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Kurt das war's

von

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Krankheitstage

XXV – Krankheitstage
 

Lukas sollte nicht recht behalten mit dem, was er über Hannes Zustand gesagt hatte. Ihm ging es noch genauso schlecht wie bei Kurts letztem Besuch an Weihnachten. Er lag auch noch unverändert im Bett, immer mit geschlossenen Augen und langsamem, leisem Atem. Kurt setzte sich an Hannes Bett und griff nach seiner Hand, die er neben sein Gesicht auf das Kissen gelegt hatte. Kurz darauf öffnete Hanne die Augen ganz und lächelte Kurt dankbar an. „Schön, dass du gekommen bist.“, sagte er und erwiderte den leichten Händedruck.

Auch Kurt lächelte. Er war unfähig, irgendetwas zu sagen. Es fühlte sich merkwürdig an, neben Hannes Bett zu sitzen mit dem Gedanken, dass er vielleicht schon bald sterben musste. Er hatte sich selbst verboten, diesen Gedankengang Hanne gegenüber anzusprechen oder mit ihm allgemein direkt über seinen schlechten Zustand zu reden, da er glaubte, dass es Hanne verletzen würde. Auch Kurt selbst wollte diese Dinge nicht wirklich wahrhaben. Am liebsten hätte er geweint, aber er musste für Hanne stark bleiben. Doch noch viel lieber hätte Kurt Hanne an den Schultern gepackt, ihn geschüttelt und ihm ins Gesicht geschrien, dass er endlich gesund werden sollte.

Kurts Hals fühlte sich wie zugeschnürt an, während er Hannes blasses Gesicht und seine mageren Glieder ansah. Ein ekliges, verzweifeltes Gefühl der Machtlosigkeit überkam ihn.

„Ich kann mir denken, was du jetzt fühlst.“, sagte Johannes plötzlich und zog seine Hand aus der von Kurt. „Es ist dieses zwiespältige Gefühl, dass man etwas genau weiß, es aber nicht wissen möchte, richtig? Du darfst gerne darüber reden und musst dich meinetwegen nicht zurückhalten. Ich weiß sehr genau, wie beschissen es im Moment mit mir aussieht. Wir alle müssen uns mal verabschieden, nicht wahr? Die einen früher, die anderen etwas später.“ Er sah nicht zu Kurt, sondern ließ seinen Blick zu irgendeinem Punkt an der gegenüberliegenden Wand abschweifen.

Kurt biss sich auf die Lippen. Ihm gefiel es nicht, wenn Hanne so redete. Früher wäre das nie denkbar gewesen, dass er so über den eigenen Tod sprach. Damals hätte er noch um jede einzelne Minute gekämpft. Schließlich hatte er doch immer wieder gesagt, wie dumm es wäre einfach aufzugeben.

„Du verstehst mich nicht, Kurt, oder?“, fragte Johannes wieder und seufzte, schlug die Augen nieder. „Ich hab inzwischen einsehen müssen, dass ich so nicht mehr ewig weiter machen kann. Schau mich doch nur mal an, Kurt.“ Er sah unglücklich zu Kurt auf. „Auch Dr. Müller hat mir schon ein paar Mal gesagt, dass ich wirklich Glück habe, dass ich mit meinen Werten noch so gesund geblieben bin. Seit ich dieses Kaposi Sarkom hatte, ist einfach nichts mehr wie vorher. Ich hatte immer wieder Ausschläge oder ähnliches. Ich war eigentlich ständig müde oder hatte leicht erhöhte Temperatur. Das gilt eigentlich alles als AIDS-definierend, zumindest, wenn es so zusammenhängend auftritt wie bei mir im Moment. Ich mache mich eigentlich jetzt schon darauf gefasst, dass es mir bald noch schlecht...“

„Nein!“, rief Kurt. „Hör auf so einen Mist zu reden! Früher hast du immer gesagt, dass man sich nicht einfach hängen lassen darf und dass man das Leben genießen soll. Du hast...“

„Das ist so nicht richtig.“, unterbrach ihn Hanne mit ruhiger fester Stimme und griff wieder nach Kurts Hand. „Oder eigentlich ist es gar nicht wirklich falsch, Kurt. Weißt du, Dr. Müller hat schon so oft meine Werte nach der Blutuntersuchung mit mir besprochen, dass ich einfach weiß, dass sie beschissen sind und es nichts zu beschönigen gibt. Die Zahl der Viruskopien steigt an, während das Immunsystem langsam immer schwächer wird. Das war eigentlich immer seine Aussage.“

Kurt nickte. „Und deine Medikamente?“ Er klang nun schon wieder bei Weitem ruhiger, abgeklärter.

Hanne schüttelte den Kopf. „Es ist echt nicht einfach mit der Kombinationstherapie, Kurt.“, erwiderte er, seufzte leise „Ich hatte schon die eine oder andere Resistenz. Manche Wirkstoffe vertrage ich auch nicht, gerade auch wegen der Niere, die ja zum Glück seit dem Sommer wieder in Ordnung gekommen ist. Ich bin eigentlich sogar froh darüber, dass Dr. Müller mir deshalb von einer neuen Therapie abgeraten hat. Es war immer eine Anstrengung für mich, mich an neue Medikamente zu gewöhnen und mich dann wieder aufzurappeln. Verstehst du das?“

Kurt schwieg. Er wollte Hannes Aussage nicht verstehen, wusste aber dennoch tief drinnen, was Johannes meinte und musste ihm sogar Recht geben. Selbst wenn er jetzt noch einmal alle seine Kräfte ins Gesundwerden stecken würde, würde er in ein oder zwei Wochen wieder an diesem Punkt angelangt sein. Auch wenn Hanne jetzt mit anderen Medikamenten behan­delt werden würde, wäre das keine Garantie mehr dafür, dass es ihm wieder besser gehen würde. Sein Immunsystem leistete nicht mehr das, was es zuvor geleistet hatte und auch irgendwelche Medikamente konnten die Schäden nicht mehr einfach so reparieren. Ständig konnten ihn irgendwelche Krankheits­erreger, die kein gesunder Mensch spürte, schwächen. Genauso könnte die neue Therapie auch wieder seine Niere angreifen wie es bereits im Sommer einmal der Fall gewesen war und das zählte zu den Dingen, die man besser nicht provozieren sollte.

Und selbst wenn die neuen Wirkstoffe anschlagen würden – hätte sein Immunsystem überhaupt noch die Chance, sich wieder zu regenerieren, wie es in der letzten Zeit immer wieder der Fall gewesen war? Saßen die Schäden nicht schon zu tief?

Kurt glaubte nicht mehr an diese Art von Wunder. Inzwischen hatte er sogar den Verdacht, dass ihm Johannes so gut wie alle seine Begleitinfektionen verschwiegen hatte und es ihm schon sehr lange so schlecht ging. Eine Erkältung hätte er sicher bemerkt – aber was war mit irgendwelchen Hautkrankheiten wie die, die er ihm an Weihnachten gezeigt hatte? Er konnte wirklich nicht beurteilen, wie lange Johannes seine Immunschwäche bereits unter Verschluss gehalten und zusammen mit seinem Arzt an sich herumgedoktert hatte.

Kurt schüttelte den Kopf. Natürlich verstand er, was Johannes ihm hatte sagen wollen, doch das akzeptieren seines miesen Zustandes war wiederum eine ganz andere Sache. „Hanne, nein.“, sagte er nur. „Bitte sprich nicht so über dich selbst. Ich will einfach nicht, dass du solche Sachen sagst.“ Er sah wieder traurig zu Johannes wie dieser so blass in seinem Kissen lag. Oh, er verstand vielleicht um vieles besser, was geschehen war, als Johannes es vermutete.
 

Kurt erschrak als Johannes sich plötzlich aufsetzte und seine Arme um ihn schlang. Behutsam drückte er ihn an sich, strich ihm über den Rücken. Schließlich wanderte eine seiner Hände etwas höher, wo sie sich an Kurts Hinterkopf legte und ihm beruhigend übers Haar streichelte.

Kurt hielt völlig still und versuchte, seinen Atem gleichmäßig ein- und ausströmen zu lassen. Das, was ich hier gerade in seinem Kopf zu einem Gedanken formte, war schrecklich unangenehm, tat richtiggehend weh. Hannes Zeit war vielleicht wirklich schon bald abgelaufen. Oder zumindest würde seine Lebensqualität immer mehr abnehmen, wenn sich sein Zustand im selben Tempo weiter verschlechterte, wie es seit einigen Wochen der Fall war.

Vorsichtig befreite Kurt sich wieder aus den dünnen Armen, als er Hannes Nähe nicht mehr ertrug. „Ich sollte so langsam wieder nach Hause gehen.“, ließ er Hanne wissen, der noch immer auf der Matratze saß und die Decke um sich gewickelt hatte.
 

Hanne sank wieder ins Kissen zurück als die Türe von außen zugezogen wurde. Sein Kopf schwamm richtiggehend vor Angst. Angst davor, dass Kurt nicht mit dem umgehen konnte, was er ihm hier anvertraut hatte. Angst vor dem Grauen, das sich in den letzten Monaten in seinem Kopf angesammelt hatte.

Noch ehe er es verhindern konnte, rollte ihm eine Träne über die Wange, die er sofort mit der Bettdecke wegwischte. Er ließ es zu, dass sich noch weitere Tränen ihren Weg bahnten. Nein, es war eine einzige Katastrophe, die zusammen mit dem Arztgespräch von heute früh über ihn hereingebrochen war. Denn eigentlich hatte ihm Dr. Müller erst jetzt so richtig klar gemacht, wie scheußlich es tatsächlich um seine Gesundheit stand. Natürlich hatte er auch schon vor Weihnachten deutliche Worte ausgesprochen – doch irgendwie war es Johannes selbst bisher noch nie so schrecklich bewusst gewesen wie jetzt, was der Arzt meinte. Den innersten Kern der Bedeutung der Begriffe „AIDS“ oder „deutliche Immunschwäche“ konnte man nicht einfach bei einer viertelstündigen Besprechung von irgendwelchen Blutwerten erfahren – die Tragweite solcher leerer Begriffe musste zuerst einmal heranwachsen, sich ausbreiten.
 

Als die letzte Träne aus seinen Augenwinkeln auf das Kissen geflossen war, drehte Hanne seinen Kopf zur Seite und wischte sich schließlich die Wangen trocken. Am liebsten hätte er einfach noch ein wenig weiter geweint, doch das durfte er nicht. Er durfte sich nicht so gehen lassen, das wusste er. Natürlich würde es nicht möglich sein, hier in der Klinik gesund zu werden. Doch den Kopf in den Sand zu stecken, machte es bestimmt nicht leichter.

Hanne setzte sich auf, um einen Schluck Mineralwasser zu trinken, als die Schwester mit dem Abendessen und der Medizin hereinkam.

Während sie ihm sowohl das Tablett als auch die Medikamente reichte, erkundigte sie sich wie immer danach, wie es ihm ginge. Er antwortete, dass alles in Ordnung sei, fragte allerdings, ob er für die Nacht ein Schlaf- oder Beruhigungsmittel haben könnte, da er sich etwas aufgewühlt fühle. Sie sagte ihm zu, dass die Nachtschwester ihm gegen später Baldriantropfen oder ein anderes Medikament vorbeibringen würde.

Johannes war erleichtert darüber. Er wollte einfach nur durchschlafen dürfen und das Gespräch mit Kurt vergessen. Es war von Anfang an klar gewesen, dass Kurt die Situation nicht so einfach würde schlucken können. Hanne hatte schließlich auch selbst für dieses Akzeptieren mehrere Monate gebraucht.
 

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Lukas hatte sofort einige Veränderungen an Kurt bemerkt. Wie niedergeschlagen er manchmal heimkam, wenn er Hanne besucht hatte und er nicht darüber reden wollte. Lukas wusste, was vorgefallen war. Er wusste, dass Kurt nicht damit umgehen konnte, dass Hanne aufgegeben hatte. Er selber hatte es schon an jenem ersten Weihnachtstag gespürt. Es hatte schon gereicht, als er Hannes Miene gesehen hatte. Jener gleichgültige Ausdruck in seinen Augen. Lukas ließ Kurt einfach machen, da er wusste, dass es nichts bringen würde, wenn er ihn zurückhielt. Dennoch tat Kurt ihm leid. Es war schlimm, dass er mit ansehen musste, wie sein Freund langsam aber sicher immer zermürbter wurde. Seine äußere Schale wurde immer dünner.
 

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Es war Samstag und obwohl Kurt hundemüde war, besuchte er Hanne. Auch wenn er seinem Versprechen, ihn regelmäßig zu besuchen, in den letzten Monaten eher locker nachgekommen war, sah er es jetzt, wo es Johannes wirklich schlecht ging, beinahe schon als eine Art Pflicht an und er tat es insgesamt auch gerne. Er freute sich jedes Mal, wenn er Hannes glückliches Gesicht sah sobald dieser ihn bemerkte. Es war ein gutes Gefühl, gebraucht zu werden. Inzwischen hatte Johannes auch damit aufgehört, mit ihm über sehr schwere Themen wie Krankheit oder Tod diskutieren zu wollen. Im Gegenzug begann Kurt sogar damit, Johannes Zustand etwas neutraler zu sehen und sich einfach über jeden Tag zu freuen, an dem er aufstehen konnte. Natürlich gefiel es ihm noch immer nicht so recht, dass es Hanne so schlecht ging und dass er so mager war, aber dennoch war der Umgang damit etwas einfacher geworden.

Lukas schien ebenfalls gut damit umgehen zu können. Obwohl Kurt das Gefühl hatte, dass sich sein Freund um ihn sorgte und ihn ab und zu ziemlich argwöhnisch beobachtete, wenn er von einem Krankenbesuch bei Hanne zurückkam, sagte Lukas nie etwas dagegen.
 

Kurt erschrak, als er Johannes Zimmer betrat. Hanne lag nicht wie sonst immer in seinem Bett, sondern nur ein paar Schritte davor auf dem kalten Linoleum. Scheinbar war er bewusstlos geworden und hatte sein Trinkglas zerbrochen, dessen Scherben jetzt ebenfalls auf dem Fußboden lagen.

Kurt legte eilig seine Jacke ab und ging dann neben Hanne in die Hocke obwohl ihm sein Verstand sagte, dass er besser sofort die Schwester informieren sollte. Erst jetzt bemerkte er das Blut unter Hannes Arm, der in die Scherben gefallen war. Auch an seiner Handfläche blutete er.

Kurt fühlte sich wieder ähnlich hilflos wie damals bei Johannes zu Hause als dieser zum ersten Mal zusammengebrochen war. Ihm war klar, dass er Hanne nicht selbst helfen konnte und verließ den Raum wieder, um nun doch Hilfe zu holen.
 

Kurt wurde abgewiesen, als er wieder zu Johannes zurückkehren wollte. Stattdessen bat man ihn, auf dem Flur zu warten. Er hätte gerne gewusst, wie Hanne jetzt behandelt wurde. Natürlich würde man zuerst versuchen, ihn anzusprechen, ihn dann wieder aufs Bett legen. Danach würden dann seine Schnitte gereinigt und verbunden werden. Doch was würde sonst noch passieren? Durfte und konnte Johannes überhaupt noch selber aufstehen? Wie viel Selbstständigkeit hatte er noch? Natürlich war klar, dass Hanne schon einige Male vom Fieber bewusstlos geworden war. Aber wäre es nicht besser für Johannes, wenn er im Bett bleiben und nicht mehr versuchen würde, seinen Dickkopf durchzusetzen? Doch andererseits war ja gerade dieses selbstständige Aufstehen etwas, das sich Hanne möglichst lange bewahren musste. Er würde vermut­lich verrückt werden, wenn er für jeden Schritt Hilfe benötigen würde und nur noch bettlägrig wäre.

Kurt wurde bei gerade diesem letzten Gedankengang mit einem Mal schlecht, sodass er sich setzen musste.
 

Nach einer halben Stunde klopfte Kurt wieder an die Tür zu Johannes Krankenzimmer. Wie gewöhnlich bekam er keine Antwort und trat einfach ein. Johannes war wieder alleine, die Leute von der Klinik waren inzwischen gegangen. Außerdem hatte jemand die Scherben vom Boden aufgefegt und das Blut weggewischt.

Kurt trat zu Johannes, der in seinem Bett lag. Besorgt strich Kurt über seine Schulter, die halb unter der Decke verborgen war. Hanne war noch ein wenig blasser als sonst und wirkte außerdem sehr schmal im Gesicht. Auf seiner Wange, mit der er ebenfalls auf dem Boden aufgekommen war, prangte ein weißes Wundpflaster. Um seinen Arm war, soweit Kurt es erkennen konnte, ein straffer Verband gewickelt. Außerdem war auch seine Hand, die neben seinem Kopf auf dem Kissen ihren üblichen Platz gefunden hatte, dick verbunden worden.
 

Nach einer Weile des Anstarrens ließ Kurt sich auf der Kante des Krankenbettes nieder. Er wagte noch immer nicht Hanne anzusprechen, sondern blickte besorgt auf ihn hinunter.

Es durfte und konnte doch nicht sein, dass Hanne eine willenlose Hülle war, oder? Aber dennoch wirkte es jetzt so. Kurt wischte sich über die Augen. Er wollte es noch immer nicht wahrhaben, dass Hanne nun unausweichlich schwer krank war. Er wusste wohl von Anfang an, dass er HIV-positiv war, aber das war bisher nur ein leerer Begriff ohne jegliche Bedeutung für ihn gewesen. Doch nun verstand er ihn besser. Wie gerne hätte er Hanne einfach wieder zu dem gemacht, der er vor einem Jahr gewesen war. Aber Kurt konnte die Krankheit genauso wenig beeinflussen wie die Ärzte und Schwestern.

Nach kurzem Zögern strich er ihm nun doch über die rotblonden Haare und berührte seine warme Stirn. Hannes Lider zuckten; er war wach. Kurt fiel ein Stein vom Herzen. Er lächelte erleichtert, als Hanne die Augen ganz öffnete. „Hallo Hanne.“, sagte er leise. „Schön dich zu sehen. Frohes neues Jahr, auch wenn wir heute schon wieder den dritten haben.“

„Danke. Dir auch viel Glück.“, erwiderte Hanne und lächelte, zog jedoch schon im nächsten Moment die Brauen zusammen. „Ist etwas passiert, Kurt? Du guckst so unsicher.“ Er wollte sich aufsetzen um Kurt besser anschauen zu können, doch schon beim Versuch musste er ächzend aufgeben. Mit seiner verletzten Hand und dem Arm war jedes Abstützen unmöglich.

Kurt lächelte. „Vielleicht bleibst du besser liegen, Hanne.“, sagte er dann ernst. „Du bist vorhin als ich gekommen bin, bewusstlos auf dem Boden gelegen. Weißt du das noch? Du bist ziemlich blöd in deine Glasscherben gestürzt. Na ja, ich hab eigentlich mehr oder weniger gleich einen Pfleger geholt. Ich freue mich, dass dir nicht noch mehr passiert ist, Hanne.“

Noch immer misstrauisch beäugte Hanne ihn. Kurt hielt seinem Blick ebenfalls stand. „Du erwartest jetzt wohl, dass ich mich bei dir bedanke, was? Das kannst du vergessen. Ich kann dieses selbstgefällige Getue nicht ab. Du kannst dir dein ewiges dummes Helfen-wollen wirklich sparen!“ Hanne klang verächtlich. „Du bist dermaßen verlogen, dass mir fast schlecht davon wird!“

„Hanne, nein.“, widersprach Kurt schnell und sah ihn unglücklich an. Er konnte kaum verstehen, was Johannes jetzt schon wieder störte. Gerade eben war doch alles noch in Ordnung gewesen. „Du hast da was ganz falsch verstanden, wirklich. Ich hab nicht vor, mich hier als irgendjemanden darzustellen, der ich nicht bin. Ich will dir helfen, ja, das gebe ich zu, aber doch nicht deswegen, weil ich dir oder sonst jemandem etwas vorgaukeln will. Das musst du mir wirklich glauben, Johannes.“ Er unterbrach sich selbst, weil er ahnte, dass eine Diskussion mit Hanne keinen Sinn machen oder alles nur noch verschlimmern würde.

„Darum geht es doch gar nicht!“, schrie Johannes jetzt noch ein bisschen zorniger. „Lüg mich nicht so an. Glaubst du etwa, dass ich dir abkaufe, dass du dir nichts bei deiner Aktion gedacht hast? Du hältst mich wohl wirklich für dumm genug, dass ich einfach vergesse, dass du dir immer noch etwas vormachst.

Ich werde nicht wieder gesund! Auch nicht, wenn die Pfleger und Schwestern sich noch so viel Mühe mit mir geben und sich um mich zu kümmern. Wann kapierst du endlich, dass bei mir einfach nichts mehr gutzumachen ist? Meine Güte, ist das denn so schwer!? Ich bin fertig, Kurt! Dr. Müller hat schon lange damit aufgehört, mir irgendwelche Perspektiven zu geben, was meinen Zustand betrifft. Deine Hilfe und dein stumpfsinniges scheinheiliges Getue kannst du dir mittlerweile sonst wo reinstecken!“ Wütend knüllte er die Bettdecke mit seiner heilen Hand zusammen. Dann drehte er erschöpft den Kopf zur Seite und eine einzelne Träne quoll aus seinen Augenwinkeln hervor. Er wandte sich ab und rollte sich eng zusammen, als der Tränenfluss nicht aufhören wollte.

Kurt folgte seinem Verlangen, Hannes Oberarm zu streicheln. Dieser stieß ihn aber weg und schrie, dass er ihn endlich zufrieden lassen und verschwinden solle.

Geknickt verließ Kurt das Krankenzimmer. Was hatte er nun wieder falsch gemacht?



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