#447 Riolu
RIOLU
Das Riolu rannte hastig über ein großes Feld. Es schaute laufend über seine Schulter, um sich zu vergewissern, dass ihm niemand folgte. Stunden war es schon gerannt, weg von den bösen Menschen, die ihm etwas antun wollten. Ein paar Tage zuvor wurde es von Pokémon-Jägern eingefangen, zusammen mit vielen anderen seiner Artgenossen. Einige hatten es geschafft zu entkommen und sie waren nun gemeinsam mit Riolu auf der Flucht gewesen.
Doch während es durch die Dunkelheit gerannt war, hatte es alle seine Freunde im Wald verloren, vielleicht war es zu schnell für sie, vielleicht war es zu angsterfüllt, um es zu merken.
Oder vielleicht konnte es selbst nicht mit ihnen mithalten?
Das Schwalbini war weg geflogen.
Das Digda hatte sich vergraben.
Das Abra hatte sich teleportiert.
Doch das kleine Riolu hatte nur seine Beine, welche ihn zwar flink von einem Ort zum anderen trugen, aber welche ihn nicht vor jeglichen Gefahren schützen vermochten, die auf dem Weg lagen.
Der Mond war von einer dunklen Wolkenschicht verdeckt und das Pokémon war zu verschreckt, um sich auf die Nacht zu konzentrieren. Es rannte ziellos über große Felder, bestieg Berge, die hoch in den Himmel ragten, und fegte durch tiefe Täler.
Die Sonne lugte bereits hinter den Bergen hervor und erschrocken blieb das Riolu stehen, als sich einige Häuser am Horizont abzeichneten. Jedoch war das kleine Pokémon zu erschöpft, um noch weiter zu gehen. Völlig außer Atem lehnte es sich gegen einen Baum und schlief kurz darauf ein.
Ich nahm das kleine Pokémon auf den Arm und trug es zu mir nach Hause. Viele Schrammen fanden sich auf seinem kleinen Körper vor und es war völlig durchgeschwitzt. Mit dem Gedanken daran, es wieder aufzupäppeln, las ich es vom Waldrand auf und legte es in meinem Haus auf viele weiche Decken und Kissen, kümmerte mich um seine Wunden. Leider befand sich kein Pokémon Center in der Nähe, zu dem ich es bringen konnte, deswegen hoffte ich darauf, dass es nicht allzu schwer verletzt war.
Gespannt wartete ich nun darauf, dass es wieder aufwachte. Es atmete nur schwach und es sah völlig ausgehungert aus, deswegen konnte ich es kaum erwarten, ihm etwas zu Knabbern zu reichen. Ich rutschte auf meinem Stuhl hin und her und stieß kaum hörbare Seufzer aus.
"Wann wachst du endlich auf, kleines Pokémon?", murmelte ich ungeduldig und just in diesem Moment schlug das Pokémon die Augen auf.
Erschrocken fuhr es auf und starrte mich an. Es schien einen Moment lang nachzudenken, bevor ihm bewusst wurde, wo es war, und sprang stürmisch auf. Ich konnte jede Emotion auf dem Gesicht des Pokémons ablesen, als es panisch nach einem Ausweg suchte. Es huschte unter mein Bett und ich konnte ein leises Wimmern hören.
Mir fiel erst in diesem Augenblick auf, welch unangenehmes und erdrückendes Gefühl von dem Pokémon ausging, welches, je lauter das Wimmern wurde, zunehmend an Stärke gewann.
"Ich will dir nichts tun", versuchte ich es zu beruhigen. Ich hätte damit rechnen müssen, dass es vor Menschen Angst hat, und hasste mich jetzt selbst ein wenig dafür. "Sieh mal, ich habe auch etwas zu Essen für dich."
Ich stellte eine Schüssel gefüllt mit Beeren vor das Bett und wich einige Schritte zurück. Ich redete auf das Pokémon ein, als es sich jedoch nicht mehr zu rühren begann, sagte auch ich nichts mehr.
Nach einer Weile durchbrach ich das Schweigen, in dem ich aus Langeweile ein bekanntes Lied summte.
Zu meiner Überraschung schien das Lied das kleine Wesen zu beruhigen, ja, fast zu ermutigen, wieder aus seinem Versteck zu kommen. Ich merkte, wie das unangenehme Gefühl allmählich verblasste und das Pokémon eine Pfote unter dem Bett herausstreckte, um sich eine Beere zu nehmen.
Es verschlang die Beere förmlich und nahm sich noch eine und noch eine, bis keine mehr da waren.
Dann, ganz langsam, traute es sich unter dem Bett hervor und stellte sich auf.
Es lächelte mich an und ich lächelte zurück.
Pokédex-Einträge von Riolu:
Diamant: "Die Aura, die dieses PKMN umgibt, verstärkt sich, wenn es zeigen will, dass es ängstlich oder traurig ist."
Perl: "Sein Körper ist schlank, aber kräftig. Es kann in einer Nacht 3 Berge und 2 Täler durchqueren."
Platin: "Es hat die eigenartige Fähigkeit, Gefühle wie Freude oder Wut in Wellenform zu sehen."