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Rot-Weiß-Rot im Alphabet

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B-Blutgericht

Antonio trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Er wollte nicht hier sein. Auf der einen Seite hatten die Verurteilten ihr Los verdient, aber auf der anderen Seite wollte er nicht Zeuge werden wie Roderich von seinem (Antonios) Schützling erniedrigt wurde. Der Österreicher stand mit einem verkrampften Gesichtsausdruck vorm Fenster und sah sich gezwungener Weise das Schauspiel an. Mit jedem Schwertstreich des Henkers verkrampften sich die Hände des bleichen Braunhaarigen immer mehr um den Sims des Fensterbrettes. Antonio meinte sogar das Kratzen der Nägel auf dem kalten Stein zu hören. Ferdinand, sein Schützling, welcher ab nun über die Österreichischen Länder regieren wird, stand an einem der Nachbarfenster und blickte mit unbewegter Miene auf den Platz. Wieder verkündete der Ausrufer das Vergehen des nächsten Delinquenten und der Henker hob das Schwert über dessen Haupt. Der Streich saß gut und der Kopf rollte sauber abgetrennt auf den Boden. Die spanischen Mitglieder vom erlauchten Zirkel des Habsburgers feixten schadenfroh über das Schicksal der Verurteilten.

Vor zwei Tagen waren die adligen Mitglieder dieser Ständeaffaire, wenn man es so nennen konnte, hingerichtet worden. Mit Schaudern erinnerte sich Antonio an den Aufstand, den der Repräsentant der österreichischen Länder gemacht hatte. Beinahe wäre er dabei auf einen besonders kecken spanischen Adligen losgegangen, als dieser sich über die Lage der Wiener lustig machte. Der einzige Grund weshalb dessen Nase noch dort saß wo sie sollte, bestand darin, dass Antonio im letzten Augenblick dazwischen gegangen war um größeren Schaden zu verhindern. Diese zornige und unbeherrschte Seite kannte er von Roderich nicht. Als er ihn vor vielen Jahren bei der Doppelhochzeit zum ersten Mal richtig wahrgenommen hatte, hatte er einen kühlen und distanzierten jungen Mann kennengelernt, welcher eine unnatürlich große Begabung zur Musik besaß. Doch damals hatten weder er noch Roderich gedacht, dass ihre Zukunft durch diese Heirat von Phillip des Schönen von Habsburg mit Johanna der Wahnsinnigen so eng mit einander verschlungen sein würde.

Der letzte Kopf rollte auf den Boden des Platzes. Antonio konnte sehen, wie Roderich die Zähne aneinander mahlte. Hier ging es zwar auch um das Los dieser Männer, doch Roderich war politisch gesehen kein Dummkopf. Er wusste, dass diese unmissverständliche Botschaft ihm galt, um erst gar nicht auf dumme Gedanken zu kommen.

Ferdinand strich sich noch einmal kurz über den Bart und wandte dann den Kopf dem Repräsentanten der österreichischen Länder zu. Als die Menge begann sich unten zu verstreuen und die Henkersknechte die Leichname den Totengräbern übergaben, löste der Österreicher die Hände vom Sims und wandte sich zum Gehen an. Der Habsburger räusperte sich kurz, worauf die Wachen Roderich grob zurück hielten. Zornig erwiderte dieser den Blick seines neuen Herrn. Antonio fühlte sich mehr und mehr unbehaglich. Er hatte immer mehr das Gefühl, zwischen die Fronten geraten zu sein.

Warum hatte er auch nur Ferdinand in dieses Land begleiten müssen?

Eine lange Schweigepause trat ein, bei der sich der Braunhaarige mit dem Herrscher ein stummes Blickduell lieferte. Schließlich gab das Erzherzogtum nach.

"Habe ich eure Erlaubnis mich zurückzuziehen, Herr?"

Ferdinand lächelte zufrieden, doch seine Augen blieben kalt. Er machte eine wegwerfende Handbewegung, als würde er einen Hund für ein Kunststück loben, welches dieser eben begriffen hat.

"Du darfst dich jetzt in deine Gemächer zurück begeben."

Die Wachen zogen ihre Hände von den schmalen Schultern des Österreichers weg, doch bevor dieser die Tür erreichen konnte, begann der Fürst erneut zu sprechen.

"Noch etwas Österreich, du wirst Senor Antonio nach Spanien begleiteten."

Verwundert drehte sich die Nation um, und sah den Mann mit einem verständnislosen Blick an, ebenso wie Antonio.

"Ich verstehe nicht, Herr. Warum? Mein Platz ist doch hier!"

Ferdinand begann wieder den Bart um den Finger zu zwirbeln.

"Ich möchte, dass du die Gepflogenheiten des spanischen Hofes lernst."

Darauf lief es also hinaus. Der Habsburger wollte sich nicht an die Landeskultur seiner österreichischen Vorfahren anpassen, sondern seine vertraute, die spanische, in die österreichische Gesellschaft einführen. Antonio konnte den Blick des Erzherzogtums auf sich spüren. Roderich machte den Mund auf um etwas zu erwidern, doch er schloss ihn gleich wieder als er es sich anders überlegte. Dann nickte er nur kurz. "Ich habe verstanden, Herr."

"Gut, Ihr werdet morgen in der Früh aufbrechen."

Ferdinand gab seinem Gefolge einen Wink und schritt an dem österreichischen Erzherzogtum vorbei, durch die Tür hinaus. Als sie nun allein gelassen wurden, schritt Antonio zögerlich auf den Österreicher zu.

"Es tut mir leid, Amigo.", sprach er in einem holprigen Italienisch. "Du wirst sehen, er wird ein guter Herrscher sein..."

"Ach hör schon auf!", fuhr ihn Roderich an, wobei er ganz auf seine Manieren vergaß. "Uno, bin ich NICHT dein Freund. Duo, habe ich nie nach diesem 'Gescherten' (er fiel kurz in seinen deutschen Dialekt zurück) da verlangt..."

Er wollte noch zu einem dritten Punkt ansetzten, entschied jedoch es darauf beruhen zu lassen und versuchte sich innerlich zu beruhigen. Als er wieder zu Antonio aufsah, nahm er seine gewohnte distanzierte Haltung ein. "Bitte entschuldige mich, ich wollte nicht grob werden. Es ist nur so, dass es mir sehr nahe geht wenn Wien in Konflikten involviert ist. Ich bin in diesen Zeiten immer gereizt."

Antonio lächelte zögerlich. "Wien ist nicht immer die einfachste Stadt, nicht wahr? Aber du stehst ihr sehr nahe."

Roderich versuchte sein Lächeln zu erwidern. "Wenn du so willst, repräsentiert Wien meine aufständische Seite."

Er machte eine Handbewegung Richtung Tür und begleitete die spanische Nation hinaus. Der Spanier hatte das leichte Gefühl, dass sich die Situation zwischen ihnen entspannte. Zwar nicht viel, aber immerhin genug, um das Eis zwischen ihnen ein wenig einzubrechen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Betagelesen von fodazd
Anmerkung: a Gescherter oder auch Gscherte ist im wienerischen ein Zugereister (Fremder, Provinzler, Tölpel,…)
„->Schmähwort der Wiener gegenüber Leuten vom Land, diese Antworten mit dem Ausdruck Weana Bazi (= arroganter Wiener) „-Auszug aus Wörterbuch der Alltagssprache Österreichs Komplett anzeigen

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