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Idomanulum

von

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Status Seeker

Status Seeker
 

Keuchen und Stöhnen um ihn herum. Laute Musik brachte seinen Körper und den all der anderen zum Vibrieren und Lichter flogen wie Geister über ihn hinweg. Blitze zuckten durch die Masse, vorbeirasende Fetzen von Leuchtpunkten erleuchteten verdrehte Arme und ausgestreckte Beine, die sich voller Hitze gegen nasse, bebende Hüften warfen. Aufgerissene Münder, die nach fremdem Speichel suchten, eingedrehte Augen, durchscheinende Ohren, wippende Brüste, wackelnde Hintern.

Alles wand und verschwand ineinander und übereinander, alles verknotete sich ineinander. Sie waren ein einzelnes großes Wesen, ein Bollwerk der Sünde, vereint in Wollust, Gier, oh Gier und so viel Sehnsucht.
 

Sehnsucht, ja. Gib’s mir noch mal, noch einmal, nur ein bisschen. Oh, ja, komm her, gib mir alles was du hast, noch mehr, immer mehr, ich will dich, ich will alles.

Ungeduld, Sehnsucht, schließ mich ein, nimm mich mit, lass mich Sklave sein und friss mich auf!
 

Es brannte in ihm und um ihn herum, Hitze und Kälte, so dicht hintereinander, dass er für Sekunden davon überzeugt war, seinen eigenen, riesigen Traum der Lust erschaffen zu haben. Riesige Tsunamis rollten über ihn hinweg und es erklang ein gigantisches, einziges Stöhnen, als das riesige Monster der Wollust kreischend und stöhnend seinen Höhepunkt erreichte.

Es war ein Kitzeln und ein Schlagen. Hin und hergezerrt, durch die Unendlichkeit geschleudert, wieder zurückgeworfen, eine Welle der Gier und ein Zucken nach mehr. Ein Erdbeben der Sinne.

Endlosschleife.

Noch einmal, noch einmal, noch ein letztes Mal...

Hände griffen nach ihm, berührten, streichelten und zerfurchten seine Haut. Es spielte keine Rolle. Ein Nervenschlag auf den anderen, jeder einzigartig, jeder in einer anderen Farbe.

Höher...noch höher...so hoch.

Sehnsucht, quäle mich, quäl mich nur noch ein bisschen, nur dieses eine Mal noch. Oh ja, bitte, Sehnsucht, weiter, ich brauch dich weiter, nur noch ein kleines Bisschen.
 

Aaaaaah...“
 

Für einen Moment war alles schwarz. Veith spürte, dass er den Boden unter den Füßen verlor, spürte gleichzeitig eine so plötzliche und überwältigende Erschöpfung, dass er nichts dagegen tun konnte und mit den staubigen, verschmierten Fliesen kollidierte.

Er brauchte einen Atemzug, dann richtete er sich auf, um der Masse an Dämonen, die in ihrer Welt der Wollust gefangen waren, nicht im Weg zu stehen, bevor sie ihn blind für alles um sie herum nieder trampelten oder erneut in die Gedärme ihres Monsters aufsogen.

Sich in einem sichereren Bereich am Rand der riesigen Tanzfläche aufhaltend und an der Wand lehnend sah er sich nach Saron um, aber er konnte den weißen Haarschopf nirgendwo entdecken. Die Luft war neblig und es roch nach Sperma und Schweiß. Überall zuckten und zitterten die Leiber in und übereinander, während grell leuchtende Sonnen in Scheinwerfervorrichtungen über sie hinwegfegten. Von außen sah es noch deutlicher so aus, als befände er sich mit einem riesigen, röhrenden Monster in dieser Discohalle.

Spielt keine Rolle.

Frische Luft.
 

Er drückte sich an der Masse der Gäste vorbei in Richtung Ausgang, gelangte nach draußen und sog die Nachtluft ein. Kühl und würzig, immer noch ein Hauch von Schwefel, aber erträglicher als tagsüber.

Veith schloss einen Moment die Augen. Immer noch hörte er den vibrierenden Bass aus dem Club, glaubte fast, immer noch all die Hände und Finger an seinem Körper zu spüren. Für Sekunden kribbelte es erneut in ihm, aber das Gefühl verging, als er die Augen wieder öffnete.

Die Straße, in der sich der Club befand, war gesäumt mit anderen Orten dieser Art und überall säumten sich vor den Eingängen der anderen Discotheken und Bars Dämonen, die alle nur nach der Befriedigung ihrer Gier nach Sünden gierten. Teilweise brutal, teilweise leidenschaftlich und lüstern fielen sie übereinander her und dabei spielte es keine Rolle, wer sich mit wem abgab – oder gar mit wie vielen.

Es gab keine Regeln für das Ausleben der Leidenschaften – nicht hier. Um nicht selbst schon im nächsten Moment wieder von einem anderen Dämon mitgenommen zu werden, ging Veith ein paar Schritte, bis er eine unbeleuchtete Nische zwischen zwei Gebäuden fand und in ihr verschwand. Das war nicht weniger abenteuerlich, als sich in die Gesellschaft einer der Nachtgestalten zu begeben, aber er ließ das Risiko, von einem Linkfinger, statt einem lüsternen Dämon überfallen zu werden für diesen Moment außer acht.
 

Veith bemerkte, dass seine Kleider über und über verschmiert waren, mit Körperflüssigkeiten, die er nicht kannte und die er auch nicht kennen wollte. Der Incubus verzog das Gesicht, bemerkte dann, dass sein Hemd einen brutalen Riss in der Seite hatte, den das wollüstige Massenmonster wohl hinein gebissen hatte, und beschloss schließlich, es einfach wegzuwerfen.

Mit einer schnellen Handbewegung streifte er es ab und ließ es achtlos fallen. Irgendwo würde sich schon etwas anderes finden.

Der kühle Wind strich über seine Brust und löste ein aufkommendes Gefühl der Befreiung von all den schleimigen, fließenden Überresten seines Abenteuers im Club.

Der Schwarzhaarige hatte als junger Dämon gehört, dass die Hölle im Grunde nur eine unvorstellbar riesige Höhle war, tief im Erdreich versteckt.

Er fragte sich oft, ob ein Dämon jemals den Rand dieser Höhle berührt hatte – und wo der Wind und der Ascheregen herkamen.

Aber die Antwort spielte keine Rolle. Es gab Fragen, die dazu da waren, dass man keine Antwort auf sie fand, um stets darüber nachdenken zu können und Veith war froh, dass er in der Lage war, darüber nachzudenken.

Außerdem zweifelte er daran, dass es wirklich so war. Es war einfach viel zu schwer, sich vorzustellen, wie groß diese Höhle dann sein musste. Und was dahinter alles liegen konnte...

Einige Minuten lang beobachtete der Incubus die vorbeiziehenden Lichtpunkte einer Sonne, die durch die Gassen wanderte.

Grün und Gelb schimmerten sie auf den schmutzigen Steinen.

Schmutz. Blut. Dreck.

Das ist die Welt in der ich lebe.

Er lächelte kurz und wusste gleichzeitig nicht, ob es ein bitteres oder ein freudiges Lächeln war. Bevor er die Lösung finden konnte, war es längst verblasst und ebenso nicht mehr wichtig.
 

Der Incubus verließ seine Nische wieder, um unbestimmt in eine Richtung zu laufen, vorbei an den zahlreichen anderen Nachtclubs. Wonach er suchte, wusste er nicht bestimmt. Vielleicht nach einem Clubbesucher, einem Kunden, einem Abenteuer oder Saron.

Er war gerade dabei, in einen angenehmen Gedanken zu versinken, als etwas seine Sinne durchzuckte.
 

Hahh...
 

Weiß... Rot... Angst...
 

Nein!
 

Verwirrt hielt der Dämon.

Es hatte sich angefühlt, wie ein Traum, ein sehr kurzer, wie ein Blitzschlag, der in einen fährt. Er sah sich um, aber entdeckte nichts Verdächtiges, was dieses Gefühl hätte hervorrufen können.

Ohne bestimmten Grund begann er, weiter zu laufen, fort von der Clubmeile und die unbelebteren Straßen drumherum zu durchwandern. Ein unangenehm feuchter Geruch ging von den alten Häusern aus, aber je weiter er ging, desto mehr verstärkte sich etwas in ihm...eine ihm unbekannte Empfindung, wie ein Impuls.
 

Keuchen. Flucht.

Verschwinde. Verschwinde!
 

Da war es wieder gewesen!

So schnell er konnte schloss Veith die Augen, in der Hoffnung, die Vision noch einige weitere Sekunden aufrecht zu erhalten. Vergeblich.

Er konnte sich nicht erinnern, dass ihm so etwas je zuvor schon einmal passiert war. Er war sich fast sicher, dass er mit einem Geist kommunizierte, so wie er mit dem Unterbewusstsein seiner träumenden Kunden kommunizieren konnte.

Wenn er also in die Gedanken dieses Geistes blicken konnte...vielleicht funktionierte es auch umgekehrt?
 

Wer bist du?
 

Wer bist du?
 

Wie durch ein Echo wurde seine gedankliche Stimme zu ihm zurückgeworfen. Der Incubus runzelte die Stirn, folgte weiter seinem Instinkt, fragte sich ob er nicht einfach viel zu viel Zeit in dem Club verbracht hatte, aber wusste gleichzeitig, dass diese Dinge andere Gründe haben mussten.
 

Doch mit einem Mal übermannte ihn eine Erschöpfung, die stärker war, als alles, was er bisher gekannt hatte. Stärker als jene, die ihn im Club auf den Boden geworfen hatte – wesentlich stärker sogar.

Er hatte keine Zeit, sich zu fragen, was mit ihm passierte oder warum.

Es fühlte sich an, als würde jemand direkt in seinen Körper hineingreifen und alle Adern zusammendrücken, als würde anstatt seines Blutes flüssiges Blei durch diese Adern fließen und als ob die Zeit ein unglaublich langsames Zahnrad war, welches ihn langsam aber unbarmherzig gegen den Boden presste, in diesen hinein, tiefer, bis zu einem harten, kalten Erdkern und in dessen Inneres.
 

Als ihn die Wirklichkeit wiederhatte, kam es ihm so vor, als sei er jahrelang auf einer intensiven, weiten Reise gewesen.

Zuerst nahm er das Gefühl seiner rauen, dreckigen Fingerkuppen wahr. Eine unwahrscheinlich detailgetreue Vorstellung all der feinen Linien und Einfurchungen tauchte vor seinem inneren Auge auf und mit dieser Vorstellung kam auch die Empfindung der Wärme seines eigenen Blutes in den Adern dieser Fingerspitzen.

Dann kam der Atem. Leise und gleichmäßig, ohne Hast. Das Heben und Senken des Brustkorbs. Seine Nasenhaare flatterten im Wind seines Atems und nahmen den bekannten Geruch seiner Wohnung war. Die Fenster mussten offen stehen, denn der Gestank von den Straßen zog hinein und vermischte sich mit dem Geruch. Dann hörte er Geräusche.

Ein Rauschen und ein Gewirr aus Stimmen, beides musste ebenfalls zusammen mit dem Gestank hineinziehen. Eine Weile hörte er zu und stellte fest, dass aufgeregte Stimmung auf den Straßen herrschte. Bevor er sich jedoch fragen konnte, warum – öffneten sich wie von selbst seine Augen und zeigten ihm die Decke seiner Wohnung – graue, vermutlich durchgefaulte Holzlatten. Vorsichtig richtete er sich auf, jemand hatte ihn in sein Bett gelegt. Der Wohnraum war leer bis auf ihn. Die ebenso graue Holzwand gegenüber starrte ihn an. Bis auf dem Bett, in dem er selbst lag, gab es noch ein weiteres, dann ein Regal, ein behelfsmäßiger Tisch der aus einem alten Brett und vier Röhren zusammen geschustert war und zwei Kisten, die als Stühle dienten. Das Fenster im Raum stand tatsächlich offen. Aus dem kleinen Wohnraum, den Veith sich mit Saron teilte, seit...eigentlich schon seit immer, wenn er darüber nachdachte, führte eine Tür in eine ebenso kleine, sogenannte Küche – die aus nicht viel mehr als einem weiteren Tisch und einem Schrank bestand, in dem sich von Zeit zu Zeit Vorräte befanden, die er und der Vampir irgendwo her ergattert hatten (auf legale, oder illegale Art und Weise).

Bis auf die Stimmen, die von draußen herein drangen, schien es still in der Wohnung zu sein. Er rief nach Saron und sofort sprang die Tür auf und der Vampir eilte herein.

„Bei allen sieben Todsünden!” , sagte er. „Ich hab schon gedacht, irgendwelche kranken Viecher hätten dein Hirn ausgesaugt.“

Veith stand auf, sah aus dem Fenster und schloss dieses bei der Gelegenheit auch sogleich. Ihre Wohnung war Teil eines hohen Wohnbaus und lag in beinahe ganz oben, sodass der Weg zu seinem geheimen Ausflugsort – dem Dachfenster – nicht allzu weit war. Er erblickte unten einen riesigen Tumult auf den Straßen, die gesamte Stadt musste auf den Beinen sein.

„Was ist da los?” , fragte er.

Für einen Moment sah Saron so aus, als wäre er entsetzt, wie jemand etwas Derartiges nicht wissen konnte – dann fiel ihm ein worüber er sich wenige Sekunden zuvor noch Gedanken gemacht hatte.

„Sie haben eine Feder gefunden, gestern Nacht.” , antwortete er also. „Von dem Engel! Du weißt schon, die Kleine, die den Jägern entwischt ist und so weiter. Weißt du, was das für ein Zufall ist? Die Leute sagen, es ist überhaupt nicht möglich eine Engelsfeder zu finden, weil sie sich direkt auflösen soll, wenn sie unseren Boden berührt. Aber sie haben die Feder zwischen zwei Brettern einer Holzfassade klemmend gefunden. Das ist unglaublich!“

Der Schwarzhaarige runzelte einen Moment die Stirn. „Gestern Nacht waren wir in dem Club, oder?” , fragte er sicherheitshalber nach. Sein Gegenüber nickte.

„Der Fund hat sich sogar ganz in deiner Nähe ereignet! Nicht zwei Straßen weiter!” , meinte er und seine Stimme klang begeistert, „Du hast dich fast mitten in einem Skandal befunden!“

Fantastisch...“
 

Wieder hatten sich einige Zornländler unter die Menge gemischt und er fragte sich, wie es wohl wäre, nicht in einer Grenzregion zu leben. Entweder furchtbar einfach oder furchtbar langweilig. Einige veranstalteten Orgien in der Menschenmenge, aber die allermeisten – und das war das Erstaunliche an dieser ganzen Szenerie – diskutierten. Angezogen.

„Die gesamte Jägerschaft ist wieder täglich unterwegs und sucht nach Hinweisen, alles wie vor ein paar Monaten. Man kann kaum in Ruhe durch die Straßen gehen, ohne in ein dieser haarigen Katzengesichter zu blicken. Meine Fresse, wenn die wüssten, wo du warst.“

Veith erkannte die Frage zwischen den Zeilen des Vampirs. Er erinnerte sich an die Visionen, die ihn wie blitzartige Träume getroffen hatten.
 

Ein Hilfeschrei?

Von wem?

...

Nein, wie sollte so etwas möglich sein?

Nein. So was funktioniert nicht. Nie.
 

„Ich glaub, mir hat die Luft in dem Club einfach nicht gut gegangen. Ich bin rausgegangen, dachte mir würde es dann besser gehen – na ja, war wohl nicht gerade der Fall.“

Saron zog beide Augenbrauen hoch.

„Schlechte Luft...Du hast echt mehr Glück als Verstand, Veith. Sei froh, dass ich dich zuerst in den Gassen gefunden hab.“

Der Schwarzhaarige nickte.

Er war wirklich froh. Hilfsbereitschaft war eine Eigenschaft, die extrem selten einem Dämon zugeschrieben wurde – höchstens wenn sie eigenen Nutzen erbrachte.
 

Du übertreibst und lügst wieder. Nicht selten – nie

Wen kennst du schon, außer Saron?

Sie hätten dich alle liegen gelassen.
 

Veith atmete einmal tief durch und die Gedanken verschwanden. Aber das unangenehme Ziehen im Unterleib, was sie heraufbeschworen hatten, blieb.
 

Vielleicht war es nicht die schlechte Luft – vielleicht wirklich nicht.

Vielleicht gibt es Dinge, die nicht möglich sind und trotzdem Realität werden.

Hoffentlich?

Nein...bleiben wir bei Vielleicht.
 

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