathalie ihn weniger piesackt. Sie ist ebenfalls auffällig ruhig geworden.“, sagte Taro.
 

„Das stimmt. Aber nicht nur das, sie singt nebenbei und kichert ganz viel, wenn sie glaubt, dass sie allein ist.“
 

„Kann es sein, dass sie verliebt ist?“, fragte Chen. „Gibt es einen jungen Mann, den sie häufiger sieht?“
 

„Das wissen wir nicht genau. Nathalie war schon immer recht selbstständig, im Gegensatz zu ihrem Bruder. Daher kontrollierten wir sie nicht all zu oft. Im letzten Jahr eigentlich gar nicht mehr.“
 

„Man kann seine Kinder auch nicht ewig festhalten. Das sehe ich an Julia. Nachdem Tod meines Mannes war sie die einzige, die mir Halt gegeben hat und mich dazu zwang weiter zu machen. Für sie. Sollte es aber tatsächlich stimmen, dass Nathalie sich verliebt hat, würde ich mich wahnsinnig für sie freuen. Sie wirkte manchmal recht einsam, obwohl sie so stark und schlagfertig tut.“
 

„Ja. Ach, meine kleine Nathalie. Ich hoffe, dass der junge Mann sie glücklich machen wird, wer auch immer es ist.“
 

„So ganz leichtfertig sollten wir damit allerdings nicht umgehen.“, erwiderte Taro polemisch.

„Wichtig ist auch, dass Nathalie in gute Hände kommt, dass der junge Mann für sie sorgen und sie beschützen kann. Zudem sollte er über ein sicheres Einkommen verfügen.“
 

„Aber das Geld ist nicht ganz so wichtig.“, warf seine Tochter dazwischen. „Ich möchte an erster Stelle, dass Nathalie glücklich ist. Alles andere wird sich daraus ergeben.“
 

„Du hast natürlich Recht.“, pflichtete Taro ihr schnell bei. „Ich wollte es nur kurz anmerken, dass dies nicht außer Acht gelassen werden sollte. Viele junge Verliebte gehen Hals über Kopf ein Wagnis ein und stehen am Ende ohne ein Fundament da. Ich möchte nur nicht, dass es weder Nathalie noch Elliot so ergeht.“
 

„Ich denke, darüber musst du dir keine Sorgen machen.“, mischte sich Chen ins Gespräch ein. „Unsere Kinder wissen genau, worauf es im Leben ankommt. Sie sind alle fleißig und strebsam. Ich bin mir absolut sicher, dass jeder von ihnen ihren Weg gehen wird und das so wie sie es wollen und können.“
 

„Dem pflichte ich ebenfalls bei. Es wird schon alles für unsere Kinder gut werden.“, verkündete Gannon und hob sein Glas zu einem Tost an.

„Auf unsere Kinder. Mögen all ihre Wünsche und Ziele in Erfüllung gehen. Mögen sie glücklich mit dem Partner ihrer Wahl werden. Für immer.“
 

„Auf unsere Kinder.“
 

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Die Strandparty wurde im wahrsten Sinne des Wortes ein voller Erfolg. Jeder hatte mächtigen Spaß und genoss diesen gemeinsamen Abend mit Freunden und Familie in vollen Zügen.

Lanna hatte zu Recht die Spannung auf die Überraschung steigen lassen.
 

„Los, Gannon! Es wird Zeit. Alle warten schon.“
 

„Einen Moment noch, Lanna. Es darf nichts schief gehen.“
 

Seit einigen Minuten bastelte Gannon an einer Zündvorrichtung. Er untersuchte sie gründlich, um etwaige Schäden zu vermeiden.

Unruhig trat Lanna von einem Bein aufs andere.
 

„Bleib mal locker, Lanna. Alles wird super werden.“
 

„Du hast leicht reden, Denny. Es muss nicht nur super sondern perfekt werden. Ich habe schließlich dafür alles in die Wege geleitet.“
 

„Das weiß ich doch. Es wird auch ein voller Erfolg werden. Ganz sicher. Gannon weiß schon, was er tut.“
 

„Ich weiß, aber dieses Warten, macht mich nervös.“
 

„So.“ Plötzlich stand Gannon auf. „Es kann losgehen. Fangt doch schon mal an mit dem Countdown.“
 

„10,9,8,7,6,5,4,3,2…1!“
 

Aus sicherer Entfernung schossen mit einem Mal viele Raketen in die Luft und zauberten ein buntes Schauspiel in den nächtlichen dunklen Himmel, das jedem vor Staunen, der Mund offen blieb. Es gab viele „Ahhhs“ und „Ohhhs“. Ein unglaubliches Spektakel bot sich vor ihren Augen über ihren Köpfen. Der Himmel verwandelte sich in ein Meer von Farben, welches sich in den Augen der Inselbewohner wiederspiegelte. Es konnte einem den Atem rauben.
 

Nachdem der Großteil des Feuerwerks zu Ende war, wurde Lanna von allen beglückwünscht zu dieser einmaligen Idee. Sie selbst lief rot an, bei so viel Aufmerksamkeit, obwohl sie als Sängerin daran gewöhnt war, doch da wurde sie immer für ihren Gesang bejubelt, dieses hier war etwas ganz anderes. Lanna gefiel es und nahm die Bewunderungen dankend an.
 

Sobald das Feuerwerk verklungen war, machten sich die Inselbewohner auf dem Heimweg. Viele von ihnen gingen mit fröhlichen und heiteren Gedanken nach Hause, andere etwas nachdenklicher, was ihre Gefühle für ihre Mitmenschen betraf, aber zufriedener und in der Hoffnung bald die Antwort für alles zu bekommen.
 

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So, hallo liebe Leser!
 

Diesmal habe ich versucht alle Charaktere zu Wort kommen zu lassen oder zumindest namentlich zu erwähnen. Ich hoffe, dass euch auch dieses Kapitel gefallen hat.

Nun ist die Hälfte der Fanfiction geschrieben. Ihr dürft gespannt sein, wie es weitergeht.
 

Eure,

jane-pride

Der Herbst

11. Der Herbst
 

Der Jahreszeitenwechsel kam so fließend, dass die Natur sich vom prächtigen grün der Blätter verabschiedete und sich durch ein buntes Farbspiel aus rot, gelb, orange ersetzte. Dieses bunte Meer aus Farben direkt vor der eigenen Haustür zu haben, erfüllte Charlie mit unglaublicher Freude. Seit er aufgestanden war, türmte er mehrere Haufen farbiger Blätter, die von den Bäumen gefallen waren. Hatte er genug beisammen, nahm er etwas Anlauf, schmiss sich in die bunten Blätter und sah dabei zu, wie sie auf ihn herabregneten. Es war ein tolles Spiel. Viel lieber würde er es mit Elisa spielen, aber sie hatte dazu heute keine Lust. Sei es drum. Charlie hatte auch so eine Menge Spaß.

Er war gerade dabei neue Haufen zu kreieren, als sein Vater auf ihn zukam.
 

„Charlie?“
 

„Ja, Vater?“
 

„Ich habe einen Auftrag an dich. Könntest du diesen Korb zu Mirabelle in den Laden bringen? Sie hatte soeben eine telefonische Bestellung abgegeben. Nur, wie du weißt kann ich den Laden nicht unbeaufsichtigt lassen.“
 

„Ich kann doch auf ihn aufpassen.“
 

„Das bezweifle ich nicht, mein Sohn.“ Chen musste schmunzeln.
 

„Aber ich habe noch soviel Arbeit vor mir und die kann leider nicht warten. Frag doch Elisa, ob sie dich begleitet.“
 

„Na gut, wenn es sein muss. Aber die Blätter werden nicht weggefegt, verstanden?“

Drohend hielt Charlie seinen Zeigefinger vor das Gesicht seines Vaters.
 

„In Ordnung. Den Fehler mache ich bestimmt nicht noch einmal.“
 

Mit diesen Worten nahm Charlie den Korb entgegen und machte sich auf dem Weg zu Elisa.
 

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Gegen Mittag trafen sich Nathalie und Mark im Diner. Es war eine gute Gelegenheit von der täglichen Arbeit eine Pause zu nehmen, sich zu stärken und sich zu unterhalten. In den letzten Tagen war das junge Paar häufiger hier zu Gast gewesen. Nachdem Mittagessen unternahmen sie oft noch einen Spaziergang bevor sie sich wieder voneinander trennten.

Noch war das Diner leer. Die meisten Gäste würden erst in einer Stunde eintreffen.
 

„Dasselbe wie letztes Mal, Nathalie?“, fragte Mark seine Freundin.
 

„Hmm. Ich glaube, ich probiere heute etwas Neues. Bloß, kann ich mich nicht so leicht entscheiden. Es hört sich alles so lecker an auf der Speisekarte.“
 

„Wie wäre es mit dem Herbsteintopf? Der soll jedes Mal beliebig anders zubereitet werden.“
 

„Und was ist, wenn da etwas drin ist, was ich nicht mag? Du weißt, das ich Pilze nicht ausstehen kann.“
 

„Das ist doch kein Problem. Dann umgehst du sie einfach oder ich werde sie für dich essen.“, grinste Mark sie an.
 

„Wie? Du willst von meinem Teller essen? Kommt überhaupt nicht in Frage! Das kann man doch nicht machen.“
 

„Und warum nicht?“
 

„Na, weil…weil…“ Nathalie errötete leicht.

„Weil es eben nicht geht.“
 

„Ist schon gut, Nathalie. Ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen. Obwohl du ziemlich süß aussiehst, wenn du rot wirst.“
 

Nach diesen Worten errötete Nathalie noch mehr. Es war ihr zwar unangenehm solche Worte zu hören, gleichzeitig freute sie sich aber, dass sie von Mark kamen. Ihr Herz machte dann jedes Mal einen kleinen Hüpfer und ein angenehmes Gefühl breitete sich in ihr aus.

Als die Bedienung an ihren Tisch trat, wurde doch wieder dasselbe wie letztes Mal bestellt, da Nathalie kein Risiko eingehen wollte.
 

„Sag mal, Mark. Deine Schwester hat doch demnächst Geburtstag. Ist irgendetwas geplant oder möchte sie wieder nicht feiern?“
 

„Tja, eine gute Frage. Ich habe gestern erst wieder versucht sie zu überreden eine kleine Feier wenigsten zu geben, aber sie lehnt ab. Es ist einfach nicht ihre Art, dass soviel Wirbel um sie gemacht wird. Das möchte sie nicht. Sie denkt viel zu sehr an andere und möchte niemandem unnötige Arbeit auferlegen.“
 

„Aber, man hat doch schließlich nur einmal im Jahr Geburtstag.“
 

„Das habe ich ihr auch gesagt.“ Mark seufzte. „Meine Schwester kann manchmal ganz schön stur sein.“
 

„So wie du.“
 

„Was meinst du denn damit?“ Neugierig beugte sich Mark über den Tisch, um Nathalie näher zu betrachten.
 

„Du weißt schon, was ich meine.“
 

Verlegen senkte Nathalie ihren Blick. Beide mussten an den Liebesbrief von Mark denken und an ihr Gespräch im Wald, wo sich Mark ihr offenbart hatte, welche Gefühle er für sie hegte. So gerne würde auch Nathalie ihm sagen, was sie für ihn empfindet, doch zum jetzigen Zeitpunkt traute sie sich noch nicht. Das, was sie für Mark empfand, hatte sie zuvor noch nie für jemanden gefühlt. Es war ihr alles noch so fremd und neu. Zugleich hatte sie aber auch Angst, Mark damit zu verletzten, geschweige denn zu verlieren, wenn sie noch länger schwieg. Und das wollte sie auf keinen Fall. Sie wusste selber nicht, was sie davon abhielt, ihm ihre Gefühle zu offenbaren. Würde Mark ewig auf sie warten? Oder würde er irgendwann genug von ihr haben und sich von ihr trennen?

Nathalie spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Schnell fasste sie sich wieder. Vor Mark wollte sie jetzt nicht in Tränen ausbrechen. Er würde sich nur Sorgen machen.

Zum Glück kam in diesem Moment das Essen, sodass es Mark nicht auffiel, da er kurzzeitig abgelenkt wurde.
 

„Zurück zu Chelseas Geburtstag.“, lenkte Mark Nathalie von ihren trübsinnigen Gedanken ab. „Hast du nicht eine Idee, was wir da machen können, um meine Schwester zu überreden?“
 

„Hmm. Also feiern sollte sie ihren Geburtstag auf jeden Fall, ob sie nun will oder nicht. Zur Not zwingen wir sie einfach.“
 

„Ist das nicht ein wenig zu hart?“
 

„Nein!“, bestimmte das junge Mädchen entschieden. „Manche Leute muss man eben zu seinem Glück zwingen. Und ich habe auch schon eine Idee.“
 

Kurz erläuterte Nathalie ihrem Freund ihren Plan. Er war sofort begeistert.
 

„Das ist absolut genial! So machen wir das. Wenn ich dich nicht hätte, Nathalie, wüsste ich gar nicht mehr, was ich tun sollte.“
 

Schon wieder errötete Nathalie. Mit aller Kraft versuchte sie sich aufs Essen zu konzentrieren, was ihr nicht all zu gut gelang, da ihr Herz der Meinung war, während dessen einen Walzer zu tanzen.
 

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In Mirabelles Laden befand sich zum ersten Mal Vaughn hinter der Verkaufstheke. Seit einer halben Stunde fragte er sich nach wie vor noch, wie es dazu gekommen war. Nachdem er seine Arbeit im Viehstall erledigt hatte, hatte er nur einen kurzen Blick in den Laden geworfen, um zu fragen, ob noch was zu erledigen sei. Kurz darauf wurde er von seiner Tante überredet den Laden zu übernehmen, da sie etwas Dringendes zu erledigen hätte und seine Kusine außer Haus war. Insgeheim war Vaughn allerdings froh, dass noch kein einziger Kunde erschienen war. Das war das letzte, was er gerade bräuchte. Zumal er sowieso nicht wüsste, wie er mit ihnen umgehen sollte. Normale Konversation zu betreiben, war ihm schon zu viel. Er genoss die Ruhe und Stille. Alles was darüber hinausging bereitete ihm Unbehagen. Obwohl er zugeben musste, dass ihm in Gegenwart einer gewissen Person, dem nicht so war. In Chelseas Nähe fühlte er sich unerklärlicherweise wohl. Ihre Gesellschaft überforderte ihn nicht, im Gegenteil, sie bereicherte ihn. Es machte ihm keineswegs etwas aus, sie in seiner Nähe zu haben. Sogar jetzt schweiften seine Gedanken zu ihr. Nostalgisch, wie er gerade war, konnte er ihr fröhliches Lachen hören, das ihn jedes Mal aufs Neue zutiefst berührte. Es war so voller Wärme, genauso wie ihr Lächeln. Es bewegte etwas in ihm, auch wenn er nicht genau sagen konnte, was es war. Ihm fiel auf, dass er in letzter Zeit häufiger an Chelsea denken musste. Unwillkürlich wanderten seine Gedanken zu ihr, egal was er tat. Ohne es zu merken, war sie ein wesentlicher Bestandteil seines Lebens geworden. Hin und wieder überkam ihm eine Sehnsucht nach ihr, die er sich ebenfalls nicht erklären konnte. Was war nur los mit ihm? Was hatte Chelsea nur an sich, das ihn so durcheinander brachte?

Immer noch in seine Gedanken vertieft, nahm er seinen Hut und legte ihn auf den Tresen ab. Er fuhr sich mit beiden Händen gerade durchs Haar, als die Türklingel ertönte. Kurz darauf stürmten zwei kleine Kinder herein.
 

„Guten Tag. Wir wollen zu Mirabelle. Wir haben ihr was mitgebracht.“
 

„Wie? Mirabelle ist nicht da. Worum geht es denn?“
 

„Sie ist nicht da?“, fragte Charlie erstaunt. „Dabei hatte sie doch extra bei uns im Laden angerufen, weil sie etwas braucht.“
 

„Davon weiß ich nichts. Bist du dir auch sicher?“
 

„Na, hör mal! Natürlich bin ich das. Oder willst du mir unterstellen, dass ich lüge?“ herausfordernd sah Charlie zu Vaughn auf. Dieser wiederum verstand nun gar nichts mehr. Was wollte das Kind nur von ihm?

„Genau. Was fällt dir eigentlich ein?“, mischte sich jetzt auch Elisa ein, die ihre Hände an ihre Hüpften gestemmt hat. „Für wen hältst du dich? Nur weil wir noch Kinder sind?“
 

„Wie? Ich… Das habe ich doch gar nicht gesagt. Es ist nur das…“
 

„Jetzt versuch dich nicht auch noch rauszureden.“, unterbrach ihn das kleine Mädchen. „Sag uns lieber wo Mirabelle ist, damit wir ihr ihre Sachen geben können.“
 

„Genau.“, bestätigte Charlie. „Raus mit der Sprache.“
 

„Wie bereits gesagt, ist sie zu Zeit nicht da. Wenn ihr mir sagen würdet, worum es geht, kann ich euch bestimmt helfen.“, versuchte Vaughn erneut zu erfahren, worum es eigentlich ging. Er verstand die Kinder nicht, was wahrscheinlich der Grund dafür ist, dass er mit Kindern nichts anfangen konnte. Sie waren für ihn ein ganz andere Spezies von Mensch. Irgendwie gruselig.
 

„Warum sollten wir dir trauen? Vermutlich hast du Mirabelle selber etwas angetan. Mit deinem grimmigen Gesicht, mit dem du immer rumläufst, würde mich das nicht wundern.“
 

Wie jetzt? Wollte der kleine Junge Vaughn provozieren? Er wurde sichtlich ungeduldiger und hätte die Gören am liebsten rausgeschmissen.
 

„Komm, Charlie. Wir werden Mirabelle einfach im Haus suchen gehen.“
 

„Gute Idee, Elisa. Das machen wir.“
 

„Moment mal…“
 

Vaughn versuchte die Kinder zu stoppen, doch es gelang ihm nicht. Beide waren zu flink und liefen einfach an ihm vorbei, um im Laden nach seiner Tante zu rufen. Es war so laut, durch das viele Rufen von den Kindern und Vaughns verzweifelten Einsprüchen, dass keiner von ihnen bemerkte, wie die Türklingel erneut ertönte.

Chelsea staunte nicht schlecht über dem Lärmpegel im Laden. Sie sah, wie Vaughn anscheinend versuchte, Charlie und Elisa einzufangen. Spielen sie Fangen, war Chelseas erster Gedanke. Das hätte ich Vaughn gar nicht zugetraut.
 

„Jetzt bleibt doch endlich stehen. Das ist hier kein Spielplatz.“
 

„Solange du Mirabelle vor uns versteckst, bleibt uns eben keine andere Wahl.“, erwiderte Elisa herrisch.
 

„So hört mir dich zu!“ Vaughn verlor allmählich seine Geduld. Sein Ton wurde zunehmend aggressiver.
 

In diesem Moment, in dem er Charlie am Arm packte, er wiederum versuchte, sich aus diesem Griff zu befreien, stieß Elisa Vaughn von der Seite an, wodurch er sein Gleichgeweicht verlor und gegen das Regal zu seiner Linken prallte. Das Regal fing daraufhin bedrohlich an zu wackeln, weswegen es schließlich zur Seite kippte. Der gesamte Inhalt verstreute sich über dem Fußboden. Vaughn lag mittendrin.
 

„Jetzt sieh nur, was du angerichtet hast?“, schimpfte Elisa.
 

„Wer ich? Ihr seid es doch gewesen! Wenn ihr nicht rumgerannt wärt, wäre das gar nicht erst passiert. Was fällt dir eigentlich ein, mich einfach so umzustoßen?“
 

Vaughn brüllte dermaßen auf die Kinder ein, dass diese erschreckt ein paar Schritte von ihm zurück wichen. Als Vaughn sich aufrappeln wollte, spürte er einen Schmerz an seiner linken Schulter. Ein tiefer Kratzer befand sich dort, aus dem es bereits anfing zu bluten. Ein Nagel war nicht richtig ins Holz geschlagen worden. An dem muss er sich während des Falls verletzt haben. Erschrocken rissen die Kinder ihre Augen auf. Sie ahnten Böses.

In diesem Moment trat Chelsea auf die drei zu.
 

„Das sah ja schlimm aus. Geht es euch gut?“ Besorgt beugte sich Chelsea zu Vaughn runter.
 

„Chelsea? Was machst du denn hier?“ Vaughn war mehr als überrascht Chelsea so unvermittelt vor ihm zu sehen. Noch dazu in diesem Chaos.
 

„Ich bin vor einer Minute zur Tür herein, als ich den Lärm hörte. Zuerst dachte ich, dass sei eine Art Spiel, welches ihr hier veranstaltet, aber dem war wohl nicht so. Oh Gott, Vaughn! Du blutest.“
 

„Das geht schon. Es scheint nicht sehr tief zu sein.“
 

„Trotzdem, lass es mich mal ansehen.“
 

„Das musst du nicht. Ich…“
 

Doch Chelsea hatte sich bereits über die Wunde gebeugt und fing vorsichtig an, sie mit einem Taschentuch abzutupfen. Der junge Mann wollte sich gerade von Chelsea wegdrehen, als er die Kinder erblickte. Beide hatten sich aus Angst in die hinterste Ecke zurückgezogen und trauten sich kaum zum Geschehen zu blicken.
 

„Das ist eure Schuld!“ Sofort zuckten Charlie und Elisa bei diesen scharfen Worten zusammen.
 

„Aber Vaughn. Beruhige dich erstmal wieder. Es sind doch Kinder.“
 

„Ob nun Kinder oder nicht. Sie haben sich unmöglich benommen. Sieh nur wie der Laden aussieht.“
 

„Das sehe ich. Zuerst werde ich aber deine Wunde versorgen. Der Kratzer ist ziemlich tief. So leicht hört es nicht auf zu bluten.“
 

„Chelsea, die Kinder haben…“
 

„Jetzt ist aber Schluss, Vaughn!“, fuhr Chelsea ihn bestimmt an, dass er sofort verstummte.

„Wir werden hier schon alles wieder in Ordnung bringen. Überlass die beiden mir. Erstmal brauchen wir einen Verbandskasten.“
 

Vaughn nickte ergeben. So resolut hatte er Chelsea noch nicht erlebt, dass er das unbestimmte Gefühl bekam, ihr lieber Folge zu leisten.
 

„Während ich Vaughn verarzte, geht ihr doch ins Wohnzimmer und wartet dort auf uns, okay?“

Charlie und Elisa gehorchten. Vaughn wunderte sich, wie schnell sie das doch konnten. Bei ihm war das nicht möglich gewesen. Als sie in der Küche waren, um den Verbandskasten zu holen, fragte er Chelsea, wie sie das gemacht hatte.
 

„Das liegt daran, weil sie mich schon länger kennen. Sie vertrauen mir. Ich habe in den letzten Jahren öfter mit ihnen gespielt. Du bist ihnen einfach noch zu fremd. Aber keine Sorge, das wird sich ändern, wenn sie dich erstmal näher kennen.“
 

„Das bezweifle ich. Ich kann mit Kindern nicht viel anfangen. Sie nerven einen nur.“
 

„Hihi. Vielleicht jetzt noch, aber irgendwann gewöhnst du dich dran. Wenn du sie näher kennst, erscheinen sie dir gar nicht mehr so schlimm. Kinder sind eben noch sehr verspielt. Sie können Dinge noch nicht vorausahnen. So und jetzt setzt dich bitte auf einen Stuhl, damit ich mir deine Wunde näher anschauen kann.“
 

Vaughn legte seine Weste ab bevor er sich auf einen Stuhl niederließ.
 

„Ähm…“
 

„Was ist?“, fragte Vaughn.
 

„Du müsstest dein Hemd ebenfalls ausziehen.“ Das braunhaarige Mädchen errötete leicht. Es war ihr unangenehm ihn darum zu bitten.
 

„Oh.“ Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er mit nacktem Oberkörper vor Chelsea sitzen würde. Irgendwie wurde es ihm unbehaglich zumute, aber auch Chelsea schien es nicht anders zu gehen. Da die Wunde an seiner linken Schulter nicht aufhören würde zu bluten, ehe sie behandelt wurde, zog er auch sein weißes Hemd aus.

Chelsea vermied es Vaughn in die Augen zu sehen. Bis auf ihren Bruder oder ihren Vater hatte sie noch nie einen anderen Mann halbnackt gesehen. Sie genierte sich. Verdrängte so gut es ging diesen Gedanken, um Vaughns Wunde zu behandeln. Zum Glück stand sie dabei hinter ihm. Dennoch konnte sie ein warmes Kribbeln in ihrem Bauch nicht ganz unterdrücken. Ihr Herz pochte wie wild. Was waren das nur wieder für Erregungen, die sie in letzter Zeit häufiger in Vaughns Gegenwart empfand? Es beunruhigte sie etwas, da sie diese Art von Gefühl nicht einordnen konnte. Obgleich sie nicht abschreiten konnte, dass sie ihr auf irgendeine Art und Weise gefielen. Sie fühlten sich gut an.
 

Der junge Mann auf dem Stuhl konnte nicht leugnen, dass ihre Hände auf seiner Haut sich unbeschreiblich gut anfühlten. Er spürte, wie sie zart seine Wunde säuberte. Das es brennte, merkte er kaum. Er konzentrierte sich einzig und allein auf ihre Hände, die sich so angenehm auf seiner nackten Haut anfühlten. Sein Herz schlug während dessen Purzelbäume. Hoffentlich bemerkte sie es nicht.
 

„So. Ich bin fertig.“ Hastig räumte Chelsea sämtliche Utensilien zusammen, damit sie Vaughn nicht anschauen musste.
 

Mit leicht errötetem Gesicht erhob sich Vaughn vom Stuhl. Er wollte sich unbewusst das blutverschmierte Hemd wieder überziehen, als es ihm in letzter Sekunde bewusst wurde.
 

„Ich gehe mir dann ein neues Hemd holen.“ Ohne Chelsea anzusehen, verschwand er aus der Küche.

Geistesabwesend schaute Chelsea ihm hinter her.
 

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Während Vaughn sich ein neues Hemd besorgte, ging Chelsea ins Wohnzimmer, um mit den Kindern zu reden, was deren Benehmen im Laden zu bedeuten hatte. Voller Reue erzählten sie ihr, was geschehen war. Chelsea schimpfte zwar nicht, wie Vaughn es getan hatte, erklärte ihnen aber mit Nachdruck, dass sie sich bei Vaughn entschuldigen mussten. Des Weiteren verlangte sie, dass beide beim Aufräumen im Laden behilflich sind. Keiner der beiden erhob Einwände.
 

„Und wenn wir fertig sind, fragen wir Mirabelle, ob sie Kekse im Haus hat, die wir naschen dürfen.“
 

Zugleich waren Charlie und Elisa Feuer und Flamme und freuten sich auf die bevorstehenden Süßigkeiten.
 

Vaughn betrat den Laden und konnte seinen Augen kaum trauen, das sowohl Chelsea als auch die zwei Kleinen dabei waren das Chaos zu beseitigen. Er beobachtete Chelsea, die einfache Anweisungen an die Kinder verteilte und sie diese ohne zu murren ausführten. Offensichtlich hatten sie sogar Spaß. Es gelang ihm einfach nicht, diesen Sinneswandel bei den Kindern nachzuvollziehen. Sie würden ihm auf ewig ein Rätsel bleiben, ebenso wie Chelsea. Obwohl er sie nicht dazu aufgefordert oder um ihre Hilfe gebeten hatte, beteiligte sie sich selbstverständlich daran, die Unordnung mit zu beseitigen.
 

Was sollte mich eigentlich noch an ihr wundern, dachte Vaughn. Sie schafft es immer wieder mich zu überraschen und zu überrumpeln, dass ich keine Ahnung habe, wie ich das auffassen soll. Ich frage mich, was das nur ist, was mich so an ihr fasziniert. Ihr Wesen zieht mich dermaßen in ihren Bann, dass ich mich von Tag zu Tag immer mehr nach ihr sehne. Es ist, als ob ich ohne sie gar nicht mehr leben könnte. Es ist, als ob ich sie bräuchte.

An meiner Seite brauche.
 

Nachdem Vaughn aus seinem Gedankenstrudel wieder erwacht war, eilte er den dreien zur Hilfe. Es überraschte ihn, dass die Kinder, sobald sie ihn sahen, sich bei ihm entschuldigten. Chelsea beobachtete Vaughns verblüfftes Gesicht und konnte nur mit Mühe ein Lachen unterdrücken. Erst da fiel ihr auf, dass Vaughn seinen Hut nicht trug. Wie konnte ihr das solange entgangen sein? Seine silbernen Haare fielen ihm so locker ins Gesicht, nicht wie sonst, so steif durch den Hut.
 

Er sieht gut aus, dachte Chelsea. Zum ersten Mal wird mir bewusst, wie gut Vaughn aussieht. Was ist das nur für ein Gefühl in meiner Brust? Mein Herz schlägt so heftig, als würde es jeden Augenblick explodieren. Was mache ich nur? Wenn ich ihn noch länger ansehe, falle ich wohlmöglich noch in Ohnmacht.
 

Trotz der wirren Gedanken, sowohl bei Chelsea als auch Vaughn, schafften sie es den Laden wieder auf Vordermann zu bringen.

Nachdem Mirabelle wieder zurückgekehrt war, staunte sie nicht schlecht über die Geschichte, die sich in ihrer Abwesenheit ereignet hatte. Selbstverständlich bekamen die Kinder ihre ersehnten Kekse. Vaughn atmete erleichtert auf, als sie endlich den Laden verließen.
 

„Du tust ja gerade so, als wäre es eine Strafe gewesen, die Kinder hier zu haben.“, neckte Chelsea ihn.
 

„Das kannst du laut sagen. Noch einmal mache ich das nicht mit, das garantiere ich dir.“
 

„Hihi.“
 

„Was ist daran so lustig?“
 

„Ach, nichts weiter. Ich werde dann auch gehen. Mein Bruder wundert sich bestimmt schon, was ich solange treibe.“
 

„ Ach so.“
 

„Stimmt etwas nicht?“
 

„Doch, es ist alles in Ordnung. Ich war mit meinen Gedanken nur woanders.“

Verlegen wandte sich Vaughn von ihr ab.
 

„Übrigens, Vaughn?“
 

„Ja?“
 

„Das ist das erste Mal, dass ich dich ohne deinen Hut sehe. So wirkst du gleich viel freundlicher. Außerdem steht es dir.“
 

Ohne eine Reaktion abzuwarten, verließ Chelsea schnell den Laden, nachdem ihr bewusst wurde, was sie gerade zu ihm gesagt hatte. Verdutzt schaute Vaughn die Ladentür an, durch die Chelsea soeben verschwunden war.
 

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Ein langes Kapitel. Ich weiß gar nicht, wie das passieren konnte. Eigentlich war es kürzer geplant, aber was soll´s. Ich bin zufrieden damit. Um auf deren Gefühle einzugehen, musste ich etwas ausschweifen.
 

jane-pride

Mutiger Elliot

12. Mutiger Elliot
 

„So, die Einladungen haben wir alle verschickt. Der Kuchen und so weiter sind bestellt. Ich denke, dass wir an alles gedacht haben, findest du nicht auch, Nathalie?“
 

„Ja. Doch, soweit ist alles erledigt. Ich kann es kaum erwarten, Chelseas überraschtes Gesicht zu sehen.“
 

„Mir geht es genauso.“
 

Mark und Nathalie befanden sich wieder mal an ihrem Lieblingsort an der Göttinnen-Quelle. Zusammen besprachen sie gerade die letzten Vorbereitungen für Chelseas Geburtstag.
 

„Weißt du, Nathalie,“, Mark rückte näher an seine Freundin heran, legte seinen linken Arm um sie und zog sie zu sich.

„Ich hoffe, dass es meiner Schwester gefallen wird, aber ich denke schon.“
 

„Ich denke es auch.“ Zufrieden lehnte sich Nathalie an Marks Schulter und schloss ihre Augen.
 

„Da ist noch was.“, sprach Mark nach einiger Zeit weiter.

„Was denn?“
 

Der junge Farmer hauchte Nathalie einen sanften Kuss auf die Stirn. Seine rechte Hand streichelte dabei ihr Gesicht. Das pinkhaarige Mädchen errötete leicht und genoss die zarten Berührungen. Voller Liebe blickte sie zu ihm auf.
 

„Ich liebe dich.“, antwortete Mark.
 

Nach diesen drei Worten beugte sich Mark zu seiner Angebeteten runter und küsste sie zärtlich auf ihren Mund. Nathalie erwiderte ihn. Beide genossen den Gefühlstaumel, der sie in diesem Moment umfing. Ihre Lippen waren einst. Es sah nicht danach aus, als würden sie sich so schnell wieder lösen wollen.
 

„Mmh, Mark.“ Langsam endete ihr Kuss.
 

„Ja?“
 

„Ich…äh…weißt du, ich…“
 

„Ist schon gut, Nathalie.“ Mit beiden Armen umschlang er das junge Mädchen.

„Du brauchst es mir nicht zu sagen.“
 

„Sicher? Ich habe Angst, dass…“

Für einen kurzen Moment war Nathalie den Tränen nahe.
 

„Aber wovor denn?“, fragte Mark und drückte Nathalie nur noch näher zu sich heran.
 

„Ich weiß es nicht.“, antwortete Nathalie nach kurzem Zögern.

„Ich will dich nicht verlieren.“
 

„Das wirst du auch nicht. Mach dir darüber keine Gedanken. Du bist hier und das genügt mir, wirklich. Ich könnte gar nicht glücklicher sein. Ich werde immer für dich da sein. Ganz bestimmt.“
 

„Oh, Mark.“

Nun liefen Nathalie doch einzelne Tränen über ihr Gesicht. Behutsam küsste Mark sie weg, bevor er erneut seine Lippen auf ihre legte.
 

<>
 

Zerstreut lief Elliot bereits seit einer Stunde in seinem Zimmer auf und ab. Seit einigen Tagen hatte er sich bereits vorgenommen, Julia um ein Date zu bitten. Allerdings hatte er sich noch nicht getraut, sie danach zu fragen. Obwohl er sie so gut wie jeden Tag traf, konnte er sich nicht dazu durchringen, wenn er unmittelbar vor ihr stand. Sein Kopf setzte dann regelrecht aus. Er fängt dann an, zusammenhangslose Sätze zu labbern, die gleichzeitig stotternd vorgetragen worden. Was mag bloß Julia von ihm denken? Schon mehrere Male hatte sich Elliot diese Frage gestellt. Jedes Mal war er sich ziemlich sicher, dass sie ihn nicht für ernst halten konnte. Warum sollte sich auch ein Mädchen, wie Julia für ihn interessieren? Sie hatte etwas Besseres verdient. Julia ist kultiviert, gebildet, liebevoll und unglaublich freundlich. Zudem ist sie reizend, anmutig…ein Abbild einer Göttin.

Resigniert ließ sich Elliot mit der Stirn gegen die Wand fallen und bejammerte seinen bemitleidenswerten Charakter, der gar nicht mit Julias mithalten konnte. So jemand wie er, passte nicht im Geringsten zu einer Frau wie Julia. Seine Tollpatschigkeit stellte ihn immer wieder in einem schlechten Licht dar. Wie konnte Julia überhaupt noch mit ihm sprechen? Sein Antlitz war der eines Versagers. Noch dazu besaß er so gut wie keinen Mut. Bei einer Prügelei hatte er sich noch nie in seinem Leben beteiligt oder jemanden klipp und klar seine Meinung gesagt.

Elliot war sich ganz sicher, er war und blieb ein hoffnungsloser Fall, der nie mit einer Frau, schon gar nicht mit Julia, ausgehen würde.
 

In trübsinnigen Gedanken versunken, merkte er nicht, wie jemand an seine Zimmertür klopfte. Auch als sie aufgestoßen wurde, bekam er es nicht mit.
 

„Was tust du denn da?“
 

Nathalie war in sein Zimmer getreten und blickte ihren Bruder verwundert an. Er wiederum erschrak so sehr, dass er über seine eigenen Beine stolperte und nach hinten fiel.
 

„Au!“
 

„Du meine Güte. Du bist echt nicht zu retten. Komm ich helf dir hoch.“
 

„Wie??? Du willst mir aufhelfen?“
 

„Jetzt tu mal nicht so. Ich kann dich auch an Ort und Stelle liegen lassen, wenn dir das lieber ist.“
 

„Nein, nein. Danke, Schwester. Ich bin nur gerade ziemlich ratlos und durcheinander.“
 

„Weswegen denn?“
 

„Willst du das wirklich wissen?“
 

„Sonst hätte ich nicht gefragt.“
 

Elliot wunderte sich über das Verhalten seiner jüngeren Schwester. Normalerweise zeigte sie wenig Anteilnahme ihm gegenüber. Doch in letzter Zeit war ihm schon aufgefallen, dass Nathalie sich anders verhielt. Sie war deutlich weniger aufbrausend, lachte oft und schimpfte so gut wie gar nicht mehr mit ihm. Trotzdem, konnte er sich ihr anvertrauen? Konnte er seine Schwester um Rat fragen? Warum eigentlich nicht, dachte er, immerhin ist sie ja auch ein Mädchen.

„Okay, es geht um Julia.“
 

„Was ist mit ihr? Ist sie krank?“
 

„Nein, das nicht. Es geht darum, dass ich sie etwas fragen möchte. Allerdings traue ich mich nicht.“
 

„Wundert mich gar nicht bei dir, Bruderherz. Du warst nie sonderlich mutig.“
 

„Ich fühle mich schon elend genug, würdest du bitte damit aufhören?“
 

„Tut mir Leid. Was möchtest du sie denn fragen?“
 

„Du machst mir gerade Angst, Nathalie. Ich glaube, das ist das erste Mal, dass du dich bei mir entschuldigst. Geht es dir denn gut?“
 

„Na, hör mal.“ Nathalie stemmte ihre Hände in die Hüpften und errötete leicht.

„Selbstverständlich geht es mir gut. Ich benehme mich momentan ein wenig anders, ist das so schlimm? Wenn es dir lieber ist, dass ich dich wieder jeden Tag piesacke, sag nur bescheid, das lässt sich einrichten.“
 

„Bloß nicht! Ich habe nichts gesagt.“
 

„Gut. Und? Wo ist jetzt dein Problem?“
 

„Ich möchte so gerne mit Julia ausgehen.“

Erstaunt riss Nathalie die Augen auf.
 

„Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass sie jemals mit mir ausgehen würde. Julia ist so anders. Sie verdient jemand besseren als mich.“

Schwermütig seufzte Elliot.
 

„Das ist wohl völliger Quatsch!“

Aufplusternd stellte sich Nathalie vor ihren älteren Bruder und sah ihn scharf an. Erschrocken trat Elliot einen Schritt zurück.
 

„Woher kannst du es wissen, ob sie nicht mit dir ausgehen würde, wenn du sie nicht endlich fragst? Woher willst du wissen, wie sie dich sieht? Mach dich nicht ständig kleiner als du bist, Bruder. Fass dir endlich ein Herz und frag sie. Schließlich wirst du nie Gewissheit haben, wenn du dich nicht traust. Außerdem geschieht jeden Tag soviel Unerwartetes, dass das Unmögliche doch auch möglich ist.“
 

Bei ihren Letzten Worten wanderten Nathalies Gedanken zu Mark. Sie konnte noch merklich den Kuss auf ihren Lippen fühlen, den er ihr vor einer Stunde gegeben hatte. Vor einiger Zeit hätte sie es nie für möglich gehalten, dass ihr ein solches Glück widerfahren würde.
 

Woran sie wohl denkt, fragte sich Elliot. Sie muss etwas Tolles erlebt haben, sonst hätte sie das bestimmt nicht gesagt. Sie sieht so glücklich aus. Das habe ich selten an ihr gesehen.
 

„Du hast recht.“, erwiderte Elliot nach kurzem Überlegen. „Es wird Zeit, dass ich mutiger werde. Ich kann nicht ewig so weitermachen. Noch heute werde ich Julia fragen. Am Besten gehe ich sofort zu ihr rüber.“
 

„Das ist eine positive Einstellung, Bruder. Ein Versuch schadet nicht. Ich bin mir sicher, dass du die Antwort bekommen wirst, die du auch hören willst.“
 

<>
 

Wo ist nur der verdammte Elan hin, den Elliot vor ein paar Minuten gepackt hatte? Er war schnurstracks, nach seinem Gespräch mit Nathalie, zum Tierladen nebenan gegangen, um Julia nun endlich zu fragen, doch jetzt bekam er nicht seinen Arm hoch, um die Türklinke zu drücken.

Na, komm schon Elliot, versuchte er sich neuen Mut zu machen. Just in diesem Moment, indem er die Klinke runter drücken wollte, flog die Tür mit einem Mal auf und knallte ihm ins Gesicht. Seine Brille verrutschte dabei und er spürte einen ziehenden Schmerz in seiner Nase.
 

„Was? Elliot bist du das? Was stehst du vor der Tür? Einen Moment, ich helfe dir hoch.“
 

„D-danke, Vaughn.“
 

„Es tut mir Leid, ich habe nicht damit gerechnet, dass jemand vor der Tür steht.“
 

„Schon gut, ist nicht deine Schuld. Ist Julia da? Ich wollte eigentlich zu ihr.“
 

„Sie ist hinten im Laden. Komm rein, ich hol sie. Wie geht es deiner Nase?“
 

„Das wird schon, hoffe ich.“
 

Julia, die mitbekommen hatte, dass an der Ladentür, was los war, trat bereits auf die zwei zu.
 

„Hallo, Elliot. Was ist denn passiert? Warum hältst du dir die Hände aufs Gesicht?“
 

„Oh! J-j-julia! H-Hallo. I-ich wollte k-kurz dich-b-besuchen.”

Stotternd versuchte Elliot seine Haltung zu bewahren, was ihm nur schwer gelang.
 

„Ich habe ihm aus Versehen die Tür auf die Nase geknallt, als ich gerade gehen wollte.“
 

„Oh! Geht es dir gut, Elliot?“

Besorgt näherte sich Julia Elliot. „Kann ich etwas für dich tun?“
 

„Ach was. N-nur keine Um-umstände.“
 

„Nein, Elliot. Ich sehe doch, dass nicht alles in Ordnung. Komm mit in die Küche. Dort gebe ich dir einen Beutel Eis, damit du deine Nase kühlen kannst.“
 

„D-danke.“
 

Julia und Elliot machten sich auf dem Weg in die Küche. Vaughn dagegen verschwand, nachdem er festgestellt hatte, dass er nicht mehr gebraucht wurde.
 

„Geht es dir schon besser?“
 

„Ja. D-danke, Julia. Die K-kühle tut echt gut.“
 

„Das freut mich.“
 

Schweigend saßen sich die zwei gegenüber. Durch diesen Zwischenfall wusste Elliot jetzt nicht, wie er Julia noch fragen sollte. Mit dem Kühlbeutel auf der Nase sah er nicht gerade männlich aus. Er ahnte schon, dass er seine Julia wieder nicht fragen könnte.
 

„Du, Elliot?“
 

Zusammenfahrend fuhr Elliot hoch. Er hatte fast vergessen, wo er sich befand.

„Ja?“
 

„Was ist denn der Grund für deinen Besuch? Du hast vorhin gesagt, dass du zu mir wolltest.“
 

„D-das stimmt.“
 

Herrje, wie konnte er sie jetzt nach einem Date fragen? Seine Nase schmerzte und sein Mut schien mal wieder zu verfliegen. Was hatte Nathalie nochmal gesagt?
 

„Mach dich nicht ständig kleiner als du bist, Bruder. Fass dir endlich ein Herz und frag sie. Schließlich wirst du nie Gewissheit haben, wenn du dich nicht traust. Außerdem geschieht jeden Tag soviel Unerwartetes, dass das Unmögliche doch auch möglich ist.“
 

Genau! Das hatte sie gesagt.
 

„Nun, e-es ist so, Julia. S-seit einiger Z-zeit wollte i-ich dich d-das schon fragen.“
 

Reiß dich zusammen, Elliot! Julia kennt dich, sie wird dir nicht den Kopf abreißen.
 

„Also, was ich fragen wollte…H-hättest du v-vielleicht Lust, m-mal mit mir…auszugehen?“

Das letzte Wort kam fast flüsternd über seine Lippen, dennoch hatte Julia ihn verschwanden.

Ihr Gesicht verfärbte sich leicht. Wie lange schon, hatte sie auf eine Initiative von ihm gewartet. Endlich, endlich fragte er sie.
 

„Ist das dein ernst? Du willst wirklich mit mir ausgehen?“fragte Julia schüchtern.
 

„Du musst nicht, w-wenn du nicht willst. Ich kann es auch verstehen.“
 

„Ja.“
 

„Wie?“
 

„Ja.“
 

„Ja? Du meinst…“
 

„Ja, Elliot. Ich würde furchtbar gern mit dir ausgehen.“
 

In diesem Moment vergaß Elliot, dass er einen Eisbeutel auf der Nase hatte. Sein Gesicht lief rot an und er strahlte übers ganze Gesicht. Sein Herz hörte gar nicht mehr auf wild um sich zu schlagen. Ein Feuerwerk explodierte irgendwo in ihm. Konnte es wirklich wahr sein? Hatte seine Julia ernsthaft „Ja“ gesagt?
 

Auch Julias Herz vollführte gerade einen Freudentanz. Sie konnte es noch nicht ganz begreifen, dass Elliot sie um ein Date gebeten hatte. Seit längerem wusste sie schon, welche Gefühle sie für ihn hegte, hatte sich aber nicht getraut, ihm diese zu offenbaren.
 

Mein lieber Elliot, dachte Julia. Endlich hast du mich gefragt. Ich habe schon befürchtet, dass du mich für oberflächlich hältst, aber anscheinend… Ich bin so überaus glücklich, das kannst du dir gar nicht vorstellen.
 

Viel sprach das angehende junge Paar nicht mehr miteinander, was allerdings nicht nötig war. Sie verabredeten sich für kommenden Freitagabend, einen Tag vor Chelseas Geburtstag.
 

<>
 

„Was??? Sag das nochmal, Julia!“
 

Am Abend rief Julia bei ihrer besten Freundin, Chelsea, an und überbrachte ihr die sensationelle Neuigkeit.
 

„Es ist wahr, glaub mir. Elliot und ich haben übermorgen ein Date. Ich kann es selbst kaum glauben.“
 

„Das ist wirklich eine Sensation. Ich hätte nie gedacht, dass Elliot sobald den Mut aufbringen würde, sich dir zu offenbaren.“
 

„Jetzt überstürze nichts. Es wird nur ein Abendessen, bei Pierre im Restaurant. Mehr nicht.“
 

„Ach, Julia. Sei nicht so zurückhaltend. Ich bin mir sicher, dass ihr zwei einen tollen Abend miteinander verbringen werdet.“
 

„Ja, das hoffe ich auch.“
 

„Ganz bestimmt. Ich beneide dich.“
 

„Wie? Warum das denn?“
 

„Mich hat noch nie einer zum Essen eingeladen. Versteh mich jetzt nicht falsch: Von Elliot möchte ich nichts, er gehört allein dir. Manchmal wünsche ich mir nur, dass mir sowas auch passieren würde. Ich schätze…ich bin einfach nicht attraktiv genug.“
 

„Aber wie kommst du denn darauf?“, empörte sich Julia.

„Chelsea, hör mir ganz genau zu! Du bist ein freundliches, liebevolles, wunderbares und hübsches Mädchen. Wer das nicht erkennen kann, hat keine Augen im Kopf. Außerdem bemerken dich schon einige, du musst nur genauer hinsehen.“
 

„Das klingt, als hättest du jemand Bestimmten in Verdacht. Wen denn?“
 

„Chelsea, tut mir Leid, aber das musst du selber rausfinden. Ich kann dir nur sagen, wenn mich mein Gefühl nicht täuscht, dass er ganz in deiner Nähe ist. Außerdem, hegst du denn nicht für jemanden ebenfalls Gefühle?“
 

„Was? Ich…ich weiß nicht. Für wen denn auch.“
 

„Du weißt es ganz genau. Du musst genauer auf dein Herz hören.“
 

Julia seufzte, nachdem sie das Telefonat mit Chelsea beendet hatte. Wie konnte man nur so blind sein, fragte sie sich. Andererseits, sie selber hatte ebenfalls nicht sofort bemerkt, dass sie in Elliot verliebt war. Wahrscheinlich war das bei jedem so. Sie hoffte nur, dass sie Chelsea ein wenig auf die Sprünge gebracht hatte.

Sie hatte von dem Vorfall erfahren, der sich neulich im Tierladen ereignet hatte und das ihr Cousin von Chelsea behandelt werden musste. Sie war so gerührt gewesen. Chelsea hatte es tatsächlich geschafft, ohne das sie es einmal bemerkt hatte, sich Vaughn zu nähern. Von Tag zu Tag verhielt er sich offener, was auf den positiven Einfluss von ihr zurückzuführen war. Zusätzlich war Vaughn häufiger in Gedanken, was für Julia darauf schließen ließ, dass er an Chelsea dachte.

Etwas Anderes konnte sie sich gar nicht vorstellen. Julia war sich ziemlich sicher, dass Vaughn in Chelsea verliebt ist. Beide mussten es nur noch herausfinden.

Unerwartete Worte und ein Date

13. Unerwartete Worte und eine Date
 

Seit ihrem Telefonat mit Julia, konnte Chelsea an nichts anderes mehr denken. Was wollte ihr, ihre Freundin nur zu verstehen geben? Sie wusste es nicht. Konnte es denn wirklich sein, dass es zu Zeit jemanden gab, der in Chelsea verliebt war? Ihr selber war nichts dergleichen aufgefallen.

Außerdem war sie immer noch durcheinander, was ihre Gefühle für Vaughn anging. Seitdem Tag, an dem Vaughn sie in die Arme geschlossen hatte (ohne Vorwarnung), war sie verwirrt und teilweise unsicher, wenn sie ihm gegenüber stand. Zusätzlich konnte sie sein trauriges Gesicht, welches er von Zeit zu Zeit aufsetzte, nicht verdrängen.

Was ging in diesem jungen Mann nur vor?

An einem Tag ist er distanziert, an einem anderen überrumpelt er sie einfach mit merkwürdigen Fragen. Konnte es tatsächlich möglich sein, dass er auf Pierre eifersüchtig gewesen war, als sie mit ihm zusammen gekocht hatte?

Vaughn war so undurchdringlich. Es war kaum einen Versuch wert ihn zu verstehen. Dennoch musste Chelsea ziemlich oft an ihn denken. Sie dachte an ihn, wenn sie arbeitete, wenn sie kochte, das Haus putzte, ausritt, spazieren ging, wenn sie abends ins Bett fiel.

Sie hätte so gerne mit ihrem Bruder über all das gesprochen, doch auch er verhielt sich momentan eigenartig. Nachdem er seine Arbeit erledigt hatte, verschwand er sofort, ohne Bescheid zu sagen, wohin. Merkwürdig. Was bei ihm wohl los war?

Somit blieb Chelsea allein mit ihren Gedanken und Gefühlen. Zwar hatte sie überlegt ihre Mutter anzurufen, ob sie einen Rat wüsste, ließ es aber lieber bleiben. Nur all zu gut kannte sie ihren Vater. Trotz mehrerer Einwände würde er unverzüglich auf die Sonnenschein-Insel fahren und sie besuchen. Nichts könnte ihn davon abbringen, wenn es nur den leisesten Verdacht gab, dass mit seiner Tochter etwas nicht in Ordnung war. Nein, Chelsea wollte ihre Eltern nicht damit belasten. Sie musste wohl oder übel alleine damit fertig werden.

Die Frage war nur, wie?
 

<>
 

Julia war bereits ziemlich aufgeregt. Heute war Freitag, der Tag an dem sie und Elliot ein Date hatten. Vor zwei Tagen hatte er sie zum Abendessen in Pierres Restaurant eingeladen. Ihre Aufregung stieg den gesamten Tag über stetig an. Ihrer Mutter blieb dies nicht verborgen.
 

„Jetzt beruhige dich ein wenig, Julia. Ich kann ja verstehen, dass du aufgeregt bist, aber die Arbeit darf darunter auch nicht leiden.“
 

„Ach, Mutter. Was soll ich denn dagegen tun? Arbeit hin oder her. Ich kann es kaum erwarten. Mein Herz schlägt Purzelbäume.“
 

„Das sehe ich dir an. Oh, Vaughn, gut das du kommst. Dann kann ich dich gleich, um einen Gefallen bitten. Bist du mit deiner Arbeit schon fertig?“
 

„Ja, gerade eben. Worum geht es denn?“
 

„Da meine Tochter heute zu nicht viel in der Lage ist, da ihre Gedanken bei ihrem heutigen Date sind, möchte ich dich gerne bitten zur Starry Sky-Ranch zu gehen und ein Huhn abzuholen.“
 

Vaughn zögerte kurz, ehe er antwortete: „Kein Problem. Habe ich richtig verstanden, du hast eine Verabredung?“
 

„Ja.“ Julia errötete.
 

„Mit wem denn?“

„Oh, mit Elliot. Wir gehen heute Abend zusammen aus.“
 

„Was? Mit Elliot? Er kann sich doch kaum auf seinen zwei Beinen halten.“
 

„Jetzt sei nicht so gemein. Er mag zwar etwas ungeschickt sein, ist aber ein unglaublich lieber Kerl. Ich lasse es nicht zu, dass du so abfällig über ihn sprichst.“
 

„Entschuldige.“
 

Du meine Güte, dachte Vaughn. Dieser Elliot muss es Julia aber angetan haben.
 

„Dann mach ich mich am Besten sofort auf den Weg. Ich nehme den Anhänger mit.“
 

„Tu das. Bis später.“, rief ihm noch Mirabelle hinterher. Julia hatte sich dagegen von ihm abgewandt und beschloss ihn für heute nicht weiter zu beachten.
 

<>
 

Vaughn kam schnell bei der Starry Sky-Ranch an. Ihm war etwas ungemütlich zumute, möglicherweise auf Chelsea zu treffen. Sein letztes Zusammentreffen mit ihr, war noch nicht all zu lange her. Zudem konnte er sich noch haargenau daran erinnern. Obwohl ihm so unbehaglich war, freute er sich auch gleichzeitig das braunhaarige Mädchen wiederzusehen. Ansonsten hätte er sie frühestens morgen wieder gesehen, an ihrem Geburtstag, zudem er eingeladen wurde. Verdammt, ihr Geburtstag, dachte Vaughn. Soll ich ihr ein Geschenk mitbringen? Aber was könnte ich ihr schenken? Bisher hatte ich noch nie einem Mädchen was geschenkt. Erwartete sie es überhaupt? Vaughn seufzte. Daran hatte er bis eben nicht gedacht. Er war, wie so oft, mit seinen Gefühlen um sie beschäftigt gewesen, als an sowas zu denken.

Der junge Mann durchritt mit Beauty (der Stute) das Tor zur Ranch, als er zugleich Chelsea auf einem der Felder entdeckte. Auf der Stelle schlug ihm das Herz bis zum Hals.

Das junge Mädchen blickte sofort auf, als der Wagen näher kam. Als sie Vaughn erkannte setzte ihr Herz für einen Moment aus, aber sie fing sich schnell wieder.
 

„Hallo, Chelsea.“, begrüßte der junge Mann sie und stieg von dem Pferd ab.

„Ich bin gekommen, um eines eurer Hühner abzuholen.“
 

„Hallo, Vaughn. Stimmt ja, wir hatten eines von ihnen verkauft. Ich bin überrascht dich so schnell wieder zu sehen. Wie geht es deiner Schulter?“
 

„Alles wieder in Ordnung.“ Vaughns Gesicht verfärbte sich leicht, als er an diese Situation zurück dachte, in der Chelsea seine Wunde behandelt hatte. Er konnte sich noch genau an ihre Hände erinnern, die ihn sanft berührt hatten, während er halbnackt vor ihr gesessen hatte.

Chelsea musste ebenfalls kurz daran denken, denn auch ihre Gesichtsfärbe änderte sich.
 

„Dann holen wir am Besten das Huhn.“, sagte Chelsea.
 

„Wie? Ach so, ja. Einverstanden.“
 

Nebeneinander gehend machten sie sich auf dem Weg zum Hühnerstall.
 

„Sag mal, Vaughn. Kann es sein das…,“ , das junge Mädchen brach mitten im Satz ab. Was dachte sie sich überhaupt? Sie kann ihn wohl schlecht fragen, ob er in jemanden verliebt ist. Noch dazu in sie. Das war undenkbar. Woran hatte sie mal wieder gedacht? So etwas fragte man nicht.

„Was denn?“, fragte Vaughn nach kurzem Zögern.
 

„Wie?“ Chelsea erwachte aus ihren wirren Gedanken. „Ach, nichts. Vergiss es wieder. Es war nicht so wichtig.“
 

Verstohlen sah Vaughn Chelsea von der Seite an. Sie ist irgendwie anders heute, dachte Vaughn. Normalerweise redete sie immer munter drauflos, aber heute… Kann es sein das…? Sie benahm sich ähnlich wie Julia. Moment mal! Ist es möglich das…?

Abrupt blieb Vaughn stehe, packte Chelsea an den Schultern und drehte sie zu sich um. Das braunhaarige Mädchen erschrak.
 

„Chelsea! Du… Hast du etwa…Hast du etwa eine Verabredung?“
 

„Wie? Wie kommst du darauf?“ Chelsea war sichtlich verwirrt. Zugleich klopfte ihr Herz dermaßen, so nahe an Vaughns Gesicht zu sein, der sie eindringlich musterte.
 

„Hast du nun eine oder nicht?“ fragte Vaughn energischer nach.
 

„Äh…Nein.“
 

Sofort beruhigte sich der junge Mann wieder. Ein Stein fiel ihm von Herzen. Für einen Moment hatte er den Verdacht gehegt, dass sie mit Pierre verabredet sein könnte. Eine unmögliche Vorstellung für ihn.
 

„Dann ist ja alles gut.“
 

Eine Weile blieben sie noch so stehen, ohne das Vaughn seine Hände von ihren Schultern nahm.
 

„Ähm, Vaughn? Du kannst mich wieder loslassen.“
 

„Wie?“
 

Umgehend zog Vaughn seine Hände zurück. Er hatte vergessen, dass er sie in Panik gepackt hatte.
 

Aber warum, fragte er sich. Warum bringt sie mich nur so durcheinander und lässt mich die unmöglichen Sachen tun? Ich hätte nicht herkommen sollen. In ihrer Nähe läuft alles irgendwie anders als normal.
 

Auch Chelsea wusste nicht, was sie sagen sollte. Von der plötzlichen Berührung war sie so überrascht gewesen, dass sie gar nicht klar denken konnte. Noch dazu war es ihr ein Rätsel, was diese merkwürdige Frage von ihm sollte.
 

Wie kam er nur darauf, dass ich ein Date haben sollte? Und warum war er deswegen so erschrocken? Ich verstehe ihn einfach nicht. Und was war nur los mit mir? Seine Nähe überfordert mich.
 

Beide sprachen kein Wort miteinander, während sie sich dem Hühnerstall näherten.
 

„Warte hier. Ich hole das Huhn.“ Ohne Vaughn anzusehen, trat Chelsea zu den Hühnern.

Vaughn blieb an der Tür zurück. Verträumt blickte er ihr nach. Wie konnte er sein Verhalten von eben nur erklären? Was sollte sie jetzt von ihm halten?

Weiter kam er mit seinen Gedanken nicht, da trat Chelsea mit dem besagten Huhn im Arm auf ihn zu.
 

„Hier ist sie.“
 

„Danke.“
 

Vorsichtig nahm Vaughn ihr das Huhn ab, wobei sich für einen kurzen Moment ihre Hände berührten. Unwillkürlich zuckten beide zusammen.
 

„Am Besten lade ich sie gleich auf.“ Chelsea nickte nur und lief schweigend neben ihm her.
 

Nachdem er das Huhn verstaut hatte, drehte er sich nochmal zu Chelsea um, wobei es ihm unangenehm war, ihr in die Augen zu schauen.
 

„Chelsea, ich…wegen vorhin,“ , versuchte Vaughn einen plausiblen Erklärungsversuch. Horchend sah das schüchterne Mädchen zu ihm auf.
 

„Ich wollte dich nicht erschrecken oder dergleichen. Ich hatte nur befürchtet, dass du…dass du…“ Vaughn brach ab. Was sollte er ihr denn sagen? Er wusste selber nicht einmal so genau, was da in ihn gefahren war.
 

„Ist alles okay, Vaughn?“ , harkte Chelsea vorsichtig nach.
 

Schon wieder macht sie sich Sorgen um mich, dachte Vaughn. Ich versuche ihr etwas zu erklären und sie denkt, mit mir stimmt was nicht. Wie kann sie mich nur derart durcheinander bringen? Was bedeutet sie mir eigentlich?
 

„Chelsea, ich will natürlich unter keinen Umständen vorschreiben mit wem du dich zu treffen hast und mit wem nicht. Ich war nur für einen Moment erschrocken, dass es …Was ich sagen will, ist, dass ich dich wahnsinnig gern hab und ich mir manchmal Sorgen um dich mache.“

Vaughns Gesicht nahm die Farbe einer überreifen Tomate an, so peinlich war ihm das, was er soeben ausgesprochen hatte.

Chelsea dagegen hatte kurzzeitig das Gefühl sich verhört zu haben. Hatte sie ihn richtig verstanden? Plötzlich füllten sich ihre Augen mit Tränen. Sie hätte es nie für möglich gehalten so etwas Schönes von Vaughn zu hören. Ohne weiter darüber nachzudenken, schlang sie ihre Arme um ihn und ließ ihr Gesicht auf seine Brust fallen.

Er wiederum, konnte gar nicht so schnell schalten, was gerade geschah und ließ die Umarmung zu. Noch dazu fühlte er eine unglaubliche Wärme in sich aufsteigen. Das junge Mädchen so nah an sich zu fühlen, raubte ihm kurzzeitig den Atem.

Als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, schlang er ebenfalls seine Arme um sie und atmete ihren wunderbar, herrlichen Duft ein.
 

<>
 

Aufgeregt und zappelig, wie Elliot eben war, saß er im Restaurant seiner Angebeteten gegenüber und war nicht fähig ein vernünftiges Wort herauszubekommen. Wie sie den Weg hierher geschafft hatten, wusste er schon gar nicht mehr. Er hatte die ganze Zeit, nur Augen für seine Julia gehabt, die in diesem Moment so wunderschön vor ihm saß.
 

Wie kann man nur so schön aussehen und gleichzeitig so vollkommen sein, fragte sich Elliot. Sie ist wie ein Engel. Ein schöneres und liebevolleres Wesen gibt es nicht.
 

„Und? Wie war dein Tag so bisher gewesen?“, fragte Julia, nachdem sie ihre Bestellung aufgegeben hatten.
 

„G-Gut.“ Elliot verschluckte sich fast an seinem Schluck Wasser, den er gerade nahm.

„Viel Arbeit gab es heute, aber wir sind ganz gut fertig geworden.“

„Das ist schön. Bei uns war auch viel los. Aber es macht nach wie vor richtig viel Spaß. Wenn ich die Tiere nicht hätte, wüsste ich manchmal gar nicht, was ich machen sollte.“
 

„Du hast eure Tiere ziemlich gern, nicht wahr?“
 

„Und wie! Ich finde, dass es einfach wunderbare Geschöpfe neben uns Menschen sind. Noch dazu bereiten sie dir viel Freude, wenn man gut mit ihnen umgeht. Sie sind dann so dankbar und lassen dich das dann auch spüren. Etwas Besseres gibt es dann nicht.“
 

„Du kannst stolz auf dich sein.“
 

„Wie, wie meinst du das?“
 

„Du hast einen Beruf gefunden, der dir gefällt und den du mit viel Hingabe ausübst. Nicht alle können von soviel Glück reden.“
 

„Du redest jetzt aber nicht von dir, oder?“
 

„Wie? Ach, nein, nein. So habe ich das nicht gemeint. Es ist nur so, dass ich manchmal das Gefühl habe, dass ich wohlmöglich gar nichts perfekt könnte. Du kennst mich ja, ich bin nicht gerade der Geschickteste.“
 

„Aber, Elliot, das ist doch überhaupt nicht schlimm. Keiner von uns ist perfekt. Ich bezweifle, dass ich es bin. Außerdem finde ich, dass es zu dir passt. Du gehst unwahrscheinlich gut damit um, dass dir eben ab und zu ein Missgeschick passiert. Und so schlimm ist es wirklich nicht. Du bist ein freundlicher und offener Mensch. Darauf kannst du stolz sein.“
 

„D-danke.“ Elliot errötete vor Scham. Das er sowas von Julia zu hören kriegt, hätte er nie für möglich gehalten. Es kam so unerwartet, dass er gar nicht wusste, wie er passend darauf reagieren sollte. In diesem Moment schwebte der junge Mann im siebten Himmel.
 

„Da ist noch was, Elliot.“
 

„Was denn, Julia?“
 

„Ich bin wahnsinnig froh, dass du mich gefragt hast, ob wir zusammen ausgehen. Ich muss geschehen, dass ich das seit langem gewünscht hab.“
 

„T-Tatsächlich? Ich habe immer gedacht, dass du…dass du mich für einen Trottel hältst, weil ich eben nicht so bin, wie wahrscheinlich ein Mann sein sollte. Ich habe viele Fehler, Julia. Ich hatte große Angst, dass du mich nicht wahrnehmen würdest.“
 

„So ein Unsinn, Elliot. Du bist in Ordnung so, wie du bist. Zumal ich die Befürchtung hatte, dass du mich für viel zu oberflächlich halten könntest.“
 

„Du und oberflächlich? Niemals! Ich finde dich absolut wunderbar.“
 

„Wirklich, Elliot?“ Nun verfärbte sich auch Julias Gesicht.
 

„Aber sicher.“

Elliots normale Gesichtsfarbe war kaum noch zu erkennen. Seine Gefühle für Julia explodierten geradezu. Unzählige Schmetterlinge flatterten in seinem Bauch, wobei es Julia nicht anders erging. Eine solche Ehrlichkeit hätte sie niemals erwartet. Sie war unsagbar froh und glücklich, dass ihre Gefühle nur schwer in Worte zu fassen waren.
 

Das junge Paar genoss ihren gemeinsamen Abend. Sie bekamen kaum etwas von ihrer Umgebung mit. Für beide zählte nur der jeweilig andere.
 

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Sobald sie ihr Abendessen beendet hatten, machten sie sich langsam auf den Heimweg. Dabei griff Elliot zögernd nach Julias Hand, die wiederum vorsichtig den Griff erwiderte. Es war schwierig zu erkennen, wer von den beiden in diesem Moment glücklicher war. Sie hatten sich einander soviel gesagt, was ihnen bereits solange auf der Seele gelegen hatte, dass es beide erstmal begreifen mussten. Gleichzeitig fühlten sie, dass sich ihre Beziehung zueinander geändert hatte. So vieles war heute Abend geschehen, dass vor einigen Tagen noch niemand erahnen konnte.
 

An Julias Haustür blieben die zwei stehen. Keiner von ihnen traute sich, sich zuerst zu verabschieden.
 

„Also, Julia…“, setzte Elliot langsam an.

„Ich wünsche dir eine gute Nacht. Es war ein toller Abend gewesen.“
 

„Für mich auch, Elliot. Gehen wir morgen gemeinsam zu Chelseas Geburtstag?“
 

„Ja, natürlich. Ich werde dich abholen.“
 

„Ich freue mich schon darauf.“
 

Julia trat einen Schritt auf Elliot zu. Langsam hob sie ihren Kopf an, vor Glück waren ihre Wangen nach wie vor gerötet, und hauchte Elliot einen sanften Kuss auf die Wange.
 

„Dir auch eine gute Nacht.“
 

Mit diesen Worten drehte sich das junge Mädchen um und ging ins Haus.

Elliot blieb noch eine Weile perplex an Ort und Stelle stehen und starrte wie gebannt die Haustür an, die sich soeben vor ihm geschlossen hatte. Allmählich erhob sich seine rechte Hand, mit der er die Stelle berührte, an der Julia ihn geküsst hatte. Plötzlich entfuhr Elliot ein Freudenschrei, der weit in die Nacht zu hören war.
 

Julia lächelte hinter der Haustür, an der sie sich gelehnt hatte.
 

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Zum ersten Mal nach Tagen schlief Chelsea zufrieden in ihrem Bett ein. Die Worte, die Vaughn an sie gerichtet hatte, hatten sie Zeit und Raum an diesem Nachmittag vergessen lassen. Wie sie in seine Arme geriet, wusste sie nicht mehr, aber es war ein unglaubliches Gefühl gewesen, ihm so nahe gewesen zu sein. Sanft hatte er sie an sich gedrückt. Sie konnte ganz deutlich seinen Herzschlag fühlen, als sie ihm so nah war. Gleichzeitig war ihr Herz ebenfalls nicht unter Kontrolle zu kriegen. Pausenlos pochte es wie wild und schien nicht mehr aufhören zu wollen. Dieses angenehme Gefühl breitete sich wie eine warme Woge wahnsinnigen Glücks in ihr aus. So überwältigt hatte sie sich noch nie gefühlt.

Das Vaughn solche Gefühle in ihr wachrufen konnte, hätte sie nie für möglich gehalten.
 

In dieser Nacht träumte sie von ihm. Es war einer ihrer schönsten Träume überhaupt gewesen. Mit einem Mal wünschte sie sich, dass er wahr wäre. Dieser Traum beflügelte sie. Gedankenverloren schwebte sie immer tiefer in ihre Traumwelt. Sie hoffte, dass sie nicht all zu bald wieder erwachen würde.

Doch sie freute sich darauf, Vaughn so schnell wie möglich, wieder zu sehen.

Eine Überraschung für Chelsea

14. Eine Überraschung für Chelsea
 

Am nächsten Morgen erwachte Vaughn mit nicht weniger gemischten Gefühlen als sonst. Sein Wiedertreffen mit Chelsea verlief, wie so oft, in unvorhergesehenen Bahnen. Doch er musste sich eingestehen, dass er die plötzliche Nähe mit ihr, fast schon schmerzlich herbeigesehnt hatte. Er war sich nun ziemlich sicher, dass er sie gern hatte. Unwahrscheinlich gern hatte. Könnte es sein, dass da sogar mehr war, als er sich momentan eingestehen konnte, bzw. ihm zum gegenwärtigen Zeitpunkt bewusst war? Was genau empfand er für Chelsea, die ihn jedes Mal völlig konfus machte?

Vaughn lächelte. Das erste Mal wieder, nachdem er erwacht war und ihn diese Gedanken offenkundig keine Angst mehr bereiteten.

Er stand auf, da ihm soeben einfiel, dass heute Chelseas Geburtstag war und er noch kein Geschenk hatte. Wenn er sich richtig erinnerte, wurde sie heute 18 Jahre alt. Die Feier würde erst um 15 Uhr beginnen. Bis dahin hatte er noch Zeit. Er hatte auch schon eine Idee, was er ihr schenken wollte.
 

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Pünktlich zur vereinbarten Zeit stand Elliot vor Julias Tür und betätigte die Klingel. Es dauerte nicht lange, da wurde sie schon von Julia geöffnet.
 

„Hi, Elliot! Du bist auf die Minute pünktlich.“
 

„Hallo, Julia. Ich konnte es kaum erwarten dich sobald wieder zu sehen.“
 

„Da bin ich aber froh.“ Ein glückliches Lächeln erschien auf Julias Gesicht. Auch sie hatte es kaum noch erwarten können, ihren Elliot wieder zu sehen.
 

„Wollen wir dann los?“, fragte Elliot.
 

„Ja. Lass uns losgehen.“
 

Hand in Hand machten sie sich auf dem Weg zur Starry Sky-Ranch.
 

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Nathalie befand sich in der Küche von Mark und Chelsea und kotrollierte noch einmal die Vorbereitungen für Chelsea Überraschungsparty. Sie hatte Mark heute Morgen versprochen, dass sie sich um alles kümmern würde, er wiederum musste es nur solange schaffen, seine Schwester von der Farm fernzuhalten, bis alle Gäste eingetroffen und sämtliche Vorkehrungen getroffen waren. Zum Glück halfen ihr dabei Lanna und Denny, die bereit waren ihr dabei zur Hand zu gehen.
 

„Im Wohnzimmer bin ich fertig. Ich habe gesaugt und den Tisch abgewischt. Zusätzlich habe ich noch ein paar Blumen aufgestellt und wenn wir Lust haben und es dafür nicht zu kalt ist, können wir uns sogar auf der Terrasse niederlassen.“
 

„Wunderbar Lanna. Ich hatte keine Ahnung, dass du so fleißig bist.“ Nathalie staunte nicht schlecht, als sie das saubere Wohnzimmer betrat.
 

„Na, hör mal! Immerhin wohne ich alleine, da bin ich auch auf mich selber angewiesen.“, rief das blonde Mädchen empört aus.
 

„Stimmt ja, das hatte ich beinahe vergessen. Es sieht schön aus, Lanna. Du hast dir unglaubliche Mühe gegeben. Ich bin mir sicher, dass sich Chelsea darüber freuen wird.“
 

„Das denke ich auch.“, mischte sich Denny in das Gespräch mit ein. „Der Grill ist ebenfalls fertig aufgebaut. Pierre ist auch gerade gekommen und verteilt seine Köstlichkeiten auf dem Tisch.“
 

„Prima! Dann fehlen nur noch Julia, Elliot, Vaughn, Mark und selbstverständlich Chelsea. Sobald alle eingetroffen sind, kann die Feier dann losgehen.“
 

„Super! Ich freue mich schon darauf.“, begeisterte sich Lanna.
 

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„Du, Bruder. Ich finde es nach wie vor ziemlich eigenartig, dass du mich an meinem Geburtstag in den Wald geführt hast. Was hast du dir denn dabei gedacht?“
 

„Warte es ab, Schwesterherz. Du wirst den Grund dafür gleich erfahren, sobald wir wieder auf der Farm sind.“
 

„Du verheimlichst mir etwas.“
 

„Ist das so schlimm? Vielleicht möchte ich meine kleine Schwester einmal im Jahr überraschen.“
 

„Ich warne dich, wenn es irgendetwas ist mit dem ich nie im Leben einverstanden sein werde, bekommst du Ärger mit mir.“
 

„Beruhige dich, Chelsea. Ich bin mir sicher, dass es dir gefallen wird.“
 

„Sag doch endlich, was es ist. Allmählich werde ich ungeduldig.“
 

„Du wirst es sehen, wenn wir wieder zu Hause sind. Bis dahin ist es nicht mehr weit. Ich kann schon das Tor sehen.“
 

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„Es ist soweit, sie kommen. Versteckt euch!“
 

Nathalie stand am Fenster und wies die anderen an auf ihre Plätze zu gehen. Bald würde die Tür aufgehen und die Geschwister würden das Haus betreten.

Es wurde ganz ruhig im Haus. Einzig von Lanna war ein unterdrücktes Kichern zu hören.

Die Türklinke wurde betätigt. Schuhpaare betraten den Raum.
 

„Jetzt rück endlich mit der Sprache raus! Was ist denn nun die Überraschung?“, quengelte Chelsea.
 

„Warte es ab. Jetzt ist es soweit.“
 

„Was…?“
 

„ÜBERRASCHUNG! Alles Gute zu deinem Geburtstag, liebe Chelsea!“
 

Aus allen Ecken des Wohnzimmers sprangen urplötzlich sämtliche Freunde von Chelsea und Mark hervor. Sie beglückwünschten, die vor Schreck erstarrte Chelsea und klatschten in die Hände.

Als erste trat Julia auf sie zu.
 

„Alles, alles Liebe zum Geburtstag, Chelsea. Ich hoffe, du bist nicht all zu überrumpelt.“

„Ist schwer zu sagen. Ich stehe gerade gewaltig unter Schock.“
 

„Es war Nathalies Idee gewesen.“, erzählte Mark ihr. „Ich hatte sie um Rat gefragt, was wir machen könnten, um dich einmal dazu zu bewegen, deinen Geburtstag zu feiern. Sie allein hat all das hier organisiert.“
 

„Jetzt übertreib mal nicht.“ Das angesprochene Mädchen lief prompt rot an.

„So ganz allein war ich es auch wieder nicht gewesen.“
 

„Es stimmt aber.“, beharrte Mark. Er konnte es einfach nicht lassen, seine Freundin von Zeit zu Zeit zu necken. Chelsea nahm einen sehr vertrauten Umgang zwischen den beiden war. Was hatte das nur zu bedeuten? Doch sie verdrängte erstmal den Gedanken, um sich bei Nathalie zu bedanken.
 

„Danke, Nathalie. Die Überraschung ist dir echt gelungen. Euch allen ist sie gelungen. Ich weiß gar nicht, was ich davon halten soll.“
 

„Zerbrich dir nicht den Kopf deswegen. Lass uns lieber auf deinen Geburtstag anstoßen und ordentlich feiern.“
 

„Du hast Recht, Bruder. Ich hab dich wahnsinnig lieb, weißt du das eigentlich?“
 

Glücklich umarmte das braunhaarige Mädchen ihren Bruder. Als sie sich wieder von ihm löste, begrüßte sie die anderen Gäste und bedankte sich herzlich bei ihnen, dass sie gekommen waren. Nachdem sie fast alle begrüßt hatte, entdeckte sie Vaughn etwas abseits von der Menge stehen. Ihr Puls beschleunigte sich schlagartig.
 

„Vaughn? Du bist auch gekommen. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr mich das freut.“
 

„Keine Ursache.“, verlegen senkte der junge Mann seinen Blick. „Alles Gute zum Geburtstag, Chelsea.“
 

„Danke.“ Chelsea errötete. Ein unbeschreibliches Gefühl breitete sich in ihr aus, wofür eindeutig der junge Mann vor ihr verantwortlich war.
 

„Komm jetzt, Chelsea.“, durchbrach Lanna die kurze Zweisamkeit zwischen den beiden.

„Jetzt pack deine Geschenke aus. Ich möchte unbedingt dein überraschtes Gesicht sehen, wenn du mein Geschenk aufmachst.“
 

Chelsea blieb keine andere Wahl. Bestimmt gab es später noch eine Gelegenheit, sich mit Vaughn in Ruhe zu unterhalten.
 

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Die Geschenke waren alle eine unsagbare Überraschung. Von Julia bekam sie verziertes Briefpapier, damit sie wieder ihren Eltern schreiben konnte, von Elliot eine neue Bürste, mit der sie ihr Pferd bürsten konnte. Von Nathalie bekam sie einen Roman, damit Chelsea wieder ihre Fantasie anregen konnte, um zu träumen, von Pierre ein neues Kochbuch, von ihrem Bruder einen großen, bunten Blumenstrauß und Pralinen. Lanna schenkte ihr einen kleinen Handspiegel, der mit Strasssteinen besetzt war und von Denny ein Anfängerbuch für Angler, falls sie sich entscheiden sollte, irgendwann mal zu angeln. Jetzt fehlte nur noch Vaughns Geschenk. Ein letztes Päckchen befand sich nur noch auf dem vollgepackten Tisch. Chelseas Herz schlug automatisch schneller. Was konnte wohl da drin sein? Vaughn dagegen fühlte sich ein wenig unwohl in seiner Haut, als Chelsea anfing sein Geschenk auszupacken. Hoffentlich gefällt es ihr, dachte Vaughn, und ich blamiere mich damit nicht.
 

Vorsichtig öffnete Chelsea das Päckchen. Zum Vorschein kam, sie konnte ihren Augen nicht trauen, eine silberne Kette mit einem Pferdeanhänger. Vor Staunen riss das junge Mädchen ihre Augen weit auf. Auch die anderen musterten neugierig die Kette und waren teilweise sprachlos.
 

„Vaughn, das ist ja… dieses Pferd sieht aus wie mein Shadow.“, ungläubig sah Chelsea zu Vaughn auf.
 

„Das stimmt.“, pflichtete ihr Bruder ihr bei. „Kann es sein, dass du den Anhänger selbst hergestellt hast?“
 

Nun waren ausnahmslos alle Augenpaare auf Vaughn gerichtet. Die Situation war ihm so peinlich, dass er sich seinen Hut wieder einmal vors Gesicht zog.
 

„Ja. Es stimmt, ich habe ihn eigenhändig entworfen.“, gab er zögernd zu.
 

„Sowas kannst du?“, rief Denny fassungslos aus. „Und davon hast du nie etwas erzählt? Du steckst voller Talente, Vaughn.“

Es war von Denny als Lob gemeint gewesen, dennoch fühlte sich Vaughn von Minute zu Minute unbehaglicher. Am liebsten hätte er auf der Stelle das Weite gesucht.
 

„Sie ist unglaublich, Vaughn.“, teilte Chelsea ihm schließlich mit. Verträumt sah sie die Kette an und legte sie sich auch zugleich an.
 

„Sie steht dir.“, sagte Lanna. Auch die anderen Gäste bestätigten es.
 

„Vielen Dank. Und vielen Dank, Vaughn.“
 

„Gern geschehen.“ Zufrieden lächelte Vaughn in sich hinein, dass ihr sein Geschenk so gut gefiel. Damit war ihm ein Stein vom Herzen gefallen.
 

„Du hast dir damit richtig Mühe gegeben.“, wandte sich Elliot an Vaughn.
 

„Dem pflichte ich bei.“, schaltete sich Pierre ein. „Ist es denn möglich, dass du in Chelsea verliebt bist?“
 

„Wie bitte???“ Abrupt lief Vaughns Gesicht scharlachrot an.
 

„Kann das denn wahr sein?“, fragte Lanna zugleich. „Es muss wahr sein. Seht nur wie rot er geworden ist.“
 

Sogar Chelsea lief rot an. Es war ihr so unangenehm. Wie es wohl Vaughn erging?
 

„Jetzt ist aber genug!“, mischte sich nun auch Mark ein. „Wir sind hier um den Geburtstag meiner Schwester zu feiern und das sollten wir jetzt auch tun. Wir sind uns alle einig, dass Vaughn Chelsea ein schönes Geschenk gemacht hat. Daran ist nichts auszusetzen. Weitere Andeutungen sind hier merklich fehl am Platz.“
 

Ausnahmslos alle stimmten dem zu. Vaughn war mehr als erleichtert, dass sich die Spekulationen damit gelegt hatten. Allerdings konnte er nicht so recht, Marks Blick deuten, den er ihm zuwarf. Was wollte er ihm sagen? Hegte er ebenfalls dieselben Vermutungen?
 

Warum sollte ich mir darüber Gedanken machen, dachte sich Vaughn. Es stimmt schließlich nicht. An solchen Behauptungen ist nichts Wahres dran. Oder doch? Kann es nicht doch möglich sein, dass ich mich unbewusst verliebt habe? Noch dazu in Chelsea? Nein, ausgeschlossen. Außerdem, würde sie nicht mit mir zusammen sein wollen, wenn sie erstmal erführe, wer mein Vater ist. Ganz bestimmt nicht.
 

Langsam legte sich die Aufregung wieder. Einer nach dem anderen begab sich auf die Terrasse, wo Pierre sofort anfing den Grill anzuzünden.

Chelsea blieb für einen Moment alleine auf dem Sofa zurück. Nachdenklich betrachtete sie Vaughns Geschenk. Sie konnte klar erkennen, dass es mit viel Feingefühl bearbeitet worden war.
 

Ich bin ihm zumindest nicht egal, sprach Chelsea zu sich selber. Wenn ich ihm egal wäre, hätte er nicht so eine mühselige Arbeit auf sich genommen.

Ach, Vaughn.
 

Eine Stimme holte das junge Mädchen aus ihren Gedanken zurück.
 

„Kommst du, Chelsea? Wir warten alle auf dich.“, rief Julia von der Terrassentür aus.
 

„Ich komme.“
 

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Alle hatten an der Geburtstagsfeier ihren Spaß. Sobald das Essen fertig war, wurde mit Sekt auf Chelseas Geburtstag angestoßen. Ausnahmslos alle befanden sich in ausgezeichneter Stimmung. Es wurde gescherzt, gelacht, getrunken und gegessen, bis sich alle vollgestopft fühlten. In dem Lärm fiel nicht auf, dass Mark Nathalie hin und wieder einen verliebten Blick zuwarf und sie leicht errötete. Sie saßen nebeneinander, und als wäre es unbeabsichtigt, berührten sich gelegentlich ihre Hände. Einmal fiel es Chelsea auf. Zugleich hatte sie wieder dieses Gefühl, welches sie vorhin gehabt hatte, als sie erfahren hatte, dass es Nathalies Idee gewesen war, diese Feier zu organisieren. Dieser Blick, den ihr Bruder Nathalie zugeworfen hatte und wie beschämt sie daraufhin zur Seite geschaut hatte, ließen in Chelsea eine Ahnung aufkeimen, was das zu bedeuten haben könnte. Bei Gelegenheit, nahm sie sich vor, würde sie ihren Bruder darauf ansprechen.
 

Daneben entging niemanden, dass Julia und Elliot sich anscheinend näher gekommen waren. Den meisten von ihnen war es teilweise unangenehm, den beiden dabei zuzusehen, wie sie versuchten, es vor den anderen geheim zu halten. Weswegen sie sich keine Mühe machen mussten. Denn es wusste jeder, dass sie ein gemeinsames Date gehabt hatten.
 

Gegen Abend, überraschte Lanna noch einmal alle, indem sie ein Lied vorsang. Jeder war sprachlos. Keiner hatte zuvor Lanna singen gehört. Das sie Sängerin war, wussten alle, dennoch hatte keiner zuvor ihre Stimme gehört. Sie war einfach unvergleichlich. Eine schönere Stimme gab es nicht.

Lanna umfing heftiger Beifall. Einstimmig wurde nach einer Zugabe verlangt, die Lanna ihnen gewährte.
 

Als sie zum zweiten Lied ansetzte, stand Vaughn so leise wie möglich auf und entfernte sich von der fröhlichen Gesellschaft. Chelsea bekam es mit und folgte ihm.
 

Vaughn ging um die Hälfte des Hauses herum und blieb an der Vordertür stehen. Seufzend betrachtete er den Mond, der zu dieser frühen Abendstunde bereits zu sehen war. Er bemerkte nicht, wie Chelsea auf ihn zutrat.
 

„Vaughn? Stimmt etwas nicht?“
 

Erschrocken fuhr er zusammen. Doch als er Chelsea erblickte, trat ihm ein Lächeln ins Gesicht.

„Ach, du bist es. Ich hatte für eine Sekunde befürchtet, es könnte Lanna sein.“
 

„Wie kommst du auf Lanna? Sie singt doch.“ Mit einem Mal fühlte das braunhaarige Mädchen einen leichten Stich in ihrer linken Brust. Ihr Herz verkrampfte sich.
 

„Magst du denn Lanna?“, fragte Chelsea ihn unvermittelt.
 

„Wie? Ich…Wie kommst du darauf?“ Vaughn sah leicht nevös Chelsea an.
 

„Ich weiß es nicht. Nur so ein Gefühl, weil du eben von ihr gesprochen hast.“
 

„Diesbezüglich brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Lanna interessiert mich nicht in dieser Hinsicht.“
 

Beruhigt atmete Chelsea auf.
 

„Und, was ich dich noch fragen wollte, natürlich nur, wenn du damit einverstanden bist.“
 

„Was denn?“
 

„Kann es sein das…kann es sein, Vaughn, dass du, dass du…Gefühle für jemanden hegst?“
 

„Ich…“ Sprachlos sah Vaughn das junge Mädchen an. Er hatte schon öfter erlebt, dass sie so plötzlich direkt sein konnte, aber wie kam sie auf so eine absurde Frage? War es wegen vorhin? Wegen Pierres und Lannas Bemerkung? Niemals hätte er es für möglich gehalten, so eine Frage gestellt zu bekommen, noch dazu von Chelsea.

Aber was sollte er ihr darauf antworten? So wie es aussah, wusste er es selber nicht. Gedankenverloren konnte er Chelsea nur anstarren und war überhaupt nicht fähig ihre Frage zu beantworten.
 

„Tut mir Leid, wenn ich dir zu nahe getreten sein sollte. Es ist nur so, dass ich denke, dass du mir auf eine Art wichtig bist, auch wenn ich nicht genau beschreiben kann, wie wichtig.“
 

Abwartend schaute Chelsea Vaughn ins Gesicht. Warum antwortete er denn nicht? Habe ich ihn vielleicht zu sehr erschreckt?

Endlich löste sich Vaughn aus seiner Erstarrung, nachdem er ihre letzten Worte begriffen hatte.
 

„Chelsea, ich…ich weiß nicht, was ich sagen soll. So etwas hat noch nie jemand zu mir gesagt. Ich kann damit nicht umgehen. Entschuldige, aber ich glaube, es ist besser, wenn ich jetzt gehe.“
 

Er wollte sich gerade umdrehen, als Chelsea ihn am Arm packte.
 

„Nein! Bitte, Vaughn, geh nicht!“ Tränen traten ihr in die Augen. „Kannst du nicht noch ein wenig bleiben und mit mir hier auf der Veranda sitzen? Bitte!“
 

Vaughn konnte nicht anders. Er gab ihrer Bitte nach, zumal es nicht seine Absicht gewesen war, sie zum Weinen zu bringen. Irgendwie gefiel ihm der Gedanke nicht, dass sie wegen ihm weinte. Unter keinen Umständen wollte er sie wieder weinen sehen, geschweige denn dazu bringen.
 

„Ich hoffe, dass ich dich nicht zu sehr bedränge.“, sagte Chelsea nach kurzer Zeit.
 

„Nein, überhaupt nicht. Ich bin etwas überrascht, mehr von mir selber als von dir.“
 

„Erzählst du mir, warum?“
 

„Nun ja, wie soll ich sagen. Bisher hatte ich noch niemanden kennen gelernt, der so hartnäckig sein konnte wie du. Versteh mich nicht falsch, ich finde es nicht schlimm oder mache dir deswegen einen Vorwurf. Es ist nur so, dass ich immer alleine gewesen war und keine Übung damit habe, mit so etwas umzugehen.“
 

„Aber warum warst du alleine? Du musst doch Freunde haben.“
 

„Nein.“, antwortete Vaughn traurig. „Es war für mich einfach nicht möglich gewesen. Eine Zeit lang traute ich niemanden.“
 

„Magst du mir davon erzählen?“
 

„Nicht heute, Chelsea. Ich muss mir über so vieles noch klar werden. Darüber brauche ich erstmal Gewissheit.“
 

„Kann ich dir irgendwie dabei helfen?“
 

„Ich befürchte nicht. Sei einfach so, wie du bist, ja? Damit hilfst du mir schon.“
 

Freundlich sah Vaughn Chelsea an. Sie erkannte ein Lächeln auf seinem Gesicht, er konnte demnach nicht böse auf sie sein. Chelsea war erleichtert.
 

„In Ordnung, aber wenn ich dir doch helfen kann, lass es mich wissen, okay?“
 

„Ich verspreche es.“
 

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Mark fiel nach Lannas Zugabe auf, das sowohl seine Schwester als auch Vaughn nicht mehr am Tisch saßen. Er gab Nathalie ein kurzes Zeichen und machte sich auf die Suche nach ihnen. Hoffentlich war nichts vorgefallen, dachte er sich.

Im Wohnzimmer und in der Küche fand er sie nicht. Schließlich hörte er ihre Stimmen, die von der Haustür her kamen. Leise schlich er sich ans Fenster, durch das er die beiden sitzend auf der Veranda entdeckte.

Ihrem Gespräch nach zu urteilen, erkannte er, dass es sich um was Ernstes handeln musste, was sich zwischen den beiden abspielte. Sofort erwachte sein Bruderinstinkt in ihm. Doch was sollte es dagegen tun? Seine Schwester hatte genauso ein Recht sich in jemanden zu verlieben, wie er es getan hatte. Ihm wurde klar, dass er dagegen nichts tun konnte, wie auch immer sich das entwickeln würde.
 

„Mark?“ Leise war Nathalie an den blonden jungen Mann getreten. In diesem Moment wurde ihm wieder einmal bewusst, dass Nathalie eine schöne junge Frau war und sie war an seiner Seite. Sie war zu ihm gekommen, obwohl er sie nicht darum gebeten hatte. Er wandte sich vom Fenster ab und zog das pinkhaarige Mädchen in seine Arme. Eng umschlungen küsste er sie. Seine Nathalie war bei ihm. Ohne Weiteres würde er sie nie wieder hergeben. Gewiss nicht.
 

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Gegen 22 Uhr fand die Feier ein jähes Ende. Zufrieden verabschiedeten sich die Freunde voneinander.
 

„Hattest du einen schönen Geburtstag gehabt?“, fragte Mark, nachdem alle gegangen waren.

„Ja. Es war unglaublich schön. Ich denke, dass wir das nächstes Jahr wiederholen sollten.“
 

„Bist du dir sicher? Normalerweise feierst du doch nicht gerne deinen Geburtstag.“
 

„Ich habe eben meine Meinung diesbezüglich geändert.“ Chelsea gähnte.

„Gute Nacht, Bruder. Ich bin mehr als müde.“
 

„Gute Nacht, Chelsea.“
 

Chelsea schaffte es gerade noch so, sich ihrer Kleider zu entledigen und ihr Nachthemd überzuziehen, als sie dann auch schon ins Bett fiel. Mit einem verliebten Lächeln schloss sie den Pferdeanhänger in ihre Hand und dachte mit inniger Zärtlichkeit an Vaughn.

Doppelstreit

15. Doppelstreit
 

Chelsea behielt, noch Tage danach, ihren 18 Geburtstag in wunderbarer Erinnerung. Sie sang und lachte den ganzen Tag über und konnte an nichts anderes denken, außer an Vaughn und sein wunderschönes Geschenk. Ständig trug sie die Kette mit dem Pferdeanhänger um ihren Hals. Vor jedem Spiegel, an dem sie vorbeikam, betrachtete sie ihn.

Ihrem Bruder fiel ihr Stimmungsumschwung merklich auf. Er konnte sich schon denken, was der Auslöser dafür war.

An einem ruhigen Abend saßen die Geschwister auf ihrer Veranda und tranken Eistee. Toto (ihr Wachhund) lag zwischen ihnen und gähnte ab und zu.
 

„Wie geht es dir, Chelsea?“
 

„Was meinst du?“
 

„Seit deinem Geburtstag bist du so unwahrscheinlich gut gelaunt. Ich würde gerne wissen, woran das liegt.“
 

„Hm.“ Chelsea überlegte ganz kurz, ehe sie darauf antwortete.

„Unter einer Bedingung.“
 

„Die wäre?“
 

„Wenn ich es dir erzähle, erzählst du mir dann auch, was zwischen dir und Nathalie ist. Ich kann es mir sowieso fast denken.“
 

„Ist es dir aufgefallen, wie?“ Etwas verlegen guckte Mark zu seinen Füßen.

„Na schön, du hast gewonnen. Nathalie und ich sind bereits eine Weile ein Paar.“
 

„Ich wusste es doch!“, rief Chelsea siegessicher aus.
 

„Ja, es stimmt. An der Göttinnen-Quelle sind wir uns näher gekommen. Seitdem treffen wir uns dort öfter.“
 

„Und warum heimlich?“
 

„Das ist so, dass Nathalie sich noch ein wenig geniert. Ich vermute mal, dass sie Angst vor den Reaktionen ihrer Mutter und ihrem Großvater hat. Bin mir aber, ehrlich gesagt nicht ganz sicher. Ich dränge sie auch nicht. Auch dich möchte ich bitten, es niemanden zu verraten, Nathalie zuliebe.“
 

„In Ordnung. Ich finde es zwar etwas seltsam, aber wenn es ihr Wunsch ist. Hihi! Ich hätte nie gedacht, dass sich Nathalie mal in jemanden verliebt. Doch ich freue mich für dich.“
 

„Danke, Schwester. Das bedeutet mir sehr viel. Unseren Eltern sollten wir auch noch nichts davon erzählen. Sie werden es schon früh genug erfahren. So! Soviel zu mir. Was ist denn nun bei dir? Schlägt dein Herz ebenfalls für jemanden?“
 

Chelsea wurde rot. Befangen betrachtete sie ihre Kette.
 

„Nun ja, so ganz sicher, bin ich mir zwar nicht, aber ich muss unglaublich oft an Vaughn denken. Teilweise werde ich aus seinem Verhalten nicht schlau. Manchmal kommt es mir vor, als würde er in Rätseln sprechen. Ihm scheint etwas arg zu belasten. Dennoch sind meine Gedanken eigentlich pausenlos bei ihm. Wenn er lächelt sieht er wahnsinnig gut aus und seine lila Augen leuchten dann jedes Mal auf, als wären es funkelnde Diamanten. Mein Herz schlägt unzählige Male in einer Minute, es ist dann kaum möglich es zu bändigen. Andererseits möchte ich das auch gar nicht. Dieses Gefühl, welches jedes Mal in mir hochsteigt, wenn ich ihn sehe, fühlt sich so gut an, dass es schwer zu beschreiben ist. Dir scheint es unglaublich vorzukommen, aber…ich habe Vaughn wahnsinnig gern. Ich bin gerne in seiner Nähe.“
 

„Unglaublich ist es nicht. Unsere Gefühle kommen einfach. Wie sie sich entwickeln, ist Gott sei Dank nicht vorauszusehen. Ich hoffe nur, dass du keine Enttäuschung erleben wirst. Doch Vaughn hat sich in letzter Zeit ganz schön verändert. Er ist nicht mehr so distanziert wie früher.“
 

„Das stimmt, das ist mir auch aufgefallen. Ach, Bruder.“ Chelsea seufzte überglücklich.

„Ich bin einfach nur glücklich.“
 

<>
 

Am nächsten Tag im Transportwesen.

Nathalie machte gerade die Monatsabrechnung, als ihr Bruder zu ihr trat.
 

„Schwester?“
 

„Siehst du nicht, dass ich gerade beschäftigt bin? Komm später wieder.“
 

„Du hast aber Besuch. Mark steht vor der Tür.“
 

„Wie? Hast du Mark gesagt?“ Sofort sah das junge Mädchen von ihrer Arbeit auf.
 

„Ja. Er steht draußen. Soll ich ihn rein bitten?“
 

„Nee! Lass mal, ich werde zu ihm gehen.“ Hastig lief sie an ihrem Bruder vorbei. Verdutzt schaute er ihr hinterher. Was hatte sie es auf einmal so eilig?
 

Nathalie trat aus der Haustür und entdeckte Mark, der an der Hauswand angelehnt stand.
 

„Oh! Hallo, Mark. Was machst du denn hier?“
 

„Hi, Nathalie. Ich wollte dich sehen und dachte, ich komme mal vorbei. Ich hoffe, ich störe dich nicht.“
 

„Nein, nicht wirklich. Ich war soeben dabei die Monatsabrechnung zu schreiben. Ist nicht besonders spannend.“
 

„Ich weiß. Soll ich dir dabei helfen? Zu zweit geht es schneller. Außerdem wollte ich gerne noch mit dir am Fluss spazieren gehen, solange es noch hell ist.“
 

„Ich…äh…Warum denn nicht? Komm rein. Meine Mutter und mein Großvater sind nicht da und Elliot wird uns wohl kaum stören.“
 

Zusammen gingen sie wieder ins Haus. Nathalies Herz schlug ihr bei dieser Vorstellung bis zum Hals. Noch nie war Mark bei ihr im Zimmer gewesen. Hoffentlich ging alles gut.
 

<>
 

Chelsea unternahm einen Ausritt in den Wald. Im Galopp flog sie die Wege entlang. Der Wind peitschte ihr dabei ins Gesicht. Sie fühlte die Natur und sog ihre Anziehungskraft auf. Nach einiger Zeit kam sie an der Höhle an, bei der sie und Mark unverhofft Vaughn getroffen hatten, als es den einen Nachmittag im Sommer so heftig geschüttet hatte. Abrupt blieb sie stehen und schwang sich von ihrem Sattel. Langsam ging sie auf die Höhle zu und schaute hinein. Niemand war da. Wie dumm von mir, dachte Chelsea. Warum sollte er auch hier sein?

Eine Weile schwelgte sie in Erinnerungen, ehe sie sich wieder umdrehte und unmittelbar Vaughn gegenüber stand.
 

„Du hier?“, wunderte sich Chelsea.
 

„Was tust du hier, Chelsea?“ Ebenfalls verwundert stieg Vaughn von seinem Pferd ab und trat auf Chelsea zu.
 

„Ich hätte nicht gedacht, dich hier zu treffen.“, gestand Vaughn.
 

„Ich auch nicht.“, gab Chelsea zu. Und wieder spürte sie ihr Herz, um das Dreifache schneller schlagen. Sie war so glücklich, Vaughn endlich wieder zu sehen.
 

„Wollen wir ein bisschen spazieren gehen?“, fragte Chelsea in die kurze Stille hinein.
 

„Spazieren?...Ja, warum denn nicht.“
 

Sie banden ihre Pferde an einem Baum fest, bevor sie sich in Bewegung setzten. Eine Zeit lang gingen beide schweigend nebeneinander her.
 

„Es ist schön hier.“, fing Chelsea das Gespräch schließlich an.
 

„Ja, so friedlich.“
 

„Stimmt. Noch dazu finde ich die Buntfärbung der Baumkronen einfach sagenhaft. Als befände man sich in einem Märchen. Der Herbst ist doch die schönste Jahreszeit. Findest du nicht auch?“
 

„Ich finde, dass alle Jahreszeiten ihre schönsten Seiten zeigen. Jede einzelne von ihnen hat ihre besonderen Vorzüge.“
 

„Stimmt auch wieder. Trotzdem finde ich den Herbst am Schönsten.“
 

Gedankenverloren spielte Chelsea mit ihrer Kette, während sie sich unterhielten. Vaughn entging dies nicht. Ein Lächeln trat auf seine Lippen.
 

„Gestern Abend hatte ich nach längerer Zeit wieder mit meinen Eltern telefoniert.“, erzählte Chelsea.
 

„So?“
 

„Ja. Ihnen geht es gut. Sie sprachen kurz davon uns evtl. besuchen zu kommen. Aber erst im Winter. Vorher geht es nicht.“
 

„So ist das.“
 

Vaughns Miene verdüsterte sich. Mit einem Mal fiel ihm auf, dass er seit längerem nicht mehr an seine verstorbenen Eltern gedacht hatte. Soviel war in letzter Zeit geschehen, dass er es schlichtweg verdrängt hatte. Dabei fiel ihm ein, dass heute der Geburtstag seines Vaters wäre.
 

„Vaughn? Vaughn? Was ist denn los?“, besorgt drehte sich Chelsea zu ihm um.
 

Er wiederum hatte fast vergessen, dass er nicht alleine war.

„Es ist nichts.“
 

„Das nehme ich dir nicht ab. Du siehst eindeutig traurig aus. Habe ich denn was Falsches gesagt?“, harkte das junge Mädchen nach.
 

„Nein. Es ist wirklich nichts. Mach dir keine Gedanken.“
 

„Aber du hast doch was. Bitte, sag mir was dich bedrückt. Diesen Blick setzt du häufiger auf.“
 

„Beobachtest du mich etwa?“, fragte Vaughn scharf nach.
 

„Es fällt nun mal auf. Ich bin doch nicht blind. Vaughn, was hast du?“
 

„Gar nichts, das habe ich doch schon gesagt.“
 

„Ich glaube es aber nicht.“
 

„Dann bleibt dir nichts anderes übrig! Verdammt!“

Das letzte Wort schrie Vaughn Chelsea praktisch ins Gesicht. Das junge Mädchen zuckte erschrocken zusammen. So wütend hatte sie ihn noch nie erlebt.
 

„Du sollst endlich damit aufhören! Hör auf, dich in meine Angelegenheiten einmischen zu wollen. Es geht dich überhaupt nichts an! Ich brauche keine Hilfe! Von niemanden. Schon gar nicht von dir!“
 

Chelsea traten die Tränen in die Augen. Unaufhaltsam liefen sie über ihre Wangen. Sie war nicht in der Lage sie wegzuwischen.

„Ich habe es doch nur gut gemeint. Ich sorge mich nun mal um dich. Verstehst du das nicht?“
 

Dem jungen Mann taten seine harten Worte plötzlich Leid. Er wollte, dass Chelsea aufhörte zu weinen. Immerhin wollte er sie nie wieder zum Weinen bringen. Was hatte er nur angerichtet? Er wusste doch genau, dass sie es nicht böse mit ihm meinte.
 

„Chelsea, ich…“ Doch er konnte nichts sagen. Wie auch? Wie könnte er sein Verhalten nur wieder gut machen?

Er wollte sie gerade am Arm packen, als Chelsea sich spontan umdrehte und weinend davon lief.
 

„Chelsea! So warte doch!“ Schleunigst lief er hinter ihr her. Als sie an ihren Pferden ankamen, hatte Chelsea ihr Pferd bereits vom Baum losgebunden.
 

„Bitte, warte noch, Chelsea.“
 

„Wozu denn? Damit du mich wieder anschreien kannst?“
 

„Du verstehst das nicht.“
 

„Wie soll ich es denn auch verstehen? Du redest schließlich nicht mit mir.“
 

Vorwurfsvoll und voller Enttäuschung sah sie ihn an.
 

„Warum nur, Vaughn?“ Bittere Tränen rannen ihr über das Gesicht. Vaughn war weder fähig sie zu trösten, noch ihr zu antworten.

„Dabei habe ich dich doch so gern. Du bist mir der Liebste Mensch auf Erden.“
 

Mit diesen Worten schwang sich Chelsea in den Sattel und ritt davon.

Vaughn blieb noch lange an Ort und Stelle stehen. Er verfluchte sein unkontrolliertes Verhalten.
 

Wie konnte ich ihr das nur antun? „Du bist mir der Liebste Mensch auf Erden“

Warum nur bedeute ich ihr soviel? Das hat sie nicht verdient.
 

Endlos lange hallten Chelseas Worte in seinem Kopf nach. Zusätzlich konnte er ihr aufgelöstes Gesicht nicht vergessen. Es brannte sich in sein Gehirn.

Verzweifelt, verbittert und mit Wut auf sich selbst machte er sich in der Abenddämmerung auf dem Heimweg.
 

<>
 

Mark hatte tatsächlich recht behalten. Zu zweit waren sie sehr schnell mit der Abrechnung fertig. Nathalie musste sich sogar eingestehen, dass sie Spaß bei der gemeinsamen Arbeit empfunden hatte.
 

„Ich danke dir! Ohne deine Hilfe wäre ich nie so schnell fertig gewesen.“
 

„Du weißt doch, ich bin immer da, wenn du mich brauchst. Ganz egal um was es geht.“
 

„Ich weiß.“
 

„Du brauchst nur zu fragen.“
 

Nathalie nickte. Eilig sortierte sie die Unterlagen ins Regal zurück, damit Mark ihr Gesicht nicht sehen konnte. Ihr Gesicht drohte gerade wieder rot anzulaufen. Als sie sich umdrehte, stand Mark keinen Zentimeter entfernt vor ihr und starrte ihr tief in die Augen.
 

„Mark! Was…?“
 

„Pst. Sag jetzt nichts.“
 

Er versiegelte Nathalies Lippen mit den seinen. Ganz langsam und zärtlich ruhten seine Lippen auf ihren. Mit einer Hand zog er Nathalie zu sich näher ran. Mit der anderen Hand fuhr er ihr durchs Haar, wobei er ihren Zopf auflöste. Allmählich wurde sein Kuss fordernder. Leicht öffnete er seine Lippen und drang vorsichtig mit seiner Zunge in ihren Mund ein.
 

Nathalie wurde heiß. Ihre Wangen glühten und ihr Verstand setzte langsam aus. Einen solchen leidenschaftlichen Kuss hatte sie noch nie zuvor mit Mark erlebt. Sie spürte seine Begierde. Es war ihr auf eine Art und Weise unangenehm, auf der anderen Seite verlangte sie noch mehr.
 

„Mark, ich…“ Keuchend lösten sie sich voneinander, wobei Mark seine Freundin nicht los ließ.
 

„Ja?“, hauchte er ihr ans Ohr.
 

„Ich denke, es ist genug.“
 

„Was meinst du?“
 

„Nun ja, wir sind immer noch bei mir zu Hause. Ich möchte nicht, dass Elliot uns überrascht.“
 

„Meinst du nicht, dass er an die Tür klopfen würde?“, fragte Mark belustigt nach.
 

„Schon. Aber bitte versteh mich.“
 

„Das tue ich.“ Sanft biss Mark ihr ins Ohr. „Ich weiß zumindest, dass du den Kuss eben sehr genossen hast.“
 

„Ja, aber…“
 

Abermals presste Mark seine Lippen auf Nathalies. Er konnte heute einfach nicht genug von ihr bekommen. Es war ihm schon schwergefallen, die ganze Zeit über ruhig neben ihr zu sitzen ohne über sie herzufallen. Nathalie konnte nicht ahnen, welche Anziehungskraft sie auf ihn ausübte.
 

„Bitte, Mark. Nicht…Ich…“
 

„Warum nicht? Gefällt es dir nicht?“
 

„Doch, aber ich…Ich kann einfach nicht.“
 

Unsanft schob Nathalie Mark von sich weg. Ihre Gefühle fuhren gerade Achterbahn. Sie konnte sich einfach nicht beruhigen.
 

„Nathalie? Ich…“
 

„Bitte, Mark! Geh jetzt!“
 

„Aber wieso? Habe ich was falsch gemacht?“
 

„Nein.“ Nathalie schüttelte den Kopf. „Es ist nur das…Bitte, geh einfach. Ich will jetzt allein sein.“
 

„Ich verstehe das nicht. Einerseits bist du gerne mit mir zusammen, andererseits gehst du wieder auf Abstand. Wieso? Wovor hast du Angst?“
 

„Ich…ich…“ verzweifelt suchte Nathalie nach einer Erklärung, doch ihr fiel keine ein.
 

Mark hat Recht. Wovor fürchte ich mich eigentlich?
 

„Nathalie. Bitte sag mir, was in dir vorgeht.“ Flehentlich sah Mark seine Freundin an.
 

„Das kann ich nicht.“, stieß das junge Mädchen hervor. „Ich weiß es selber nicht. Nein! Komm jetzt nicht näher!“
 

Der junge Mann tat gerade einen Schritt auf Nathalie zu, als er abrupt inne hielt.
 

„Du kannst mir nicht helfen. Ich…Bitte, geh!“

Inzwischen traten Nathalie Tränen aus den Augen.
 

„Nathalie, ich…liebe dich doch.“, versuchte Mark einen letzten Versuch.
 

„Ich weiß, das ist es ja. Ab und zu macht es mir Angst. Aber geh jetzt. Ich möchte dich nicht nochmal darum bitten.“
 

Langsam entfernte sich Mark von ihr. Er sah ein, dass er Nathalie nicht weiter bedrängen konnte, so sehr er ihr auch behilflich sein wollte. In diesem Moment hatte es keinen Sinn. Das junge Mädchen war zu aufgelöst.

An der Zimmertür drehte er sich noch einmal um.

„Ich werde warten. Wenn ich aber nichts von dir höre, werde ich wieder auf dich zukommen.“

Damit verließ er sie.
 

Nathalie starrte ihm nach. Salzige Tränen traten unaufhaltsam aus ihren Augen hervor.
 

Warum nur, Mark? Wie kannst du mich so sehr lieben? Bisher war ich immer alleine klargekommen und jetzt…Jetzt befürchte ich, ohne dich gar nicht mehr leben zu können. Das macht mir Angst. Dabei…dabei liebe ich dich doch auch!
 

<>
 

In dieser Nacht konnte keiner von ihnen schlafen. Weder Mark, noch Vaughn. Beide hingen ihren trübsinnigen Gedanken nach und fragten sich zum wiederholten Male, was eigentlich geschehen war.
 

Mark konnte Nathalies ablehnende Haltung nicht nachvollziehen. Er war sich so sicher, dass alles zwischen ihnen in Ordnung war und dass Nathalie glücklich gewesen ist. Immer wenn sie zusammen waren, sah sie zufrieden aus. Sie hatte regelrecht gestrahlt, immer dann, wenn sie ihn angesehen hatte. Natürlich war er zu Anfang verwundert gewesen, warum sie ihre Beziehung geheim halten wollte, doch er hatte sich gedacht, dass sich das mit der Zeit regeln würde. Demnach war wohl nicht so. Es war für ihn selbstverständlich gewesen, dass Nathalie nun an seiner Seite war und dass sie es ebenso empfand.

Was sollte er jetzt tun?

Er hatte beschlossen, sie erstmal in Ruhe zu lassen, auch wenn es ihm schwer fallen würde. Denn er wusste nicht, wie er nur einen einzigen Tag ohne sie überstehen würde. Schließlich brauchte er sie an seiner Seite.

Er hätte sie nicht so überfallen sollen, dachte er sich. Es war noch zu früh gewesen. Doch sein Verlangen nach ihr wuchs von Tag zu Tag. Wie hätte er sich da beherrschen sollen? Alleine mit ihr in einem Zimmer? Er wusste nun, dass er zu voreilig war. Hoffentlich konnte Nathalie ihm verzeihen.
 

Und Vaughn konnte einfach keinen Schlaf finden. Seine Gedanken ruhten bei Chelsea, die vermutlich ebenfalls nicht schlafen konnte. Wenn, dann nicht gut, dachte Vaughn. Wie konnte er sie auch nur anschreien? Sie wollte im helfen, wissen, warum er manchmal so traurig war. Und was machte er? Er stieß sie brutal von sich. Sie hatte an einer empfindlichen Stelle nachgeharkt, worauf Vaughn nicht vorbereitet war. Was wahrscheinlich sowieso nichts genützt hätte. Er hätte jeden von sich gestoßen. Doch bei Chelsea plagten ihn Gewissensbisse. Er wollte sein Verhalten wieder gut machen, doch dazu müsste er ihr alles erzählen. Alles, was in seiner Vergangenheit passiert war, was er erlebt hatte, warum er niemanden an sich ran ließ. Er hatte Angst davor. Er befürchtete dadurch, Chelsea endgültig zu verlieren.

In dieser Nacht wurde ihm klar, dass er das unter keinen Umständen riskieren wollte. Er brauchte Chelsea. Ohne sie wollte er nicht weiter leben.

Das unschuldige Kind

16. Das unschuldige Kind
 

Mitunter waren es die schlimmsten Tage, die Chelsea je erlebt hatte. Pausenlos hingen ihre Gedanken bei Vaughn. Auf ihre Arbeit konnte sie sich nicht richtig konzentrieren. Monoton verrichtete sie ihre Pflichten. Trostlos zogen die Tage dahin. Von ihrer Umgebung nahm sie nicht viel wahr. Im Dorf ließ sie sich gar nicht mehr blicken. Einige Male hatte Julia bei ihr angerufen, doch Chelsea antwortete auf jede Frage einsilbig.

Auch ihr Bruder verhielt sich gänzlich neben der Spur. Die Geschwister hatten nur kurz über ihre Auseinandersetzungen mit Nathalie und Vaughn gesprochen. Nichts davon wurde ins Detail erläutert, was zudem nicht nötig war. Jeder von ihnen trug sein eigenes Päckchen, welches sie gleichermaßen belastete.

Wie sollten sie sich gegenseitig helfen, wenn beide derzeit, dazu nicht in der Lage waren?
 

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Im Tierladen saßen Julia, Elliot und Mirabelle gemeinsam am Küchentisch.
 

„Hast du etwas wegen Chelsea in Erfahrung bringen können?“, fragte Mirabelle ihre Tochter.
 

„Nein, leider nichts. Am Telefon hat sie mich jedes Mal abgewürgt oder ist mir sämtlichen Fragen ausgewichen.“
 

„Eigenartig. Irgendetwas muss vorgefallen sein. Vaughn kommt seit Tagen auch nicht mehr aus seinem Zimmer raus.“
 

„Ich mache mir Sorgen, Mutter. Das kann nicht ewig so weitergehen.“
 

„Selbst mit meiner Schwester stimmt etwas nicht. Sie liegt die meiste Zeit auf ihrem Bett und heult. Versucht man mit ihr zu reden, wird sie aggressiv.“
 

„Merkwürdig. Du sagtest, dass sie sich aber erst so verhält, als Mark sie besuchen war?“, harkte Mirabelle nach.
 

„Das ist richtig. Sie war völlig aufgelöst. Ich habe nur mitbekommen, wie sie Mark angefleht hatte zu gehen.“
 

„Seltsam. Was ist bloß mit den Vieren los?“
 

„Das würde ich auch gern wissen. Auf jeden Fall kann es nicht so weiter gehen. Mutter, wir müssten doch was unternehmen können.“
 

„Ich zerbreche mir die ganzen letzten Tage den Kopf. Ich habe versucht, Vaughn zum Reden zu bewegen, ohne Erfolg. Ich vermute, dass nur Chelsea dazu in der Lage wäre. Nur wie könnten wir sie her bringen?“
 

„Ein gute Frage.“
 

Nachdenklich betrachtete jeder von ihnen die Tischplatte, als ob auf ihm die Antwort geschrieben stehe.
 

„Vielleicht,“, überlegte Elliot in die eingetretene Stille.
 

„Was „vielleicht“, Elliot? Hast du eine gute Idee?“
 

„Ob sie gut ist, kann ich nicht sagen, Julia. Aber von dem, was du mir so über die beiden erzählt hast, könnte es wohlmöglich klappen. Sie ist allerdings nicht ganz fair.“

„Teile uns deinen Vorschlag erstmal mit. Danach entscheiden wir.“
 

„In Ordnung, Mirabelle. Mein Vorschlag wäre…“
 

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Auf der Starry Sky-Ranch klingelte das Telefon. Chelsea nahm ab.
 

„Hallo? Chelsea hier.“
 

„Chelsea? Gott sei Dank, dass ich dich gleich erwische.“
 

„Julia? Was ist denn los? Du klingst so aufgeregt.“
 

„Es ist folgendes: Vaughn ist krank.“
 

„Wie? Habe ich richtig gehört?“
 

„Ja. Kannst du nicht vorbeikommen? Jetzt! Dich zu sehen, würde ihn bestimmt freuen. Dann fühlt er sich sicherlich gleich besser.“
 

„Ich…Ich weiß nicht, Julia. Was sollte ich denn machen?“
 

„Komm einfach vorbei. Du wirst sehen, das wird ihm helfen.“
 

Chelsea überlegte kurz. Im Grunde hatte sie sich bereits entschieden.
 

„Julia? Ich komme sofort.“
 

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Mark trat gerade aus dem Viehstall, als er seine Schwester durch das Tor reiten sah. Immerhin unternimmt sie wieder etwas, dachte er. Immer nur zu Hause hocken, kann ihr nicht gut tun. Genauso, wie mir.

Fast eine Woche war vergangen, seitdem er Nathalie allein in ihrem Zimmer gelassen hatte. Sollte er auf sie zugehen?

Der junge Farmer vermisste wahnsinnig Nathalies Nähe. Jede Nacht träumte er von ihr. Und jeden Morgen wollte er auf der Stelle zu ihr reiten, doch er tat es nicht.

Allmählich wird es aber Zeit, sprach er zu sich. Ich muss wenigstens versuchen, mit ihr zu reden.

Er hatte gerade sein Pferd gesattelt, als unverhofft Nathalie an der Stalltür erschien.

Mark erstarrte. Gleichzeitig freute er sich, sie wieder zu sehen.
 

„Komme ich ungelegen? Du scheinst ausreiten zu wollen.“
 

„Nein,äh, ja. Also, was ich meine. Ich wollte gerade zu dir.“
 

„Oh! Dann hatten wir denselben Gedanken.“
 

„Nur, dass du schneller warst.“
 

„Ja.“ Verlegen schaute Nathalie Mark an. „Wollen wir uns irgendwo hinsetzen? Ich würde gerne mit dir reden.“
 

„Klar. Gehen wir auf die Veranda?“
 

„Okay.“
 

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Julia erwartete Chelsea bereits an der Tür. Ohne ausführliche Erklärung schob sie ihre Freundin die Treppe hinauf zu Vaughns Zimmer und klopfte an die Tür.
 

„Was gibt´s?“
 

„Du hast Besuch, Vaughn. Ich mache die Tür auf, ja?“, antwortete Julia.
 

„Ähm, Julia…“
 

„Jetzt nicht, Chelsea. Geh einfach rein.“
 

„Aber…“
 

„Kein aber! Rein mit dir.“
 

Resolut schubste Julia das braunhaarige Mädchen durch die Tür in Vaughns Zimmer.
 

Vaughn staunte nicht schlecht, plötzlich Chelsea in seinem Zimmer stehen zu sehen. Sofort sprang er von seinem Bett auf und starrte sie an. Chelsea starrte ebenfalls verwirrt zurück.

Beide waren sprachlos und fragten sich, was der jeweilig andere wohl denken mochte.

Schließlich fand Chelsea ihre Sprache wieder.
 

„Ähm, tut mir Leid, dass ich hier so reingeplatzt bin. Doch mir wurde erzählt, dass du krank wärst.“
 

„Wie? Ich…Deswegen bist du hier?“
 

„Ja, aber ich glaube, ich gehe lieber wieder.“
 

„Nein, bitte!“ Vaughn streckte seinen Arm nach Chelsea aus. „Bitte, bleib. Ich wollte die letzten Tage schon mit dir reden.“
 

„Ach so? Warum bist du dann nicht zu mir gekommen?“
 

„Weil ich…Weil ich, mich nicht getraut habe.“ Beschämt schaute Vaughn zur Seite. Da er seinen Hut nicht trug, fielen ihm die Haare vors Gesicht und bedeckten seine geröteten Wangen.

„Willst du dich nicht setzten?“ Ohne Chelsea anzusehen, schob er ihr einen Stuhl zu.
 

„Ja. Danke.“
 

Der junge Mann setzte sich ihr gegenüber, doch mit ausreichendem Abstand.
 

„Also, wie du sehen kannst,“, begann Vaughn nach kurzem Schweigen, „bin ich nicht krank. Ich schätze, dass es eine Idee von Julia oder meiner Tante war, dass du herkommst.“
 

„Scheint wohl so.“, stimmte das junge Mädchen ihm zu. „Wenn es dir zu unangenehm ist, gehe ich wieder.“
 

„Nein! Ich bitte dich zu bleiben, wenn du schon gezwungenermaßen hier bist.“

Wieder ein kurzes Schweigen.
 

„Du hast dir also Sorgen gemacht, als du gehört hast, dass ich krank wäre?“
 

„Ja. Ich konnte nicht anders.“
 

„Ich bin froh darüber.“
 

„Wie meinst du das? Ich dachte, ich würde dich nerven.“
 

„Das hast du nie getan. Ich freue mich nur, weil es für mich ein Zeichen ist, dass ich dir nicht egal geworden bin, obwohl ich so hässlich zu dir gewesen bin.“
 

„Du wirst mir nie egal sein, Vaughn. Ganz egal, was ich tue.“
 

„Das habe ich mir schon gedacht. Chelsea, ich…Ich habe keine Übung darin auf andere zuzugehen. So etwas liegt mir nicht. Doch in den letzten Tagen ist mir bewusst geworden, dass ich ohne dich nicht mehr sein kann. Du bist einfach so in mein Leben getreten, eigentlich wollte ich es gar nicht zulassen, aber ich hatte keine Kontrolle darüber. In deiner Nähe fühle ich mich immer so wohl, dass ich Angst hatte, mich mehr diesem Gefühl hinzugeben.“

Mit Reue schaute Vaughn Chelsea an.
 

„Es tut mir echt Leid, wie ich mich dir gegenüber verhalten habe. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen.“
 

„Vaughn, ich bin…“
 

„Bitte, Chelsea.“ Eindringlich sah er sie an. „Ich möchte dir etwas erzählen, was ich wirklich noch niemandem erzählt habe. Ich bitte dich, mir einfach nur zuzuhören, bis ich geendet habe. Danach kannst du entscheiden, ob du dann noch hierbleiben willst oder nicht. Einverstanden?“
 

Chelsea nickte.

Mit ernstem Gesicht begann Vaughn zu erzählen.
 

„Vielleicht erinnerst du dich noch, wie ich dir gegenüber mal erwähnt habe, dass meine Eltern früh gestorben sind. Da war ich gerade mal 11 Jahre alt. Ich erinnere mich, dass meine Eltern eine harmonische Ehe geführt haben. Ich war deren einziges Kind. Ich liebte meine Eltern über alles. Meine Mutter war wie ein sanfter Engel, und so unbeschreiblich schön. Von jedem Mann wurde sie bewundert. Und mein Vater war so stark. Für mich war er wie ein Held, der mich immer beschützen würde, dementsprechend auch mein Vorbild. Wir lebten in einer Stadt, die recht groß war. Wir hatten viele Nachbarn. Ich genoss das Leben dort. Ich hatte Spielkameraden. Wie viele, weiß ich gar nicht mehr. Ich kann mich nicht an viele glückliche Zeiten erinnern. Als ich 6 oder 7 Jahre alt war, begannen nacheinander die Schattenseiten in mein Leben zu treten.“

Vaughns Augen verdüsterten sich. Am liebsten hätte Chelsea ihn sofort ihn den Arm genommen, blieb aber sitzen.
 

„Mein Vater war Glaser. Er konnte die schönsten Formen aus Glas herstellen, die du je in deinem Leben gesehen hast. Nebenbei stellte er Anhänger her, wie den, den ich dir geschenkt habe. Vermutlich habe ich daher mein handwerkliches Geschick. Wie dem auch sei, mein Vater verdiente mit seiner Arbeit ziemlich gut. Er hatte viele Kunden und auch regelmäßige Kundschaft, die ihm Aufträge erteilten. Alles verlief gut, bis an jenen Tag.

Es war spät abends, als mein Vater seinen Laden abschloss. Kaum war er gegangen, stiegen einige Typen, ich weiß nicht wer, in seinem Laden ein und verwüsteten alles. Ausnahmslos alles ging zu Bruch. Als wäre das nicht genug, zündeten sie am Ende den ganzen Laden an. Das Feuer war meilenweit zu sehen. Mein Vater stand davor und konnte nur dem Zerfall zusehen. Danach veränderte er sich. Der Laden konnte nicht mehr aufgebaut werden. Meine Mutter erfuhr dann auch, dass ihr Mann Spielschulden hatte. Davon hatte sie all die Jahre nichts gewusst. In dieser Nacht hatten wir unser Kapital verloren. Mein Vater ergoss sein Leid in Alkohol. Irgendwann wurde er süchtig. Meine Mutter hatte versucht unser Leben normal weiter laufen zu lassen, mir zuliebe. Jedoch war sie alleine nicht stark genug. Und Verwandte um Hilfe bitten, konnte sie nicht, dafür war sie zu stolz. Knapp ein halbes Jahr später…“

Vaughn schluckte kurz.

„…ist mein Vater zum ersten Mal gewalttätig geworden. Ich erinnere mich noch sehr genau daran, wie ich an einem Abend zu spät nach Hause gekommen bin. Meine Mutter hatte sich Sorgen gemacht. Mein Vater hatte an diesem Abend mehr getrunken als sonst. Aus einer Kurzschlussreaktion heraus, brüllte er mich an, dass ein solches Benehmen nicht akzeptabel wäre. Er bugzierte mich in mein Zimmer und schloss die Tür ab. Meine Mutter wollte hinterher, konnte aber nicht rein. Von da an sah ich nur noch etwas Schwarzes, dass durch die Luft sauste. Plötzlich spürte ich einen Schmerz auf meinem Rücken. Dieser Schmerz wurde immer heftiger. Irgendwann registrierte ich, dass ich weinte und schrie. Ich erkannte, dass mein Vater mich mit seinem Gürtelriemen schlug. Bloß war ich zu klein, um mich zu wehren. Ich hörte meine Mutter weinen. Doch sie konnte nichts dagegen tun. Von da an geschah es häufiger. Ganz egal, was ich anstellte, er fand immer einen Grund. Es hörte erst auf, als meine Eltern bei einem Verkehrsunfall ums Leben kamen. Wie durch ein Wunder hatte ich überlebt. An Einzelheiten erinnere ich mich nicht. Ich kam dann in ein Kinderheim.

Allerdings konnte ich keinen Anschluss finden. Ich war nicht in der Lage jemanden zu vertrauen. Erwachsenen schon gar nicht. Die Erzieher hatten es sehr schwer mit mir, weil ich auch nicht viel sprach.“
 

Vaughn schwieg. Er fühlte, wie ihm ein Stein vom Herzen fiel. Solange brannte es in seiner Seele. Endlich war es raus. Nach kurzem Zögern traute er sich, Chelsea anzusehen.

Sie weinte.
 

„Chelsea, geht es dir gut? Ich…“ Besorgt sprang Vaughn von seinem Stuhl auf, der dabei nach hinten fiel. Der junge Mann ging vor Chelsea in die Knie.

„Chelsea, ich wollte dich nicht erschrecken.“
 

„Bin ich aber. Am meisten allerdings schockiert, dass ein Vater seinem eigenen Kind so etwas Schlimmes antun kann.“ Das junge Mädchen schniefte. Unaufhaltsam flossen ihre Tränen, die gar nicht mehr aufhören wollten.
 

„Chelsea, kann ich etwas tun? Wenn es dir besser geht, kannst du auch gehen.“
 

„Rede doch keinen Unsinn!“, rief Chelsea zwischen ihren Tränen aus.

„Ach, Vaughn. Dann warst du die letzten Jahre immer allein gewesen.“
 

Beide sahen sich schweigend an. Vaughn nickte bestätigend. Dann sprang Chelsea vom Stuhl auf und fiel Vaughn um den Hals. Er verlor für einen Moment sein Gleichgewicht und landete auf seinem Gesäß mit Chelsea in den Armen.

Hemmungslos weinte sie, während Vaughn versuchte sie zu trösten.
 

„Vaughn?“
 

„Ja, Chelsea?“
 

„Darf ich jetzt wieder bei dir sein?“
 

Zum ersten Mal an diesem Tag lächelte Vaughn. Eine Träne rann ihm übers Gesicht.
 

„Ja. Darfst du.“

<>
 

„Erstmal möchte ich sagen, dass es mir Leid tut. Das ich dich so abrupt weggeschickt habe, das war ich nicht fair von mir.“
 

Mark und Nathalie saßen auf der Veranda und streichelten geistesabwesend Toto, der an deren Füßen hechelte.
 

„Deswegen brauchst du dich nicht entschuldigen.“
 

„Doch, Mark. Wir sind schon seit einiger Zeit zusammen und trotzdem habe ich mich so mies verhalten. Ich schäme mich.“
 

„Bitte, Nathalie, dafür besteht kein Grund.“
 

„Schon wieder bist du so verständnisvoll. Dabei verdiene ich das nicht immer.“
 

„Wie kommst du darauf? Du bist mir wichtig, Nathalie. Ich habe dich sogar lieber, ja sogar lieber als meine Schwester.“ Aufrichtig sah er sie an.
 

Eine Träne rollte Nathalie übers Gesicht.
 

„Mark, ich…bitte lass mich dir erklären das…Es ist irgendwie noch neu für mich. Ich war so überglücklich und überrascht gewesen, als du mir deine Liebe gestanden hast, dass ich seitdem auf eine unbewusste Art, dennoch fassungslos war. Die ganze Zeit dachte ich, müsste ich jeden Moment aus einem Traum aufwachen, als dies aber nicht geschah, sondern es immer schöner mit dir wurde, habe ich, dass irgendwie nicht mehr begreifen können. Versteh mich nicht falsch! Ich mag dich, sehr sogar und bin wahnsinnig gerne in deiner Nähe. Ich hatte Angst dich zu verlieren. Fast jeden Tag rechnete ich damit. Ich kenne den Grund dafür nicht. Ich weiß ihn nicht.

Doch die letzte Woche ohne dich, habe ich kaum ausgehalten. Ich habe mich danach gesehnt in deinen Armen zu liegen. Ich wollte von dir geküsst werden. Ich wollte, dass du mir meine Angst nimmst, denn ich glaube, dass nur du allein dazu in der Lage bist.

Bitte, Mark. Wenn es nicht zu viel verlangt ist, halt mich bitte fest.“
 

„Meine Nathalie.“ Wie sie es von ihm wollte, zog er das mittlerweile verheulte Mädchen zu sich. Kräftig schlang er seine Arme um sie und drückte sie fest an sich.
 

„Nathalie. Es ist alles gut. Mach dir keine Sorgen. Ich werde immer bei dir sein.“
 

„Ich weiß. Ach, Mark! Ich war so dumm, so dumm. Kannst du mir verzeihen?“
 

„Das brauche ich nicht. Ich selber hatte das Gefühl dich bedrängt zu haben und müsste mich normalerweise bei dir entschuldigen.“
 

„Keineswegs, Mark. Du hast nichts falsch gemacht.“
 

„Dann schlage ich vor, dass wir dieses Zerwürfnis einfach vergessen. Lass uns nochmal von vorn anfangen.“
 

Nathalie schüttelte den Kopf.
 

„Nicht von vorn, Mark. Es gibt nämlich noch was, was ich dir beichten muss.“
 

„Was denn?“ Gespannt sah er seine Freundin an.
 

„Bevor du mich gleich küsst, möchte ich dir sagen, dass…dass ich…Ich liebe dich.“
 

Ohne eine Antwort von Mark abzuwarten, hob Nathalie ihren Kopf und versiegelte seine Lippen mit ihren. Mark, der so überrascht von Nathalies magischen Worten war, fühlte sich einen Moment überrumpelt, bis er schließlich den Kuss erwiderte.
 

<>
 

Vaughns Emotionen hatten eine neue Ebene erreicht. Nachdem seine Eltern gestorben waren, hatte er nie irgendeiner Menschenseele von den Schlägereien seines Vaters erzählt. Er hatte immer gedacht, dass er sich dessen, was geschehen war, schämen müsste. In all den Jahren, in denen er andere Kinder aufwachsen sah und sie anscheinend keine Sorgen hatten, wuchs in Vaughn das Gefühl, dass er anders war als die anderen. Mit gleichaltrigen konnte er sich nicht anfreunden. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es den anderen genauso erging wie ihm. Obwohl er in einem Kinderheim aufwuchs und jedes Kind seine eigene traurige Geschichte mit sich herum trug, sah er sich dazu nicht in der Lage andere in seine Nähe zu lassen. Unbewusst hatte er nach wie vor Angst, dieselben Qualen noch einmal zu erleben, obgleich sein Vater nicht mehr am Leben war. Denn wer konnte garantieren, dass nicht auch Fremde dazu in der Lage waren. Somit distanzierte sich Vaughn vom sozialen Umfeld. Er sprach nur, wenn er direkt gefragt wurde, sonst nicht.
 

Doch alles änderte sich, als er auf die Sonnenschein-Insel kam. Er hatte Chelsea getroffen. Ein Mädchen, welches ihn vom ersten Treffen an, verzauberte, ohne es gemerkt zu haben. Er spürte, dass sie irgendwie anders war, als die anderen Mädchen, denen er bisher begegnete. Es musste erstmal eine gewisse Zeit vergehen, bis er bemerkt hatte, dass sie ihm unglaublich wichtig geworden war. Dieses Mädchen, und keine andere, hatte es geschafft, ihn aus seiner Isolation rauszuholen. Vaughn hatte eigentlich nicht vorgehabt, Chelsea von seiner Vergangenheit zu erzählen. Er hatte befürchtet, dass sie sich von ihm komplett abwenden würde. Denn ein geschändetes Kind bekam immer Mitleid. Und Mitleid war im Grunde genau das, was er nicht wollte. Zudem hatte er befürchtet, dass Chelsea ihn wohlmöglich nicht mehr als Mann ansehen würde, wenn sie erstmal davon erfuhr. Wie es aussah, schien aber das Gegenteil der Fall zu sein. Chelsea hatte sich nicht von ihm abgewendet. Ihr Blick war genauso gewesen, wie sie ihn immer angesehen hatte. So freundlich und so offen. Sie machte ihm keinen Vorwurf, für das, was geschehen war. Nach wie vor wollte sie um jeden Preis bei ihm sein.

Und Vaughn ging es ebenso.

Ein langer Weg

17. Ein langer Weg
 

„Vaughn? Ist dein Korb schon voll?“
 

Chelsea und Vaughn befanden sich an diesem sonnigen Nachmittag im Wald und suchten nach essbaren Pilzen. Anhand von Bildern und Beschreibungen, versteht sich. Schließlich wollte keiner von ihnen Gefahr laufen, giftige zu verzehren.
 

„Noch nicht ganz. Hier sind auch nicht mehr soviele. Lass uns eine andere Stelle suchen gehen.“
 

„In Ordnung. Ein Glück ist das Wetter heute so gut. Dabei wurde eigentlich Regen angesagt.“
 

„Ist doch gut für uns, wenn dem nicht so ist. Komm mit, Chelsea. Was hältst du davon, wenn wir diese Richtung einschlagen? Ich glaube, dass er zur Bergmiene führt.“
 

„Das stimmt. Ich bin einverstanden. Ich freue mich ja so, dass du heute frei hast.“
 

Der junge Mann lächelte. Seitdem er ihr von seiner Vergangenheit erzählt hatte, hatten sie sich jeden Tag gesehen, auch wenn es nur für eine Stunde gewesen war. Von Tag zu Tag kamen sie sich näher. Vaughn war ihr gegenüber keineswegs mehr distanziert, sondern sprach offen mit ihr. Was er für sie empfand, behielt er nach wie vor noch für sich. Irgendwie schien ihm dafür noch nicht der richtige Zeitpunkt gekommen zu sein.
 

„Ja, ich mich auch.“, gab Vaughn zu.
 

„Was hatte mein Bruder vorhin überhaupt zu dir gesagt? Es schien etwas Ernstes zu sein.“
 

„Oh, das.“
 

„Vaughn, ich warne dich nur einmal. Wenn meine Schwester wegen dir noch einmal weinen muss, sie sonst irgendwie Kummer hat oder du sie schlecht behandelst, bekommst du es mit mir zu tun. Nur damit wir uns richtig verstehen.“
 

Der junge Mann hatte dem zugestimmt. Diesbezüglich blieb ihm keine andere Wahl. Er wollte in Chelseas Nähe sein. Schon allein deswegen, würde er alle Risiken in Kauf nehmen. Außerdem hatte er sich geschworen, Chelsea nie wieder allein zu lassen oder sie zu verletzen. Er wollte für sie da sein, denn er spürte, dass er sie selber brauchte. Sie war die Eine, auf die er unbewusst gewartet hatte. Er war lange genug allein gewesen.
 

„Mach dir keine Gedanken, Chelsea. Ich soll darauf achten, dass ich dich immer gut behandle.“
 

„Ach so.“ Chelsea wurde rot. „Wie auch immer. Nutzen wir den Tag weiter aus.“
 

Mit Elan setzten sie ihren Weg fort. Dabei bemerkte keiner von ihnen, dass allmählich dunkle Wolken aufzogen, die schleichend näher kamen.
 

<>
 

„Mutter? Ich muss mit dir reden.“
 

„Selbstverständlich Nathalie. Eine Minute noch, dann habe ich die Wäsche komplett aufgehangen.“
 

„Ich warte in der Küche.“

Dem jungen Mädchen stand ein unbehagliches Gespräch bevor. Zumindest empfand sie es, als solches. Immerhin hatte sie ihrer Mutter noch nie in ihrem Leben beichten müssen, dass sie einen Freund hatte. Doch Nathalie hatte sich endlich dazu durchgerungen, dass es an der Zeit war, dieses offen zuzugeben. Alleine schon, Mark zuliebe. Sofort klopfte ihr Herz. Immer wenn sie an ihn denken musste, geriet es völlig außer Kontrolle.
 

Wie konnte das nur geschehen, fragte sie sich. Wann genau, hatte er mir mein Herz genommen? Einfach so! ich kann mit Worten gar nicht beschreiben, wie glücklich ich bin.
 

In ihren Gedanken versunken, merkte Nathalie nicht, wie ihre Mutter in die Küche kam und sich ihr gegenüber setzte.
 

„Nathalie? Hey, Nathalie? Ist alles in Ordnung mit dir, mein Kind?“
 

„Wie? Was ist?“
 

Das pinkhaarige Mädchen hob ihren Kopf und entdeckte ihre Mutter.
 

„Mutter, du bist bereits da.“
 

„Stimmt etwas nicht? Hast du Sorgen?“
 

„Nein, Mama, wirklich nicht. Es gibt da nur etwas, was ich dir schon länger sagen will. Ich wusste bisher nur nicht, wie ich es ansprechen sollte.“
 

„Worum geht es denn? Ist etwas mit deinem Bruder? Habt ihr euch gestritten?“
 

„Nein, keineswegs. Mutter, mach dir doch nicht immer so viele Sorgen. Elliot und ich streiten schließlich auch nicht den ganzen Tag. Außerdem ist er drüben bei Julia.“
 

„Wenn du selber erstmal Kinder hast, wirst du mich verstehen. Ganz sicher.“ Felicia lächelte.

„Gut, wenn zwischen dir und deinem Bruder keine Probleme sind. Möchtest du auch eine Tasse Tee? Ich finde, dann ist es gleich gemütlicher.“
 

„Doch, warum eigentlich nicht?“
 

Somit stand Felicia kurz vom Tisch auf und setzte den Wasserkocher auf. Nach einer Minute fing das Wasser an zu kochen. Nathalies Mutter nahm zwei Tassen aus dem Schrank, legte jeweils einen Teebeutel hinein und goss heißes Wasser rein. Dann setzte sie sich wieder zu ihrer Tochter an den Tisch. Beide wärmten ihre Hände an der warmen Tasse.
 

„Man merkt doch, dass die Tage langsam kühler werden. Das bringt der Herbst nun mal mit sich.“, sinnierte Felicia.
 

„Das stimmt.“
 

„Also, worüber möchtest du mit mir reden?“ Neugierig sah Felicia, ihre Tochter an.
 

„Ja, also, die Sache ist die.“, druckste Nathalie herum. „Es ist mir ein wenig peinlich, dass zuzugeben, allerdings kann ich es nicht ewig für mich behalten. Kurzum, es geht um Mark.“
 

„Um Mark? Ist zwischen euch was vorgefallen?“
 

„Könnte man so sagen, aber nichts Schlimmes. Eher das Gegenteil. Also, Mama, es ist so, dass Mark und ich, nun ja wir sind…wir sind ein Paar.“
 

Gespannt sah das junge Mädchen ihre Mutter an und wartete auf eine Reaktion von ihr. Allerdings kam sie nicht sofort. Felicia starrte ihre Tochter unentwegt an und brachte keinen Ton heraus. Sie hielt die heiße Tasse in ihren Händen und schien dies gar nicht wahr zu nehmen.
 

„Ähm, Mama? Sag doch endlich was dazu.“
 

Nathalie wurde ungeduldig. So hatte sie sich das Gespräch mit ihrer Mutter nicht vorgestellt. Wäre doch bloß Mark hier, dachte sie. Er würde ihr gewiss Mut machen. Jedoch war es dafür noch zu früh. Ihr Freund würde frühestens in einer halben Stunde eintreffen.
 

„Ich muss sagen, mir fehlen die Worte. Mein kleines Mädchen. Ist es jetzt wohl soweit?“
 

„Mama?“
 

„Ach, Kind. Ich freue mich so. Einen besseren jungen Mann könnte ich mir für dich echt nicht vorstellen.“
 

„Wirklich, Mama?“
 

„Ja, Liebes.“
 

Erleichtert fiel Nathalie ihrer Mutter um den Hals.
 

„Das bedeutet mir sehr viel. Meinst du, dass Opa damit auch einverstanden ist?“
 

„Ganz bestimmt. Du musst dich nur darauf einstellen, dass er seine Autorität sprechen lässt. Mark ebenfalls.“
 

„Übrigens, Mark kommt gleich vorbei. Damit wir uns alle zusammen unterhalten können.“
 

„Das finde ich sehr empfehlenswert. Aber, wie lange seit ihr denn schon zusammen?“
 

„Nun ja. Seit Ende Sommer, Anfang Herbst. Es tut mir Leid, nur ich war noch nicht soweit, es euch zu erzählen.“
 

„Das verstehe ich. Auch wenn ich gewollt hätte, dass du früher zu mir gekommen wärst. Doch, wenn man frisch verliebt, möchte man natürlich soviel Zeit wie möglich alleine gemeinsam verbringen.“
 

„Du bist also nicht böse auf mich?“
 

„Selbstverständlich nicht. Eigentlich erleichtert. Deinem Großvater, mir und Elliot ist seit geraumer Zeit aufgefallen, dass du uns irgendwas verheimlichst. Aber quäle dich nicht mit Schuldgefühlen, die brauchst du wahrlich nicht zu haben.“
 

„Danke, Mutter. Ich bin ebenfalls erleichtert, dass es jetzt endlich raus ist.“
 

In diesem Moment klingelte es an der Tür. Abrupt horchte Nathalie auf.
 

„Das wird bestimmt Mark sein. Ich bin gleich wieder da.“
 

„Nur keine Eile, Schatz. Es hat alles seine Zeit.“

Die fürsorgliche Mutter lächelte in sich hinein. Ach, die junge Liebe, dachte sie. Wie schön es wäre, einmal wieder jung zu sein.

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Julia und Elliot sortierten Waren in die Regale im Tiergeschäft ein.
 

„Vielen Dank für deine helfende Hand, Elliot. Und es tut mir Leid, dass wir nicht zusammen ausgehen können. Würde sich meine Mutter heute wohler fühlen, wäre es kein Problem gewesen. Jedoch ist Vaughn auch nicht da. Er ist mit Chelsea unterwegs. Übrigens, deine Idee war spitze gewesen. Beide verstehen sich wieder einwandfrei. Noch dazu ist mein Cousin wie ausgewechselt. Er lacht und spricht erheblich mehr als früher.“
 

„Das freut mich, dass ich euch eine solche Hilfe sein konnte. Außerdem ist es kein Problem, dass wir nicht weggehen können. Wir sind auch so zusammen. Das genügt mir.“
 

„Ach, Elliot. Du bist immer so lieb.“
 

Für eine Sekunde hatte sich Julia mit ihrem Gesicht zu Elliot gedreht und nicht darauf geachtet, ob ihre Hand weit genug im Regalfach war, um die Futterdose sicher auf das Brett zu stellen. Mit einem Poltern landete sie auf dem Fußboden.
 

„Wie ungeschickt von mir.“
 

Zugleich wollte Julia die Dose aufheben. Als sie ihre Hand nach der Dose ausstreckte, kam zusätzlich eine zweite Hand herbei, um die Dose vom Boden zu heben. Sowohl Julia, als auch Elliot erröteten. So nahe waren sie sich noch nie gewesen. Ihre Gesichter waren auf einer Höhe. Sie konnten den jeweiligen Atem des anderen hören. Sehnsüchtig sahen sie sich in die Augen. In Zeitlupe rückten sie ihre Blicke immer näher aneinander. Schmetterlinge flogen in ihren Bäuchen. Die heruntergefallene Dose war vergessen. Was zählte, war allein dieser Moment. Mittlerweile konnten sie den Atem des anderen fühlen. Ihre Lippen zitterten leicht, als sie sich zaghaft zu einem Kuss schlossen.

Ein Gefühl unendlichen Glücks breitete sich in ihnen aus. Endlich waren sie sich so nah, wie sie es schon lange herbeigesehnt hatten. Sie vergaßen Zeit und Raum und gaben sich bedingungslos diesem Augenblick hin.
 

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Im Wald rannten Chelsea und Vaughn so schnell sie konnten, um einen trockenen Unterschlupf zu finden. Tatsächlich hatte noch der Regen eingesetzt. Urplötzlich waren sie davon überrascht worden.
 

„Verdammt aber auch. Es hielt sich doch so schön.“
 

„Fluchen bringt leider auch nichts. Suchen wir weiter.“, erwiderte Vaughn.
 

„Ja…Oh! Schau mal! Da ist die Höhle, wo wir schon mal Schutz gesucht hatten.“
 

„Dann lass uns schnell zu ihr rennen.“
 

Beide schlugen eine scharfe Kurve nach links ein. Dabei verlor Chelsea ihr Gleichgewicht. Sie knickte mit ihrem linken Fuß ein und fiel hin. Ein Schmerz schoss ihr durch den Knöchel.
 

„Chelsea! Mein Gott! Geht es dir gut?“, besorgt bückte sich Vaughn zu Chelsea runter.
 

„Au! Mein Fuß. Er tut ziemlich weh.“
 

„Bist du in der Lage aufzustehen?“
 

„Ich kann es versuchen.“
 

„Ich helfe dir. Halt dich an mir fest.“
 

Das verletzte Mädchen klammerte sich an Vaughn und versuchte mühevoll aufzustehen. Als sie ihren linken Fuß belastete, knickte sie sofort wieder ein, doch Vaughn hielt sie mit seinen kräftigen Armen fest.
 

„Ich fürchte, dass ich erstmal nicht laufen kann.“, gestand Chelsea.
 

„Dann halt dich an mir fest. Ich stütze dich.“
 

Behutsam führte der junge Mann Chelsea zur Höhle. Dort ließ er sie sanft auf den Boden nieder.
 

„Danke, Vaughn.“

Er setzte sich neben sie.
 

„Keine Ursache. Tut es sehr weh?“
 

„Es geht schon. So lange ich nicht auftrete.“, gequält lächelte Chelsea Vaughn an. Er bemerkte es natürlich und legte mitfühlend seinen rechten Arm um sie.
 

„Du kannst mir ruhig sagen, dass du Schmerzen hast. Das ist in Ordnung.“
 

„Aber Vaughn, ich…“
 

„Ganz ruhig. Lehn dich an mich. Wir warten bis der Regen aufgehört hat. Dann bring ich dich nach Hause. Besser, gleich zum Arzt. Einverstanden?“ Liebevoll schaute Vaughn Chelsea in die Augen.

Daraufhin errötete sie, war allerdings einverstanden. Mit rasenden Herzen lehnte sich das schüchterne Mädchen an die Schulter des jungen Mannes. Mit einem Mal fühlte sie sich geborgen und sicher. Eng kuschelte sie sich an ihn. Es war einfach unglaublich schön. Solange Vaughn bei ihr war, würde alles wieder gut werden.
 

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Drohend musterte Taro Mark, der ihm im Wohnzimmer der Familie gegenüber saß. Mark fühlte sich zunehmend unwohler. Der bohrende Blick des alten Mannes, ließ sich nur schwer deuten. Eigentlich hatte der junge Farmer gehofft, dass es viel einfacher sein würde und weniger kompliziert. Demnach war anscheinend nicht so. Seit geschlagenen zehn Minuten verharrten sie schweigend in dieser Position. Ein Glück für Mark, saß seine Nathalie neben ihm. Er konnte spüren, dass auch sie nervös war, hielt aber die ganze Zeit über seine Hand fest. Diese Tatsache beruhigte ihn ungemein.
 

„So.“, richtete Taro das Wort endlich an das junge Paar. „Ihr seid also ein Paar. Ich bin enttäuscht, dass ihr es nicht eher gesagt habt, aber nun denn. Daran kann man jetzt auch nichts mehr ändern. Wie dem auch sei, ich gebe euch einen Rat, also hört gut zu.“
 

Aufmerksam sah das Paar den alten Mann an, selbst Felicia richtete ihren Blick auf ihn.
 

„Seid gut zueinander. Habt gegenseitigen Respekt und akzeptiert die Fehler des anderen. Ich bin mir sicher, dann wird eurem Glück nichts im Wege stehen. Eine Warnung an dich Mark, da du mit meiner Enkelin gehst, verpflichte ich dich hiermit, immer sehr gut auf sie aufzupassen. Sollte sie wegen dir Leiden, bekommst du meinen Gehstock zu spüren.“
 

Bestätigend hob er ihn einmal hoch.
 

„Jawohl, Sir!“ Erleichtert atmete Mark auf. Es verlief doch alles gut. Er konnte weiterhin bei seiner Nathalie sein. Alles andere würde sich daraus ergeben.

Zufrieden lächelte sich das junge Paar an. Über Felicias Wange rann eine einzelne Träne vor Freude und Erleichterung. Sie wünschte ihrer Tochter alles Gute. Möge Mark sie glücklich machen, so wie ihr verstorbener Mann es getan hatte.
 

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Es regnete immer noch. Allerdings ließ der Regen bereits nach. Hoffnungsvoll sah Vaughn zum Himmel hinauf, soweit es ihm aus der Höhle möglich war.
 

„Es scheint sich langsam aufzuklaren.“
 

„Mmm.“
 

„Ist alles in Ordnung, Chelsea?“
 

„Ja! Natürlich. Immerhin bist du bei mir. Alleine hätte ich gewiss ein wenig Angst.“
 

„Das sind wir beide nicht.“
 

Zärtlich streichelte Vaughn dem braunhaarigen Mädchen übers Haar. Chelsea zitterte leicht, genoss aber diese sanfte Berührung.
 

„Vaughn? Was ich dich noch fragen wollte.“
 

„Ja?“
 

„Hatten eure Nachbarn denn nichts mitbekommen? Ich meine, es muss doch jemanden aufgefallen sein, wie dein Vater sich verändert hatte, oder?“
 

Vaughn überlegte ganz kurz. Für einen Moment wurde seine Miene wieder ernst. Augenblicklich bereute Chelsea ihre unüberlegte Frage.
 

„Entschuldige. Ich wollte dich nicht daran erinnern.“
 

„Ist schon gut. Das macht mir nichts.“ Unwillkürlich zog Vaughn Chelsea enger zu sich heran und atmete ihren blumigen Geruch ein. Seine Stimme war klar als er ihr antwortete.

„Ich bin mir absolut sicher, dass es jemanden aufgefallen sein muss. Wenn dem so war, hatte es sich keiner anmerken lassen. In einer Stadt ist sich jeder selbst der nächste, da achtet man relativ gering auf seine Mitmenschen.“
 

„Darf ich dann noch fragen, warum deine Mutter keine Hilfe geholt hatte? Es muss sie doch ziemlich belastet haben.“
 

„Sicher, hat es das. Wie bereits gesagt, war sie einerseits eine stolze Frau gewesen. Andererseits hatte sie gegen ihren Willen, meinen Vater geheiratet. Ihr Vater, sprich mein Großvater, soll diese Bindung nie akzeptiert haben. Näheres weiß ich nicht. Meine Mutter hatte kaum von ihm gesprochen. Und Mirabelle hatte ihre eigene Familie.“
 

„Ich glaube, ich verstehe.“
 

Einen Moment schwiegen beide. Jeder hing seinen Gedanken nach.
 

„Chelsea?“
 

„Hmm?“
 

„Darf ich für immer bei dir sein?“
 

Erstaunt blickte das junge Mädchen auf. Mit dieser Frage hatte sie nicht gerechnet. Vaughn lächelte sie an und sah ihr tief in die Augen. Das junge Mädchen verlor sich für einige Sekunden in seinen violetten Augen.
 

„Ja.“, flüsterte sie. „Das darfst du.“ Glücklich schmiegte sie sich erneut an ihm.

Vaughn fühlte sich mit einem Mal endlich zu Hause. Nach all der qualvollen Zeit und einsamen Jahre, hatte er endlich einen Ort gefunden, an dem er sich geborgen und heimisch fühlte. Die lange Reise war nun vorbei. Er hielt das Mädchen in den Armen, die seine Schmerzen und dunklen Erinnerungen vergessen ließen. An deren Stelle traten Freude, Glück, Wärme und Liebe für dieses Mädchen.

Behutsam hauchte er ihr einen leichten Kuss auf die Stirn. Chelsea weitete vor Staunen ihre Augen und empfand ebenfalls ein Gefühl von Liebe. Sie war sich nun sicher, dass Vaughn der Eine war, mit dem sie zusammen sein wollte.

Als der Regen dann aufhörte, wurde ihr ein bisschen wehmütig ums Herz. Vergas diesen Gedanken allerdings wieder, als Vaughn sie bestimmt aufforderte auf seinen Rücken zu klettern, damit sie ihren Fuß schonen konnte.

Mit verliebten Gedanken schlang Chelsea ihre Arme um ihn. Sie hoffte, dass sie nicht all zu schnell zu Hause ankommen würden. Denn diesen Moment wollte sie so lange wie möglich genießen und für immer in ihrem Herzen bewahren.

Gesucht und gefunden

18. Gesucht und gefunden
 

Das Leben auf der Sonnenschein-Insel hatte sich auf den ersten Blick nicht sonderlich geändert. Schaute man genauer hin, konnte man allerdings erkennen, dass irgendetwas anders war. Nach wie vor verrichtete man routinemäßig seine Arbeit und ging seinen täglichen Pflichten nach. Nur das Allgemeinwohl der Bewohner hatte sich bei einigen deutlich verändert.

Unter den jungen Leuten war viel mehr Freude zu erkennen. Diese strahlten eine Form des Glücks aus, die sofort jeden Unbeteiligten in seinen Bann zog. Man fühlte sich automatisch davon angezogen.

Nathalie und Mark konnten endlich ihre gemeinsame Liebe offen zeigen. Jedes ältere Paar fühlte sich bei deren Anblick in ihre eigene Jugend zurückversetzt.

Das zweite neu gefundene Paar, Julia und Elliot, waren noch nicht ganz so ungezwungen, wie Nathalie und Mark, doch man konnte auch bei ihnen tiefe Innigkeit und viel Liebe erkennen, die sich erst noch festigen musste.

Sämtliche Nachbarn, Familienangehörige und viele Inselbesucher beobachteten mit Interesse und Neugier, wie sich deren Beziehungen entwickelten. Außerdem zog ein weiteres Gesprächsthema ähnliche Kreise. Mit Spannung versuchte man herauszubekommen, was sich eigentlich zwischen Chelsea und Vaughn abspielte. Manche behaupteten, es sei eindeutig, andere konnten es sich nicht so leicht vorstellen, ob zwischen ihnen ähnliche Gefühle im Spiel waren, wie bei den anderen Paaren.

Man durfte also gespannt sein.
 

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„Geht es dir schon etwas besser, Mutter?“
 

Julia machte sich Sorgen um ihre Mutter. Seit einiger Zeit plagten der Tierladenbesitzerin Rückenschmerzen. An einem der vergangenen Tage hatte Mirabelle versucht alleine eine schwere Holzkiste zu schleppen, die bis zum Deckel gefüllt war. Dabei setzte das Gewicht der Kiste ihrem Rücken dermaßen zu, dass sie seitdem nicht mehr gerade stehen konnte. Der Arzt auf der Insel verordnete ihr Schmerzmittel. Allerdings hielt Mirabelle nicht all zu viel von Schmerzmitteln, allgemein nicht viel von Medikamenten. Weswegen sie gegen Abend die Anstrengungen des Tages umso deutlicher spüren konnte.
 

„Wie man es nimmt, Julia. Man sollte echt nicht alt werden.“, stöhnte Mirabelle.
 

„Warum nimmst du nicht auch deine Medikamente? Dann würde es dir gleich besser gehen.“, tadelte Julia ihre Mutter vorwurfsvoll.
 

„Fange ich einmal damit an, würde es vermutlich zur Dauertherapie werden.“
 

„Und was ist so schlimm daran? Immerhin könntest du dann wieder wie ein junges Reh durch die Gegend laufen. Von mir aus sogar Seilspringen.“
 

„Ich weiß nicht recht, Julia. Und wenn sie nicht mehr wirken?“
 

„Heutzutage gibt es genügend Präparate, die man wechseln kann, solange es dieselbe Wirkung erzielt. Außerdem, wer hat denn behauptet, dass du sie ein Leben lang nehmen musst? Vielleicht hast du Glück und die Schmerzen verschwinden erstmal wieder. Wer kann das schon genau beurteilen?“
 

„Vermutlich hast du Recht. Wenn ich dir verspreche, die Tabletten regelmäßig zu nehmen, hörst du dann auf so mit mir ins Gericht zu gehen? Ich dachte immer, dafür wäre ich zuständig.“
 

Mutter und Tochter lachten.
 

„Ich verspreche es.“
 

„Gut, damit hätten wir das geklärt. Übrigens, wie geht es Elliot? Ihn habe ich heute gar nicht gesehen.“
 

„Sie hatten soviel Ware heute bekommen, von Chelsea und Mark, dass er heute keine freie Zeit nehmen konnte. Schade, eigentlich. Ich habe ihn vermisst heute.“

Ein wenig traurig blickte Julia aus dem Fenster zu Elliots Haus.
 

„Naja. Dagegen kann man nichts machen. Andersrum, wenn ich soviel zu tun gehabt hätte, hätten wir uns auch nicht sehen können.“
 

„Das gehört zu einer Beziehung mit dazu. Mach dir also keine Sorgen. Elliot ist ein verantwortungsbewusster, hilfreicher und liebevoller junger Mann, er kann sich nicht so einfach vor seiner Verantwortung und seinen Pflichten drücken.“
 

„Das stimmt. Für mein Gefühl kann ich aber nichts. Wir haben uns schon zum Erntefest verabredet. Das werden wir auf jeden Fall gemeinsam genießen.“
 

„Das ist die richtige Einstellung. Apropos Fest. Hat Vaughn Chelsea bereits gefragt?“
 

„Keine Ahnung. Weiß Vaughn denn überhaupt vom Fest?“
 

„Gesagt hatte ich ihm das und das er Chelsea ruhig fragen kann. Der Gute ist ein wenig rot im Gesicht geworden. Er schämt sich immer, wenn ich ihn so frontal überfalle.“
 

„Manchmal kannst du aber auch sehr gemein sein.“, neckte Julia ihre Mutter.
 

„Was sein muss, muss sein. Manchmal muss man dem jungen Glück eben nachhelfen.“
 

<>
 

Am nächsten Tag beschloss Vaughn nach seiner Arbeit bei der Starry-Sky Ranch vorbeizuschauen, um Chlesea zu besuchen. Er wollte sich mit eigenen Augen vergewissern, ob es ihrem Fuß wieder besser ging. Als er sie zum Arzt gebracht hatte, hatte er ihnen erklärt, dass sie ihn einige Zeit nicht belasten durfte. Selbstverständlich hatte sich Chelsea darüber aufgeregt, was sollte denn mit ihrer Arbeit auf der Ranch passieren, wenn sie diese nicht erledigen konnte. Aufgrund dessen hatte sich Vaughn sofort angeboten, auszuhelfen, soweit es seine Zeit zuließ. Dummerweise ging es zur Zeit seiner Tante ebenfalls nicht gut, wegen ihrer Rückenschmerzen, weswegen er alle Hand im Tiergeschäft zu tun hatte. Neben seiner eigentlichen Arbeit nur mit den Tieren. Trotzdem war es ihm gelungen ein wenig auf der Ranch auszuhelfen. Nathalie hatte auch geholfen, so gut sie konnte. Dieser Umstand brachte die vier dazu, viel Zeit miteinander zu verbringen. Immer wenn Vaughn Nathalie und Mark beobachtete, ertappte er sich bei dem Gedanken, wie schön es doch wäre, mit Chelsea genauso vertraut zu sein. Allerdings hatte der junge Mann sich nach wie vor noch nicht getraut, Chelsea seine Gefühle zu gestehen.

Er war darin zu unerfahren. Wie oft gestand man einer Frau schon seine Gefühle? Gewiss nicht alle Tage.

Dennoch hatte die Nähe ihm unglaublich gut getan. Sie bei sich zu Hause zu sehen und zu erleben, hatte in ihm etwas berührt, dass er sich wünschte für immer bei ihr zu bleiben.

Mit diesem Gedanken durchschritt Vaughn das Tor zur Ranch. Als er sich dem Haus näherte, konnte er bereits das braunhaarige Mädchen erkennen, welches auf der Veranda saß und las.
 

„Hallo, Chelsea. Komme ich ungelegen?“
 

„Hi, Vaughn! Nein überhaupt nicht. Setzt dich doch.“ Das junge Mädchen freute sich außerordentlich ihren Geliebten zu sehen und bot ihm einen Stuhl an.
 

„Danke.“
 

„Kann ich dir etwas zu Trinken anbieten?“
 

„Nein, danke. Bloß keine Umstände. Wie geht es denn deinem Fuß?“
 

„Schon viel besser. Ich denke, dass ich ab morgen wieder arbeiten kann. Es tut kaum noch weh, wenn ich ihn aufsetze.“
 

„Das freut mich zu hören. Und was liest du da spannendes?“
 

„Ich blätter gerade in dem Kochbuch, was mir Pierre zum Geburtstag geschenkt hatte. Ich dachte mir, dass es mal wieder an der Zeit ist, ein neues Gericht auszuprobieren. Das bevorstehende Erntefest hat mich darauf gebracht.“
 

„Ach so, Pierres Buch.“ Sofort bekam Vaughn wieder dieses eigenartige Gefühl, wenn Chelsea von Pierre sprach. Es passte ihm einfach nicht, wie sie seinen Namen aussprach. Noch dazu, dass sie etwas von IHM in ihren Händen hielt. Selbst wenn er wusste, dass es ein Geburtstagsgeschenk gewesen war.
 

„Stimmt etwas nicht, Vaughn?“
 

„Alles bestens.“
 

„Sicher? Mir kannst du nichts so leicht vormachen. Dir passt es nicht, wenn ich von Pierre spreche, oder?“ Forschend sah Chelsea ihn an. Vaughn wunderte sich noch nicht einmal darüber. Vor ihr kann man nichts geheim gehalten. Mit einem Mal lächelte er.
 

„Du hast Recht. Ich kann dir nichts vormachen. Ich weiß zwar, dass es ein Geschenk von ihm ist, trotzdem gefällt es mir nicht. Dieser Gedanke stört mich einfach. Leider kann ich ihn nicht so einfach abschütteln.“
 

„Aber was genau meinst du denn? Pierre und ich sind nur Freunde.“
 

„Das weiß ich. Es ist nur so, dass…das es mir nicht gefällt, wenn du von anderen Männern sprichst. Außerdem denke ich, dass ich dir auf irgendeine Art und Weise nicht gut genug bin.“
 

„Vaughn. So etwas darfst du nicht denken. Du wirst mir immer wichtig sein.“, lenkte das junge Mädchen ein.
 

„Ich freue mich, dass du das sagst. Chelsea, ich…“ Vaughn sah ihr tief in die Augen und beugte sich näher zu ihr rüber. Dabei ergriff er, eine Hand von ihr und hielt sie fest.

Prompt errötete Chelsea.
 

„Chelsea, du musst wissen, dass ich dich unheimlich mag. Ich will dich nicht verlieren. Ich will, dass du an meiner Seite bist.“ Eindringlich sah er sie an.
 

„Vaughn, ich…mir geht es doch genauso.“, gab Chelsea zögerlich zu.
 

„Dann tu mir bitte einen Gefallen.“

„Welchen denn?“
 

Langsam stand Vaughn auf und zog Chelsea mit hoch, dabei ließ er sie kein einziges Mal aus den Augen.
 

„Ich möchte dass du nur noch Gedanken für mich hast.“
 

Diesen Satz flüsterte Vaughn fast. Während er sprach, hatte er Chelsea näher zu sich herangezogen. Eine Hand von ihm lag ihr auf dem Rücken, die andere ruhte auf ihrer linken Wange. Langsam hatten sich ihre Gesichter genähert. Chelseas Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie fühlte sich, wie in einem Rausch. Ihr Verstand setzte aus. Sie fühlte nur noch. Sie spürte Vaughns Atem immer näher kommen. Sie konnte seinen angenehmen Duft wahrnehmen, der ihr die Sinne raubte. Dann, als ihr Herz einen Schlag aussetzte, fühlte sie seine Lippen auf den ihren. Sofort fing es in ihr an zu Kribbeln. Dieses Kribbeln breitete sich in ihrem gesamten Körper aus. Solange hatte sie auf diesen Moment gewartet. Wie lange sie ihn schon herbeigesehnt hatte, wusste sie nicht mehr. Was zählte, war dieser Moment, der ihren Traum wahr werden ließ.

Als sich ihre Lippen wieder voneinander lösten, ließ sich Chelsea gegen Vaughns Brust fallen. Er umarmte sie mit beiden Armen und hielt sie fest an sich gedrückt.
 

„Ich bin so glücklich, Vaughn.“, flüsterte Chelsea nach einer Weile.
 

„Ich auch.“, gab Vaughn zu. „Ich auch.“
 

<>
 

Nathalie und Mark gingen Hand in Hand gegen Abend am Fluss spazieren und beobachteten, wie der Horizont sich allmählich rot färbte von der untergehenden Sonne.
 

„Es ist so friedlich heute.“, sagte Nathalie.
 

„Ja.“, bestätigte Mark ihr. „Und das Schönste ist, dass du diesen Moment mit mir gemeinsam verbringst.“
 

„Bring mich doch nicht immer so in Verlegenheit.“ Das junge Mädchen verbarg ihr Gesicht an Marks Schulter.
 

„So langsam müsstest du dich aber daran gewöhnt haben.“, neckte Mark seine Freundin.
 

„Du findest es wohl spaßig.“
 

„Nur ein wenig. Was ich dich fragen wollte, du gehst doch mit mir zusammen zum Erntefest, oder?“

Es war viel mehr eine Feststellung anstatt eine Frage.
 

„Ich dachte schon, du fragst mich nie.“

Überglücklich lachte Nathalie ihren Freund an. Er schaffte es immer wieder, die richtigen Worte zum richtigen Zeitpunkt auszusprechen.

„Natürlich gehen wir zusammen dahin.“
 

„Dann bleibt nur noch eins, um den Tag richtig zu beenden.“
 

„Und was wäre das?“ Neugierig sah das junge Mädchen den Farmer an.
 

„Das hier.“
 

Bestimmt senkte Mark seine Lippen auf die von Nathalie. Eng pressten sich ihre Lippen aufeinander. Ihre Gefühle fuhren Achterbahn und zogen ihre Gedanken in einen Strudel, der alles Unwichtige vergessen ließ. Nathalie schwebte auf diesen Gefühlen. Für nichts auf der Welt würde sie Mark jemals wieder los lassen.
 

„Ich bringe dich nach Hause.“, sprach Mark als der Kuss beendet war.
 

„Jetzt schon?“, fragte das gerötete Mädchen wehmütig. „Es ist doch noch zu früh.“
 

„Ich weiß.“ Mark freute sich, dass seine Freundin dieselben Empfindungen und Gedanken hatte, wie er. „Du hast bestimmt nicht vergessen, dass ich dich pünktlich zu Hause absetzen muss, wenn ich weiterhin mit dir gehen will. Und Ärger mit deinem Großvater möchte ich gerne vermeiden.“
 

„Dann lass uns aber langsam gehen. Bis morgen ist es nämlich zu viel Zeit, bis wir uns wieder sehen können.“
 

„Einverstanden.“
 

Gemütlich setzten sie ihren Abendspaziergang fort.
 

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Auf der Starry Sky-Ranch saßen Vaughn und Chelsea eng aneinander gekuschelt auf der einzigen Bank der Veranda und beobachteten wie die Sonne langsam unterging.

Keine Worte der Welt konnten beschreiben, was das junge Paar gerade fühlte. Ihre Gefühle füreinander umgaben sie und schweißten sie noch näher zusammen.
 

„Vaughn?“
 

„Ja?“
 

„Ich muss gestehen, dass ich damit nie gerechnet hätte, dass wir zusammen kommen würden, als ich dich im Sommer kennen gelernt hatte.“
 

Der junge Mann erinnerte sich. Viel Zeit war seitdem vergangen und soviel war geschehen, mit dem selbst er nicht gerechnet hätte.
 

„Doch ich bin froh, wie es sich entwickelt hat.“, gestand er seiner Freundin und küsste sie auf ihre Stirn.
 

„Ja, ich auch.“
 

Mit ihrer rechten Hand griff Chelsea nach ihrem Pferdeanhänger, den ihr Vaughn zum Geburtstag geschenkt hatte. Sie lächelte als sie an jenen Tag zurück dachte. Dem jungen Mann blieb dies nicht verborgen und legte seine linke Hand auf ihre. Daraufhin sahen sich beide in die Augen.
 

„Das wird sich doch nicht mehr ändern, oder Vaughn?“
 

„Nein. Solange du mich willst, werde ich bei dir bleiben und an deiner Seite sein.“
 

Verliebt lächelte er sie an.
 

„Versprichst du mir das?“
 

„Ich verspreche es.“
 

Dieses Versprechen versiegelten beide mit einem Kuss, der lange andauerte. Als wollten sie damit ihren Gefühlen Nachdruck verleihen. Sie fuhren erst wieder auseinander, als Chelseas Bruder vor ihnen auftauchte. Das junge Paar erschrak.
 

„Himmel, Bruder! Sowas kannst du doch nicht machen!“, herrschte Chelsea ihn an.
 

„Tut mir Leid. Aber das ist der einzige Weg zu unserem Haus. Außerdem, lasst euch von mir nicht stören. Ich gehe dann mal rein.“
 

„Mach bloß, dass du weg kommst.“
 

„Chelsea?“
 

„Ja, Vaughn.“
 

Auch ihm war die Situation gerade ziemlich peinlich gewesen.
 

„Ich glaube, ich gehe dann lieber.“
 

„Was? So plötzlich? Bleib doch noch ein bisschen.“, versuchte Chelsea ihn zu überreden.
 

„Wir sehen uns doch morgen wieder. Außerdem ist es bereits ziemlich spät geworden.“
 

„Na gut.“ Das junge Mädchen musste sich geschlagen geben. Ihr bescheuerter Bruder! Irgendwann zahlte sie ihm das heim.
 

„Ich habe gehört, dass am Wochenende das Erntefest stattfinden wird.“, sagte Vaughn.
 

„Das stimmt. Wir feiern es jedes Jahr. Unsere eigenen Zutaten werden in einem großen Topf gesammelt. Jeder kann etwas beisteuern.“
 

„Hört sich interessant an. Gehst du mit mir dahin?“
 

„Wie? Oh…“ Chelsea errötete. „Natürlich, Vaughn.“
 

„Chelsea?“
 

„Hmm?“
 

„Wir sehen uns morgen.“
 

Noch einen letzten Kuss hauchte er ihr auf die Lippen, bevor er sich für heute von ihr verabschiedete.

In diesem Moment hatte Chelsea ihren Ärger über Mark vergessen und träumte nur von ihrem Vaughn, der ihr seine Liebe gestand.

Das Erntefest

19. Das Erntefest
 

Gannon und Chen wuchteten einen riesigen Topf auf eine dazu passende große Feuerstelle. Der jährlich stattfindende selbst gemachte Eintopf stand wieder vor der Tür. Genauer gesagt, am heutigen Tag. Taro beobachtete die Vorbereitungen für das diesjährige Erntefest.
 

„Sehr schön.“, kommentierte der Bürgermeister, als Chen und Gannon den Topf endlich abgestellt hatten. „Dann fehlen nur noch die Zutaten.“
 

„Und die Gäste.“, rief Pierre den dreien zu.
 

„Pierre? Was führt dich so früh hierher?“, wunderte sich Taro.
 

„Ich konnte es vor Spannung einfach nicht mehr aushalten zu Hause rumzusitzen.“
 

„Das merkt man.“, murrte Gannon, der Pierres zappelige Art nie ganz tolerieren konnte.
 

„Beruhig dich, Gannon.“, sprach Chen. „Er ist noch sehr jung. Seine Leidenschaft ist nun mal das Kochen. Für ihn wieder eine Gelegenheit an seinen Fähigkeiten zu feilen.“
 

„Dagegen habe ich auch nichts.“, versicherte der Zimmermann. „Ich kann es eben nicht leiden, wenn einer nicht stillsitzen kann. Das strapaziert meine Geduld.“
 

„Soviel besitzt du doch davon nicht.“, scherzte Chen und lachte.
 

„Mach dich nur über mich lustig. Du…“
 

„Papa! Papa!“
 

Elisa kam über die Brücke gelaufen, direkt auf ihren Vater zu. Neben ihr lief Charlie.
 

„Elisa. Was macht ihr zwei denn hier? Das Fest hat noch lange nicht begonnen.“
 

„Das wissen wir.“, bestätigte seine kleine Tochter besserwisserisch. „Es geht um die Auberginen. Dürfen wir sie ernten?“
 

„Sind die denn reif? Dieses Jahr habe ich sie später gepflanzt, weil ich es vergessen hatte.“
 

„Können wir es denn nicht ausprobieren?“, fragte Charlie.
 

„Das würde ich nicht machen.“, antwortete Chen seinem Sohn. „Wenn sie noch nicht reif sind, hat sich der ganze Aufwand nicht gelohnt, wenn ihr sie frühzeitig der nährenden Erde entzieht. Am besten lauft ihr rüber zu Mark und Chelsea und fragt die beiden. Die kennen sich schließlich damit aus.“
 

„Ein tolle Idee, Vater. Wir gehen sofort zu ihnen.“
 

„Warte, Charlie! Lass mich nicht zurück!“ Eilig rannten die Kinder wieder fort.
 

„Ach ja, unsere Kinder.“, seufzte Taro.
 

„Was ist denn los, Taro? Warum so niedergeschlagen?“, fragte Chen verwundert.
 

„Heute sind sie noch klein und morgen gehen sie bereits ihre eigenen Wege.“
 

„Du redest von Nathalie und Elliot, nicht wahr?“

„Stimmt genau. Ich frage mich, wo die Zeit geblieben ist. Sie sind so schnell erwachsen geworden.“
 

„So geht es jedem von uns. Deiner Tochter geht es, denke ich, nicht viel anders. Zuerst hat sie ihren Mann verloren, jetzt bauen ihre Kinder ihr eigenes Leben auf. Das muss für sie ziemlich schwer sein, ihre Kinder gehen zu lassen.“
 

„Du hast recht. Es geht mir nur so nahe, weil ich die zwei mit erzogen habe. Sie sind mir ans Herz gewachsen. Das sie mich jetzt nicht mehr brauchen werden, bekümmert mich ein wenig. Trotzdem ist es richtig so. Früher oder später wäre das sowieso passiert.“
 

„Richtig. Wir dürfen sie dann auch nicht festhalten. Ich kann nur sagen, dass ich irgendwann erleichtert sein werde, wenn Charlie erwachsen geworden ist, auch wenn ich gewiss ebenfalls traurig darüber sein werde.“
 

„Mit Elisa wird es mir auch nicht anders ergehen.“, verkündete Gannon. „Ich hoffe, dass sie einen tollen Mann kennen lernen wird, der immer für sie da ist und für sie sorgt.“
 

„Schluss damit!“, rief Taro unvermittelt aus. „Wir tun gerade so, als ob es ein Weltuntergang sei, dem ist aber nicht so. Wir sollten stolz auf unsere Kinder sein. Sie sind alt genug, um ihre eigenen Entscheidungen treffen zu können. Ich vertraue ihnen.“
 

„Das tun wir auch, Taro. Das tun wir.“ Chen und Gannon nickten zustimmend.
 

Danach machten sie sich an die letzten Vorbereitungen für das Erntefest.
 

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Nervös wartete Elliot im Wohnzimmer seiner Freundin auf ihr Erscheinen. Heute hatten sie ihr erstes Date im Beisein von Familie und Freunden. Diese Vorstellung bereitete ihm Unbehagen. Viel lieber wäre er mit seiner Julia allein, anstatt so präsentiert zu werden.

Hoffentlich passiert mir kein Missgeschick, dachte Elliot. Das würde alles gründlich verderben.
 

„Tut mir Leid, dass du so lange warten musstest.“ Julias liebliche Stimme riss ihn aus seinen trübsinnigen Gedanken.

„Ich musste mich noch umziehen. Es hat etwas länger gedauert. Ich konnte mich nicht so richtig entscheiden.“
 

„Kein Problem. Auf dich warte ich immer…Du siehst unglaublich aus, Julia.“
 

Das Mädchen errötete. „Danke. Du aber auch.“
 

„Dir steht es aber besser.“
 

Beide sahen sich verliebt an. Unbemerkt waren sie sich näher gekommen und konnten nun in die Augen des anderen sehen.
 

„Wir sollten aufbrechen.“, durchbrach Julia die Stille.
 

„Einen Moment noch.“
 

„Was denn?“ Neugierig schaute Julia Elliot an.
 

„Ich habe etwas für dich. Ist nichts Besonderes, aber ich dachte, sie würde dir stehen.“
 

Ein wenig unbeholfen überreichte Elliot seiner Freundin ein kleines Päckchen. Gespannt öffnete Julia es. Zum Vorschein kam ein Blumembouquet, welches nicht echt war. Man konnte es aber ums Handgelenk legen. Dem jungen Mädchen verschlug es vor Freude die Sprache.
 

„Wir gehen zwar nicht auf einen Ball,“, erklärte Elliot, der rot anlief. „ aber ich hoffe, dass wir das noch gemeinsam erleben werden, wenn ich denn Tanzen gelernt habe. Allerdings wirst du viel Geduld mit mir haben müssen.“
 

„Ach, Elliot.“ Überglücklich lief Julia in seine Arme. „Das erwarte ich doch gar nicht. Ich bin allein schon glücklich, wenn du bei mir bist. Das genügt mir. Und wenn wir abends spazieren gehen, könnte ich mir nichts Schöneres vorstellen.“
 

„Julia..“
 

Sanft berührten sich ihre Lippen zu einem innigen Kuss.
 

<>
 

Vaughn stand vor Chelseas und Marks Tür und klingelte. Zu seiner Überraschung öffnete Nathalie die Tür.
 

„Hi, Vaughn. Wir warten schon alle auf dich.“
 

„Hallo, Nathalie. Du bist hier?“
 

„Klar. Seit heute morgen helfe ich bei der Ernte. Ziemlich mühselige Arbeit. Aber komm herein. Chelsea ist in der Küche.“
 

Das pinkhaarige Mädchen trat beiseite, damit Vaughn eintreten konnte. Wie es ihm gesagt wurde, begab er sich Richtung Küche, als schon Chelsea um die Ecke zu ihm lief.

Freudestrahlend fiel sie ihm um den Hals.
 

„Vaughn! Ich habe dich vermisst.“
 

„Übertreib nicht so. Es war doch nur ein halber Tag.“, schmunzelte Vaughn.
 

„Für mich war es eine Ewigkeit.“ Chelsea blickte verliebt zu ihm auf. Beide vergaßen für einen Moment alles andere um sich herum.
 

„Ich unterbreche euch nur ungern,“, äußerte sich Mark. „Aber wir sollten uns auf den Weg machen, wenn wir nicht so spät kommen wollen.“
 

Errötend lösten das junge Paar die Umarmung. Zu viert traten sie vor die Tür, als Charlie und Elisa auf sie zu rannten.
 

„Mark! Chelsea! Wir müssen euch was fragen.“
 

„Was ist denn los, Charlie?“, fragte Mark.
 

Keuchend japste der kleine Junge nach Luft. Elisa fand als erste ihre Stimme wieder.
 

„Könnt ihr euch unsere Auberginen ansehen? Wir wollen wissen, ob wir sie schon ernten können.“
 

„Haben wir denn dafür Zeit?“, fragte Nathalie. „Das Fest beginnt bald.“

„Befinden sich die Feldfrüchte bei euch zu Hause, Elisa?“
 

„Ja, Mark. In unserem kleinen Gewächshaus. Mein Papa hatte es gebaut.“
 

„Euer Haus liegt praktisch auf dem Weg. Wir können ja kurz vorbei schauen. Soviel Zeit verlieren wir dadurch auch nicht. Lasst uns den Anhänger nehmen. Da passen wir alle drauf.“
 

„Hurra! Wir reiten.“ Mit Begeisterung in ihren kleinen funkelnden Augen liefen die Kinder vorweg zum Pferdestall. Die vier jungen Leute mussten darüber lachten.
 

<>
 

„Das ist leider noch so früh. Die Auberginen sind noch zu klein. Sie brauchen, ich schätze so, zwei Wochen, dann sind sie reif genug.“, erklärte Mark Elisa.
 

„Oh Mann! Wie doof. Und was können wir jetzt zum Erntefest mitnehmen? Charlie und ich hatten auf die Auberginen gehofft.“
 

„Das ist überhaupt kein Problem. Chelsea und ich haben viel geerntet in den letzten Tagen, davon könnt ihr euch was nehmen.“
 

„Wirklich?“
 

„Natürlich. Bedient euch reichlich aus den Körben, die wir mitgenommen haben.“
 

„Danke Mark! Du bist der beste.“
 

„Ja, Danke! Das ist echt stark!“, stimmte Charlie Elisa zu.
 

Somit war auch dieses Problem gelöst. Alle konnten sich zufrieden auf dem Weg zum Fest machen.
 

<>
 

Auf dem Festplatz trudelten sämtliche Bewohner der Insel ein. Auch Gäste von außerhalb ließen sich diese Gelegenheit nicht entgehen. Der große Eintopf thronte im Zentrum des Platzes. Ein gewaltiges Feuer brannte auf der Feuerstelle. Aus Sicherheitsgründen war selbstverständlich die Feuerwehr anwesend. Ebenso war ein Sicherheitsring gezogen worden, damit Kinder nicht zu nahe ans Feuer geraten konnten.

Nathalie, Mark, Chelsea, Vaughn und die Kinder Charlie und Elisa kamen am Festplatz an, als gerade damit begonnen wurde, die gesammelten Zutaten in den riesigen Topf zu schmeißen.
 

„Sie haben schon angefangen.“, rief Elisa aus. „Schneller Mark! Unser Gemüse muss auch noch rein.“
 

„Keine Sorge, Elisa. Wir sind fast da. Hilfst du mir beim Anreichen?“, beruhigte Mark das ungeduldige Mädchen.
 

„Au ja!“ Ihre kleinen blauen Augen strahlten.
 

„Hey! Und was ist mit mir?“, fragte Charlie, der beleidigt war, da er anscheinend übergangen wurde.
 

„Du natürlich auch. Ich kann jede helfende Hand gebrauchen.“

Sofort war Charlie besänftigt. Beide Kinder freuten sich riesig, Mark zur Hand zu gehen. Der junge Farmer warf Nathalie einen Seitenblick zu. Sie lächelte.
 

Während der Wagen zielgerade auf den Topf zusteuerte, standen Elliot und Julia gemeinsam bei Lanna und Denny, die sich mal wieder stritten.
 

„Ich verstehe das nicht.“, erboste sich Lanna. „Warum kann kein Fisch in den Eintopf? Das schmeckt bestimmt super.“
 

„Das bezweifle ich.“, antwortete Denny. „Es handelt sich immerhin um einen Gemüseeintopf. Den kann man nicht mit Fisch vermischen.“
 

„Sagt der, der vom Kochen Ahnung hat.“
 

„Was regst du dich eigentlich so auf? Es ist nun mal Tatsache.“
 

„Dieser Ansicht bin ich auch.“, versuchte Julia freundlich Lanna zu besänftigen. „Ich verstehe dich ja, dass du Fisch sehr gern hast, aber nicht alles lässt sich mit Fisch kombinieren. Das würde den Geschmack ruinieren.“
 

„Genau.“, bestätigte Denny. „Wenn du willst, können wir zusammen mal eine Fischsuppe kochen. Ich habe ein Rezept von meiner Mutter, dass schmeckt wirklich ausgezeichnet.“
 

„Ist das dein Ernst?“, fragte Lanna und errötete leicht. „Du lädst mich zum Essen ein?“
 

„Naja…nun, so ungefähr.“
 

Denny wurde ein wenig verlegen. So, war sein Angebot normalerweise nicht gemeint, doch, wenn er so darüber nachdachte, warum eigentlich nicht? Mit Lanna hatte er immer viel Spaß, wenn sie zusammen waren. Sie wurde zwar schnell zickig, war aber im Grunde ein hinreißendes und süßes Mädchen, das es nie böse meinte.
 

Julia und Elliot entfernten sich so leise wie möglich von den beiden.
 

„Da haben sich zwei gefunden.“, sagte Julia.
 

„Denkst du das, was ich denke?“, fragte Elliot.
 

„Ich denke schon. Sie sehen gut nebeneinander aus.“
 

„Guck mal! Da vorne sind Chelsea und Vaughn. Und…sie gehen Hand in Hand?“

Elliot staunte mehr als alles andere. Hatte er was verpasst?
 

„Stimmt ja, das wollte ich dir noch erzählen.“, erzählte Julia. „Chelsea und Vaughn sind endlich zusammen.“
 

„Wirklich? Ich hätte nie gedacht, dass das so schnell geht.“
 

„Schnell? Ich finde, es hat ganz schön gedauert, bis die zwei in die Gänge kamen. Im Grunde ist das jetzt aber nebensächlich. Seh sie dir an, sie sehen so glücklich aus. Meinen Cousin habe ich noch nie so ausgelassen gesehen.“
 

Das junge Farmermädchen hatte sich bei Vaughn untergeharkt. Zusammen gingen sie über das Festplatz. Hin und wieder wurden ihnen verstohlene Blicke zugeworfen. Manche schienen überrascht, andere lachten ihnen vielsagend zu. Unter den ganzen Blicken fühlte sich Vaughn ein bisschen unbehaglich. Dieser Gedanke verflog aber recht schnell wieder, als er zu Chelsea runter schaute, die sich an seinen linken Arm geschmiegt hatte. Die Blicke, der anderen schien sie gar nicht wahrzunehmen.
 

„An was denkst du?“, fragte Vaughn seine Freundin.
 

„Hmm? Oh, nichts Besonderes.“, antwortete das braunhaarige Mädchen.
 

„Bist du dir sicher? Du siehst so glücklich aus.“
 

„Das bin ich auch. Sogar sehr.“ Mit verliebten Augen sah Chelsea zu ihrem Freund hoch. „Ich finde, es könnte gerade gar nicht besser sein.“
 

„Nicht ganz.“, widersprach Vaughn. „Besser wäre es, wenn wir zwei jetzt alleine wären.“
 

„Möglich, aber ich freue mich, dass wir zusammen das Fest erleben.“
 

„Ich mich auch.“
 

<>
 

Das Feuer prasselte bereits seit zwei Stunden. Sämtliche Zutaten waren im Topf und kochten vor sich hin. Der gesamte Eintopf sah einfach nur appetitlich aus. Ausnahmslos alle Mägen waren bereits am knurren.

Pierre übernahm die Aufgabe, den Eintopf an alle Gäste zu verteilen. Er schwitze dabei, da er recht nahe am Feuer gestanden hatte, welches inzwischen gelöscht wurde, dennoch stand die Hitze in der Luft.

Die Kinder bekamen zuerst etwas zu Essen, dann die Erwachsenen. Die meisten Familien blieben unter sich und ließen sich den Eintopf schmecken.
 

Taros und Mirabelles Familie saßen zusammen, mit Chelsea und Mark, die man praktisch dazu zählen konnte. Selbstverständlich war Vaughn auch anwesend.
 

„Dieser Eintopf ist einfach umwerfend.“, lobte Felicia das Essen.
 

„Dem schließe ich mich an.“, erwiderte Mirabelle. „Hoffentlich kann ich noch was für zu Hause mitnehmen.“
 

„Bestimmt, Mutter.“ Sagte Julia. „Bis jetzt haben wir jedes Jahr zu viel vom Eintopf gemacht.“
 

„Du hast Recht. Letztes Jahr hatten wir, meine ich, drei Tage vom Eintopf gegessen.“
 

„Wir auch.“, warf Chelsea ein. „Mark war davon sogar noch schlecht geworden. Was Essen angeht, kann er einfach nicht genug bekommen.“
 

„Jetzt erzähl das doch nicht.“, unterbrach Mark seine Schwester.
 

„Ist es dir etwas peinlich?“, neckte Nathalie ihn.
 

„Quatsch!“ Allerdings konnte man deutlich erkennen, dass Mark rot anlief. Alle Anwesenden lachten.
 

„Sag mal, Vaughn,“, sprach Taro den jungen Mann an. „hast du nun vor dauerhaft auf der Insel zu bleiben?“
 

„Nun ja,“, er warf Chelsea einen Seitenblick zu, die ihn ebenfalls musterte. Der junge Mann lächelte. „Ja, ich denke schon. Mir gefällt es hier. Außerdem, habe ich den Eindruck, bin ich unentbehrlich im Tierladen geworden.“
 

„Das stimmt.“, pflichtete ihm seine Tante bei. „Meine Gesundheit ist leider nicht mehr die stabilste. Trotzdem glaube ich, dass der Hauptgrund etwas mit einem braunhaarigen Mädchen zu tun hat.“
 

Vaughns Gesichtsfarbe lief scharlachrot an, aber auch Chelsea war es ziemlich unangenehm so beäugt zu werden.

Doch das Paar wurde nicht ausgelacht, im Gegenteil, jeder von ihnen wünschte den beiden viel Glück.

Die Gesprächsthemen legten sich. Jeder von ihnen genoss den Eintopf und hing seinen eigenen privaten Gedanken nach.
 

Als das Fest vorbei war und sich der Platz wieder leerte, hatten Chelsea und Vaughn beschlossen zu Fuß nach Hause zu gehen, damit auch Nathalie und Mark allein sein konnten.
 

„Vaughn?“
 

„Was gibt es denn?“
 

„Vorhin, als du Taro geantwortet hast, war das doch ernst gemeint, oder?“
 

„Warum fragst du? Weißt du es denn nicht?“ Grinsend sah er seine Freundin an.
 

„Ich möchte es aber gern nochmal hören.“ Flehend sah sie ihn an.
 

„Na gut. Unter einer Bedingung.“
 

„Die wäre?“
 

„Das du mich küsst.“
 

Chelsea nickte. Den ganzen Tag über, waren sie dazu noch nicht gekommen.
 

„Ich werde hier auf der Insel bleiben. Bei dir.“
 

Vorsichtig legte Vaughn seine Lippen auf Chelseas. Eng schmiegte sie sich an ihn und gab sich diesem Kuss hin. Der junge Mann schlang seine Arme um das Mädchen. Er hatte nicht vor sie so schnell wieder los zu lassen. Beide, dachten in diesem Moment nur an sich und schmeckten die Süße des anderen.

Es schien eine Ewigkeit vergangen zu sein, als sie sich wieder voneinander lösten. Glücklich und zufrieden setzten sie gemächlich ihren Weg fort. Der untergehenden Sonne entgegen.

Ich bin immer für dich da

20. Ich bin immer für dich da
 

Allmählich verabschiedete sich der Herbst und mit ihm das prächtige Farbenspiel der Blätter. Sämtliche Bäume wurden kahl, die Luft fing langsam an zu gefrieren. Man konnte leicht den Schnee in der Luft wahrnehmen, der sich ankündigte.

Mit diesem Jahreszeitenwechsel legte sich Ruhe und Stille über die gesamte Sonnenschein-Insel. Das hektische Treiben, welches dem Sommer angehörte und die Vorbereitungen im Herbst auf die kalte Jahreszeit, gehörten der Vergangenheit an.

Was war nicht alles in den letzten Monaten geschehen?

Verträumt lag Chelsea auf ihrem Bett und schaute aus dem Fenster in den Himmel. Es war nach dem Mittag und Chelsea hatte beschlossen kurz in ihrem Zimmer auszuruhen und nachzudenken. Natürlich waren ihre Gedanken bei Vaughn. Wie sollte es auch anders sein?

Geistesabwesend spielte sie mit ihrem Pferdeanhänger, der ihr um den Hals hing.

Was er wohl gerade macht, fragte sie sich. Ich wäre so gerne bei ihm.

Verabredet hatten sie sich für 16 Uhr. Bis dahin waren es noch zwei Stunden. Das braunhaarige Mädchen konnte es kaum erwarten ihren Freund wieder zu sehen und ihm um den Hals zu fallen. Chelsea kicherte bei diesem Gedanken. Ach ja, ihr Vaughn. Wer hätte gedacht, dass es sich jemals so entwickeln würde?

Doch Chelsea war unglaublich froh und absolut glücklich, dass alles so gekommen ist. Sicher, sie hatten ihre Probleme, aber diese wurden erfolgreich bewältigt. Die Zeit würde sie nicht zurück drehen wollen. Keinen einzigen Tag ändern. Es war richtig so. Daran wollte Chelsea nichts ändern. Hoffentlich erfüllte sich somit ihr größter Traum.
 

<>
 

Pünktlich wie immer stand Elliot vor Julias Tür und klopfte. Ein paar Sekunden später wurde sie auch schon von Julia geöffnet.
 

„Elliot, endlich!“ Stürmisch fiel Julia ihrem Freund um den Hals. Er konnte gar nicht so schnell reagieren, was nun geschah, verlor sein Gleichgewicht und fiel samt Julia auf seine vier Buchstaben.
 

„Entschuldige. Habe ich dir sehr wehgetan?“, besorgt schaute Julia Elliot ins Gesicht.
 

„Kein Problem, es geht schon. Ich war darauf nicht vorbereitet.“
 

„Es tut mir Leid. Es ist nur, es ist schon eine Ewigkeit her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben. Da habe ich die Beherrschung verloren.“
 

„Dafür musst du dich nicht entschuldigen. Aber könnten wir erstmal aufstehen? Der Boden ist ziemlich kalt.“
 

„Aber natürlich.“
 

Nachdem beide aufgestanden waren, gingen sie erstmal ins Haus und Elliot konnte sich seiner Jacke entledigen. Als er seine Jacke an den Kleiderharken gehängt hatte, drehte er sich zu Julia, die unmittelbar vor ihm stand und ihn erwartungsvoll anblickte. Selbst Elliot verstand, was es zu bedeuten hatte. Kurzum nahm er Julia in seine Arme, beugte sich zu ihr runter und küsste sie. Kaum hatten sich ihre Lippen berührt, schlang Julia ihre Arme um Elliots Hals und schmiegte sich ganz eng an ihn. Der junge Mann war für einen Moment überrumpelt, gab sich aber ebenfalls inniger diesem Kuss hin und drückte seine Freundin ebenso näher an sich ran. Sie verschmolzen in diesem Moment ineinander. Keiner wollte den anderen wieder los lassen. Wie lange sie so dastanden, wussten sie nicht. Wahrscheinlich noch länger, wenn sich mit einem Mal nicht Vaughn hinter ihnen geräuspert hätte. Sofort fuhr das junge Paar erschrocken auseinander. Peinlich berührt blickten beide zu Boden. Doch Vaughn erging es nicht anders.

„Es tut mir leid euch gestört zu haben, aber diese Tür ist die einzige, die nach draußen führt.“
 

„Wie? Klar, natürlich. Wir gehen dann auch nach oben.“

Eilig nahm Julia Elliot an der Hand und zog ihn mit nach oben zu ihrem Zimmer.
 

„Meine Güte war das gerade peinlich.“, sagte Julia kurz nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte.
 

„Wohl war. Ich wäre am liebsten im Erdboden versunken.“, gab Elliot zu, der immer noch ziemlich rot im Gesicht war.
 

„Tut mir Leid. Ich hatte vergessen, dass Vaughn mit Chelsea um diese Zeit verabredet ist.“
 

„Du musst dich nicht für alles entschuldigen. So etwas passiert nun mal. Allerdings hoffe ich, dass es nicht all zu oft geschieht.“
 

„Dem stimme ich zu.“
 

Um einiges erleichtert setzte sich Julia auf ihr Bett und deutete Elliot an, neben ihr Platz zu nehmen. Sofort erstarrte er.
 

„B-bist du d-dir sicher? Ich nehme auch gerne den Stuhl.“
 

„Sei nicht albern Elliot. Ich möchte nur mit dir hier sitzen und mich dabei an dich lehnen, das ist alles.“, versuchte Julia ihren Freund zu beruhigen. Es stimmte zwar, dass auch Julia etwas mulmig zumute war, doch beide hatten noch nicht vor ihre Beziehung weiter zu vertiefen. Der nächste Schritt konnte definitiv noch warten. Erstmal wollten sich beide in Ruhe näher kommen.

So verbrachten Julia und Elliot den restlichen Tag in ihrem Zimmer und sprachen über alles Mögliche, was ihnen gerade einfiel.
 

„Weißt du Elliot, was ich dir länger schon sagen wollte.“
 

„Was denn?“
 

„Nun ja, an dem Tag, an dem du mich zum Essen eingeladen hast, da war ich so überglücklich gewesen, ich hätte die ganze Welt umarmen können. Außerdem hatte ich seit längerem das Gefühl, dass ich mich zu dir hingezogen fühlte. Es war für mich echt schwer gewesen, mir nichts anmerken zu lassen, weil ich nicht wusste, ob du dasselbe auch für mich empfindest.“
 

„Oh, Julia. Ich muss gestehen, dass es mir nicht anders erging. Seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe, konnte ich nur noch an dich denken. Mein Kopf war randvoll mit Gedanken nur von dir. Immer wenn ich dich gesehen habe, war ich völlig überfordert, ich wusste einfach nicht, wie ich mich dir gegenüber verhalten sollte. Es war mir immer so peinlich, nur ein Wort herauszubringen.“
 

„Dann hatten wir also dieselben Gefühle füreinander und trauten sie nicht auszusprechen?“
 

„Scheint so.“ Elliot zog Julia näher an sich und sah ihr auffordernd in die Augen.

„Julia, was ich dir schon so lange sagen will, ich…“
 

„Ja, Elliot?“ Erwartungsvoll sah Julia ihn an.
 

„Ich…ich liebe dich.“
 

„Elliot, ich…ich…ich dich auch.“
 

Mit diesen Worten schlossen sich ihre Lippen erneut zu einem zärtlichen Kuss und besiegelten somit ihre Gefühle füreinander.
 

<>
 

Ungeduldig lief Chelsea am Tor zur Starry-Sky Ranch auf und ab. Seit einer Viertelstunde tat sie das schon. Das Warten in ihrem Zimmer hatte sie allmählich wahnsinnig gemacht. Hoffentlich kommt er bald, dachte sie sich.

Es dauerte auch nicht mehr lange und Vaughn tauchte in ihrem Blickfeld. Erfreut über seinen Anblick lief sie ihm zugleich entgegen und fiel ihm um den Hals.
 

„Hoppla. Da konnte jemand wohl nicht länger warten.“, neckte Vaughn sie.
 

„Und wie. Aber jetzt bist du da.“
 

„Das stimmt. Ich habe es auch kaum noch erwarten können, dich wieder in meine Arme zu schließen.“
 

„Ach, Vaughn.“ Glückseelig schmiegte sie sich an ihm.
 

„Wohin gehen wir denn?“
 

„An einen schönen Ort, wo alles angefangen hat.“
 

„Was meinst du damit?“, fragend blickte Chelsea zu Vaughn hoch.
 

„Ich erkläre es dir, sobald wir da sind. Aber wir sollten mit Shadow dorthin reiten, dann geht es schneller. Außerdem wird es bereits eher dunkel.“
 

„Na gut. Ist es denn weit?“
 

„In den Bergen. Aber bitte, frag mich jetzt nicht weiter darüber aus. Ich möchte dich schließlich überraschen. Ich hoffe, du fasst es so auf.“
 

„Oh.“ Chelsea nickte bestätigend. Dann harkte sie sich bei ihm ein und gemeinsam holten sie Shadow aus seinem Stall.
 

<>
 

Nathalie und Mark hatten einen gemeinsamen Ausflug zur Göttinnen-Quelle gemacht. Zu dem Ort, wo ihre Geschichte begonnen hatte. Gedankenverloren starrten beide auf die Oberfläche der glitzernden Quelle. Zu dieser Jahreszeit sah sie einfach traumhaft aus.
 

„Ich fühle mich gerade, wie in einem Märchen.“, flüsterte Nathalie ihrem Freund zu.
 

„Ja, es ist bezaubernd. An diesem Ort habe ich mir damals von der Erntegöttin etwas gewünscht.“
 

„Tatsächlich? Was? Ist es auch in Erfüllung gegangen?“
 

„Besser als ich es gedacht hatte.“
 

Prompt zog Mark seine Freundin näher zu sich heran und küsste sie. Das pinkhaarige Mädchen erwiderte den Kuss und verlor sich, wie so oft, in seiner Zärtlichkeit, die ihr häufig die Sinne raubte.
 

„Was war es denn nun für ein Wunsch?“, fragte Nathalie erneut, als der Kuss beendet war.
 

„Soll ich es die verraten?“
 

„Nur wenn du willst. Auch wenn ich ziemlich neugierig bin.“
 

Mark lächelte. „So kenne ich dich. Aber ich hatte sowieso vor es dir zu erzählen. Also, weißt du noch, wie wir hier zum ersten Mal gemeinsam gewesen sind?“
 

„Ja, daran erinnere ich mich noch sehr gut. Ich bin heulend weggelaufen.“
 

„Und du wolltest mir weis machen, dass du etwas im Auge hattest. Ich habe gleich gemerkt, dass das nicht stimmte. Nun gut. Als du dann weg warst, war ich verzweifelt. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Denn auch für mich war das eine neue Erfahrung. Ich wusste bloß, dass ich dich nicht verlieren wollte. Also, habe ich mir von der Erntegöttin etwas gewünscht. Ich habe gehofft, ob sie nicht einen Rat wüsste, was ich tun sollte. Selbstverständlich weiß ich, dass man mit ihr nicht verbal kommunizieren kann, dennoch wünschte ich mir von ihr Beistand und das du nicht mehr so traurig bist.“
 

„Das ich nicht mehr so traurig bin? Wie meinst du das?“
 

„Du hast für mich immer so verloren gewirkt. Irgendwie wollte ich dir helfen. Doch je näher ich dich kennen lernte, desto mehr wollte ich bei dir sein, desto mehr Gefühle entwickelte ich für dich.“
 

„Aber Mark, dass…Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“
 

„Du musst gar nichts sagen. Ich wollte nur, dass du es weißt und ich hoffe, dass sich mein Wunsch auch erfüllt hat.“
 

Lächelnd sah er ihr tief in die Augen.
 

„Ich kann keine Traurigkeit mehr sehen.“, sagte er nach kurzer Zeit.
 

Nathalie errötete. „Da wirst du auch keine mehr finden.“, antwortete Nathalie. „Dein Wunsch hat sich erfüllt.“
 

„Darüber bin ich erleichtert. Küsst du mich nochmal?“
 

„Sonst fragst du doch auch nie.“
 

<>
 

Gemeinsam ritten Chelsea und Vaughn durch den Wald in den Bergen. Das junge Mädchen war ganz neugierig, was Vaughn mit ihr im Wald zu suchen hatte. Ausnahmslos alle Bäume waren blätterlos. Es war ruhiger als sonst. Kein Vogelgezwitscher war zu hören. Chelsea war nur froh, dass sie nicht alleine hier war. Allmählich ging die Sonne auch schon unter.
 

„Wir sind da.“, rief Vaughn.
 

Gespannt sah sich Chelsea um. Dann entdeckte sie die Höhle, in der ihr Bruder und sie Vaughn damals entdeckt hatten, als es zu regnen anfing und sie einen Unterschlupf brauchten.
 

„Die Höhle also.“, sagte Chelsea.
 

„Ja. Gehen wir hinein.“
 

Sie stiegen von Shadow ab und banden ihn am nächsten Baum fest. Hand in Hand betraten beide die Höhle. Chelsea staunte nicht schlecht, eine Decke auf dem Boden zu sehen.
 

„Was hat das zu bedeuten?“
 

„Ich dachte, wir machen es uns hier etwas gemütlicher. Der Boden ist doch schon recht kalt geworden.“
 

„Aber wozu?“
 

„Setzen wir uns erstmal, okay?“
 

Rasch ließ sich Vaughn auf die Decke nieder. Chelsea zögerte kurz, setzte sich dann aber doch. Sofort nahm Vaughn seine Freundin in die Arme, damit beiden nicht ganz so kalt war.
 

„Ich bin gerne hier.“, begann Vaughn zu erzählen. „Es ist ein ruhiger und friedlicher Ort. Hier konnte ich mich jedes Mal entspannen, wenn die Arbeit zu stressig war oder die Bewohner mich wieder genervt hatten. Anfangs fiel es mir gewaltig schwer, mich drauf ein zu lassen. Auf das Inselleben, meine ich.“
 

„Ich finde, du hast es aber ganz gut bewältigt. Außerdem hatte ich in letzter Zeit nicht das Gefühl, dass du genervt warst.“
 

„Das ist richtig. In erster Linie habe ich es dir zu verdanken.“
 

„Was habe ich denn getan?“, verdutzt sah Chelsea ihren Freund an.
 

„Du warst die einzige, die immer wieder mit mir gesprochen hatte, egal wann und wo. Du hast jedes Mal gelächelt und so fröhlich dabei ausgesehen. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich vor dieser Insel, so freundlich angesehen worden bin. Die Leute haben mich in Ruhe gelassen. Es war mir recht so. Etwas anderes, dachte ich zumindest, brauche ich nicht.“
 

„Ist wirklich alles okay, Vaughn?“
 

Vaughn schmunzelte. „Siehst du, und wieder machst du dir Sorgen um mich. Aber keine Sorge, dafür besteht kein Grund.“
 

Zärtlich streichelte er seiner Freundin über das Gesicht. Zufrieden schmiegte sich Chelsea enger an Vaughn.
 

„Ich kam ahnungslos hierher. Ich dachte, ich müsste bloß für eine Weile hier arbeiten und dann verschwinde ich wieder. Ich wusste schließlich nicht, wie ernst der Gesundheitszustand meiner Tante war. Das merkwürdige war nur, dass ich die ganze Zeit über nicht ein einziges Mal das Bedürfnis verspürt habe, von hier fort zu gehen. Vermutlich nie wieder.“
 

„Das hoffe ich. Du bleibst doch bei mir?“
 

„Hab keine Angst, das wird nicht passieren. Garantiert nicht.“
 

„Da bin ich aber froh. Ich wüsste auch gar nicht mehr, was ich ohne dich tun sollte. Es ist für mich zwar noch ziemlich neu und trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich ohne dich nicht mehr sein kann.“
 

„Mir geht es genauso. Du bist auch der Grund, dass ich nicht vorhabe, diese Insel jemals wieder zu verlassen. Ich weiß gar nicht, wie ich es beschreiben soll. Du hast mich aufgefangen, als ich drohte vollends zu versinken. Ich dachte, dass ich es nicht verdient habe von jemanden so gemocht zu werden, wie du es anscheinend tust.“
 

„Vaughn, ich…“
 

„Nein, bitte. Lass mich ausreden.“ Behutsam legte er ihr einen Finger auf die Lippen.
 

„Chelsea, du bist diejenige, bei der ich mich zu Hause fühle. Ich habe das Gefühl endlich meinen Platz im Leben gefunden zu haben. Und den möchte ich mit dir an meiner Seite verbringen. Wenn es geht für immer.“
 

Sanft legte er seine Lippen auf ihre und atmete ihren unwiderstehlichen Duft ein.
 

„Ich liebe dich.“, hauchte Vaughn ihr zaghaft ins Ohr.
 

Vor Freude kamen Chelsea die Tränen, die sie zugleich wegwischte.
 

„Wie dumm von mir. Du sagt sowas Schönes zu mir und ich heule.“
 

„Solange es aus Freude geschieht, bin ich damit einverstanden.“
 

„Natürlich freue ich mich. Oh, Vaughn. Ich möchte auch an deiner Seite sein, solange es geht. Ich…ich liebe dich doch auch.“
 

Die einzige Reaktion darauf, war wieder ihre Lippen miteinander zu versiegeln. Das junge Paar hatte sich nach langer Zeit endlich gefunden und würden so schnell nicht wieder voneinander loslassen. Auch wenn niemand von ihnen sagen konnte, wie es mit ihnen weiter gehen wird, so hatten sie diesen Moment, um sich immer wieder daran zu erinnern, was sie beide verband. Tiefe, innige Gefühle, die so plötzlich aufgetaucht waren, dass man sie nicht einfach so wegfegen konnte. Vaughn und Chelsea liebten sich, bereits viel länger als ihnen bewusst war. Es war schwierig für beide gewesen, aufeinander zuzugehen. Dennoch, hatten sie es geschafft und zueinander gefunden.
 

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The End



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Kommentare zu dieser Fanfic (12)
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Von:  SakuraHatake90
2019-05-23T15:54:07+00:00 23.05.2019 17:54
Super ff bin erst vor zwei Tagen darauf gestoßen und war bis jetzt in meiner Freizeit am lesen obwohl auf der Arbeit war ich auch am lesen in der Pause
Von: abgemeldet
2015-03-30T15:44:42+00:00 30.03.2015 17:44
Die Geschichte fängt schon einmal sehr gut an.
Ich habe die Story von der Sonnenscheininsel geliebt und habe eigentlich so gut wie jeden Harvest Moon Teil gespielt und Vaughn war immer einer meiner Lieblinge. :)
Ich bin noch gespannt wie du ihn rüber bringst in dieser FF und freue mich direkt auf das weiterlesen :D

lg Rei
Von:  AnnyShadowHeart
2014-07-17T02:37:07+00:00 17.07.2014 04:37
Ich bin einfach nur... sprachlos und tief berührt, du hast es mitsoviel hingabe geschrieben, da kann ich nichts anderes seon als sprachlos! Ich bin selber ein Harvest Moon Fan und habs selber immer auf Vaughn abgesehen ;)
Dieses Gefühl in dieser Geschichte... Einfach wow! Bitte schreib mehr FF's!
Antwort von:  jane-pride
19.07.2014 11:24
Hi! Ich bin ziemlich überrascht, nach längerer Zeit wieder einen Kommentar zu meiner Fanfiction bekommen zu haben. Umso mehr, freue ich mich natürlich.

Ach ja, Chelsea und Vaughn, gerade Vaughn hatte es mir ebenfalls angetan. Ihm umgibt etwas Geheimnisvolles. Eine weitere Geschichte zu diesem Pärchen läuft bereits. Vielleicht magst du da auch mal reinlesen. Allerdings, dauert es, bis die Handlung so richtig Gang kommt. Gerade der Anfang, mit dem bin ich nicht ganz zufrieden, aber die weiteren Kapitel bauen darauf auf, weswegen ich es auch nicht mehr ändern möchte.

Also, noch mal vielen Dank für deinen unerwarteten Kommentar!
jane-pride
Von:  Phantom_Kim
2013-12-01T18:30:23+00:00 01.12.2013 19:30
Alter das war ja schon zu schön ich habe jetzt immer noch Tränen in den Augen.
Antwort von:  jane-pride
01.12.2013 20:29
Hallo!
Das ist mal wieder eine Überraschung! Ist schließlich einige Zeit, dass ich ein Kommentar bekommen. Umso mehr freue ich mich, wenn es dir auch gefallen hat. Und wenn sie zusätzlich zu Tränen rührt, fühle ich mich geschmeichelt.

Also, vielen lieben Dank! Ich wünsche dir noch eine schöne Adventszeit.

jane-pride
Von:  Keb
2012-12-30T17:50:40+00:00 30.12.2012 18:50
Hi! ^^
Ich finde es toll, dass nicht nur die beiden und ihre Liebesgeschichte erzählt wird. Sondern auch die Geschichten in ihrem Umfeld.

Mir hat das Kap gut gefallen! :)
Mach weiter so!

LG Keb
Von:  Marronfan
2012-12-23T23:51:11+00:00 24.12.2012 00:51
Schöön. ^^ Das geht runter wie Öl, endlich sind sie zusammen. ^^
Von:  Marronfan
2012-10-29T19:18:56+00:00 29.10.2012 20:18
Ich finds gut, dass es so lang geworden ist. ^^
Wieder sehr schön geschrieben, mir gefällt dein Stil.
Freu mich auf die Fortsetzung! :)
Von:  Marronfan
2012-10-29T10:13:14+00:00 29.10.2012 11:13
Hey hey,

ich hab mir jetzt deine FF durchgelesen und kann nur sagen das mir deine Story richtig gut gefällt. Ich bin sehr gespannt wie es weiter geht. ^^ Hoffentlich bald. ;)

LG Marronfan
Von:  Keb
2012-09-13T17:11:31+00:00 13.09.2012 19:11
Hi ^^

Ich muss sagen, dass ich dieses Kapitel auch bisher am besten fand. :)
Bin echt neugierig wie weiter geht!

Bis denne
Keb
Von:  Keb
2012-09-09T12:06:35+00:00 09.09.2012 14:06
Hi ^^

So nun habe ich auch das 3. Kap gelesen und finde es klasse. Die Geschichte wird immer interessanter. Bin gespannt was noch so alles kommt.
Mach weiter so.

LG Keb


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